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Stress natürlich behandeln

Wie Sie Ihre innere Ruhe wiederfinden - alle Methoden von A bis Z. Neue Forschung und langjährige Praxiserfahrung auf den Punkt gebracht

von Bernd Neumann (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Natürlich Schluss mit Stress!
Die gesellschaftlichen und beruflichen Zwänge, die für Stress und dessen Folgen verantwortlich sind, können wir nur begrenzt beeinflussen. Doch es gibt glücklicherweise zahlreiche Methoden, mit denen wir uns gegen den Alltagsstress wappnen können, um trotzdem ein glückliches und ausgeglichenes Leben zu führen. Dieser Ratgeber zeigt leicht verständlich, wie Betroffene ihren Stress selbst abbauen und schwerwiegende Folgen verhindern können. Der Fokus liegt dabei auf den erwiesenermaßen besten natürlichen Verfahren: Von Akupunktur über Ernährung und Massage bis zur gesunden Zeitplanung – mit diesem Ratgeber finden Sie Ihre innere Ruhe wieder. Sie erhalten wertvolle Informationen zu den folgenden Themen:

- Was ist Stress und wie wirkt er auf den Körper?
- Bin ich gestresst? Warnsignale, Laborwerte, Stresstest
- Die besten natürlichen Heilmethoden von A bis Z: Akupunktur, Atemübungen, Autogenes Training, Biofeedback, Ernährung, Heilkräuter, Homöopathie, Hypnose, Lachen, Meditation, Mind-Machines, Musik,
Positives Denken, Progressive Muskelrelaxation, Qigong, Sauna, Sport, Tanzen, Traumreisen, Yoga, Zeitplanung u. v. m.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

einer repräsentativen Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) aus dem Jahre 2013 zufolge fühlen sich 57 Prozent der Deutschen manchmal oder sogar häufig gestresst. Für jeden Fünften ist Stress sogar Dauerzustand. Frauen trifft es besonders hart: Von ihnen fühlen sich 63 Prozent gestresst, während es unter den Männern „nur“ 52 Prozent sind.

Wir sind mittlerweile eine Gesellschaft von „Ausgebrannten“. Mindestens jeder fünfte Arbeitnehmer hat unter Stressfolgen zu leiden, von Schlafstörungen bis zum oftmals tödlichen Herzinfarkt. Aufgrund der Diagnose „Burnout-Syndrom“ kommen Jahr für Jahr etwa zehn Millionen Fehltage am Arbeitsplatz zusammen, wodurch der Volkswirtschaft Deutschland jährlich rund 71 Milliarden Euro Schaden entstehen – etwa ein Viertel des Staatshaushalts der Bundesrepublik Deutschland für 2014!

Die gesellschaftlichen und beruflichen Zwänge, die für Stress und dessen Folgen verantwortlich sind, können wir nur sehr begrenzt beeinflussen – wer kann es sich schon erlauben, ein Leben „auf der Insel“ zu führen? Doch es gibt zahlreiche sanfte Methoden, mit denen wir uns gegen Stress wappnen und besser mit ihm umgehen können. Gemeint sind hier nicht Antidepressiva und andere Psychopharmaka, deren Verbrauch sich in Deutschland innerhalb von nur elf Jahren verdoppelt hat. Es geht vielmehr um natürliche Therapien sowie einige wenige Apparategestützte wie etwa Biofeedback.


„Einen Tag ungestört in Muße zu verleben heißt, einen Tag lang ein Unsterblicher zu sein.
Chinesisches Sprichwort

Sie werden auf den folgenden Seiten erfahren, wie Stress im Körper entsteht, welche Auswirkungen chronischer Stress haben kann und wie sich Stress messen lässt. Anschließend werde ich Ihnen die einzelnen Methoden von A bis Z vorstellen, aus denen Sie sich dann die für Sie passenden heraussuchen können. Es gibt viele natürliche und sanfte Methoden, mit denen Sie sich selbst helfen können! Mit ein wenig Ausprobieren werden Sie für sich herausfinden, was Ihnen am besten tut.

 

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Zu guter Letzt finden Sie im Anhang einige wichtige Internetadressen sowie weiterführende Buchtipps.

Herzlichst

Ihr
Bernd Neumann

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WAS IST STRESS UND WIE WIRKT ER AUF DEN KÖRPER?

Stress ist nicht gleich Stress. In bestimmten Situationen hat er durchaus seine Berechtigung, er hilft uns nämlich beim Überleben. Wenn unsere Stressmuster allerdings aus dem Ruder laufen, bekommen wir Probleme. Erfahren Sie im Folgenden, wie Stress ausgelöst wird, warum manche Menschen dennoch gut damit zurechtkommen und wie Sie Ihren eigenen Stresspegel ermitteln können.

Stress früher und heute

Lassen Sie uns 100.000 Jahre in die Vergangenheit reisen, in jene Weltgegend, die wir heute Spanien nennen. Ein Frühmensch hockt schläfrig im Halbdunkel am Eingang seiner Felshöhle. Plötzlich knackt es einige Meter weiter im Unterholz. Unser behaarter Vorfahr ist sofort hellwach. Im Bruchteil einer Sekunde wurden in seinem Körper Hormone ausgeschüttet, vor allem Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol.

Der altsteinzeitliche Jäger ist jetzt bereit. Taucht ein Raubtier auf, dem er sich gewachsen fühlt, wird er den Kampf aufnehmen. Glaubt er sich unterlegen, ergreift er die Flucht. Für beide Fälle ist er nach dem Hormonschub bestens gerüstet: Die Muskeln sind optimal durchblutet und vollgepumpt mit Sauerstoff und Nährstoffen. Da es sowohl beim Kampf als auch bei der Flucht nur allzu leicht zu einer Verletzung kommen kann, sind die äußeren Körperbereiche mit Immunzellen und Gerinnungsstoffen geflutet. Alle für Flucht oder Kampf unwichtigen Organsysteme – z. B. Verdauungssystem und Sexualorgane – sind hingegen abgeschaltet. Sogar bestimmte Hirnregionen haben jetzt nicht allzu viel zu melden. So wird die Großhirnrinde – die Schaltzentrale des bewussten Denkens und Abwägens – während der Stressreaktion von jenen Hirnbereichen dominiert, die schnell und effektiv arbeiten, ohne sich auf langwierige Diskussionen über das Für und Wider einzulassen.

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Stresshormone machen uns bereit zu flüchten oder zu kämpfen. Doch beides müssen wir hierzulande nur noch selten.

Zurück in die Gegenwart: Ein ganz gewöhnlicher Montag. Michael Meier fährt – wie stets an diesem Wochentag noch ziemlich verschlafen – morgens um 7:45 Uhr zur Arbeit. Er hat Glück, die Autobahn Richtung Hamburg ist verhältnismäßig frei. Selbst an der dreispurigen Strecke kurz vor dem Autobahnkreuz Hamburg-Süd ist nicht allzu viel los. Herr Meier überholt gerade einen Brummi, als er ein lautes Hupen vernimmt. Der Rückspiegel flimmert geradezu vor einem Fernlichtstakkato und einem aggressiv pochenden linken Blinker – ein Porsche hängt ihm bis auf einen Meter an der Stoßstange.

Michael Meier (nennen wir ihn im Folgenden kurz MM) denkt einige nicht ganz stubenreine Wörter und will gerade nach rechts rüberziehen – der Brummi liegt schon fast fünfzig Meter hinter ihm – als er glücklicherweise bemerkt, wie der Drängler bereits mit lautem Dröhnen rechts an ihm vorbeizieht. Das ist ja wohl das Letzte!

Schlagartig erhöht sich der Pulsschlag unseres Mitbürgers MM. Seine Bronchien werden weitgestellt, die Muskeln bekommen eine gute Portion Extrafutter, die Verdauungsfunktion geht auf Null und das Großhirn schaltet auf Sparflamme. Alles zusammen bewirkt, dass MM das Gaspedal voll durchtritt. Was da noch in seinem Kopf geschieht, bleibt unklar, doch er nimmt die Verfolgung auf. Vielleicht will er den Raser zur Rede stellen, vielleicht mit der Polizei drohen – das weiß MM jetzt selbst nicht. Doch nicht einmal zwei Kilometer später ist die Verfolgung beendet: MM steht im Stau, ebenso wie der Fahrer des Porsche, der es jedoch auf der Standspur ein paar hundert Meter weiter geschafft hat.

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Stehen wir unter großem Stress, schaltet das Großhirn auf Sparflamme – wir sind nicht Herr über unsere Emotionen.

MM kocht immer noch. Am liebsten würde er aussteigen, nach vorn laufen und sich den Kerl vorknöpfen. Doch gnädigerweise hat das Großhirn von MM bereits wieder teilweise die Kontrolle übernommen und verbietet ihm, so einen Unsinn zu machen. Resultat: MM’s Blut ist nach wie vor voll mit den Stresshormonen Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol. Er kann weder jemanden schlagen noch vor etwas davonlaufen. MM wird wie jeden Werktag ins Büro gehen und seinen mehr oder weniger interessanten Job tun. Bis die Hormone aus seinem Kreislauf heraus sind, werden Stunden vergehen. Mindestens, denn möglicherweise muss er sich noch über seinen Chef oder was auch immer ärgern. Und zuschlagen oder weglaufen kann er auch dann nicht.

Die beiden Beispiele sollen nur eines verdeutlichen:

Unter bestimmten Umständen (Frühmensch) ist die Stressreaktion durchaus sinnvoll und positiv.

In anderen Situationen hingegen verfehlt sie ihren Zweck oder ist sogar kontraproduktiv (MMs aussichtsloser Kampf gegen den Porschefahrer), da die Möglichkeit fehlt, die Hormone wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Es gibt auch heute „guten” Stress

Sei es bei einer Prüfung, einem Vorstellungsgespräch oder wenn wir einen Vortrag halten sollen: Wenn wir nicht überreagieren und uns von der Stressreaktion überwältigen lassen, verschafft uns die Aufregung genau den Pegel an Stress, der nötig ist, um Höchstleistungen zu vollbringen. Denn auch im Gespräch mit dem Personalchef können wir einen leicht erhöhten Blutdruck durchaus gebrauchen. Ebenfalls günstig sind jetzt die geschärften Sinne, die unseren Vorfahren jede Bewegung eines Raubtieres und uns nun jede Nuance im Tonfall unseres Gegenübers wahrnehmen lassen. Dass jetzt Verdauungsfunktionen und sexuelle Vorstellungen ausgeblendet werden, hat auch nur positive Folgen – weder den unwiderstehlichen Drang zur Toilette noch erotische Tagträume können wir am Rednerpult gebrauchen. Und was ist mit der bei Stress gesteigerten Sauerstoffversorgung? Auch sie ist für die Prüfungssituation unerlässlich, da das Gehirn jede Menge O2 benötigt. Sogar das aufgeputschte Immunsystem hat seinen Sinn: Wer sich über Tage oder sogar Wochen auf eine Prüfung oder Ähnliches vorbereitet, lebt nicht unbedingt gesund, bekommt z. B. meist viel zu wenig Schlaf. Würde jetzt die Körperabwehr versagen, müssten wir zum entscheidenden Zeitpunkt womöglich zum Arzt gehen. Sie sehen, Stress an sich ist nichts Negatives.

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Auf das rechte Maß kommt es an: Ein wenig Stress verbessert die Leistung, etwa bei Prüfungen.
Dauerstress macht krank

Lassen Sie uns überlegen, welche Auslöser von Stress wir kennen. Einer der wohl harmlosesten Stressauslöser ist eine Fliege, die sich während des Mittagsschlafs auf unsere Nase setzt. Nervig, aber nicht unbedingt ein Grund für einen Nervenzusammenbruch. Dann wäre da beispielsweise das Baby, das irgendwie nicht zu verstehen scheint, dass es nachts möglichst mindestens sieben Stunden am Stück zu schlafen hat. Okay, alle Eltern wissen, es dauert vielleicht sechs, vielleicht acht oder zehn Wochen, dann ist nachts (wenigstens manchmal) wieder Ruhe angesagt. Umweltgifte, Alkohol, Nikotin und ähnliches sind auch stressauslösende Faktoren. Probleme mit dem Partner? Ein Grenzfall. Eine Paarbeziehung wie aus einem Hochglanzprospekt ohne den Hauch von Konflikten dürfte Illusion bleiben. Doch es gibt einen Unterschied zwischen gelegentlichen Meinungsverschiedenheiten und existenziell bedrohlichen Widersprüchen.

Auch in der Arbeitswelt gibt es eine Vielzahl von Stressfaktoren. Stimmt das Arbeitsklima insgesamt, sind die Aufgaben überschaubar und die Probleme zu bewältigen, so findet auch die Stressreaktion immer ein Ende. Wächst einem dagegen buchstäblich alles über den Kopf, so kommt es zum Dauerstress. Stress beginnt genau dann krank zu machen, wenn es keine Erholungsphasen gibt bzw. wenn wir nicht gelernt haben, mit den Stressfaktoren oder der Stressreaktion umzugehen. Lassen Sie uns noch ein Extrembeispiel nehmen, den Tod des Lebenspartners oder eines anderen geliebten Angehörigen. Fakt ist, dass besonders bei älteren Menschen der Tod des Partners oft zu einem Zusammenbrechen des Immunsystems und allzu oft sogar zum Tod des zurückgebliebenen Partners führt.

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Stress macht uns krank, wenn wir keine ausreichend langen Erholungsphasen haben.

Sie merken, worum es geht: Wenn die Stressreaktion chronisch wird, wenn sie also dauernd besteht und ausweglos erscheint, schweben wir in höchster Gefahr, ernsthaft krank zu werden.

Eine Frage der Gene – aber nicht nur

Sie kennen sicher Menschen, die so viel Stress ausgesetzt sind, dass Sie sich manchmal fragen, wie sie das nicht nur durchhalten, sondern dabei womöglich auch noch bestens drauf sind. Vielleicht denken Sie, dass diese Leute einfach ein extrem dickes Fell haben müssen? Kann schon sein. Manche Leute sind einfach so gestrickt – sei es durch erbliche Anlagen, sei es durch ihre Erziehung –, dass sie Stress gewissermaßen nicht an ihren innersten Kern herankommen lassen. Kann aber auch sein, dass sie einfach gelernt haben, die Stressreaktion unter Kontrolle zu bekommen. Vielleicht aber richten sie sich ihr Leben auch so ein, dass es gar nicht so viele Stressfaktoren sind, wie wir von außen sehen.

Stressfaktoren reduzieren und umbewerten, Stressreaktion minimieren: Genau das sind die wichtigsten Wege, die Sie einschlagen können, um mit den an Sie gestellten Anforderungen besser umzugehen. Sie werden im weiteren Verlauf dieses Buches detaillierte Anleitungen finden, wie Sie den Stressfaktoren in Ihrem Leben einerseits eine andere Bewertung zuteilwerden lassen, sie gewissermaßen „entschärfen”. Zum anderen werde ich Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie die Stressreaktion selbst unter Kontrolle bringen können, damit sie auch dann noch gelassen bleiben können, wenn andere Valium oder sonstige Beruhigungsmittel schlucken würden. Natürlich werden Sie auch etwas finden, um Ihre Stressfaktoren auf Normalmaß zurechtzustutzen, etwa im Kapitel über Zeitmanagement. Zunächst aber machen Sie einen kurzen Test, mit dem Sie herausfinden können, wie sehr Stress Ihnen tatsächlich zu schaffen macht.

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Drei Wege führen aus der Stress-Falle: Stressfaktoren reduzieren, sie umbewerten, Stressreaktion minimieren.

 

Menschen gehen unterschiedlich mit Stress um. Mit diesem Buch lernen Sie, welche Methoden für Sie am wirksamsten sind.

Bin ich gestresst?

Selbstverständlich merken Sie, wenn Sie unter Stress stehen, weil Sie noch im Stau stecken, in zehn Minuten aber bereits einen wichtigen geschäftlichen Termin wahrnehmen sollen, wenn sich die Kinder streiten und Ihre diplomatischen Fähigkeiten aufs Äußerste gefordert sind oder Sie als Kandidat bei „Wer wird Millionär?” kurz vor der Auswahlrunde stehen. Problematisch aber wird es, wenn Sie permanent unter Anspannung stehen. Dann nämlich wissen Sie vielleicht gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, wenn Sie wirklich entspannt sind. Der Stresszustand wird zum Normalzustand, Ihr Körper leidet unter dem ständig erhöhten Stresshormon-Spiegel, und Sie trudeln einem Burnout entgegen. Für viele von uns ist es deshalb zwingend nötig, uns unseren Zustand erst einmal zu vergegenwärtigen. Hier bieten sich zwei Wege an: der eher subjektive über einen Fragenkatalog und der objektive mittels Laboruntersuchungen.

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Wenn Stress zum Dauerzustand geworden ist, bemerken wir ihn kaum noch. Dann ist ein Test vonnöten.
Bitte recht ehrlich!

Es gibt eine ganze Reihe von Selbsttests zu Stress und Burnout, solche mit wissenschaftlichem Anspruch wie den „Stressverarbeitungsfragebogen” oder das „Maslach Burnout Inventory” und jede Menge Mischformen, wie sie sich zuhauf im Internet finden lassen. Mit dem folgenden Fragenkatalog bediene ich mich ebenfalls an verschiedenen Stellen mit dem Ziel, Ihnen einen einfachen und aussagekräftigen Test anzubieten. Dass Sie bei der Beantwortung der Fragen möglichst ehrlich sich selbst gegenüber sein sollten, versteht sich von selbst. Antworten Sie bitte mit Ja oder Nein und zählen Sie die Ja-Antworten.

Stresstest
Stresstest kompakt

Das Stresshormon Cortisol (auch Hydrocortison genannt) wird in der Nebennierenrinde gebildet. Der Arzt kann die Cortisolkonzentration im Blutserum, im Urin oder auch im Speichel messen. Der Cortisol-Spiegel ist – wie der anderer Hormone auch – zu verschiedenen Tageszeiten in unterschiedlichen Mengen im Blut vorhanden, wobei die Konzentration zwischen sechs und acht Uhr morgens am höchsten ist und gegen Mitternacht ihren Tiefpunkt erreicht.

Welcher Wert aber ist normal? Die Cortisolwerte schwanken im Laufe des Tages. Im Blutserum beträgt die Konzentration zwischen sieben und neun Uhr morgens 45 bis 225 µg/l, wohingegen sie zwischen 15 und 17 Uhr nur bei 30 bis 165 µg/l liegt. Die Konzentration im Speichel liegt um acht Uhr morgens bei 0,15 bis 1,00 µg/dl und um 22 Uhr bei 0,07 bis 0,22 µg/dl. Wird der Urin über 24 Stunden gesammelt, so beträgt die normale Cortisolkonzentration darin 21 bis 150 µg/l.

Problematisch bei der Cortisolmessung ist zweierlei: Zum einen können sich die Werte von Labor zu Labor unterscheiden, zum anderen kann es auch tageszeitlich und saisonal bedingt zu starken Schwankungen kommen, sodass die ermittelten Werte nicht unbedingt aussagekräftig sind.

Das StressZentrum Trier (SZT), gegründet 2003 von Wissenschaftlern der Universität Trier, bietet einen pfiffigen und kompakten Test namens Neuropattern™ an, den Ihr Arzt über die Webseite www.neuropattern.de bzw. das Kontaktformular (www.stresszentrum-trier.de/kontakt) bestellen kann. Die Messungen führen Sie selbst zu Hause durch. Dazu gibt es das Neuropattern™-Testset, in dem alle notwendigen Bestandteile enthalten sind: Neben speziellen Fragebögen sind das 16 Salivetten® zur Sammlung von Speichelproben sowie ein kleines EKG-Gerät. Im Speichel wird das Stresshormon Cortisol gemessen. Mit dem EKG wird die Herzratenvariabilität erfasst, welche eine Einschätzung der Aktivierung des autonomen Nervensystems erlaubt. Nach dem Einsenden des fertigen Tests erhalten Arzt und Patient einen Befundbericht zu den krankheitsrelevanten Fehlregulationen der Stresssysteme des Patienten. Der Arzt kann daraufhin auf dieser fundierten Grundlage mit seinem Patienten das weitere Vorgehen besprechen.

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Tests auf das Stresshormon Cortisol sind nicht immer zuverlässig. Wichtig ist, dass die Tests nach einem festen Standard über mehrere Tage erfolgen.

Ganz billig zu haben ist der Test allerdings nicht. Aktuell kostet das Neuropattern-Testset (inkl. Auswertung und Erstellung der Befundberichte für Arzt und Patient) 708,01 Euro. Zusätzlich benötigt wird eine ärztliche Anamnese anhand eines speziellen Fragebogens, die entweder der behandelnde Arzt oder – auch telefonisch – eine Kooperationsärztin des SZT für ca. 130 Euro durchführt. Die Kosten für die Anamnese werden vom Arzt getrennt berechnet und von Privatkassen erstattet.

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DIE BESTEN METHODEN VON A BIS Z

Nicht jeder mag Sahnetorte, nicht jedem bekommt Sahnetorte. Ähnliches gilt für die verschiedenen Antistress-Methoden, die ich Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen möchte. Jeder Mensch besitzt Ressourcen, um mit Stress umzugehen. Probieren Sie aus, welches Verfahren Ihnen am meisten zusagt.

Manches davon wird Sie spontan ansprechen, anderes nicht, und manches wird Ihnen vielleicht lächerlich vorkommen oder ein ungutes Gefühl in Ihnen hervorrufen. Wenn Sie aber etwas – vielleicht auch mehr als eine Methode? – gefunden haben, das Ihnen zusagt, sollten Sie einen Versuch wagen. Doch aufgepasst. Die große Auswahl, die ich Ihnen hier präsentiere, kann dazu verführen, sich wie an einem Kaufhaus-Grabbeltisch zu fühlen, wo man mal das eine, mal das andere in die Hand nimmt. Zu Zeiten kann es gut sein, so vorzugehen, aber wenn Sie Ihren Stress langfristig reduzieren möchten, gehen Sie mit ganzem Herzen an die Sache heran. Lassen Sie sich ganz auf die jeweilige(n) Methode(n) ein! Wie Sie nun wissen, ist Dauerstress ein ernstzunehmender Risikofaktor für unsere Gesundheit. Gehen Sie bitte entsprechend ernsthaft daran, Ihren persönlichen Stress zu reduzieren.

Akupunktur: Der heilsame Pieks

Von modernen westlichen Medizinern wurde die uralte fernöstliche Nadeltechnik viele Jahrzehnte lang mitleidig belächelt. Das hat sich mittlerweile geändert, nachdem zahlreiche medizinische Studien den Nutzen der Akupunktur bewiesen haben. Nach westlichen Maßstäben gesichert ist jedoch bislang nur die Wirkung der Nadeltechnik gegen chronische Schmerzen, z. B. Rücken-, Gelenk- und Kopfschmerzen. Eine Übersichtsstudie aus dem Jahre 2012 zum Thema „Akupunktur gegen Posttraumatische Belastungsstörung“ – wie sie häufig nach Gewalttaten, schweren Unfällen und bei aus Kriegsgebieten heimkehrenden Soldaten auftritt – kommt aber zu dem Schluss, dass Akupunktur eine vielversprechende Behandlungsmöglichkeit auch „bei Ängsten, Schlafstörungen und Depressionen“ ist. Und, was chinesische Akupunkturärzte natürlich längst wissen und was jetzt auch in Tierversuchen von Wissenschaftlern des Georgetown University Medical Center in Washington, D.C. nachgewiesen werden konnte: Akupunktur kann die Stressfolgen ganz direkt blockieren. Ladan Eshkevari, leitender Autor einer von mehreren Studien zum Thema: „Dass Akupunktur Stressgeplagten helfen kann, hat man schon lange angenommen. Wir liefern nun den molekularen Beweis dafür.“

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Akupunktur kann bei vielen Beschwerden helfen – selbstverständlich auch gegen Stress.

 

Zahlreiche medizinische Studien konnten den Nutzen der Akupunktur belegen.

Wie komme ich in den Genuss einer Akupunkturbehandlung?

Zunächst einmal sollten Sie einen geeigneten Therapeuten finden, zu dem Sie Vertrauen haben. Empfehlenswert ist aus meiner Sicht ein Arzt, der eine umfangreiche Zusatzausbildung zum Akupunkteur gemacht hat – in vielen Bundesländern sind für die Grundausbildung zur Zusatzbezeichnung Akupunktur insgesamt 200 Stunden Theorie- und Praxiskurse sowie eine Prüfung bei der jeweiligen Landesärztekammer notwendig. Wenn Sie nicht bereits von Freunden oder Bekannten Empfehlungen bekommen haben, ist die Arztsuche der Deutschen Gesellschaft für Akupunktur e.V. ein guter Startpunkt (www.daegfa.de/PatientenPortal/Arztsuche.aspx). Bei manchen privaten Krankenkassen gehört die Akupunktur zum Leistungskatalog. Sind Sie privat versichert, kann es sich also lohnen, vorab bei der Kasse nachzufragen, ob und unter welchen Umständen die Akupunkturkosten übernommen werden.

Falls Sie gesetzlich krankenversichert sind, müssen Sie die Behandlung aller Wahrscheinlichkeit nach selbst zahlen. Seit dem 1. Januar 2007 ist die Akupunktur-Behandlung zwar bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder chronischen Schmerzen in mindestens einem Kniegelenk durch Gonarthrose eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sodass Patienten bis zu zehn Akupunktursitzungen in Anspruch nehmen können, in Ausnahmefällen sogar mehr. Die meisten Einsatzgebiete der Akupunktur werden jedoch von den gesetzlichen Kassen nicht getragen. Allerdings: Nachfragen kostet nichts.

Auch Heilpraktiker verfügen oft über fundierte Ausbildungen in Akupunktur. Diese Leistungen werden jedoch nur von privaten Versicherungen übernommen. Gesetzlich Versicherte müssen also selbst bezahlen, sie können jedoch auch private Zusatzversicherungen abschließen und die Rechnungen bei diesen einreichen. Die Höhe der Kostenerstattung ist je nach Vertrag unterschiedlich.

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Das System der Traditionellen Chinesischen Medizin ist nach westlichem Verständnis nicht wissenschaftlich. Aber es funktioniert.

Eine Akupunktur-Sitzung dauert etwa 30 Minuten und kostet meist zwischen 30 und 70 Euro. Sie liegen oder sitzen entspannt, während der Arzt bis zu 16 Nadeln an speziellen Stellen entlang der Meridiane setzt. Eine komplette Therapie umfasst in der Regel zehn bis 15 Sitzungen.

Akupressur – ohne Nadeln zum Erfolg

Während Sie bei der Akupunktur auf einen erfahrenen Therapeuten angewiesen sind, können Sie die „kleine Schwester der Akupunktur“ – die Akupressur – auch selbst anwenden. Die Akupressur arbeitet mit denselben Punkten entlang der Meridiane, die in diesem Fall jedoch nicht genadelt, sondern durch Druck der Fingerkuppen oder des Daumens aktiviert werden. Drücken Sie möglichst zielgenau für zehn bis 30 Sekunden und beenden Sie mit einer kreisenden Bewegung um den Punkt herum. Alternativ können Sie den Punkt auch drei- bis fünfmal hintereinander drücken, ihn für 15 bis 20 Sekunden kreisend massieren oder 20- bis 30-mal mit den Fingerkuppen beklopfen. Am besten probieren Sie aus, was Ihnen am meisten behagt und den stärksten Erfolg hat.

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Wer den Pieks nicht mag oder sich selbst behandeln möchte, kann statt Nadeln auch die eigenen Finger nehmen.

Hier nun die drei wichtigsten Punkte gegen Stress (jeweils auf beiden Körperseiten):

1. Tasten Sie mit dem Daumen der rechten Hand an der Innenseite der linken Hand in direkter Verlängerung des kleinen Fingers am Übergang zwischen Unterarm und Hand. Sie können hier einen Knochen tasten, an dessen Innenseite der Punkt „Pforte des Geistes“ liegt.

2. Eine Handbreit unterhalb des unteren Kniescheibenrandes und ca. 2 cm Richtung Außenseite des Beines können Sie den Kopf des Wadenbeins ertasten. Hier, zwischen Schien- und Wadenbein, liegt der Punkt „Drei Meilen am Fuß“.

3. Der Punkt „Kunlun“ (ein Gebirge in China) liegt genau in der Mitte zwischen Außenknöchel und Achillessehne. Eine Akupressur dieses Punktes wirkt stark entspannend und lindert obendrein Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule.

Atemübungen

Jeder von uns kennt die Wirkung nervlicher Anspannung auf die Atmung: Sie wird schneller und flacher. Das funktioniert auch andersherum. Machen Sie den Test einmal, wenn Sie sich ganz entspannt fühlen: Atmen Sie für eine Minute deutlich schneller und flacher als normal. Währenddessen werden Sie feststellen, wie Sie zunehmend unruhiger werden. Und das, obgleich Sie doch gerade eben noch ganz entspannt waren! Eines der besten Beispiele für den Einfluss der Psyche auf den Körper und umgekehrt, die ich kenne. Das Schöne daran ist, dass wir dieses Phänomen auch nutzen können, um unsere Stressreaktion herunterzufahren – durch die richtigen Atemübungen.

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Der Atem ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Psyche auf den Körper wirkt – und umgekehrt.

 

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Versuchen Sie den Atem bei allen Übungen ganz bewusst zu erspüren.

Wichtig bei allen Atemübungen:

Das Ausatmen hat oberste Priorität. Wenn Sie die Lungen gut geleert haben, füllen sie sich ohne Anstrengung von selbst wieder. Achten Sie aber darauf, sich dabei nicht zu sehr anzustrengen. Weniger ist mehr!

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Versuchen Sie den Atem bei allen Übungen ganz bewusst zu erspüren – vom Einsaugen über Nase oder Mund bis in den hintersten Winkel Ihrer Lungen und wieder zurück. Spüren Sie, wie sich Ihr Brustkorb hebt und die Luft in alle Winkel des Rumpfes dringt und sie wieder verlässt.

Bevor Sie eine Atemübung beginnen, atmen Sie zunächst ganz normal. Beobachten Sie, wie der Atem einströmt und den Körper wieder verlässt, und versuchen Sie, nichts am natürlichen Atemfluss zu verändern, sondern sehen Sie sich einfach selbst zu.

Wenn Ihre Gedanken abschweifen, können Sie zu einem einfachen Mittel greifen: Zählen Sie Ihre Atemzüge.

Atmen Sie immer langsam. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie ins „Stolpern“ kommen, lassen Sie die Übung kurz sein, atmen ein paar Atemzüge normal und setzen dann wieder ein. Hektik führt zum Gegenteil dessen, was wir erreichen möchten.

Links, zwei, drei, vier – rechts, …

Diese Übung können Sie auch wunderbar zwischendurch an Ihrem Arbeitsplatz machen. Wenn Sie sich nicht allzu auffällig dabei gebärden, wird kein Mensch etwas davon mitbekommen. Außer Ihnen natürlich, denn Sie fühlen sich plötzlich völlig entspannt und erfrischt, voller Tatendrang. Wenn Sie die Übung regelmäßig machen, haben Sie sogar ein wirksames Mittel gegen häufige Kopfschmerzen, Schlafprobleme und natürlich stressbedingte Nervosität und Konzentrationsstörungen zur Hand.

So geht’s: Setzen Sie sich aufrecht hin, halten Sie mit dem Daumen der rechten Hand das rechte Nasenloch zu und atmen Sie durch das linke ein. Dann mit dem Zeigefinger derselben Hand das linke Nasenloch zuhalten und durch das rechte ausatmen. Drei- bis fünfmal wiederholen. Anschließend nehmen Sie die linke Hand, halten mit dem Daumen das linke Nasenloch zu, atmen rechts ein, dann mit dem Zeigefinger das rechte zuhalten und links ausatmen. Ebenfalls drei- bis fünfmal wiederholen.

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Wir atmen normalerweise etwa 16- bis 20-mal in der Minute, in völlig entspanntem Zustand nur sechs- bis zehnmal.

Sie können diese Übung noch intensivieren, indem Sie das Einatmen nicht gleichmäßig vornehmen, sondern die Luft in vier kurzen Stößen „einschnüffeln“, so als wollten Sie dabei den Duft einer Blume ganz genau erschnuppern. Natürlich können Sie auch tatsächlich an einer Blume riechen oder aber an einem Duftöl, das je nach Bedarf eher beruhigend (z. B. Lavendel) oder belebend (z. B. Pfefferminzöl) sein sollte.

Die „Daumenpuppe“

Kennen Sie diese kleinen Holzspielzeuge, z. B. Hunde, deren Gliedmaßen aus mehreren Holzteilen bestehen, durch die ein Band geführt ist? Und unten haben diese Dinger einen Knopf mit einer Feder dahinter: Wenn Sie den drücken, wird das Tierchen ganz schlapp, lassen Sie ihn los, richtet es sich wieder auf. So ähnlich können Sie sich die folgende Übung vorstellen.

Setzen Sie sich aufrecht auf einen Hocker (ein Stuhl ohne Lehnen tut’s auch). Verschränken Sie nun die Hände und ziehen Sie sie nach oben, als wollten Sie die Decke erreichen, und atmen Sie dabei tief ein. Nun ganz langsam ausatmen und dabei nach vorn beugen – Hände, Kopf und Oberkörper folgen einander –, sodass Sie am Ende des Ausatmens ganz schlapp und entspannt, wie die Daumenpuppe, vornüber gebeugt hängen.

In dieser Haltung zwei- oder dreimal ein- und ausatmen. Dann beim Einatmen langsam Wirbel für Wirbel aufrichten, bis Sie wieder in die gestreckte Anfangsposition kommen.

Beachten Sie bitte: Niemals über den Punkt hinaus dehnen oder beugen, an dem es anfängt wehzutun. Zudem gilt auch hier, dass Sie den Verlauf Ihres Atems stets genau verfolgen sollten und lieber weniger als mehr machen.

Augentraining

Die Zahl der Bildschirmarbeitsplätze steigt stetig – aktuell sind es etwa 18 Millionen in Deutschland. Wenn Sie auch zu jenen gehören, die mehrere Stunden täglich vor einem Monitor hocken, wissen Sie genau, warum das Stress für Körper und Geist bedeutet. Die Augen sind ständig auf eine Entfernung fixiert, sodass der Blick nicht frei hin und her schweifen kann. Allenfalls beim Telefonieren können Sie im Raum umhergehen und dabei vielleicht mal aus dem Fenster schauen. Die meiste Zeit aber ist man auf seinem Stuhl so gut wie festgeklebt. Dass dies fast zwangsläufig zu zahlreichen Beschwerden führt, verwundert kaum.

Untersuchungen haben gezeigt, dass Bildschirmarbeit viel häufiger als vergleichbare nicht am Computer ausgeübte Tätigkeiten zu Augenermüdung und -brennen, zum Zucken der Augenlider und zu tränenden Augen führt. Aber nicht nur das: Durch die stets gleiche Arbeitshaltung tauchen auch vermehrt Verspannungen der Hals- und Nackenmuskulatur sowie dadurch ausgelöst Kopfschmerzen und Rückenprobleme auf. Gegen die Zunahme der Bildschirmarbeitsplätze werden wir nichts tun können, wohl aber gegen das, was sie auslösen. Probieren Sie’s doch mal mit folgenden gezielten Augenübungen, die Sie übrigens ohne Brille und nach Möglichkeit auch ohne Kontaktlinsen ausführen sollten.

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Wer stundenlang am Computer arbeitet, muss sich über Probleme leider nicht wundern.
Es werde dunkel

Die folgende Übung wird „Palmieren“ genannt, was soviel bedeutet wie „Abschirmen der Augen mit den Handflächen“. Reiben Sie Ihre Handflächen aneinander, bis sie richtig schön warm sind. Nun decken Ihre Augen so mit den Handflächen ab, dass kein Lichtstrahl mehr in Ihre Augen dringt (siehe Foto auf Seite 30). Sie können dabei Ihre Ellenbogen auf den Schreibtisch abstützen – am besten ist es, wenn Sie ein Kissen oder eine Jacke unterlegen –, und achten Sie darauf, dass Sie die Augen mit den Händen nicht berühren. Kontrollieren Sie, ob die Palmierung wirklich dicht ist, indem Sie zunächst noch die Augen offen haben. Dann schließen Sie die Augen.

Sie werden nun vermutlich noch Lichtblitze oder Ähnliches sehen, vielleicht sogar noch den Bildschirm, auf den Sie bis eben gestarrt haben. Ignorieren Sie das, denn das sind nur Ihre überreizten Sehsinneszellen, die nach wie vor Impulse in Ihr Gehirn senden. Stellen Sie sich nun vor, wie Ihre Augen zur Ruhe kommen und nichts als tiefste Schwärze wahrnehmen. Eine warme und Geborgenheit verströmende Dunkelheit, die über Ihre Augen in die Sehnerven eindringt und Stück für Stück zum Sehzentrum in Ihrem Gehirn vordringt. Fühlen Sie, wie diese schwarze Geborgenheit Entspannung auslöst, wie sogar die Augenmuskeln zur Ruhe kommen, wie sich die Verspannungen in Schultern, Nacken und Hals lösen. Palmieren Sie so lange, bis Sie sich vollkommen ruhig und entspannt fühlen.

Machen Sie diese Übung am besten mehrmals am Tag, in jedem Fall aber, wenn Sie spüren, wie Ihre Augen ermüden oder zu brennen beginnen. Sie werden überrascht sein, wie leistungsfähig Sie anschließend wieder sind.

 

Spüren Sie die Wärme, die von Ihren Handflächen ausgeht.

Den Augen Spielraum geben

Ein wichtiger Grund für das Ermüden der Augen ist, dass sie dauernd nur auf eine Entfernung von etwa 50 bis 65 Zentimetern eingestellt sind. Dafür sind unsere Augen nicht gebaut, sondern für eine Welt, die aus drei Dimensionen gebaut ist, aus Fläche und Tiefe. Den Augen dieses natürliche Umfeld zurückzugeben – zumindest zeitweilig – ist das Ziel der folgenden Übung.

Am besten alle 15 Minuten, spätestens aber nach dreißig Minuten angestrengter Bildschirmarbeit sollten Sie Ihre Augen vom Bildschirm abwenden. Lassen Sie den Blick im Raum umherwandern und langsam auf Gegenstände in verschiedenen Entfernungen gleiten, ohne sie zu fixieren. Stellen Sie sich vor, Sie wollten den ganzen Raum erkunden und in sich aufnehmen, sodass Sie anschließend jeden Gegenstand auch im völligen Dunkel problemlos finden könnten.

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Der Blick muss häufiger zwischen nah und fern wechseln, sonst ermüden die Augen.

Ideal ist es natürlich, wenn Sie aus einem Fenster mit Blick auf eine weite Landschaft schauen können. Doch eine Straßenflucht mit Menschen und Autos tut’s auch: Lassen Sie den Blick buchstäblich schweifen, in Formen und Farben schwelgen. Lassen Sie ihn dabei mal auf diesem und jenem ruhen, und „wandern“ Sie dann weiter. Auf diese Weise haben Ihre Augen die Möglichkeit, sich auf verschiedene Weiten einzustellen, und können ihre anstrengenden Aufgaben am Bildschirm danach wieder für eine Weile ohne Murren ausführen.

Autogenes Training

Entwickelt wurde das in Deutschland wohl bekannteste Entspannungsverfahren von dem Berliner Nervenarzt Johannes Heinrich Schultz (1884–1970). Heute bieten nicht nur viele Volkshochschulen Kurse in autogenem Training an. Es gibt auch zahlreiche Ratgeberbücher und CDs, mit deren Hilfe es sich relativ einfach erlernen lässt. Mit zwei Einschränkungen: Es dauert Wochen bis Monate, bis die Basisübungen beherrscht werden. Wichtiger vielleicht noch ist die Tatsache, dass das autogene Training nicht für jeden die effektivste Methode darstellt. Manchen Menschen fällt es leicht, das beim autogenen Training nötige Gleichgewicht zwischen Konzentration und „Sich-fallen-lassen“ herzustellen. Für andere hingegen ist es sinnvoller, eine eher körper- als konzentrationsorientierte Methode anzuwenden. Probieren Sie’s einfach aus!

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Aller Anfang ist schwer. Doch mit ein wenig Übung kommt die Schwere ganz schnell.
Mit Suggestionsformeln zum Erfolg

Das autogene Training besteht aus zwei Stufen. In der ersten geht es darum, Körperfunktionen wie Atem- und Herzfrequenz, den Spannungszustand der Skelettmuskulatur und die Durchblutung von Händen, Füßen und Stirn zu beeinflussen. Durch sich selbst gegebene Suggestionen – im autogenen Training „Formeln“ genannt – kann sich der Übende im Laufe der Zeit immer schneller und nahezu an jedem Ort in einen Zustand tiefer Entspannung begeben. Er kann dadurch besser mit Stresssituationen umgehen, sich aber auch in kürzester Zeit geistig und körperlich wieder fit machen.

In der zweiten Stufe – bis man so weit ist, dauert es erfahrungsgemäß mindestens Monate, wenn nicht Jahre – lässt sich dieser mühelos zu erreichende Zustand der Entspannung sowie die Fähigkeit, sich Suggestionen zu geben und diese auch umzusetzen, für sehr viel weiter reichende Zwecke nutzen. So lassen sich über geeignete Formeln zahlreiche Probleme beseitigen oder lindern, z. B. Ängste, die Lust auf Süßes oder auch gefährliche Laster wie das Rauchen. In dieser „höheren“ Stufe ist das autogene Training vergleichbar der Selbsthypnose (siehe Seite 60).

Die ersten Schritte im autogenen Training

Nehmen Sie eine möglichst entspannte Haltung ein. Viele favorisieren die Rückenlage oder die sogenannte Kutscherhaltung (mit geöffneten Beinen und leicht nach vorn gebeugt, Arme auf den Beinen abgestützt). Ein Dogma ist das jedoch nicht. Wichtig ist allein, dass Sie persönlich in dieser Haltung gut entspannen können. Zudem ist es sinnvoll, am Anfang in ruhiger Umgebung zu üben, z. B. im Bett vor dem Einschlafen und/oder morgens nach dem Aufwachen. Besonders am Anfang sollten Sie täglich mindestens einmal trainieren, egal ob Sie es sich selbst beibringen oder ob Sie es beim Arzt oder in der Gruppe an der Volkshochschule lernen.

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Wenn Sie bequem sitzen/liegen, schließen Sie die Augen und beginnen damit, sich die folgenden Sätze im Kopf vorzusagen:

Wenn Sie abends vor dem Einschlafen üben, lassen Sie die Formel weg, die Sie morgens unbedingt benötigen: „Arme fest! Tief einatmen! Augen auf!“ (wobei Sie genau das dabei selbstverständlich auch tun sollten). Wenn Sie diese Aufwachformel vergessen, kann es Ihnen passieren, dass Sie den ganzen Tag wie im Dämmerschlaf herumlaufen.

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Kontrolle ist ausgeschlossen, Sichgehenlassen führt zum Erfolg. Doch wenn’s geklappt hat, ist es unüberfühlbar.

Als besonders praktikabel hat es sich erwiesen, die Übungen nach und nach zu erlernen – also erst nur die Entspannungsformel mit der folgenden für den warmen Arm (und am Ende wie immer die Aufwachformel), im zweiten Schritt die Entspannungsformel, die für warme Arme, wieder die Entspannungsformel und dann die für schwere Arme und so weiter.

Worauf es am Anfang ankommt

Wenn Sie auf eigene Faust versuchen wollen, das autogene Training zu erlernen, sollten Sie vor allem den Gedanken aufgeben, Ihren Körper ständig zu kontrollieren. Natürlich möchte man gern wissen, ob z. B. die Formel „Mein Arm wird ganz warm“ tatsächlich dazu führt, dass er warm wird. Das Problem ist aber, dass Sie mit diesem ständigen Überprüfen den Erfolg (also das, was Sie gerade herausfinden wollen) wirksam verhindern. Lassen Sie es einfach sein und fassen Sie sich in Geduld. Nach einer Weile des Übens werden Sie feststellen, dass die Formeln tatsächlich funktionieren und Änderungen hervorrufen, z. B. die Durchblutungssteigerung Ihrer Hände und das Warmwerden des Sonnengeflechts. Im Laufe der Zeit wird Ihnen dann auch klar werden, dass sich auf diese Weise noch ganz andere Änderungen in Ihrem Leben bewirken lassen: Der lockere Umgang mit Stressfaktoren ist dabei noch die einfachste Übung!

 

Autogenes Training kann man z. B. an einer Volkshochschule erlernen.

Autor

  • Bernd Neumann (Autor:in)

Bernd Neumann war fünf Jahre als Leiter des Ressorts Medizin bei dem Lifestyle-Magazin FIT FOR FUN tätig und leitete anschließend zwei Jahre lang die Internetredaktion der Zeitschrift. Seit 2002 arbeitet Bernd Neumann als freier Medizin- und Wissenschaftsjournalist. Bis heute veröffentlichte er 29 Bücher unter seiner Autorenschaft, Co-Autorenschaft oder als Mitarbeiter. Bernd Neumann lebt mit seiner Frau und seinen vier Kindern in der Nordheide bei Hamburg.
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Titel: Stress natürlich behandeln