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Wieder Paar sein!

Erfüllte Zweisamkeit trotz Arbeit und Kind. Erste Hilfe für berufstätige Eltern.

von Sascha Schmidt (Autor:in)
176 Seiten

Zusammenfassung

Der Ratgeber gegen verlorene Zweisamkeit und „wir funktionieren nur noch“: Die Arbeit ruft, das Kind schreit, die Zeit drängt: Im Alltag der meisten Eltern kommt das „Paar-Sein“ zu kurz. Und wenn endlich Zeit füreinander ist, drehen sich die Gespräche nur um Kind und Job oder es herrscht Streit und Sprachlosigkeit. Doch mit kleinen Veränderungen können Sie sich Ihre starke und liebevolle Partnerschaft zurückerobern! Die praktischen Tipps und hilfreichen Alltagslösungen in diesem Ratgeber helfen Ihnen dabei, Konflikte zu lösen und endlich wieder eine erfüllte Zeit zu zweit zu genießen. Perfekt für alle, die nicht nur tolle Eltern, sondern auch ein glückliches Paar sein möchten!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


EINLEITUNG

Wo tanken Sie auf? Wo finden Sie Ihren Ruhepol? Wo fühlen Sie sich geborgen? Die Partnerschaft von Frau und Mann ist Ihre Energietankstelle, Ihr Rastplatz und Ihr sicherer Rückzugort.

In meinen Beratungen und Vorträgen von Eltern, die Karriere mit Kind machen wollen, wird ein enormer Leistungsdruck sichtbar, den sich die Eltern größtenteils selbst auferlegen. Es prallen äußere und innere Welten aufeinander.

Von außen kommen die lebensnotwendigen Bedürfnisse des Kindes nach Nähe und Aufmerksamkeit. Zusätzlich zerrt der Job an Ihnen. Berufstätige Eltern sind Organisationswunder, wenn sie alle Bälle von der Kinder- bis zur Berufswelt in der Luft halten. Das erfordert Disziplin und Lebensenergie.

Von innen kommen die eigenen Ansprüche und Antreiber dazu. Die Varianten sind höchst individuell und vielseitig. Klassiker sind der Wunsch nach der perfekten Mutter- oder Vaterrolle sowie danach, sich im Beruf entfalten zu können. Die Realität steht dem stets entgegen, und so laufen viele berufstätige Eltern mit quälenden Gedanken oder einem schlechten Gewissen gegenüber ihrem Kind und ihrem Job herum.

Der Partner an Ihrer Seite dagegen scheint eine Selbstverständlichkeit zu sein. Das ist ein gefährlicher Trugschluss! Vor der Gründung einer Familie hatten Sie einen Spagat zwischen Arbeits- und Partnerleben. Als Paar konnten Sie locker berufliche Ambitionen mit einem attraktiven Privatleben verbinden. Die Probleme und Herausforderungen waren überschaubar.

Mit der Geburt des ersten Kindes aber werden die Karten neu gemischt. Sie wissen nicht, was Sie erwartet, wie Sie sich als Mutter oder Vater fühlen, was Ihr Kind speziell von Ihnen braucht. Auch im Job kann es zu Überraschungen kommen. Angeblich familienfreundliche Arbeitgeber entdecken plötzlich Gründe, wieso es doch nicht so passt. Gerade Frauen mit Karriereambitionen spüren Skepsis, wie das denn gehen soll. Männer kommen noch nicht über eine kurze Elternzeit hinaus, und Väterzeit ist leider bei der Mehrzahl der Unternehmen eine Karrierebremse. Kinder brauchen also Eltern mit Rückgrat und Mut für eigene Wege, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf klappt. Das kostet Sie Kraft!

Die Basis für eine stabile Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine gesunde und gelebte Partnerschaft als Frau und Mann. Ihr Paarsein ist der Nährboden, auf dem Ihre Kinder und Ihre Karriere gedeihen. Wenn Sie als Paar ausgetrocknet sind, dann herrscht emotionale Dürre in der Familie. Das tut niemandem gut – erst recht nicht Ihren Kindern.

Investieren Sie in Ihr Paarsein!

Indem Sie Ihre Partnerschaft liebevoll gestalten und lebendig halten, schaffen Sie einen nahrhaften Mutterboden, der Sie stärkt für alle Herausforderungen rund um Kind und Karriere. Dieses Buch versteht sich als erste Hilfe für Notfälle, Impulsgeber und Wegbegleiter.

Ich habe für Sie die häufigsten Bedrohungen für Paare mit Kindern aufgelistet. Sie stammen aus meiner langjährigen Beratungspraxis mit berufstätigen Eltern. Zu jeder Bedrohung finden Sie am Ende des Abschnitts konkrete Hilfen.

Das Gleiche gilt für die folgenden Kapitel rund um Partnerschaft, Konfliktverhalten und den Sonderfall Patchwork. Mir ist bewusst, dass Ihre Zeit kostbar ist. Daher ist jedes Kapitel und jeder Abschnitt so formuliert, dass Sie genau da einsteigen können, wo es für Sie Sinn ergibt.

Der Grundgedanke dieses Buches ist der eines Kochbuches. Sie finden Rezepte zu unterschiedlichen Paarsituationen und allgemeine Impulse zum Paarsein an sich. Lassen Sie sich inspirieren. Wie bei einem guten Essen reichen die Zutaten und Rezepte nicht aus: Die Liebe und Leidenschaft für das Kochen gibt dem Essen die gewisse unverkennbare Extranote. Das gilt auch für Ihre Partnerschaft: Die Basis ist Ihre Liebe zu Ihrem Partner – verlieren Sie diese nicht!

Ich wünsche Ihnen von Herzen ein gutes Gelingen als Paar, als Familie und für Sie ganz persönlich.

Ihr

Sascha Schmidt

www.wieder-paar-sein.de

VOM PAAR ZUR FAMILIE

Die Geburt des ersten Kindes macht alles neu. Aus einem Paar wird eine Familie. Aus Frau und Mann werden Mutter und Vater. Das ist eine grundlegende Veränderung. Nicht jedes Paar ist darauf vorbereitet.

Mein Baby ist da. Wir sind endlich eine Familie!

Eine überglückliche Mutter

Mein altes Leben habe ich an der Garderobe vor dem Kreißsaal abgegeben. Jetzt beginnt etwas ganz Neues!

Ein frischgebackener Vater

Ab dem Zeitpunkt, wo Sie sich entscheiden, eine Familie mit Kindern gründen zu wollen, beginnt eine Veränderung in der Partnerschaft. Sie haben gemeinsame Vorstellungen, Träume und Ängste – bezogen auf die Familiengründung. Mit Beginn der Schwangerschaft ist das ungeborene Baby bereits ein dominierendes Mitglied in der Familie. Es wird voller Freude erwartet, das Nest wird gebaut, und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Es gibt Paare, die das ohne Probleme meistern; andere geraten in eine Krise und fangen sich wieder. Und es gibt Familien, die zerbrechen bereits in der Schwangerschaft oder nach der Geburt, da das Paarleben nicht mehr vorhanden ist.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen es deutlich an: Die meisten Ehen werden im sechsten oder siebten Jahr geschieden. Davor liegt ein gesetzlich gefordertes Trennungsjahr und davor wiederum eine zermürbende Zeit von Konflikten und Streit – zumal wenn Kinder dabei sind und man es sich nicht einfach macht.

Das entspricht der Erfahrung von vielen Hebammen und Krippen-Erzieherinnen, die mit jungen Eltern in Kontakt sind. Der Übergang vom Liebespaar mit vielen Urlaubsreisen, beruflicher Selbstverwirklichung, Sonntagen mit Frühstück im Bett zu einer Familie mit Verantwortung für das gemeinsame Kind, durchwachten Nächten, Sorgen und Ängsten ist kein leichter. Hier lernen Sie sowohl sich als auch Ihren Partner neu kennen – mit nicht immer angenehmen Überraschungen. Was passiert da eigentlich?

Paarleben ist nicht gleich Familienleben

Die Veränderung, die ein Kind in eine Partnerschaft bringt, lässt sich nicht theoretisch erfassen. Sie werden oder haben es bereits erfahren: all das Glück, die Herzensmomente, das Verschmelzen mit dem Baby wie auch die Sorgen über Gesundheit, das „Richtig-machen-Wollen“, das Unverständnis, wieso der Vater jetzt wieder Sex haben will. Die beiden Seiten der Medaille lassen sich beliebig erweitern. Glück und Frust gehen Hand in Hand.

Evolution der Partnerschaft

Am Anfang flattern Schmetterlinge im Bauch, die Brille ist rosarot und der Partner einfach das Beste, was einem passieren konnte. Die Hormone spielen verrückt. Der Sex ist neu, aufregend. Alles gut. Wie Verliebtsein eben ist.

Aus dem Verliebtsein wird Liebe. Wir lernen unser Gegenüber immer besser kennen, entdecken Macken, ungeahnte Stärken und versteckte Schwächen. Wir fangen an, uns aufeinander zu beziehen, Pläne zu schmieden. Die berühmte Frage wird gestellt: „Haben wir jetzt eine Beziehung?“ Der Sex wird weniger aufregend, zugleich intimer und intensiver, denn wir vertrauen uns. Müssen nicht mehr gefallen, sondern fühlen uns geliebt, so wie wir sind.

Die nächste Stufe ist: Wir wollen ein Kind. Wir gründen unsere Familie. Das ist ein entscheidender Schritt. Sie verlassen damit Ihre Herkunftsfamilie und erschaffen etwas Neues. Gleichzeitig bekommen Sie neben dem Geschenk eines Kindes zusätzlich eine große Herausforderung für Ihr Leben mit: Sie tragen jetzt Verantwortung. Nicht nur für sich selbst, sondern für das gemeinsame Kind.

TEAMARBEIT ALS ELTERNPAAR

Klären Sie bereits in der Schwangerschaft ab, wie Sie die ersten zwei Jahre meistern wollen – wohl wissend, dass die Partnerschaft darunter leiden wird. Falls Sie das nicht gemacht haben: Es ist nie zu spät, darüber zu reden!

Verbringen Sie zusammen Zeit mit dem Baby. Schaffen Sie damit gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen.

Verteilen Sie klare Verantwortlichkeiten im Alltag. Wer steht nachts auf? Wer hat den Windelvorrat im Blick? Wer macht die Arzttermine? Wer kümmert sich um einen Krippenplatz?

Treffen Sie wichtige Entscheidungen für Ihr Kind gemeinsam. Dazu zählen die Art der Betreuung, die Ernährung, die Gesundheit (z. B. Impfungen).

Für die Mütter: Vertrauen Sie dem Vater und lassen Sie los. Er wird es auf seine Art richtig machen.

Für die Väter: Fordern Sie liebevoll und zugleich bestimmt Ihre alleinige Zeit mit dem Baby ein. Sie legen hier den Grundstein für eine tragfähige Vater-Kind-Beziehung.

Verabschieden Sie sich bewusst mit einem schönen Akt (Dinner zu zweit, Kurzurlaub) übergangsweise vom Paarsein.

Setzen Sie sich einen Fixpunkt, ab wann Sie wieder verstärkt in Ihre Zweisamkeit Zeit investieren wollen. Feiern Sie diesen Zeitpunkt, wenn er da ist.

Die ersten zwei Jahre als Familie

Manche Eltern gehen total in der Rolle als Mutter oder Vater auf, so dass sie die Partnerschaft als Frau und Mann vergessen. In den ersten zwei Jahren brauchen Babys sehr viel Aufmerksamkeit. Da bleibt dann wenig Energie, Lust und Zeit, sich jetzt auch noch um den Partner zu kümmern.

Für diese Zeit gibt es eine einfache Lösung: Elternschaft ist Teamarbeit. Das bedeutet jedoch nicht, einer – häufig die Mutter – sagt an und einer – häufig der Vater – arbeitet zu. Das wird nicht funktionieren bzw. ist eine Ursache, wieso Paare in der Familie in die Krise schlittern. Es geht um Teamarbeit auf Augenhöhe.

Die Folgejahre

Verpassen Sie nicht den Absprung vom reinen Mutter- und Vatersein. Das tut Ihnen nicht gut und tut dem Paarsein nicht gut. Und es tut Ihrem Kind nicht gut. Wer sich zwei Jahre lang fremdbestimmt gefühlt hat, sollte zur Selbstbestimmung zurückkehren. Das bedeutet hauptsächlich für die Mütter, dass sie loslassen. Das Kind kann ab dem Alter von zwei Jahren deutlich mehr alleine agieren und passt sich dem Leben der Eltern an.

Für Mutter und Vater ist es wieder an der Zeit, mehr Frau und Mann zu werden. Die Tipps für die Eltern-Teamarbeit gelten weiter, doch in dem Maße, in dem das Kind selbstständiger wird, sollten Mütter wieder Frau und Väter wieder Mann werden.

Die Faustregel für das Familienleben lautet: Glückliche Kinder haben glückliche Eltern. Also beginnen Sie wieder, in sich, in Ihre Träume und Ihre Partnerschaft Energie und Zeit zu investieren. Es lohnt sich für alle – besonders für die Kinder!

Trennung – ja oder nein?

Wir leben in einer Leistungs- und Wegwerfgesellschaft. Was nicht passt, wird passend gemacht oder ausgetauscht. Das Neue verspricht immer mehr und besser zu sein. Wie sonst schaffen es Apple und Co., immer wieder neue Smartphones unter die Leute zu bringen?

Bei zwischenmenschlichen Beziehungen beobachten Wissenschaftler und Psychologen einen Trend zu mehr Freiheit und Unverbindlichkeit. Ist ja auch logisch: Die Ehe als Existenzgerüst für die Frau hat – zum Glück – ausgedient. Heute können wir frei und selbstbestimmt entscheiden, mit wem und wie lange wir in Beziehung sein wollen.

Innerhalb eines Paarlebens gibt es drei zentrale Phasen, in denen richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden. Im Idealfall bei vollem Bewusstsein und gemeinsam, häufig jedoch unbewusst und allein, manchmal sogar den Entscheidungen des Partners entgegengesetzt. Da liegt dann die Zeitbombe begraben, die im Laufe einer Beziehung immer schärfer werden kann – bis zur Explosion.

Erste Entscheidung: Vom Verliebtsein zur Liebe

Das Verliebtsein ist gesteuert durch unsere Hormone und Neugierde. Wenn wir ineinander verliebt sind, dann spüren wir Glücksgefühle und Lebendigkeit in uns. Wir können Berge erklimmen, Bäume ausreißen, machen „kindische“ Sachen, sind unerträglich für unsere Umwelt, Leben in der Glocke unseres Glücks. Erotik und Sex sind neu, aufregend und maßlos. Der Alltagstrott liegt hinter uns, vor uns das Land der Abenteuer zu zweit.

Mit der Zeit aber schleicht sich Routine ein. Wir gehen nur noch lustlos dem Partner zuliebe mit in den Action- oder Liebesfilm, auf den wir eigentlich auch verzichten könnten. Der Sex verliert an Neuigkeitswert und wird eingespielter. Verhaltensweisen, die uns vorher amüsierten und die wir süß oder niedlich fanden, fangen an zu nerven. Wir sehen den ganzen Menschen vor uns. Das liegt daran, dass unsere rosarote Brille sich wieder entfärbt und dass unser Partner sich auch weniger verstellt und mehr sie oder er selbst ist.

Hier fällt die erste Entscheidung, sich zu lieben oder sich zu trennen. Sich zu lieben heißt, den anderen anzunehmen, wie er oder sie ist. Es bedeutet auch, sich selber nicht mehr zu verstellen, sondern sich zu zeigen mit allen Ängsten, Bedürfnissen und Wünschen, die in uns schlummern. Sich geborgen zu fühlen und Geborgenheit zu geben. Wertvoll zu sein, so wie man ist, und den Partner wertzuschätzen.

Wenn ich das nicht kann oder will, dann fällt eine Trennung leicht. Es war dann eben eine schöne Zeit, eine Affäre, eine unbeschwerte Urlaubserfahrung. Menschen, die hier die Trennung verpassen und in eine Beziehung schlittern, die sie eigentlich gar nicht wollen, fliegen später häufig aus der Bahn – mit der Erfahrung, dass verspätete Trennungen oft viel schmerzlicher sind.

Zweite Entscheidung: Vom Paar zur Familie

„Ich will ein Kind von dir“ oder „Ich will ein Kind mit dir“ – wo liegt der Unterschied? Die Variante „mit dir“ enthält ein Miteinander, eine Gemeinsamkeit in der Familiengründung. „Von dir“ kann dies auch enthalten, zugleich bleibt ein Beigeschmack. Es besteht die Gefahr, dass etwas dem Partner zuliebe gemacht wird, nicht, weil man es selbst möchte, sondern weil es der andere will. Und da man ihn nicht verlieren will, macht man es eben – ein Nährboden für späteren Paarstress.

Die Entscheidung, ob Sie eine Familie gründen wollen, sollte ehrlich und klar getroffen werden. Ehrlich mir selbst gegenüber („Will ich das wirklich?“) und klar meinem Partner gegenüber („Ich spreche aus, was ich fühle und denke“). Wenn Sie sich in einem Ja treffen, dann haben die Familiengründung und Sie als Paar eine gute Basis.

Bei einem Jein gibt es ein Restrisiko. Hier gilt es hinzuschauen und abzuwägen, ob Sie es trotzdem wagen. Sagt einer von ihnen klar Nein, müssen Sie abwägen: Will ich unbedingt eine Familie? Dann habe ich ehrlicherweise jetzt gerade den falschen Partner dafür. Oder will ich warten, ob das Nein später einmal doch zu einem Ja wird?

Wenn ich den falschen Partner für eine Familie habe, dann muss ich mich entscheiden: Verzichte ich auf meinen Wunsch oder trenne ich mich? Aufgrund der biologischen Uhr haben Frauen einen größeren Entscheidungsdruck als Männer. Während der Mann ruhig noch bis in seine Fünfziger abwarten kann, stehen Frauen schon um die 40 vor dieser Frage. Seien Sie ehrlich zu sich: Eine Trennung ist schmerzhaft, gerade wenn sie als Paar schon viele Gemeinsamkeiten, Erinnerungen und ein großes Geborgenheitsgefühl haben. Gleichzeitig ist ein unerfüllter Familienwunsch viel Sprengstoff.

Dritte Entscheidung: Trennen trotz Kind?

In den beiden ersten Phasen fällt die Trennung nicht leicht. Doch sie betrifft nur Sie beide! Eine Trennung von Frau und Mann in einer Familie ist immer eine Trennung von Mama und Papa für das Kind. Das tut jedem Kind weh, denn es besteht sozusagen aus Mama und Papa: Beide Anteile sind im Kind, zu beiden Elternteilen verspürt es Liebe und Loyalität. Deshalb haben wir hier eine besonders große Verantwortung als Erwachsene und Eltern.

Leider sind Paare im Rosenkrieg blind; die Verantwortung wird nicht übernommen und die Kinder werden für eigene Bedürfnisse genutzt. Das tut keinem gut! Deshalb ergibt es viel Sinn, die Trennung als letzte Lösung zu sehen. Wer sich aus einer Laune heraus trennt, handelt fahrlässig. Ich erlebe viele – gerade Männer – in meinen Beratungen, die sich frisch verliebt haben und jetzt dem Reiz des Neuen folgen wollen. Hormone machen blind. Das Aufwachen danach ist bitter und hinterlässt Folgeschäden. Sie merken, es wird kompliziert. Sie sind nicht mehr im lockeren Verliebtheitsstadium, sondern tragen plötzlich eine doppelte Verantwortung – gegenüber Familie und Affäre. Übrigens auch, wenn man sich vor der Verantwortung drückt. Verantwortung ist da, Sie können sie nicht abgeben. Was tun?

Bei Gesprächen mit Paaren mit Kindern, die kurz vor der Trennung stehen, zeigt sich immer wieder, dass die Partnerschaft auf der Strecke geblieben ist. Die Gründe dafür sind höchst unterschiedlich und individuell, wie Sie noch lesen werden. Ein Grund jedenfalls liegt in der fehlenden Bewusstheit und Ehrlichkeit innerhalb der ersten Entscheidungen als Paar – also vom Verliebtsein zur Liebe und vom Paar zur Familie. Diese Entscheidungen und die zugrundeliegenden Annahmen über das Familienleben zu analysieren ist ein längerer Prozess, der nur funktioniert, wenn beide es wirklich wollen. Es kommen dabei Lebenslügen und ausgeblendete Gefühle auf den Tisch. Doch wenn Sie sich als Paar diesem Prozess stellen, haben Sie die Chance zu einem Entwicklungsschritt, der die Familie wieder trägt und die Liebe wieder zum Vorschein bringt.

NOTFALLPLAN, WENN SIE AN TRENNUNG DENKEN

Als Verliebte: Folgen Sie Ihrem Herzen und Verstand.

Als Paar: Finden Sie die Ursachen für die Probleme in der Partnerschaft. Schauen Sie mit Herz und Verstand darauf und wägen Sie ab, ob Trennung die Lösung ist oder eher eine Flucht. Überlegen Sie, Hilfe im Rahmen einer Paarberatung zu holen, wenn Sie beide etwas ändern wollen.

Als Paar und Familie: Sie sind nicht mehr allein, sondern Sie tragen beide die Verantwortung für Ihre Kinder. Trennung sollte die letzte Lösung sein. Holen Sie sich Hilfe in einer Paarberatung. Wenn der Partner das nicht will, dann suchen Sie für sich selbst externe Hilfe, denn es geht darum, sich nicht zu spontanen Handlungen hinreißen zu lassen. Ausnahme: Sobald Gewalt vorhanden ist, müssen Sie zu Ihrem eigenen Wohl und dem Ihres Kindes sofort handeln.

WAS DIE PARTNERSCHAFT BEDROHT

Es ist der eine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Doch vorher sind schon viele Tropfen ins Fass geflossen. Die Entfremdung als Frau und Mann ist schleichend, sie wird oft kaum wahrgenommen und ist dann plötzlich da.

Wir haben uns nichts mehr zu sagen. Wir funktionieren
nach außen wunderbar. In uns drinnen sieht es leer aus
.

Ein Paar kurz vor der Trennung

Menschen verlieben sich, sie werden ein Paar und leben in Beziehung. Neben der körperlichen und geistigen Anziehung sind Interessen und Projekte eine Basis für ein gemeinsames Wachstum als Paar. Die Geburt eines Kindes stellt einen tiefen Einschnitt da: Jetzt sind wir Eltern! Prioritäten verschieben sich, Hobbys müssen pausieren. Der Freundeskreis erweitert sich um neue junge Eltern, kinderlose Freunde geraten in den Hintergrund. Die Liste lässt sich endlos weiterführen. Fazit: Ein Kind ist eine tiefe Veränderung im Leben eines Paares.

In der Soziologie spricht man hier von der Rushhour des Lebens. Alles auf einmal: Berufseinstieg, Karriereschritte sowie Familiengründung, also alles, was zwischen 25 und Ende 30 im Leben einer Frau oder eines Mannes passieren kann. Das ist für einige zu viel. Es kostet Kraft und Energie. Wenn die Partnerschaft keine Energie-Tankstelle mehr ist, sondern nur Energie raubt, dann besteht akute Gefahr für ein Paar.

Zwei Welten prallen aufeinander:
Familien- und Jobleben

Wenn er nach Hause kommt und fragt, was ich den ganzen Tag gemacht hätte, könnte ich ausrasten.

Mutter in Elternzeit

Wenn ich nach Hause komme, habe ich das Gefühl, ich störe.
Da bleibe ich doch lieber im Büro und sorge für das Geld
.

Beruflich erfolgreicher Vater

Mit der Geburt des ersten Kindes beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Und es wird eine neue Lebenswelt eröffnet: das Familienleben. Alles, was vorher das Paarleben ausgemacht hat, wie essen gehen, Freunde treffen oder spontane Kurzurlaube, hat jetzt Pause. Im Mittelpunkt steht die Liebe zum und die gemeinsame Verantwortung für das Baby.

Während ein Elternteil – häufig die Mutter – verstärkt für das Baby, Kleinkind oder Kind da ist, kümmert sich der andere Part – häufig der Vater – um die finanzielle Sicherheit der Familie. Sein Leben findet weniger im Kreis der Familie statt, sondern in Bürotürmen, in Konferenzen oder auf Baustellen, also jenseits der Familie.

Vor dem Kind war der Job Bestandteil von Gesprächen zwischen Ihnen: Man hat sich gegenseitig unterstützt, zugehört und beraten. Die Karriere beflügelt und kostet Kraft. Die Partnerschaft war die Tankstelle für das gemeinsame Auftanken, aber plötzlich ist die Zapfsäule besetzt. Ihr Kind bekommt die lebensnotwendige Liebe und Aufmerksamkeit, Ihr Partner steht hinten an.

Eine Folge ist, dass jeder sich in seine Welt zurückzieht. Sie geht ganz im Muttersein auf; er sieht seine Berufung in der Karriere, damit die Familie finanziell gesichert wird. Aus Paarspielern werden Einzelkämpfer mit wachsendem Unverständnis für die jeweiligen Lebenswelten des anderen.

Anzeichen der Krise

Sprachlosigkeit und Vorwürfe sind die ersten Anzeichen einer Krise. Er erzählt nicht mehr vom Job; sie erwartet mehr Anteilnahme an ihrem Alltagsleben mit dem Kind. Denn dieses Leben besteht nicht nur aus glücklichen Momenten, sondern auch aus viel Frustration, durchwachten Nächten, Krankheiten und Zweifeln, weil anderen Mütter alles zu gelingen scheint. Das alles rüttelt am Nervengerüst.

Da muss nur noch die Frage kommen „Was hast du eigentlich den ganzen Tag gemacht?“, und das Fass ist zum Überlaufen gebracht. Entweder explodiert der betreffende Elternteil und es gibt offenen Beziehungsstress, oder er implodiert, das heißt, er oder sie schluckt den Ärger hinunter und zieht sich zurück.

In beiden Fällen ist der arbeitende Partner genervt. Aus seiner Sicht kommt er nach Hause und ist erschöpft vom Job. Jetzt wäre es schön, freudestrahlend begrüßt zu werden; am besten ist auch schon eingekauft und das Abendessen steht auf dem Tisch. Stattdessen ist die Küche nicht aufgeräumt, das Kind schreit, und die Mutter – wahlweise der Vater – sieht aus, als ob sie (oder er) dringend eine Pause bräuchte. Da fühlt man sich nicht willkommen.

Falls Sie jetzt denken, das ist nun wirklich zu banal, muss ich Ihnen sagen: Leider nein. Diesen Zusammenstoß von zwei Lebenswelten erlebe ich immer wieder in meinen Beratungsgesprächen. Natürlich in den individuellsten Varianten, das obige Szenario ist nur eines von vielen. Doch allen liegt eine Struktur zugrunde: „Sie oder er sieht und versteht mich nicht mehr!“

Ursachen der Krise

Wieso sind wir in der Beziehung? Weil unser Partner uns das Gefühl gibt, wertvoll zu sein. Und wir wollen uns wertvoll fühlen. Das ist eine der Triebfedern in jeder menschlichen Beziehung – egal ob als Liebespaar oder im Kreis unserer Kollegen. Wir suchen und wünschen uns Anerkennung, Liebe und Wertschätzung, die einen mehr als die anderen. Das hängt davon ab, wie viel wir selbst als Kind von unseren Eltern bekommen haben.

Mit dem Kind gibt es jetzt Konkurrenz um die Wertschätzung. Der Mann und Vater rutscht bei seiner Frau auf den zweiten Platz ab. Das ist normal und verkraftbar, wenn er denn wieder eine Chance bekommt, auf Platz eins zurückzukehren. Im besten Falle nach 24 Monaten, also dann, wenn das Baby zum Kleinkind wird und nicht mehr hundertprozentig von seiner Bindungsperson – meist der Mutter – abhängig ist.

Die Frau und Mutter bekommt unmittelbar die unbedingte Liebe des Kindes zu spüren: durch die Geburt, beim Stillen, durch den Körperkontakt und durch den Mutterinstinkt. Hier ist jetzt jemand ganz anderes wichtig. Und das Baby braucht sie: „Ich bin wertvoll für das Kind, und das Kind ist wertvoll für mich“ – eine perfekte Beziehung.

Gefahren für Frau und Mann

Fühlt sich die Frau nicht gesehen in ihrem täglichen Einsatz für das Kind, den Haushalt und den eventuellen zusätzlichen Teilzeit- oder Vollzeitjob, dann ist eine oft gewählte Variante, sich die Wertschätzung und Zuneigung von dem Kind zu holen. Das Kind als Ersatzpartner ist für niemanden eine gute Lösung – dazu gibt es später noch einen eigenen Abschnitt im Buch.

Bekommt der Mann keine Wertschätzung und keine Zuneigung mehr von seiner Frau, wird er sich diesen fehlenden Part woanders suchen. Wertschätzung verknüpfen viele Männer mit beruflichem Erfolg und Anerkennung vom Chef, von den Kollegen und Kunden. Logisch, dass er in diese Welt eintauchen wird. Wenn zusätzlich eine sympathische und kinderlose Kollegin ihm signalisiert, dass er als Mann attraktiv ist, besteht die Gefahr, sich Zuneigung übergangsweise auch noch woanders zu suchen.

Diese Entwicklungen sind nicht zwangsläufig. Sie können eintreten, müssen aber nicht. Wieso passieren sie? Wenn man den Übergang verpasst, wo es Sinn ergibt und beziehungsnotwendig wird, wieder mehr Paar zu sein. Eine absehbare Durststrecke ist für jede Frau-Mann-Beziehung auszuhalten. Das war eventuell vor den Kindern schon der Fall, zum Beispiel bei beruflich bedingten Fernbeziehungen.

Doch genauso wie endlose Fernbeziehungen in die Brüche gehen, da sie oder er vor Ort jemand Neues kennengelernt hat, besteht diese Gefahr auch für Paare, die aus der Mutter- oder Ernährerrolle nicht mehr herauskommen. Familien- und Jobleben sollten nicht getrennt werden. Nehmen Sie Anteil an den Lebenswelten des Partners und integrieren Sie Ihren Partner in Ihre Lebenswelt.

DIE SCHLEICHENDE ENTFREMDUNG VERHINDERN

Machen Sie sich bewusst: Die ersten 24 Monate braucht Ihr Kind Sie. Sie sind gemeinsam Eltern. Die Frau-Mann-Beziehung macht eine Durststrecke durch. Das ist normal.

Spätestens nach 24 Monaten sollten Sie wieder verstärkt in die Paarbeziehung investieren. Nehmen Sie Anteil an den Lebenswelten Ihres Partners. Was beschäftigt Sie im Job und was bezogen auf die Familie?

Richten Sie einmal pro Woche feste Zeiten ein, wo Sie nur mit Ihrem Partner alleine sind und sich in Ruhe unterhalten können. Es geht darum, dass Sie sich wieder hundertprozentige Aufmerksamkeit schenken. Das ist Ihre Tankstelle für alle Herausforderungen in der Familie und im Job.

Die Sei-perfekt-Falle

Keiner putzt einmal die Woche so gut wie ich, trotz Job und Kindern.

Mutter mit 25-Stunden-Woche im Job

Haus im Grünen, Badesee um die Ecke, gute Schule.
Ich will meinen Kindern ein perfektes Umfeld bieten
.

Vater mit 60-Stunden-Woche im Job

Die Werbung in Kino, TV und Zeitschriften gibt das Familienbild vor. Gesunde, lachende Eltern im Familienkombi mit zwei Kindern (Junge und Mädchen) sowie Hund auf dem Weg zum Wochenendausflug oder Grillabend im großen gepflegten Garten. Alles perfekt!

Wieso ist das nur bei mir nicht so? Ich muss mich eben noch ein bisschen mehr anstrengen, mehr Disziplin zeigen, nur nicht schwach sein. Es liegt an mir, dass ich noch nicht perfekt bin. Also muss ich mich verbessern und optimieren. Dann wird alles gut. Ich schaffe das, auch wenn ich merke, dass es mich Energie kostet. Ich schaffe das!

Kennen Sie diese Gedanken? In meinen Vorträgen höre ich immer wieder neue Versionen aus dem Publikum. Der Leistungsgedanke aus der Wirtschaft hat das Familienleben gekapert. Effizientes und perfektes Zeitmanagement garantieren die Vereinbarkeit von Beruf und Familie – geht doch, oder? Nein, es geht nicht! Aus drei Gründen:

Die Liebe – gerade die Liebe zum Partner und den Kindern – ist nicht planbar. Sie ist da, kommt, geht, versteckt sich, entweicht, erneuert sich. Liebe lässt sich nicht managen. Liebe lässt sich nur fühlen. Liebe muss gepflegt werden, sonst geht sie ein.

Partner sind keine Teammitglieder wie im Job, sondern eine Herzensangelegenheit. Effizienz und Leistung im Herzen – wie soll das gehen?

Kinder sind keine Möbelstücke, die von einer Betreuung zur nächsten geschoben werden können. Kinder haben eine Seele.

Der ständige Begleiter: das schlechte Gewissen

Wer nicht perfekt ist, ist irgendwie falsch. Das kennen wir bezogen auf unsere Mutter- und Vaterrolle, auf unseren Körper, unsere Sexualität und unsere berufliche Laufbahn. Das ist der Nährboden für unser schlechtes Gewissen, den ständigen Begleiter von Eltern, insbesondere berufstätigen Eltern. Schlechtes Gewissen gegenüber den Kindern, nicht genug Zeit zu haben, gegenüber unserem inneren Bild von einem perfekten Familienleben, gegenüber unserer Karriere, die irgendwie ins Stottern geraten ist.

Komischerweise erwähnt kaum jemand in meinen Paargesprächen, dass er oder sie ein schlechtes Gewissen gegenüber seinem Partner hat. Die Partnerschaft wird als gesetzt angesehen. Sie soll alles tragen; da wird schon nichts passieren. Umso größer das Erstaunen und Entsetzen, wenn sich plötzlich hier ein wachsender Spalt auftut, der nicht so einfach wieder zu kitten ist. Ein Beispiel dafür finden Sie im Kasten.

DIE FAST PERFEKTE KARRIERE-MUTTER

Nach einem meiner Vorträge, „Partnerschaft leben mit Kind und Karriere“, erzählte eine Frau, sie habe kein Problem, alles perfekt unter einem Hut zu bringen. Ihre Arbeit erfülle sie sehr; sie sei viel auf Reisen, so dass sie auch gut einmal im Hotel ausschlafen könne oder abends mit Kollegen etwas erlebe. Wenn sie zu Hause sei, dann sei sie zu hundert Prozent für die beiden Kinder da. Alles sei gut.

Was sie nicht sah: Ihrem Mann fiel sprichwörtlich das Kinn herunter. Er schaute sie ganz entgeistert an und sagte nur vier Worte: „Was ist mit mir?“ Im Gesicht der Frau entstand ein sichtbares Fragezeichen: „Was soll die Frage?“

Ich hätte gern gewusst, ob und wie die beiden es geschafft haben, ein Paar zu bleiben. Ich drücke die Daumen, denn sie machten einen guten Eindruck – von außen gesehen. Fast perfekt …

Wie werde ich das Sei-perfekt los?

„Bitte, wie kann ich den Gedanken loswerden, perfekt sein zu müssen?“ Diese Frage ist ein Klassiker in der Paarberatung. Die Antwort hat eine gute und eine herausfordernde Seite.

Die gute Nachricht ist, es gibt einen Ausweg: die Erlaubnis. Die herausfordernde Nachricht ist: Sie müssen sich die Erlaubnis selber geben. Konkret bedeutet das:

Ich erlaube mir, dass die Küche nicht aufgeräumt ist.

Ich erlaube mir, dass der Wäschekorb überquillt.

Ich erlaube mir, dass mein Kind noch nicht läuft.

Ich erlaube mir, dass mein Kind nicht auf das Gymnasium geht.

Ich erlaube mir, nicht befördert zu werden.

Ich erlaube mir, keine Überstunden zu machen.

Ich erlaube mir, zu müde für Sex zu sein.

Ich erlaube mir, meinen Bauch zu lieben.

Es gibt eine unendliche Anzahl an inneren Erlaubnissen, die wir uns geben können. Der Sei-Perfekt-Antreiber verschwindet jedoch nicht auf Knopfdruck, sondern er wehrt sich. Mit Gegenargumenten, innerer Abwertung und schlechten Gefühlen. Wichtig ist, dass dies normal ist. Bleiben Sie dran an Ihrer inneren Erlaubnis. Trainieren Sie täglich eine Erlaubnis gegen Ihre Vorstellung von Perfektionismus. Ganz einfach, indem Sie zu sich leise oder laut sagen: „Ich erlaube mir, dass…“.

Perfektionismus hilft niemandem

Ihnen selbst hilft der Perfektionismus nicht. Er mag Sie zwar zu Höchstleistungen antreiben. Gleichzeitig wird er sie erschöpfen und ermüden. Ihr Akku leert sich. Ihre Stimmung schwankt, wenn es anders läuft als perfekt. Aber das Leben ist nie perfekt, es ist einfach da – mehr nicht.

Ihre Partnerschaft ist bedroht vom Perfektheitswahn. Was am Anfang der Beziehung noch als Running Gag funktionierte à la „Mach dich mal locker“, wird mit der Zeit eine Zündschnur für gegenseitiges Genervtsein. Spätestens wenn Ihr Partner wiederholt die Augen verdreht, haben Sie ein Anzeichen dafür, dass es ihm oder ihr reicht. Sie sollten handeln. Erlauben Sie sich endlich, nicht perfekt zu sein.

Perfekte Eltern sind eine echte Bedrohung für ihre Kinder. Es gibt keine perfekten Eltern – nirgends. Kinder lernen aus dem, was die Eltern ihnen vorleben. Daraus entwickeln sie ihr Selbstwertgefühl und ihre Glaubenssätze. Wenn Eltern perfekt sein wollen, dann bekommt auch das Kind leicht das Gefühl, perfekt sein zu müssen. Aber wie soll sich ein Kind selbst lieben lernen, wenn es das Gefühl hat, nicht perfekt zu sein? Das ist nicht gut für das Selbstwertgefühl eines Kindes. Der dänische Familientherapeut Jesper Juul bringt es auf den Punkt: Gute Eltern machen mindestens 25 Fehler am Tag!

AUSWEGE AUS DER SEI-PERFEKT-FALLE

Erkennen Sie an, dass Sie Perfektheitsgedanken haben. Nur was Sie anerkennen, können Sie ändern.

Sie können sich auf die Spurensuche machen, wo diese Gedanken ihren Ursprung haben. Das kann hilfreich sein bei der Ablösung. Suchtipp: Was haben Ihre Eltern zu Ihnen gesagt oder von Ihnen erwartet?

Geben Sie sich eine innere Erlaubnis: „Ich erlaube mir, dass …“ lautet ein Lösungssatz.

Erlauben Sie sich, nicht perfekt sein zu wollen bei Ihrem Bemühen, der Perfektsheitsfalle zu entkommen. Trainieren Sie täglich ein- bis zweimal die Loslösung. Übung macht den Meister!

Dokumentieren Sie in einem Tagebuch oder auf dem Familienkalender in der Küche Ihre Fort- und Rückschritte.

Vergessen Sie nicht: Liebe erlaubt, was ist; Liebe fordert nichts, Liebe ist einfach. Sie, Ihr Partner und Ihre Kinder brauchen Liebe – einfach und unperfekt. Also erlauben Sie sich zu lieben, was ist.

Immer dieser Streit ums Geld

Ich bin für die Kids da und hänge finanziell von ihm ab.
Ich habe das Gefühl, das ist ihm gar nicht so unrecht
.

Mutter in Elternzeit

Ich bin der Zahlmeister der Familie.
Da will ich auch wissen, wo das Geld hingeht
.

Vater mit 50-Wochenstunden-Job

Der Volksmund spricht es aus: „Beim Geld hört die Freundschaft auf.“ Wieso eigentlich? Nun, es entstehen Abhängigkeiten und Verpflichtungen. „Wer zahlt, sagt an“ ist so eine weitere Volksweisheit. Früher waren Frauen von ihren Männern finanziell abhängig. Die Ehe hatte damit auch immer die Aufgabe der Existenzsicherung.

Heute sieht die Welt anders aus. Frauen sind nicht mehr zwangsläufig abhängig von ihrem Mann, zumindest solange beide berufstätig sind. Mit der Gründung einer Familie ändert sich das schlagartig. Die meisten Paare wählen keine gleichberechtigte Aufteilung von Karriere und Kinderbetreuung, und ehrlich gesagt ist das auch schwer, denn die Arbeitswelt ist dafür nicht vorbereitet. Ob sie es jemals sein wird, steht in den Sternen, aber Spekulationen über zukünftige Modelle helfen hier nicht weiter.

Sie beide leben jetzt Ihre Partnerschaft, Sie müssen jetzt Geld verdienen und Kinder unter einen Hut bringen. Wenn Sie das traditionelle Familienmodell leben, wie die meisten Elternpaare in Deutschland, bedeutet das: Einer – meist der Mann – arbeitet Vollzeit, der andere – meist die Frau – übernimmt die Betreuung und verdient eventuell in Teilzeit dazu.

Wie Rollenbilder die Sicht aufs Geld bestimmen

Wer verdient mehr? Wer bezahlt das Candlelight-Dinner? Wer kauft die Markenklamotten für die Kinder? Mit dem Geld sind Rollenbilder verbunden, die immer noch wirken. Erfolgreiche Karrierefrauen sind sehr oft mit noch erfolgreicheren Karrieremännern zusammen. Frauen suchen sich kaum einen Partner, der weniger verdient als sie. Es scheint sehr tief in uns verankert zu sein, dass der Mann hauptsächlich für das Geldwohl verantwortlich ist.

Vielleicht liegt es an der Evolution? Früher brachte er die Nahrung von den Jagdzügen mit; heute hat der Gang ins Büro das Jagen ersetzt: Der Gehaltsscheck ist die moderne Voraussetzung für die Nahrungsbeschaffung.

Zusätzlich ist Geld die Währung, mit der unsere Gesellschaft Leistungen anerkennt. Man(n) fühlt sich wertvoll. Geld als Belohnung wird schon bei Kindern eingesetzt. „Wenn du dies tust, dann bekommst du von mir das“ lautet die Formel. Eine unabhängige, bedingungslose Wertschätzung aber hört sich anders an: „Du bist für mich wertvoll – ohne Wenn und Aber.“

Wenn Geld zum Machtmittel wird

In der Liebe spielt Geld durchaus eine Rolle, auch wenn uns das zunächst nicht bewusst ist. In der Verliebtheitsphase kaufen Männer gern Geschenke, laden zum Essen ein und so weiter. Sie haben ja auch ein Ziel. Wenn man dann ein Paar ist, ändert sich das – das Ziel ist ja erreicht. Doch natürlich gibt es hier weiter gegenseitige Essenseinladungen oder kleine Aufmerksamkeiten. Es ist eine Art, Liebe und Wertschätzung auszudrücken: Du bist es mir wert!

Im Familienleben bekommt das Geld eine weitere Bedeutung. Es wird existenziell – spätestens, wenn ein Partner der Kinder wegen auf sein Gehalt verzichtet. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit. Und niemand ist gern abhängig von jemand anderem. Deshalb ist es eine große Verantwortung für den geldverdienenden Partner, diese Macht nicht zu missbrauchen.

„DEIN GRINSEN MACHT MICH RASEND“

Eine Frau stellte in der Paarberatung die Forderung nach getrennten Konten. Sie wollte endlich wieder über ihr Geld allein verfügen. Und sie wollte, dass er ihre Familienleistung durch ein monatliches Familiengehalt anerkennt.

Ihr Mann war irritiert. „Du bekommst doch jeden Euro, den du willst“, sagte er. „Das stimmt“, war die Antwort. „Nur dein wohlwollendes Grinsen macht mich rasend. Ich bin keine Bittstellerin. Ich bin deine Frau und die Mutter deiner Kinder. Ich halte dir zu Hause den Rücken frei. Ich habe meine Karriere dafür aufgegeben. Ich will, dass du das würdigst und siehst. Ich will nicht abhängig sein von dir. Ich will klare Verhältnisse und finanzielle Freiheiten. Klar, nicht mein altes Gehalt. Aber eine monatliche Summe, die es mir ermöglicht, ohne dich zu fragen, einfach einmal was zu kaufen. Für mich, einfach so!“

Der Mann stammelte: „Aber ich liebe dich doch. Ich freue mich, wenn du mich fragst, deshalb grinse ich. Es gibt mir das Gefühl, noch wertvoll für dich zu sein. Ansonsten sehen wir uns ja kaum.“

Die Fakten und Missverständnisse waren auf dem Tisch. In der Beratung schafften es die beiden, sich Anerkennung, Liebe und Wettschätzung ohne Geld zu geben. Die Idee der getrennten Konten und des Familiengehalts griff der Mann nach Zögern auf. Es dauerte, bis er darauf vertrauen konnte, seine Frau damit wiederzugewinnen und nicht weiter zu verlieren.

Wer Geld dazu nutzt, sich die Gefügigkeit seines Partners zu erkaufen, baut auf Sand. Spätestens wenn es dem Partner gelingt, sich von dieser Abhängigkeit zu befreien, wird es brüchig in der Beziehung. Der Prozess ist schleichend und nicht offensichtlich. Wenn es zum Streit ums Geld kommt, dann liegt es sehr oft daran, dass hier eine Bühne gefunden wurde für tiefer liegende Probleme eines Paares.

Die Entfremdung, das Gefühl der Missachtung, das Nicht-Gesehen-Werden hat früher begonnen. Das Geld ist eine Waffe, die als Druckmittel eingesetzt wird. Der Partner ohne Geld akzeptiert es und bezieht Almosen oder Schmerzensgeld. Oder er akzeptiert es nicht und macht sich auf den Weg zur Unabhängigkeit. Was bleibt, ist der Riss in der Beziehung und im Vertrauen zueinander.

SCHAFFEN SIE KLARHEIT UMS GELD

Seien Sie ehrlich und offen: Wie viel Geld verdienen Sie? Welche Kosten haben Sie – als Familie und persönlich? Was bedeutet Geld für Sie?

Führen Sie ein gemeinsames Familienkonto. Da können zum Beispiel alle Gehälter rauf- und alle Kosten abgehen. Zahlen Sie sich beide vom Familienkonto eine monatliche Summe auf Ihr persönliches Konto. Dieses Geld steht nur Ihnen zur Verfügung. Genießen Sie es.

Alternativ machen Sie es andersherum: Zahlen Sie monatlich eine Summe von Ihren Konten auf ein gemeinsames Familienkonto. Hier gehen alle Kosten der Familie ab. Das restliche Geld steht Ihnen auf Ihren Konten zur Verfügung.

Alles Quatsch? Ein Paar, eine Familie, ein Konto? Wenn es klappt – Glückwunsch! Meine Beratungserfahrung zeigt jedoch: Wenn es nicht klappt, hat plötzlich ein Partner ein Schwarzkonto oder eine Kreditkarte, die vorher niemand kannte. Transparenz und Vertrauen sind erschüttert.

Das schlechte Gewissen macht mich
ungenießbar

Ich will es allen recht machen, aber es kommt immer einer zu kurz. Dann fühle ich mich einfach schlecht – nicht gerade sexy, dieses Gefühl.

Mutter mit Teilzeitjob und zwei Kindern

Ich habe schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich sehe, was meine Frau alles stemmt in der Familie. Nur: Bei meinem Vollzeitjob komme ich einfach nicht früher aus dem Büro, keine Chance!

Vater und Ehemann

Das schlechte Gewissen lauert gerade bei berufstätigen Eltern an jeder Ecke: Entweder ist man die Rabenmutter oder der Low Performer im Job. Irgendwer hat immer etwas zu meckern. Wenn Sie dafür empfänglich sind, dann kann das schlechte Gewissen blühen. Dabei kann es Ihnen schnurzpiepegal sein, was andere Mütter oder die Kollegen sagen. Worauf es als Paar wirklich ankommt, ist, wie Ihr Partner darüber denkt und fühlt.

Wieso? Weil Ihr Partner Ihre Kraftquelle ist. Wenn Sie Ihren Partner lieben und er Sie, dann haben Sie eine wunderbare Basis, sich den Anforderungen der Job- und Familienwelt zu stellen. In den Armen des anderen lassen Sie sich fallen und tanken auf, im beiderseitigen Wechsel und in tiefer Zuneigung. Schöne Fantasie und kilometerweit von Ihrer Paar-Realität entfernt? Höchstwahrscheinlich lautet die Antwort: Ja. Doch es liegt an Ihnen, ob Sie die Entfernung vergrößern oder verringern wollen.

Nahrung für das schlechte Gewissen

Ich unterscheide in meinen Vorträgen gern zwei Arten des schlechten Gewissens: Es gibt die konkrete und diffuse Variante.

Das konkrete schlechte Gewissen ist ein leicht handbares Phänomen. Es besteht aus einer einfachen Logik: Ursache erzeugt Wirkung.

DAS KONKRETE SCHLECHTE GEWISSEN

Beispiel: Sie holen Ihr Kind zu spät vom Kindergarten ab. Es steht bereits angezogen und als letztes Kind mit einer genervten Erzieherin vor der Eingangstür des Kindergartens. Im Auto weint Ihr Kind; der Frust über die verspätete Mami muss raus.

Gefühlslage: Das fühlt sich nicht gut an. Im Kopf entstehen Gedanken wie „Oh Mann, was bin ich für eine schlechte Mutter!“ oder „Wieso bin ich immer die Letzte beim Abholen? Ich bin wohl zu langsam.“ Eine Mischung aus Trauer und Wut kommt hoch.

Lösungsweg: Sie wissen genau, wieso sie zu spät waren. Egal ob Sie nicht rechtzeitig aus dem Büro kamen oder es der alltägliche Stau war: Es liegt in Ihrer Hand, die Sache in Zukunft konkret zu ändern: Nein sagen zum Chef und früher Losfahren sind hier die einfache Lösung.

Die Nahrung für das diffuse schlechte Gewissen lässt sich leider nicht so einfach verorten. Die einfache Logik, Ursache erzeugt Wirkung, greift hier nicht. Es wabert diffus in Ihnen herum, jederzeit bereit, aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Und es hat mehr Wirkung. Es gibt Ihnen das Gefühl, grundsätzlich nicht richtig zu sein. Sie können nicht einfach einen Haken dranmachen und sagen, ab morgen ändere ich das. Es kommt wieder, denn es gehört zu Ihnen und verweist auf ein ungelöstes tieferes Problem.

DAS DIFFUSE SCHLECHTE GEWISSEN

Beispiel: „Wieso hast du eigentlich Kinder, wenn du nur am Arbeiten bist? Du verpasst doch so viel. Und die armen Kinder, die haben keine echte Mutter.“ Solche Aussagen bleiben hängen und wirken.

Gefühlslage: Ihr Kopf weiß, dass es Ihrem Kind gut geht; Ihr Herz fühlt es. Und doch scheinen Sie dieser Vorstellung von sich nicht zu entsprechen. Daher entsteht ein leiser Zweifel, ein ungutes Gefühl, es doch nicht richtig zu machen – die Vorboten des diffusen schlechten Gewissens.

Lösungsweg: Allen Eltern – egal ob Mutter oder Vater – die mit einem diffusen schlechtem Gewissen in die Beratung kommen, gebe ich eine Hausaufgabe mit: Was für eine Mutter/Was für ein Vater willst du sein? Auf diese Frage bedarf es einer durchdachten und durchfühlten Antwort. Denn aus dieser bisher nicht ganz ehrlich beantworteten Frage bekommt das diffuse schlechte Gewissen seine Nahrung.

Verantwortung heißt das Lösungswort

Das schlechte Gewissen hat nur ein Ziel: Es erinnert Sie an Ihre Verantwortung. Was das schlechte Gewissen sofort stoppt, ist die Übernahme dieser Verantwortung.

Beim konkreten schlechten Gewissen kennen Sie die Ursache. Sie können es beim nächsten Mal ändern. Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Handeln. Dann brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen und herumzudiskutieren. Da, wo Sie verantwortlich sind, sollten Sie zu dieser Verantwortung stehen. Das heißt konkret: Es tut mir leid, was ich gemacht habe. Ich kenne den Grund und werde zukünftig anders vorgehen.

Beim diffusen schlechten Gewissen kennen Sie ebenfalls Ihre Verantwortung. Sie haben immer noch blinde Flecken in Ihrem Innenleben bezüglich des Lebensentwurfs, den Sie gewählt haben. Also bringen Sie Licht ins Dunkel: Leuchten Sie Ihre Glaubenssätze, inneren Vorbilder und Antreiber aus. Setzen Sie sich mit Ihnen auseinander. Damit übernehmen Sie Verantwortung für Ihren Lebensweg und rauben gleichzeitig dem schlechten Gewissen seine Energiequelle.

Ihr Partner wird es Ihnen danken. Denn Sie werden damit auch Verantwortung in der Gestaltung Ihres Paarlebens übernehmen. Keiner sollte warten, dass der andere den ersten Schritt macht. Im Idealfall gehen Sie beide gleichzeitig aufeinander zu und teilen mit, was Sie zukünftig anders machen wollen, damit die Beziehung wieder blüht.

SCHLUSS MIT DEM SCHLECHTEN GEWISSEN

Das schlechte Gewissen hilft niemandem. Also braucht es auch keiner.

Finden Sie heraus, um welche Variante es sich bei Ihrem schlechten Gewissen handelt: Ist es konkret oder diffus?

Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Denken, Fühlen und Handeln. Damit entziehen Sie sofort dem schlechten Gewissen die Nahrung. Hilfreiche Sätze sind: „Es tut mir leid, dass ich XY getan habe“ oder „Ich habe gemerkt, dass ich mit mir und meiner Elternrolle nicht im Reinen bin. Ich werde das jetzt aktiv für mich klären. Eventuell suche ich mir dafür eine Beratung.“

Wir sind nur noch ein gutes Team

Wir sind als Eltern super. Tolle Abstimmung untereinander, er unterstützt mich echt gut. Ich weiß gar nicht, was er hat? Dass Liebe und Sex da pausieren, ist doch normal, oder?

Frau und Mutter

Ich will nicht nur ein gutes Team sein. Ich will wieder Leidenschaft, Erotik, Sex – einfach wilde Sachen machen wie früher. Ich merke, dass ich dabei bin, mich in eine junge Kollegin zu vergucken – da knistert es endlich mal wieder. Ich spüre mich da wieder als Mann und nicht nur als Vater.

Mann und Vater

Teamwork als Eltern, Teamwork im Haushalt, Teamwork im Bett – ist das die perfekte Symbiose zweier Liebender? Ein Team besteht stets aus Einzelmitgliedern. Wenn das Ich ganz im Wir aufgeht, droht es sich zu verlieren. Eigene Bedürfnisse und Wünsche stehen hinten an, wenn das Team den Weg bestimmt. Zu Zeiten einer Fußballweltmeisterschaft ergibt das Sinn. Der Mannschaftsgedanke ist ein Erfolgsfaktor, Teams mit nur für sich spielenden Einzelstars tun sich eher schwer. Doch so eine Weltmeisterschaft ist irgendwann auch zu Ende, und jedes Teammitglied fährt danach allein in den Urlaub.

Die ersten zwei Jahre mit Kind sind Ihre Familienmeisterschaft. Da erleichtert das Teamgefüge den Alltag sowie die vielen neuen Herausforderungen mit Baby und Kleinkind. Symbiosen auf Zeit können sehr hilfreich sein, Symbiosen ohne Ende führen dagegen häufig in den Beziehungsabgrund.

Wieso der Teamgedanke die Liebe gefährden kann

Paare sind stets ein Team. Der Teamgedanke ist Nährboden für den Alltag. Wenn darauf allerdings nur noch eine Pflanze wächst – die Familienpflanze –, dann gehen dem Boden in absehbarer Zeit die Nährstoffe aus. Wo kann da die Paarliebe blühen, wenn alles auf Familie getrimmt ist?

Beziehungen sind wie Pflanzen. Sie müssen gepflegt, gegossen, gedüngt und manchmal auch beschnitten werden. Dann können sie in Liebe blühen. Vernachlässigung und Wildwuchs führen dazu, dass zarte Pflanzen eingehen und die starken alles überwuchern. Pflegen Sie also den Garten Ihrer Liebe gemeinsam.

„ICH BRAUCHE ENDLICH WIEDER LUFT ZUM ATMEN“

Ein Mann der das Thema am Anfang nicht gemeinsam mit seiner Frau anschauen wollte, bat bei mir um eine Einzelberatung. Endlich sollte es mal wieder nur um ihn gehen.

Im telefonischen Vorgespräch ließ er bereits seinem Frust und seinen Sorgen freien Lauf. Für ihn hing seine Frau wie eine Klette an ihm. Sie seien zwar ein harmonisches Team und bekämen die zwei Kinder, den Job und die Großfamilie gut unter einen Hut, das sei dann aber auch schon sein ganzes derzeitiges Leben. Wenn er einmal mit seinen Kumpels einen Feierabendkick im Park machen wolle, gebe es Stress. „Ich brauche endlich wieder Luft zum Atmen.“ Das war sein Fazit.

Er ließ sich von mir überzeugen, dass es Sinn ergibt, mit seiner Frau – also als Team – in einer Paarberatung nach Wegen zu suchen, die nicht nur ihm, sondern allen beiden mehr Freiheiten ermöglichten.

Zurück zum Familienalltag. Ein gutes Team ergibt Sinn bei diesen Themen:

Kinderversorgung

Erziehung

Haushalt

Krankheiten und Pflege

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Wenn Sie hier die Verantwortlichkeiten geklärt haben, sich aufeinander verlassen können und gemeinsame Routinen entwickeln, dann erleichtert dies ungemein den Familienalltag. Und es schafft Freiraum für ein teamloses Paarleben. Nutzen Sie diesen Freiraum, bevor der Alltag Sie auffrisst.

Als Paar ab und zu bewusst kein Team sein

Wenn ich in Beratungen Paaren empfehle, sich vom Teamgedanken einmal zu verabschieden, dann fällt es vielen spontan schwer, sich mit diesem Gedanken anzufreunden. Und doch ist es so essenziell, einmal frische Luft ohne den Partner zu atmen. Seltsamerweise tun sich Frauen meiner Erfahrung nach damit schwerer als Männer.

Damit eine Partnerschaft wachsen kann, müssen Frau und Mann persönlich wachsen. Für persönliches Wachstum brauchen Sie Zeit mit sich alleine. Nur so können Sie nach innen gehen, reflektieren und neue Wege entdecken. Hilfreich sind hierbei Impulse von außen. Die können zum Beispiel von alten Freunden kommen, die man seit der Geburt des Kindes nicht mehr alleine getroffen hat. Da man ja eine Familie ist, hat man ja alles gemeinsam gemacht. Sie glauben gar nicht, wie toll es für Sie und einen Freund oder eine Freundin sein kann, mal ein partnerloses Wochenende zu verbringen.

Nach so einer Frischzellenkur als Frau und Mann werden Sie sich als Paar neu begegnen. Plötzlich wird Ihr Gegenüber wieder geheimnisvoll und interessant. Er hat ja etwas jenseits von der Familie und Ihnen erlebt. Wie ging es ihr oder ihm damit? Was wird sie oder er erzählen? Spüren Sie schon ein neugieriges Interesse?

DIE BALANCE VON TEAM- UND FREIRÄUMEN

Seien Sie ein Team, wenn es um den Alltag geht. Das erleichtert ungemein die Familienabläufe, spart Energie und schafft Freiräume.

Nutzen Sie die Freiräume – zu zweit als Frau und Mann oder jeder für sich einzeln.

Denken Sie daran, ein Team ist immer so gut wie seine Einzelmitglieder. Ermöglichen Sie daher jedem Mitglied persönliches und unabhängiges Wachstum.

Alles ist im Fluss – auch die Teamkonstellation. Wenn Sie persönlich wachsen, dann werden Sie sich im Team auch immer wieder frisch begegnen und neue Seiten bei Ihrem Partner entdecken. Der Garten Ihrer Liebe bekommt neue Blüten!

Wenn Partner sich unterschiedlich entwickeln

Ich mache viel Yoga, bin Vegetarierin geworden. Das Leben besteht aus so viel mehr als aus Geld, Konsum und Karriere. Das Leben meines Mannes wird mir immer fremder.

Frau und Mutter

Früher haben wir beruflich an einem Strang gezogen und uns ausgetauscht. Das war schön – ich vermisse das.

Unternehmer, dessen Frau aus dem Unternehmen ausgestiegen ist

„Bleib so, wie du bist“ oder „Mann, du hast dich überhaupt nicht verändert“ sind typische Wünsche und Aussagen von Freunden oder Familienmitgliedern. Wenn man sich nicht täglich sieht, dann fallen Veränderungen deutlich mehr auf.

Das Leben besteht aus einer festen Konstante: der ewigen und immerwährenden Veränderung. Es wäre doch sehr schade, wenn Sie keine Entwicklungsschritte mehr machen; wenn mit 30 oder 40 das persönliche Limit erreicht wäre. Nur: Jede Veränderung birgt das Risiko, dass der Partner sagt: „Äh, so habe ich mir dich nicht vorgestellt.“

Beziehung bedeutet Wachstum

Persönliches und partnerschaftliches Wachstum halten Beziehungen zusammen. Gemeinsame Visionen wie Familiengründung, Hausbau oder berufliche Selbstständigkeit helfen, schwierige Zeiten zu überwinden. Paare, die sich gegenseitig den Rücken freihalten und die individuelle Persönlichkeitsentwicklung fördern, befinden sich auf dem Highway des Lebens und stecken nicht in einer Sackgasse fest.

Doch was ist, wenn ein Partner beschließt, eine Ausfahrt zu nehmen, die vom gemeinsamen Weg wegführt? Sie gehen möglicherweise ein Risiko ein, wenn Sie sich den Freiraum zur Selbstentfaltung lassen, einen Raum, den Sie brauchen, um nicht zu ersticken – und der doch verbunden ist mit der Gefahr, allein zu sein.

Sie haben sich in einer bestimmten Lebenssituation verliebt; sie haben beschlossen, ein Paar zu werden und dann den Schritt zu einer Familie vollzogen. Jeder von ihnen beiden hat sich in den verschiedenen Phasen der Beziehung weiterentwickelt, neue Seiten an sich entdeckt und diese gelebt oder unterdrückt.

Wenn die Kinder aus dem Gröbsten heraus sind, lässt sich manchmal beobachten, dass sich Prioritäten und Lebensansichten verschoben haben. Die Welt und alles, was wichtig ist für das eigene Wohlergehen, wird neu betrachtet. Das ist der gesunde und lebensbejahende Einfluss von Kindern. Stand früher der eigene Erfolg und das Einkommen im Vordergrund, geht es jetzt womöglich eher um Nachhaltigkeit, um den Kindern einen gesunden Planeten zu vererben.

NEUBEGINN DURCH YOGA

In diesem Beispiel werde ich persönlich, denn es handelt sich um meinen eigenen Weg. Ich lernte meine Ex-Frau kurz nach dem Studium während eines Praktikums bei einer großen Verlagsgruppe kennen. Mein Fokus war ganz auf Karrieremachen ausgerichtet. Das passte sehr gut zu dem Fokus meiner Ex-Frau.

Wir verliebten uns, wurden ein Paar mit gemeinsamen Interessen wie Reisen und Segeln und heirateten schließlich. Kurz danach wurde unsere erste und zwei Jahre später unsere zweite Tochter geboren. Unsere Familienwerte stimmten überein; wir zogen an einem Strang – auch was die Karrieren anging, denn von Anfang an lebten wir double income – two kids.

Kurz nach der Hochzeit kam es für mich zu einem Schicksalsschlag, dessen gesamte Auswirkungen ich erst rückwirkend überblicke. Mein Vater starb mit Anfang 50 aus heiterem Himmel. Für mich ein Wendepunkt bezogen auf meine Karriere. Ich geriet ins Grübeln, ob „höher, schneller, weiter“ wirklich das war, was ich wollte. Zum Ausgleich begann ich mit Yoga. Hier legte ich einen Samen für eine persönliche Entwicklung, dessen Ernte mein Leben veränderte.

Nach intensiven acht Jahren mit teilweise fast täglicher Yogapraxis habe ich mich verändert. Prioritäten und Werte haben sich verschoben. Mit Anfang 40 kam für uns beide als Paar der Knackpunkt: Wie wollen wir zukünftig leben? Die Antworten fielen für uns sehr unterschiedlich aus. Wir hatten keine gemeinsame Vision mehr für uns als Paar.

Nach einem schmerzlichen Prozess der Erkenntnis beschlossen wir, dass unsere Wege sich trennen sollten. Uns war von Anfang an klar, dass wir weiterhin Eltern unserer Töchter bleiben werden. Es trennten sich Frau und Mann; Mutter und Vater für die Kinder blieben erhalten – nur in einer neue Wohn- und Lebenskonstellation.

Nach ein paar Jahren persönlicher Neusortierung haben wir beide neue Partner gefunden, mit denen wir unsere Lebensvisionen teilen und neues Paarwachstum möglich ist.

Solange Sie Ihren Partner an Ihrer Entwicklung teilhaben lassen, ihn informieren und integrieren, besteht die große Chance, dass Sie beide davon profitieren und es Schwung in Ihre Beziehung bringt. Sobald sich ein Partner abgehängt fühlt oder die Entwicklung eher als eine Fort- und nicht als eine Weiter-Entwicklung empfindet, besteht die Gefahr der Entfremdung.

Den Kindern zuliebe ein Paar bleiben?

Das obige Beispiel beschreibt eine Zwickmühle. Auf der einen Seite funktioniert das Familienleben, während sich das Paarleben entfremdet. Die Eltern konnten sich aufeinander verlassen; den Kindern ging es gut. Auf der anderen Seite waren beide Partner unzufrieden. Immer stärker wurden die Unterschiede im Wertesystem und in den zukünftigen Visionen deutlich. Da sich keiner dem anderen einfach anpassen oder unterordnen wollte, stand die Trennung im Raum.

Egal welchen Weg Sie wählen, Aushalten oder Trennung, Sie werden etwas verlieren. Bleiben Sie bei der Familie, dann verzichten Sie auf Ihre persönliche Vision und Ihre Potenziale in der Selbstentfaltung. Wählen Sie die Trennung, dann verlieren Sie das Familienleben. Wie Sie sich auch entscheiden: Wenn Sie es schaffen, sich respektvoll und ohne persönliche Verletzungen zu trennen, haben Sie eine gute Chance, als Eltern-Paar weiterhin gut zu sein. Das Wichtigste für die Kinder ist, dass ihnen nicht Mutter oder Vater verloren gehen. Plus, dass diese nicht schlecht übereinander reden, also respektvoll zueinander sind.

Sie können jederzeit die Verantwortung für Ihr Paarleben abgeben, indem Sie die Partnerschaft beenden. Die Verantwortung für Ihre Kinder und damit auch für die Art und Weise einer Trennung liegt ganz bei Ihnen. Gehen Sie auf jeden Fall achtsam und bewusst damit um!

WENN DIE INNERE STIMME SAGT, ES PASST NICHT MEHR

Hören Sie Ihrer inneren Stimme zu. Gehen Sie in einen inneren Dialog: „Was sind die Gründe für meine Unzufriedenheit?“

Wenn Sie sich verändert haben und nicht mehr zu Ihrem Partner passen, dann sprechen Sie genau dies an. Wichtig: Präsentieren Sie keinen Fakt, der unveränderbar ist, sondern nutzen Sie das Gespräch, dem Partner eine Chance zu geben, darauf zu reagieren – nicht von heute auf morgen, sondern in einem angemessenen Zeitraum.

Holen Sie sich Hilfe von einem Berater oder Coach. Manchmal übernimmt die innere Stimme nur eine Sichtweise und übersieht dadurch Lösungswege, die eine Partnerschaft retten und weiterentwickeln würden.

Falls Sie mit einer Trennung liebäugeln, bedenken Sie, dass nach dem gefühlten Befreiungsschlag die Trauer über den Verlust der Familie und eventuell sogar des Partners kommen wird. Das gehört immer dazu. Seien Sie darauf vorbereitet.

Überlegen Sie sich, welches Vorbild Sie für Ihre Kinder sein wollen: Jemand, der der Familie zuliebe auf seine Selbstentfaltung verzichtet, oder jemand, der seiner Selbstentfaltung zuliebe auf seine Familie verzichtet. Die Lösung ist nicht schwarz oder weiß, sondern liegt irgendwo dazwischen – also grau.

NUR NOCH DIE KINDER IM BLICK?

Mit der Geburt des ersten Kindes verändert sich die Liebesrangliste. Der Mann und Vater rutscht auf Platz zwei. Das macht ihm nichts aus – außer er bleibt dauerhaft Second-Best. Es ist für viele Paare eine Herausforderung, die Balance von Familien-und Paarliebe zu finden und neu zu justieren.

Ich liebe meinen Sohn über alles. Er hat absolute Prio
in meinem Leben. Dann erst kommt der Vater
.

28-jährige Mutter

Meine Frau sieht in mir nur noch den Vater unseres Sohnes.
Ich bin aber auch noch etwas anderes!

Der 32-jährige Ehemann

Kinder sind von den Eltern abhängig. Daher ist es natürlich, dass die Bedürfnisse der Babys und Kleinkinder sehr weit oben stehen. Die Mutter-Kind-Beziehung ist alleine durch den Akt der Geburt eine besondere.

Väter bauen sich die Beziehung auf, indem sie sich von Anfang an mit um das Kind kümmern. Oder sie verbauen sich die Beziehung zu ihrem Kind – meistens durch Abwesenheit und Drücken vor Verantwortung.

Die drei Klassiker in der Paarberatung sind:

nur noch das Kind steht im Mittelpunkt,

Kinder werden zum Ersatzpartner gemacht, und

ein Tabuthema: die stille Eifersucht des Mannes.

Die Kinder sind plötzlich das Wichtigste

Ich könnte im meinem Leben auf alles verzichten.
Aber niemals auf meine Kinder
.

Spruch auf Facebook – vielfach geteilt

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869105208
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2017 (Februar)
Schlagworte
berufstätige Eltern Baby starke und erfüllte Partnerschaft Arbeits- und Liebesleben Frust im Bett Liebe und Partnerschaft Selbstcoaching-Ratgeber Ehe-Ratgeber Kinder

Autor

  • Sascha Schmidt (Autor:in)

Sascha Schmidt ist Paarberater und familylab-Seminarleiter. Sein Schwerpunkt liegt auf Nothilfe für Paare in der Krise. Aufgrund seiner umfangreichen Beratungserfahrung weiß er, wie sich schwierige Situationen in der Partnerschaft alltagstauglich auflösen lassen. Für diesen Ratgeber hat er die besten Tipps für alle Eltern zusammengetragen, die zwar als Team funktionieren, sich aber als Paar verloren haben.
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Titel: Wieder Paar sein!