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Workshop Wildtierfotografie vor der eigenen Haustür

Die geheimen Profi-Tricks verständlich erklärt.

von Mario Müller (Autor:in)
256 Seiten

Zusammenfassung

Säugetiere, Vögel, Reptilien, Insekten - die Vielfalt der Tierwelt ist fast unermesslich. Den scheuen Fuchs, die blitzschnelle Libelle oder den seltenen Seeadler mit der eigenen Kamera in Szene zu setzen, ist aber nicht so einfach. Wie komme ich nah genug an die Tiere heran? Wie schaffe ich es, scharfe Aufnahmen zu machen, obwohl mein Motiv ständig in Bewwgung ist. Wie fange ich die Besonderheit des Moments ein, wenn er nach langem Warten endlich gekommen ist? Der erfahrene Wildtierfotograf Mario Müller öffnet in diesem Ratgeber seine Trickkiste und verrät die besten Profi-Tipps: von Ausrüstung und Tarnmöglichkeiten über die perfekte Bildkomposition bis hin zum Verhalten der Tiere. Dazu gibt es viele Foto-Workshops zum Lernen und Nachmachen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Unter den vielen verschiedenen Stilrichtungen der Fotografie ist die Tierfotografie sicherlich eine der schwierigsten, aber auch beliebtesten. Dies zeigt sich zum einen an den vielfältigen Foren, die es im Internet gibt, aber auch an den Einsendungen bei den großen nationalen und internationalen Naturfotowettbewerben. In der Kategorie „Vögel“ sind immer die meisten Einsendungen zu verzeichnen. Woran mag das liegen?

Tiere, insbesondere Vögel, üben schon immer eine besondere Faszination auf uns Menschen aus, da sie etwas können, wozu Menschen nur mit technischen Hilfsmitteln in der Lage sind: das Fliegen! Größere Tiere beeindrucken uns schon immer als stolze Lebewesen und spielen in der Geschichte der Menschheit eine entscheidende Rolle. Das Halten wild lebender Tiere galt früher oft als Statussymbol und Machtgehabe gegenüber der Tierwelt. Viele Tiere wurden zudem gejagt, oft aus reinem Zeitvertreib. Leider ist dieses Phänomen bis heute nicht gänzlich abgeschafft, wobei die Mehrheit der Bevölkerung heute dem Natur- und Artenschutz positiv gegenübersteht. Der Schutz bestimmter Tier- und Artengruppen setzte erst vor etwa 150 Jahren ein. Der erste Nationalpark der Welt, der Yellowstone-Nationalpark in den USA, wurde zum Schutz der dort lebenden Tiere 1872 gegründet und war Vorbild für den Naturschutz, der sich ab dieser Zeit weltweit verbreitete.

Tiere kommen auf allen Kontinenten vor. Von den heißesten Wüsten Afrikas oder Australiens bis in die kältesten Gebiete der Erde in Sibirien oder in der Antarktis sind praktisch alle Lebensräume, zumindest zeitweise, von Tieren bewohnt. Selbst in den großen Ballungsräumen und Städten leben bestimmte Arten mit Menschen auf engstem Raum zusammen und sind somit allgegenwärtig. Diese Nähe zum Menschen hat sicherlich die Häufigkeit der Tierfotografie begünstigt. Jedem ist es heute möglich, Tiere zu fotografieren, ob am heimischen Vogelhaus, im Park und Wald oder in den entferntesten Regionen dieser Erde.

In Deutschland sind die Vögel, neben den Insekten, die artenreichste Gruppe an Tieren. Das Interesse an der Vogelfotografie ist deshalb bei einheimischen Tierfotografen besonders groß. Aus diesem Grund nimmt die Vogelfotografie einen großen Anteil in diesem Buch ein, um es dir möglich zu machen, diese Tiergruppe gekonnt in Szene zu setzen.

Für jeden Fotografen, ob Hobbyoder Berufsfotografen, ist das Spektrum der Tierfotografie gewaltig. Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien oder Insekten, die Vielfalt der Tierwelt ist fast unermesslich. Durch die subjektive Wahrnehmung von uns Menschen ergibt sich mit den Stilmitteln der Fotografie eine Vielzahl an unterschiedlichen Deutungen. Es entstehen immer wieder neue Bilder mit den gleichen Motiven. Dabei erlebt die Tierfotografie eine enorme Entwicklung und ist natürlich auch gewissen Trends unterworfen. Von der reinen formatfüllenden Fotografie eines Tieres zur Bestimmung über die Abbildung von Tieren in ihrer natürlichen Umgebung bis zur künstlerischen Darstellung der Tierwelt ist heute alles möglich.

Die Tierfotografie hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Noch vor 20 Jahren waren viele Tierfotografen von Haus aus Ornithologen oder Tierkenner. Mit fundierten ornithologischen oder tierkundlichen Kenntnissen eigneten sie sich die Technik der Fotografie autodidaktisch an. Die Fotografie wurde als Werkzeug zur Dokumentation benutzt. So konnten Beobachtungen festgehalten und Nachweise erbracht oder Reiseberichte erstellt werden, die auf Fachgruppenabenden und Naturschutztagungen regen Austausch ermöglichten.

Heute gibt es viele Gründe, warum jemand Tiere fotografieren möchte. Zum einen bestimmt natürlich immer noch die Dokumentation von Arten und deren Verhaltensweisen die Tierfotografie. Zunehmend gibt es aber Fotografen, die ein künstlerisches Interesse an Tieren haben. Solche Fotos gewinnen in letzter Zeit immer mehr das Interesse, sodass neue Trends entstanden. Verwischte Bewegungsabläufe, Perspektivwechsel, Spiegelungen, Bildgestaltung sind nur einige der Möglichkeiten, die dir zur Verfügung stehen. Darauf werde ich in diesem Buch ausführlich eingehen.

Eine weitere Passion, die heute Tierfotografen antreibt, ist das Ausreizen der sich rasant entwickelnden Kameratechnik. Um die immer aufwendigeren Kameraausstattungen auszutesten, eignet sich die Tierfotografie bestens. Mit den Einstellungen von Belichtungszeit, ISO-Zahl und Blende kannst du hervorragend experimentieren.

Die Tierfotografie gehört zu den schwierigsten Arten der Naturfotografie. Das liegt daran, dass Tiere meist sehr schnell unterwegs und ständig in Bewegung sind. Im Gegensatz zur Landschafts- und Makrofotografie hast du in der Tierfotografie meist nicht die Zeit, um dich in Ruhe auf das Objekt einzustellen oder einzulassen. Oft musst du das gewünschte Motiv schnell und intuitiv erfassen. Das kann in der Regel nur funktionieren, wenn du das Verhalten der Tiere gut kennst und deine Technik aus dem Effeff bedienen kannst. Da sind wir auch schon bei den wichtigen Voraussetzungen für das Gelingen von guten Tierfotografien: Zeit, Geduld, gute Vorkenntnisse über das Verhalten der Tiere, das Beherrschen der Technik. Dies und ein Quäntchen Glück sind der Schlüssel zum Erfolg.

Deiner Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Tierfotografen arbeiten mit der Darstellung besonderer Momente und nutzen die verschiedensten Lichtstimmungen. Den perfekten Moment im perfekten Licht darzustellen, ist der Reiz, der uns Fotografen immer wieder besonders zeitig aufstehen lässt, um bei Sonnenaufgang längst schon am Zielort zu sein. Durch den Arten- und Farbreichtum in der Tierwelt kannst du deine persönliche Sichtweise auf die Tiere zeigen. Die unerschöpfliche Motivauswahl ist die Grundlage für den Anspruch, den du beim Fotografieren an dich selbst und deine Fotos stellst.

Oft entstehen gute Tierbilder im weitesten Sinne vor der eigenen Haustür. Zum einen kennst du dich dort am besten aus, bist bei besonderen Lichtsituationen schnell vor Ort oder dort einfach am häufigsten unterwegs. Wer sich oft in der Natur bewegt, wird schnell lernen, das Verhalten der Tiere dort einzuschätzen, die Tiere zu kennen und zur richtigen Tageszeit am richtigen Ort sein. Das sind die Grundvoraussetzungen, um gute Fotos zu erhalten.

Ein gutes Tierfoto weckt beim Betrachter Emotionen. Nur so prägt sich das Foto ein und wird nachhaltig wirken. Mit deinen Tierbildern kannst du die Schönheit der Natur zeigen, aber auch auf Missstände in der Natur aufmerksam machen. Mit deinen Fotos solltest du dich direkt für die Natur, den Naturschutz und die Erhaltung unserer Umwelt einsetzen. Geh mit deinen Fotos an die Öffentlichkeit, halte Vorträge oder veröffentliche Beiträge, um auf die Schönheit der Natur aufmerksam zu machen und Verständnis für ihre Sensibilität und Zerbrechlichkeit zu wecken.

Da sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen mit der Naturfotografie beschäftigen, wächst der Druck auf die Natur. Immer mehr Hobbyfotografen möchten Tiere und Landschaften in den unterschiedlichen Lebensräumen fotografieren. Dies birgt die Gefahr der Störungen für Tiere und Lebensräume. Mein Buch soll daher nicht nur Ratgeber sein, sondern gleichzeitig als Anleitung zum verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur dienen. Auf diese Weise möchte ich meinen Beitrag zum Schutz unserer empfindsamen Natur leisten und dir das richtige Werkzeug für gute Bilder, aber auch für den achtsamen Umgang mit der Natur mitgeben.

In diesem Sinne: Gut Licht!

Dein

TIERE ERFOLGREICH FOTOGRAFIEREN

Eines der wichtigsten Kriterien für ein gutes Tierfoto ist das richtige „Ansprechen“ der Tiere, bevor du sie fotografierst. Natürliche Verhaltensweisen und Lebensräume zu kennen, trägt wesentlich zum Erfolg bei. Deshalb ist es früher oder später notwendig, dir entsprechende Artenkenntnisse anzueignen. Dies erfordert viele Beobachtungsstunden in der Natur mit Bestimmungsbuch oder einem erfahrenen Naturkenner an deiner Seite.

Arten richtig bestimmen

Allein an Vögeln brüten über 500 Arten in Europa, dazu kommen Gäste, die auf dem Zugweg rasten, und die verschiedensten Federkleider. Bei dieser Menge an Arten kannst du aus vielfältigen Möglichkeiten schöpfen. Es ist nicht notwendig, dass du sofort alle Arten studierst. Beginne mit den am häufigsten vorkommenden Tieren in deiner Umgebung und arbeite dich mit der Zeit zu den selteneren Arten vor. Kennst du die häufigen Arten, kannst du später schon viele Spezies ausschließen, um zur richtigen Bestimmung einer Art zu gelangen.

Die Bestimmung der Säugetiere in Deutschland ist relativ einfach, obwohl sie doch immer wieder Probleme bereitet. Vor allem ähnliche Arten wie Waschbär oder Marderhund, Stein- oder Baummarder, Kegelrobbe oder Seehund können viele Fotografen nicht sicher bestimmen. Wenn du aber viel Zeit in der Natur verbringst, hast du gute Chancen, dir umfangreiche Kenntnisse anzueignen.

Bei der Bestimmung einer Vogelart kannst du am Anfang nach einem Bestimmungsschlüssel vorgehen. Frag dich zuerst, ob die Art überhaupt in diesem Lebensraum (auch Habitat genannt) vorkommt und ob sie sich zu dieser Jahreszeit dort aufhält. Dazu sind in den meisten Bestimmungbüchern Verbreitungskarten abgebildet, aus denen du ablesen kannst, wo sich der jeweilige Vogel zu welcher Jahreszeit aufhält. Oft sind dort auch typische Verhaltensweisen, Angaben zur Nahrungsaufnahme, Federkleider und Flugbilder der Vögel beschrieben.

Als Nächstes solltest du eine Größenabschätzung vornehmen und dabei bekannte Vogelarten als Vergleichsarten heranziehen. Für die verschiedenen Größenvergleiche eignen sich: Haussperling, Amsel, Ringeltaube, Mäusebussard und Seeadler. Damit kannst du alle bei uns vorkommenden Arten größenmäßig einordnen. Beachten solltest du dabei immer die Lichtverhältnisse. Ein heller Vogel vor dunklem Hintergrund wirkt immer größer als ein dunkler Vogel vor dem gleichen Hintergrund. Ebenso wichtig ist die Tatsache, ob du mit dem Licht oder gegen das Licht beobachtest. Im Gegenlicht wirken die Tiere oft viel schlanker und zierlicher, da das Licht die Ränder des Tieres überstrahlt.

Nachdem die Größenordnung festgestellt ist, solltest du dir die Schnabelform und die Schnabellänge ansehen. Ist der Schnabel dünn oder kräftig, gerade oder gebogen und ist der Schnabel länger oder kürzer als der Kopf des Vogels? Danach solltest du weitere Details wie Körperform, Farben, Beine, Augen, Flügelbinden, Überaugenstreif und Muster auf Scheitel, Kehle, Brust, Bürzel und Schwanz beurteilen. Wegen der großen Ähnlichkeiten stellt die Bestimmumg von Watvögeln, sogenannten Limikolen, eine besondere Herausforderung dar.

In der Literatur sind oft nur Pracht- oder Brutkleid und das Schlichtoder Ruhekleid abgebildet. Das sogenannte Jugendkleid fehlt meist völlig. In diesem Federkleid sind aber gerade bei uns viele Limikolen im Spätsommer zu beobachten, wenn sie auf dem Durchzug hier rasten.

Wichtig für die Bestimmung von Vögeln ist die Beachtung des Alterskleides. Vögel mausern nach einem bestimmten Mauserzyklus. Als Jugendkleid bezeichnet man das Gefieder, sobald der Vogel flugfähig ist. Danach wechseln die Vögel in das erste Winterkleid. Singvögel wechseln vom Jugendkleid meist gleich in das Jahreskleid der Altvögel. Andere Arten durchlaufen mehrere Mauserzyklen, bevor sie ihr Alterskleid bekommen. Die Silbermöwe z. B. bekommt ihr Alterskleid erst, nachdem sie mehrere Mauserzyklen durchlaufen hat. Erst nach dem vierten Jahr sind die Jungvögel nicht mehr von den Altvögeln zu unterscheiden.

Tiere in ihrem Lebensraum

Stimme und Lautäußerungen von Tieren tragen ebenso dazu bei, Motive zu bestimmen und zu orten. Gerade im Wald sind die Stimmen der Vögel oder die Laute von Tieren oft der Schlüssel für ein gelungenes Tierfoto. Viele Tiere sind zu hören, bevor du sie siehst. Kenntnisse darüber sind deshalb sehr vorteilhaft. Mit Zeit, Geduld und vielleicht auch Unterstützung eines erfahrenen Ornithologen oder Naturkenners lassen sich die Tierlaute und Vogelstimmen erlernen. Es gibt auch eine Reihe von Tonträgern oder Apps mit Vogelstimmen und Tierlauten, mit denen du dein Gehör trainieren kannst. Dies ist eine gute Ergänzung, ersetzt jedoch nie die Erfahrung in der freien Natur.

Das Verhalten von Tieren kennen

Um bestimmte Vorstellungen vom Bild wie Licht, Reflexionen und Schatten umzusetzen, sind folgende Informationen im Vorfeld wichtig: Ist das Tier oder der Vogel ein Einzelgänger oder hält er sich meist im Rudel oder Schwarm auf? Bei Vögeln ist wichtig zu wissen, ob der Vogel ein Koloniebrüter, Baumbrüter, Höhlenbrüter, Felsbrüter, Bodenbrüter oder Gebäudebrüter ist.

Entscheidend sind ebenfalls Informationen zum Zugverhalten oder zu Wanderungen der Tiere. Ist der Vogel ein Zugvogel oder verbringt er den Winter bei uns? Sonst kann es passieren, dass du Vögel in der Natur suchst, die sich bereits in afrikanischer Sonne wohlfühlen. Welche Zugrouten fliegt der Vogel, wo befinden sich fotografisch günstige Rastplätze? Wo hält sich das Wild zu bestimmten Zeiten auf? Brunftplätze werden z. B. nur in Zeiten der Brunft aufgesucht, das heißt von September bis Oktober.

Jede Tierart verfügt über ganz eigene Verhaltensweisen bei der Nahrungsaufnahme. Bestimmte Orte und Zeiten sowie die Art und Weise sind kennzeichnend für jede einzelne Tierart, die ein guter Fotograf kennen muss. So gelingt dir irgendwann das emotionale Foto, das berührt und eine Geschichte erzählt.

Die Tarnung der Tiere kennen

Die häufigste Form der Tarnung wird in der Biologie als Somatolyse bezeichnet. Darunter verstehen wir das „visuelle Auflösen oder Verschmelzen des Körpers mit seiner Umwelt“, also die Anpassung der Tiere in Form und Farbe an ihren Lebensraum. Die Tarnung dient hauptsächlich dem Zweck, unentdeckt zu bleiben, um z. B. vor Fressfeinden geschützt zu sein oder gut geschützt brüten zu können. Dazu entwickelten die Tiere im Laufe der Evolution verschiedenste Variationen von Tarnungen in Form und Farbe.

Viele Vögel vollziehen die Tarnung perfekt und richten sich dabei auch auf die unterschiedlichen Jahreszeiten mit den damit verbundenen farblichen Veränderungen in der Umwelt ein. In der Zukunft könnte durch die Klimaerwärmung und die immer zeitigere Schneeschmelze für einige Vögel ein Problem entstehen: Wenn die Vögel sich nicht dem zeitlichen Rhytmus anpassen, werden die meist hellen Winterkleider in der bereits farbigen Umwelt auffällig sichtbar. Im Herbst tritt die gleiche Situation ein: Die Vögel mausern in ihr Winterkleid, obwohl die Landschaft noch gar nicht winterlich ist, und sind abermals deutlich sichtbar für Feinde. Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Prozess entwickelt.

Die meisten Vögel wechseln ihr Federkleid nicht so extrem wie die Moorschneehühner. Bei den Limikolen unterscheiden wir auch in Pracht- und Schlichtkleid. Diese sind meist nicht so stark farblich verändert wie bei den Moorschneehühnern. Viele Limikolen besitzen eine unscheinbare Färbung, was ihre Bestimmung äußerst schwierig gestaltet.

Bei den meisten Vögeln übernehmen die Weibchen die Aufgabe des Brütens. Daher ist das Federkleid der Weibchen meist unauffälliger bzw. nicht so farbig wie das der Männchen. Dies hilft den Weibchen zusätzlich beim Brüten und der späteren Jungenaufzucht. Es gibt aber auch einige Beispiele in der Vogelwelt, wo dies gerade umgekehrt ist. Bei den Odinshühnchen ist das Weibchen kräftiger gefärbt als das Männchen. Bei dieser Art, wie auch beim Mornellregenpfeifer, übernimmt das Männchen das Brüten und die Aufzucht der Jungen.

Viele Kleinvögel sind perfekt an ihre Umgebung angepasst und machen es dir schwer, sie zu entdecken. Es gehört schon eine Menge Erfahrung dazu, gut getarnte Kleinvögel aufzuspüren und zu fotografieren. Außerdem wechseln viele von ihnen zu den Jahreszeiten das Gefieder vom Prachtkleid in ein Ruhe- oder Winterkleid. Genauso wie die Moorschneehühner auf dem Fjell in Norwegen hat auch die Schneeammer dort ihr Brutgebiet. Mit ihrem schwarzweißen Gefieder passt sie sich während der Brutzeit den flechtenbewachsenen Steinen auf dem Fjell hervorragend an.

Sind Schneeammern bei uns im Winter zu Gast, ist das Gefieder nicht mehr so reinweiß gefärbt wie im Brutgebiet. Der helle Bauch bleibt erhalten, aber die Rückenpartien sind bräunlich gefärbt. So sind die Schneeammern im Überwinterungsgebiet auf den Feldern oder am Strand weniger auffällig. Kleinvögel, die im Gras am Boden oder versteckt in Bäumen und Sträuchern brüten, haben oft ein einfaches gestricheltes Gefieder, das sie mit ihrer Umgebung verschmelzen lässt.

Nachtaktive Vögel müssen noch besser getarnt sein, da sie tagsüber meist bewegungslos im Baum oder im Geäst sitzen. Entdecken Kleinvögel eine sitzende Eule oder einen Kauz am Tag, starten sie mitunter laut rufend Scheinangriffe auf die ruhenden Großvögel. Diese flüchten dann oft zu einem ruhigeren Standort.

Nicht nur Vögel tarnen sich in der Natur. Auch andere wild lebende Tiere sind perfekt angepasst. Gerade zur Jungenaufzucht ist es extrem wichtig, unauffällig zu sein, um seinen Nachwuchs nicht in Gefahr zu bringen. Auch die Jungen sind meist der Umgebung so angepasst, dass es schwerfällt, sie zu entdecken und zu fotografieren. Bedenke immer, dass die Tiere meist uns zuerst in der Natur entdecken, bevor wir sie wahrnehmen.

Säugetiere wechseln ihr Fell jährlich ebenfalls von einem Sommer- in ein Winterfell. Bei einigen Tieren fällt dieser Fellwechsel auch farblich extrem aus. Während beim Rotfuchs das dichtere Winterfell eine ähnliche Farbe hat wie das Sommerfell, kann beim Hermelin und Mauswiesel die Färbung völlig verschieden sein. Im Sommer sind beide Arten oberseits bräunlich und unterseits weiß gefärbt. Im Winter kann es sein, dass beide Arten in ein reinweißes Fell wechseln. Auch der in nördlichen Regionen beheimatete Polarfuchs hat ein dunkles Sommerfell und wechselt im Winter in ein reinweißes Fell.

Besondere Sensibilität ist bei der Nestfotografie erforderlich. Du solltest niemals Veränderungen am Nest und der unmittelbaren Umgebung vornehmen. Der Vogel hat den für ihn am besten getarnten, idealen Brutplatz ausgesucht. Dies musst du unbedingt respektieren. Ergeben sich am Nest keine Fotomöglichkeiten, weil es womöglich ringsum getarnt bzw. eingebaut ist, solltest du ein anderes Nest suchen. Hier kannst du deine Ausdauer und Geduld als Tierfotograf unter Beweis stellen. Dein Motiv muss sich zu jeder Zeit sicher fühlen. Nur so wirst du Aufnahmen mit natürlichen Verhaltensweisen bekommen.

 

Fotografieren, ohne zu stören

Es stellt sich nun die Frage: Wie kannst du Tiere fotografieren, ohne sie zu stören? Schon wenn wir Waldwege oder Straßen verlassen, greifen wir in die Natur ein. Wenn wir aber die Verhaltensweisen der Tiere kennen, die wir fotografieren wollen, reduzieren wir durch angemessenes Verhalten diese Eingriffe und vermeiden Störungen. Nur so können wir als Tierfotografen verantwortungsbewusst in der Natur agieren. Du entscheidest selbst mit deinem Wissensstand und deiner persönlichen Einschätzung, wie du in die Natur eingreifst und welche Störung du bewirkst!

Dazu musst du genau wissen, welche Tiere du vor dir hast. Oftmals wird nicht richtig eingeschätzt, welchen Sicherheitsabstand der Fotograf zum Tier einhalten muss, damit dieses sich nicht gestört fühlt. Die schlechtesten Fotos sind diejenigen, die Tiere auf der Flucht vorm Fotografen zeigen. So sind schon viele Tierfotografen ins kritische Visier der Öffentlichkeit geraten, da nicht das Tier, sondern das besondere Foto die oberste Priorität besaß. Schließe dich als Anfänger am besten einer Gruppe Gleichgesinnter an. Im Internet findest du Regionalgruppen von Naturschutz-, Ornithologen- oder Naturfotografenverbänden, deren Mitglieder ihr Wissen gern teilen und an neue Interessierte weitergeben.

Tierschutz hat oberste Priorität!

Besonders die Nestfotografie bei Vögeln und die Fotografie der Jungenaufzucht bei Tieren allgemein stellen sehr sensible Bereiche der Tierfotografie dar. Nur wenn du über fundierte Kenntnisse der Tiere und ihrer Verhaltensweisen verfügst, solltest du dich diesen sensiblen Bereichen widmen.

Fotografiere Tiere nie dort, wo sie gerade sehr selten sind. Das könnte die letzten Individuen einer Art aus einem Gebiet für immer vertreiben. In Deutschland vermeiden bewusste Fotografen beispielsweise, den seltenen Stelzenläufer bei der Balz zu fotografieren, da diese Vogelart nur an einigen wenigen Stellen in Deutschland brütet. Dies ist in Spanien oder auf den Balearen einfacher, da der Stelzenläufer dort noch in ausreichender Zahl brütet und weniger störungsanfällig ist.

Bist du nach der Vorbereitungsphase in der Lage, die häufigsten Tieroder Vogelarten „anzusprechen“, kann es endlich mit dem erfolgreichen Fotografieren losgehen. Es ist am einfachsten, zunächst einmal dort zu fotografieren, wo Vögel an Menschen gewöhnt sind und häufig vorkommen. Das sind Örtlichkeiten wie Parkteiche, Gärten, das Futterhaus oder der Strand. Die Vögel sind dort meist zutraulich und du kannst dich voll auf das Motiv konzentrieren, ohne dabei auf andere Dinge achten zu müssen.

Einfach zu fotografierende Vögel sind Entenvögel, Graureiher, Haubentaucher, Blässhühner, Schwäne, Meisen, Finkenvögel, Drosseln, Rabenvögel, Möwen und Tiere wie Eichhörnchen, Füchse oder Rehwild. Dein Respekt vor den Tieren sollte auch hier an oberster Stelle stehen.

Du wirst an diesen Örtlichkeiten allerdings unter Umständen mit anderen Schwierigkeiten konfrontiert: Du bist nicht allein unterwegs! Mitunter wirst du von Besuchern oder Spaziergängern nach deiner Ausrüstung gefragt oder nach möglichen Motiven. Auch fachliche Fragen zu den Tieren können vorkommen. Mit einem griffbereiten Handbuch in der Tasche kommt dir dann die gründliche Vorbereitungsphase zugute. Es wird dir auch der ein oder andere Mitmensch gedankenverloren vor die Kamera laufen und sich nicht einmal entschuldigen. Hier sind Nachsicht und Geduld erforderlich.

Auch ein Tarnzelt kannst du an solchen Plätzen eher nicht aufstellen, um dich in aller Ruhe auf deine Motive einzulassen. Doch die Zutraulichkeit der Tiere lässt einen geduldigen Tierfotografen dennoch erfolgreich werden. Und wenn du merkst, es wird zu anstrengend, packe in Ruhe zusammen – es wird immer wieder neue Möglichkeiten zum Fotografieren geben!

Grundsätzlich solltest du dich nicht auf die Tiere zubewegen, sondern die Tiere auf dich zukommen lassen. Heimische Tiere sind oft sehr scheu und entdecken uns Menschen meist, bevor wir sie entdecken. Versuchst du dann, dich den Tieren zu nähern, fühlen sie sich gestört, ergreifen die Flucht und verbrauchen dadurch unnötig Energie. Auch durch die Jagd haben viele Tiere eine sehr hohe Fluchtdistanz. Beim Fotografieren sind deshalb Tarnzelte, Tarnhütten oder Tarnkleidung sehr hilfreich (dazu später mehr).

Die meisten Tiere sind mit einem gutem Sehvermögen ausgestattet und können Feinde schon auf große Entfernung erkennen. Dies kannst du ausnutzen. Wenn du gut getarnt vor dem Tier eine mögliche Gefahr beobachtest, können sich daraus interessante Situationen ergeben. Die Verhaltensweisen der Tiere in solchen Momenten zu kennen, zeichnet einen guten Tierfotografen aus.

Wenn du z. B. weißt, dass Vögel immer gegen den Wind auffliegen bzw. gegen den Wind zur Landung ansetzen, kannst du das für deine Fotoarbeit nutzen. So bist du in der Lage, dich rechtzeitig mit der Kamera in die richtige Position zu bringen und im entscheidenden Moment auszulösen. Auch den Abflug signalisieren dir die meisten Vögel schon vorher durch ihre Körperbewegungen. Adler beispielsweise gehen kurz in die Hocke, um zu starten, Kraniche legen den Hals nach vorn, um kurz darauf abzufliegen.

Auch aus dem Auto können mitunter sehr gute Tierfotos entstehen. Es ist ein hervorragendes Tarnversteck, denn an Autos sind wild lebende Tiere meist gewöhnt. Die Fluchtdistanz ist weitaus geringer, als wenn du dich zu Fuß näherst.

Fotografie am Nest: Nur für Profis

Bei der Nestfotografie bzw. der Fotografie an der „Kinderstube“ hast du es wie schon erwähnt mit einer der sensibelsten Arten der Fotografie zu tun. Nur wenn du in der Naturfotografie bereits sehr erfahren bist und sehr gute Kenntnisse hast, solltest du sie durchführen. Das genaue Wissen über das Verhalten der speziellen Arten in ihren Lebensräumen ist unabdingbar, um Störungen zu vermeiden.

Einige Tiere sind für Veränderungen in der unmittelbaren Umgebung störungsunempfindlicher. Andere Arten wiederum reagieren auf kleinste Veränderungen und tolerieren keinerlei Störungen. Nur mit ausreichender Artenkenntnis und Kenntnissen über die Lebensweise der Tiere kannst du das einschätzen. Wenn du dich unsicher fühlst, frage einen Experten um Rat. Junge Rehkitze etwa dürfen keinesfalls berührt werden, um sie in eine bessere Fotoposition zu bringen. Durch den menschlichen Geruch werden sie später von der Ricke abgewiesen und verhungern qualvoll.

Andere Arten sind empfindlicher und reagieren sehr sensibel auf Änderungen in der Nestumgebung. Zu diesen Arten gehört der Kranich. Kranichnester werden meist umgeben von Wasser angelegt. Erlenbrüche, Feldsölle und Schilfgürtel von Seen und Mooren sind die bevorzugten Brutplätze. Fotos von diesen Nestern und deren Jungvögeln dürfen nur mit Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörden gemacht werden. Die Genehmigung für solche Fotos erfolgt unter Abwägung der Notwendigkeit. Für den privaten Bedarf gibt es keine Fotogenehmigungen. Da ich sehr viele Vorträge europa- und deutschlandweit über unsere heimische Tierwelt in Mecklenburg-Vorpommern halte, leiste ich Öffentlichkeitsarbeit und habe für alle meine Fotos die entsprechenden Genehmigungen.

Nach § 44 Abs. 1 Ziffer 2 des Bundesnaturschutzgesetzes ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören (eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert). Beachte auch die gesetzlichen Bestimmungen im Ausland, denn dort existieren oft andere Gesetze und Verordnungen zur Fotografie wilder Tiere. Eine gute Möglichkeit, Vögel am Nest zu fotografieren, ist, den Vögeln Nistmöglichkeiten anzubieten. Das können Nistkästen, künstliche Brutinseln auf Teichen, künstliche Nisthöhlen oder auch das Anbieten von Nestunterlagen sein.

TECHNIK UND AUSRÜSTUNG

Entscheidend für ein gutes Naturfoto ist nicht die verwendete Technik, sondern du hinter der Kamera mit deiner Kreativität. Welche Kameras und Objektive dich bei deiner Arbeit unterstützen und was die wichtigsten Parameter zur richtigen Einstellung deiner Kamera sind, erfährst du in diesem Kapitel. Daneben ist eine optimale Tarnung unabdingbar – sie sollte nicht unterschätzt werden, denn sie ist die Voraussetzung für gute Fotos von Wildtieren.

Kamera und Objektive

Wenn du neu mit der Tierfotografie beginnst, musst du dich zuerst entweder für ein Spiegelreflex- oder ein spiegelloses Kamerasystem entscheiden. Bis vor wenigen Jahren fiel die Entscheidung der Tierfotografen fast immer zugunsten der Spiegelreflexkameras. Diese waren vor allem schneller in der Serienbildgeschwindigkeit, worauf es gerade bei der Actionfotografie ankommt. Heute stehen die spiegellosen Kamerasysteme den Spiegelreflexkameras in nichts nach, sind leichter im Gewicht und meist besser in den Autofokusfunktionen. Der Trend geht also in Richtung spiegellose Kamerasysteme.

Beachte dabei immer, welche Objektive zu den unterschiedlichen Modellen zur Verfügung stehen. Du kannst heute wählen zwischen Vollformatkameras und Cropkameras:

Vollformatkameras besitzen einen großen Sensor. Dadurch sind detailreichere Fotos möglich, und es entsteht ein geringeres Rauschen beim Fotografieren mit hohen ISO-Werten.

Bei den Cropkameras wird der Bildausschnitt durch den Cropfaktor bestimmt. Er wirkt sich aus wie eine Brennweitenvergrößerung. Fotografierst du beispielsweise mit einer Brennweite von 500 mm und einer Kamera mit Cropfaktor 1,4, entsteht ein Foto, als hättest du mit der Brennweite von 500 mm + 1,4x-Konverter fotografiert. Dass heißt, dass du mit einer Cropkamera ein Bild erhältst, als hättest du einen Ausschnitt aus dem Bild mit einer Vollformatkamera gemacht.

Für Fotoreisen ist es sinnvoll, ein zweites Kameramodell als Ersatzoder Zweitkamera mitzunehmen. So sparst du dir auch häufige Objektivwechsel.

Bei den Objektiven hast du in der Tierfotografie einen großen Spielraum. Entscheidend ist, wie du die Tiere in Szene setzen willst. Tiere lassen sich unter Umständen auch mit einem Weitwinkelobjektiv fotografieren. In der Regel benötigst du aber ein Teleobjektiv ab einer Brennweite von 400 mm.

Deine Objektive sollten lichtstark sein, um sie eventuell mit Konvertern kombinieren zu können. Konverter dienen der Brennweitenerweiterung und werden zwischen Kamera und Objektiv geschraubt. Es gibt 1,4x- und 2,0x-Konverter, das heißt, sie verlängern die Brennweite deines Teleobjektivs um das 1,4- bzw. 2-fache.

Das geeignetste Teleobjektiv in der Tierfotografie ist meiner Meinung nach ein Objektiv mit 500 mm Brennweite. Diese Objektive stellen den besten Kompromiss zwischen Flexibilität, Gewicht, Handlichkeit und Preis dar.

Mein 4.0/500 mm, 4.0/600 mm und 2.8/70–200 mm kombiniere ich außerdem mit dem Konverter. Fast ausschließlich nutze ich den 1,4x-Konverter. Beim 2,0x-Konverter habe ich den Eindruck, dass minimal Schärfe verloren geht. Übrigens: Beim Fotografieren mit Konvertern wird der Autofokus langsamer.

Bei Actionaufnahmen ist das Fotografieren aus der freien Hand manchmal notwendig. Das Tier mit dem Objektiv zu verfolgen und einen guten Bildausschnitt zu wahren, bedarf sehr viel Übung. Hier eignet sich ein Zoomobjektiv am besten. Damit bist du flexibler, weil du während des Fotografierens den Bildausschnitt wählen und störende Bildanteile aus dem Bild wegzoomen kannst. Mit Zoomobjektiven kannst du mehr Einfluss auf die Bildgestaltung nehmen; Festbrennweiten haben den Vorteil, dass sie detailreicher, schärfer abbilden. Für Einsteiger ist auch ein Telezoom von 150–600 mm gut geeignet.

Einstellungen

Die Belichtung eines Fotos kannst du durch die Regulierung des auf den Sensor fallenden Lichtes beeinflussen. Dafür stehen dir zwei Faktoren zur Verfügung, die Belichtungszeit und die einzustellende Blende.

Je kleiner du die Blende wählst (das heißt, je größer die Blendenzahl ist), um so weniger Licht fällt auf den Sensor und es erweitert sich der Tiefenschärfebereich. Die Belichtungszeit beeinflusst die Schärfe deiner Abbildung:

Willst du Bewegungen der Tiere einfrieren, benutze eine kurze Belichtungszeit.

Willst du Bewegung im Bild zeigen oder sogenannte „Wischerbilder“ erstellen, arbeite mit einer längeren Belichtungszeit.

Entscheidend dabei ist, ob du aus der Hand fotografierst oder vom Stativ. Durch die ruhige Position der Kamera auf dem Stativ und die eventuell vorhandenen Stabilisatoren am Teleobjektiv oder in der Kamera kannst du mit viel längeren Belichtungszeiten arbeiten, als das aus der Hand möglich wäre. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass du mit Stativ und Bildstabilisator bei viel geringerem vorhandenen Licht fotografieren kannst.

DIE TIEFENSCHÄRFE BERECHNEN

Bei der Verwendung eines Teleobjektivs mit einer Brennweite von 500 mm, der Blendeneinstellung f/5.6 und einer Vollformatkamera hast du bei einer Entfernung von 40 Metern zum Objekt noch eine Tiefenschärfe von ca. 2,15 m. Dass heißt, wenn du auf 40 m scharf gestellt hast, wird alles zwischen etwa 39,0 und 41,1 m scharf abgebildet. Tiefenschärferechner gibt es in den verschiedensten Varianten im Internet oder als App für das Handy.

Kameramodus

Von den verschiedenen Belichtungsmodi nutze ich in der Regel nur die A-/Av-Zeitautomatik und die S-/Tv-Blendenautomatik.

Bei der Zeitautomatik legst du den Blendenwert fest, und die Kamera passt dazu automatisch die Belichtungszeit an. Mit dieser Entscheidung beeinflusst du die Schärfentiefe auf deinem Foto.

Bei der Blendenautomatik legst du die Belichtungszeit fest, und die Kamera passt automatisch die Blende an. Damit entscheidest du, wie scharf dein Motiv abgebildet wird.

Ein ruhig stehendes Tier würde ich immer im Av-Modus fotografieren, da mir die Beeinflussung der Schärfentiefe wichtig ist. Den Tv-Modus nutze ich, wenn ich die Bewegung auf dem Foto zeigen will, also bei Wischerbildern. Aus der Erfahrung heraus kannst du, abhängig von der Schnelligkeit der Bewegung, diese einfrieren oder zeigen.

BEWEGUNGEN EINFRIEREN

Nutze folgende Richtwerte für die Belichtungszeit zum Einfrieren von Bewegungen:

Kleinvogel im Flug: mindestens 1/3200 s

Kampfläuferkampf: mindestens 1/1600 s

Kranich im Flug: mindestens 1/800 s

Seeadler im Flug: mindestens 1/640 s

laufender Hirsch: mindestens 1/320 s

Mehr zum Thema Bewegung im Bild findest du im Abschnitt „Action“ im Kapitel „Tiere in Szene setzen“.

Belichtungsmessung

Bei den unterschiedlichen Methoden der Belichtungsmessung wähle ich fast immer die Mehrfeldmessung. Das bedeutet, die Kamera ermittelt über mehrere Felder die Belichtung. Das führt meist zu ausgewogen belichteten Fotos über die gesamte Bildfläche.

ISO

Neben den beiden Einstellmöglichkeiten von Blende und Belichtungszeit gibt es noch eine dritte Komponente, mit der du das Foto beeinflussen kannst, die ISO-Zahl. Sie bestimmt die Lichtempfindlichkeit des Sensors in der Kamera. Eine Verdopplung der ISO-Zahl ergibt, genau wie bei der Verdopplung der Belichtungszeit, eine Verdopplung der Helligkeit des Bildes.

Eine hohe Empfindlichkeit (hohe ISO-Zahl) bedeutet, dass weniger Licht ausreicht, um helle Punkte im Bild zu erhalten. Allerdings nimmt dann das sogenannte Rauschen eines Bildes zu, je höher die ISO-Zahl ist. Das heißt, das Bild wird pixelig. Bei den heutigen Kameras stellt dies aber meist kein Problem mehr dar, sodass es möglich ist, bis ISO 12800 und höher noch brauchbare Bilder zu erzeugen.

Ist am Tag genug Licht vorhanden, fotografiere ich mit ISO 100 bis 400. Erst wenn das Licht weniger wird, erhöhe ich die ISO-Zahl.

Autofokus

Heutige Kameras sind mit unterschiedlichen Fokussiermethoden ausgestattet. In der Tierfotografie ist der Autofokus sinnvoll, da er automatisch die Schärfe auf das anvisierte Motiv setzt. Da Tiere meistens in Bewegung sind, arbeite ich fast ausschließlich mit dem kontinuierlichen Autofokus (bei Canon „AI Servo“).

Es ist schwierig, bewegte Tiere mit nur einem Fokuspunkt anzupeilen, deshalb nutze ich fast immer die Messfelderweiterung auf vier oder acht zusätzliche Messfelder. Damit ist die Trefferquote, das Tier in den Fokus zu bekommen, viel größer. Nur bei stehenden oder ganz ruhig sitzenden Tieren verwende ich den Einzelautofokus (bei Canon „One-Shot AF“).

Histogramm

Digitalkameras bieten heute den großen Vorteil, dass du dir das Bild sofort auf dem Monitor angezeigen lassen kannst. So ist eine eventuelle Belichtungskorrektur möglich. Dazu dient das Histogramm. Bei einem ausgewogen belichteten Bild reicht die Kurve des Histogramms von der linken unteren Ecke bis in die rechte untere Ecke. Dann sind die hellen sowie die dunklen Bereiche des Bildes ausgewogen abgelichtet.

Bei manchen Situationen ist es notwendig, eine Belichtungskorrektur vorzunehmen. Das heißt, du musst das Bild manuell unter- oder überbelichten. Ein dunkler, fliegender Vogel vor hellem Hintergrund ist ein typischer Fall für eine nötige Überbelichtung. Das Motiv benötigt also gegenüber dem Himmel mehr Licht, als von der Kamera automatisch ermittelt wurde. Das gleiche Phänomen tritt auch bei der Fotografie von Tieren im Schnee auf. Hast du dagegen ein helles Tier vor einem dunklen Hintergrund, ist es möglich, dass du um mehrere Belichtungsstufen abblenden must, damit das Tier nicht überbelichtet wird.

Speicherformat

Bevor du mit dem Fotografieren beginnst, solltest du für dich noch abklären, ob du die Fotos im RAW- oder im JPEG-Format auf die Speicherkarte bannst. Fotografierst du im RAW-Format, hast du die Möglichkeit, im Nachhinein das Foto besser bearbeiten zu können. Mit einem Bildbearbeitungsprogramm wie Lightroom oder Photoshop sind die Bearbeitungsmöglichkeiten eines RAW-Formats wesentlich größer als bei einem JPEG. Das JPEG-Bild ist im Prinzip ein von der Kamerasoftware bearbeitetes Bild, das bereits in der Kamera komprimiert wurde. Die Dateigröße ist viel geringer als beim gleichen Bild im RAW-Format.

Einstellungen auf einen Blick

Hier möchte ich dir meine persönlichen Kameraeinstellungen, die ich voreingestellt habe, noch einmal nennen:

Av-Zeitautomatik – ISO 200 – Blende f/4 (am Teleobjektiv 4.0/500 mm) – Mehrfeldmessung – neun Autofokusmesspunkte – kontinuierlicher Autofokus

Mit diesen voreingestellten Parametern ist es mir möglich, innerhalb von kurzer Zeit auf viele unterschiedliche Situationen einzugehen und die Kamera anzupassen. Dabei möchte ich betonen, dass es sehr viele Möglichkeiten für die Voreinstellungen gibt und die Auswahl je nach Kameramodell schier unendlich ist. Die hier erläuterte ist meine bevorzugte und von mir angewendete Variante. Das kann bei dir ganz anders sein.

LERNE DEINE KAMERA KENNEN

Damit dir auf deinen Fototouren nichts entgeht und du immer sofort reagieren kannst, solltest du dich mit deiner Kamera bereits im Vorfeld auseinandergesetzt haben und wissen, wie sie funktioniert. Experimentiere schon zu Hause z.?B. mit verschiedenen Belichtungszeiten, während du die Kamera bewegst, teste das Ergebnis bei unterschiedlich gewählten Blendenwerten und spiele mit der ISO und den Messfeldmethoden – es lohnt sich!

Zubehör

Neben Kamera und Objektiven benötigst du einen geeigneten Fotorucksack, in dem du alles unterbringst, was für dich auf einer Fototour notwendig ist. Wenn dein Rucksack den Maßen des Handgepäcks für Flugreisen entspricht, kannst du ihn immer bei dir haben und brauchst ihn nicht als Gepäck aufgeben.

Die Fotorucksäcke der Firma König Photobags (www.koenig-photobags.de) entsprechen genau meinen Ansprüchen. Von Vorteil ist hier, dass du dir den Innenaufbau nach deinen Wünschen individuell gestalten kannst: Du gibst an, was in den Rucksack hinein soll, und der Hersteller plant die Innenaufteilung nach deinen persönlichen Bedürfnissen.

In meinem Rucksack verpackt sind:

Teleobjektiv Canon EF 600 mm f/4L IS USM III

Autor

  • Mario Müller (Autor:in)

Mario Müller gehört zu den besten Tierfotografen Deutschlands. Er ist Natur- und Reisefotograf, Fototrainer, Buchautor, Regionalgruppenleiter der Gesellschaft für Naturtfotografie sowie Seeadler-Landeskoordinator in Mecklenburg-Vorpommern. Mit seinen Fotos, Workshops, Publikationen und eindrucksvollen Multivisionsshows begeistert Mario Müller unzählige Menschen für die Fotografie und bringt ihnen die Schönheit der Natur nahe.
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Titel: Workshop Wildtierfotografie vor der eigenen Haustür