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Work-Love Balance

Lustvolles Liebesleben trotz Stress und Alltag

von Bernhard Moritz (Autor:in)
192 Seiten

Zusammenfassung

Für erfüllten Sex in der Partnerschaft: Stress bei der Arbeit, Hausaufgaben mit dem Kind, zwischendurch Haushalt – und abends platt: Im üblichen Alltagstrubel bleibt das Liebesleben vieler Paare auf der Strecke. Dieser Ratgeber bringt auf den Punkt, wie Sie „Der Monat ist wieder rum“-Sex hinter sich lassen und endlich wieder eine lustvolle und wertschätzende Partnerschaft leben. Der Autor erklärt verständlich, warum bestimmte Verhaltensmuster entstehen – und wie Sie ihnen mit einfachen, alltagstauglichen Anregungen und Übungen entfliehen. Der perfekte Ratgeber gegen Frust im Bett!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT


„Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit!“

Friedrich Nietzsche


Liebe Leserin, lieber Leser,

dieses Buch soll eine mehrfache Einladung sein: an Sie, an Ihren Partner und an Sie beide als Paar.

Dieses Buch soll ein praktischer Ratgeber für Sie sein, Erotik und Sinnlichkeit im partnerschaftlichen Alltag für sich selbst und miteinander neu erlebbar und erfahrbar zu machen – und das nicht mit viel Theorie oder Belehrungen, sondern mit praktischen Tipps, die neugierig machen und Impulse geben.

Ich lade Sie ein, Ihre erotisch-sexuelle Beziehung mit sich selber und mit Ihrem Partner neu zu gründen. Hinterfragen Sie für sich selbst und miteinander Ihre gelebte und erlebte Sexualität liebevoll-kritisch. Würdigen Sie das Gute und Schöne, das Sie haben, und betrachten Sie das Verletzende, Kränkende, Beschämende daran mit Nachsicht. Sie können es zurücklassen, wenn Sie wollen, und mit Neugier und Lust der damals von Ihnen beiden begonnenen, erotischen Geschichte ein neues, anderes Kapitel hinzuzufügen.

Ich zeige Ihnen, wie Sie Ihre gegenseitige „Schonhaltung“ verabschieden und mutig und risikofreudig Neues bei sich, bei Ihrem Partner und miteinander entdecken, es zulassen und erleben können. Lernen Sie, dem erotischen Frust im Alltag nicht jene hemmende Aufmerksamkeit zu schenken, die er sich erschlichen hat, sondern finden Sie eine gute Balance zwischen Alltagsstress, beruflichen Herausforderungen, Kindererziehung und Ihren individuellen Bedürfnissen und Erotik für sich selbst und gemeinsam.

Wir dürfen Erotik und Sexualität nicht einfach als zu einer Beziehung dazugehörig betrachten, als wären sie ein verbrieftes Recht, sondern wir müssen der eigenen wie auch der partnerschaftlichen Erotik und Sexualität bewusst Raum, Zeit, Wert und Bedeutung geben. Sie und Ihre Beziehung haben diese Lebens-, Liebes- und erotische Qualität verdient.

Wer sich Instant-Lösungen oder „Sextipps to go“ erwartet, wird enttäuscht sein. Ratgeber solcher Art sind für jeden Geschmack und jede Spielart reichlich vorhanden. Dieser Ratgeber ist anders. Er lädt Sie dazu ein, für sich selbst und als Paar in der Beziehung eine erotische Alltagskultur zu entwickeln und zu pflegen. Er bietet sowohl Impulse zum Nachdenken und Nachspüren als auch Anstöße, die im ersten Moment ungewöhnlich, mutig, herausfordernd, ja im wahrsten Sinne des Wortes „anstößig“ scheinen mögen. Sie halten eine praktische und alltagstaugliche Hilfe und Anregung in Händen, sich gegen „Gefährdungen“ durch Kinder, Karriere und alles, was den Alltag zum Alltag macht, zu wappnen. Nehmen Sie sich Zeit und Raum, sich mit Ihrer individuellen und gemeinsamen Erotik und Sexualität zu beschäftigen und wagen Sie sich auf Entdeckungsreise!

Einladungen an Paare – egal in welcher geschlechtlichen Konstellation – richtet man gewöhnlich mit einer persönlichen Anrede an beide Partner. Es sei mir verziehen, wenn ich, um den Lesefluss nicht zu stören, immer die männliche Form wähle: Ich vertraue darauf, dass sich Frauen ebenso wie Männer angesprochen fühlen und sich inspirieren lassen.

In diesem Sinne freut es mich, wenn Sie meine Einladung annehmen und ich Ihnen Impulsgeber und fachlicher Begleiter bei der Neugründung Ihrer erotisch-sexuellen Beziehung zu sich selbst und miteinander sein darf.

Viel Freude und Neugier beim Lesen und Ausprobieren!

Ihr

Bernhard Moritz

WIE SIE DIESES BUCH NUTZEN

Dieses Buch versteht sich als Begleiter und Impulsgeber für Ihren erotischen Alltag. Es ist ein Buch zum Schmökern, zum Hineinschnuppern, zum Neugierigwerden. Ich möchte Sie zum Nachdenken anregen, aber auch zum Inspirieren, Entdecken und Ausprobieren.

Die Kapitel sind in sich inhaltlich abgeschlossene Einheiten. Je nach Lust, Laune und individueller Paarsituation wird Sie das eine oder andere Kapitel mehr oder weniger ansprechen. Sie müssen nicht von vorne bis hinten lesen – suchen Sie sich aus, was Sie gerade am meisten anspricht.

Jedes Kapitel beinhaltet die Elemente „Gedankenspiele“, „Bettgeflüster“ sowie „Impulse“ in variabler Form.

Mit den „Gedankenspielen“ und dem „Bettgeflüster“ möchte ich Sie animieren, das erotische Erleben für sich selbst ein wenig zu durchleuchten und sich mit Ihrer eigenen Sexualität auseinanderzusetzen. Nehmen Sie die Fragen, die Sie ansprechen oder die Sie interessant finden, einfach in Ihren Alltag mit und erlauben Sie sich, darüber nachzudenken, wann immer Sie dazu Lust und Zeit haben. Und: Die Fragen, die man als am unangenehmsten empfindet, sind meistens die interessantesten!

Das „Bettgeflüster“ hilft Ihnen, das Thema Erotik und Sex (wieder) in die partnerschaftliche Kommunikation einzubringen und die Aufmerksamkeit auf das Positive und Konstruktive zu lenken. Laden Sie Ihren Partner ein, sich ebenfalls über diese Fragen Gedanken zu machen. Vereinbaren Sie einen für Sie beide passenden Zeitpunkt, in der Sie darüber ins Gespräch kommen können.

In den praktischen „Impulsen“ vermittle ich Ihnen alltagstaugliche Tipps und Anregungen für den individuellen und gemeinsamen erotischen Alltag. Die „Impulse“ sind kein „Trainings-“ oder „Optimierungsprogramm“ für besseren Sex, vielmehr verstehen sie sich als konkrete Vorschläge, Sinnlichkeit und Erotik in Ihren Alltag zu integrieren, sich inspirieren zu lassen und die Qualität der individuellen und der gemeinsamen Sexualität zu erhöhen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Impulse zu nutzen:

Sie können damit Ihr individuelles erotisch-sexuelles Potenzial erweitern, sich erotisch neu entdecken, mehr Selbstbewusstsein in diesem Bereich entwickeln und die eigenen Spielarten erweitern.

Sie können neugierig sein, wie sich durch die Impulse Erotik und Sex mit ihrem Partner für Sie selber verändert – oder ob Ihr Partner die eine oder andere Veränderung bei Ihnen entdeckt und wie er darauf reagiert.

Sie können Ihrem Partner vorschlagen, den einen oder anderen Impuls gemeinsam zu probieren und damit gemeinsam Neues in Erotik und Sex miteinander zu entwickeln.

Suchen Sie sich zunächst nur jene Impulse aus, auf die Sie neugierig sind. Wichtig ist, dass Sie die „Impulse“ für sich so abändern, dass sie in ihre Lebenswelt passen und damit auch wirklich praktisch umsetzbar für Sie werden, denn: Auf Knopfdruck geht bekanntlich gar nichts!

Wenn Sie sich tiefer mit den Gedankenspielen und den Impulsen beschäftigen möchten, dann können Ihnen drei Praxistipps nützlich sein: Schaffen Sie sich einen Kalender der Sinnlichkeit an, führen Sie ein erotisches Tagebuch und legen Sie ein „erotisches Gästebuch“ an.

Kalender der Sinnlichkeit

Kalender oder Timer dienen dazu, dass wir uns Termine – berufliche wie private – notieren, die für uns wichtig sind und die wir zeitlich blockieren wollen.

Nehmen Sie Ihren Timer zur Hand und vereinbaren Sie „erotische Auszeiten“ mit sich selber („Zeit für mich“) aber auch mit Ihrem Partner („Zeit zu zweit“).

Die erotischen Auszeiten sind wöchentliche Fixpunkte.

Die erotischen Auszeiten werden, wenn sie aus triftigen Gründen nicht eingehalten werden können, nicht ausgelassen, sondern möglichst innerhalb der Woche verschoben.

Die Verantwortung für die Verschiebung hat der, der den Termin verschieben muss.

Erotische Auszeiten müssen nicht immer ganze Abende sein. Die Erfahrung zeigt, dass das schwer durchzuhalten ist. Ein Abend als „Zeit zu zweit“ pro Woche erscheint sinnvoll; unabhängig von den Wochenenden.

Oft genügen kurze Momente des bewussten Wahrnehmens der eigenen Sinnlichkeit und die Selbsterlaubnis, sich das auch zu gönnen, damit die Sinnlichkeit im Alltag wieder geweckt wird.

In den „Impulsen“ finden Sie immer wieder Anregungen für „Momente der Sinnlichkeit“.

Das erotische Tagebuch

Tagebüchern vertraut man besondere Momente und Ereignisse an. Sie geben Gelegenheit, sinnliche Momente mit sich selbst und/oder mit dem Partner festzuhalten.

Beginnen Sie ein Tagebuch Ihres erotischen Wesens: Widmen Sie Ihrem Mann- oder Frausein und Ihrem erotischen Wesen einige Minuten pro Tag oder pro Woche, um die Zeit und Momente Revue passieren zu lassen, in denen Sie sich Sinnlichkeit und Erotik erlaubt haben und ihrem erotischen Wesen Aufmerksamkeit geschenkt haben.

Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen:

Was habe ich an diesem Tag/in dieser Woche als besondere sinnliche Momente (Bilder, Gerüche, Gedanken, Handlungen, Begegnungen) erlebt?

Welche sinnlich-erotischen Gedanken sind mir gekommen?

In welchen Momenten habe ich mich besonders sinnlich-erotisch gefühlt?

Was hat mich heute/in dieser Woche erregt?

Was hat mir mein erotisches Ich zugeflüstert?

Was war an diesem Tag/in dieser Woche sinnlich, erotisch, sexuell neu für mich?

Was von dem, was ich erotisch erlebt und erfahren habe, ist für mich so wichtig, dass ich es in Zukunft wiedererleben oder pflegen will?

Was war für mich heute/in dieser Woche ein Gedanke in Bezug auf meine Sinnlichkeit, Erotik und Sexualität, der mir so wertvoll ist, dass ich ihn festhalten möchte?

Das erotische Tagebuch kann Ihnen auch behilflich sein, Ihre Erlebnisse, Erfahrungen, Entdeckungen und Erkenntnisse festzuhalten, die Sie gemacht haben, wenn Sie einen Impuls ausprobiert haben.

Das erotische Gästebuch

Gästebücher geben Feedback, drücken Gefühle und Meinungen der Besucher aus und halten Besuchsmomente fest.

Die Idee eines erotischen Gästebuches besteht darin, jene Momente und Zeiten festzuhalten, in denen die Erotik und Sinnlichkeit bei Ihnen als Paar zu Besuch war oder wie ein Gedankenblitz bei Ihnen vorbeigeschaut hat.

Im erotischen Gästebuch können Sie gemeinsame Zeiten der Sinnlichkeit notieren und sich gegenseitig auch Gedanken, Meinungen, Gefühle mitteilen, schenken und festhalten, an die Sie sich gern erinnern möchten. Das gemeinsam geführte erotische Gästebuch bietet Platz für Gedanken, Feedbacks auf Erlebnisse, erotische Wünsche, die man mit dem Partner erleben will, erotisch angehauchte Gedanken und Befindlichkeiten. Sie beide dürfen reinschreiben, etwas dazuschreiben, antworten.

Suchen Sie sich für dieses Gästebuch einen Platz, der nur für Sie beide zugänglich ist, damit die Intimität und die Exklusivität ihrer erotischen Beziehung gewahrt bleiben.

Es lohnt sich auch, von Zeit zu Zeit im Gästebuch zu blättern, sich zurückzuerinnern und die eine oder andere Anregung für die Zukunft wieder auszugraben und neu zu beleben.

SCHLAFT IHR SCHON MITEINANDER ODER HABT IHR NOCH SEX?

Liebe gehört zum Sex, und Sex gehört zur Liebe – klingt einfach und logisch. Oder? Viele Paare können ohne den anderen nicht sein, gehen liebevoll und aufmerksam miteinander um. Doch außer Schlafen findet im Schlafzimmer nicht mehr viel statt. Andere wiederum streiten ständig und gehen respektlos miteinander um, aber der Sex ist leidenschaftlich und erfüllend. Unzufrieden sind alle: Die Balance zwischen einer erotisch-innigen Liebeskultur und der begehrenden sexuellen Lust und Leidenschaft ist schwierig herzustellen. Warum eigentlich?

Anspruch und Wirklichkeit

„Ob wir wohl Sex in unser Liebesleben aufnehmen könnten?“

Gehört in einem Pub

Paare, die in Beratung und Therapie kommen, erleben sich oft gefangen im Dilemma zwischen der erlebten und gelebten Liebe und jener, die sich der Partner erhofft und erwünscht. Und weil Anspruch (an sich selber wie auch an den Partner) und Wirklichkeit vielfach auseinanderklaffen und die beiderseitigen Versuche, dies zum Besseren zu ändern, oft im Treibsand des Alltags verlaufen oder scheitern, möchte ich Sie zunächst mit einigen Gedanken zur historischen Entwicklung unserer Vorstellung von Liebe, Erotik und Sex vertraut machen. Dabei will ich Sie weder mit Statistiken (denn davon hätten Sie persönlich gar nichts) noch mit oberflächlichen „Weisheiten“ aus Zeitschriften langweilen. Sondern ich möchte Ihnen einige gesellschaftliche Entwicklungen bewusst machen, die Sie entlasten können, wenn Sie wieder mal der Alltagsfrust mit Ihrem Partner überkommt.

Es sind drei Faktoren, die der Exklusivität und der Attraktivität von Sex in langjährigen Beziehungen entgegenwirken:

der Fortschritt – das, was man Moderne nennt

die veränderten Geschlechterbeziehungen

das romantische Liebesideal

Sehen wir uns die drei etwas näher an.

Die Welt hat sich verändert

Das Bild von Ehe und Beziehung hat sich in den vergangenen gut 100 Jahren massiv verändert. Wie sollen wir so schnell professionelle Fähigkeiten und Talente erworben haben für Herausforderungen, die sich in der Geschichte der Paarbeziehung noch nie so gestellt haben und für die uns schlicht und einfach die Erfahrungswerte und Modelle fehlen, auf die wir zurückgreifen könnten?

Sehen wir uns an, was sich in rasender Zeit alles getan hat und welche Mittel uns heute zur Verfügung stehen, von denen unsere Großeltern nicht einmal zu träumen wagten:

Mit dem medizinischen und technischen Fortschritt stieg die Lebenserwartung fast um das gut Doppelte von 46 Jahren um das Jahr 1900 auf heute 83 Jahren bei Frauen bzw. 78 Jahren bei Männern. Das bedeutet, dass der Wunsch nach einer lebenslangen monogamen Beziehung die Konsequenz mit sich bringt, dass wir unsere Beziehung im Schnitt auf 40, 50, ja sogar 60 Jahre denken müssen.

Vor Kriegen und Wirtschaftskrisen, mit denen vergangene Generationen auch in ihren Beziehungen fertig werden mussten, blieben wir – zumindest im deutschsprachigen Raum – seit gut 70 Jahren verschont. Halbwegs funktionierende Sozialsysteme liefern zumindest eine Grundsicherung, die die existenziellen Bedrohungen und Gefährdungen von außen für die Liebesbeziehung abmildern.

Unterschiedliche Lebens- und Beziehungsformen sind heute gesellschaftlich akzeptiert und damit frei wählbar geworden. Die Ausschließlichkeit der Ehe als rechtlich anerkannte Beziehungsform gehört der Vergangenheit an. Von Lebensgemeinschaften über „Friend with benefit“-Beziehungen oder „Mingle-Paare“ bis zu polyamoren Partnerschaften reicht die Spanne, in der wir in unserer Gesellschaft individuelle Paarbeziehung, Erotik und Sexualität leben.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen gegenüber ihren Partnern ist dank der Emanzipation und dem damit verbundenen gestiegenen Selbstbewusstsein der Frau deutlich zurückgegangen.

Ausgehend von der sexuellen Revolution der 68er-Bewegung und der „Sexwelle“ in den 70er Jahren ist die Vielfalt erotischer und sexueller Neigungen bis auf wenige Ausnahmen gesellschaftlich toleriert.

Die Zeiten, in denen Pornohefte und -filme unter dem Ladentisch gehandelt wurden, sind vorbei. Der Besuch von Erotikmessen, Sexshops oder Dildopartys ist alltäglich wie das Shoppen in Einkaufszentren. Dildos, Vibratoren und anderes Erotikspielzeug werden in den Medien getestet wie Autos, und im Fernsehen gehören Reportagen über Bordelle und Dominastudios zum Standardprogramm wie Kochsendungen. Swingerclubs werden mit Sternen bewertet wie Hotels. Fetischclubs und -partys haben den subkulturellen Charakter verloren und gehören zum öffentlich kommunizierten Eventangebot größerer Städte.

Wer es weniger öffentlich haben will, bedient sich des Internets. Sexspielzeug, Seitensprungpartner, Annoncen von an Partnertausch interessierten Paaren, Filme und Galerien mit Angeboten lassen uns glauben, dass wir im Internet jenen Sex gezeigt kriegen, den wir wollen. Das Web liefert uns – jederzeit verfügbar – jeden Sex, den wir gerade wollen, egal ob es sich um Neigungen, Spielarten, Wunschaussehen oder Konstellationen handelt. Virtual Reality wird sich weiter entwickeln und im Bereich der Sex- und Erotikangebote die Spielarten verfeinern. Das Ziel ist es, das, was wir beim realen Sex empfinden und erleben, auch im Virtuellen zur Verfügung zu stellen und möglich zu machen.

Und trotzdem ist der Wunsch nach Exklusivität in Sachen, Liebe, Erotik und Sexualität, wenn man Studien und Umfragen – auch unter Jugendlichen – vergleicht, ebenso vorhanden wie der, die Liebe seines Lebens zu finden und mit dieser auch alt zu werden.

Die Frage „Wer bin ich als erotisch-sexuelles Wesen, was ist meine erotisch-sexuelle Einzigartigkeit?“ und der Wunsch, einzigartig für jemanden anderen zu sein bzw. diese Einzigartigkeit auch jemand anderem zu schenken, können weder wirtschaftlich motivierte Angebote lösen noch die neue gesellschaftliche Toleranz oder irgendwelche virtuellen Erotikwelten. Es bleibt allein unsere individuelle Aufgabe, uns selbst zu positionieren und unsere erotischsexuelle Individualität zu entfalten.

„Entmannte“ Männer, „entweiblichte“ Frauen

Nach rund 6000 Jahren Patriarchat hat die Emanzipationsbewegung ab Mitte der 1960er Jahre das Rollenverständnis und das Rollenbild von Mann und Frau in Frage gestellt und wichtige Impulse zur Gleichstellung von Mann und Frau in Politik, Sozialem und im Arbeitsleben gegeben. Niemanden käme heute mehr in den Sinn, diese wichtigen gesellschaftlichen Errungenschaften zurückzudrehen, im Gegenteil, viel ist noch zu tun auf dem Weg zu einer tatsächlichen Gleichberechtigung. Doch mit der Emanzipation der Frau entwickelte sich eine starke Tendenz, die Grenzen zwischen den Geschlechtern aufzulösen.

Hervorragend ausgebildete Frauen sind finanziell unabhängiger, selbstbestimmter und damit auch freier in ihrer Entscheidung, wie sie als Frauen ihr Leben gestalten möchten, ob Kinder Teil ihres erfüllten Lebens sind oder nicht und welche Rolle die Karriere spielen soll. Im Beruflichen haben Frauen gelernt, dass es sich lohnt und förderlich ist, sich bestimmte Verhaltensweisen anzueignen, um ihr berufliches Fortkommen zu betreiben: Ehrgeiz, Durchsetzungsvermögen und sogar Aggressivität sind im Berufsleben Qualitäten, die ursprünglich als rein männlich galten – wenn eine Frau sie zeigt, wird sie zum natürlichen Konkurrenten des Mannes im Job.

Diese Verhaltensweisen, eingefordert in den männlichen Machtstrukturen von Betrieben und Institutionen, zwingt Frauen, sich (zumindest zeitweise) ihrer traditionellen Rolle zu entledigen, sich quasi zu „entweiblichen“. Dies soll – so erlebe ich die Wünsche vieler Klientinnen – im Privaten wieder ausgeglichen werden. Deshalb wünschen sich viele Frauen einen Mann zuhause, der liebe- und rücksichtsvoll ist, ein toller Vater und ein die Frau unterstützender Partner.

Männer hingegen haben oft das Gefühl, von der Emanzipation „entmannt“ worden zu sein. Zwar genießen sie ihre Rolle als Vater und bezweifeln nicht, dass partnerschaftliche Haushaltsführung wichtig und wertvoll ist, und sind auch stolz auf ihre erfolgreiche Frau. Doch gleichzeitig empfinden sie sich oft in ihrer Beziehung als unmännlich, erleben sich selbstabwertend als „Softie“ und sind überfordert im Umgang mit einer emanzipierten, eigenständigen Frau.

Sie wissen zwar, dass das Männerbild ihrer eigenen Väter und Großväter ungeeignet ist, eine moderne partnerschaftliche Beziehung zu führen, dennoch aber erleben sich moderne Männer als suchend und irgendwie verloren, wenn es darum geht, ein klares, modernes und individuelles Selbstbild ihres Mannseins zu entwickeln.

Wie unser Liebesideal die Lust verhindert

Vor dem Hintergrund eines lustfeindlichen Beziehungsbildes unserer christlich-abendländischen Kultur entwickelte sich um 1800 ein romantisches Liebesideal im aufstrebenden Bürgertum: die Liebesheirat.

Und dieses Ideal wirkt bis heute. Alltag, Liebe, Freundschaft, Sex, Familie und spirituell-intellektueller Austausch – all das verbinden wir mit dem romantischen Liebesideal, das uns in Werbung, Literatur und Film sozusagen täglich vor Augen geführt wird, seien es Patrick Swayze und Jennifer Grey in „Dirty Dancing“, Richard Gere und Julia Roberts in „Pretty Woman“ oder Billy Crystal und Meg Ryan in „Harry und Sally“. Und wir lassen uns nicht davon stören, dass diese großen Liebesgeschichten wie im Märchen mit einem „Und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage“ bzw. der Hochzeit enden: Der anstrengende und belastende Alltag wird wohlweislich ausgespart.

Und trotzdem, das Liebesideal der Romantik hat bis heute seine verheißende Wirkung nicht eingebüßt. Wir glauben selbst fest daran und sind enttäuscht, verletzt oder gekränkt, wenn wir feststellen müssen, dass sich der Prinz oder die Prinzessin im Laufe der Jahre scheinbar wieder zum Aschenputtel bzw. zum Frosch zurückverwandelt.

Für eine gute erotisch-sexuelle Beziehung müssen wir wieder lernen, jene Urkraft der Polarität von Mann und Frau zu entwickeln, die die Leidenschaft und das Begehren nach einander wieder entfachen kann.

Wir brauchen wieder Aufmerksamkeit und Bedeutung für das Erobernde, das sich Nehmende und Holende, das Hingebende, das Sicherobernlassen und das Genommenwerden in der partnerschaftlichen Sexualität. Und wir brauchen das Interesse und die Lust für uns selbst und die Beziehung, die Kompetenz für das Gestalten dieser Polarität individuell zu entwickeln, zu erarbeiten und im Alltag einer modernen Beziehung wieder Zeit und Raum dafür zu schaffen.

Die folgenden Gedankenspiele sollen ein erster Schritt sein, als Paar die Aufmerksamkeit auf die Sinnlichkeit von Mann und Frau als erotische Wesen zu lenken. Wie in anderen Feldern der Beziehung lohnt es sich, diese Fragen immer wieder für sich selber zu klären und miteinander neu zu verhandeln.

GEDANKENSPIELE

Nehmen Sie sich Zeit für folgende Fragen. Beantworten Sie nicht nur die Fragen, sondern schreiben Sie auch auf, woran konkret Sie Ihre Antworten jeweils festmachen – nicht vergessen!

Ihre Person, wenn Sie an Ihr Frausein/Mannsein denken:

In welchen konkreten Situationen im Alltag erlebe ich mich weiblich/männlich?

In welchen konkreten Situationen möchte ich meinem Partner zeigen, dass ich eine Frau/ein Mann bin?

Ihre Erotik:

Was in Erotik und Sexualität ist für mich zutiefst männlich/weiblich?

In welchen konkreten erotisch-sexuellen Situationen erlebe ich mich ganz weiblich/männlich?

Ihre Beziehung:

In welchen Situationen unserer Beziehung stärkt mich mein Partner in meiner Weiblichkeit/Männlichkeit?

In welchen konkreten Situationen unserer Beziehung behindert mich mein Partner in meiner Männlichkeit/Weiblichkeit?

Notieren Sie jetzt auf einem Extrablatt Gedanken und Überlegungen zu diesen Fragen:

Lohnt es sich für mich zu diesem Zeitpunkt, emotional, erotisch, sexuell in meine Beziehung zu investieren?

Wenn ja, woran mache ich für mich meine Investitionsbereitschaft konkret fest (an mir selbst, am Verhalten meines Partners)?

Wenn nein, was müsste sich bei mir und/oder meinem Partner ändern, dass es sich wieder lohnen würde?

imageBETTGEFLÜSTER

Verabreden Sie mit Ihrem Partner einen Termin, um sich über diese Fragen auszutauschen. Dabei ist wichtig, dass Sie sich darauf konzentrieren, was derzeit positiv ist! In jenen Bereichen, in denen Sie Entwicklungsbedarf sehen, ist es wichtig, dass Sie Ihre Ideen und Gedanken nicht vorwurfsvoll oder bedürftig formulieren, sondern als konkrete Bedürfnisse und Wünsche.

ELF VERHÜTUNGSMITTEL GEGEN SCHLECHTEN SEX

Wir haben Höhen und Tiefen in der Beziehung erlebt. Wir wissen um die Einstellungen und Meinungen unseres Partners. Wir können Blicke, Körperhaltungen, Gefühlsregungen erkennen und deuten. Wir meinen zu wissen, welche Berührungen und Zärtlichkeiten wir selbst und unser Partner schätzen. Und auch sein erotisch-sexuelles Wesen scheint uns bekannt: Was ihn in Fahrt bringt, welche Praktiken er mag und welche nicht. Aber … können wir da wirklich so sicher sein? In diesem Kapitel erfahren Sie, welchen Irrtümern wir oft aufsitzen und wie wir sie vermeiden.

Wie konnte es so weit kommen?

„Sex ist nur schmutzig, wenn er richtig gemacht wird.“

Woody Allen

Wir haben vertrauten Sex. Der ist schön und verlässlich. Doch ist er auch gut? Entspricht er unseren erotischen Sehnsüchten nach Lebendigkeit und Kreativität, nach Überraschung und Neuem? Man sollte glauben, in einer vertrauten Beziehung wäre es doch ein Leichtes, das gemeinsame Sexleben durch etwas Neues, Lebendiges und Kreatives (wieder) zu beleben. Doch dem ist nicht so. Woran liegt es also, dass guter Sex in langjährigen Beziehungen oft so schwierig ist, und wer steht da wem und wie im Wege?

Schauen wir erst einmal, wie es um die Beziehung steht.

Aus der feurig-heißen Anfangszeit ist eine wohlig-vertraute Nestwärme geworden.

Aus dem anfänglich neugierigen Entdecken ist im Laufe der Beziehungsjahre Verlässlichkeit geworden.

Aus der als positiv empfundenen stürmischen „Rücksichtslosigkeit“ ist ein mehr oder weniger liebevoll-respektvoller Umgang miteinander geworden.

Aus den schenkenden und geschenkten Liebesbeweisen der noch „unsicheren“ anfänglichen Liebe ist Gewissheit entstanden.

Aus dem Wunsch, mit dem anderen so viel Zeit und Nähe wie möglich zu verbringen und zu erfahren, ist ein Streben nach Individualität und persönlicher Freiheit geworden.

Aus der freien und freiwillig gelebten Zweisamkeit ist der Wunsch nach Kindern mit dem Partner geworden, dazu die Bereitschaft, Verantwortung für mehr als nur für sich und seinen Partner zu übernehmen.

Die Aufmerksamkeit für die Liebesbeziehung und die Bedeutung der Liebe und des Geliebtwerdens hat sich wieder auf berufliche und persönliche Interessen verlagert.

Im Laufe der Jahre hat sich vieles eingependelt, einiges geregelt und anderes geklärt.

Wir haben gelernt, mit den Unzulänglichkeiten, Eigenheiten, Kränkungen und Zurückweisungen des Partners ebenso umzugehen wie mit dem Schätzen und Würdigen seiner Qualitäten, Fähigkeiten und Einzigartigkeiten.

Wir haben zu streiten gelernt und eine mehr oder weniger gute Streitkultur entwickelt.

Und unsere Sinnlichkeit, die Erotik und der Sex?

Sex ist „demokratischer“ geworden um den Preis, dass das spontane Begehren zu verkümmern droht.

Sex ist vertrauter geworden, dafür aber auch berechenbarer und kalkulierbarer.

Sex ist einvernehmlicher geworden, mit der Folge, dass er oft zu Sex auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner geworden ist.

Sex wird nicht mehr gefeiert, inszeniert und zelebriert.

Sex ist routinierter geworden und wird nicht mehr im positiven Sinne als gewollt, „woll-lüstig“ erlebt.

Sex ist planbar und vorhersehbar geworden anstatt Neugier erweckend und belebend.

Sex ist sicherer und beständiger geworden und wird nicht mehr als lebendig-begehrend erlebt.

Sex ist zur zwar nicht einklagbaren, aber selbstauferlegten Pflicht geworden: „Wir sind verheiratet, es gehört dazu. Mein Partner hat ja ein Recht auf Sex.“ Er wird nicht mehr als exklusives, gemeinsames Geschenk empfunden.

Sex ist zur emotionalen Beruhigungspille („Ich mach es halt, damit ich wieder ein paar Wochen Ruhe habe“) oder zum „Handelsgut“ für andere eheliche Wünsche („Wenn du nicht so viel arbeiten würdest, dann hätten wir auch wieder mehr Sex!“) geworden und wird nicht mehr als Ausdruck eines selbstbestimmten erotischen Selbstbewusstseins gelebt.

Wir haben uns als Paar eingerichtet, arrangiert. Wir sind einander im besten Sinne des Wortes gewöhnt. Gerade Sex und Erotik haben sich zu einer ins „Grundbuch der Beziehung“ eingetragenen gegenseitigen erotisch sexuellen „Dienstbarkeit“, die theoretisch jederzeit verfügbar ist, verwandelt.

Mit dieser gegenseitig eingeräumten „Dienstbarkeit“ verliert dieses „Gut“, das ja grundsätzlich Tag und Nacht potenziell vorhanden ist, an Wert und Attraktivität. Es wird bei Gelegenheit abgerufen, eingefordert, in der Erwartung, dass es dann auch zu gewähren ist.

Und die Auswirkungen? Gefangen im Alltagskram, verplant im Job und dem Wunsch, den Kindern möglichst viel zu bieten, haben viele Paare die Erotik miteinander auf ein Nebengleis ihrer Beziehung verschoben. Sie haben keinen Zugang mehr zur eigenen und zur partnerschaftlichen Erotik und Sexualität oder haben es verlernt, ihre Bedürfnisse als erotische Wesen zuzulassen, zu gestalten, aktiv einzufordern, lebendig zu halten und auszuleben.

Doch wie entdecken wir diese „Verhütungsmittel“, diese „ungebetenen Gäste“ unserer erotischen Beziehung, und komplimentieren sie wieder hinaus? Und was können wir tun, damit sie nicht doch plötzlich wieder vor der Tür stehen?

Im Folgenden zeige ich Ihnen, wie Sie es schaffen, diese Hindernisse ein für alle Mal von ihrer erotischen Beziehung fernzuhalten.

Die erotische Zeit bewusst gestalten

„Wenn du dich mehr um die Kinder kümmern würdest, dann hätten wir auch wieder Sex!“ Mit dieser klaren Ansage machte eine Klientin im Rahmen der Paarberatung bei mir ihrem Partner klar, welche Voraussetzungen er erfüllen müsse, damit wieder Sex möglich sei – ein gutes Beispiel von „verzwecktem“ Sex. Und die Klientin hatte sehr konkrete Vorstellungen von ihren Bedingungen, die sie ihrem Partner ins verdutzte Gesicht sagte.

Von der „Stets bereit zum Sex“-Phase der Anfangszeit über die Zeit der Festigung bis zum „Zufalls-Sex“ (wenn es sich zufällig ergibt, dass beide Lust haben), dient der partnerschaftliche Sex eben nicht nur erotisch-sexuellen Bedürfnissen. Er wird häufig im Alltag von beiden Partnern instrumentalisiert und folgt einer eigenen Logik: Den Sex muss man sich verdienen. Der Sex wird gewährt. Er dient als Belohnung für besondere Leistungen im Alltag oder als Elternteil. Er wird strategisch eingesetzt, als Mittel, um in einem anderen Bereich der Beziehung etwas zu erreichen. Er dient als Konfliktlösungsinstrument oder reguliert eine Unzufriedenheit des Partners. Wichtig dabei ist der Unterschied zum Sex nach einem Streit: Dieser ist Ausdruck von Innigkeit, während der hier beschriebene Sex als bewusste Entspannungsstrategie gewählt wird, das Konfliktthema aber unbearbeitet bleibt.

Lassen Sie mich einige Fälle aus meiner Praxis zitieren: „Dann darf er halt, damit ich dann wieder meine Ruhe habe“, „Sie sind doch der Profi: Könnten Sie meiner Partnerin mal beibringen, was guter Sex ist?“, „Ist es normal, dreimal die Woche Sex zu haben? Das ist doch Sexsucht!“

Die Häufigkeit und Qualität von Sex wird als Gradmesser der derzeit herrschenden Beziehungstemperatur ebenso verwendet wie als Messlatte für den Zustand der Beziehung. Das ist normal, denn die erotisch-sexuelle Qualität in einer Beziehung ist nicht vom Gesamtsystem einer Partnerschaft zu trennen. Sie ist für viele Ausdruck, Bestätigung und Maßstab der individuellen Beziehungsqualität.

Werden aber Erotik und Sex „verzweckt“ oder gar als Sanktionierungsinstrument verwendet bzw. mit oft unerfüllbaren oder vagen „Auflagen“ versehen, setzt ein Zerfallsprozess ein: Die Partner beginnen, am beziehungsstiftenden Grundbekenntnis zur sexuellen Gemeinschaft zu zweifeln. Die Folge: Vermeidung, Abweisung und Rückzug aus dem Begehren als Schutz vor Demütigung und Entwertung. Was tun?

Weg vom Sex als Zweck

Langjährige Beziehungen brauchen eine Kultur des Eros, eine Kultur der Sinnlichkeit im Alltag. Das passiert nicht von allein, dazu müssen wir uns bekennen und uns darum bemühen.

Sinnlichkeit, Erotik, Lust und Sex gehören sozusagen in der Beziehung „außer Streit gestellt“. Natürlich spielt der Grundton, der in einer Beziehung herrscht, ebenso eine Rolle, und es ist auch logisch, dass man nicht gerade in Stimmung ist, wenn eine Meinungsverschiedenheit in einen verletzenden, kränkenden oder sogar demütigenden Streit ausartet.

Gemeint ist vielmehr, dass Sinnlichkeit, Erotik und Sex etwas Machtvolles in einer Beziehung sein kann und gleichzeitig aber auch jener Teil in uns ist, den man mit dem wenig Aufwand verletzen oder kränken kann.

Gehen Sie behutsam und vorsichtig mit der Verquickung von alltäglichen Unstimmigkeiten, unterschiedlichen Wünschen, Erwartungen und Ansprüchen an den Partner mit der gemeinsamen Erotik und Sexualität um. Versuchen Sie, die Dinge auseinanderzuhalten. Wo liegt wirklich der Hase im Pfeffer?

Lassen Sie Kritik, Streit und die vielen anderen mehr oder weniger zwangsläufig auftretenden Alltagsproblemsituationen dort, wo sie hingehören, und räumen Sie sie aus dem Weg, ändern oder lösen Sie sie in dem Bereich, in dem sie aufgetreten sind, nämlich: Erziehungsfragen im Bereich der gemeinsamen Elternschaft, Alltagsfragen in den Rollen der Partnerschaft, Missverständnisse und Unstimmigkeiten über die Art, wie die Beziehung derzeit läuft, in Ihrer Rolle als Mann und Frau.

Sie fragen sich, ob das geht? Ja, es geht, wenn das grundsätzliche Bekenntnis zu Lust und Sex miteinander vorhanden ist und klar und ohne Vorbehalte ausgesprochen wird: „Ja ich bekenne mich grundsätzlich zu einer erotisch-sexuellen Gemeinschaft mit dir!“

Das bedeutet nicht, dass man Sex unter allen Umständen haben muss oder zur Verfügung stellen muss, wenn es einer von beiden möchte. Sondern es bedeutet ein grundsätzlich bedingungsloses Ja ohne Wenn und Aber, dessen Basis das Bemühen um Wertschätzung des anderen und um Qualität in der Beziehung voraussetzt.

GEDANKENSPIELE

Nehmen Sie sich Zeit für folgende Fragen:

Welche Rolle spielen Erotik und Sex für mich selber in meinem Leben?

Welchen Stellenwert nehmen Erotik und Sex in meiner Beziehung für mich ein?

Wenn ich mein Bekenntnis zu Erotik und Sexualität mit meinem Partner formulieren müsste, wie würde der Text lauten?

Woran könnte mein Partner im Alltag konkret erkennen, dass ich mich in unserer erotisch-sexuellen Beziehung grundsätzlich und vorbehaltlos zu ihm bekenne?

Woran konkret erkenne ich im Alltag, dass sich mein Partner zu unserer erotisch-sexuellen Beziehung bekennt?

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Erzählen Sie einander, welche Antworten Sie für sich auf die oben angeführten Fragen gefunden haben.

Schauen Sie zurück auf Ihre Beziehung und beschreiben Sie, was sich aus Ihrer Sicht jeweils verändert hat und was Sie im Lauf Ihrer Beziehungszeit wahrgenommen haben.

Die erotische Einladung kultivieren

Hinter dem Wunsch nach gutem, erfülltem Sex steckt vielfach eine Erwartungshaltung: Wir erwarten uns vom Partner sexuelle Aufmerksamkeit, Rücksicht, Verständnis, Respekt. Wir glauben, dass wir unseren Partner sexuell in- und auswendig kennen und dass er unserem Anspruch nach dem Sex, den wir wollen, auch zu genügen hat.

Dabei vergessen wir allerdings, wie unsicher wir selber in dem sind, wovon wir glauben, dass unser Partner es von uns erwartet: Das verraten die folgenden Fragen, die wir mit uns herumtragen:

Kann ich auf Dauer leisten, was mein Partner erotisch-sexuell von mir erwartet?

Kann ich meinem Partner auf diesem Gebiet gerecht werden, ohne mich selber dabei zu verraten?

Wird mein Partner auf Dauer meinem Anspruch an Erotik und Sex gerecht?

Muss ich mich wirklich mit dem zufriedengeben, was ich derzeit in unserem sexuellen Zusammenleben erlebe und erfahre?

Wird mein Partner mich auch zukünftig attraktiv finden, wenn unser Sex wie bisher weiterhin so ist, wie er gerade ist?

Werde ich mit dem derzeitigen „Angebot“ meines Partners auch in den kommenden Jahren zufrieden sein?

Mit diesen oder ähnlichen Fragen im Hinterkopf stehen wir uns unbewusst erotisch im Weg, weil wir unser sexuelles Handeln nicht als Ausdruck der eigenen Lust verstehen, sondern es auf eine positive Rückbestätigung des Partners ausrichten. Und damit bleiben wir in der uns und dem Partner bekannten Komfortzone, die zwar risikolos und unmissverständlich ist, aber wenig Entwicklung und Kreativität erlaubt.

Sex im Erwartungsmodus ist kein Ausdruck des individuellen erotisch-sexuellen Selbstbewusstseins, sondern ein auf das Feedback des Partners ausgerichteter Sex im „Schongang des Vertrauten“. Natürlich geben das Vertraute und Bekannte, das Wissen um die Wünsche des Partners Sicherheit, und eine gut sexuell eingespielte Routine ist hilfreich und bietet Entlastung. Doch im Laufe der Jahre breitet sich dadurch ein angenehmer, aber wenig erfüllender erotisch-sexueller Dämmerschlaf aus.

Wir verharren in einer Standby-Position in der Erwartung, dass der Partner Lust hat und es zeigt, oder in der Vorstellung, dass der Partner es doch erkennen müsste, wenn wir selbst Lust haben.

Wer wartet, dass der Sex von selber wiederkommt, wartet vergebens. Denn „von selber“ geht in einer langjährigen Beziehung nichts mehr! Vieles, so auch der Sex ist in langjährigen Beziehungen, ist eine bewusste Entscheidung. Das mag wenig romantisch und schon gar nicht prickelnd und leidenschaftlich klingen, doch schwindet die anfängliche spontane „Woll-Lust“ einfach im Alltag und dadurch, dass der Partner ja ständig erotisch verfügbar scheint. Was tun?

Übertreffen Sie die Erwartungen!

Wir werden gerne eingeladen. Wir empfinden Freude, wenn wir jemanden zu uns einladen, und genießen es, eingeladen zu werden, ob spontan, überraschend oder auf einen bestimmten Termin. Einladungen lösen ein Gefühl der Wertschätzung aus und erzeugen Neugierde und Vorfreude – weil sie auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen, und zwar von beiden Seiten.

In langjährigen Paarbeziehungen ist es wichtig und nützlich, zwischen den Rollen als Partner, Vater/Mutter und der Rolle als Liebespaar bzw. dem sich begehrenden Paar zu unterscheiden. Während es im Partneralltag und in der Elternrolle um die routinierte Bewältigung aller Herausforderungen geht, gehört es zum Wesen der Liebe und damit auch der Erotik und Sexualität, dass diese letztlich nur nach dem Prinzip der Einladung funktioniert, unabhängig davon, ob es sich um eine spontane oder eine gut vorbereitete handelt.

Den Partner in die eigene erotisch-sexuelle Welt einzuladen, ist eine selbstbewusste, selbstbestimmte und freiwillige Entscheidung für Erotik und Sex. Eine solche Einladung ist ein individuelles Bekenntnis zur erotisch-sexuellen Gemeinschaft und eben keine erwartbare Selbstverständlichkeit in einer Beziehung.

Wer einlädt, sollte genau wissen, wozu er einlädt. Dies gilt auch für Erotik und Sexualität. Oft klingt der Wunsch „Ich möchte heute mit dir schlafen“, als würde es sich um eine Art Bestellung im Sinne von „Wenn du mich liebst, dann hast du heute mit mir zu schlafen“ empfunden. Es klingt nicht nach einer Einladung, die man freudvoll annehmen kann oder – mit einer Alternativeinladung versehen – liebevoll ablehnen kann.

Selbstbewusst seine erotischen Ideen und Wünsche aussprechen heißt, sich vorher bewusst zu sein, wozu genau ich meinen Partner einladen möchte: zu einer sinnlichen Massage im Schlafzimmer oder einem lustvollen Quickie im Bad, zum gemeinsamen Duschen oder zu Fesselspielen im Keller. Je konkreter der Wunsch ist, je liebevoller verpackt und je authentischer er ausgesprochen wird, umso mehr zeigen wir uns von der Qualität und Einzigartigkeit unserer Erotik und Sinnlichkeit überzeugt. Wenn wir für uns selbst wissen, was wir konkret erotisch voneinander und miteinander wollen, dann können wir auch davon überzeugt sein, dass das, wozu wir einladen, Qualität und Einzigartigkeit hat.

Selbstbewusst als „Anwalt“ seine erotischen Vorstellungen zu formulieren, löst Attraktivität aus und fordert den Partner dazu auf, sich damit auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen: Nimmt er die Einladung so an? Möchte er sie erweitern oder abwandeln? Hat er eine attraktive Alternative? Oder lehnt er ab, schützt eine Ausrede vor oder negiert er meine Wünsche stillschweigend?

Für das Annehmen einer erotischen Einladung trägt der Eingeladene die Verantwortung und nicht derjenige, der einlädt. Wer einlädt, sollte also einerseits von der einzigartigen Qualität seiner erotischen Einladung überzeugt sein und andererseits mit dem Risiko einer Ablehnung umgehen können, ohne die Einzigartigkeit und Qualität seiner Einladung anzuzweifeln.

GEDANKENSPIELE

Nehmen Sie sich Zeit für folgende Fragen:

Wie erfolgreich war ich bisher, meinen Wunsch und mein Bedürfnis nach Sinnlichkeit, Erotik und Sex bei meinem Partner anzumelden?

Wie empfinde ich meine bisherige Art, diesen Wunsch meinem Partner gegenüber auszudrücken: eher (er)wartend und bedürftig oder eher souverän und selbstbewusst einladend?

Was müsste ich für mich konkret ändern, damit es mir leichter fällt, souverän und selbstbewusst eine Einladung zu Sinnlichkeit, Erotik und Sex meinem Partner gegenüber auszudrücken?

Wie empfinde ich die Art, wie mein Partner seinen Wunsch und sein Bedürfnis nach Sinnlichkeit, Erotik und Sex mir gegenüber ausdrückt?

Wie müsste er konkret seinen Wunsch nach Sinnlichkeit, Erotik und Sex mit mir ausdrücken, damit ich dies als attraktive Einladung empfinde?

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Tauschen Sie sich darüber aus, wie Sie das derzeitige Zustandekommen von Sex und Sinnlichkeit erleben: Was Sie daran als schön und einladend empfinden und was weniger.

Überlegen Sie gemeinsam, wie der Wunsch nach Sex mit dem Partner für den anderen angenehmer, liebevoller und attraktiver sein könnte, und teilen Sie dem anderen mit, was Sie unter attraktiver erotischer Einladung verstehen.

Ganz oder gar nicht: Geht nicht!

„Wenn meine Frau sagt, sie möchte kuscheln, dann weiß ich schon, dass es nicht dabei bleibt. Dann will sie Sex. Mit weniger ist sie nicht zufrieden“, erzählte die männliche Hälfte eines Klientenpaares im Rahmen einer sexualtherapeutischen Sitzung, bei der es – klassischerweise – um das Problem der unterschiedlichen Lustausprägung ging.

Im Laufe der Gespräche wurde deutlich, dass der Mann gerne kuschelt und dies auch als Ausdruck seiner innig-liebenden Beziehung genießen möchte. Damit wurde der Frau klar, dass sie ihre Wünsche konkreter formulieren muss und es für ihren Mann hilfreich ist, den Unterschied zwischen dem Wunsch nach Sex und dem Wunsch nach Kuscheln deutlicher zu machen. Damit gelang es den beiden, die missverständliche Kommunikation und fadenscheinige Ausreden des Partners zu vermeiden. Wenn der Partner keine Lust hat, zeigt er das nun nicht mit einer Zurückweisung, sondern mit einem alternativen Angebot.

In dem Modus „Ganz oder gar nicht“, der alles dazwischen verhindert, verharren und erstarren viele langjährige Beziehungen: Auf der einen Seite fühlt sich der Partner, der mehr oder anderen Sex will, bedürftig und bettelnd, weil er seine Lust am anderen ausdrücken will, dies aber nicht darf und Zurückweisung erlebt, auf der anderen Seite fühlt sich der Partner, der weniger Sex will, in einer für sich ebenso unattraktiven Position, weil er sich als häufig Abweisender erlebt.

Diesen Status quo erleben beide als lähmend, unattraktiv und unbefriedigend. Die Kommunikation über Sex erleben beide insofern als unattraktiv, weil es eine „Nicht-Kommunikation“ ist: Da nicht, jetzt nicht, heute nicht, so nicht … Es gelingt im Laufe der Jahre immer schwerer, aus dieser Nicht-Kommunikation auszusteigen. Was tun?

Den Partner willkommen heißen

„In unserer Anfangszeit waren das Begehren und die Lust aufeinander immer vorhanden. Wir haben jede Gelegenheit genutzt, Zärtlichkeiten auszutauschen, uns anzuheizen oder auch mal spontan Sex zu haben. Es war so eine nicht hinterfragte sexy Zeit. Irgendwie hat es immer geknistert“, schildert ein Klient seine Erinnerungen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869105253
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (September)
Schlagworte
Selbstcoaching-Ratgeber Sex-Tipps die zum Leben passen Arbeits- und Alltagsstress Arbeits- und Liebesleben Frust im Bett erfülltes Sexleben trotz Kind Liebe und Partnerschaft

Autor

  • Bernhard Moritz (Autor:in)

Bernhard Moritz ist Dipl. Paar- und Sexualtherapeut, Dipl. Lebens- und Sozialberater sowie systemischer Coach. Durch seine langjährige Beratungserfahrung weiß er, welche Nöte und Sorgen Frauen, Männer und viele Paare in Liebesfragen quälen. Mit seiner Praxis ist er Mitglied im „Netzwerk Sexualtherapie“ und Kooperationspartner des Instituts für Sexualtherapie Heidelberg. Er lehrt als Gastdozent an der Internationalen Gesellschaft für systemische Therapie, am „Institut für systemische Impulse und Ausbildung –isiberlin“ und ist Vortragender bei Kongressen und Tagungen.
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Titel: Work-Love Balance