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Raus aus der narzisstischen Beziehung

Wie es dir gelingt, dich aus deiner emotionalen Abhängigkeit zu befreien. Toxische Beziehungen mit dem 5-Schritte-Programm beenden

von Katja Demming (Autor:in)
200 Seiten

Zusammenfassung

Es gibt viele Bücher über Narzissmus oder Beziehungen mit einem Narzissten. Was jedoch fehlt, ist ein Angebot, das Menschen an die Hand nimmt und ihnen einen Ausweg aus ihrer unglücklichen Partnerschaft zeigt. Hier setzt Katja Demming als Psychologische Beraterin und Expertin für narzisstische Beziehungen an. Sie erklärt, wie Menschen in eine destruktive Beziehung geraten und was sie benötigen, um diese zu verlassen. Mit ihrem 5-Schritte-Programm zeigt sie, wie es möglich ist, sich und sein Leben zu verändern, seelische Verletzungen und emotionale Wunden zu heilen sowie Selbstliebe und innere Stärke zu entwickeln, um in der Zukunft toxische Beziehungen zu erkennen und zu vermeiden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


 

VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn du dieses Buch in den Händen hältst, hast du vermutlich schon schmerzhafte Erfahrungen hinter dir. Vielleicht verstehst du immer noch nicht so ganz, was dir da passiert ist, und ganz sicher weißt du nicht, wie du dich daraus befreien sollst. Sich von einem Narzissten zu trennen und aus einer toxischen Beziehung zu befreien, ist unsagbar schwer.

Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben, in der Hoffnung, dass es dich findet. Es wird dir zeigen, dass mit dir alles stimmt und du absolut in Ordnung bist. Es wird dir erklären, dass du unwissentlich in diese Situation geraten und Opfer einer zerstörerischen Person geworden bist. Es wird dich zurück zu deiner inneren Stärke führen und dir den Weg aus dieser destruktiven Beziehung zeigen.

Das vielfach erfolgreich erprobte Fünf-Schritte-Programm liefert dir alle Informationen, Fähigkeiten und Kräfte, um aus deiner jetzigen Beziehung auszusteigen. Du verstehst, warum ausgerechnet dir das passiert ist und wie du dich davor schützen kannst, dass sich so eine Erfahrung in deinem Leben wiederholt.

Selbst wenn du dich gerade kraftlos, müde und außerstande siehst, diese Verbindung zu lösen, mache dir bitte bewusst, dass du nur dieses eine Leben hast und du auf dieser Welt bist, um glücklich zu sein. Es ist nicht deine Aufgabe, andere glücklich zu machen. Es ist deine Aufgabe, dich selbst glücklich zu machen.

Mit diesem Buch nehme ich dich an die Hand und führe dich heraus aus deinen schmerzvollen Erfahrungen. Lass uns gemeinsam gehen. Du hast genug gelitten. Es wird Zeit für ein glückliches und freies Leben. Du hast so viel mehr Liebe verdient, als du gerade bekommst.

Ergänzend zu diesem Buch gibt es einen Online-Kurs. Mein „Release Program“ unterstützt und begleitet dich durch die ersten drei Monate deiner Trennung. Mit 24 Inspirations- und Inputvideos, 24 Meditationen und einem PDF-Workbook mit über 100 selbstreflektierenden Fragen bekommst du mehr Selbstbewusstsein, Stärke, Motivation, Heilung und Frieden. Du kannst dieses Programm allein, innerhalb einer Gruppe oder exklusiv mit mir erleben. Gib mir deine Hand und lass uns gehen.

Weitere Informationen dazu findest du

auf meiner Website www.katjademming.com.

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DAS MÖCHTE ICH DIR MIT DIESEM BUCH MITGEBEN

„Geh doch einfach! Trenn dich jetzt endlich von diesem Idioten und dann ist alles gut.“ Ich höre die Worte meiner Freundin noch heute in meinen Ohren.

Von einem Narzissten trennt man sich nicht einfach mal so.

„Geh doch einfach!“ Nur, so einfach war das nicht für mich. Ich war an einen toxischen Menschen geraten – einen Narzissten –, und von dem trennt man sich nicht einfach mal so. Während dieser destruktiven Beziehung wurde ich so sehr manipuliert, destabilisiert und abhängig gemacht, dass mir eine Trennung trotz meines hohen Leidensdrucks völlig unmöglich erschien.

Als wir uns kennenlernten, hatte ich gerade eine gescheiterte Ehe hinter mir. Ich lebte als alleinerziehende Mama mit meinen zwei und vier Jahre alten Kindern in einer kleinen Mietwohnung. Er war bezaubernd, verständnisvoll und irgendwie seelenverwandt. Er beteuerte mir, dass er schon immer auf mich gewartet habe, weil ich die Frau seines Lebens sei. Ich fühlte mich noch nie in meinem Leben von einem Mann so geliebt wie von ihm.

Doch das sollte sich alles in nur wenigen Monaten ändern: Abwertung, Enttäuschung, Lügen, Ablehnung und Affären wurden zu ständigen Begleitern dieser Beziehung. Ich, eine selbstbewusste und starke Frau in den Dreißigern, war nicht mehr in der Lage, gut für mich zu sorgen. Ich weinte, kämpfte und hielt alles aus – und das nur, um nicht zu scheitern. Nur, um nicht wieder ungeliebt zu sein. Nur, um mir nicht noch einmal eingestehen zu müssen, dass ich mich wieder in den falschen Mann verliebt hatte.

Ich wurde immer unsicherer, stellte mich ständig infrage, versuchte so zu sein, wie er mich wollte – und machte letztendlich doch alles falsch. Ich weinte nur noch und spürte, dass ich langsam den Lebensmut verlor. Ich erkannte mich selbst nicht mehr wieder.

In destruktiven Beziehungen können sich starke, selbstbewusste Menschen in hilflose Schoßhündchen verwandeln. Sie geben sich völlig auf, versuchen, dem anderen alles recht zu machen, und brechen sämtliche sozialen Kontakte ab, um sich ganz auf den Narzissten fokussieren zu können.

Du kannst dir vorstellen, wie schwer es für mich war, auch noch diese für mich scheinbar so überlebenswichtige letzte Verbindung zu kappen. Vor allem, weil ein Narzisst nach einer Trennung zur Höchstform aufläuft. In meinem Fall versuchte er, mich mit Lügen und Intrigen zurückzugewinnen und machte mir mein Leben schlichtweg zur Hölle. Denn ich hatte seinen Selbstwert verletzt, und das konnte er nicht ungestraft zulassen.

Als ich nach einer Notoperation wegen eines doppelten Bandscheibenvorfalls in meinem weißen Krankenhausbett lag – mein damaliger Freund hatte es vorgezogen, in den Skiurlaub zu fahren, statt mir beizustehen –, war ich an einem Tiefpunkt angekommen und mir wurde klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich beschloss, mir ein neues Leben aufzubauen.

Zunächst begab ich mich in psychologische Behandlung, stärkte mein Selbstbewusstsein, holte mir Kraft und meinen unbändigen Willen zurück. Ich trennte mich, ließ alles los, was mir schadete, und zog liebevolle und unterstützende Menschen in mein Leben. Ich suchte mir einen besser bezahlten Job, baute ein Haus für mich und meine Kinder und meldete mich für ein Fernstudium zur Psychologischen Beraterin an. Denn eines war mir durch meine eigene Geschichte bewusst geworden: Aus einer narzisstischen Beziehung schafft man es allein nicht heraus. Dazu benötigt man Wissen, Motivation und Unterstützung. All das möchte ich dir mitgeben.

Mittlerweile arbeite ich seit fast zehn Jahren mit Frauen und Männern zusammen, die toxischen Beziehungen zum Opfer gefallen sind, und begleite sie durch die Trennung. Mir ist es wichtig, dich aufzuklären und dafür zu sorgen, dass du solche Menschen nicht länger anziehend findest.

Entscheide dich dafür, dein Drama nun endlich loszulassen. Beende die Beziehung mit Männern, die gar keine Beziehung mit dir führen. Höre auf zu kämpfen um etwas, was nie wirklich gut für dich war. Mache dir deine Illusionen klar und sei gnadenlos ehrlich zu dir. Trenne dich von deinem Traum, der schon lange zum Albtraum geworden ist.

Du hast so viel mehr verdient in deinem Leben als das, was du gerade durchmachen musst. Du bist es wert, aus ganzem Herzen geliebt zu werden.

Wahre Liebe ist leicht – von Anfang an. Sie schenkt dir Kraft und Lebensfreude. Sie lässt dich über dich hinauswachsen und bereichert dein Leben. Mit diesem Buch möchte ich für dich erreichen, dass du deine toxische Liebe loslassen kannst, um irgendwann diese wahre Liebe zu finden.

Es wäre schön, wenn du dieses Buch nicht einfach Seite für Seite lesen und es dann in dein Bücherregal stellen würdest. Dieses Buch dient deiner Selbsterkenntnis, deshalb nimm dir Zeit, beantworte ganz in Ruhe die Fragen und lass die dabei hochkommenden Gefühle auf dich wirken. Es ist aufgebaut wie ein Coaching: Du kannst beim Lesen an dir arbeiten, Erkenntnisse und innere Stärke gewinnen sowie Heilung erfahren.

Bist du bereit? Dann lass uns starten!

 

WAS IST NARZISSMUS?

Unsere Gesellschaft wird zunehmend narzisstisch. Die sozialen Medien befeuern den Selfie-Wahn, und sich perfekt, erfolgreich und schön zu präsentieren, gehört mittlerweile zum Alltag. Die eigene Selbstdarstellung wird immer wichtiger und es scheint, als nähme dadurch auch der Egoismus in unserer Gesellschaft zu.

Als toxische Beziehung bezeichnet man Partnerschaften, die einem mehr Kraft rauben als Kraft geben.

Narzissten gab es aber schon in der Antike: Narziss, ein wunderschöner Jüngling, wird von Frauen und Männern gleichermaßen begehrt. Er weist sie jedoch alle ab. Selbst als sich die schöne Nymphe Echo in ihn verliebt, lässt Narziss keine Liebe zu. Echo verzehrt sich nach ihm, gibt sich und ihr Leben für ihn auf und ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Diese Dynamik, das Nichtzulassen der Liebe vom Narzissten und die Selbstaufgabe der Partnerin, findet sich auch in modernen toxischen Beziehungen wieder.

Unser Selbsterhaltungstrieb bringt es mit sich, dass wir alle narzisstische Anteile in uns tragen. Abgrenzung, Selbstliebe und ein respektvoller Umgang mit der eigenen Person sind erforderlich, um die eigene Selbstregulierung im Leben aufrechtzuerhalten. Nehmen jedoch die narzisstischen Anteile überhand oder sind sie massiv ausgeprägt, spricht man nicht mehr von einem gesunden Egoismus. Entwickelt ein Betroffener dadurch ein persönliches Leiden, was sich in Depression, Burn-out-Syndrom, Suchtverhalten oder einer hohen Wahrscheinlichkeit für Suizidalität äußern kann, liegt eine klinische Diagnose nahe.

Schauen wir uns die aktuelle Klassifikation der „American Psychiatric Association“ (DSM-5) an, dann wird Narzissmus wie folgt beschrieben:

1. Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z. B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).

2. Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.

3. Glaubt von sich, besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.

4. Verlangt nach übermäßiger Bewunderung.

5. Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen).

6. Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d. h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen).

7. Zeigt einen Mangel an Empathie: Ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.

8. Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn.

9. Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.

Laut DSM-5 müssen fünf oder mehr der genannten Kriterien erfüllt sein, um von einem klinisch diagnostizierten Narzissmus sprechen zu können.

Im Alltag erkennt man einen klassischen Narzissten ganz konkret an folgenden Verhaltensmustern: Er ist empathielos, wertet andere Menschen ab und tritt arrogant auf. Er hat Größenideen und versucht, seine Grandiosität täglich im Außen darzustellen. Er beneidet andere und glaubt, dass diese auch neidisch auf ihn sind. Innerlich fühlt ein Narzisst eine große Leere, die in eine Depression münden kann.

Seine Angst, nicht gut genug zu sein, versucht er zu überspielen. In der Tiefe seines Herzens ist er nämlich gar nicht so selbstverliebt, wie er vorgibt, denn er trägt erhebliche Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle mit sich herum. Seine größte Angst ist es, dass jemand das erkennen und seine Maskerade so auffliegen könnte. Menschen, die das durchschaut haben, sind für einen Narzissten sehr gefährlich, da sie seine Minderwertigkeitskomplexe enttarnen und ihn so – zumindest in seinen Augen – als Versager dastehen lassen könnten.

Der Entstehung von Narzissmus liegt zum einen eine erbliche Veranlagung zugrunde, zum anderen trägt die Erziehung maßgeblich dazu bei, hohe narzisstische Anteile zu entwickeln. Kinder, die von ihren Eltern ein positives Selbstwertgefühl und eine gesunde Selbstliebe mit auf den Weg bekommen, entwickeln sich zu starken und gefestigten Persönlichkeiten. Bleibt diese Liebe in der Erziehung jedoch aus, entsteht eine tiefe Unsicherheit. Die Konsequenzen sind innere Leere, die Scham, nichts wert zu sein, und die Angst vor Ablehnung. Um diese Defizite nicht für alle sichtbar zu machen, flüchtet sich der Narzisst in ein grandioses Selbstbild. Keine Schwäche, keine Fehler, keine Defizite sollen an seiner Person erkennbar sein. Diese Schutzfunktion hilft ihm dabei, den tiefen Schmerz darüber, ungeliebt zu sein, nicht zu spüren. Um das sicherzustellen, bedient er sich häufig auch der Externalisierung. Das bedeutet, er sucht Gründe im Außen und beschuldigt andere, wenn sein akribisch aufgebautes, makelloses Bild beschädigt wird.

Auch eine Form der Überbehütung, bei der ein Kind schon sehr früh das Gefühl bekommt, etwas ganz Besonderes zu sein, kann krankhaften Narzissmus auslösen. Diese Kinder verlangen dann auch als Erwachsene eine bevorzugte Behandlung. Der Psychiater und Neurowissenschaftler Raphael Bonelli beschreibt den Narzissten daher keineswegs als unsichere Person, sondern als einen starken, von sich selbst überzeugten Menschen, der sich großartig findet und für unfehlbar hält. Er glaubt, dass er nur das Beste und Großartigste vom Leben verdient hat und sich deutlich über andere Menschen hinwegsetzen darf. Seinem Empfinden nach ist er vom Geburtsrecht her besser und schöner als andere, und er fordert von der Gesellschaft und seinem Umfeld ein, entsprechend behandelt zu werden. Als Beispiel hierfür nennt Bonelli den Fußballspieler Christiano Ronaldo.

Demnach findet man im sogenannten „offenen Narzissmus“, auch „grandioser Narzissmus“ genannt, zum einen Menschen, die ihr schwaches Selbstbild mit ihrer Grandiosität übertünchen möchten, und zum anderen solche, die sich durch ihre starke Überzeugung von sich selbst sowie ein empfundenes überhöhtes Geltungsrecht auszeichnen.

Es ist wichtig, dass Narzissmus rechtzeitig erkannt wird, denn das macht das Leben für Betroffene und Angehörige einfacher. Wer die Denk- und Handlungsweisen eines Narzissten kennt, kann besser mit den Symptomen umgehen.

Laut Statistiken liegt bei einem Prozent der Bevölkerung ein klinisch diagnostizierter Narzissmus vor. Man kann jedoch von einer höheren Dunkelziffer ausgehen, da einige Patienten unter Diagnosen wie Depression, Burn-out-Syndrom oder Suchterkrankungen zu finden sein können. Narzissmus betrifft häufiger Männer als Frauen, weshalb ich hier von „dem Narzissten“ spreche, wohl wissend, dass es auch eine Menge Narzisstinnen gibt.

Viele Psychologen und Psychiater beschreiben Narzissmus als nicht therapier- oder heilbar. Auch wenn es nicht möglich ist, Narzissmus zu heilen, so stellt eine Therapie zumindest eine Besserung der Symptome in Aussicht. In der Therapie lernen Narzissten, an ihrer Selbstwahrnehmung und einem verbesserten Mitgefühl zu arbeiten.

Da ich weder Psychologin noch Psychiaterin bin, steht es mir nicht zu, Narzissmus zu diagnostizieren. Dennoch kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich in meinem Leben auf Menschen getroffen bin, die sehr hohe narzisstische Anteile in sich trugen. Ich bezeichne sie der Einfachheit halber im Folgenden als „Narzissten“, schließe hierbei jedoch eine bestätigte klinische Diagnose aus.

Es kann sich nur ändern, was wir auch sehen.

Woran du narzisstische Menschen erkennst

Die Beziehung zu einem Narzissten kann sehr kräftezehrend und mitunter traumatisierend sein. Niemand möchte in so eine Partnerschaft geraten, deshalb gestehen sich Betroffene oft nicht ein, dass ihnen genau das widerfahren ist. In meinen Coaching-Sitzungen werde ich oft von Klienten gefragt: „Katja, woher weiß ich, ob mein Partner wirklich ein Narzisst ist?“ Die Verhaltensmuster von Narzissten und die Abläufe der Beziehungen, die sie eingehen, ähneln sich stark. Bestimmte Tendenzen lassen sich somit schnell erkennen, und dadurch sind Rückschlüsse auf erhöhte narzisstische Anteile einer Person möglich.

Am Anfang ist es sehr schwer, einen narzisstischen Partner zu entlarven, da er sein „Opfer“ mit Liebe und Aufmerksamkeit überschüttet. Der Narzisst zeigt sich nur von seiner besten Seite und stellt viele Gemeinsamkeiten her, um den neuen Partner an sich zu binden. Du bist fasziniert von seinem selbstsicheren Auftreten, seiner Intelligenz und seinem Charme. In deinem ganzen Leben hast du dich wahrscheinlich noch nie so geliebt gefühlt wie in den ersten Monaten mit diesem Partner. Er gaukelt dir eine absolute Seelenverwandtschaft vor und erzeugt in dir die Illusion, genau der Richtige für dich zu sein.

Themen wie Geld, Luxus, Macht, Status und körperliche Schönheit sind ihm enorm wichtig. Dadurch fällt es ihm leichter, angeberisch und überlegen aufzutreten. Er umgibt sich gerne mit wichtigen Menschen wie Akademikern oder mit Persönlichkeiten, die wichtige Ämter besetzen und eine gewisse Position in der Gesellschaft einnehmen. Neben den Vorteilen, die höhergestellte Menschen ihm verschaffen könnten, nutzt der Narzisst diese Kontakte aus, um sein eigenes Ansehen zu erhöhen. Denn wenn er sich mit besonderen Leuten umgibt, muss er selbst ja auch etwas Besonderes sein.

Dieses Verhalten lässt bereits erkennen, wie berechnend der Narzisst agiert und wie er andere gezielt ausnutzt. Manch einer verwechselt dieses Verhalten mit echter Freundschaft und merkt erst nach einiger Zeit, dass er nur benutzt wurde. Denn Menschen, die ein Narzisst nicht mehr braucht, werden kurzerhand ausgetauscht bzw. fallen gelassen. Ein Narzisst hat einmal zu mir gesagt, dass er seine Frauen wie Accessoires sieht und sich jeden Tag neu entscheidet, welche und wie er sie benutzt.

Er wertet gerne andere Menschen ab, erniedrigt sie und weiß vieles besser. Er weist andere auf Fehler hin, denunziert Kollegen beim Chef und zeigt seinem Partner vermeintliche Unzulänglichkeiten auf. Es ist fast unmöglich, sich auf dieses Verhalten einzustellen, denn man bekommt immer wieder das Gefühl, nicht gut genug zu sein – damit projiziert der Narzisst sein eigenes Minderwertigkeitsgefühl auf sein Gegenüber. Projektion gehört zum festen Repertoire eines Narzissten, denn alles, was er an sich selbst ablehnt, versucht er abzuspalten und auf andere zu übertragen. Dadurch steht seiner eigenen Grandiosität nichts mehr im Weg. Sollte es jedoch jemand wagen, ihn zu kritisieren, dann bricht für ihn eine Welt zusammen. Er ist tief gekränkt und verletzt. Häufig reagiert er wütend auf die Anschuldigungen und versucht, die Schuld direkt an den Kritiker oder an einen Dritten weiterzugeben. Sind andere Menschen erfolgreicher, stellen sich bei ihm schnell Gefühle wie Neid, Missgunst, Hass und Rache ein. Um Überlegenheit zurückzugewinnen, versucht er mit allen Mitteln, den Kontrahenten zu übervorteilen.

In einer Partnerschaft ist das fehlende Mitgefühl des Narzissten meist am schwersten zu ertragen. Denn egal wie sehr du auch versuchst, ihm deine Gefühle und Bedürfnisse zu erklären: Er kann sie nicht nachvollziehen, geschweige denn sich in dich hineinversetzen. Sein mangelndes Einfühlungsvermögen macht es fast unmöglich, eine liebevolle Partnerschaft zu führen. Wie soll ein Mensch, der sich selbst nicht liebt, auch jemand anderen lieben können?

Vielleicht denkst du jetzt, dass dein Partner zu Beginn der Beziehung doch sehr einfühlsam und mitfühlend war. Das mag stimmen, war vermutlich aber nur vorgespielt, um dich für ihn einzunehmen. Dieses Verhalten kann er jederzeit wieder abrufen, wenn er darin einen Vorteil für sich sieht. Gerade in On-off-Beziehungen verhält sich der Narzisst erneut liebevoll und empathisch, sobald er seine Partnerin zurückgewinnen möchte. Doch kaum ist er sich ihrer Gefühle sicher, verfällt er wieder in seine alten, destruktiven Muster.

Einem Narzissten kannst du nur schwer vertrauen, wahrscheinlich hat er dich schon oft enttäuscht, versetzt, angelogen und womöglich sogar betrogen. Narzissten können sehr skrupellos agieren, nur um sich selbst zu spüren. Dabei gehen sie bis an die Grenzen – und oft genug darüber hinaus.

Immer, wenn er Aufmerksamkeit bekommt, fühlt der Narzisst sich gut – selbst im Streit. Deshalb provoziert er solche Situationen permanent durch sein Benehmen. Sei dir sicher, er weiß, was er macht und auch was er dir damit antut. Doch um dich geht es ihm nicht. Es geht nur um ihn.

Seiner inneren Leere versucht der Narzisst auch durch exzessiven Sport, strenge Diäten oder akribisch durchgeführte Hobbys zu begegnen. Wenn er heraussticht, weil er alles perfekt macht, kann er sich besser spüren.

Mein Ex-Partner hat mal zu mir gesagt, dass er gar nicht anders kann als fremdzugehen. Er liebt es, etwas Verbotenes zu tun. Dieser Nervenkitzel und die Gefahr, erwischt zu werden, sind für ihn wie eine Sucht. In solchen Situationen fühlt er sich lebendig. Solltest jedoch du einmal vom Leben in den Mittelpunkt gerückt werden, zum Beispiel weil du krank wirst und Hilfe brauchst, dann taucht dein narzisstischer Partner vermutlich entweder unter oder er wird plötzlich auch ganz schlimm krank und kann sich nicht um dich kümmern.

Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Verständnis darf man vom Narzissten nicht erwarten. Nicht, weil er dir nichts gönnt, sondern weil er schlichtweg nicht dazu fähig ist. Narzissten können sich einfach nicht in andere Menschen hineinversetzen und haben dadurch oftmals einen ganz befremdlichen Blick auf Situationen und Begebenheiten.

Viele meiner Klientinnen berichten zum Beispiel davon, dass sie nachts weinend neben ihrem Partner liegen, der das jedoch komplett ignoriert, sich ohne ein klärendes Wort umdreht und einschläft. Äußern sie ihren Missmut darüber, stoßen sie auf Unverständnis. Der Narzisst wird dann höchstwahrscheinlich versuchen, dich davon zu überzeugen, dass du eine falsche und verquere Denkweise hast. Hörst du so etwas immer wieder über Jahre hinweg, läufst du Gefahr, irgendwann nicht mehr unterscheiden zu können, was richtig und was falsch ist. So kam auch ich irgendwann an einen Punkt, an dem ich für meinen Partner ständig Ausreden gefunden habe, um sein merkwürdiges Verhalten vor der Familie und vor meinen Freunden zu verteidigen.

Nach einigen Monaten konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen und hatte das Gefühl, einer Gehirnwäsche unterzogen worden zu sein. Ich traute meiner eigenen Wahrnehmung nicht mehr und war häufig komplett verwirrt.

Worte zeigen, wie man gerne wäre. Taten zeigen, wie man ist.

Weitere Formen des Narzissmus

Die gerade beschriebenen sogenannten „offenen Narzissten“ sind nach einiger Zeit und mit einem etwas geschulteren Blick leicht zu enttarnen; man kann bereits nach kurzer Zeit feststellen, wer hohe narzisstische Anteile in sich trägt und wer nicht.

Allerdings gibt es neben dem offenen Narzissmus auch noch eine verdeckte Form, die auch als „vulnerabler Narzissmus“ bezeichnet wird. Die Psychologin und Narzissmus-Expertin Dr. Bärbel Wardetzki erkannte, dass diese Art häufiger bei Frauen auftritt. Aber auch Männer können verdeckte narzisstische Persönlichkeitsstörungen aufweisen.

Im Gegensatz zum offenen Narzissten ist der verdeckte Narzisst sehr introvertiert, ruhig und bescheiden in seinem Auftreten. Er möchte nicht im Mittelpunkt stehen, das verunsichert ihn zu sehr. Er trägt ein großes Minderwertigkeitsgefühl in sich, dessen er sich durchaus bewusst ist und weshalb er eher nicht auffallen möchte. Er kümmert sich gerne um andere und ist hilfsbereit und aufopfernd. Darüber hinaus ist er äußerst empfindlich, leicht zu kränken und nimmt vieles persönlich.

Aufmerksamkeit holt er sich über die Opferrolle, die er konsequent einnimmt. Bei allem, was im Leben nicht so läuft, wie er es sich vorstellt, ist er immer der Leidtragende: „Ich würde ja gerne dieses oder jenes machen, aber ich kann nicht, wegen meiner Kinder, meines Jobs, meines Partners …“

Ein vulnerabler Narzisst definiert sich über die Reaktionen seines Umfelds und fällt in ein tiefes Loch, wenn die erhoffte Anerkennung ausbleibt. Damit das nicht zu häufig passiert, bindet er andere mittels emotionaler Erpressung an sich. So habe ich im Coaching mehrfach erlebt, dass Mütter ihren Kindern schwere Krankheiten vortäuschen, nur um Aufmerksamkeit und Liebe zu bekommen.

Sein niedriges Selbstwertgefühl führt beim verdeckten Narzissten oft zu einer tiefen inneren Unsicherheit, die er mit seiner scheinbaren Hilfsbereitschaft und Güte zu kompensieren versucht. Er verhält sich jedoch nur so altruistisch, weil er sich durch seine guten Taten selbst erhöht. Der verdeckte Narzisst liebt es, sich aufzuopfern. Selbst wenn es vom anderen gar nicht erwünscht ist, wird eingegriffen mit den Worten: „Ich habe es doch nur gut gemeint.“

Auch er kann – wie der offene Narzisst – nicht mit Kritik umgehen und zieht sich dann schnell zurück, um seine Wunden zu lecken. Er hat jedoch kein Problem damit, andere Leute zu kritisieren, abzuwerten und schlechtzumachen. Diese Strategie benutzt er, um selbst ein bisschen größer und stärker zu wirken, als er sich fühlt.

Der verdeckte Narzisst ist besonders gut darin, seine negative Energie an sein Umfeld weiterzugeben. Das hat zur Folge, dass man sich in seiner Gegenwart ganz plötzlich mies fühlt, ohne zu wissen, warum. Er freut sich, wenn es anderen genauso schlecht geht wie ihm selbst. Ein verdeckter Narzisst hat mir das einmal wie folgt beschrieben: „Ich hasse mich und mein Leben so sehr. Das Einzige, was ich tun kann, ist, dafür zu sorgen, dass andere sich und ihr Leben auch hassen.“ Dadurch sind Freundschaften mit vulnerablen Narzissten sehr anstrengend. Man könnte sie als Energievampire bezeichnen, da sie einem die Lebensfreude aussaugen und ihre negative Energie hinterlassen.

Verdeckte Narzissten sind sehr auf ihr Aussehen bedacht und in ihrem Perfektionismus gefangen. Sie sind geschmackvoll gekleidet und achten sehr auf eine gute Figur – was sogar zu Essstörungen führen kann. Betroffene Frauen sind oftmals überaus modebewusst und würden nie ungeschminkt aus dem Haus gehen. Ihr Äußeres und ihr Perfektionismus sind quasi das Kapital, mit dem sie ihre inneren Defizite überspielen wollen. Die Angst, nicht gut genug zu sein, zwingt sie dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen – in der Hoffnung, dem anderen überlegen zu sein.

Eine innere Zufriedenheit mit sich selbst und seinem Leben kann der Narzisst nicht wirklich empfinden, da er ständig fürchten muss, diesen permanenten Wettkampf zu verlieren.

Durch seine charmante und zugewandte Art findet der verdeckte Narzisst leicht Freunde. Diese Freundschaften sind meist nur von kurzer Dauer, da Abwertungen, Neidgefühle und Schuldvorwürfe nicht lange auf sich warten lassen. Der Narzisst hat ein ganz klares Bild von seinen Freunden. Agieren sie nicht so, wie er sich das wünscht, lässt er sie das gleich spüren. Meistens zieht er sich zurück und erwartet, dass der andere auf ihn zukommt, um sich zu entschuldigen. Subtil wird der gewonnene Freund als Quelle der ständigen Bewunderung konditioniert.

Ein typisches Kennzeichen vulnerabler Narzissten ist Neid. Der US-amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker Otto Kernberg beschreibt, dass der verdeckte Narzisst sich einerseits vom Neid der anderen ernährt, aber andererseits auch immer neidisch auf den Besitz und die Fähigkeiten anderer ist. Das kann sogar dazu führen, dass seine Vorbilder nachgeahmt und kopiert werden und alles gekauft wird, was mit ihnen zusammenhängt. Dadurch lebt der verdeckte Narzisst im ständigen Bewusstsein von Mangel, Frust und Schwäche, denn man kann einen anderen Menschen nicht eins zu eins kopieren.

Selbst wenn man versucht, es ihm recht zu machen, wird er niemals dankbar dafür sein oder sich darüber freuen, denn ein verdeckter Narzisst will insgeheim seine Probleme behalten. Um diesen Opferstatus aufrechtzuerhalten, kann er zum chronischen Lügner mutieren. Er denkt sich zum Teil hanebüchene Geschichten aus, nur um sein Gesicht zu wahren. Konfrontiert man ihn damit, wird er aggressiv und verdreht die Realität, nur um gut dazustehen.

Der verdeckte Narzisst ist also eine depressive und dünnhäutige Person – scheinbar das komplette Gegenteil vom offenen Narzissten. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch sichtbar, dass beide innere Leere, ein geringes Selbstwertgefühl, mangelnde Empathie, Neid, Kritikunfähigkeit und die Beratungsresistenz verbindet. Der eine versteckt diese Eigenschaften hinter aufgeblasenem Getue, der andere verfällt in eine Opferrolle. Die charakteristischen Grundzüge sind jedoch bei beiden gleich.

Eine weitere Form ist der „maligne Narzissmus“. Diese Menschen weisen eine Kombination aus Narzissmus, Aggression, Paranoia und antisozialem Verhalten auf. Sie können wirklich gefährlich werden, da sie in vielen Fällen gewalttätig gegenüber ihrem Partner und ihren Kindern sind. Der maligne Narzisst ist in der Lage, extrem grausam, aggressiv und skrupellos zu agieren. Historische Figuren wie Hitler und Stalin werden zu ihnen gezählt.

Maligne Narzissten nehmen keine Rücksicht auf die Belange ihrer Mitmenschen. Sie übernehmen oftmals die Herrschaft über andere und greifen zu den äußersten Mitteln, um ihre Wünsche durchzusetzen. Eine Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen sie dabei aber nicht. Oftmals gehen ihre Einschätzungen, Handlungen und Denkweisen völlig an der Realität vorbei und sind für viele nicht nachvollziehbar. Sie haben kein Gefühl dafür, was richtig oder falsch ist. Konfrontiert man sie damit, reagieren sie aggressiv und wütend.

Sie verhalten sich skrupellos, ausbeuterisch und berechnend, um ihre eigene Macht und Größe sicherzustellen. In der Familie, aber auch im Außen, leben sie ihre zum Teil sadistischen Züge aus, was zu schrecklichen Dramen, häufig innerhalb der Familie, führen kann.

Maligne Narzissten haben Angst davor, übervorteilt zu werden, deshalb sind sie anderen Menschen gegenüber in der Regel argwöhnisch und misstrauisch. Es fällt ihnen schwer, zu vertrauen, und so misstrauen sie ihren Mitmenschen, die sie für hinterhältig und gemein halten. Behandelt man sie scheinbar ungerecht, kommt ihre narzisstische Wut zum Vorschein, die sie zu extremen Handlungen treiben kann. Um andere kleinzuhalten und die Oberhand zu behalten, werten sie ab, suchen nach Fehlern und werden notfalls gewalttätig.

Regeln und Gesetze erkennen sie nicht an. Sie machen sich ihre eigenen Regeln und setzen sich über alles hinweg, was ihnen im Weg ist. Reue ist ein Fremdwort für sie. Sollten sie einmal etwas einsehen und sich entschuldigen, dann nur, weil sie etwas davon erhoffen – zum Beispiel, dass die Familie wieder zurückkommt.

Maligne Narzissten sind psychisch schwer gestörte Menschen. Hier ist es unbedingt notwendig, sich schnell abzuwenden, Hilfe zu holen und das erlebte Trauma mithilfe therapeutischer Behandlung aufzuarbeiten. Dieses Buch richtet sich ausdrücklich nicht an Menschen, die es mit einem malignen Narzissten zu tun haben. Es wäre leichtsinnig, diese kritische Problematik mit einem Buch lösen zu wollen. Falls du den Verdacht hast, einen malignen Narzissten in deinem direkten Umfeld zu haben, dann wende dich am besten direkt an die Polizei, ein Gericht, das Jugendamt oder an einen Therapeuten.

Manchmal verletzen uns ausgerechnet die, die wir am meisten lieben.

Wie narzisstische Eltern erziehen

Als Kind narzisstischer Eltern bist du die Trophäe ihres Lebens. Das eigene Kind soll der Verlängerung der eignen Grandiosität dienen – die Bedürfnisse des Kindes sind hierbei von nachrangiger Bedeutung. Wunsch der Eltern ist es vielmehr, durch die Kinder Anerkennung und Bestätigung zu bekommen, weshalb besondere Begabungen und Talente beim Kind gesucht und unterstützt werden.

Das Kind wiederum versucht, dieser Aufgabe gerecht zu werden, spürt aber gleichzeitig eine auf ihm ruhende Last, etwas ganz Besonderes sein zu müssen – was wiederum zu Minderwertigkeitsgefühlen führt, wenn es den hohen Ansprüchen der Eltern nicht entsprechen kann.

Eine Klientin beschreibt ihre Kindheit so: „Ich war schon als Kind eine ausgezeichnete Klavierspielerin. Immer, wenn wir Besuch hatten, musste ich mich ans Klavier setzen. Ich habe es gehasst. Meine Eltern haben mich immer gelobt und gefeiert, wenn ich vorspielte – doch kaum war der Besuch gegangen, wurde Druck aufgebaut, damit ich noch besser werde.“

Narzisstische Eltern bekommen Kinder, weil sie sich ein Abbild ihrer selbst wünschen. Sie sollen perfekt, erfolgreich und angesehen sein und dadurch ihren Eltern Bewunderung abnötigen. Narzisstische Eltern ziehen den Rückschluss, dass sie gute Eltern sind, wenn sie gute Kinder haben. Somit geht es bei der Erziehung gar nicht um die Bedürfnisse des Kindes, sondern nur um die der Eltern. Sie fragen sich permanent: „Was muss mein Kind tun, damit ich besonders gut dastehe?“ Um dieses Ziel zu erreichen, manipulieren, unterdrücken und maßregeln sie ihr Kind.

Das Kind lernt schnell: „Wenn ich so bin, wie Mama und Papa mich haben wollen, dann finde ich Beachtung.“ So ordnet das Kind narzisstischer Eltern sich ständig unter und passt sich an, um sich angenommen und akzeptiert zu fühlen. Diese kindliche Selbstschutzstrategie stellt die Weichen für das weitere Leben, denn das Kind lernt früh, dass es Liebe nur gegen Leistung gibt. Verhält es sich so, wie die Eltern es von ihm erwarten, gehört es dazu und ist ein anerkannter Teil der Familie.

Diese Kinder sind ihr Leben lang auf der Suche nach sich selbst, denn sie haben immer nur danach geschaut, wie sie sein sollen, was von ihnen erwartet wird und welche Bedürfnisse von Mama oder Papa sie erfüllen müssen. Sie waren nicht in der Lage, eine eigene Identität zu entwickeln.

Die Psychologin und Kindheitsforscherin Alice Miller erklärt, dass die Kinder narzisstischer Eltern zwar ständig überhöht, aber als die Person, die sie wirklich sind, nie gesehen und gespiegelt werden. Dadurch können sie ihre eigene Identität nie richtig entdecken, entwickeln und ausleben.

Der Vater möchte in seinem Sohn einen engen Freund haben, der die gleichen Interessen hat und Meinungen vertritt. Dafür wird er protegiert, unterstützt und gefördert. Der Vater hinterfragt dabei nicht, ob der Sohn diese Wünsche teilt, und sieht nicht, wenn sein Sohn ganz andere Bedürfnisse hat. Er hat nur sich und das perfekte Wunschbild seines Sohnes im Blick.

In meinem Bekanntenkreis ging das so weit, dass der Vater fast schon symbiotisch mit seinem Sohn verschmelzen wollte. Sie trugen die gleiche Kleidung, spielten in derselben Tennismannschaft und interessierten sich für die gleichen Themen. Um ihre enge Verbindung noch zu unterstreichen, nannten sie sich gegenseitig „Brüderchen“.

Im narzisstischen Vater schlummert allerdings die große Angst, dass sein Sohn ihn einmal überholen und besser und erfolgreicher sein könnte als er selbst. Die Vorstellung, dass das Kind einmal angesehener und intelligenter sein könnte, veranlasst ihn dazu, dem Sohn immer wieder seine Minderwertigkeit vorzuhalten. Während er ihn vor anderen auf einen Sockel stellt, findet zu Hause eine permanente Abwertung, Ablehnung und Missachtung statt.

Die Erwartungen an das Kind werden durch emotionale Erpressung und emotionale Gewalt erzwungen. Den Satz „Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, tust du, was ich dir sage“ hat wohl fast jeder schon mal gehört – aber auch Sätze wie „Das kannst du deiner Mutter nicht antun“, „Es tut mir weh, wenn du so bist“, „Du solltest uns dankbar sein“ und „Ohne uns wärst du nichts“ gehören zum typischen Repertoire narzisstischer Eltern.

Das Verhalten einer narzisstischen Mutter ist etwas anders. Sie ist in den meisten Fällen eine verdeckte bzw. vulnerable Narzisstin, während der Vater eher ein offener Narzisst ist. Die Mutter identifiziert sich mit der Tochter. Sie möchte sie als Freundin und enge Vertraute an ihrer Seite haben. Gleichzeitig ist sie jedoch ihre Konkurrentin. Mit zunehmendem Alter beneidet sie die Schönheit und Jugendlichkeit ihrer Tochter und ist wütend darüber, dass diese ihr ganzes Leben noch vor sich hat.

Die Mutter verhält sich ihren Kindern gegenüber sehr besitzergreifend. Unter dem Vorwand, es nur gut zu meinen, erlaubt sie sich übergriffige Handlungen – gesetzte Grenzen der Kinder werden nicht akzeptiert. Sie möchte, ebenso wie der narzisstische Vater, Macht und Kontrolle über ihre Kinder haben.

Werden die Leistungen der Mutter nicht wertgeschätzt, versinkt sie in eine depressive Opferrolle. Sie bemitleidet sich und wertet sich selbst ab, in der Hoffnung, von ihren Kindern aufgewertet, anerkannt und geliebt zu werden. Kinder narzisstischer Eltern fühlen sich immer und überall schuldig, denn sie werden durch Schuldzuweisungen manipuliert.

Innerhalb der Familie gibt es häufig ein „Goldkind“, das auf Händen getragen und vergöttert wird, und ein Kind, das seine Unzulänglichkeit und Wertlosigkeit permanent vorgehalten bekommt. Dadurch entsteht unter den Geschwistern ein Konkurrenzkampf, ein ständiger Wettstreit um die Liebe der Eltern. Das Goldkind wird diesen immer gewinnen und das andere bekommt wieder und wieder zu spüren, dass es nichts wert ist. Dieser Erziehungsstil schadet den Kindern nachhaltig.

In einer gesunden Erziehung wird das Kind um seiner selbst willen geliebt, ohne dass es dafür etwas leisten muss. Seine Bedürfnisse werden gehört und ernst genommen und seine Gefühle werden dem Kind gespiegelt, damit es sich selbst erfahren und kennenlernen kann.

Ein Kind, das unter dem Einfluss narzisstischer Eltern steht, kann seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse nicht entwickeln. Es kann nur die der Eltern annehmen und erfüllen und trägt lebenslang ein Identitätsproblem mit sich herum. Fragen wie „Wer bin ich?“, „Was kann ich?“, „Was möchte ich?“ und „Was ist mir wichtig?“ kann es oft nicht beantworten, weil ihm solche Fragen noch nie gestellt wurden.

Wichtig war stattdessen immer: „Was erwartet man von mir?“, „Wie soll ich sein?“, „Was braucht mein Gegenüber gerade?“ Das hat zur Folge, dass das logische Denken und Handeln, die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, die emotionale und Persönlichkeitsentwicklung sowie das Sozialverhalten dieses Kindes in der Regel defizitär sind.

Kinder narzisstischer Eltern haben einen hohen Stresspegel, da sie ständig versuchen, die Wünsche und Bedürfnisse anderer zu erspüren. In sich fühlen sie eine tiefe innere Leere, eine große Unsicherheit. Mit einem überhöhten Streben nach Perfektionismus machen sie sich unangreifbar. Sie sind leistungsorientiert, suchen nach Anerkennung und verfallen nicht selten Süchten, um sich besser zu spüren zu können. Diese Sucht ist eine Suche nach ihnen selbst, nach dem, was ihre Eltern ihnen nicht geben konnten. Sie sehnen sich nach jemandem, der auf sie eingeht, sie versteht, sie ernst nimmt, sie unterstützt und sie bewundert – und zwar bedingungslos.

Diese Suche nehmen die Kinder später als Erwachsene mit in ihre Beziehungen und hoffen darauf, Menschen zu begegnen, die ihnen endlich die Liebe, die sie sich so sehnsüchtig wünschen, schenken. Der Partner soll dabei helfen, die Wunden aus der Kindheit für immer zu schließen. Treffen diese Menschen auf Narzissten, hat diese Hoffnung auf Heilung zur Folge, dass sie oftmals in destruktiven Beziehungen ausharren. So wird bereits die Basis für eine mögliche spätere Co-Abhängigkeit, auch Co-Narzissmus genannt, gelegt.

Fakt ist, dass Kinder narzisstischer Eltern entweder zum Opfer oder zum Täter werden. Entweder sie werden co-abhängig und fühlen sich zu narzisstischen Partnern hingezogen, oder sie weisen selbst eine narzisstische Persönlichkeitsstörung auf.

Ob diese als Spätfolge auftreten wird, hängt immer von der Ausprägung der narzisstischen Züge der Eltern ab. In den meisten Fällen ist nur ein Elternteil narzisstisch, und je nachdem wie liebevoll und ausgleichend das andere Elternteil agiert, zeichnet sich der Grad der Persönlichkeitsstörung beim Kind mehr oder weniger stark ab. Eine zugewandte, liebevolle Beziehung zu einem Elternteil, den Großeltern oder anderen wichtigen Bezugspersonen kann ebenfalls sehr hilfreich sein.

In meine Coaching-Sessions kommen immer mehr Klienten, die sich auf die Suche nach ihrer Identität machen. Wenn sie es schaffen, nicht länger das Objekt der Eltern zu sein, dann ist ein heilender Transformationsprozess möglich. Dazu müssen sie es sich erlauben, sich zu lösen und sie selbst zu sein – und den Eltern nicht mehr alles recht zu machen.

Lass dir dein eigenes System niemals von anderen vergiften.

Wie der narzisstische Partner dir dein Leben schwer macht

„Du und ich, wir lieben mich“ – das ist das Motto, nach dem der Narzisst in einer Partnerschaft lebt. In dieser Beziehung geht es also immer nur um eine Person. Hier gibt sich einer für den anderen auf, um das Gefühl zu haben, ein wenig geliebt zu werden.

Aber ist das wahre Liebe? Kann eine gesunde, erfüllte und glückliche Liebe in dieser Beziehung überhaupt entstehen? Die Psychologin Bärbel Wardetzki schreibt dazu, dass wahre Liebe in destruktiven Beziehungen kaum gelingt, da hier zwei Menschen aufeinandertreffen, die beide in ihrem Selbst tief verletzt sind. Beide tragen den Wunsch in sich, endlich erkannt und erhöht zu werden, und erwarten dies vom jeweiligen Partner. Da keiner in der Beziehung den gegenseitigen Anspruch erfüllt, besteht ein ständiger Konflikt aus Erhöhung, Abwertung und dem Versuch der Veränderung des Partners. Angst vor Nähe konkurriert mit der Angst vor Einsamkeit.

In destruktiven Beziehungen geht es oft nicht um wahre Liebe.

Die narzisstische Beziehung lässt sich in drei Phasen einteilen:

1. Idealisierungsphase

2. Abwertungsphase

3. Wegwerfphase

Tritt ein Narzisst in dein Leben, wird er dich schnell begeistern. Schon nach kurzer Zeit fühlst du dich magisch angezogen. Der Narzisst verspricht dir die ewige Liebe, und es ist nicht Ungewöhnlich, wenn er bereits nach kurzer Zeit um deine Hand anhält. Mit Haut und Haaren lässt du dich auf diesen Menschen ein und hast das Gefühl, er ist speziell für dich gemacht. Ihr schwebt auf Wolke sieben.

Diese erste Phase, auch Lovebombing genannt, wirst du in deinem Leben nie mehr vergessen. Du bist im späteren Verlauf eurer Beziehung bereit, alles auszuhalten, aufzugeben und loszulassen, um immer wieder diese erste Phase zu erreichen. Durch diese liebevolle Behandlung macht der Narzisst dich schon zu Beginn eurer Beziehung gefügig, so kann er dich später leichter manipulieren.

Dieses Liebeshoch hält häufig nicht lange an. Die zweite Phase einer narzisstischen Beziehung ist die Abwertungsphase. Kaum hat der Narzisst dich verführt und weiß, dass du ihm verfallen bist, gibt er sein Verhalten auf. Ständige Liebe, Nähe und Erhöhung werden ihm zu anstrengend.

Jetzt möchte er, dass sich alles wieder um ihn und seine Belange dreht. Er verlangt, dass du ausschließlich für ihn und seine Wünsche da bist. Seinen Erwartungen musst du jederzeit entsprechen. Tust du das nicht, bestraft er dich mit Ignoranz und wertet dich ab. Er verstößt und verurteilt dich und gibt dir das Gefühl, unzulänglich und nicht genug zu sein. Dieses Gefühl kennst du vermutlich schon aus deiner Kindheit und wieder verwechselst du dieses Verhalten mit Liebe und tolerierst den Missbrauch.

Der Narzisst macht dich für alles, was in seinem Leben nicht läuft, verantwortlich. Permanent überträgt er dir jetzt seine Schuldgefühle. Langsam zweifelst du immer mehr an dir selbst und bist ratlos, wie du dich richtig verhalten sollst. In der Hoffnung, dass alles wieder so wird wie am Anfang, wenn du nur endlich so bist, wie er dich gerne hätte, hältst du sein destruktives Verhalten aus.

In dieser Phase entfernt sich der Narzisst immer weiter von dir. Meistens sucht er jetzt nach einer neuen Quelle der Anerkennung oder hat bereits eine Affäre. Du weißt oft nicht, wo er ist, was er macht und wann er nach Hause kommt. Eine Frau reicht dem Narzissten nicht aus. Er braucht andauernd Bestätigung, häufig in Form von Affären.

So sehr du dich auch bemühst, keine Fehler zu machen und perfekt zu sein, er wird immer etwas an dir auszusetzen haben. Du bist hilflos und wünschst dir nichts mehr, als dass er dich einfach wieder so liebt wie in der ersten Phase eurer Beziehung.

Deine Art, für eure Beziehung zu kämpfen, findet der Narzisst zunehmend abstoßend. Deine Verzweiflung und Angst kann er förmlich riechen und empfindet sie als unsexy. Du bist seiner Ansicht nach dafür verantwortlich, dass eure Beziehung sich so dramatisch verschlechtert hat. Er wirft dir vor, psychisch gestört zu sein, schlägt dir eine Therapie vor und behauptet, dass dich so, wie du jetzt bist, niemand mehr haben möchte.

Seine seelische Grausamkeit kann in Gewalttätigkeiten münden. Meistens sind jedoch die emotionalen Verletzungen schlimmer als die physischen, sie sind zwar unsichtbar, verheilen aber oft nicht ohne therapeutische Hilfe.

Zu diesem Zeitpunkt interessiert sich der Narzisst bereits nicht mehr für dich. Er betrachtet dich als Klotz am Bein und behandelt dich so lange schlecht, bis du es nicht mehr aushältst und gehst. Alles, was von dir übrig bleibt, ist ein Schatten deiner selbst – voller Selbstzweifel, psychisch tief verletzt und unselbstständig. Aus der anfänglichen Seelenverwandtschaft ist ein Albtraum geworden.

Oftmals geht dieses ausbeuterische Verhalten auch mit finanzieller Ausnutzung einher. Viele Opfer sind nach der Trennung mittellos oder völlig verschuldet. Nach diesen Erfahrungen ist es extrem schwierig, wieder auf die Beine zu kommen und an sich zu glauben.

Manchmal müssen wir erst durch die Hölle gehen, bevor wir den Himmel sehen können.

Warum du nicht vom Narzissten loskommst

Ein wesentlicher Grund, warum Menschen sich so schwer aus narzisstischen Beziehungen lösen können, liegt in deren Kindheit begründet, die mitunter die Weichen für eine spätere Co-Abhängigkeit von einem Narzissten legt. Diese Menschen hatten das Gefühl, sich die Liebe ihrer Eltern verdienen zu müssen. Deinen Eltern ist vermutlich nicht einmal bewusst, welche Wunden sie dir zugefügt haben. Wahrscheinlich haben sie Ähnliches erlebt und selbst nie Liebe erfahren. Wenn du Kinder hast, weißt du, dass Eltern alles zum Wohl ihrer Kinder tun würden, das gelingt aber einfach nicht immer.

Das Gefühl, gebraucht zu werden, macht uns abhängig von anderen Menschen.

Um in schwierigen Familienverhältnissen zu überleben – und damit meine ich nicht nur narzisstische Eltern –, eignet sich ein Kind unterschiedliche Strategien an. Es lernt sich so zu verhalten, wie es von den Eltern erwartet wird. Es entwickelt ein „falsches“ Selbst, das den Wünschen der Eltern entspricht. Dadurch weiß das Kind irgendwann nicht mehr, wer es wirklich ist. So entsteht eine direkte Abhängigkeit von den Wünschen und Erwartungen anderer.

Wer diese Kindheitserfahrungen gemacht hat, opfert sich im späteren Leben oft hingebungsvoll für andere auf, ohne an sich selbst zu denken, denn darüber definiert sich der eigene Wert: „Ich tue alles für meinen Mann und meine Kinder, dadurch fühle ich mich wichtig, unentbehrlich und geliebt“, erklärte mir eine Klientin, die über Jahre hinweg von ihrer Familie ausgenutzt wurde. Als Ergebnis war sie physisch extrem ausgelaugt. Als ich ihr empfahl, sich mehr auf sich selbst zu konzentrieren und sich etwas Gutes zu tun, antwortete sie mir: „Dann macht doch mein Leben gar keinen Sinn mehr.“ Die Frau war der Auffassung, dass sie auf der Welt ist, um sich für ihre Familie bis zur Selbstaufgabe aufzuopfern.

Der Narzisst sucht und findet mit sicherem Gespür sein Pendant in diesem beziehungssüchtigen Menschen. Als Co-Abhängiger kümmert er sich vorrangig um andere Menschen, um Liebe, Respekt und Anerkennung zurückzubekommen. Co-Abhängige füllen ihre innere Leere mit völliger Unterwerfung in sämtlichen Beziehungen. Nicht nur in Familie und Partnerschaft, sondern auch in freundschaftlichen Beziehungen und im Job. Generell sind diese Menschen bei anderen sehr beliebt, weil man von ihnen viel bekommen kann – und sie so viel zu geben haben.

Ein Narzisst nimmt lieber, als dass er gibt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schenken Co-Abhängige ihm besondere Aufmerksamkeit und das permanente Gefühl der Unentbehrlichkeit. Der Partner liefert dem Narzissten mit seinem hingebungsvollen Verhalten den Nährboden für dessen Großartigkeit.

Diese toxische Symbiose dauert allerdings nicht lange. Die Liebe, Wertschätzung und Anerkennung, die sich ein Co-Abhängiger für seine Leistung wünscht, wird ihm der Narzisst nach kurzer Zeit verweigern, denn er empfindet die Aufwertung anderer als gleichzeitige Selbstabwertung.

Die daraus resultierende Dysbalance innerhalb der Beziehung versucht der Co-Abhängige dem Narzissten immer wieder zu spiegeln. Er erhofft sich dadurch mehr Verständnis und Liebe. Ein Narzisst lässt sich jedoch in kein Gefängnis sperren. Überhaupt bedeutet es für die Beziehung das Ende, wenn einer versucht, den anderen zu „therapieren“.

Vielleicht fragst du dich gerade, ob du auch zu den Co-Abhängigen gehörst. Falls dem so ist, dann ist das absolut nichts Schlimmes und du musst dich deswegen nicht schämen. Es ist lediglich eine Bewältigungsstrategie, die du als Kind entwickelt hast, weil dir Bindungstraumata zugefügt worden sind.

Co-abhängige Menschen treffen nicht gerne Entscheidungen. Sie können nicht gut für sich sorgen und kennen ihre eigenen Bedürfnisse nicht. Sie fühlen sich ständig verantwortlich für die Gefühle und Probleme anderer und geben gerne ungefragt Ratschläge. Werden diese dann nicht umgesetzt, sind sie enttäuscht und fühlen sich abgelehnt.

Mit Ablehnung kann ein Co-Abhängiger nicht umgehen. Er möchte immer das Richtige tun und dazugehören. Ist sein Gegenüber undankbar für das, was er für ihn tut, fühlt sich der Co-Abhängige ausgenutzt und missbraucht. Er kann keine Grenzen setzen und möchte niemals irgendwo anecken, deshalb vertritt er seine Meinung nicht.

Die Menschen, für die er sich gerade aufopfert und durch die er seinen Selbstwert generiert, verteidigt er bis zum Letzten. Auch wenn niemand mehr verstehen kann, warum der Co-Abhängige immer noch an der Seite des Narzissten lebt, steht er zu hundert Prozent hinter

seinem Partner. Dieses Verhaltensmuster kennen Co-Abhängige bereits aus ihrer Kindheit.

Die gute Nachricht: Co-Abhängigkeit ist behandelbar, du bist in der Lage, dich davon zu befreien. Den Weg dahin erkläre ich dir ausführlich im zweiten Teil des Buches, aber ich verrate dir schon einmal, dass Selbstliebe der Schlüssel hierfür ist. Rückblickend kann ich sagen, dass diese Reise zu mir selbst die schönste Reise meines Lebens war.

 

WAS DEINE KINDHEIT DAMIT ZU TUN HABEN KÖNNTE

Bei mir konnten Heilung und Veränderung erst stattfinden, als mir klar wurde, warum ich Narzissten anziehend und attraktiv fand. Ich glaubte immer, eine wundervolle Kindheit gehabt zu haben. Ja, ich würde auch heute noch sagen, dass sie schön war und meine Eltern mir viel ermöglichten. Deshalb hätte ich auch nie vermutet, dass den Verhaltensstrukturen in meiner toxischen Beziehung ungute Erfahrungen in meiner Kindheit vorausgingen.

Sehr oft erlebe ich im Coaching, dass Klienten berichten, sie seien wohlbehütet und liebevoll aufgewachsen. Doch frage ich genauer nach, welche Sätze zu Hause häufig fielen, welche Gefühle toleriert bzw. verboten wurden oder wie sehr man sich für ihre Bedürfnisse und Wünsche interessiert hat, ist nachdenkliches Schweigen oft die Antwort.

Auch eine scheinbar behütete Kindheit hinterlässt ihre Spuren.

Deshalb ist es nun an der Zeit, dass auch du deine Kindheit hinterfragst. Nicht, um einen Schuldigen für deine derzeitigen Probleme zu finden, sondern um zu verstehen, warum du dich so entwickelt hast. Es ist wichtig, dass du dich selbst gut kennst, um bewusst die Dinge, die dich zurückhalten, zu ändern, und dein Leben auf ein neues Level zu bringen.

Als Kinder hinterfragen wir unsere Eltern nicht. Wir sind von ihnen abhängig und gehen mit großem Vertrauen davon aus, dass alles, was sie tun, gut und richtig ist. In der Kindheit vermitteln die Eltern uns ein Gefühl dafür, was Liebe ist.

Umso wichtiger ist es, als Erwachsener einmal einen klaren Blick auf die Vergangenheit zu werfen und zu hinterfragen, was gut war und was nicht. Jetzt, da du nicht länger abhängig von deinen Eltern bist, darfst du es dir erlauben, deine Identität zu verändern, ohne mit Strafe oder Liebesentzug rechnen zu müssen. Du bist jetzt in der Lage, eigenverantwortlich auf vergangene Erlebnisse zu schauen, sie zu heilen und positive Konsequenzen für dich daraus zu ziehen.

Sich mit seiner persönlichen Geschichte auseinanderzusetzen kann schmerzhaft sein. Längst vergessene Verletzungen kommen plötzlich hoch und überwältigen einen. Aber selbst wenn sie dir Angst machen: Du hast sie bereits einmal überlebt und wirst es dieses Mal wieder schaffen. Entziehe dich diesem Abschnitt deines Lebens und deiner Verantwortung dir gegenüber nicht – denn nur so hast du die Chance auf Heilung. Du bist in der Lage, deine Gefühle zu verstehen und sie zu heilen, um endlich deinen Frieden zu finden. Dieser Frieden verbindet dich wieder mit dir selbst.

Nicht immer waren es die Eltern, die uns die seelischen Verletzungen zugefügt haben. Auch Großeltern, Tanten und Onkel, Geschwister, Lehrer, Trainer, Freunde oder Klassenkameraden können dazu beigetragen haben. Lass uns nun gemeinsam die unterschiedlichen emotionalen Verletzungen genauer betrachten. Behalte dabei immer im Blick, wer dir den Schmerz jeweils zugefügt haben könnte. Es lohnt sich, beim Lesen ab und zu innezuhalten, sich zu erinnern und seine Gedanken und Gefühle aufzuschreiben.

Lass Menschen los, die dich kleiner machen, nur um selbst größer zu erscheinen.

Wie man dich schon früh gekränkt hat

Die Entwicklung eines geringen Selbstwertgefühls hängt oft mit der Häufigkeit von Kränkungen zusammen. Oder anders ausgedrückt: Wir entwickeln ein gesundes Selbstwertgefühl, wenn wir möglichst wenige bewusste Kränkungen erlitten haben. Vor allem narzisstische Eltern – aber nicht nur sie – tun dies aber ganz bewusst, um ihre Kinder kleinzuhalten und Macht und Kontrolle über sie auszuüben. Kränkungen entstehen durch Kritik, Zurückweisung, Ausschluss, Verachtung oder Entwertung.

Ein gesundes Selbstwertgefühl kann nur entstehen, wenn bewusste Kränkungen so gut wie möglich vermieden werden.

Als Tochter einer narzisstischen Mutter ist man Kränkungen von Geburt an gewohnt. Meistens versucht die Mutter ihr Kind – insbesondere ihre Tochter – über sein Äußeres zu verletzen: „Wie siehst du denn schon wieder aus?“, „Hast du zugenommen?“, „Das Kleid steht dir gar nicht!“, „Bei deinem Freund könnte ich auch noch landen“, „Ich sehe noch so jung aus, ich könnte deine Schwester sein“ … Das sind typische Sätze einer narzisstischen Mutter. Töchter weiblicher Narzissten haben laut Dr. Bärbel Wardetzki oftmals Essstörungen wie Bulimie und Magersucht. Nach dem Motto: „Bist du schlank, wirst du geliebt.“

Leider hat die Mutter dennoch immer etwas an ihrem Kind auszusetzen. Sie kritisiert es für die Art und Weise, wie es den Tisch deckt, die Wäsche faltet, mit seinen Geschwistern umgeht oder ein Bild malt. Egal was es tut, sie versucht es zu beleidigen, um es zu schwächen. Damit das Kind die Mutter niemals überholen kann, erniedrigt sie es und erhöht damit ihren eigenen Selbstwert. Die liebevolle Mutter, die ihr Kind lobt, bestätigt und stolz auf seine Erfolge ist, erlebt das Kind – wenn überhaupt – nur sehr selten.

Die seelischen Verletzungen, die daraus entstehen, bleiben ein Leben lang. Das erwachsene Kind definiert sich über sein Äußeres, möchte perfekt sein und niemandem einen Anlass zur Kritik geben. Es kämpft sein Leben lang darum, perfekt zu werden. Auch als Erwachsener wünscht es sich nichts sehnlicher, als die Anerkennung seiner Mutter.

Der narzisstische Vater hält seine Kinder eher über die mangelnden Leistungen klein und kränkt sie durch Sätze wie: „Du schaffst das sowieso nicht“, „Der zweite Gewinner ist der erste Verlierer“, „Der andere war viel besser als du“ oder „An meine Leistungen kommst du sowieso nie heran“.

Gelingt es den Kindern dennoch, besser und erfolgreicher zu sein als ihr Vater, dann findet er Ausreden wie: „Ach, das ist doch mit früher nicht mehr zu vergleichen. Ihr bekommt doch heute alles in die Wiege gelegt, was ich mir noch hart erkämpfen musste.“ Bei dieser Argumentationsführung ist das Kind machtlos.

Je älter das Kind wird und je erfolgreicher es ist, desto gemeiner und destruktiver werden die Handlungen des Vaters. Er benutzt das Kind für seine Belange, fordert Hilfe und Unterstützung ein, gibt im Gegenzug aber nichts zurück. Das Kind fühlt sich missbraucht, ausgenutzt und leer. Es erlebt diesen Umgang als eine tiefe Kränkung seines Selbstwertes: Es ist also nur da, um die Arbeiten des Vaters zu verrichten.

Wardetzki spricht hier von einem Opfer-Täter-Machtspiel. Das Kind ist als psychologisches Opfer den Eltern ausgeliefert und unterlegen. Die Eltern versuchen, als Täter Macht und Kontrolle über ihre Kinder zu erlangen. Da sie es nicht anders kennen, verwechseln die Kinder dieses Verhalten in ihren späteren Beziehungen oft mit Liebe. Das Opfer-Täter-Machtspiel wiederholt sich im späteren Verlauf des Lebens sehr oft in narzisstischen Beziehungen.

Auch in Kindergarten, Schule, Sportverein oder durch die eigenen Freunde und Klassenkameraden kann es immer wieder zu Kränkungen kommen. Hieraus leiten viele Menschen einen Teil ihrer Identität ab. Vermittelt zum Beispiel der Lehrer seinem Schüler das Gefühl, in einem bestimmten Fach nicht gut zu sein, glaubt der Schüler das, verinnerlicht es und bestätigt dies mit schlechten Noten immer wieder. Im Inneren des Kindes breitet sich die Überzeugung aus, ein schlechter Schüler zu sein.

Ebenso kann es zu Kränkungen durch Freunde und Klassenkameraden in Form von Mobbing, Ausschluss aus der Gruppe oder Hänseleien kommen. Auch hier verinnerlicht der Betroffene das Gefühl, von niemandem wirklich gemocht zu werden oder nicht dazuzugehören. Diese negativen Erfahrungen tragen zur Entwicklung unserer eigenen Identität bei und können zur Instabilität des Selbstwertgefühls führen.

Kränkungen jeglicher Art lösen Angst aus – vor Wertlosigkeit, Ablehnung, Liebesverlust und Unverständnis. Hinzu kommt die Angst davor, nicht gut genug zu sein, verlassen zu werden und anderen zu vertrauen. Haben wir häufig solch schlechte Erfahrungen gemacht, gewöhnt sich unser System daran. Dies wiederum erklärt, warum so viele Menschen in destruktiven Beziehungen stecken bleiben: Sie kennen es einfach nicht anders.

Niemand auf dieser Welt hat ein Leben voller Ablehnung und Demütigung verdient – auch du nicht.

Warum du unbedingt dazugehören möchtest

Ablehnung ist eine Form des Missbrauchs.

Zurückweisung, Ausschluss und Ablehnung hinterlassen schmerzhafte Verletzungen im Menschen. Man könnte diese auch als unmittelbare Gewalt bezeichnen, die über verbale und verhaltensbasierte Maßnahmen auf das Gegenüber ausgeübt wird. Auch wenn Eltern der Meinung sind, dass sie im Interesse ihres Kindes handeln bzw. erzieherische Gründe vorgeben, bleibt es eine Form des Missbrauchs.

In der Realität sieht das so aus: Benimmt sich ein Kind nicht so, wie es die Eltern von ihm erwarten, strafen sie es mit bösen Blicken und Ignoranz. Kurzerhand verbannen sie es vom gemeinsamen Esstisch oder schließen es vom Familienausflug aus. Manche Eltern behandeln ihre Kinder nach unerwünschtem Verhalten einfach wie Luft und reagieren gar nicht mehr auf sie.

Zugehörigkeit gibt Sicherheit.

Mit Ablehnung und Ausschluss aus einer bestehenden Gruppe können wir nur sehr schwer umgehen. Die Erklärung dafür liegt in unserer Vergangenheit: Als wir noch Jäger und Sammler waren, gestaltete sich das Überleben in der Wildnis als sehr schwierig. Die Gemeinschaft bot Sicherheit, und ein Ausschluss aus der Gruppe hätte früher den sicheren Tod bedeutet.

Auch heute noch tragen wir ein hohes Bedürfnis nach Zugehörigkeit in uns. Werden wir von anderen abgelehnt oder ausgeschlossen, kann das zu Panik- und Angstattacken führen. Wir glauben, allein nicht bestehen zu können. So entwickeln wir früh eine tiefe Angst davor, verlassen zu werden, diese Angst prägt uns für unser ganzes Leben. Trennungen nach langjährigen Beziehungen können an diese leidvollen Erfahrungen andocken.

Aber nicht nur die Person an sich, sondern auch ihr Verhalten kann abgelehnt werden. Wenn ich als Kind laut, fröhlich und wild durch die Gegend getanzt bin und total glücklich war, bremste mich meine Mutter immer aus und sagte: „Du wirst heute noch weinen.“ In den meisten Fällen kam es tatsächlich so. Ich weinte noch am selben Tag, und irgendwie hatte ich damals häufig das Gefühl, dass es meine Mutter freute, dass sie recht behalten hatte.

Ich lernte daraus: Fröhlich zu sein ist nicht erwünscht, es wird abgelehnt. Die Folge für mein Erwachsenenleben war, dass ich geradezu nach Problemen suchte, um nur nicht glücklich zu sein. Unterbewusst erlaubte ich mir quasi gar kein Glück mehr und sabotierte mich ständig selbst.

Werden Fehler und Ungeschicklichkeiten von Eltern immer wieder negativ und abwertend kommentiert, löst das auf Dauer ein Gefühl der Unzulänglichkeit aus. Das Kind gerät in eine teuflische Spirale: Da es Ablehnung vermeiden möchte, bemüht es sich, so gut wie möglich zu sein. Gleichzeitig hat es so viel Angst, wieder einen Fehler zu machen, dass es noch ungeschickter agiert. Das Kind ist also nicht primär ungeschickt, sondern es ist durch die permanente Abwertung ungeschickt geworden.

Da narzisstische Eltern sehr hohe Ansprüche an ihre Kinder stellen, kann es passieren, dass diese verstoßen werden, wenn sie nicht den Erwartungen entsprechen. Manchmal kommt es sogar zum Kontaktabbruch seitens der Eltern: „Wenn du nicht bist, wie wir dich wollen, bist du nicht länger unser Kind.“

Selbst im Erwachsenenalter geschieht so etwas noch, beispielsweise wenn man sich für den falschen Partner entscheidet. Da narzisstische Eltern immer auf eine möglichst gute Außendarstellung ihrer Familie achten, sollte das Schwiegerkind ebenfalls aus gutem Hause kommen, vermögend oder zumindest Akademiker sein. Es geht ihnen nicht darum, dass das eigene Kind in seiner Partnerschaft glücklich ist; sie möchten lediglich ihr eigenes Ansehen über die Schwiegerkinder erhöhen.

Das Gefühl, abgelehnt zu werden und irgendwie nicht richtig zu sein, wird den Kindern auch vermittelt, wenn sie unerwünschte Gefühle zeigen. Wut, Trauer oder Zorn möchten die Eltern bei ihrem Kind nicht wahrnehmen und ersticken sie im Keim. Weint ein Kind, muss es sich Sätze gefallen lassen wie: „Deswegen brauchst du doch nicht zu weinen“ oder „Jetzt stell dich doch nicht immer so an“. Dabei werden ganz massiv echte Gefühle des Kindes nicht toleriert bzw. heruntergespielt.

Auch hierbei handelt es sich um Missbrauch, denn das Kind lernt nicht, sich zu spüren und seine Gefühle zu erleben, sondern muss sie unterdrücken und abspalten. Eine passendere Reaktion wäre, das Kind in den Arm zu nehmen, zu trösten und es mit folgenden Worten zu spiegeln: „Ich sehe, du bist traurig. Weine ruhig. Was macht dich denn gerade so traurig?“

Auf diese Weise bekommt das Kind ein gesundes Verhältnis zu dem, was emotional in ihm geschieht. Gleichzeitig merkt es, dass es in Ordnung ist zu weinen und dass es geliebt wird, so wie es ist. In vielen Familien sind allerdings bestimmte Gefühle wie Wut, Trauer, Angst nicht erwünscht. Entweder weil die Eltern selbst mit diesen Gefühlen nicht umgehen können, oder weil man in einem „guten“ Hause solche Gefühle nicht zeigen darf. Brav, lieb und angepasst sein, den Schein nach außen wahren, das ist die oberste Prämisse.

Wenn du für die Liebe etwas leisten musst, dann ist es keine Liebe.

Autor

  • Katja Demming (Autor:in)

Katja Demming arbeitet seit 10 Jahren als Psychologische Beraterin und Mentorin für innere Stärke in eigener Coaching-Praxis in der Nähe von Gießen. Mit ihrem Podcast ENDLICH ICH! erreicht sie weit über hunderttausend Hörer. Als Expertin für narzisstische Beziehungen hält sie Vorträge, Seminare und Workshops, um Menschen aus ihrem toxischen Umfeld zu befreien und sie bei ihrem Weg in ein selbstbestimmtes, freies und glückliches Leben zu unterstützen.
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Titel: Raus aus der narzisstischen Beziehung