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Die passende Rede für jeden Anlass

Für private und berufliche Ansprachen. Mit vielen Musterreden und Profi-Tricks

von Pat Lauer (Autor:in)
300 Seiten

Zusammenfassung

Endlich das ideale Nachschlagewerk für Reden und Ansprachen! Hier erfahren Sie, wie Reden optimal vorbereitet und sicher vorgetragen werden. Zahlreiche Musterreden zu beruflichen und privaten Anlässen können schnell und einfach für die eigenen Zwecke angepasst werden. Das Standardwerk für jeden, der Reden hält!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Pat Lauer
 
 
 
 
 

Die passende Rede für jeden Anlass

 
 
 
Für private und berufliche Ansprachen 
Mit vielen Musterreden und Profi-Tricks 


 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 
978-3-86910-142-2  
ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-019-7
ISBN des PDF-eBooks: 978-3-86910-143-9

 

 

Pat Lauer studierte Germanistik, Anglistik sowie Geschichte und war viele Jahre als Redenschreiber tätig. Er arbeitet heute als Redakteur und Autor und hat schon über 20 Bücher veröffentlicht.

 
 
 
 

 
© 2011 humboldt

Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

 
Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

 
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Titelfoto: Shutterstock/OtnaYdur

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

zunächst sollten wir an dieser Stelle das passende Motto für die kommenden Seiten präsentieren – ein Motto, das Sie sich stets vor Augen führen sollten, wenn Sie das Gefühl haben, überfordert zu sein: „Keine Panik – Reden ist leicht“.

Es mag ja durchaus sein, dass Sie mit dem Reden schon schlechte Erfahrungen gemacht haben, mag sein, dass Sie sich schon einmal furchtbar blamiert oder in die Nesseln gesetzt haben. Mag sein, dass allein der Gedanke an einen öffentlichen Auftritt mit Sprechzwang Ihnen kalte Schauer der Angst über den Rücken jagt. Aber muss das denn für immer so bleiben? „Nein“, lautet die Antwort, denn in diesem Buch bekommen Sie Antworten auf die entscheidenden Fragen zum Thema Vorbereitung, Inhalte, Form, Präsentation und Ende einer Ansprache oder einer Rede.

Auf den folgenden Seiten wird Ihnen bewiesen, dass wirklich jeder eine Rede oder eine Ansprache halten kann. Sie bekommen zunächst einige ebenso simple wie nützliche Tipps zur richtigen Vorbereitung und wie Sie eventuelles Lampenfieber vermeiden. Anschließend geht es darum, wie Begrüßung, Einleitung, Übergänge und Schluss einer Rede aussehen können. Die nächsten Kapitel versorgen Sie mit den passenden Tipps und Tricks für alle Gelegenheiten, zahlreichen Musterreden und den besten Zitaten. Zu guter Letzt erfahren fortgeschrittene Redner, wie sie Pleiten, Pech und Pannen gekonnt meistern und beim Publikum in guter Erinnerung bleiben.

Damit dies alles nicht zu theoretisch wird, erhalten Sie selbstverständlich auch etliche ganz konkrete Beispiele. Da sind Versatzstücke von Reden ebenso dabei wie ganze Ansprachen für alle möglichen Gelegenheiten. Keine Sorge – auf kein einziges dieser Muster wird ein Copyright erhoben – wenn Sie mögen, können Sie also ganze Passagen wörtlich übernehmen. Lediglich die Namen sollten Sie auf jeden Fall austauschen und natürlich darauf achten, dass die Musterrede auch wirklich zum Anlass passt.

Wenn Ihnen dies jedoch gar zu schlicht erscheint, wenn Sie der Meinung sind, dass Sie sich selbst doch ein bisschen Arbeit machen sollten, oder wenn Sie für Ihre spezielle Anforderung in diesem Buch kein ideal passendes Ansprachenexemplar finden – dann benutzen Sie die ebenfalls enthaltenen „Gebrauchsanweisungen“. Schreiben Sie sich Ihre Rede einfach selbst – folgen Sie den einzelnen Schritten und Anleitungen in den jeweiligen Kapiteln und vertrauen Sie darauf: Sie werden nicht scheitern und Sie werden sich nicht blamieren. Keine Panik – Reden kann jeder. Auch Sie.
Pat Lauer

Die optimale Vorbereitung

Bevor Sie mit dem Schreiben Ihrer Rede loslegen – dafür bekommen Sie später noch jede Menge Tipps an die Hand –, sollten Sie sich auch ein paar Gedanken zur Präsentation Ihrer Ansprache machen. Was ziehen Sie an? Wollen Sie einen Spickzettel benutzen und „dürfen“ Sie das überhaupt? Wie setzen Sie Ihre Stimme richtig ein? Dürfen Sie Ihren Dialekt beibehalten oder müssen Sie Hochdeutsch sprechen? Und wie können Sie das verflixte Lampenfieber in den Griff bekommen? Auf diese Fragen gibt Ihnen dieses Kapitel die Antworten.

Dem Anlass angemessen: Die Wahl der richtigen Kleidung

Rhetorik und Akustik, Mimik, Gestik und die Fähigkeit, interessante Inhalte interessant zu verpacken – das alles macht einen guten Redner aus. Weil aber nicht nur jener Eindruck zählt, den der Sprechende ab dem Moment macht, in dem er den Mund öffnet, sondern auch der so genannte „erste Eindruck“ für Erfolg oder Misserfolg entscheidend sein kann, ist auch dieser Aspekt zu berücksichtigen: die Optik.

Klar ist: Für seine Gesichtsform kann niemand etwas, gelbe Zähne, eine hohe Stirn oder ein deutlich sichtbarer Bauchansatz lassen sich nicht auf die Schnelle korrigieren. Es gilt also stets an jenen Stellen anzusetzen, die man tatsächlich beeinflussen kann, und dabei stehen vor allem zwei „Hilfsmittel“ im Vordergrund: Kosmetik und Kleidung.

Bei Kosmetik, also dem Einsatz von Schminke in ihren verschiedensten Facetten, gilt im Allgemeinen die Grundregel „Zu viel schadet nur“. Vor allem Männer sollten nach wie vor auf Wimperntusche, Rouge oder den Einsatz von Kajalstiften tunlichst verzichten, wenn sie sich nicht unglaubwürdig oder gar lächerlich machen wollen. Gut rasiert, ordentlich gekämmt und im Zweifelsfall mit ein wenig Puder behandelt, um nicht gleich zu Beginn mit hochroten Bäckchen oder mit schweißnasser Stirn ungewollt „glänzend“ herüberzukommen – das genügt vollständig. Bei der Wahl des Rasierwassers gilt ebenfalls „weniger ist mehr“, denn Geschmäcker sind nun einmal unterschiedlich, und wenn die ersten Reihen des Publikums sich sichtlich bemühen, einer vom Redner ausgehenden Duftwolke mit abgewandten Gesichtern zu entgehen, dürfte das seine Chancen auf Zustimmung beim Auditorium nicht unbedingt erhöhen. Gleiches gilt selbstverständlich für den Einsatz von Parfüm bei Damen.

Etwas mehr und etwas gezielter dürfen und sollen Frauen zu kosmetischen Hilfsmitteln greifen. Je nach Anlass und Inhalt der Ansprache wählt man beispielsweise den Lippenstift aus, entscheidet sich für Wimperntusche, Rouge oder auch einen dezenten Lidstrich und achtet ebenfalls explizit darauf, dass beispielsweise Schweißtropfen auf Stirn oder am Halsansatz mittels Pudereinsatz verhindert oder überdeckt werden. Verzichtet werden sollte in fast allen Fällen auf extravagante Schminke wie beispielsweise sehr dunklen Lippenstift, der entgegen häufig geäußerter Meinungen auch nicht auf Beerdigungsfeierlichkeiten angemessen wäre.

Noch ein wenig bedeutsamer für einen gelungenen Auftritt ist die Wahl der passenden Kleidung. Um hier richtig zu liegen, bedarf es in allen Fällen einer kurzen, aber präzisen Analyse von Anlass, Ort und Zeitpunkt der Rede sowie des erwarteten Publikums.

Generell gilt die Faustregel: Je wichtiger der Anlass, desto konservativer die Kleidung, je bedeutsamer der Ort, desto feierlicher das Outfit, je anspruchsvoller das Publikum, desto zurückhaltender der eigene Stil. Auf der Bilanzpressekonferenz eines börsennotierten deutschen Unternehmens beging ein führender Manager unlängst den Kardinalfehler, auf eine Anfrage eines Anteilseigners zu antworten, ohne sich sein zuvor abgelegtes Jackett wieder anzuziehen. Seine Ärmel waren aufgekrempelt, die Krawatte deutlich sichtbar gelockert. Das öffentliche Echo auf seine an und für sich durchaus seriöse Replik fiel verheerend aus: „Schnoddrig“ sei der junge Mann aufgetreten, „arrogant“ habe er gewirkt und seine „Hemdsärmeligkeit“ sei dem Anlass nicht angemessen gewesen. Auf den Inhalt seiner ausführlichen Antwort ging der Berichterstatter kaum ein – der Äußerlichkeit wurden hingegen gleich drei Zeilen gewidmet. Auch so kann man sich seinen Ruf also ruinieren.

Für Frauen und Männer gilt mittlerweile, dass man mit Hosenanzug oder Anzug in aller Regel kaum etwas falsch machen kann. Diese beiden Elemente haben den großen Vorteil, dass man sie in Nuancen verändern kann, sodass der Gesamteindruck sich zwar anpasst, niemals jedoch wirklich schlecht wird. Ein Beispiel: Wenn ein Politiker im Bundestag spricht, wird er sein Sakko tragen, die Krawatte wird ordentlich gebunden sein. Wenig später taucht er dann in seiner Fraktion auf und muss seine Kollegen von einem Entschluss überzeugen. Hier ist er unter politisch Gleichgesinnten, hier sind Freunde und Kollegen vertreten, aber möglicherweise auch Neider und Rivalen. Hat er sich im Bundestag noch souverän und staatstragend präsentieren müssen, so muss er nun überzeugend und kämpferisch wirken. Wird ihm bei einer Rede im großen Plenarsaal Nervosität noch verziehen, so kann sie ihm hier sinnbildlich um die Ohren gehauen werden. In seinem Kleidungsstil muss er diesen geänderten Anforderungen Rechnung tragen: Nach wie vor trägt er das Sakko, doch nun sind alle Knöpfe offen, die Krawatte ist weg, die beiden obersten Knöpfe des Hemdes stehen offen. Das Signal ist klar: Ich bin zwar hier, um mit euch zu sprechen, doch das ist keine steife, offizielle Veranstaltung, sondern ich bin einer von euch und kämpfe um eure Unterstützung. Das noch immer getragene Sakko – der insgesamt also korrekt sitzende Anzug – ist jedoch ebenfalls eine unmissverständliche Botschaft: Bis hierher und nicht weiter – ich bin wichtig, ich bin kampfbereit, ich bin aufmerksam. Der Anzug dient also sozusagen als flexible Rüstung und als Allzweckwaffe, um Stimmungen zu vermitteln.

Mit dem Hosenanzug verhält es sich etwas komplizierter, denn dessen Oberteil auszuziehen gilt in (fast) allen Lagen als zumindest ungewöhnlich. Wer hätte Angela Merkel je nur mit Anzughose und Bluse gesehen – das Bild vom „Mütterchen“ würde schnell die Runde machen. Frauen haben stattdessen die Möglichkeit, mit der Wahl ihrer Farben auf die Gegebenheiten zu reagieren, denn während bei Männern schon Taubenblau als Geschmacksverirrung gilt, können Frauen der tristen Palette von Grau, Schwarz und Anthrazit ohne Weiteres mit rötlichen, grünen oder pastellfarbenen Tönen entfliehen. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für das Business-Kostüm, bestehend aus Rock, Bluse und Jacke. Hier wird zu viel Farbe häufig als irritierend empfunden, hier sollte man sich keine Abweichungen von der zwar nicht sehr spannenden, aber immer passenden grauen (Rock und Jacke) und weißen (Bluse) Norm erlauben, will man nicht als „leicht exotisch“ oder „extrovertiert“ gelten.

Selbstverständlich jedoch gibt es auch zahlreiche Gelegenheiten, bei denen die konservative Kleidung eher hinderlich als von Nutzen ist. Wenn Sie beispielsweise als Vereinsfunktionär bei der Jahreshauptversammlung im Sportheim sprechen sollen, dann nähme man Ihnen Anzug und Krawatte meistens sogar eher übel. „Das ist keiner von uns“, würde dann durch die Köpfe geistern und – noch schlimmer – „da will sich einer wichtig machen“. Bei solchen halb-privaten Gelegenheiten sollte man sich der Umgebung möglichst anpassen, sollte nicht auffallen, um nicht reinzufallen. Doch schon bei Preisverleihungen oder Feiern zu runden Geburtstagen, bei Eröffnungsansprachen oder der Verabschiedung langjähriger Mitarbeiter oder Kollegen ist wieder der konservative Look angesagt – selbst dann, wenn diese jeweiligen Veranstaltungen einen halbwegs privaten Charakter haben, denn diese Art der Kleidungswahl signalisiert etwas, was dem jeweils Angesprochenen, den Geehrten oder auch dem Publikum insgeheim immer wichtig ist: Respekt.

Spicken erlaubt: Monitor, Blätter oder Kärtchen

Ungeübte Redner verwechseln häufig Kreativität mit unnötigem Risiko. Soll heißen: Sie stürzen sich ohne jedes Netz und doppelten Boden in ihre Ansprache – vertrauen darauf, dass ihnen schon genügend einfallen wird, wenn sie erst einmal ins „Rollen“ gekommen sind.

Nun, das kann schon sein. Es gibt redegewandte Menschen – Lehrer und Dozenten gehören schon von Berufs wegen dazu –, die nur leicht angestupst werden müssen und schon zum rhetorischen Wasserfall mutieren. Allerdings, und dies sei auch den Studienräten und Professoren ins Stammbuch geschrieben, kommt es stets auf die Situation an. Vor Schülern und Studenten zu sprechen ist aus der Position des Lehrenden vergleichsweise einfach. Schließlich wird da nur selten hinterfragt, nur selten gezweifelt und wohl nur auch höchst selten wirklich konzentriert hingehört. Im Falle einer offiziellen Rede vor einem erwachsenen, gleichberechtigten Publikum verschieben sich die Kräfteverhältnisse allerdings. Der Redner ist nicht unbedingt der „Überlegene“, sondern für viele hungrige „Raubtiere“ im Saal eher das Opfer, das man ganz gerne bei einer kleinen Schwäche ertappen würde und das man anschließend gern und laut kritisiert. Das Wissen um diese ach so menschlichen Reaktionen ist schließlich mit verantwortlich für das ein wenig später ausführlich beschriebene Lampenfieber.

Wenn wir also davon ausgehen, dass im Publikum stets „Hyänen“ sitzen, denen Sie die Freude eines Ausrutschers Ihrerseits eigentlich nicht machen wollen, wenn wir weiter davon ausgehen, dass Sie nicht zur kleinen Minderheit der begnadeten Volksredner gehören und wenn wir drittens noch davon ausgehen, dass Sie mit Ihrer Ansprache ein bestimmtes Ziel verfolgen oder zumindest einen bestimmten Inhalt im Kopf haben – wenn wir von all diesen Selbstverständlichkeiten ausgehen, dann kommen wir um eine sinnreiche Stütze für Ihre Gedanken und Worte nicht aus.

Wie kann eine solche Stütze aussehen? Grundsätzlich gilt: Erlaubt ist, was gefällt. Sie können sich die wichtigsten Etappen Ihrer Rede in unleserlicher Sauklaue auf Butterbrotpapier kritzeln oder einen fünfseitigen Computerausdruck mit farbig unterlegten Betonungsregeln benutzen – letztlich müssen ja einzig und allein Sie selbst damit zurechtkommen. Lassen Sie uns an dieser Stelle nun die gängigsten Methoden mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen beleuchten.

Der Schmierzettel

Ein Schmierzettel ist für diejenigen der letzte Rettungsanker, die kurzfristig aufgefordert werden, eine Ansprache zu halten. Aber auch große Geister mit einem Sinn für das kreative Chaos bevorzugen diese Variante der Gedankenstütze. Am sinnvollsten gestalten Sie diesen Zettel, indem Sie lediglich den eigentlichen Einstieg (die Begrüßung) wörtlich notieren und sich dann von einem Stichwort zum nächsten hangeln.

Tipp
Es besteht auch die Möglichkeit, zwischen die einzelnen Stichworte auf einem Schmierzettel Pfeile hineinzumalen, um sich eventuelle Sinnzusammenhänge ins Gedächtnis zu rufen und damit die Freiheit für Querverweise oder Abschweifungen nehmen zu können.

Ein Beispiel, wie ein Schmierzettel aussehen könnte:

Lieber Franz, liebe Edith, liebe Eltern und Schwiegereltern,

hoch geschätzte Freunde und Verwandte des Brautpaares

Franz Jugend Seifenkistenchampion

Edith Jugend Berufswunsch Ärztin

Kennenlernen Uni (Mensa) Franz isst gerne

Zusammenziehen

Einladung zur Hochzeit Trauzeuge Schreck

Alles Gute, Kinder Freunde bleiben

Sooooo – das könnte auf einem guten Spickzettel stehen, den der Trauzeuge für seine obligatorische Rede auf der Hochzeitsfeier braucht. Er hangelt sich also von Wort zu Wort und füllt lediglich die Zwischenräume. Die ersten Sätze nach der Begrüßung könnten beispielsweise folgendermaßen lauten:

„Edith, ich weiß nicht ganz sicher, ob du dir darüber im Klaren bist, wen du dir da geangelt hast. Ich kenne den Franz schon seit seiner frühesten Jugend, habe mit ihm den Spielplatz unsicher gemacht und bin gegen ihn im Seifenkistenrennen angetreten. Dabei war er immer ein recht wilder Bub und außerdem wollte er immer gewinnen, was ich sehr gemein fand, weil ich doch auch immer gewinnen wollte. Gerade beim Thema Seifenkisten muss ich allerdings zugeben, dass er den Sieg mehr verdient hatte als ich, weil seine Konstruktion einfach viel ausgefeilter war. Da hat der Franz ja auch tagelang getüftelt, bis er dieses futuristische Gerät, das wie eine Kreuzung aus Spaceshuttle und Essiggurke aussah, entworfen hatte. Du hingegen, liebe Edith, warst – so behaupten es deine Eltern – ein braves Mädchen und wolltest schon frühzeitig Ärztin werden …“

Sie haben es bemerkt? Der Sprecher hat sich von einem Stichwort zum anderen gehangelt und die Zwischenräume wortreich gefüllt. Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand: Es ist viel Platz für spontane Ideen, für Ergänzungen, Ausschmückungen und Witziges. Allerdings gibt es auch etliche Nachteile beim Schmierzettel, die vor allem der ungeübte Redner bedenken muss. Erstens ist es sehr schwer, die Kontrolle über die Länge der Rede zu behalten. Zweitens kann es durchaus passieren, dass man beim Entwerfen des Spickzettels noch ganz genau wusste, mit welchen Episoden oder Erlebnissen man die besagten Zwischenräume füllen will, und während des Vortrags geht plötzlich ein schwarzer Vorhang vor dem geistigen Auge nieder, der dazu führt, dass man sich plötzlich überhaupt nicht mehr daran erinnern kann, was man an dieser Stelle eigentlich sagen wollte. Das kann ein peinlich langes „Äääääh“ werden. Drittens – und auch das sollten Sie bedenken – ist es natürlich nicht einfach, stets den richtigen Ton zwischen den Stichworten zu treffen. Gelungenes freies Sprechen beinhaltet nämlich auch, dass man häufige Wortwiederholungen vermeidet, dass man Sätze nicht oder nur selten mit „Ich“ beginnt, dass man keine plumpen oder peinlichen Witze reißt, dass man Blickkontakt mit den Angesprochenen hält und so weiter und so fort. Reicht Ihnen ein Spickzettel, um auf all diese Einzelheiten zu achten?

Fazit
Ein Schmier- oder Spickzettel ist keine ideale Lösung, bietet sich aber dann an, wenn Sie wenig Zeit für die Vorbereitung haben und/oder ein kreativer Redner sind. Er ist in jedem Fall eine bessere Stütze als gar keine Stütze.

Die Karteikarten

Vor allem bei Moderatoren im Fernsehen – bei denen, die nicht vom Teleprompter ablesen wollen – sind Karteikarten sehr beliebt. Auf diesen sind kurze Begrüßungen, Anreden, Stichworte zu den persönlichen Verhältnissen der Befragten oder der Kandidaten oder einfach auch sinnvolle Interviewfragen notiert. Man kann Karteikarten aber auch als „Bausteine“ für eine gelungene Ansprache benutzen. Auch dieses „Bausteine-System“ wollen wir einer eingehenden Betrachtung unterziehen.

Sinnvoll sind Karteikarten dann, wenn ihr Benutzer bereits über eine gewisse Erfahrung mit Reden und Ansprachen verfügt. Das heißt, er kennt die Fallstricke und Tücken, er weiß, wo er leicht ins Straucheln gerät, und er hat sich ein gedankliches Konzept zurechtgelegt. Übrigens: Die Karten sollten stets liniert sein. Wenn dies alles passt, könnte auf den ersten drei Karteikarten ungefähr Folgendes stehen:

Karte 1:

Überschrift: Begrüßung und Einleitung

Zeile 1 und 2: Liebe Edith, lieber Franz, liebe Eltern des Brautpaares, liebe Gäste,

Zeile 4: Ich wurde als Trauzeuge gebeten …

Zeile 6: Hoffe auf Nachsicht bei kleinen Patzern

Karte 2:

Überschrift: Edith

Zeile 1: Ediths glückliche Jugend (zwei Schwestern, manchmal Streit)

Zeile 3: Schulische Erfahrungen (immer unter den Besten – keine Streberin)

Zeile 5: Erster Berufswunsch mit 15: Ärztin (Helfen, Papa, Einkommen)

Zeile 7: Sportliche (gesellschaftliche) Erfolge (Tennis, Reiten)

Karte 3:

Überschrift: Franz

Zeile 1: Franz glückliche, wilde Kindheit (Seifenkistenrennen, Hund „Rex“)

Zeile 3: Schulische Laufbahn (nicht immer reibungslos – Verweise, Ehrenrunde)

Zeile 5: Sportliche Laufbahn (Fußball), lange ohne Berufswunsch

Zeile 7: Ausbildung zum Industriemechaniker, eigenes Auto (stolz)

Das System ist damit klar, oder? Auch hier gilt es – wie schon beim Schmierzettel –, Stichworte zu notieren. Der wichtigste Aspekt ist dabei, dass Sie selbst bei diesen Stichworten stets ein Bild oder einen dazu passenden Text vor Augen haben, der sich praktisch wie von selbst spricht.

Tipp
Bitte achten Sie auch darauf, dass zwischen den einzelnen Zeilen jeweils mindestens eine Zeile Abstand ist, denn so ist das Risiko, in der Zeile zu „verrutschen” und damit womöglich einen logischen Anschluss zu verpassen, wesentlich geringer.

Der Text für diesen ersten Teil der karteikartengestützten (was für ein Wort) Rede könnte folgendermaßen lauten:

Begrüßung – siehe Karte 1.

„Ich wurde als Trauzeuge gebeten, ein paar passende Worte zu diesem Ereignis zu sagen und natürlich mache ich das gerne, obwohl ich wirklich kein geübter Redner bin. Sollte ich mich also versprechen oder den Faden zwischendurch ein wenig verlieren, so hoffe ich auf Nachsicht.

Wenn wir heute Edith und Franz als Hochzeitspaar betrachten, lohnt sich sicherlich auch ein kleiner Rückblick in die Jugend der beiden. Ediths Kindheit darf man wohl als glücklich bezeichnen, auch wenn es mit ihren beiden Schwestern Silke und Iris nicht selten kleinere und größere Auseinandersetzungen gab. Immerhin wirkten sich diese kleinen häuslichen Konflikte niemals auf die Schule aus, denn da gehörte Edith – laut Aussage ihrer Eltern – immer zu den Besten, ohne jemals eine Streberin zu sein. Schon mit 15 Jahren wusste sie, dass sie Ärztin werden will. Erstens weil sie gerne anderen hilft, zweitens weil auch der Papa Mediziner war und drittens weil man dann ein ordentliches Einkommen hat. Auf dem glatten Gesellschaftsparkett bewegte sich Edith schon frühzeitig recht gewandt, konnte sie doch über Erfolge beim Reiten und im Tennis erste Erfahrungen mit öffentlichen Auftritten sammeln.

Solche Erfahrungen kann Franz zwar kaum aufweisen, denn als leidenschaftlicher Seifenkistenrennfahrer lernt man nicht unbedingt Gesellschaftstänze, sondern eher den Umgang mit Schraubenzieher und Schmieröl. Zusammen mit Promenadenmischung Rex bildete Franz in seiner Kindheit ein ob seiner unberechenbaren Wildheit gefürchtetes Duo, auch wenn es nur ein Gerücht ist, dass die Lehrer sein mangelndes Interesse an schulischen Dingen nur aus Angst vor diesem großen Hund nicht härter bestraften.

Erfolgreicher als in der Schule war Franz in jenen Jahren auf dem Fußballplatz …“

Wie Sie sicherlich bemerkt haben, unterscheidet sich das Karteikartensystem nicht sonderlich von dem des Schmierzettels. Der Redner hangelt sich von Karte zu Karte und füllt die Zwischenräume mittels seiner eigenen rhetorischen Kreativität. Die Nachteile sind klar: Es können jederzeit „Lücken“ entstehen – also Momente, in denen dem Redner partout nicht einfallen will, was er zwischen dem Hund Rex und dem Fußball eigentlich sagen wollte. Auch besteht natürlich die Gefahr von Wiederholungen, denn wenn Sie selbst viele Übergänge spontan gestalten müssen, kommt es oft zu ständig gleichen Satzanfängen. „Aber“, „Und“, „Doch“ oder „Wie gesagt“ sind solche Floskelfallen, die auf den Zuhörer nach kurzer Zeit gleichermaßen irritierend wie ermüdend wirken können.

Das Karteikartensystem hat aber natürlich auch Vorteile. Zum einen obliegt es ganz allein Ihnen, wie viel Sie tatsächlich auf den Karten notieren. Das Beispiel, das Sie soeben gelesen haben, beinhaltete lediglich Stichworte, doch zumindest theoretisch spricht nichts dagegen, dass Sie sich ganze Sätze, ganze Überleitungen oder auch wichtige Pointen wörtlich niederschreiben. In einem solchen Fall brauchen Sie lediglich etliche Karten mehr, was wiederum die Gefahr mit sich bringt, diese durcheinanderzubringen. Aber das lässt sich zweifellos meistern.

Tipp
Die ganze Rede auf Karten zu notieren ist falsch. Wenn dies ein Redner tut, gerät er meistens ins Leiern, da er bei jedem Kartenwechsel eine Atempause macht, diese sehr regelmäßig geraten können und somit eine monotone Wellenbewegung ins Sprechen Einzug hält.

Der wichtigste Vorteil des Karteikartensystems liegt allerdings im motorischen Bereich. Wir kommen im nächsten Kapitel noch einmal ausführlich auf die Körpersprache des Redners zu sprechen, aber schon an dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass es vor allem für den ungeübten Sprecher extrem schwierig ist, richtig zu stehen und nicht „linkisch“ zu wirken. Beim Versuch, möglichst lässig zu erscheinen, sehen die meisten Menschen nämlich extrem verkrampft aus, und sehr viele haben das Problem: „Wohin mit meinen Händen?“ Genau dafür sind Karteikarten ideal. Sie halten den Stoß zu Beginn in einer Hand und mit der anderen Hand müssen Sie während der Ansprache immer wieder blättern. Das ist notwendig und wirkt schon deshalb vollständig natürlich und sogar professionell. Trotzdem: Üben Sie den Umgang mit Karteikarten ruhig ein paar Mal vor dem Spiegel. Schaden kann’s nicht.

Fazit
Karteikarten sind zwar nicht jedermanns Sache, aber vor allem für diejenigen, die zwar viel vor Publikum sprechen müssen, dies aber eigentlich gar nicht gerne tun, ideal. Die Karten beugen Verkrampfungen vor und führen einigermaßen sicher durch den Text.

Das Manuskript

Ein komplettes Redemanuskript? Mit der vollständigen Ansprache, gut lesbar, am Computer geschrieben und womöglich von einem Farblaserdrucker ausgedruckt? Das muss für jeden Redner doch ideal sein, oder?

Antworten wir wie Radio Eriwan: „Im Prinzip schon, aber …“ Denn auch das Manuskript hat etliche Tücken, auf die nachher noch näher eingegangen werden soll. Zunächst jedoch wollen wir beleuchten, für welche Fälle ein Manuskript angebracht ist und wie es aussehen sollte.

Ein komplettes Redemanuskript verwenden Sie dann, wenn Sie viel Zeit für die Vorbereitung haben. Dabei geht es nicht nur darum, dass der Text schließlich getippt werden muss, sondern auch um die notwendigen Korrekturen und Überarbeitungen und das Probelesen vor dem Spiegel. Denn – und das ist bereits ein Nachteil des Manuskriptes – wenn die Zuhörer merken, dass Sie die komplette Ansprache vor sich liegen haben und ablesen können, werden Versprecher wesentlich weniger toleriert. Denken Sie daran: Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf.

Ein Redemanuskript bedarf also einer gründlichen Vorbereitung. Angebracht ist es vor allem dann, wenn diese Rede für Ihre berufliche oder persönliche Zukunft wichtig ist oder eine immense Bedeutung für jemanden hat, über oder für den Sie sprechen. Dann nämlich sollten Ihnen wirklich keine Patzer unterlaufen, weder dass Sie etwas falsch betonen noch dass Sie sich verhaspeln oder gar etwas vergessen. Viele Zahlen im Verlauf einer Rede, eine Aneinanderreihung wichtiger Fakten, eine Beweisführung, Würdigung verdienter Personen, wichtige Ehrungen oder auch Rückschauen auf Leben und Wirken bedeutender Personen – derartige Anlässe schreien geradezu nach einem ordentlichen Manuskript.

Der Beginn eines Manuskripts birgt keine Überraschung, sondern die Anrede und Begrüßung. Im Gegensatz zum Schmierzettel und den Karteikarten geht es jedoch nun mit vollständigen, ausformulierten Sätzen weiter – Halbsätze, Pfeile oder geklammerte Querverweise sind tabu, weil Sie irritieren könnten und damit lediglich für unnötige Unterbrechungen des Redeflusses sorgen.

Wenn Sie schon ein Manuskript verfassen, sollten Sie auch alle Möglichkeiten nutzen, die Sie dabei haben. Das bedeutet: Unterstreichen Sie Worte, die Sie betonen möchten, oder markieren Sie diese farbig. Wenn Sie Sprechpausen einlegen wollen, können Sie auch diese einzeichnen – beispielsweise mit dem folgenden Zeichen: (…). Noch leichter wird es, wenn Sie sich kursiv und fett ein PAUSE an die entsprechende Textstelle setzen. Derartige Regieanweisungen sind Standard bei professionellen Redenschreibern – mit ein bisschen Übung werden Sie die entsprechenden Einschübe für sich persönlich auch herausfinden. Deshalb an dieser Stelle nur ein paar kurze Beispiele:

Drei-Sekunden-Pause

Blick in die Runde

Handbewegung zu Franz

Lauter

Beschwichtigende Geste

Atempause

Wichtig ist auch, dass Sie große Buchstaben verwenden und dass zwischen den Zeilen genügend Abstand ist. In den Zeilen zu verrutschen und dann panisch nach dem tatsächlichen Anschluss suchen zu müssen, ist nämlich ein echter Albtraum. Bei einem Standard Word-Programm ist die Schriftgröße 16 angebracht und der doppelte Zeilenabstand. Auch hierfür das obligatorische Beispiel, anhand dessen Sie gleich überprüfen können, ob dies für Ihre Sehstärke angebracht ist. Legen Sie das Buch vor sich auf den Tisch, stehen Sie auf und lesen Sie dann die folgenden Zeilen:

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine große Ehre und eine

tief empfundene Freude, Sie

anlässlich unserer heutigen

Präsentation zu begrüßen.

Wenn Sie diese Zeilen gut lesen konnten, stimmt die Größe für Sie – wenn nicht, spricht nichts dagegen, eine noch größere Schrift zu verwenden.

Die Vorteile eines kompletten Manuskriptes sind offensichtlich: Sie halten eine Rede, deren Verlauf Sie zuvor genau festgelegt haben. Sie können rhetorisch auf ein Ziel hinsteuern, ohne Angst haben zu müssen, sich zwischenzeitlich zu „verirren“. Sie haben – bei gründlicher Vorbereitung – unnötige Wortwiederholungen und das Herunterbeten der immer gleichen Floskeln vermieden und haben die absolute Kontrolle über die Länge Ihrer Ansprache – vorausgesetzt, Sie haben zu Hause laut geprobt und behalten Ihren dort eingeübten Sprechrhythmus einigermaßen bei.

Tipp
Begnügen Sie sich beim Einstudieren Ihrer Ansprache nicht mit dem Spiegel als Kritiker. Denn das Schreiben eines längeren Textes birgt auch das Risiko, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Im Klartext: Ein Satz, der Ihnen beim Schreiben und anschließend auch beim Durchlesen völlig klar und logisch erscheint, könnte andere verständnislos zurücklassen oder überfordern. Deshalb: Ehefrau oder Ehemann, Partnerin oder Partner oder zur Not auch die beste Freundin oder der alte Kumpel – irgendein „Opfer” findet sich schon.

Allerdings hat ein vollständiges Redemanuskript auch durchaus seine Nachteile. Vor allem ungeübte Redner nämlich geraten sehr leicht in die Versuchung, einfach stur auf die Blätter zu starren und die Ansprache Wort für Wort vorzulesen. Doch „lesen“ ist nicht gefragt – damit eine Rede wirkt, muss sie „gesprochen“ werden. Sie braucht Atem- und Sinnpausen, Augenblicke der Betonung, dramatische Momente, humorvolle Ausflüge. All dies sollte durch Ton, Mimik und Gestik des Sprechenden erreicht werden – einem „Vorleser“ bleibt dies versagt. Die vormals bereits erwähnten Regieanweisungen können helfen – vorausgesetzt, man kann mit ihnen umgehen. Ansonsten empfiehlt sich für ein Redemanuskript: Üben, üben und nochmals üben – Tempo, Sprechrhythmus und Betonungen werden nur durch häufige Wiederholungen perfektioniert.

Fazit
Das Manuskript ist eine aufwändige und übungsintensive Angelegenheit – kann aber sowohl für den Profi als auch für den laienhaften Redner ungeheuer nützlich sein. Auch hier gilt es, nach dem jeweiligen Anlass abzuwägen.

Spieglein, Spieglein …: Das Training der richtigen Körperhaltung

Stimme, Artikulation und Betonungen sind Dinge, die unmittelbar mit dem wichtigsten „Mittel“ des Redners zusammenhängen – mit der Sprache. Um aber dem Vortrag zu einem guten Gesamteindruck zu verhelfen, sollten wir unser Augenmerk auch auf die Körperhaltung richten.

An dieser Stelle möchte ich an unsere mehr oder weniger entfernten Artverwandten, die Affen, erinnern. Wenn ein Gorilla wütend ist, stellt er sich auf und trommelt eventuell sogar mit den Fäusten auf seiner gewaltigen Brust herum. Wieso tut er das? Nun, er will mit dieser aggressiven Haltung den Eindruck von Macht und Stärke vermitteln und seinem Gegenüber drohen: „Komm her, du Wurm – ich bin stärker als du und hab keine Angst vor dir“. So oder so ähnlich können wir diese „tierische“ Geste deuten.

So sehr unterscheiden wir Menschen uns gar nicht vom Gorilla. Auch wir demonstrieren mit unserer Körperhaltung unsere Emotionen – auch wenn wir uns dessen zumeist gar nicht mehr bewusst sind. Bestenfalls althergebrachte Redewendungen wie „den Kopf hängen lassen“, „den Kopf einziehen“ oder „Brust raus – Bauch rein“ erinnern uns noch daran. Tatsache ist jedoch: Auch wenn wir mit unserem Körper Signale aussenden, derer wir uns selbst gar nicht mehr bewusst sind, haben diese Signale eine kommunikative Wirkung. Das bedeutet, dass unser Gegenüber diese Körpersprache zwar ebenfalls meist nicht intellektuell registriert, dass er sein Verhalten und seine Reaktionen jedoch zu einem Gutteil davon abhängig macht. Sehr deutlich wird uns dies, wenn wir erschreckt werden. Wir biegen um eine Ecke, rechnen mit keinerlei Störung und plötzlich macht irgendein Scherzkeks, den wir vorher nicht gesehen haben, ganz laut „Buuh“. Instinktiv verkrampft sich unser Körper, wir ziehen den Kopf zwischen die Schultern und zucken zusammen – ein klares Signal für „Angst durch Schock“. Der Witzbold hat damit sein Ziel erreicht und lacht uns aus. Wir sind der Verlierer in diesem Augenblick und können nur darauf hoffen, es ihm irgendwann einmal heimzahlen zu können.

Nun stellen wir uns vor, wir müssten eine Rede vor Publikum halten (darum geht es schließlich in diesem Buch). Wodurch, durch welche körperlichen Signale, könnten wir zum Verlierer werden? Womit zeigen wir Unsicherheit, Schwäche, Nervosität, Machtlosigkeit?

All dies sind Signale, die unserem Gegenüber – in diesem Fall dem Publikum – eindeutig zu verstehen geben: „Eigentlich will ich hier nicht stehen (sitzen), fühle mich dem nicht gewachsen, habe Angst und bin nervös.“ Nun gibt es natürlich Zuhörer, die Ihnen durch Höflichkeit die Angst nehmen, und Sie können sich im Laufe Ihrer Rede spürbar entspannen und an Selbstsicherheit gewinnen. Die Regel ist dies jedoch nicht. Normalerweise nämlich ist der Redner in einer derart exponierten Stellung, dass er automatisch als eine Art „Beutetier“ gilt. Schließlich präsentiert er sich quasi auf dem Silbertablett – wenn er dann keine Stärke zeigt, ist er für den als Raubtier geborenen Mitmenschen praktisch ein „Opfer“. Mitleid zu erwarten wäre also ein Fehler – versuchen Sie stattdessen lieber, Stärke und Macht zu demonstrieren. Dass dies in erster Linie eine Täuschung des Publikums darstellt, spielt dabei keine Rolle. Der Mensch hat einen Großteil seiner Instinkte verloren – Sie können sich relativ sicher sein, dass keines der „Raubtiere“ noch in der Lage ist, Ihren eventuellen Angstschweiß zu erschnuppern. Beherzigen Sie also die folgenden Tipps – und zwar von dem Moment an, in dem man Sie als Redner auserkoren hat oder Sie sich selbst zu einer Ansprache entschlossen haben:

Wahrscheinlich ist es ganz unmöglich, sich alle diese Ratschläge im entscheidenden Moment ins Gedächtnis zu rufen. Deswegen sollten Sie sich diese Liste jetzt einmal zur Hand nehmen und sich selbst im Spiegel überprüfen. Wählen Sie die Haltung, die Ihnen so bequem wie möglich erscheint, und beachten Sie dabei, dass es auf „Natürlichkeit“ nicht in erster Linie ankommt. Wenn Sie im „normalen“ Leben dazu neigen, eher ein wenig krumm zu gehen, so wird Ihnen eine gerade Körperhaltung vielleicht im ersten Moment lächerlich vorkommen. Das Publikum jedoch merkt davon nichts – wenn Sie nur einigermaßen entspannt wirken, wird es diese „Demonstration gelassener Stärke“ anstandslos akzeptieren.

Die richtige Atmung: Keuchen streng verboten

Bevor wir uns mit der richtigen Atmung beschäftigen, seien Ihnen noch einige grundsätzliche Gesichtspunkte ans Herz gelegt. Unsere Stimme ist ein Instrument – ein Instrument, dessen Grundstrukturen wir zwar beherrschen, das wir in den meisten Fällen jedoch noch längst nicht ausgereizt haben. Oder würden Sie sagen, dass der Pianist, der „Alle meine Entchen“ spielen kann, schon als Klaviervirtuose bezeichnet werden darf? Mit einer angenehmen Stimme und einem lebendigen Vortrag verleihen wir den Inhalten unserer Sätze Überzeugungskraft.

Die Voraussetzung für das „richtige“ Sprechen ist in erster Linie die „richtige“ Atmung. Dabei sollten Sie stets berücksichtigen, dass der Zuhörer einer Rede sich unbewusst und automatisch auf die Atmung des Sprechers konzentriert und sich im Verlauf einer Ansprache sogar darauf einstellt. Die so genannte „Langatmigkeit“ kann also zur Folge haben, dass der Zuhörer rascher ermüdet und in seiner Aufmerksamkeit spürbar nachlässt. Im entgegengesetzten Fall – wenn der Redner also „hektisch nach Luft schnappt“ – wird auch der Zuhörer automatisch in einen schnelleren Atemrhythmus verfallen, der ebenfalls dazu angetan ist, die Konzentration auf das Gesagte zu vermindern und müde zu machen. Deswegen sollten Sie sich die folgenden drei Kriterien zum Thema „Atmung“ möglichst verinnerlichen: Erstens: Atmen Sie schnell, aber nicht hektisch. Zweitens: Atmen Sie möglichst geräuschlos und drittens: Atmen Sie möglichst mühelos.

Zugegeben – das klingt leichter, als es ist, aber mit den beiden folgenden Übungen können Sie sich selbst überprüfen und anschließend auch spürbare Verbesserungen erreichen.

Übung 1: Die Zählübung

Zählen Sie laut und deutlich von eins bis 25. Achten Sie dabei darauf, dass Sie die Zahlen zwischen zwölf und 25 deutlich aussprechen. Sie sollen nicht wie „vierz’n“ klingen, sondern wirklich wie „vierZ E H N“, und die Zahl 23 sollte sich nicht wie „drei’nzwanzich“, sondern wirklich wie „DreiUNDzwanziG“ anhören. Wiederholen Sie dies mehrmals und gewöhnen Sie sich an diese Art der Aussprache. Anfangs mag sie Ihnen als übertrieben deutlich erscheinen – ab der dritten, vierten Wiederholung kommt sie Ihnen schon wesentlich natürlicher vor.

Nun ergänzen Sie diese Übung, indem Sie darauf achten, wie oft Sie beim Zählen Luft geholt haben. Ich würde schätzen, dass Sie irgendwo zwischen den Zahlen 13 und 18 eingeatmet haben und dies auch deutlich hörbar. Wenn Sie sehr schnell gesprochen haben (waren Sie trotzdem deutlich?), sind Sie vielleicht auch ganz ohne „Zwischenatmen“ bis zur 25 gekommen. Anschließend jedoch waren Sie wahrscheinlich ein bisschen außer Puste. Diese Art der Atmung erfüllt jedoch nicht unsere Kriterien: mühelos, schnell und möglichst geräuschlos.

Versuchen Sie es nun auf die folgende Art: Ergänzen Sie Ihre Luft zunächst nach jeder einzelnen Zahl. Sie werden feststellen, dass Sie natürlich nicht allzu viel einatmen können, weil Sie ja bereits über einen gewissen Luftvorrat verfügen. Außerdem müssen Sie für dieses Einatmen nach jeder Zahl eine kleine Pause machen. Eins (Atmen), zwei (atmen), drei (atmen) und so weiter. Allerdings werden Sie auch feststellen, dass Sie auf diese Weise bis zum St. Nimmerleinstag zählen können, ohne jemals „geräuschvoll“ atmen zu müssen.

Zum Abschluss dieser Übung schreiben Sie sich einige Sätze auf ein Blatt Papier. Achten Sie darauf, dass Sie zunächst zwei kurze Sätze und dann einen langen Satz (mit Nebensatz) zu Papier bringen. Insgesamt sollten Sie rund sechs bis neun Sätze aufgeschrieben haben. Nun lesen Sie diese Sätze und versuchen sich an der Methode der „geräuscharmen Zwischenatmung“. Sie werden feststellen, dass das „Zahlenmodell“ natürlich nicht auf Worte übertragbar ist. Würden Sie nach jedem Wort einatmen, hätten Sie viel zu viele Pausen im Text, und Sie würden nach einer Weile in einen geradezu monotonen Rhythmus verfallen. Allerdings bieten Sätze immer wieder „natürliche“ Pausen, in denen Sie atmen können und sollen. Dafür bieten sich Kommas ebenso an wie die so genannten „wichtigen“ Worte. Ein Beispiel: „Wie wir alle wissen (atmen), hat Joschi (atmen), unser Geburtstagskind (atmen), viele gute Freunde (atmen). Schön, dass alle gekommen sind (atmen). Das ist aber auch kein Wunder (atmen), denn schließlich sind Joschis Parties die besten überhaupt (atmen).“ Wenn Sie diesen Satz mehrmals sprechen und sich an die vorgegebenen Atempausen halten, werden Sie mehrere Dinge feststellen. 1) Sie verfallen in einen Rhythmus, der Ihnen zunächst unnatürlich erscheint und machen automatische Pausen. 2) Das Ausatmen geschieht relativ natürlich beim Sprechen. 3) Sie klingen ein wenig pastoral.

Während Punkt 2 natürlich erfreulich ist, darf ich Ihnen zu Punkt 1 versichern: Wenn Sie sich daran gewöhnt haben, wird Ihnen dieser Sprechrhythmus Ruhe und Gelassenheit verleihen und auf Ihre Zuhörer sogar sehr natürlich wirken. Zum dritten Punkt ist anzumerken, dass Sie durch diese Art des Atmens über kurz oder lang auch die Möglichkeit bekommen, Ihre Betonungen nach eigenem Gusto zu verändern, sodass der „pastorale Klang“ nur eine vorübergehende Erscheinung sein wird. Probieren Sie es eine Weile und experimentieren Sie ein bisschen mit der Betonung und mit der Stimmlage. Merken Sie sich: Das richtige Atmen verleiht die Sicherheit zu Experimenten mit der Stimme.

Übung 2: Das geräuschlose Einatmen

Um das geräuschlose Einatmen zu üben, suchen Sie sich jetzt bitte eine Kerze aus dem Schrank. Zünden Sie den Docht an und halten die Kerze jetzt etwa fünf bis zehn Zentimeter vor Ihren Mund. (Bitte nicht zu dicht – könnte ein bisschen heiß werden). Formen Sie nun mit Ihren Lippen ein lang gezogenes „ooo“, das deutlich zu hören sein muss. Dabei darf sich die Flamme möglichst nicht bewegen. Diese Übung verschafft Ihnen einen Eindruck davon, wie Sie durch den gezielten Einsatz Ihres Zwerchfells einen klaren Ton mit möglichst geringem Atemaufwand erzeugen können. Sie werden feststellen, dass die Flamme der Kerze nur dann nicht flackert, wenn Sie nur wenig Luft ausatmen und dabei sehr kontrolliert vorgehen. Zur Überprüfung legen Sie sich eine Hand locker auf die Bauchdecke und spüren Sie Ihr Zwerchfell. Wenn es sich beim Ausatmen ruck- oder krampfartig bewegt, haben Sie zu hastig oder zu viel eingeatmet und müssen diesen „Luftüberschuss“ nun beim Ausatmen dringend loswerden. Im Klartext: Die Kerze flackert, weil Ihr Atmen „zu laut“ war.

Die Stimme als Verbündeter: Anleihen an den Ex-Kanzler

Neben Übungen zur richtigen Atmung empfiehlt es sich natürlich auch, die Stimme ein wenig zu schulen. Wir gehen dabei davon aus, dass Sie möglichst überzeugend wirken wollen und haben Ihnen dazu ebenfalls zwei Trainingsmethoden anzubieten.

Übung: Die mittlere Stimmlage

Um beim Sprechen überzeugend zu wirken, sollte die Stimme weder unangemessen hoch klingen (eine „Quietschstimme“ ist häufig die Folge von Nervosität) noch unnatürlich tief. Allerdings wirkt eine vergleichsweise tiefe Stimmlage zumeist vertrauenerweckender und angenehmer.

Zumindest zu Beginn Ihrer Rede wäre die so genannte „Indifferenzlage“ ideal. Diese mittlere Sprechstimmlage ist irgendwo im mittleren Drittel Ihres persönlichen Stimmumfangs angesiedelt und kann wunderbar durch eine einfache Übung „abrufbar“ trainiert werden.

Dazu stellen Sie sich entspannt hin und lassen den Unterkiefer einfach nach unten hängen. (Natürlich sieht das nicht sehr intelligent aus, aber Sie müssen das ja auch nicht in aller Öffentlichkeit tun.) Die Zunge liegt dabei entspannt möglichst weit vorne im Unterkiefer und berührt fast die untere Zahnreihe. Schließen Sie nun die Augen und versuchen bei ganz geringem Luftdruck einen Ton auszustoßen, der irgendwo zwischen einem langen „Aaaaa“ und „Ooooo“ angesiedelt ist. Sie werden nach etwa zehn Sekunden merken, dass dieser Ton klarer wird und sich in einer bestimmten Höhe einpendelt. Damit haben Sie die Indifferenzlage gefunden. Übrigens: Je häufiger Sie diese Übung machen, desto „vertrauter“ wird Ihnen die erzeugte Stimmlage. Das heißt, Sie werden sie nach einer Weile jederzeit auf Kommando „abrufen“ können.

Im Übrigen kennen Sie diese Stimmlage wahrscheinlich ohnehin, denn die meisten Menschen wählen sie in bestimmten Situationen ganz instinktiv. Aufgeregte Kinder oder bellende Hunde werden durch diese Sprechweise beruhigt. Stellen Sie sich doch einfach die folgende Situation vor: Ein Kind ist auf der Straße hingefallen, hat sich das Knie aufgeschürft und weint sehr heftig. Sie trösten das Kind mit dem schlichten Satz: „Das wird schon wieder gut“. Wenn Sie nicht „zu dick auftragen“, dürfte dieser Tonfall genau der richtige sein, um die Indifferenzlage aufzuspüren. (Achtung: Achten Sie darauf, dass Sie den Satz deutlich aussprechen – gegenüber Kindern verfällt man nämlich leicht in eine Art beruhigendes Nuscheln.)

Übung: Brummen und kauen

Die folgende Übung wird Ihnen noch etwas seltsamer vorkommen, doch auch hier sei uns der Hinweis gestattet, dass Sie zur Durchführung wahrscheinlich am besten Ihre absolute Privatsphäre heranziehen.

Stellen Sie sich ganz fest vor, Ihr absolutes Leib- und Magengericht auf der Zunge zu spüren. Jetzt brummen Sie mit dem Ausdruck tiefster, genießerischer Zufriedenheit ein langes „Hmmmmmmh“ und beginnen anschließend mit weit ausholenden und deutlich sichtbaren Bewegungen Ihres Kiefers diese imaginäre Speise zu kauen. Machen Sie dies einige Sekunden lang und geben Sie dabei die ganze Zeit den „Hmmmmmh-Laut“ von sich. Sie werden merken, dass Ihre Stimme im Lauf einiger Tage und Wochen voller und resonanzreicher wird. Dafür genügt schon eine Übungsdauer von 60 Sekunden pro Tag.

Aussprache und Betonung: Dialekt ist durchaus möglich

Wir können alles außer Hochdeutsch – so wirbt das Bundesland Baden-Württemberg ehrlich und charmant für sich. Und wie sieht es mit Ihnen aus? Können Sie Hochdeutsch? Und müssen Sie in Ihrer Rede Hochdeutsch sprechen? Und was sollten Sie sonst bei den Themen Aussprache und Betonung beachten? All dies erfahren Sie hier.

Mit der richtigen Betonung Wichtiges hervorheben

Schon so manche gut gemeinte Rede ist gründlich missverstanden worden, weil der Redner im falschen Moment das falsche Wort betont hat. Dazu ein simples Beispiel. Betonen Sie bei den folgenden Sätzen jeweils das kursiv gedruckte Wort:

Im Prinzip ist dies ein und derselbe Satz, doch hat er zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen. Wenn das „Du“ betont wird, wundert sich der Ausrufer darüber, dass ausgerechnet der Angesprochene es wagt, Fragen zu stellen – wenn das Wort „Fragen“ betont wird, überrascht es den Sprecher, welcher Art diese Fragen sind.

Ein weiteres Beispiel:

In der ersten Variante – die Betonung liegt auf dem „Ich“ –, will der Sprecher offensichtlich einen gewissen Überdruss zum Ausdruck bringen, bei der Betonung auf „genug“ dominiert eher eine gewisse Zufriedenheit. Noch deutlicher wird es, wenn Sie bei der ersten Variante das Wort „wahrlich“ nach „habe“ einflicken und bei der zweiten stattdessen das Wort „wirklich“.

Derart falsche Betonungen passieren sehr häufig, wenn Redner einen vorgeschriebenen Text ablesen. Bei spontanen Reden ist dies eher selten, auch wenn es ab und an mal vorkommen mag. In keinem Fall ist es jedoch ein Fehler, ein gewisses Augenmerk auf die Betonung zu richten. Was gilt es zunächst zu beachten?

Damit kennen Sie nun schon die wichtigsten Methoden, wie sich wichtige Inhalte durch die richtige Betonung „kennzeichnen“ lassen. Doch damit wollen wir Sie nicht im Regen stehen lassen, sondern Ihnen noch eine kleine Übung mit auf den Weg geben. Stellen Sie sich bitte die folgende Situation vor: Nach einem Fußballmatch wird ein Spieler interviewt. Er antwortet auf eine bestimmte Frage mit dem Satz: „Damit hätten wir gewonnen.“ Versuchen Sie diesen Satz nun als Antwort auf folgende Fragen zu formulieren:

  1. Was wäre gewesen, wenn Sie den Elfer verwandelt hätten?
  2. Was passiert, wenn der Gegner tatsächlich einen ausländischen Spieler zu viel auf dem Platz hatte?
  3. Was wäre gewesen, wenn Sie ein Tor mehr geschossen hätten?

Dazu ein Tipp: Betonen Sie jeweils ein anderes der vier Worte des Satzes, und Sie werden überrascht sein, wie viele unterschiedliche Antworten diese kurze Aussage liefern kann.

Mit sauberer Aussprache glänzen

Redner dürfen nicht nuscheln. Dies ist eines der wenigen rhetorischen Gebote, das sich im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte nicht verändert hat. Die sinnigste Rede mit den interessantesten Inhalten verpufft wirkungslos, wenn sie von niemandem verstanden wird. Nun ist es jedoch leider so, dass die wenigsten Menschen zu einer deutlichen Aussprache neigen. Im Gegenteil: Eine leicht verwaschene oder vernuschelte Sprechweise gilt bei Jugendlichen häufig sogar als cool und wirkt demzufolge regelrecht gepflegt. Mit dieser Gewohnheit ausgerechnet in einem wichtigen Moment zu brechen, kann dann auch für Erwachsene sehr schwierig sein.

Gewöhnen Sie sich deshalb rechtzeitig an, jederzeit auf deutliche Artikulation umsteigen zu können. Dabei spielt natürlich Ihr Sprechtempo eine Rolle. Es gilt die Faustregel: Je schneller Sie sprechen, desto schwieriger ist es, deutlich zu bleiben. Mit den Atemübungen im vorigen Kapitel haben Sie schon einen ersten Eindruck vom richtigen Tempo gewonnen, und wenn Sie dann noch bedenken, dass eine gelungene Rede von Tempiänderungen, von Pausen und den richtigen Betonungen lebt, müssen Sie sich diesbezüglich keine allzu großen Sorgen mehr machen. Dennoch kann es keinesfalls schaden, die Deutlichkeit Ihrer Aussprache regelmäßig zu trainieren.

Wie vormals (bei den Atemübungen) schon erwähnt, ist es richtig und wichtig, die Silben eines Wortes jeweils auszusprechen. Da wird „kannste ma mal den Hamma borg’n“ zum Satz „Kannst du mir mal den Hammer borgen“, das Wort „nich“ wird zu „nichT“ und der Begriff „leidn’des Führungsbersonal“ wird in „leiTendes FührungsPersonal“ transformiert. Wenn Sie daran denken, Silben (vor allem Endsilben und harte Konsonanten) nicht mehr zu verwischen, ist bereits viel gewonnen. Zur Überprüfung möchte ich Ihnen ebenfalls wieder zwei einfache Testübungen anbieten.

Bei der ersten Übung beißen Sie mit Ihren Schneidezähnen möglichst fest in das dicke Ende eines Sektflaschenkorkens und lesen dann laut und möglichst deutlich irgendeinen Text. Sie werden feststellen, dass sich Zischlaute wie „s“, „x“ und „z“ kaum deutlich aussprechen lassen, doch alle anderen Vokale und Konsonanten müssten Sie eigentlich hinbekommen. Die Konzentration darauf fördert nicht nur die deutliche Aussprache, sondern bringt Ihnen auch ein Gefühl für das richtige Sprachtempo. Sehr hilfreich wäre es, wenn Sie zur Überprüfung Ihrer Bemühungen einen Kassettenrecorder mit eingebautem Mikrofon parat stehen hätten.

Einen Kassettenrecorder oder ein Tonbandgerät benötigen Sie auch für die folgende Übung: Stellen Sie dieses Aufnahmegerät in einem Abstand von drei bis vier Metern vor Ihnen auf und flüstern Sie dann den abgelesenen Übungstext. Achtung: Nicht schummeln! Sie müssen wirklich „tonlos“ flüstern, um einen deutlichen Eindruck von Ihrer Artikulation zu bekommen. Überprüfen Sie dann die Aussprache und Sie werden sehr schnell die Worte herausfiltern können, bei denen Sie aus Gewohnheit oder Unachtsamkeit „schlampig“ artikuliert haben.

Zum Dialekt muss man stehen

Nach wie vor gibt es höchst unterschiedliche Betrachtungsweisen zum Thema „Mundart in der Rhetorik“. Die graue Theorie jedoch soll uns jetzt nicht beschäftigen. Wir wenden uns lieber der Praxis zu und in dieser steht nun einmal fest, dass man den allermeisten Menschen ihre Herkunft durchaus „anhört“. Einen in Sachsen aufgewachsenen Menschen werden Sie wahrscheinlich immer erkennen, aber auch die Franken, Schwaben oder Sauerländer haben extreme Probleme, ihre Mundart gänzlich zu unterdrücken. Deshalb unser Ratschlag: Versuchen Sie’s gar nicht erst. Natürlich wäre es in manchen Situationen schön, reines Hochdeutsch sprechen zu können (vor allem bei hochoffiziellen Anlässen), aber bedenken Sie bitte auch, dass das zuweilen furchtbar unnatürlich klingt. Eine Sprachfärbung wie das so genannte „schwäbisch-nasale A“ lässt sich eben nicht völlig verleugnen, und wenn Sie sich darauf beschränken, keine Silben zu verwischen und für jedermann verständlich zu bleiben, muss dies eigentlich genügen.

Ein echter Glückspilz sind Sie allerdings, wenn Sie die Möglichkeit haben, Hochdeutsch und Mundart zu „verknüpfen“. Die Einwohner der schwäbischen Stadt Ulm beispielsweise wählten Mitte der 1990er-Jahre einen Oberbürgermeister ins Amt, der diese beneidenswerte Gabe besaß: Ivo Gönner, ein rhetorisch geschulter, ehemaliger Rechtsanwalt, konnte sich zwar in fast lupenreinem Hochdeutsch artikulieren, aber vor allem bei Repräsentationsterminen streute er immer wieder kurze „Brocken“ aus seiner schwäbischen Muttersprache ein: „Ich freue mich, dieses Haus heute feierlich eröffnen zu können. Grad schee ischs gwordn (Richtig schön ist es geworden), wie man bei uns im Schwäbischen sagt.“ Mit diesem kleinen Rhetorik-Kniff feierte Gönner Triumphe als volkstümlicher Patriarch, der – so jedenfalls die Intention und überwiegende Ansicht – die Bodenhaftung zur schwäbischen Heimat nie verloren hat. Ein Zitat aus einer Rede anlässlich einer Jubiläumsveranstaltung einer bayerischen Firma mit einem Kölner Betriebsleiter mag als weiteres Paradebeispiel durchgehen. Es sprach der Geschäftsführer: „Zwar weiß unser Nordlicht, Eugen Werner, noch immer nicht, wie man eine Weißwurst richtig isst, aber das wollen wir ihm nachsehen. So sans hoit, die Saupreißn – net recht gelehrig (So sind eben die Preußen – nicht sehr lernfähig).“

Eile mit Weile: Üben fürs richtige Tempo

Wenn Sie sich die grundsätzliche Frage stellen, was das wichtigste Kriterium dafür ist, dass eine Rede gut beim jeweiligen Publikum ankommt, so werden Sie binnen weniger Augenblicke unweigerlich auf die folgende Antwort stoßen: Sie muss verstanden werden. Oder – anders ausgedrückt – noch vor dem Inhalt kommen eine saubere Aussprache, die richtige Betonung und – ganz wichtig – ein angemessenes Tempo.

Wenn Sie im Fernsehen einen Kabarettisten sehen, werden Sie sich möglicherweise wundern, in welchem rasenden Tempo dieser spricht. Vieles von dem, was beispielsweise Dieter Hildebrandt in der legendären Sendung „Scheibenwischer“ so vor sich hin nuschelte, war kaum oder gar nicht zu verstehen, viele Sätze blieben unvollendet, wurden nur angerissen, manche Redewendungen erschlossen sich nur im Kontext. Doch durch die Flut der Pointen, die schnelle, zuweilen rasante Abfolge und Aufzählung von Widersinnigem, von Absurditäten oder auch bitterbösen Angriffen war das Publikum extremst gefordert, ungeheuer aufmerksam zuzuhören. Bei Hildebrandt saß man nicht zurückgelehnt im Ohrensessel und ließ sich beschallen – da hieß es stets mitdenken, um nicht auf der (Wort-)Strecke zu bleiben. Der Meister sprach also so schnell und verwaschen, dass er dadurch seine Zuhörer bei der Stange hielt – ein Widerspruch, der nur mit der Genialität eines rhetorischen Gratwanderers zu erklären ist.

Ein gewöhnlicher Redner an einem weniger exponierten Schauplatz mit weit weniger „lustigen“ Themen hat es da ungleich schwerer. Welche Pointenflut könnte bei der Amtseinführung eines Ministerialdirektors zu erwarten sein? Welche Witze lassen sich auf einer Betriebsversammlung im Stakkato verkaufen? Mit welchen atemlos aneinandergereihten Anekdoten sollten Aktionäre unterhalten werden? Nein – mit Schnelligkeit lässt sich eine „normale“ Ansprache in der Regel nicht bestreiten, im Gegenteil.

Der ehemalige CSU-Vorsitzende und politisch stets hoch umstrittene Franz-Josef Strauß war ein begnadeter Redner. Fast alle, die ihm zuhörten, waren anschließend der Meinung, FJS habe in einem geradezu atemberaubenden Tempo seine Wahrheiten Punkt für Punkt an den Mann gebracht – ein christsozialer Porschemotor sozusagen. Dieser Eindruck jedoch täuscht vollständig über die Wirklichkeit hinweg: Strauß sprach nur sehr selten schnell – immer nur dann, wenn er auf einen Höhepunkt, auf ein Fazit, auf eine Abschlusspointe hinarbeitete, also erst dann, wenn alles Wichtige zuvor schon gesagt worden war, wenn es nur noch darum ging, das Publikum noch einmal jäh von den Sitzen zu reißen. Der übrige Teil seiner Ansprachen war bezüglich des Tempos beinahe gemächlich zu nennen und abgesehen vom deutlich hörbaren bayerischen Idiom auch überaus verständlich vorgetragen.

Im Klartext: Wenn Sie verstanden werden wollen, sprechen Sie langsam. Denken Sie dabei stets daran, dass eine Rede sich niemals mit einer Unterhaltung vergleichen lässt. Wenn Sie mit Ihrer Ehefrau oder einem Kollegen sprechen, wenn Sie als Abteilungsleiterin einem Untergebenen etwas erklären, wenn Sie einen neuen Mitarbeiter einarbeiten – in all diesen typischen Dialogsituationen, die von einem steten Wechsel zwischen Frage und Antwort leben, wird naturgemäß viel schneller gesprochen, als wenn ein Einzelner vor einem Auditorium steht. Das liegt daran, dass Menschen im Gespräch nicht nur mit einer sprechenden Person beschäftigt sind, sondern deren „Output“ immer in Verbindung mit sich selbst setzen – dass also eine Aktion eine Reaktion hervorruft, auf die wiederum reagiert wird und so weiter. Ein Gespräch ist also eine Kette von Ereignissen, die in sich schlüssig ist und leicht verfolgt werden kann. Eine Rede ist das nicht. Bei einer Rede gibt es nur die Aktion – die Reaktion bleibt bis zum Schlussbeifall fast zwangsläufig aus. Eine Rede muss Aufmerksamkeit also erzeugen, kann nicht automatisch damit rechnen und muss deshalb unbedingt sehr gut verstanden werden.

Um das langsame – oder besser: das präzise – Sprechen zu üben und dieses Tempo beibehalten zu können, gibt es einen sehr simplen Trick, der sich an die vormals bereits beschriebene Zählübung anlehnt: Zählen Sie in jener Minute, bevor Sie auf das Podium steigen oder Ihren Platz hinter dem Rednerpult einnehmen, überdeutlich und laut – zumindest so, dass Sie selbst es hören können – von dreizehn bis neunzehn. Und zwar im folgenden Ductus: Drei-Zehn, Vier-Zehn, Fünf-Zehn, Sech-Zehn, Sieb-Zehn, Acht-Zehn, Neun-Zehn. Jeder einzelne Buchstabe muss verständlich sein. Dieses überdeutliche Aussprechen einer Zahl, die im normalen Gespräch eher wie „dreizen“ klingt, hört sich in Ihren Ohren zunächst seltsam an, doch spätestens nach der ersten Wiederholung dieser Zahlenreihe werden Sie dieses Sprechtempo ganz automatisch adaptieren und zumindest die ersten Sätze Ihrer Ansprache in dieser Geschwindigkeit halten können.

Bedauerlicherweise fallen viele – und vor allem schlechte – Redner nach einer Weile in ein deutlich schnelleres Tempo. Das „Warum“ lässt sich nur vermuten, doch Unsicherheit, Nervosität und vielleicht auch der unbewusste Wunsch, möglichst schnell zum Ende kommen zu können, spielen sicherlich eine wichtige Rolle. Gegen diese Tempoerhöhung auf halber Strecke hilft ebenfalls ein kleiner Trick: Machen Sie nach einem wichtigen oder auch vor einem wichtigen Satz Ihrer Ansprache eine kleine Atempause, in der Sie im Kopf das Wort „Rentabilitätsreduktion“ sagen. Zugegeben – dieser Begriff ist nicht sehr sinnvoll, aber seine Aussprache bedarf einiger Konzentration, seine deutliche Intonation benötigt genau die richtige Zeitspanne, und diese pure Länge ist für eine „Aufmerksamkeitspause“ bestens geeignet. Will heißen: Nach dem innerlichen deutlichen Aussprechen dieses Begriffs werden Sie wieder ein deutlich langsameres Sprechtempo an den Tag legen. Übrigens: Viele Menschen, die ein Wort unhörbar sagen wollen, bewegen bei der innerlichen Aussprache unwillkürlich die Lippen. Wenn Sie also die „Rentabilitätsreduktions-Pause“ einlegen, dann senken Sie am besten den Kopf. Nur zur Sicherheit.

Kampf dem Angstschweiß: Hilfen gegen Lampenfieber

„Na – haste Lampenfieber?“ Diese Frage kennen Schauspieler nur zu gut und fast alle hassen sie. Denn natürlich hat der Akteur, der in wenigen Augenblicken vor ein Publikum tritt, dieses so genannte „Lampenfieber“, natürlich fürchtet er sich vor der Blamage, und natürlich möchte er es so „gut wie möglich“ hinter sich bringen. Doch nicht nur Schauspieler – die einen mehr und die anderen weniger – leiden unter diesen Symptomen einer ganz speziellen Nervosität. Auch Menschen, die in der Öffentlichkeit „einfach nur sprechen“ müssen, spüren zuweilen ein regelrechtes körperliches Unwohlsein, das manchmal sogar in Zittern und Schweißausbrüchen mündet und dem Betroffenen das Gefühl gibt, sein Magen stülpe sich jeden Moment nach außen.

Zum Thema „Lampenfieber“ möchte ich Sie zunächst mit einigen simplen, aber wichtigen Wahrheiten vertraut machen.

Erstens: Lampenfieber ist keine Schande. Im Gegenteil: Die Nervosität vor einem Auftritt, die Angst vor der Reaktion des Publikums, die Furcht, sich selbst zum Narren zu machen – das ist eine durchaus natürliche und nachvollziehbare Reaktion des Menschen auf seine Umwelt. Je weniger man es gewohnt ist, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren, desto größer ist natürlich die Unsicherheit – je mehr „Übungsmöglichkeiten“ vorhanden sind, desto größer wird dann die Souveränität. Dass Sie das Lampenfieber nach dem zehnten, dem 20. oder dem 100. Auftritt ablegen, ist allerdings nicht gesagt. Es gibt Schauspieler, die behaupten sogar, dass das Lampenfieber für sie Triebfeder und Konzentrationshilfe bedeute. „Wenn ich nicht aufgeregt bin, bevor ich auf die Bühne gehe, dann bin ich schlecht“, lautet ein viel gehörter Satz. Lampenfieber ist also grundsätzlich nicht verkehrt – vorausgesetzt man lernt, damit umzugehen.

Zweitens: Lampenfieber hat fast jeder. Egal, wie lässig der Politiker am Redepult steht, egal, wie locker der Manager vor den Aktionären plaudert, egal, wie „cool“ der Sportler in die Fernsehkamera blickt – fast alle spüren die Angst vor den Blicken, den Mikrofonen und den elektronischen Augen. Was lässt sich daraus folgern? Nun – Sie müssen sich beim entsprechenden Anlass vor Augen halten, dass es wahrscheinlich jedem anderen an Ihrer Stelle nun genauso gehen würde wie Ihnen. Auch der andere hätte Angst vor der Blamage – auch der andere hätte zitternde Hände, Schweiß auf der Stirn und wünschte sich möglichst schnell an einen möglichst weit entfernten Ort. Wenn Sie sich das vor Augen geführt haben, sind Sie vielleicht schon in der Lage, Ihr „Schicksal“ mit einem Lächeln zu nehmen und sich – zwar nicht freudig, aber ergeben – in Ihre Situation zu fügen. Sie kennen ja das Sprichwort: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Drittens: Lampenfieber ist regulierbar. Lassen Sie sich bloß nichts vormachen: Zwar gibt es immer wieder Möchtegern-Psychologen, die Ihnen erzählen, dass das Lampenfieber und seine jeweilige Intensität alleine vom Charakter der jeweiligen Person abhängen und damit vollständig unvermeidlich und unveränderlich sind, aber das ist Unsinn. Es gibt Möglichkeiten und Techniken, um das Lampenfieber zu beherrschen, und auch wenn Sie es vielleicht nie ganz „besiegen“ können, so sind Sie doch in der Lage, den Umgang damit zu erlernen und die „natürliche Spannung“ vor einem Auftritt sogar zu Ihren Gunsten zu nutzen. Dazu eine kleine Anmerkung: Die Anspannung und die Angst, die Sie fühlen, können Ihrer Konzentration sogar sehr dienlich sein. Denken Sie – auch wenn es Ihnen im ersten Moment übertrieben erscheinen mag – an einen Menschen in Lebensgefahr: Das Adrenalin, das durch die bedrohliche Situation freigesetzt und durch den Körper gepumpt wird, kann die Kräfte der jeweiligen Person in ungeahnter Weise vergrößern und ihr damit entscheidend helfen. Bei einem öffentlichen Auftritt geht’s zwar (meistens jedenfalls) nicht um Ihr Leben – eine erhöhte Konzentrations- und Kampfbereitschaft kann aber auf keinen Fall schaden.

Eines haben wir bisher noch gar nicht erwähnt. Woher kommt eigentlich das Lampenfieber? Nun gut – eine kleine Exkursion in die Frühgeschichte des Menschen kann nicht schaden: Kaum waren unsere Vorfahren von den Bäumen gestiegen, stellten sie fest, dass ihnen das Überleben in einer feindlichen Natur nur durch den Zusammenhalt in einer Gruppe möglich war. Somit bildeten sich also Zweckgemeinschaften, Großfamilien oder Stämme, die sich häufig mit anderen derartigen Gruppen um bestimmte Territorien oder Nahrungsmittel stritten. Traf nun die eine Gruppe auf die andere, kam es nicht selten zu blutigen Auseinandersetzungen, deren Ausgang zutiefst ungewiss war. Ganz gewiss hingegen war der Verlauf des Streits, wenn ein einzelnes Individuum versehentlich einer anderen Gruppe „in die Arme lief“. Dann nämlich musste der Einzelne stets damit rechnen, einfach erschlagen zu werden – es sei denn, er erwies sich als besonders schneller Läufer oder auch als besonders geschickter Taktierer. Die erste Alternative könnte der Grundstein für die heutige Leichtathletik gewesen sein – die zweite darf als Basis für den „Redner“ gelten. Sei’s drum: Vom geschickten Einsatz der damals noch rudimentären Sprache hing also möglicherweise das Überleben des Einzelnen angesichts einer feindlichen Gruppe ab – wenn das kein Grund ist für Nervosität? Den Begriff „feindliche Gruppe“ dürfen Sie im Zusammenhang mit unserem Thema natürlich durch den Begriff „Publikum“ ersetzen – schon erhalten Sie ein einleuchtendes Bild.

Nehmen wir doch jetzt mal ausführlich die Symptome des Lampenfiebers unter die Lupe. Diese beginnen bei den vormals schon erwähnten Schweißausbrüchen, beinhalten Zittern, feuchte Hände, weiche Knie, erhöhten Blutdruck, erhöhten Puls und Atemschwierigkeiten. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle nun die biologischen Gründe für diese körperlichen Reaktionen. Eins muss genügen: Der erhöhte Blutdruck führt zu einer besseren Sauerstoffversorgung der Muskulatur, was unserem Urahnen – der womöglich um sein Leben zu kämpfen hatte – durchaus zustatten kam. Uns hingegen behindern diese Symptome entscheidend beim Versuch, vor Publikum zu sprechen. Sie stören unser körperliches Wohlbefinden und führen – im schlimmsten Fall – sogar zu einem echten „Filmriss“: Wir stehen da, starren auf das Auditorium herunter und bringen kein Wort heraus. Sogar unser Gehirn ist wie gelähmt, dreht sich immer wieder im Kreis und scheint das Sprachzentrum einfach nicht aktivieren zu wollen. Sollte es Ihnen jemals so gegangen sein, dann wissen Sie: Im günstigsten Fall haben Ihre Lippen ein langes „Äääääääääh“ ausgestoßen. Auch dafür gibt es eine medizinische Erklärung: Unser Denken funktioniert dadurch, dass in unserem Gehirn Strom durch so genannte „Synapsen“ fließt. Diese Synapsen sind eine Art „Schalter“, die die verschiedenen Teile unseres Gehirns und seine Zellen miteinander verbinden. Ein erhöhter Adrenalinausstoß jedoch verringert die Arbeitsqualität dieser Schalter ganz entscheidend und es kann kurzfristig sogar zu einer völligen Blockade des bewussten Denkens kommen. Für unsere Vorfahren mag dies ja noch ganz sinnvoll gewesen sein, denn sie verließen sich in kritischen Situationen lieber auf ihren Instinkt und ihre Reflexe – für uns ist eine derartige Gehirnblockade allerdings höchst unangenehm.

So weit also unser kleiner geschichtlicher Exkurs und die abschreckenden Beispiele des „schlimmsten Falls“. Doch mit den Symptomen des Lampenfiebers lasse ich Sie natürlich nicht allein – ich möchte Ihnen auf den folgenden Seiten vielmehr einige Möglichkeiten anbieten, wie Sie das Lampenfieber kontrollieren und peu à peu vielleicht sogar entscheidend verringern können.

Mentales Training

Auf die Frage, wie er sich auf ein Konzert vorbereite, antwortete der einstmals berühmte Operntenor Enrico Caruso mit den folgenden Worten: „Schon Stunden vor dem ersten Vorhang ist mein ganzes Denken auf der Bühne. In meinem Kopf sehe ich das Orchester, ich kann den Dirigenten erkennen und spüre den Boden unter mir vibrieren. Ich sehe auch das Publikum und ich sehe mich selbst dort oben stehen. Und stellen Sie sich vor: Ich höre mich in meinem Kopf selber singen und ärgere mich über jeden Fehler und jeden falschen Ton so, als wäre er schon wirklich passiert.“

Was Caruso da so launig beschrieb, ist nichts anderes als eine geistige Vorbereitung auf den bevorstehenden Auftritt – eine Art „mentales Training“. Radrennfahrer gehen jede Etappe schon vor dem ersten Tritt in die Pedale „vor ihrem inneren Auge“ durch, Skirennläufer wedeln den Slalomhang im Geiste mehrmals herunter, Ralleyfahrer stellen sich schon vor dem Start auf jede Kurve und jeden Straßenbelag ein. Genauso können Sie es auch halten: Versuchen Sie – am besten mit geschlossenen Augen –, sich selbst auf dem Podium vorzustellen. Denken Sie daran, mit welchen Worten Sie die Rede eröffnen wollen, stellen Sie sich sogar eventuelle Pannen oder Ungereimtheiten vor. Lassen Sie Ihr „inneres Auge“ über das Publikum schwenken. Wer sitzt wo? Wer ist Ihnen wohl gesonnen und wer nicht? Welche Zwischenrufe könnten kommen? Wie reagieren Sie darauf?

Nun mögen Sie einwenden, dass ein derartiges mentales Training vor einer „spontanen Rede“ gar nicht möglich ist, weil Ihnen dafür schlichtweg die Zeit fehlt. Stimmt nicht, denn wenn Sie eine derartige Situation rechtzeitig „trainieren“, benötigen Sie für diese Art der mentalen Vorbereitung nur einige Sekunden. Versuchen Sie, sich den folgenden Ablauf vor Ihr „geistiges Auge“ zu holen: Sie sind auf einer Geburtstagsparty, und die Gattin des Jubilars bittet Sie, seinen besten Freund, einige Worte zu sprechen. Sie willigen ein und bitten um ein paar Minuten Bedenkzeit: Der Satz „Ich möchte ja keinen Unsinn reden“ – vorgetragen mit einem netten Lächeln –, verschafft Ihnen zum einen Verständnis und zum anderen etwas Zeit, die Sie für die Einstellung auf das Folgende gut gebrauchen können.

Mentales Training sollte sich jedoch nicht nur auf die direkte Vorbereitung auf die bevorstehende Rede beschränken. Vor allem, wenn Sie in einer beruflichen Position sind, in der Sie häufiger mit Auftritten vor Publikum rechnen müssen, empfiehlt es sich, frühzeitig mit eventuellen Anforderungen umzugehen. Wenn Sie also auf einen Empfang geladen werden oder auch zu einer offiziellen Feier für einen Kollegen – dann überlegen Sie bereits im Vorfeld, welche Worte Sie im Falle einer möglichen Aufforderung zu einer kurzen Ansprache wählen würden. Selbst wenn Sie nicht „drankommen“, kann Ihnen die „Trockenübung“ auf keinen Fall schaden, zumal Sie dann auch die Möglichkeit haben, eventuelle andere Redner und ihre Wortbeiträge mit dem zu vergleichen, was Sie sich selbst zurecht gelegt hatten und daraus Ihre Schlussfolgerungen und Lehren zu ziehen.

Wichtig ist vor allem, sich bei dieser Art der Vorbereitung nicht selbst „in die Tasche zu lügen“. Wenn Sie kein geübter Redner sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie unfreiwillige Pausen einlegen müssen, weil Ihr Redefluss ins Stocken gerät. Außerdem werden Sie sich wahrscheinlich ein- oder mehrmals versprechen und möglicherweise sprechen Sie auch zu leise und müssen mit den unangenehmen Zwischenrufen „lauter, lauter“ zurechtkommen. All diese Situationen sollten Sie sich bei der mentalen Vorbereitung zumindest kurz vorstellen und sich dann für Reaktionen entscheiden, die in Ihrem „persönlichen Drehbuch“ zu einem „Happy End“ führen. Wenn Sie sich konsequent an diese Vorgehensweise halten und dabei gründlich vorgehen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es während der Rede zu gänzlich unvorhergesehenen Problemen kommt. Es sei denn, Sie geraten auf dem Weg zum Podium ins Stolpern, ihr Hosentürchen ist offen oder Sie verschütten in der Aufregung Ihr Bier über dem Dekollete der Gastgeberin. Aber von derartigen „Katastrophen“ wollen wir keinesfalls ausgehen.

Entkrampfung durch Humor

Noch einmal unsere Lieblingssituation: Sie stehen gelassen auf einer Party, klammern sich an Ihr Sektglas – da werden Sie plötzlich aufgefordert, „ein paar passende Worte“ zu sprechen. Das Gefühl, das Sie jetzt überfällt, lässt sich zuweilen mit dem Wort „Panik“ am besten umschreiben. Ihr Herz rast, der Mund wird trockener als die Sahara und Ihr Blick schweift auf der Suche nach Fluchtmöglichkeiten durch den Raum. Doch all dies wollen und sollten Sie sich auf keinen Fall anmerken lassen. Wie könnte Ihre Reaktion also aussehen, wenn eine Ablehnung der Bitte nicht infrage kommt?

Die Antwort ist verblüffend einfach: Retten Sie sich in den Humor. Vor allem Selbstironie ist ein probates Mittel, um die Situation und damit sich selbst zu entkrampfen. Die Frage „Ich? Sind Sie sicher, dass Sie mich nicht mit der Bundeskanzlerin verwechseln?“ mag sich im gelesenen Zustand zwar nicht besonders originell anhören, führt aber sicherlich dazu, dass Ihr Gegenüber einen Moment lang verblüfft und dann erheitert ist. Eine derart locker formulierte Replik verschafft Ihnen zwei Vorteile: Zum einen wird Ihr Gegenüber überzeugt davon sein, es mit einem witzigen, sympathischen und bescheidenen Zeitgenossen zu tun zu haben, und das wiederum bedeutet, dass Sie schon einen wichtigen „wohlgeneigten“ Zuhörer auf Ihrer Seite haben. Zum anderen hilft es auch Ihnen, sich zu entspannen und die bevorstehende Aufgabe etwas lockerer zu nehmen.

Tatsache ist, dass Lampenfieber sich am besten durch eine gewisse „Lockerheit“ überwinden lässt. Wie Sie zu dieser Lockerheit gelangen, spielt dabei keine Rolle – Sie können sie sogar erzwingen. Hilfreich kann es in diesem Zusammenhang auch sein, wenn Sie sich einfach selbst sagen „Na – das hat mir ja gerade noch gefehlt …“ und es dabei fertig zu bringen, über Ihr „Pech“, als Redner auserkoren worden zu sein, zu schmunzeln. Lachen ist die beste Medizin – auch gegen Lampenfieber. Ganz nebenbei kann ein bisschen Selbstironie auch für den Einstieg in Ihre kleine Ansprache von Nutzen sein, aber darauf kommen wir im weiteren Verlauf dieses Buches noch ausführlicher zu sprechen.

Mit Selbstsuggestion zur Selbstsicherheit

Warum ist die Aussicht, eine Rede vor Publikum halten zu müssen, für viele von uns so lähmend? Nun – weil wir uns die Angst selbst einreden. Sobald wir aufgefordert werden, schießen uns Dutzende von Gedanken durch den Kopf. Werde ich mich blamieren? Werde ich womöglich einen roten Kopf bekommen? Sitzt meine Krawatte richtig? Ist mein Kleid nicht eine Spur zu offenherzig? Verströme ich Angstschweiß? Fällt mir genügend ein? Werde ich ins Stottern geraten? Könnte ich jemand vor den Kopf stoßen? Werde ich witzig genug sein? Und so weiter, und so fort – die Liste lässt sich fast beliebig lange fortsetzen.

Probieren Sie es doch einmal andersherum. Beantworten Sie die wichtigsten dieser Fragen doch einfach konsequent in Ihrem Sinne – Sie werden merken: Nachdem Sie drei, vier dieser Fragen „abgehakt“ haben, stellen sich die anderen gar nicht mehr. Ein Beispiel: Durch Ihren Kopf schießt die Frage „Werde ich mich blamieren?“ Antworten Sie mit „Nein – nicht wenn ich mich konzentriere“. Ein anderes Antwortbeispiel könnte auch sein: „Nein – warum sollte ich?“ Zugegeben – das klingt ein bisschen nach Hokuspokus, aber in vielen Fällen funktioniert diese Methode, die heutzutage gern und oft als „positives Denken“ bezeichnet wird.

Noch einmal im Klartext: Werden Sie sich selbst gegenüber nicht unglaubwürdig, sondern versuchen Sie, Sätze zu formulieren, an die Sie glauben können. „Es könnte schlimmere Katastrophen geben“ ist dafür ein Beispiel und – anknüpfend an die zitierte Fragereihe – „wenigstens sitzt meine Krawatte richtig“. Natürlich werden Sie damit keinen hundertprozentigen Erfolg haben – noch immer wird Ihre Atmung schneller gehen und Sie werden möglicherweise kleine Schweißperlen von Ihrer Stirn wegwischen müssen. Doch diese Art der Selbstsuggestion führt zumindest dazu, dass Sie sich darüber bewusst werden, dass Ihnen eigentlich nichts wirklich Dramatisches geschehen kann. Ihr Leben hängt – im Gegensatz zu dem der vormals zitierten Höhlenmenschen – nicht von Ihrem rhetorischen Geschick ab. Es geht einzig und allein um einige Worte und Sätze, die Sie möglichst sinnvoll aneinanderreihen sollten. Wenn es Ihnen nicht so gut gelingt, haben Sie keinen schweren Schicksalsschlag erlitten, sondern höchstens ein paar Menschen dazu gebracht, ein klein bisschen weniger von Ihnen zu halten. Das jedoch passiert Ihnen im Leben sicherlich noch häufiger – mit Beurteilungen durch andere werden Sie schließlich laufend konfrontiert. Und so empfehlen wir Ihnen, es mit der amerikanischen Floskel zu halten „So what?“ (sinngemäß: „Was soll’s?“ oder auch „Na und?“) und einfach die Achseln zu zucken. So schlimm, wie es Ihnen in der ersten Panik vorkommen mag, wird es garantiert nicht kommen – denken Sie daran immer zuerst.

Hilfe durch andere?

Ob Mitmenschen Ihnen in einer solchen Situation helfen können, ist eine heikle Frage. Viele unsichere Redner, die unvermutet dazu gedrängt werden, sich vor ein Publikum zu stellen, neigen dazu, sich kurz vorher noch Ratschläge einzuholen. Manche lassen sich noch schnell die Garderobe richten („Liebling, schau doch mal, ob die Krawatte gut sitzt“) und hören sich währenddessen wohl gemeinte Ratschläge an: „Du weißt doch, dass Doktor Dilger heute da ist. Der hat keinen Humor. Versuch also bitte gar nicht erst, witzig zu sein.“ So etwas geht todsicher in die Hose. Während Sie nämlich versuchen, an diese Ratschläge zu denken, verlieren Sie beim Sprechen Ihre Spontaneität, retten sich in Floskeln und verkrampfen immer mehr. Zudem sind derartige Ermahnungen stets dazu angetan, die eigene Unruhe vor dem Auftritt noch zu steigern. „Was hat sie jetzt noch gleich gesagt? Wer ist da? Doktor Dilger? Und was soll ich jetzt nicht machen?“

Nein, nein – Ratschläge und Ermahnungen sind bei einer spontanen Ansprache gänzlich fehl am Platz, denn sie konterkarieren schließlich von vornherein das Wörtchen „spontan“. Wenn Sie dagegen jemanden finden, der Ihnen hilft, sich zu lockern, dann kann das höchst hilfreich sein. Ein Satz wie „Na, Gott sei Dank hat’s dich erwischt. Du machst das schon irgendwie, mein Alter“, kann wahre Wunder wirken, solange er von einem guten Freund gesagt wird. Sie können daraus schließen, dass Ihr Gegenüber froh ist, dass es nicht ihn selbst „erwischt“ hat – soll heißen: Er hat dieselbe Angst wie Sie und kann Ihre Situation nun gut nachvollziehen. Ein bisschen Mitleid hat noch niemandem geschadet. Auch Floskeln wie „Nimm’s leicht“ oder „Kopf hoch“ können bei einigermaßen robusten Naturen durchaus die Lebensgeister wecken und sei es nur deshalb, weil sie den jeweiligen „Redner“ daran erinnern, dass es schlimmere Situationen im Leben gibt. Sie selbst können dies jedoch nicht beeinflussen und deswegen hoffen wir, dass Sie im betreffenden Moment über einfühlsame Freunde oder Partner verfügen, die wissen, wie man mit Ihnen in einem solchen Augenblick umgehen muss.

Noch ein Tipp zum Abschluss dieses Abschnitts: Suchen Sie nicht nach Ratschlägen. Die Frage „Um Gottes willen – was soll ich denn jetzt bloß sagen?“ kann Ihnen zwar in einem von hundert Fällen die rettende Antwort bescheren – in den anderen 99 Fällen jedoch werden Sie als Antwort lediglich ein bedauerndes Schulterzucken und ein „Tut mir leid – keine Ahnung“ zu hören bekommen. Dies ist lediglich dazu angetan, Ihre eigene Unsicherheit zu verstärken und Ihre Konzentration zu schwächen.

Konzentration auf das Wesentliche

Der letzte unserer Tipps zur Überwindung des Lampenfiebers ist eigentlich der simpelste. Konzentrieren Sie sich von dem Augenblick, an dem man Sie als Redner „auserkoren“ hat, auf das Wesentliche. Beantworten Sie sich blitzschnell die Fragen „Zu welchem Anlass soll ich sprechen?“ und „Zu wem soll ich sprechen?“

Zunächst zum Punkt „Anlass der Rede“: Zumeist handelt es sich um gesellschaftliche Ereignisse der unterschiedlichsten Art. Das können Geburtstagsfeiern, Jubiläen, Firmenfeste, Ehrungen oder sogar Begräbnisse sein. Wichtig ist, dass Sie vom ersten Augenblick an die Stimmung des Ereignisses erfassen und verinnerlichen. Im Klartext: Bei einer feuchtfröhlichen Party wird niemand von Ihnen besinnliche Worte verlangen und auf einer Beerdigung erwartet kein Mensch ein launiges Statement. Stellen Sie sich also innerlich auf die Anforderungen ein und üben Sie (möglichst so, dass es niemand bemerkt) schon einmal den entsprechenden Tonfall ein. Wenn Sie nämlich wissen, wie Sie sprechen wollen, folgt das Was zuweilen von ganz alleine – vor allem wenn Sie ermitteln, wen Sie eigentlich ansprechen wollen. Nun könnte man vermuten, dass eine Rede sich in aller Regel an das gesamte Publikum richten soll. Das ist jedoch eher die Ausnahme. Normalerweise (Geburtstage, Jubiläen, Begräbnisse) geht es um ganz bestimmte Personen oder Anlässe, die von ganz bestimmten Personen geprägt sind. Und genau diese Personen oder Anlässe sind das eigentliche Thema der Rede. Natürlich wird es leichter, wenn Sie den oder die betreffenden Menschen gut kennen, denn dann fallen Ihnen sicherlich ein paar Stichworte wie beispielsweise „gutmütig, großzügig, gewissenhaft, hilfsbereit“ ein. Diese Stichworte lassen sich dann mühelos verknüpfen mit kleinen Anekdoten und Geschichten, die Sie von der betreffenden Person wissen und die Sie nun der ganzen Runde mitteilen. Wenn Sie sich dies vor Augen halten, haben Sie schon vor dem ersten Wort zumindest einen groben Rahmen für Ihre Rede – ein Rahmen, der Ihre Angst entscheidend verkleinern dürfte.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich müssen Sie mit Ihrer Rede möglichst das gesamte Publikum unterhalten und dürfen die Ansprache nicht an einen einzigen Menschen richten. (Außer beim wohlformulierten Heiratsantrag, aber das ist ein anderes Thema). Doch wenn es Ihnen gelingt, zu einer einzigen Person eine „persönliche Beziehung“ im Laufe Ihrer Rede herzustellen, dann schaffen Sie damit quasi eine „intime“ und gleichzeitig „vertrauensvolle“ Atmosphäre, die auch für die anderen Zuhörer interessant ist. Über niemanden sonst will der Mensch nämlich mehr wissen als über andere Menschen.

Enorm wichtig ist es dabei, sich in der Konzentration nicht stören zu lassen. Wenn Sie vor Beginn Ihrer Rede noch ein paar Minuten Zeit haben, können Sie sich schnell einige der Stichworte auf einen kleinen Zettel notieren – vorausgesetzt Sie müssen Stift und Papier nicht erst mühsam organisieren und geraten damit noch mehr in Hektik. Sollte dies nicht mehr möglich sein, so hilft es im Falle von freudigen Feierlichkeiten sicherlich auch, sich ein paar Augenblicke auf die betreffende Person zu konzentrieren. Schauen Sie genau hin – nehmen Sie Ihr „Redeobjekt“ einen Moment ins Visier und verknüpfen Sie mit diesem aktuellen Bild einige „alte Erinnerungen“. Dabei geht es gar nicht so sehr um den tatsächlichen Inhalt Ihrer Ansprache (obwohl dies sicherlich auch eine Rolle spielt), sondern vielmehr um die intensive und damit in diesem Augenblick entspannende Betätigung für Ihr Gehirn. Es gilt die Faustregel: Konzentration auf ein bestimmtes Objekt lässt weniger Raum für Panikattacken.

Und damit zum Ende dieses Kapitels ein kleines Fazit: Lampenfieber ist wahrscheinlich eine „unheilbare Krankheit“, denn gänzlich wird kaum jemand die Nervosität vor einem „großen Auftritt“ ablegen können. Allerdings lässt sich Lampenfieber durch Übung und Konzentration durchaus auf ein erträgliches Maß verkleinern und kann sogar sinnvoll in den Beginn einer Rede integriert werden. Wenn Sie einen oder zwei der genannten Regeln befolgen und anwenden (die Befolgung aller fünf Regeln ist schon zeitlich beinahe unmöglich – also entscheiden Sie sich rechtzeitig), dürfte dies schon genügen, um Ihren Adrenalinausstoß bei der nächsten „Gelegenheit“ deutlich zu verringern.

Eins noch: Lassen Sie sich niemals zur Beruhigung ein „Gläschen Sekt“ oder gar Hochprozentigeres anbieten. Vor allem, wenn Sie es nicht gewohnt sind, könnten die ohnehin schon strapazierten Nerven damit weiter überreizt werden und selbst wenn Sie sich dann zunächst etwas lockerer fühlen, könnte dieser durch Überreizung und Anspannung noch verstärkte Kick zu einem „rhetorischen Fiasko“ führen. Lassen Sie’s also lieber – vertrauen Sie auf sich selbst.

Die fünf Todsünden: Daran scheitert jede Ansprache

In den bisherigen Kapiteln konnten Sie bereits nachlesen, welche Fehler Sie tunlichst vermeiden sollten, wie Sie Lampenfieber bekämpfen und welche Tricks es gibt, um eine Rede zum Erfolg werden zu lassen. Im Folgenden finden Sie nun eine Hitliste der allerschlimmsten Fehler, die Sie begehen könnten – ein einziger davon genügt, um eine Rede zum sicheren Misserfolg zu machen – mehrere davon münden unweigerlich in ein Debakel.

Platz 5: Leiern, lallen, lustlos scheinen

Wenn Sie eine Rede halten, sollten Sie etwas zu sagen haben. Davon müssen Sie selbst überzeugt sein, davon müssen Ihre Zuhörer überzeugt sein. Diese Überzeugung jedoch lässt sich auf keinen Fall vermitteln, wenn Sie Ihre Ansprache in einem gleichmäßig monotonen Singsang herunterleiern, wenn Sie keine Pausen machen und dadurch möglicherweise sogar gelangweilt oder gehetzt wirken. Bei unsicheren Rednern passiert es zudem recht häufig, dass Sie am Ende jedes Satzes noch einmal die Stimme heben, was das jeweils letzte Wort häufig schwer verständlich macht und gerne als eine Art „Lallen“ ausgelegt wird. Das wiederum impliziert, Sie seien womöglich nicht ganz nüchtern oder aber – in manchen Positionen fast noch schlimmer – hätten einen Sprachfehler. Wie man es auch dreht und wendet: Hängt von dieser Rede Ihr berufliches Fortkommen ab, sollten Sie sich mit dem Begehen dieser Fehler sicherheitshalber von Ihrer Karriere verabschieden.

Platz 4: Anbiedern

Kaum etwas wirkt auf ein Publikum unangenehmer, als wenn es das Gefühl bekommt, der Redner wolle sich anbiedern. Es spricht nichts dagegen, wenn man versucht, die Zuhörer mit ein paar lockeren Sprüchen, mit Selbstironie oder auch einfach durch eine Portion Charme „mit ins Boot“ zu holen, doch wenn man einen Witz – womöglich auch noch anzüglicher Natur – nach dem anderen reißt, wenn man ständig seine Zugehörigkeit zur Gruppe beschwört oder sich dazu hergibt, für billigen Applaus andere schlechtzureden, dann stößt dies zumindest dem intelligenteren Teil des Auditoriums sehr schnell sehr sauer auf. Und genau dieser Teil des Publikums ist es nun einmal, auf den es bei der Bewertung Ihrer Ansprache ankommen wird.

Platz 3: Überdosierung von Eigenlob

Wenn man überzeugen will, dann sollte man zum einen selbst überzeugt sein (nicht zwangsläufig, aber es erleichtert die Sache) und sollte überzeugend wirken, um andere überzeugen zu können. Dies beinhaltet beinahe automatisch eine gewisse Portion Eigenlob, das – in kleinen Dosen – gar nicht so doll stinkt, wie es uns das Sprichwort glauben machen will. Ein Politiker, der nicht ab und zu an die eigenen Erfolge und Verdienste erinnert, wird sich kaum lange halten können, und ein Manager, der den Fokus ausschließlich auf die Leistungen anderer legt, wird es schwerlich ganz nach oben schaffen. Unbedingt vermeiden sollte man jedoch eine zu hohe Konzentration der Selbstbeweihräucherung. Spätestens beim dritten Satz, in dem das Wort „ich“ die zentrale Rolle spielt, müssen Sie sich hinterfragen, ob es damit nicht genug sein sollte und ob eine Änderung des Blickwinkels nicht angebracht wäre. Es gilt die Faustregel: Je größer man die eigenen Erfolge redet, desto kleiner wird die eigene Person gemacht – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

Platz 2: Verbissene Humorfreiheit

Spontaneität ist nicht jedem gegeben und nur die wenigsten haben die Gabe, eine Ansprache von Beginn an fesselnd, interessant und witzig rüberzubringen. Begnadete Redner sind in der Minderzahl, was einerseits schade, andererseits aber auch für den Autoren dieses Buches ein ausgesprochener Glücksfall ist. Aber das nur nebenbei. Doch auch eher mäßig begabte und sogar die hörbar vollständig untalentierten Redner, die nur notgedrungen oder sogar durch massiven Druck gezwungen an das Pult treten, sollten niemals vergessen, dass Humor die einzige Konstante ist, die tatsächlich alle Menschen in irgendeiner Form verbindet. Im Klartext: Egal, wie langweilig, fahrig und unbeholfen eine Rede auch wirken mag – wenn sie mit einer Prise Humor gewürzt wird, können Sie noch etwas retten. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch leider auch: Egal, wie staatstragend, spannend und sicher eine Ansprache daherkommt – ohne eine Prise Witz wird sie kaum länger im Gedächtnis bleiben, als es dauert, bis Sie vom Pult wieder zu Ihrem Sitzplatz zurückgegangen sind. Die Definition des notwendigen Humors ist dabei weit gefasst. Selbstironie („Seien Sie froh, dass ich meine Brille vergessen habe. Damit würde ich zwar besser lesen können und weniger stottern, aber Sie würden den Anblick nicht aushalten“) ist eine sichere Bank, witzige und nicht allzu abgelutschte Zitate ebenso („Ich richte mich daher nach dem kanadischen Rhetorikprofessor William Shaughnessy, der über die Kunst des Redens sagte: ‚Sie sollte den Mensch vom Affen unterscheiden und bewirkt doch ständig, dass ein Mensch wie ein Affe wirkt.‘ Mit der Liebe verhält es sich übrigens ähnlich.“). Vermeiden sollten Sie unbedingt so genannte „Herrenwitze“, Sprüche auf Kosten von Minderheiten (womöglich ist ein Islamist im Publikum) und Querverweise auf lustige Bücher oder Filme, die außer Ihnen womöglich kaum jemand kennt.

Platz 1: Sentimentalität und Pathos

Viele Menschen, die plötzlich gezwungen sind, auf einer Trauerfeier zu sprechen, begehen einen Kardinalsfehler: Sie wählen große Worte, um einerseits dem Verstorbenen gerecht zu werden und andererseits der Traurigkeit angemessen zu begegnen. Tun Sie’s nicht. Große Worte haben die unangenehme Eigenschaft, alles um sie herum klein und wertlos erscheinen zu lassen, und dies wiederum führt beim Zuhörer automatisch zu einem Verweigerungsreflex. Egal, in welcher Form uns die Tragödie begegnet – sie ist ohnehin so tragisch, dass sie verbal nicht aufgewertet werden muss. Bezeichnet man einen lieben Verstorbenen als „Held“, als „Engel“, als „größten Soundso aller Zeiten“, so wirkt dies zum einen anbiedernd, zum anderen peinlich und provoziert darüber hinaus Fragen, die von dem ablenken, was Sie eigentlich sagen wollten. Mit Pathos lassen sich möglicherweise Kriege und Vaterlandsliebe verkaufen – für andere Ansprachen eignet es sich in unseren Zeiten praktisch nie. Das gilt auch für übertriebene Sentimentalität, denn Gefühle heißen deswegen nicht „Geworte“, weil wir sie fühlen und nur in den seltensten Fällen verbal auf einen Punkt bringen können. Liebe und Hass, Traurigkeit, Freude und Zorn – all das sind nur Begriffe, die Zustände umschreiben, die jeder Einzelne für sich selbst definieren muss. Wenn aber einer daran geht, diese Worte inflationär zu verwenden, mit aller Gewalt versucht, Emotionen wachzurufen, Tränen oder Schmerz zu erzeugen, dann wirkt dies in aller Regel irritierend und sogar abstoßend. Die eigentliche Absicht der Rede wird dadurch fast automatisch in ihr Gegenteil verkehrt.

Die Auswahl und die Reihenfolge dieser fünf „rhetorischen Todsünden“ ist zweifellos subjektiv, und dem geneigten Leser steht es selbstverständlich frei, seine eigene Hitliste der schlimmsten Verfehlungen beim Halten einer Ansprache zu erstellen. Da könnte unpassende Kleidung ebenso erwähnt werden wie das sture Ablesen von einem Manuskript, da sind überlange Satzgebilde ebenso zu nennen wie die Aneinanderreihung sinnentleerter Floskeln. Suchen Sie sich’s aus – Ergänzungen sind willkommen.

Auf dem Weg zum freien Redner

Aus dem vorliegenden Kapitel haben Sie ersehen können, dass zu einem guten Redner und zu einer guten Ansprache weit mehr gehört als die richtigen Inhalte und Themen. Sie sollten jedoch auch bedenken, dass die Art der Artikulation, die korrekten Betonungen und die Körperhaltung lediglich Hilfsmittel sind – Hilfsmittel, die Ihnen dazu dienen sollen, sich selbst und das Publikum „in den Griff“ zu bekommen. Spätestens nach Ihrer dritten oder vierten Rede haben Sie dann ohnehin Ihren eigenen Stil gefunden, sodass ständiges „Nachlesen“ in diesem Buch nicht mehr unumgänglich notwendig sein wird. Allerdings möchte ich Ihnen dennoch dringend ans Herz legen, Routine nicht mit Brillanz zu verwechseln. Halten Sie nicht immer wieder dieselben Reden, denn das beraubt Sie Ihrer Flexibilität und der Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen. Versuchen Sie, dynamisch und kreativ zu sein, und wenn Sie sich zu den Fortgeschrittenen zählen, kann es nie schaden, die eigenen Grenzen auszuloten und neu zu definieren. Üben Sie vor dem Spiegel verschiedene Körperhaltungen ein, analysieren Sie, wobei Sie sich wohl und wobei Sie sich unwohl fühlten, finden Sie neue, ungewöhnliche Arten der Betonung heraus und schaffen Sie sich Ihre eigenen Freiräume: Nur so werden Sie letztlich zu einem wirklich freien Redner.

Goldene Regeln für eine gute Rede

Eine Rede besteht normalerweise aus vier Teilen: der Begrüßung, der Einleitung, dem Hauptteil und dem Schluss. Auch wenn sich die Inhalte der Ansprache natürlich von Fall zu Fall unterscheiden, gibt es doch einige allgemeine Hinweise, die Ihnen helfen, das Publikum zu fesseln und auf Ihre Seite zu ziehen: die berühmten goldenen Regeln für Begrüßung, Einleitung, Übergänge, Längen und Schluss.

Goldene Regeln für … Die Begrüßung

Für die Begrüßung ist es notwendig zu wissen, wer begrüßt werden muss. Dieser Satz klingt derart simpel, dass man sich kaum trauen mag, ihn laut auszusprechen, doch hat er an dieser Stelle durchaus seine Berechtigung. Denn schließlich ist es keinesfalls üblich, bei einer Ansprache alle Anwesenden „über einen Kamm“ zu scheren, und in manchen Fällen ist dies sogar unschicklich. Zur Verdeutlichung betrachten wir ein Beispiel aus dem beruflichen Alltag einer Führungskraft: Zur Eröffnung eines neuen Bürokomplexes wurde dieser werte Herr auserkoren, einige passende Worte zu sagen. Vor seinem Rednerpult sitzen der Vorstandsvorsitzende seines Unternehmens, dessen Gattin sowie etliche Kollegen. Wen wird er in seiner Begrüßung wohl zuvorderst nennen müssen? Richtig: den Herren Vorstandsvorsitzenden nebst Gattin. Alles andere wäre ein Affront – ganz abgesehen davon, dass es ein Albtraum für die beruflichen Aussichten unseres Aspiranten wäre.

Die Regel lautet also: die Wichtigsten zuerst. In einigen Fällen ist dies ganz einfach: Sie halten eine Ansprache anlässlich einer Geburtstagsfeier? Sie begrüßen zunächst das Geburtstagskind. Sie sprechen als Trauzeuge einer Hochzeit? Sie wenden sich an das Brautpaar. Sie haben einige Worte zur Taufe Ihres Patenkindes zu sagen? Ihr erster Adressat sind die stolzen Eltern.

Die jeweilige Form der Anrede bleibt dabei Ihrem Gefühl überlassen – Patentrezepte gibt es dafür nicht. Im ganz und gar privaten Kreis ist ein „Lieber Willy“, „Liebes Brautpaar“, „Liebe stolze Eltern von Patrick“ durchaus angebracht – wenn Sie mit den Angesprochenen noch nicht ganz so vertraut sind, empfiehlt sich möglicherweise auch ein „Verehrtes Brautpaar“. Im Folgenden eine kleine Liste von Anreden und ihre jeweilige Bewertung:

„Liebe, Lieber, Liebes“: empfehlenswert im privaten, vertrauten Kreis für eine herzliche Ansprache. Wirkt warmherzig und leger.

„Verehrte, Verehrter, Verehrtes“: empfiehlt sich für Feiern mit offiziellem Rahmen, bei denen sich noch nicht alle kennen. Schafft eine gewisse Distanz, ohne dabei jedoch zu unpersönlich zu sein.

„Geehrte, Geehrter, Geehrtes“ (wahlweise auch „Hochgeehrtes“ usw.): wirkt heutzutage ein wenig ironisierend, da etwas antiquiert. Eignet sich gut für launige, pointenreiche Ansprachen.

Tipp
Machen Sie sich in jedem Fall beim Schreiben Ihrer Ansprache oder auch beim Verfassen der Stichworte klar, wen Sie auf welche Weise, mit welchen Worten und in welcher Reihenfolge begrüßen wollen. Notieren Sie die vollständige Begrüßung immer im Wortlaut. Damit haben Sie stets einen sicheren und pannenfreien Einstieg in Ihre Rede parat.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869101422
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2011 (November)
Schlagworte
Ansprachen halten beruflicher Anlass Muster-Reden privater Anlass Reden halten Reden schreiben

Autor

  • Pat Lauer (Autor:in)