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BI, SIS®, Expertenstandards & Qualitätsindikatoren

Zusammenhänge erkennen – Fallen vermeiden - perfekt dokumentieren. Praxishandbuch für Einsteiger & Profis

von Jutta König (Autor:in)
260 Seiten
Reihe: Pflege Praxis

Zusammenfassung

Seit November 2019 laufen die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen. Sie sind komplex und verlangen noch mehr Know-how.
Dieses Buch zeigt, wie Sie das Begutachtungsinstrument (BI), die strukturierte Informationssammlung (SIS), die Expertenstandards und die Qualitätsindikatoren so miteinander verbinden, dass Sie eine hervorragende interne Qualität erreichen - und die externe Qualitätsprüfung gleich mit in den Blick nehmen.
Denn in der stationären Altenpflege ist die umfangreiche Qualitätsprüfung endlich Wirklichkeit. Mit den Qualitätsindikatoren gibt es nun eine Vollerhebung über die Ergebnisse in unterschiedlichen pflegerischen Bereichen.
Die Vernetzung der Instrumente ist eine Kunst, doch sie lässt sich lernen. Dabei ist dieses Buch ein hervorragender Begleiter: kompetent, leicht verständlich und immer praxisnah.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Seit November 2019 laufen die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen. Diese vollkommen neue, am Ergebnis orientierte Prüfung der internen und externen Ergebnisse von stationären Pflegeeinrichtungen hat eine Veränderung der bisherigen Systematik zur Folge.

Die Einrichtungen der ambulanten Pflege sowie die Tagespflegen erhalten zwar auch den sogenannten »neuen Pflege-TÜV«, werden aber keine internen Ergebnisse erheben müssen – vorerst! Die stationäre Altenhilfe aber erhebt künftig alle sechs Monate interne Ergebnisse – neben der jährlichen MDK-Prüfung. Und diese neue Thematik behandelt dieses Buch.

Benötigt werden dazu das Begutachtungsinstrument (BI), die Expertenstandards, die Pflegedokumentation sowie ein neues Erhebungsinstrument.

Das Begutachtungsinstrument und das Strukturmodell (oft nur SIS® – Strukturierte Informationssammlung – genannt) sollen nach Expertenmeinung nicht miteinander verknüpft werden, zumindest muss die Dokumentation das BI nicht abbilden. Die Überschriften in Modulen und Themenfeldern ähneln sich aber und laden zur Verknüpfung geradezu ein.

Hinzu kommen die Qualitätsindikatoren (QI) und die Qualitätsaspekte (QA), die ebenfalls an einigen Stellen sehr viel Ähnlichkeit mit den Inhalten des BI und der SIS® haben. Und dann müssen Sie auch noch die Expertenstandards im Blick behalten. Dort wird nichts anderes gefordert als das Wissen zum Klienten, z. B. in Sachen Mobilität und Risiken – was in der Dokumentation bereits abgebildet wird.

So kann man an vielen Stellen eine Vernetzung erkennen. Diese können/ sollen Sie nutzen, um die Bürokratie weiter abzubauen, den korrekten Pflegegrad für die Betroffenen zu erreichen, die interne Qualität zu steigern sowie die geforderte externe Qualität nachzuweisen.

Im November 2019 begann eine neue Ära der Qualitätsbemessung in Deutschland. Jede stationäre Einrichtung muss seitdem zusätzlich zu den externen Prüfungen künftig auch intern die Qualität messbar ermitteln und diese an die Datenauswertungsstelle (DAS) übermitteln (image Abb. 1).

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Abb. 1: Der neue Kreislauf der Qualitätsprüfung in stationären Einrichtungen.

Die ambulante Pflege und die Tagespflege-Einrichtungen erleben zwar auch neue Qualitätsprüfungen, aber unter anderen Voraussetzungen. So werden intern zunächst in absehbarer Zeit keine Qualitätsindikatoren erhoben werden müssen. Es bleibt also beim bisherigen Kreislauf (image Abb. 2).

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Abb. 2: Der Kreislauf der Qualitätsprüfung in der ambulanten Pflege bzw. in der Tagespflege.

Wichtig Stationäre Pflege – aufgepasst!

Um die neuen Prozesse zu verstehen und anzuwenden, ist es unbedingt notwendig, die Dokumentation incl. der Expertenstandards sowie das Begutachtungsinstrument zu beherrschen. Diese fließen in die neuen qualitätsindikatorengestützten Qualitätsprüfungen mit ein.

Das Strukturmodell, von vielen vereinfacht SIS® (obwohl die Strukturierte Informationssammlung nur ein Teil davon ist) genannt, hat einen Paradigmenwechsel in der Pflege verlangt und zum ersten großen Umdenken geführt. Sie führt weg von der rein pflegerischen Einschätzung der Pflegeprobleme, wie wir sie aus den letzten 40 Jahren Altenpflege kennen. 1977 gab uns Sr. Liliane Juchli im deutschsprachigen Raum ein Modell zur Planung der Pflegeprobleme: die »Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)«, erweitert bzw. abgelöst 1984 durch die »Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens (AEDL)« von Monika Krohwinkel.

Endlich gab es mit Monika Krohwinkel nach langen Jahren eine Deutsche, die ein Pflegemodell kreierte. Nicht verwunderlich also, dass man jahrzehntelang ihrem Vorgehen der AEDL (später »ABEDL«, wobei das »B« für »Beziehungen« steht) folgte. Der Nachteil all dieser Modelle war und ist: Sie basieren auf alten Erkenntnissen und wurden nicht wirklich weiterentwickelt.

2.1Die letzten 40 Jahre der Pflegemodelle verstehen

Vergleichen Sie die vier bekanntesten Pflegemodelle und versuchen Sie, wirkliche Unterschiede und Entwicklungen der letzten 40 Jahre zu erkennen (image Tab. 1).

Fakt ist, dass in 40 Jahren in der Alten- und Krankenpflege keine wirkliche Entwicklung stattfand. Wir haben oftmals lediglich die verschiedenen Modelle abgeschrieben, wenn Pflegeplanungen erstellt wurden. Wir hatten in allen Modellen immer den verrichtungsbezogenen Pflegebegriff. Stets wollten wir den Menschen ganzheitlich abbilden, haben ihn aber nur in eine Schablone gepresst, statt ihn wirklich individuell zu behandeln. In vielen Einrichtungen waren die Pflegekräfte strikt darauf bedacht, stets alle AEDL, ATL etc. komplett auszufüllen. Kaum jemand traute sich, mal kein Problem zu finden. Stattdessen wurden Probleme erfunden, oder Informationen, die eigentlich grundsätzlich neutral zu werten sind, zum Problem gemacht. Doch wenn man Informationen wie

übergewichtig,

untergewichtig,

Sehschwäche,

inkontinent oder

schon mal gestürzt

zum Problem macht, findet sich dafür natürlich keine Lösung. Allzu oft war es ein erfundenes Problem der Pflegekräfte, aber keines des Pflegebedürftigen.

2.2Dokumentationen nur für den MDK?

Mit dem Pflegeplanungs- und Assessmentwahn ging auch eine Leistungsnachweisschlacht einher. Hier ein beispielhaftes Späßchen, in dem viel Wahrheit steckt:

Beispiel Ein Frühstück und seine Dokumentation im Wandel der Zeit

1985

Die Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert nichts, denn dazu ist sie nicht verpflichtet.

1990

Die Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat gut gegessen« (seit 1986 besteht Dokumentationspflicht).

1995

Die lernwillige Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat gut gegessen«. Der MDK-Mitarbeiter kritisiert, der Eintrag sei nichtssagend: »Was heißt »gut gegessen«? Stattdessen müsse es lauten »zwei Scheiben Brot«!« (1995 wurden Pflegeversicherung und Qualitätsprüfungen eingeführt).

2000

Die folgsame Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen«. Der nächste MDK-Prüfer kritisiert, der Eintrag sei nicht individuell genug: »Wie war das Brot belegt? Mit Wurst oder Käse?«

2005

Die pflichtbewusste Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Wurst und 1 mit Käse«. Nun kommt ein weiterer MDK-Prüfer und kritisiert, der Eintrag sei noch immer nicht individuell genug. »Mit welcher Wurstsorte und welchem Käse war das Brot belegt? Streichwurst oder Salami? Weich- oder Hartkäse?«

2010

Die gut ausgebildete Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück zu. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Streichwurst und 1 mit Goudakäse«. Nun kommt der wichtige MDK-Prüfer und kritisiert: »Ich sehe nicht, wie viele Kalorien diese Brote haben und schließlich ist Streichwurst nicht gleich Streichwurst. Das alles ist zu ungenau!«

2015

Die immer noch tätige Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück zu. Sie dokumentiert im Leistungsnachweis mit Handzeichen, dass sie das Frühstück gegeben hat und schreibt im Bericht »hat zwei Scheiben Brot gegessen, 1 mit Streichwurst Marke Teewurst von Gutfreund und 1 Brot mit Maigoudakäse der Firma Anja, insgesamt 597 Kcal.« Nun kommt der geschulte MDK-Prüfer und kritisiert, der Eintrag sei völlig unnötig, denn man sehe doch in der Planung oder SIS®, was der Pflegebedürftige gerne esse. »Tragen Sie doch bitte nichts mehr ein. Außer wenn der Betreffende nicht wie gewohnt isst.«

2020

Die mittlerweile älter gewordene, aber nichtsdestotrotz immer noch hochprofessionelle Pflegekraft bereitet dem Pflegebedürftigen das Frühstück. Sie dokumentiert nichts. Da kommt ein MDK-Prüfer und meint: »Sie können nicht wochenlang nichts dokumentieren, Sie müssen doch wenigstens…!«

Es war schon lange an der Zeit, eine grundlegende Änderung herbeizuführen. Auch um der häufig angstgetriebenen und deshalb überbordenden Dokumentation ein Ende zu setzen. »Je mehr desto besser«, schien die Devise all die Jahre zu sein und kaum jemand hat versucht zu entbürokratisieren. Als ich in Einrichtungen 2002 erstmals eine Verschlankung der Dokumentation auf fünf Bereiche1 vorschlug, war ich ein Außenseiter und viele schüttelten die Köpfe. Weg von den AEDL? In Deutschland zur Jahrtausendwende noch undenkbar! Ich war zu früh mit meinen Entbürokratisierungsgedanken, habe sie aber weiter hartnäckig verfolgt. Als der Gesetzgeber 2009 die Entbürokratisierung ins Gesetz schrieb (Pflegeweiterentwicklungsgesetz), konnte meine Fünf-Bereiche-Planung zum Erfolgsmodell werden. Nun war die Entbürokratisierung gesetzlich erwünscht. Und es ging weiter:

»In einer 2013 von Kitson et al. vorgestellten Synthese von Publikationen aus Pflege, Medizin und Gesundheitspolitik zu der Frage, welches die Kernelemente einer ›Person-Zentrierten Praxis‹ sind, identifizierten die Autorinnen drei Kernthemen:

(1) Partizipation der ›zu-Pflegenden‹;

(2) Beziehung zwischen ›zu-Pflegenden‹ und den professionell Tätigen sowie

(3) der Kontext, in dem Pflege angeboten wird.«2

Diese drei Kernelemente sollten die Grundlage darstellen für eine noch nie dagewesene Betrachtungsweise im Pflege- und Beziehungsprozess. Im Strukturmodell kommt erstmals der Pflegebedürftige als erster zu Wort. Erst nach seiner Schilderung schätzt der Pflegeprofi die Probleme und Ressourcen ein. Egal, was die Fachkraft einschätzt, ohne den Pflegebedürftigen geht es nicht und letztendlich muss ein Aushandlungsprozess her, sofern Profi und Hilfsbedürftiger nicht zusammenkommen.

Aber eines nach dem anderen. Schauen wir auf das Strukturmodell. Es besteht aus vier Kernbereichen und ist somit ein vierschrittiger Pflegeprozess.

1. SIS® (Strukturierte Informationssammlung),

2. Maßnahmenplanung (in welcher Art auch immer),

3. Bericht zur Dokumentation von Abweichungen und Besonderheiten,

4. Evaluation.

Das allein ist schon eine Entbürokratisierung im Vergleich zu dem seit Jahrzehnten angewandten Pflegeprozess nach Fiechter und Meier. Denn das Strukturmodell macht aus zwei Schritten (Anamnese/Informationssammlung sowie Problem-/Ressourcenplanung) nur einen Schritt. Der 5. Schritt, Leistungsnachweis, fällt ebenfalls weg.

Wichtig Bezug zur neuen Qualitätsprüfung

Die Dokumentation wird sowohl für die interne Erfassung der Ergebnisqualität über die Qualitätsindikatoren, für die halbjährlich 98 Fragen für jeden Bewohner beantwortet werden müssen (image Kap. 5), als auch für die neue Art der Qualitätsprüfung benötigt. Lernen Sie also die wichtigste Frage zu stellen: »Wo steht das?«, bevor Sie die Bedürfnisse einzelner Prüfer bedienen.

2.3Den Aufbau der SIS® verstehen

Schaut man sich den Bogen an, so ist er in vier Teile gegliedert:

1. Stammdaten (A),

2. Eingangsfrage (B),

3. Themenfelder (C1),

4. Risikomatrix (C 2).

Alle vier Teile werden für die Qualitätsprüfung benötigt. Obwohl dem Fachgespräch im neuen Prüfsystem eine hohe Bedeutung beigemessen wird, geht es nicht ohne Dokumentation.

2.3.1 Teil A Stammdaten verstehen

Ob SIS® für die Kurzzeit- oder Tagespflege, ob SIS® ambulant oder stationär – in den Stammdaten steht neben dem Namen des Klienten stets der Name der Pflegekraft, die den Pflegeprozess freigibt (image Abb. 3).

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Abb. 3: Stammdaten in der SIS®.

Doch die Pflegekraft, die oben auf der SIS® angegeben wird, muss nicht jene sein, die die SIS® ausgefüllt hat! Informationen sammeln kann zunächst jeder. Ggf. macht eine Betreuungskraft die Eingangsinterviews oder die Pflegedienstleitung selbst und die Fachkräfte erledigen den Rest. Wenn möglich sollten am Ende, wenn die SIS® steht, auch der Klient oder seine Bezugsperson unterschreiben. Davon halte ich allerdings nichts, denn ältere Herrschaften unterschreiben nicht gerne was, insbesondere dort wo sie sich nicht auskennen.

Beides ist vom EinSTEP-Büro genauso vorgesehen: »Die SIS® sollte von der pflegebedürftigen Person und/oder auch von der bevollmächtigten Person unterzeichnet werden. Hiermit kommt die beiderseitige Verbindlichkeit für den Verständigungsprozess zum Ausdruck. Die Pflegefachkraft zeichnet die SIS® immer ab und übernimmt damit die fachliche Verantwortung...«3 Obwohl zuvor zu lesen ist: »Die SIS® kann nur von einer hierin geschulten Pflegefachkraft angewandt werden. Die Pflegefachkraft beherrscht den Pflegeprozess, hat kommunikative Fähigkeiten und bringt Erfahrungen in der Risikoerfassung und Beurteilung kritischer Situationen mit.«4

Fazit Nur die Fachkraft unterschreibt

Die SIS® ausfüllen kann jeder, der es eben kann und geschult ist. Ich meine, dass jeder der am Pflegeprozess beteiligt ist, auch an der SIS® beteiligt ist. D.h. auch Betreuungskräfte schreiben z. B. im Themenfeld 5 und 6 oder Nichtfachkräfte da, wo sie beteiligt sind. Unterschreiben darf eine SIS® jedoch nur die Fachkraft, die mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie den Prozess geprüft hat und diesen mit der Unterschrift auch freigibt.

2.3.2 Teil B Eingangsfrage verstehen

Das erste Interview mit dem Pflegebedürftigen/seiner Bezugsperson will geübt sein.

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Abb. 4: Einstiegsfrage der SIS®.

Nicht jede Pflegefachkraft kann auch Pflege planen und nicht jede Pflegefachkraft ist für ein Gespräch mit dem Pflegebedürftigen geeignet. Klug ist, wer das weiß, und sich Unterstützung holt. Wer den Pflegebedürftigen ausfragt, erhält oft einsilbige Antworten. Wer geschlossene Fragen stellt, bekommt ein »ja« oder ein »nein« als Antwort. Insofern passt das Wort »Interview« nicht wirklich.

Richtiger wäre vielleicht »Erkundigung«: Die Pflegekraft erkundigt sich beim Klienten, was sie für ihn tun kann, was er erwartet, welche Wünsche er hat. Das ist einladend. Der Klient hat die Chance, frei zu erzählen. Wenn dann trotzdem die Informationen nicht wie gewünscht fließen, wird es Zeit, das Zepter in die Hand zu nehmen, denn für die Themenfelder benötigt die Pflegekraft wörtliche Aussagen.

Stellen Sie wenige, ausgewählte Fragen. Lassen Sie dem Klienten Zeit, sich zu äußern. Sagen Sie etwa:

»Sie haben die Haare aber schön frisiert.«

»Was haben Sie für eine schöne Bluse!«

»Ihr Schmuck ist aber schön.«

»Sie kommen aber gut mit dem Rollator zurecht.«

»Sie haben Ihre Kleidung geschmackvoll gewählt.«

Diese Fragen sind Türöffner. Bedenken Sie bitte, dass der Klient in einer für ihn gänzlich unbekannten Situation ist. Er weiß, dass sein bisheriges Leben vorbei ist, dass er in einer Gemeinschaft anders leben wird als in seiner eigenen Häuslichkeit. Selbst wenn Sie einen Gast in der Tagespflege aufnehmen, ist es für ihn ein neuer Lebensabschnitt, unbekannt und mitunter verwirrend.

Die Eingangsfrage lautet: »Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?« In der Kurzzeit- sowie Tagespflege zudem: »Was bringt Sie zu uns?«

Vermeiden Sie zunächst so gut wie möglich das Abfragen. Beginnen Sie Ihre Fragen nicht mit »Warum«. Vielleicht können Sie mit dem Klienten in einen netten Dialog über »Gott und die Welt« eintreten. Dann erhalten Sie meist schon alle Angaben, um die Eingangsfrage und die Themenfelder auszufüllen.

Kann der Klient kein Gespräch führen, ist es vielleicht seine Bezugsperson, die für ihn spricht. Dann notieren Sie im Interviewfeld das, was die Bezugsperson sagt, als Originaltext und oben im Stammdatenfeld steht der Name dieser Bezugsperson. Sollten weder der Klient noch eine Bezugsperson sprechen können, bleibt das Feld leer.

2.3.3 Die Themenfelder verstehen

Teil C der SIS® besteht aus sechs Themenfeldern (image Abb. 5), wovon sich die ersten fünf in allen Bereichen der Anwendung (ambulant, stationär, Tagespflege und Kurzzeitpflege) nicht unterscheiden. Lediglich Themenfeld 6 differiert.

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Abb. 5: Themenfelder der SIS®.

Es ist neu, dass der Klient als erster redet. Diese spannende, wirkliche neue Herangehensweise ist noch nicht alles. Es wurde zudem auf die »Aktivitäten des täglichen Lebens« (ATL), die bisherige Form aller Pflegemodelle (image Tab. 1), verzichtet. Statt die Modelle in Schablonen abzuarbeiten, gab es 2014 mit der SIS® pflegerelevante Kontextkategorien. Man hat also bei Ein-STEP verstanden, dass keine komplexe und umfassende Darstellung erforderlich ist, sondern lediglich eine pflegerelevante. So haben wir im Strukturmodell in der SIS® die sechs Themenfelder

1. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

2. Mobilität und Beweglichkeit

3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4. Selbstversorgung

5. Leben in sozialen Beziehungen

6. Haushaltsführung (ambulant)/ Wohnen und Häuslichkeit (stationär)

Kurzzeitpflege: Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes/Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege

Tagespflege: Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen

Es geht allerdings nicht mehr darum, die Themenfelder wie eine Pflegeplanung auszufüllen, sondern um eine veränderte Betrachtungsweise.

In den aktuellen Schulungsunterlagen des EinSTEP Büros in Berlin5 heißt es: »6 Themenfelder [Perspektive pflegebedürftige Person, pflegerelevante biografische Merkmale, fachliche Einschätzung der Pflegefachkraft und Risikobewertung, Verständigungsprozess].«

Leider finde ich in vielen Einrichtungen SIS®-Bögen, in denen die wörtliche Rede des Klienten fehlt. Stattdessen hat die Fachkraft, wie früher in der Pflegeplanung, selbst entschieden, was Problem oder Ressource ist. Sie folgte wie immer rein ihrer fachlichen Sicht und vergaß den Hauptakteur.

Beispiel Positiv: Wenn der Klient selbst zu Wort kommt

Themenfeld 1:

Aussage: »Zum Glück bin ich noch klar im Kopf und weiß, was ich will. Was ich hören will, höre ich, und ich lese jeden Tag meine Zeitung.« Pflegefachliche Einschätzung: Frau U. weiß nicht, wo sie ist; denkt, sie sei in der Kur und fragt, wenn sie etwas wissen will. Sie liest/blättert gern Zeitschriften durch und hört gut, wenn man ihr leise und deutlich ins rechte Ohr spricht.

Themenfeld 2:

Aussage: »Ich bin schon immer im Turnverein 1905. Ich habe viel gewonnen (lacht). Heute wollen die Beine nicht mehr richtig, aber ich komme hin, wo ich hinwill, wenn nicht, frag ich«. Pflegefachliche Einschätzung: Frau K. vergisst ihren Rollator, hat ohne diesen keinen Halt, geht schnell und ataktisch. Sie steht nicht allein vom Bett auf. Im Bett bewegt sie sich umfassend selbst. Kein Kontrakturenrisko, beidseits Hüft- und Knieprothesen.

Themenfeld 3:

Aussage: »Ich bin nicht krank, ich bin alt, na und? Ich hab Zucker und weiß, was ich essen darf, ich bin kein Kind.«

Pflegefachliche Einschätzung: Frau S. isst gern Süßspeisen, trinkt alles, was sie will, gern abends ein Bier, was ihr die Kinder mitbringen.

Themenfeld 4:

Aussage: »Ich mach alles allein. Zum Glück brauche ich niemanden, und dicht bin ich auch noch (lacht).«

Pflegefachliche Einschätzung: Frau Z. würde sich am Waschbecken nur unzureichend waschen, vergisst ihre Inkontinenz und auch, ihren Intimbereich abzuputzen oder zu waschen. Zieht Inkomaterial aus, wenn sie tagsüber allein zur Toilette geht. Nachts bleibt sie liegen, äußert keinen Harndrang. Wiegt zwischen 50 und 52 kg, keine Gefahr der Mangelernährung, trägt Konfektionsgröße 38, solange die Kinder sich erinnern können.

Themenfeld 5:

Aussage: »Ich habe anständige Kinder, aus allen ist was geworden. Ich geh auch wieder heim, wenn ich wieder gesund bin. Aber erst einmal erhole ich mich. Hier muss ich nichts machen, ihr kümmert euch ja um mich.« Pflegefachliche Einschätzung: Die Tochter Berta kommt meist zweimal pro Woche zu Besuch, kümmert sich um persönliche Belange. Tochter Irma kommt meist am Wochenende, da sie beruflich sehr eingespannt ist. Sie geht mit der Mutter spazieren oder Kaffee trinken. Die beiden Söhne wohnen weiter weg, halten telefonisch Kontakt kommen unregelmäßig, aber immer zu Feierlichkeiten der Familie.

»Das ist ja viel Text«, werden einige von Ihnen denken. Stimmt. Es ist mehr Text als bei den zuvor geschilderten negativen Beispielen. Aber was ist die Alternative? Die von der Pflegekraft erkannten »Probleme« und »Ressourcen« geben kaum genügend Hinweise für die Versorgung und den Umgang mit dem Klienten.

Erkennen Sie im Negativbeispiel den Charakter des Pflegebedürftigen, seine Wünsche und Bedürfnisse? Wohl eher nicht. Gerade die wörtliche Rede, die Sichtweise und Perspektive eines Klienten geben die nötigen Einblicke, um eine gute Versorgung einzuleiten.

Es gibt neben der Sicht des Klienten und der fachlichen Einschätzung der Pflege einen möglichen dritten Punkt, der in die Themenfelder einfließen muss, den Aushandlungsprozess. Sind Klient und Pflegekraft grundlegend anderer Meinung, muss der kleinste gemeinsame Nenner gefunden werden.

Auch hier werden einige von Ihnen Widerstand bekunden. Aber was ist die Alternative? Dürfen wir der Diabetikerin die Süßigkeiten wegnehmen? Dürfen wir Klienten, die sich nicht waschen, zwangswaschen oder ihre Kleidung nachts aus dem Zimmer entwenden? Nein!

Immer wieder ist das Themenfeld 5 und seine Bearbeitung ein Diskussionspunkt. Hier geht es um das Leben in sozialen Beziehungen. Das kann der Partner sein, der Mitbewohner, der Nachbar, Freunde, aber auch die Pflegeund Betreuungskräfte oder gar ein Haustier. Ausfüllen kann dieses Themenfeld wie immer jeder, der mit dem Klienten zu tun hat. Nur die Freigabe des Pflegeprozesses erfolgt immer durch die Fachkraft (image Kap. 2.3.1).

In diesem Themenfeld 5 schreibt bspw. die Betreuungskraft, was der Klient gewohnt ist, was er gern tut, was ihm Freude bereitet, woran er gewöhnlich teilnehmen möchte, wer ihn besucht, wie es ihm mit dem Besuch ergeht etc.

»Im Rahmen der Pflegedokumentation werden die individuellen Leistungen der Betreuung und Aktivierung nachvollziehbar geplant und dargestellt. Das gilt auch für die Teilnahme an Gruppenangeboten. Abweichungen von diesen geplanten Maßnahmen, wie z. B. die Nichtteilnahme oder die Ablehnung des Angebotes, sowie auch positive Erkenntnisse im Zusammenhang mit diesem Betreuungsangebot sind zu dokumentieren und bei der Evaluation zu berücksichtigen.«6

Nun haben wir es in diesem Beispiel mit einem geistig regen Herrn zu tun. Es sind aber nicht alle Menschen so fit wie Herr O., daher ein weiteres Beispiel zu einem kognitiv eingeschränkten Menschen.

2.3.4 Die Risikomatrix verstehen

Die Risikomatrix basiert auf den bei Pflegebedürftigkeit am häufigsten vorkommenden Risikofaktoren7. Das bedeutet bspw., dass bei den Risiken zur Ernährung jegliche Ernährungsprobleme und Versorgung der Flüssigkeitszufuhr zählen, nicht nur – wie im Expertenstandard – eine Mangelernährung. In der stationären Pflege sowie in der Tages- und Kurzzeitpflege wird dieselbe Matrix verwendet (image Abb. 6).

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Abb. 6: Risikomatrix für die (teil-)stationäre und Kurzzeitpflege.

Die Risikomatrix der ambulanten Versorgung (image Abb. 7) hat den gleichen Aufbau, allerdings gibt es hier noch die Möglichkeit, das Feld »Beratung« mit anzukreuzen.

Die Anwendung der Matrix verlangt fachliches Know-how. Endlich können Sie Ihre Fachlichkeit und Kompetenz in der Krankenbeobachtung anwenden! Das ist wesentlich besser als das stumpfe Ausfüllen von Assessments, wie es jahrelang üblich war.

Eine Fachkraft muss die SIS® mit ihrer Unterschrift freizeichnen. Ein Grund dafür ist die Notwendigkeit, die Risiken fachlich zu bewerten. Wer sollte das besser können als eine Fachkraft? Schließlich ist sie die einzige, die in ihrer Ausbildung die Technik der Krankenbeobachtung erlernt hat.

Beim Ausfüllen der Matrix gibt es zwei Methoden:

1. Ein Risiko von oben nach unten ankreuzen. Sich also um das Risiko Dekubitus Gedanken machen und schauen, welches der fünf Themenfelder Einfluss auf das Risiko hat. Dann das Risiko Sturz anschauen und wieder alle Themenfelder gedanklich abarbeiten etc.

2. Von links nach rechts ein Themenfeld in allen Risiken abarbeiten. Also erst Themenfeld 1 nehmen und sich Gedanken darüber machen, inwieweit dieses Themenfeld auf die Risiken Dekubitus, Sturz etc. Auswirklungen haben könnte.

Es bleibt Ihnen überlassen, welche Variante Sie bevorzugen. Der Vorteil der Variante 2 ist, dass Sie nicht springen müssen. Schließlich muss jedes »ja« und jedes »nein« in der Matrix mit dem entsprechenden Themenfeld in Verbindung stehen. Das bedeutet nicht, dass Sie jedes »ja« und jedes »nein« wortwörtlich im jeweiligen Themenfeld erläutern, sondern es muss sich aus dem Wortlaut im Themenfeld inhaltlich logisch ergeben. Bedenken Sie: Jedes Kreuzchen, das Sie setzen, hat Konsequenzen (image Abb. 8)!

Themenfelder und ihre Beziehung zu den Risiken

Themenfeld 1

… hat immer etwas mit Erinnern, Vergessen, Verstehen, Erkennen zu tun.

Dekubitusrisiko:

Nein: »Ich weiß, dass ich mich mittags hinlegen muss, das ist auch gut für meinen Popo.« (Frau W. legt sich mittags für 1 Std. auf ihr Sofa und döst.)

Ja: »Ich weiß nichts mehr.« (Herr J. merkt nicht, wann es Zeit wird, die Position zu wechseln, würde sich nicht von sich aus bewegen.)

Sturzrisiko

Nein: »Ich bin schon mal gestürzt, jetzt geh ich nicht mehr allein los.« (Frau T. kann die Klingel benutzen.)

Ja: »Ich kann allein laufen.« (Herr S. vergisst seinen Rollator und vermisst ihn auch nicht.)

Inkontinenz

Nein: »Ich merke ja noch, wenn ich muss.« (Herr M. meldet sich, wenn er Hilfe benötigt.)

Ja: »Ich mach alles allein.« (Herr P. findet die Toilette nicht, weiß nicht, wann es Zeit wäre zu gehen.)

Schmerz

Nein: »Ich nehme eine Tablette, wenn es mir nicht gut geht.« (Frau I. nimmt Ibuprofen in Eigenregie. Kann sich bemerkbar machen, wenn sie Hilfe braucht oder Schmerzen verspürt.)

Ja: »Babababa, weg.« (Herr H. wird unruhig und nestelt vermehrt, wenn es ihm nicht gut geht.)

Ernährung

Nein: »Ich bin ja noch klar im Kopf und weiß, was ich tue« (Frau D. spürt ihre Bedürfnisse und kann sich melden.)

Ja: »Zum Glück habe ich alle Gedanken noch beisammen.« (Herr B. kann nicht selbst für seine Bedürfnisse sorgen, würde sich nicht bemerkbar machen, erzählt immer erst später, was los war.)

Themenfeld 2

… hat mit Bewegung und der Fähigkeit zur Bewegung zu tun.

Dekubitusrisiko:

Nein: »Ich gehe jeden Mittag raus, bei Wind und Wetter. Wer rastet, der rostet.« (Frau I. bewegt sich umfassend selbst, kann Positionswechsel in Bett und Stuhl umfassend selbst durchführen.)

Ja: »Ich war im Turnvater-Jahn-Verein, ich hab genug Sport gemacht, jetzt ist Schluss.« (Herr S. sitzt tagsüber im Sessel, bewegt sich kaum, Gefahr des Dekubitus auf den Sitzhöckern.)

Sturzrisiko

Nein: »Ich kann noch gut laufen, ich darf nicht unzufrieden sein.« (Frau Q. geht selbstständig und sicher mit ihrem Rollator, kein erhöhtes Sturzrisiko erkennbar.)

Ja: »Man muss sich halt durchschlagen, das Bein will nicht mehr so.« (Herr U. zieht das rechte Bein nach, bleibt damit auch an leichten Erhöhungen hängen und stolpert.)

Inkontinenz

Nein: »Ich geh selbst zur Toilette, nachts muss ich auch schon mal raus.« (Frau A. ist selbstständig in der Mobilität, geht innerhalb des Hauses ohne Hilfsmittel.)

Ja: »Ich kann ja nichts mehr, meine Beine sind kaputt.« (Frau I. kann nicht allein zur Toilette und wenn sie sich meldet, ist es oft zu spät.)

Schmerz

Nein: »Ich kann beschwerdefrei fast alles machen, das ist gut so.« (Herr Z. beklagt keine Schmerzen am Bewegungsapparat, keine Einschränkungen ersichtlich.)

Ja: »Gerade morgens das Aufstehen ist die Hölle. Aber ich will ja nicht auf nüchternen Magen schon Schmerzmittel nehmen.« (Frau C. hat Schmerzen, insbesondere morgens beim Aufstehen, Schmerzmittel vor dem Aufstehen lehnt sie ab.)

Ernährung

Nein: »Ich mach alles allein, zum Glück brauche ich niemand.« (Frau N. hat keine körperlichen Einschränkungen, die sie auf Hilfe angewiesen sein lassen würden.)

Ja: Herr L. kann aufgrund von Kontrakturen beider Arme nicht selbst für sich sorgen.

Themenfeld 3

… befasst sich mit den krankheitsbezogenen Anforderung und Belastungen, natürlich in erster Linie aus Sicht des Klienten.

Dekubitusrisiko:

Nein: »Ich reiße mich zusammen, jammern nutzt nichts.« (Obwohl Herr P. wegen seines Rheumas immer wieder Schmerzen hat, bewegt er sich täglich umfassend.)

Ja: »Ich bin krank und alt, ich muss gar nichts mehr.« (Herr X. hat diverse Tumoroperationen hinter sich, liegt sehr viel, Gefahr von Dekubitus auf allen Auflageflächen.)

Sturzrisiko

Nein: »Ich geh halt langsam und setze mich hin, wenn ich nicht mehr kann.« (Frau T. hat ausgeprägte COPD, ist rasch erschöpft, teilt sich ihre Kräfte aber ein.)

Ja: »Ich brauch niemanden, ich bin alt genug.« (Herr V. leidet immer wieder unter Schwindelattacken, holt sich aber keine Hilfe. Ist bereits mehrfach gestürzt.)

Inkontinenz

Nein: »Ich muss wegen meiner Wassertabletten oft auf Toilette.« (Frau P. ist kontinent und regelt die Ausscheidung selbst.)

Ja: »Nach fünf Kindern ist es mit dem Einhalten nicht so einfach.« (Frau Z. hat Gebärmuttervorfall, bemerkt Harndrang deshalb meist zu spät.)

Schmerz

Nein: »Seit ich das Pflaster nehme, merke ich keine Schmerzen mehr.« (Herr B. bekommt Schmerzpflaster aufgrund seines Rückenleidens, kommt gut damit zurecht, klagt nicht über Schmerzen.)

Ja: »Wenn der liebe Gott mich doch holen würde, dann wär’s vorbei.« (Trotz Schmerzmitteln ist Frau U. nicht immer schmerzfrei – bei bekannten Metastasen.)

Ernährung

Nein: »Ich habe Zucker, ich muss darauf achten, was ich esse.« (Herr Ü. verfolgt seine BZ-Werte und isst entsprechend. Er möchte verhindern, dass die Insulinmenge gesteigert werden muss.)

Ja: »Ich habe Zucker, ich weiß, was ich essen soll und was besser nicht.« (Herr G. ist insulinpflichtiger Diabetiker, isst und trinkt aber alles, was ihm schmeckt. Darauf angesprochen antwortet er meist: »Man lebt nur einmal.«)

Themenfeld 4

… befasst sich mit der Grundpflege, also Ausscheidung, Körperpflege, Kleiden, Ernährung und Trinken.

Dekubitusrisiko:

Nein: »Ich habe eine schöne Haut für eine 81-jährige, finden Sie nicht?« (Frau U. ist eine gepflegte Dame, die auf ihr Äußeres achtet.)

Ja: »Ihr mit eurer Wascherei, die Haut wird ganz dünn, wenn ihr so weitermacht.« (Herr D. würde sich nicht von selbst waschen, hat immer wieder Hautirritationen, insbesondere im Bereich des Gesäßes.)

Sturzrisiko

Nein: »Ich geh nachts nicht raus, das ist mir zu gefährlich.« (Frau M. nutzt nachts den Toilettenstuhl, weil der Weg zur Toilette zu schwierig für sie ist.)

Ja: »Wenn ich merke, dass was kommt, muss ich rennen.« (Frau A. bemerkt Harndrang zu spät oder geht zu spät zur Toilette. Da sie meist zwei Unterhosen unter ihrer Strumpfhose trägt, verheddert sie sich schon mal und wird dann hektisch.)

Inkontinenz

Nein: »Ich bin zum Glück noch gut beieinander und kann mir selbst helfen.« (Frau E. ist kontinent und in der Ausscheidung nicht auf Hilfe angewiesen.)

Ja: »Wenn man nicht mehr so kann, muss man geduldig sein.« (Frau Z. ist harninkontinent, bemerkt Harndrang nicht, akzeptiert Inkomaterial.)

Schmerz

Nein: »Wenn ich mal aufgestanden bin, geht’s mir gut.« (Herr T. hat bisweilen nachts Schmerzen, aber tagsüber ist er dadurch nicht beeinträchtigt und kann sich weitgehend selbst versorgen.)

Ja: »Wenn mir nicht alles wehtun würde, könnte ich auch mehr machen.« (Herr F. kann seine Köperpflege wegen seiner Schmerzen in den Armen/Schultern nicht selbstständig durchführen.)

Ernährung

Nein: »Ich mache mir keine Gedanken um das Thema Essen, noch nie.« (Frau M. achtet nicht bewusst auf ihre Figur, isst und trinkt, was ihr schmeckt. War schon immer zierlich. Trinkt im Schnitt 1000 ml am Tag, hat noch nie mehr getrunken.)

Ja: »Mir schmeckt nichts mehr, lass mich am besten in Ruhe.« (Frau G. nimmt latent ab, isst nur kleine Portionen, möchte nicht bedrängt werden. Sie ist es nicht gewohnt, spät abends noch zu essen.)

Themenfeld 5

… behandelt die sozialen Beziehungen im Allgemeinen und im Besonderen.

Dekubitusrisiko:

Nein: »Mein Hund hält mich auf Trab.« (Herr W. geht mit seinem Hund täglich spazieren. Der Hund ist sein Lebensmittelpunkt.)

Ja: »Der soll sitzen bleiben, sonst fällt er wieder hin oder läuft mir vor den Füßen rum, der kann doch gar nichts mehr.« (Frau O. hindert ihren Mann am Aufstehen, möchte, dass er nur im Sessel sitzt, lässt diesbezüglich nicht mit sich reden.

Sturzrisiko

Nein: »Ich muss ja nichts machen, mein Mann macht alles für mich.« (Frau H. ist bei ihrem Mann in guten Händen, er nimmt ihr alle Wege ab und hilft, wo er kann.)

Ja: »Der Teppich bleibt liegen, wie sieht das aus ohne! Nein, das will ich nicht!« (Frau Z. möchte auf den Läufer im Bad nicht verzichten, obwohl dieser eine Stolperfalle darstellt.)

Inkontinenz

Nein: »Wenn ich was brauche, kommt Hermann.« (Herr E. lebt mit seinem Bruder zusammen, der sich rührend um ihn kümmert.)

Ja: »Ich bin halt allein.« (Frau L. lebt allein und hat keine Möglichkeit, nachts auf Toilette zu gelangen.)

Schmerz

Nein: »Ich versuche, das Beste daraus zu machen und meine Kinder helfen mir auch.« (Frau L. ist immer beschäftigt, das lenkt sie ab, sie beklagt keine Schmerzen im Allgemeinen.)

Ja: »Wenn man niemanden hat, ist man arm dran. Was soll ich noch hier?« (Herr N. lebt allein, ist oft traurig, scheint sich aufgegeben zu haben, klagt häufig über Schmerzen in unserer Abwesenheit.)

Ernährung

Nein: »Wir essen immer zusammen, das ist schön.« (Herr M. ist gern in Gesellschaft, fühlt sich am wohlsten unter anderen und isst dann mit Appetit.)

Ja: »Ich bin halt immer allein, es ist keiner mehr übriggeblieben.« (Frau C. fühlt sich allein, isst nicht regelmäßig. Nimmt ab.)

Die Risikomatrix ist eine logisch aufgebaute Darstellung der häufigsten bekannten Risikofaktoren bei Pflegebedürftigkeit. Jedes »ja« und jedes »nein« muss mit dem entsprechenden Themenfeld in Bezug stehen. Jedes »ja« muss auch eine Handlung nach sich ziehen. Ob Sie eine Prophylaxe planen oder nur beraten, hängt vom Klienten ab.

Vorgehensweise bei der Bewertung eines Problems

Gerade bei haftungsrechtlich relevanten Themen wie einem Sturz müssen Sie differenziert schauen und entsprechend dokumentieren. Und zwar alle Prozessschritte, insbesondere auch das Verhalten des Klienten. Ich empfehle, das Thema »Sturzprophylaxe« in der Maßnahmenplanung oder an anderer Stelle zu dokumentieren. Sie können natürlich die Risiken auch einzeln betrachten und frei formulieren, entsprechend der vorliegenden Risikofaktoren und nicht nach einem Modell.

Ich habe im Folgenden (image Abb. 9) beides versucht:

1. Die Risiken den relevanten AEDL zugeordnet

2. Anhand einer Risikocheckliste gearbeitet

Ich orientiere mich an dem Aufbau anhand der AEDL nicht aus Überzeugung, sondern weil noch viele Einrichtungen nach diesem Pflegemodell arbeiten.

Wichtig Bezug zur neuen Qualitätsprüfung

Lassen Sie sich nicht beirren, wenn ein Prüfer dieses oder jenes Risiko gesehen haben will. Verteidigen Sie Ihre Fachlichkeit! Sagen Sie z.B.: »Sie haben den Klienten jetzt zehn Minuten gesehen, wir kennen ihn schon fünf Monate«. Wie heißt es doch in jedem Expertenstandard: »Die Pflegefachkraft schätzt das individuelle Risiko ein.«

2.3.5 Die Evaluation verstehen

Die SIS® wird zeitnah, unmittelbar nach der Aufnahme erstellt. Somit ist klar, dass sich ggf. schon sehr schnell Änderungen einstellen, wenn sich etwa ein Bewohner im Heim eingelebt hat, oder wenn ein Tagesgast nach anfänglichem Zaudern doch gern kommt oder der ambulante Klient sich doch anders gibt und verhält, als Sie anfangs dachten. In all diesen Fällen wird es Zeit für eine Evaluation.

Rund um die Evaluation gibt es so viele Märchen und Mythen wie zu allen anderen Themen der Pflegedokumentation. In den Schulungsunterlagen des EinSTEP-Büros finden Sie Klarheit. Evaluiert werden

1. SIS®

2. Maßnahmenplan

3. Berichteblatt

»Die Evaluation im Strukturmodell ist […] dynamisch und individuell ausgerichtet und korrespondiert eng mit den Informationen aus der SIS® (zu Beginn des Pflegeprozesses), dem Maßnahmenplan und dem Berichteblatt. Die in der SIS® dokumentierten Informationen können genutzt werden, um Veränderungen z. B. im Verhalten der pflegebedürftigen Person zu erkennen und mit den initiierten Maßnahmen (z. B. Kennzeichnung des Zimmers mittels Foto) sowie den Informationen im Berichteblatt (z. B. hat sich heute erneut im Wohnbereich verlaufen) in Verbindung gebracht werden.«8

Die Evaluation wird gewöhnlich in zwei Variationen fällig:

1. Wenn sich nur wenig verändert, reicht die Anpassung der Maßnahmenplanung. (OPTION A)

2. Wenn sich viel verändert, werden SIS® und Maßnahmenplanung angepasst. (OPTION B)

»OPTION A: Die Evaluation ergab, dass nur einige oder eine Maßnahme(n) anzupassen sind, der Zustand der pflegebedürftigen Person ist weitestgehend gleichgeblieben und der größte Teil der geplanten Maßnahmen kann umgesetzt werden wie bisher geplant (im Strukturmodell sogenannter kleiner »Evaluationskreis«). Diese Option ist eher die Regel.

OPTION B: Bei gravierenden Veränderungen wird eine Neuausrichtung der Pflege erforderlich (z. B. nach Krankenhausaufenthalt oder gravierenden Veränderungen im kognitiven Bereich), somit wird eine neue Situationseinschätzung einschließlich eines Gesprächs mit der pflegebedürftigen Person und ein Verständigungsprozess entlang der SIS® notwendig und daraus ableitend ein neuer (angepasster) Maßnahmenplan erstellt (im Strukturmodell sogenannter »großer« Evaluationskreis). Diese Option wird weniger häufig notwendig sein.«9

Die Evaluation wird aber auch schon nach der Eingewöhnungsphase erforderlich: »Um Einschätzungen zu dokumentieren, die sich zu Beginn der Pflegeübernahme oder dem Einzug häufig erst sukzessive einstellen, bedarf es einer Entscheidung des Trägers, welcher Zeitraum und welches Vorgehen hierfür gewählt wird. In der Praxis hat sich ein Zeitraum innerhalb von 24 Stunden bis zu einer Woche durchgesetzt. Im Rahmen des Eingewöhnungsprozesses der pflegebedürftigen Person (z. B. nach vier bis sechs Wochen der Versorgung im ambulanten Bereich oder des Heimeinzugs) könnte erneut das Gespräch mit der pflegebedürftigen Person gesucht werden. Anhand der bis dahin vorliegenden Informationen und ggf. wesentlichen Veränderungen zu den bisherigen Eintragungen in der SIS® könnte der Verständigungsprozess zu allen Themen in einer neuen SIS® dokumentiert werden.«10

Evaluation der SIS®

Die Evaluation der SIS® wird nur erforderlich, wenn es größere Veränderungen gibt. Das kann der Fall sein, wenn ein Klient nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr laufen kann; oder nun eine PEG hat, während er vorher noch oral aß; einen suprapupischen Blasendauerkatheter trägt, während er vorher noch die Toilette aufsuchen konnte, etc. Damit verändert sich nicht nur die Maßnahmenplanung, es verändert sich für den Klienten möglicherweise alles in seinem Leben. Zumindest aber ändern sich bestimmte Umstände seines Lebens und damit möglicherweise auch seine Lebensqualität.

Wichtig ist, dass die SIS® die Situation des Klienten aktuell individuell darlegt. »Entscheidend ist, dass auf der Grundlage eines fachlich begründeten Vorgehens für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten sowie bei Qualitätsprüfungen des MDK, der PKV oder der Heimaufsicht, die aktuelle Versorgungssituation und Situationseinschätzung zur pflegedürftigen Person sich nachvollziehbar in der Dokumentation darstellt.«11

Haben Sie nun einen triftigen Anlass zur Bearbeitung der SIS®, gibt es verschiedene individuelle Vorgehensweisen. Ändert sich das Themenfeld 2 »Mobilität und Beweglichkeit«, reicht es aus, allein dieses Themenfeld anzupassen und auf die anderen nur einen prüfenden Blick zu werfen. Stimmen die Aussagen und der Blickwinkel des Klienten sowie die fachliche Sicht in den anderen Themenfeldern noch, muss nichts weiter geändert werden als Themenfeld 2 und natürlich, weil damit zusammenhängend, auch die Risikomatrix: Ist sie noch sinnvoll und aktuell?

Sie ändern also das entsprechende Themenfeld und dokumentieren dies mit Ihrer Unterschrift. Damit bestätigen Sie auch, dass die anderen Themenfelder und die Risikomatrix noch stimmen. So sah es, zumindest bis Sommer 2017, auch das Projektbüro EinSTEP12: »Mit der Unterschrift in dem veränderten Themenfeld bestätigt die Pflegefachkraft gleichzeitig, dass alle übrigen Angaben in der SIS®, die unter dem bisherigen Datum dokumentiert worden sind, unverändert bestätigt werden.« Dieser Passus findet sich dort nun nicht mehr, gilt aber weiter.

Hat sich wirklich gravierend etwas verändert, tritt z. B. der Klient in die letzte Lebensphase ein oder hat er einen Schlaganfall mit Paresen, Sprachstörung etc. erlitten, beginnen Sie von vorn: Alle Themenfelder und die gesamte Risikomatrix müssen auf die aktuelle Situation angepasst werden. Unberührt davon bleibt das narrative Interview, die Eingangsfrage.

So sah es auch das Projektbüro13 : »Betreffen […] die Ergebnisse der Fallbesprechung auch wesentliche Aspekte der Themenfelder und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix, wird die SIS® erneut unter Angabe des aktuellen Datums von der Pflegefachkraft ausgefüllt. Dies gilt auch für den Dialog mit der pflegebedürftigen Person (Anwendung Feld B). In der IT-gestützten Dokumentation wäre dies eine sogenannte Versionierung der SIS®, in der Papier-gestützten Dokumentation bedeutet dies die Anlage eines neuen Dokuments.«

Evaluation der Maßnahmenplanung

Die Evaluation der Maßnahmenplanung wird der Regelfall sein (»kleiner Evaluationskreis«). Beispielsweise wird ein Klient nicht mehr gebadet, sondern geduscht. Oder eine Klientin trägt ein verändertes Inkoprodukt; jemand nutzt andere Beschäftigungsangebote als vorher etc. Hier können Sie die SIS® beibehalten, weil die Grundlage des Handelns noch immer die gleiche ist. Je nachdem wie die Maßnahmenplanung gestaltet ist, was ja jeder Einrichtung freisteht (image Kap. 2.3.6), ändern Sie diese an der entsprechenden Stelle.

Wenn die Passage geändert ist, muss natürlich auch erkennbar sein, wer diese Änderung wann durchgeführt hat! Unterschrift und Datum also nicht vergessen!

2.3.6 Maßnahmenplan und Leistungsnachweise verstehen

Ist die SIS® am ersten Tag erstellt, folgt zugleich eine erste Maßnahmenplanung. Denn ohne Plan sollte niemand arbeiten müssen. Allerdings höre ich in Einrichtungen immer wieder, dass man den Mitarbeitern Zeit gibt, um einen neuen Klienten kennenzulernen und erst nach 14 Tagen einen Maßnahmenplan erstellt. Das halte ich für fragwürdig und riskant. Wie will man einem Außenstehenden erklären, dass man 14 Tage ohne Plan arbeitet? Arbeitet in dieser Zeit jede Pflegekraft so, wie sie es für richtig hält? Oder fragt jede Pflegekraft 14 Tage lang jeden Tag aufs Neue: »Wie möchten Sie…?« – Wie argumentiert man, dass man zwar in der Risikomatrix Risiken erkannt und in der SIS® auch benannt hat, aber zwei Wochen lang keine Prophylaxen eingeleitet hat? Andersherum wird ein Schuh daraus!

In der neuen Qualitätsprüfung wird deutlich, dass der dringende Versorgungsbedarf, die relevanten Risiken und Maßnahmen binnen 24 Stunden zu planen sind14.

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Nach der SIS® direkt zum Maßnahmenplan

Wenn Sie die SIS® erstellt haben, können Sie direkt die wesentlichen Dinge in den Maßnahmenplan eintragen. Dieser kann dann bei neuen Klienten von Tag zu Tag weiter gefüllt werden.

Wie ein Maßnahmenplan aussieht, ist allein Sache der Einrichtung: »Da der Maßnahmenplan nicht als einheitliches Dokument im Strukturmodell (wie z. B. die SIS®) vorgegeben ist, sind hier das Pflege- und Qualitätsmanagement gefordert.«15

Schreiben Sie also den Maßnahmenplan nach eigenem Ermessen. Er kann nach Tageszeiten geordnet sein oder völlig anders aussehen. In den Schulungsunterlagen16 ist lediglich festgehalten, was der Maßnahmenplan auf alle Fälle beinhalten soll:

»Darstellung individueller Wünsche und Vorlieben, individuelle Zeiten und Rituale etc.,

Festlegung der regelmäßig wiederkehrenden Maßnahmen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und der pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und ggf. auch der Hauswirtschaft,

Maßnahmen des Risikomanagements oder zeitlich befristete Beobachtungen,

Informationen zu zusätzlichen individuellen Maßnahmen der Betreuung und Aktivierung,

Ärztlich verordnete/angeordnete Maßnahmen der Behandlungspflege

Hinweise zur Pflegeorganisation oder vereinbarte individuelle Unterstützung für spezielle Situationen«

Und es gibt eine Liste in den Schulungsunterlagen17, was an Daten auf dem Maßnahmenplan enthalten sein muss (erforderlich) oder enthalten sein kann (optional) (image Tab. 2).

Tab. 2: Inhalte eines Maßnahmenplans

Erforderlich Optional
Name der pflegebedürftigen Person Weitere einrichtungsinterne Identifizierungsmerkmale
Geburtsdatum der pflegebedürftigen Person Grundbotschaft der pflegebedürftigen Person
Datum der Erstellung Spalte für Hilfsmittel
Handzeichen der Pflegefachkraft Spalte für Verfahrensanleitung (Standard/Leitlinie)
Spalte Zeitangabe (Zeitraum/Zeitpunkt) Spalte für Nummer des Themenfeldes
Spalte Maßnahmen Spalte Leistungskomplex (ambulant)
Spalte Evaluationsdaten Spalte für Evaluationstext
Hinweis zur Behandlungspflege (integriert in die Tagesstruktur oder separat)  
Blattnummerierung fortlaufend  

Tabelle 3 (image Tab. 3) zeigt einen beispielhaften Maßnahmenplan.

Tab. 3: Beispielhafe Maßnahmenplanung

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Die Grundbotschaft

Die Grundbotschaft hat nichts mit den Maßnahmen an sich zu tun, sondern mit dem Klienten. »Die Grundbotschaft ist eine knappe Zusammenfassung wesentlicher Aussagen zur Selbstbestimmung und zu besonderen Eigenschaften der pflegebedürftigen Person. […] Als Grundbotschaft ist jedoch nicht zu verstehen, den Pflegenden an dieser Stelle Hinweise zur direkten Pflege oder Betreuung oder zu speziellen Maßnahmen bei der pflegebedürftigen Person zu geben.«18

Beispiel Grundbotschaften

Frau L. ist eine eher zurückhaltende Person, würde von sich aus nichts verlangen, ist sehr bescheiden und ihr scheint alles recht zu sein.

Herr S. ist ein sehr selbstbestimmter Herr, der nicht bedrängt werden möchte. Versteht er etwas nicht, oder fühlt er sich überfahren, wird er schnell ungehalten.

Herr G. läuft meist suchend umher, spricht sehr wenig, nutzt aber seinen gesamten Bewegungsradius und öffnet alle Türen. So verirrt er sich auch mal außer Haus.

Frau O. ist bestimmend, möchte immer alles genauso, wie sie es vorgibt, schätzt keine Veränderungen, insbesondere neue Kollegen haben es schwer, weil diese in ihren Augen keine Ahnung haben. Also Maßnahmenplan dringend 1:1 einhalten!

Frau I. schaut oft skeptisch, das ist aber ihrer Unsicherheit geschuldet. So wirkt sie erstmal abweisend, wenn man etwas von ihr will. Man muss ihr leicht verständliche Fragen stellen und – wenn möglich – alles zeigen. Wenn sie verstanden hat, ist sie meist sehr dankbar und zugewandt.

Der Maßnahmenplan ist also eine Art Versorgungsrezept für den Klienten, das einfach jedem in der Pflege und Betreuung Tätigen in die Hand gegeben werden kann. So kann jeder den Menschen so versorgen, wie dieser es gewohnt ist. Dazu gehört natürlich die Grundbotschaft zum Klienten und dass die Maßnahmen handlungsleitend formuliert sind. Es kann nicht genügen, nur »Waschen am Waschbecken« zu schreiben! Es müssen die Wünsche und Bedürfnisse wie auch Besonderheiten beschrieben werden, die im Umgang mit dem Klienten wichtig sind. Der Maßnahmenplan enthält alles, was für den Klienten in der Pflege und Betreuung getan werden kann.

Daher ist es wichtig, einen etwas ausführlicheren Maßnahmenplan zu erstellen, der kaum Interpretationsspielraum lässt. Andererseits soll der Maßnahmenplan auch keine detailverliebte Aufstellung sein, damit Sie nicht jedes Extra gleich als Abweichung dokumentieren müssen. Die Balance finden Sie mit der Zeit selbst heraus.

Es muss also weder für die Grundpflege noch für die Betreuung einzelne Leistungsnachweise geben (Ausnahme: die Abrechnung im ambulanten Sektor). Auch Lagerungs-, Trink- und Ernährungsprotokolle sind in vielen Fällen nicht notwendig. Wenn überhaupt, dann für kurze Zeit, um z. B. Informationen über Nahrung oder Flüssigkeit zu sammeln. Auch die Betreuungsleistungen müssen nicht dokumentiert werden. Es reicht die Maßnahmenplanung.

Wenn die Maßnahmenplanung so aussieht und auch so durchgeführt wird, steht nichts im Bericht und es bedarf auch keines Leistungsnachweises. Verlassen Sie sich hier auf die Aussage von EinSTEP: »Im Rahmen der Pflegedokumentation werden die individuellen Leistungen der Betreuung und Aktivierung nachvollziehbar geplant und dargestellt. Das gilt auch für die Teilnahme an Gruppenangeboten. Abweichungen von diesen geplanten Maßnahmen, wie z. B. die Nichtteilnahme oder die Ablehnung des Angebotes, sowie auch positive Erkenntnisse im Zusammenhang mit diesem Betreuungsangebot sind zu dokumentieren und bei der Evaluation zu berücksichtigen.

Routinemäßige Durchführungsnachweise für diese Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung sind aus pflegefachlicher und aus juristischer Sicht nicht erforderlich. Den Vertragspartnern nach § 85 Abs. 8 SGB XI wird dringend empfohlen, dies durch eine entsprechende Formulierung bei nächster Gelegenheit klarzustellen.

Soweit Sozialleistungsträger oder Heimaufsichtsbehörden Anlass haben, den Personaleinsatz zu prüfen, kann dies nicht zu weitergehenden Anforderungen an die individuellen Pflegedokumentationen führen. Denn diese sind ein Instrument für die Pflegequalität und nicht für übergreifende Kontrollbedürfnisse. Für letztere stehen ggf. andere Erkenntnisquellen zur Verfügung.«19

Der Pflegebericht ist nicht für die Darlegung von Leistungen vorgesehen. Leistungsnachweise für Grundpflege oder Betreuung sind in stationären und teilstationären Einrichtungen nicht erforderlich. Es gilt der Grundsatz: geplant = durchgeführt. Alles andere findet sich als Abweichung im Bericht.

Gleiches gilt auch die Protokolle für Nahrungsaufnahme, Getränke oder Biografiebögen. Diese sind nicht zur Dauernutzung oder flächendeckenden Nutzung vorgesehen: »Die Prinzipien des Element 4 im Strukturmodell bedeuten die Abkehr von den in der Praxis immer noch weit verbreiteten schematischen Routinen im Umgang mit Differenzialassessments, Skalen, Trink- und Essprotokollen etc., zugunsten eines individuell und anlassbezogenem Vorgehens.«20

Auf der Homepage des EinSTEP-Büros21 heißt es: »Im Rahmen des juristischen Diskurses zur Pflegedokumentation wurde grundsätzlich festgestellt, dass es für die »immer wiederkehrenden Maßnahmen der Grundpflege« in der Pflegedokumentation keiner täglichen Abzeichnungen bedarf. Voraussetzung ist eine vorliegende Maßnahmenplanung, in der die individuellen Leistungen der Grundpflege einmal beschrieben sind und sich aus der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) ableiten lassen (»Immer-so-Beweis«) sowie entsprechende Verfahrensanleitungen innerbetrieblich vorliegen.«

Was die Trink- und Ernährungsprotokolle betrifft, so nutzen Sie diese bitte nur noch in begründeten Einzelfällen über eine kurze Zeit, um Informationen darüber zu erhalten, was getrunken und gegessen wurde. Die Protokolle sollten keinesfalls dazu genutzt werden nachzuweisen, was gegessen und getrunken wurde. »Ein solches Vorgehen beansprucht kostbare Zeit der Pflegenden, wirkt demotivierend und ist fachlich nicht zu begründen. Routinen leisten somit keinen adäquaten Beitrag zur einrichtungsinternen Qualitätssicherung in der Pflege. Es besteht das dringende Erfordernis, diese Vorgehensweise zu korrigieren.«22

»Durchführungsnachweise werden nach wie vor benötigt für:

Ärztliche An-/Verordnungen der Behandlungspflege,

Zusätzliche Betreuungsleistungen gem. § 45b SGB XI (Entlastungsbetrag) zur Abrechnungsgrundlage mit den Pflegekassen,

Abzeichnung von Positionswechseln im Bewegungs- und Lagerungsprotokoll bei vorliegendem Dekubitusrisiko.

In der ambulanten Pflege bedarf es weiterhin der Durchführungsnachweise aller erbrachten Maßnahmen zu Abrechnungszwecken...«23

Es gibt neben den hier erwähnten Nachweisen also keine Pflicht für weitere Nachweise. Protokolle jeglicher Art sollten daher nicht als Nachweis und schon gar nicht auf Dauer geführt werden.

Gerade in der stationären Pflege/Tagespflege gibt es institutionelle Bedingungen, was die Zeiten der Nahrungs- und Flüssigkeitsversorgung angeht. Wenn aber bei einem Klienten in der SIS® die Gewohnheiten zur Ernährung sowie mögliche Risiken benannt sind und in der Maßnahmenplanung die entsprechenden Maßnahmen hinterlegt wurden, bedarf es keines Protokolls.

Bei einem Klienten, der so gleichförmig in seinem Ess- und Trinkverhalten ist, benötigen Sie kein Protokoll. Ein Protokoll ist aber z. B. sinnvoll, wenn Sie feststellen, dass ein Klient abnimmt, obwohl sich an seiner Versorgung nichts verändert hat. Dann sollten Sie gezielt schauen, was dem Klienten im Detail zugeführt wird. Erst dann wird klar, ob der Gewichtsverlust an der Nahrungsaufnahme liegt oder nicht. Anschließend wird das Protokoll beendet und stattdessen der Maßnahmenplan und ggf. die SIS® angepasst.

Bei einer Neuaufnahme können Sie durchaus einige Tage lang ein Protokoll führen, damit Sie erkennen können, wie sich die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gestaltet. Außerdem lässt so ein Protokoll schnell erkennen, was der Klient gut (oder weniger gut) annimmt. Insbesondere bei Menschen mit Demenz ist es wichtig zu wissen, was ihnen schmeckt und was nicht.

Leider gilt dieses Vorgehen noch immer nicht für die Bewegungsprotokolle. Da ist das EinSTEP-Büro inkonsequent, ebenso bei der Behandlungspflege. EinSTEP meint, wenn im Maßnahmenplan steht, der Klient werde gewaschen, bekomme Intertrigo-, Kontraktur-, Sturzprophylaxe usw., benötigt man dafür keinen Leistungsnachweis, weil der »Immer-so-Beweis« gilt.

Aber dass man dem Klienten wie geplant nach der Nahrungsaufnahme einen Positionswechsel zukommen lässt, dass man ihm zum Essen die verordnete Medizin verabreicht – das muss separat quittiert werden! Das Projektbüro führt als Begründung juristische Bedenken an und verweist auf ein mittlerweile über 30 Jahre altes Urteil: »Aufgrund eines rechtskräftigen Urteils (BGH, Urt. v. 18.3.1986, Az. VI ZR 215/84, und v. 2.6.1987, Az. VI 74/86) zur Dekubitusprophylaxe kann dennoch derzeit keine andere Empfehlung aus juristischer Sicht gegeben werden.«24

Dieser Verweis des Projektbüros beweist für mich wieder einmal, dass die angstgetriebene Dokumentation in Deutschland noch immer nicht zu Ende ist. Wenn man eine Sturzprophylaxe durchführt und diese nicht abzeichnet (weil ja geplant), fragt niemand weiter nach. Doch genau dieser Glaube fehlt, wenn es um einen Dekubitus geht? Wo ist da die Logik? Ich bleibe bei meiner Kritik: Sich hinter einem 30 Jahre zurückliegenden Urteil zu verstecken (aus einer Zeit, als die Dokumentationspflicht erst begann) ist eines Projektbüros der Bundesregierung nicht würdig.

Wichtig Bezug zur neuen Qualitätsprüfung

Die Dokumentation, hier insbesondere die SIS® und der Maßnahmenplan sind wichtig für die Qualitätsprüfung. Es geht in den neuen Prüfungen stets um Individualität und Bedürfnisbefriedigung des Klienten. Diese stehen in der SiS®. Und es geht darum, welche Maßnahmen die Einrichtung eingeleitet hat, erkennbar am Maßnahmenplan. Ein fehlender oder veralteter Maßnahmenplan führt sofort zur negativen Bewertung.

2.4Den Pflegebericht verstehen

Der Pflegebericht ist oftmals ein Sammelsurium für alles und nichts. Dort werden aktuelle Informationen und Probleme gesammelt (Rötungen, Schmerzen, Wohlbefinden der Klienten), aber auch Leistungen nachgewiesen (Verbandwechsel durchgeführt, geduscht, Bett bezogen). Weiterhin werden nicht-pflegerelevante Beobachtungen eingepflegt (Hinweise auf den vernachlässigten Haushalt, den Hund, der auf das Sofa uriniert hat, oder die Tochter, die wieder nur zum Geldabholen kommt).

Da es keine klaren Vorschriften über die Inhalte eines Pflegeberichts gibt, können Sie auch nirgends nachlesen, wie oft nun im Bericht zu dokumentieren ist. Einmal am Tag, einmal pro Pflegeeinsatz oder einmal pro Woche? Ich persönlich halte Vorgaben bezüglich der Häufigkeit für unsinnig. Dann denken ggf. einige Mitarbeiter nicht mehr prozesshaft und fangen unter Druck an, Floskeln einzutragen. Wer mit dem Druck, etwas eintragen zu müssen, an den Bericht herangeht, schreibt irgendetwas. Das ergibt unnötige und manchmal auch unsinnige Einträge.

Beispiel Typische Floskeln als Ausdruck von Hilflosigkeit

Verbandwechsel nach Plan.

War beim Gottesdienst.

Hat beim Bingo mitgespielt.

Hatte heute Mittag Besuch.

War beim Friseur.

Fußpflege war da.

Arzt war zur Visite, keine Änderung.

Krankengymnast war da.

Hat heute Geburtstag.

Diese Einträge sind unnötig und nichtssagend. Da ist es besser, nichts zu schreiben. Andererseits ist es auch bemerkenswert, wenn man vier Wochen lang so rein gar nichts zu einem Klienten, den man ggf. täglich in seiner Obhut hat, zu berichten weiß.

Dass man allerdings vier Wochen lang keine Veränderung, keine Abweichung, kein verändertes Befinden bei einem Klienten beobachtet, ist sicher die Ausnahme. Es kann nicht die Regel sein, denn wir haben es mit Menschen zu tun, nicht mit funktionierenden Maschinen.

Wie das Berichteblatt aussieht, ist im Strukturmodell nicht benannt. Es ist aber klar hervorgehoben, dass es bei der Aufzeichnung von Abweichungen aus der Maßnahmenplanung nicht nur um negative Abweichungen geht, sondern auch um positive. »In der grundpflegerischen Versorgung mit ihren beschriebenen, routinemäßigen und wiederkehrenden Abläufen der Pflege und Betreuung konzentrieren sich künftig die Aufzeichnungen im Berichteblatt ausschließlich auf das Dokumentieren von Abweichungen und tagesaktuellen Ereignissen, wobei Abweichungen sowohl positiver als auch negativer Art Berücksichtigung finden. […] Ziel ist es, im Berichteblatt sämtliche tagesaktuellen Informationen zur Situation der pflegebedürftigen Person, zu Änderungen in der aktuellen Versorgung oder notwendigen Beobachtungen sowie akuten Ereignissen in einem Dokument, nachvollziehbar allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen.«25

Fazit Nur bei Abweichungen dokumentieren

Ein leeres Berichteblatt bestätigt klar den vorliegenden Maßnahmenplan und dokumentiert, dass alles genau so stattgefunden hat, wie es geplant wurde. Ein wochenlang leeres Berichteblatt würde aber bedeuten, dass der Klient ohne Veränderung in seinem Wesen und seiner Hilfsbedürftigkeit war, in der er durch Pflege- und Betreuung Unterstützung erhält.

2.5Das Strukturmodell ist keine Musterdokumentation

Abschließend sei erwähnt, dass das Strukturmodell keine Dokumentation ist und dass es auch keine abschließende Ausführung sein kann. Denn das Strukturmodell nimmt nur Bezug auf vier Elemente des Pflegeprozesses. Zu Vitalzeichen, Wunddokumentation etc. finden sich dort keine Aussagen. Selbst der Maßnahmenplan und der Pflegebericht werden nicht als Formvordruck vorgegeben. Elisabeth Beikirch, die ehemalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege, sagte in einem Interview: »Wir wollten keine Musterdokumentation, sondern eine Empfehlung für eine Grundstruktur der Pflegedokumentation vorlegen … Die Träger können selbst entscheiden, ob sie das Dokumentationssystem an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Wir geben nur den Rahmen vor, allerdings mit strengen Spielregeln, damit die Effekte auch einsetzen.« 26

________________________

1 König J (2020): Dokumentationswahnsinn in der Pflege – es geht auch anders. 4., aktualisierte Auflage. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover.

2 Roes M (2014): »Pflegewissenschaftliche Einordnung Strukturmodell/SIS®/Risikomatrix« Veranstaltungsreihe der BAFGW Katholische Akademie, Kardinal Wendel Haus, 29. September 2014

3 Der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege & EinSTEP (2017): Informations- und Schulungsunterlagen zur Einführung des Strukturmodells in der ambulanten, stationären und teilstationären Langzeitpflege. Version 2.0 von Oktober 2017. Berlin, S. 32

4 Ebd., S. 27

5 Ebd., S. 16

6 »Nachweispflichten im Rahmen der Pflegedokumentation für zusätzliche Leistungen der Betreuung und Aktivierung gemäß SGB XI in stationären Pflegeeinrichtungen« (Stand: Mai 2016). https://www.ein-step.de/haeufige-fragen/

7 Vgl. Der Bevollmächtigte… 2017, S. 46

8 Ebd., S. 67

9 Ebd., S. 67

10 Ebd., S. 28

11 Ebd., S. 69

12 https://www.ein-step.de/haeufige-fragen/

13 Ebd.

14 GKV & MDS (2019): Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes für Die Qualitätsprüfung in Pflegeeeinrichtungen nach § 114 SGB XI. Vollstationäre Pflege. (QPR vollstationär). https://www.mds-ev.de/themen-des-mds/pflegequalitaet/qualitaetspruefungen.html Prüffrage 4.1, S. 52

15 Der Bevollmächtigte… 2017, S. 59

16 Ebd.

17 Ebd., S. 63

18 Ebd., S. 64

19 »Nachweispflichten im Rahmen der Pflegedokumentation für zusätzliche Leistungen… https://www.ein-step.de/haeufige-fragen/

20 Der Bevollmächtigte… 2017, S. 23

21 »Warum müssen weiterhin Einzelleistungsnachweise…, https://www.ein-step.de/haeufige-fragen/

22 Der Bevollmächtigte… 2017, S. 23

23 Ebd., S. 72

24 »Warum müssen weiterhin Einzelleistungsnachweise…, https://www.ein-step.de/haeufige-fragen/

25 Der Bevollmächtigte… 2017, S. 71

26 Vgl. CareKonkret, 43/23. Oktober 2015. Vincentz Network, Hannover.

Das Begutachtungsinstrument (BI), erstmals ab 1. Januar 2017 angewendet, hat nach dem Strukturmodell das zweite große Umdenken in der Pflege nach sich gezogen.

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Das BI wurde in der Anfangsphase 2015 auch NBA (Neues Begutachtungsassessment) genannt, später – ab 2016 – auch NBI (Neues Begutachtungsinstrument)27. Heute spricht man nur noch vom Begutachtungsinstrument, BI28

Das BI hat dafür gesorgt, dass der Begriff der Pflegebedürftigkeit gänzlich neu angewendet wird. Schauten wir im alten System (gültig 1995 bis 2016) immer mit unseren fachlichen Augen auf den Pflegebedürftigen, so ist die neue Herangehensweise eine alleinige Betrachtung aus seiner Sicht. Es ist also jetzt völlig unerheblich, wer dem Pflegebedürftigen hilft, ob überhaupt jemand hilft, welche Leistungen benötigt oder abgerufen werden. Wenn der Pflegebedürftige Hilfe benötigt, ist es unerheblich, wie umfangreich und zeitaufwändig diese erfolgt. Die Berechnung erfolgt allein aus der Frage heraus, wie sehr er in seiner Fähigkeit oder Selbstständigkeit eingeschränkt ist. Erst das ergibt die Punkte, die für einen Pflegegrad ausschlaggebend sind.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690974
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2021 (Mai)
Schlagworte
Altenpflege Ambulante Pflege Berufe im Gesundheitswesen Pflege Pflegemanagement & -planung Medizin

Autor

  • Jutta König (Autor:in)

Jutta König ist Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung, Wirtschaftsdiplom-Betriebswirtin Gesundheit (VWA), Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet sowie beim Landessozialgericht in Mainz, Unternehmensberaterin, Dozentin in den Bereichen SGB V, SGB XI, Haftungs- und Betreuungsrecht
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Titel: BI, SIS®, Expertenstandards & Qualitätsindikatoren