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Leise überzeugen

Mehr Präsenz für Introvertierte. Der Ratgeber für Alltag und Beruf

von Natalie Schnack (Autor:in)
208 Seiten

Zusammenfassung

Für alle Introvertierten, die sich nicht verstellen möchten! Klappern gehört zum Handwerk – aber nicht jeder ist zum Klappern gemacht. Dieser Ratgeber hilft den „leisen Menschen“ dabei, mehr Sichtbarkeit zu finden – ohne sich verstellen zu müssen. Mit Kompetenz und Einfühlungsvermögen bringt die Autorin die Leser dazu, eigene Qualitäten und Erfolge auf eine zu ihnen passende Art nach außen zu transportieren. Das perfekte Buch für alle „Leisen“ unter uns, die ihren Weg zu mehr Präsenz finden möchten.

Mit sieben starken Regeln für mehr Präsenz!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Ich mag keinen Small Talk. Ich bin mir selbst genug. Stille ist so wunderbar. Ich will nicht immer reden. Unter Menschen bin ich schnell erschöpft und überreizt. Ich denke viel über mich und die Welt nach. An fremde Menschen und Umgebungen muss ich mich erst gewöhnen. Ich beobachte erst und halte mich lieber im Hintergrund. Lasst mich doch alle in Ruhe, wenn ich in eine Sache vertieft bin!

Genau solche Gedanken waren es, die mich zu der Frage angestiftet haben: Bin ich vielleicht introvertiert? Ja, ich weiß, ich habe mich gut an die extrovertierte Welt angepasst und mein eigentliches leises Wesen sicher hinter einer Schutzmauer verborgen. Umso schöner war diese Selbsterkenntnis, die ich dem Ratgeber „Leise Menschen – starke Wirkung“ von Sylvia Löhken verdanke. Ja, ich bin ein leiser Mensch und so bin ich okay – war das ein Befreiungsschlag!

Doch ziemlich schnell merkte ich auch, dass ich aus meiner eigenen Erfahrung noch einiges dazu zu sagen habe:

  • Introvertierte sind nicht alle gleich, sie haben unterschiedliche Stärken und Schwächen – deshalb sollten sie nicht ständig in einen Topf geworfen werden.
  • Selbsterkenntnis ist sehr wichtig, keine Frage. Doch dann geht es darum, die Verantwortung dafür zu übernehmen, wie wir von anderen wahrgenommen werden – intensive Präsenz entsteht aus dem Zusammenspiel von Innerem und Äußerem. Je weniger wir uns selbst sabotieren, desto leichter wird es, unseren inneren Reichtum nach außen zu zeigen. Leise sein und Präsenz passen ganz wunderbar zusammen!
  • Das Leben und die Beziehungen zu anderen Menschen sind nicht wirklich planbar, wir sind immer darauf angewiesen, zu improvisieren. Doch darauf kann man sich mithilfe der Improvisationsphilosophie vorbereiten.
  • Locker lassen! Wir Intros neigen ja dazu, uns und das, was um uns geschieht, viel zu ernst zu nehmen. Deswegen sollte der Spaßfaktor nicht zu kurz kommen.

All das war der Antrieb für dieses Buch. Ich hoffe, dass es Ihnen auf Ihrem Weg zu mehr Sichtbarkeit eine echte Hilfe ist.

Ihre Natalie Schnack

Sichtbarkeits-Coach

Einführung

Ihr Weg zu mehr Sichtbarkeit und Präsenz

Wie heißt es so schön? „Klappern gehört zum Handwerk.“ Doch das ist leichter gesagt als getan. Nicht jeder ist zum Klappern gemacht – eher introvertierte, leise Menschen wie Sie und ich jedenfalls nicht. Wir wenden unsere Aufmerksamkeit und Energie lieber nach innen.

Doch in unserer westlichen Welt haben es extrovertierte Menschen offenbar leichter. Sie können sich inszenieren und in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellen. Fast hat es den Anschein, als ob nur laute „Rampensäue“ erfolgreich sein können.

Das will ich nicht akzeptieren! Zumal ganz viele Leise es wunderbar hinkriegen, sich so sichtbar zu machen, dass ihre Qualitäten deutlich vom Umfeld wahrgenommen werden. Daher geht es in diesem Buch darum, dass Sie Ihre Tarnung aufgeben und dafür sorgen lernen, dass man Sie wahrnimmt. Und zwar so, wie Sie sind.

Auf diesem Weg möchte ich Sie gerne Schritt für Schritt begleiten.

Sich sichtbar machen bedeutet „nachweisen, zeigen, demonstrieren, herausstellen, enthüllen, an die Oberfläche bringen, zur Ansicht freigeben, offenlegen“. Sichtbarkeit ist also keine Ansammlung von Marketingtricks, sondern eine Einstellung zu uns selbst, die uns die Erlaubnis gibt, das Vorhandene offenzulegen und unserem Umfeld zu zeigen. Diese Einstellung nützt Ihnen beruflich wie auch privat – ob Sie nun wollen, dass Ihre Vereinskollegen Ihre Arbeit endlich zur Kenntnis nehmen, oder ob Sie Ihrem Chef bei der nächsten Gehaltsverhandlung schlüssige Argumente liefern möchten.

Lassen Sie uns also jetzt beginnen, an Ihrer Sichtbarkeit zu arbeiten!

Klischees aus dem Weg räumen und Bremsen lösen

Sie wissen, wie wichtig es für Sie ist, dass Sie sich zeigen. Aber als introvertierter Mensch haben Sie genau davor Hemmungen. Was Sie da ausbremst, sind Klischees und Denkfehler, aber auch Menschen, die Ihnen nichts zutrauen und Sie klein halten. Am Beginn Ihres Weges zu mehr Sichtbarkeit heißt es also, diese Bremsen zu identifizieren und zu lösen und sich gleichzeitig positive Unterstützung zu suchen.

Es ist so eine Sache mit der Sichtbarkeit: Einerseits wissen wir natürlich, dass sie wichtig ist. Denn nur wenn wir wahrgenommen werden, bekommen wir Aufmerksamkeit und Anerkennung, man traut uns mehr zu, wir verdienen mehr Geld und die richtigen Leute werden auf uns aufmerksam. Andererseits haben gerade die Leiseren viele Hemmungen, wenn es darum geht, sich sichtbar zu machen.

Zu oft haben sie erlebt, dass sie und ihre Qualitäten übersehen werden. Zu oft haben sie gehört, dass ihre Eigenschaften nicht wirklich gefragt sind. Das führt zu allerhand Bremsen im Kopf. Fangen wir mit den typischen Klischees an, die in den Köpfen herumspuken.

Von Klischees und (eigenen) Schubladen

Bitte nehmen Sie sich, bevor Sie weiterlesen, Zeit für die folgende Übung. Denn wenn Sie Ihre Meinung vorab konkretisieren, kommen Sie Ihren inneren Bremsen viel differenzierter auf die Spur.

ÜBUNG

Kreuzen Sie spontan an, wie Sie zu diesen sieben Klischees stehen:

Klischee

So ein Quatsch!

Ich fürchte, das stimmt.

Das stimmt sicher!

Für einen ersten guten Eindruck gibt es keine zweite Chance.

Wenn man Erfolg haben will, muss man sich verkaufen.

Nur die ersten Geigen zählen.

Will man gesehen werden, muss man laut auf sich aufmerksam machen.

Selbstmarketing = Dampfplaudern

Sei sittsam, bescheiden und rein und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.

Eigenlob stinkt.

Wenn Sie noch mehr aus dieser wichtigen Übung herausholen möchten, begründen Sie in einem zweiten Schritt jede Ihrer Antworten. Beginnen Sie Ihre Begründung z.B. so:

  • Ich finde, es ist Quatsch, zu behaupten, dass es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck gibt, weil …
  • Ich fürchte, dass man laut auf sich aufmerksam machen muss, wenn man gesehen werden will, weil …
  • Es stimmt, dass Eigenlob stinkt, weil …

Nun schreiben Sie frisch von der Leber weg Ihre Gedanken zu diesem Spruch und Ihre Ansicht dazu auf ein Blatt Papier.

Tipp Legen Sie sich für die praktischen Aufgaben hier im Buch ein spezielles Heft zu, in das Sie alle Ihre Sichtbarkeitserkenntnisse und -ziele notieren.

Fertig? Dann knöpfen wir uns jetzt jedes einzelne Klischee intensiver vor. Denn gerade diese verinnerlichten Sprüche setzen sich in uns fest. Oft hinterfragen wir sie überhaupt nicht mehr, sondern haben sie automatisch als unschöne Wahrheit abgespeichert. Das Gemeine: Das beeinflusst nicht nur unser aktives Handeln, sondern es beeinflusst uns auch unterbewusst. Sehen Sie selbst.

Klischee Nr. 1: Für einen ersten guten Eindruck gibt es keine zweite Chance.

Dass der erste Eindruck nur beim ersten Treffen entstehen kann, ist logisch. Und es stimmt natürlich auch, dass das, was wir beim ersten Mal wahrnehmen, einen bedeutsamen Eindruck hinterlässt. Das kennt jeder von uns: Wenn wir einen Menschen zum ersten Mal sehen, bilden wir uns rasch ein Urteil über ihn. Unser Gehirn ist da sehr gut organisiert: Wir bewerten innerhalb weniger Millisekunden unbewusst, ob wir einer neuen Person entspannt begegnen oder eher auf der Hut sind. Die Kriterien sind dabei gute und schlechte Erfahrungen im Leben, vertraute oder neue Verhaltensweisen, Ähnlichkeiten mit und Unterschiede zu uns selbst – und auch zu anderen. Erinnert uns die Person an jemanden, den wir mögen, sind wir offener – und umgekehrt eher verschlossen, wenn sie uns an jemanden erinnert, den wir nicht mögen.

Oft erweist sich die erste so gebildete Meinung als die richtige – nicht umsonst sagt man manchmal im Nachhinein: „Das habe ich mir doch gleich gedacht“, auch wenn man nicht genau weiß, ob es sich dabei nicht um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung handelt.

Doch bedeutet das, dass diese Momentaufnahme nicht mehr hinterfragt wird? Heißt es, dass wir uns in den ersten Minuten des Kennenlernens besonders anstrengen und alles mobilisieren müssen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen? Und dass sozusagen alles verloren ist, wenn wir diesen ersten Augenblick versemmeln? Das ist nämlich die eigentliche Aussage dieses Klischees.

Die enthaltene Botschaft Ich finde diesen Satz insofern fatal, als die darin enthaltene Botschaft oft so verstanden wird: Entweder man schafft es, in wenigen Sekunden einen Menschen für sich zu gewinnen und ihn von sich zu überzeugen, oder man hat Pech gehabt.

Das führt dazu, dass an jeder Ecke die Menschen eben auf diesen ersten Moment hin trainiert und optimiert werden. Ade Echtheit und Spontaneität! Man denke nur an die sogenannten Elevator Pitches, mit denen man in genau 30 Sekunden alles Wichtige über sich und seine Qualitäten so herunterrattern soll, dass das Gegenüber sofort sagt: „Gekauft!“

Insbesondere leise Menschen neigen ja in ungewohnten Situationen dazu, sich eher zurückzuhalten und sich die Sache erst einmal in Ruhe anzuschauen, statt gleich in die Offensive zu gehen. Dieser Spruch setzt gerade sie insofern unter Druck, als hier zwei extreme Verhaltensweisen provoziert werden:

  • Anzutrainieren, sich offensiv zu verhalten, so als ob man ein extrovertierter Mensch wäre. Das bedeutet allerdings, sich zu verstellen, eine Maske aufzusetzen und sich gegen das eigene Naturell zu verhalten.
  • Zu resignieren und solche Situationen entweder ganz zu vermeiden oder sie mit der „Wird eh nichts“-Einstellung und einer aufgesetzten Gleichgültigkeit hinter sich zu bringen.

Beide Alternativen sind weder hilfreich noch sinnvoll.

Ich behaupte nicht, dass der erste Eindruck nicht wichtig ist oder dass man sich keine Mühe geben sollte, sich in einem guten Licht zu präsentieren. Aber mir missfällt, dass unsere Gesellschaft dadurch auf Oberflächlichkeit und Maskenkarneval „abgerichtet“ wird und dass wir verstecken, was wir eigentlich sichtbar machen möchten: uns selbst.

Jeder kann sich natürlich gut auf die ersten Momente im Leben, ob im privaten oder beruflichen Umfeld, vorbereiten. Doch bitte sehr so, dass andere wirklich SIE kennenlernen und keine Maske.

MERKSATZ

Wenn ein leiser Mensch als ein leiser Mensch wahrgenommen wird, dann ist alles richtig gelaufen.

Klischee Nr. 2: Wer Erfolg haben will, muss sich verkaufen.

Die erste Assoziation zum Wort „verkaufen“ dürfte bei den meisten negativ sein. Klinken putzen, sich aufdrängen, sich anbiedern … das Prinzip Verkauf ist schon unangenehm genug, und jetzt soll man auch noch „sich verkaufen“?

Auch in diesem Klischee steckt ein Körnchen Wahrheit: Im Leben gilt durchaus, dass nicht unbedingt die tollsten Menschen mit den besten Eigenschaften und Qualifikationen zum Zug kommen, sondern die, die andere von sich überzeugen können. Das gilt für Bewerbungsgespräche genauso wie für ein Date. Natürlich ist es wichtig, eigene Erfolge und Qualitäten entsprechend verpacken und anderen präsentieren zu können. Die Hoffnungen, andere würden von alleine merken, was man alles geleistet und was man wirklich zu bieten hat, erweisen sich meistens als unberechtigt.

Die enthaltene Botschaft Was mich stört, ist, wie dieser Spruch genutzt wird und was er häufig suggeriert: „ Man muss sich offensiv an den Mann bringen – ob der andere will oder nicht.“ Doch darum geht es nicht!

Es gibt das Verkaufen der schlechten Sorte, so wie man das früher gemacht hat und wie es viele schlechte Ratgeber heute noch vermitteln: sich selbst als Produkt sehen, die eigenen Leistungen größer machen, als sie sind, und sich auf aggressive Weise jedem, der nicht bei drei auf dem Baum ist, unterzujubeln.

Es gibt aber auch das Verkaufen der guten Sorte, was zum Glück viele mittlerweile gemerkt haben: sich zeigen, informieren, in Dialog kommen. Auch im Privatleben und Beruf können wir andere nur von uns überzeugen, wenn wir uns zeigen, etwas preisgeben und in Beziehung zu den anderen treten.

Nun tragen viele den Spruch „Ich kann mich nicht verkaufen“ als eine Art Schutzschild vor sich her. Oft höre ich sogar so etwas wie: „Ich kann es nicht und ich will es auch nicht! Kein Mensch, der was wirklich drauf hat, hat es nötig, sich verkaufen zu müssen.“

Tja, da sitzt man dann wohl wieder in einer Schublade:

  • Entweder man resigniert und hält sich für unfähig.
  • Oder man hält sich tatsächlich für zu nobel, um mit anderen über sich zu reden. Ehrlich gesagt, fällt mir das aber schwer zu glauben. Dann drängt sich mir die Frage auf: Geht es hier wirklich darum, dass man es für unnötig hält, oder ist es vielmehr eine Trotzreaktion, weil man nicht weiß, wie es geht?

So oder so, wenn Sie beim nächsten Mal darüber nachdenken, ob Sie sich und Ihre Qualitäten offenlegen, vergessen Sie nicht sich zu fragen, was Sie zu dem Klischee „Man muss sich verkaufen, um Erfolg zu haben“ wirklich meinen.

MERKSATZ

Es geht nicht darum, anderen etwas vorzugaukeln, sondern darum, das zu zeigen, was da ist.

Klischee Nr. 3: Nur die ersten Geigen zählen.

Im Streichquartett hat der Spieler der ersten Geige die tonangebende Rolle. Die übrigen Spieler müssen sich an ihm orientieren und sich anpassen. Natürlich hat die erste Geige dadurch eine besondere Bedeutung: Sie ist wichtig, steht im Mittelpunkt und bestimmt, wohin die Reise geht. Von Menschen, die stets versuchen, über alles und jeden zu bestimmen, sagt man, sie wollen ständig die erste Geige spielen.

Die enthaltene Botschaft Was hier wieder auffällig ist, ist die Ausschließlichkeit, die damit einhergeht: „Entweder du bist die erste Geige und bestimmst über alles, oder du bist zum Sichtbarwerden nicht geeignet.“

Das kann zu verschiedenen Reaktionen führen:

  • Man versucht krampfhaft zum Bestimmer zu werden, was einem nicht nur Freunde bringt. Hallo! Die meisten Menschen wollen nicht, dass man über sie bestimmt, sie wollen, dass man auf sie eingeht und sie überzeugt.
  • Oder man zieht sich zurück mit der Begründung, es würde einem ja sowieso nicht liegen, in der ersten Reihe zu stehen. Also ist es hoffnungslos, sich überhaupt irgendwelche Gedanken in puncto Sichtbarkeit zu machen.

Beides ist keine Lösung, dafür steckt darin ein großer Denkfehler: Wenn wir nur von Bestimmern umgeben wären, wie anstrengend und unkoordiniert wäre dann das Leben?!

Jeder von uns zieht bestimmte „Funktionen“ vor: Es gibt die Tonangebenden, es gibt die Unterstützer, die mit Rat und Tat lieber mehr im Hintergrund bleiben. Es gibt die selbstständigen einsamen Wölfe, die es lieben, im stillen Kämmerlein vor sich hinzuwerkeln … und, und, und.

Dazu kommt, dass sich diese Rollen oft auch mischen. Sogar bei uns Leisen gibt es Lebensbereiche, wo wir manchmal gerne die erste Geige sind (oder gar nicht darüber nachdenken, weil wir automatisch hin und wieder die Führung übernehmen), und andere Situationen, wo wir eher beobachtend am Rand stehen.

Das Gegenteil von erster Geige darf aber nicht Unsichtbarkeit sein! Denn es geht darum, zu sich zu stehen, sich und die eigenen Ziele gegenüber anderen zu behaupten.

MERKSATZ

Auch ohne die Führung zu übernehmen oder im Mittelpunkt zu stehen, können Sie mehr Präsenz zeigen.

Klischee Nr. 4: Will man gesehen werden, muss man laut auf sich aufmerksam machen.

Manche Menschen reißen jedes Gespräch an sich, haben keine Scheu, andere zu unterbrechen, und genieren sich nicht, aus vollem Hals zu lachen. Gehört man zur leisen Gattung, schaut man ihnen entweder bewundernd oder entnervt bei ihrem Treiben zu: „Wie die wieder die Aufmerksamkeit an sich reißen!“

Glaubt man dem Klischee, dann ist man erneut in der Bredouille:

  • Entweder man versucht es auch auf die laute Art, verstellt sich also. Das fühlt sich falsch an und geht oft auch gehörig in die Hose, denn es passt schlichtweg nicht zum eigenen Naturell.
  • Oder man hält sich erst recht im Hintergrund und meidet jede Situation, in der man sich gezielt in den Vordergrund spielen würde. Manchmal mit der Ausrede, dass andere schon laut genug sind oder dass eh schon alles gesagt ist.

Die enthaltene Botschaft Das bedeutet also: Leise Menschen müssen sich entweder verstellen oder sie gehen im Lärm unter. Doch das stimmt einfach nicht: Man muss keineswegs zwangsläufig laut sein, um gesehen zu werden. Sie kennen bestimmt mehrere Beispiele, ob im Bekanntenkreis, unter Kollegen oder bei Prominenten: Gerade die Stillen, die eine wache, selbstbewusste Art haben, sind oft viel präsenter als so mancher Selbstdarsteller.

MERKSATZ

Gesehen und wahrgenommen zu werden hat überhaupt nichts mit Lautstärke zu tun!

Klischee Nr. 5: Selbstmarketing bedeutet dampfplaudern.

Sicher haben Sie das auch schon in der Schule erlebt: Ein Mitschüler kommt nach vorne, redet zehn Minuten richtig klug daher, ohne aber inhaltlich etwas Nennenswertes zum Thema zu sagen. Der Lehrer ist begeistert und gibt dem Schwätzer die beste Note. Man selbst dagegen sagt in wenigen Worten nur das, was man zu 100 Prozent weiß, und wird vom Lehrer nur mittelmäßig bewertet. Jahre später hat man dann in so manchem Meeting ein Déjà-vu: Da sind sie wieder! Die, die zu allem ihren Senf geben und zur Not einfach wiederholen, was der Chef gerade gesagt hat.

Die enthaltene Botschaft Das Klischee impliziert also: „Um auf sich aufmerksam zu machen, muss man mehr reden, als man zu sagen hat.“ Doch geht so Selbstmarketing? Ist es tatsächlich so, dass man nur als Sprücheklopfer wirklich sichtbar werden kann?

Ich finde, hier müssen wir aufpassen, dass wir nicht vor lauter Eifer alle Menschen, die gut reden können und spontan nicht um einen Spruch verlegen sind, in einen Topf mit den Dampfplauderern schmeißen. Die einen haben nämlich wirklich was zu sagen, bringen Tiefe und guten Humor mit. Die anderen reden, um sich reden zu hören, und sind sich für keinen noch so blöden Witz zu schade – Hauptsache Aufmerksamkeit.

Wirklich gute Redner bringen nicht nur Talent und Veranlagung mit, sondern sie haben auch lange und hart dafür gearbeitet. Und sie haben gelernt, ihre Stärken und Schwächen zum eigenen Vorteil zu nutzen (dazu kommen wir im Kapitel „Ein starkes inneres Leitbild als Fundament“). Übrigens: Es gibt auch wunderbare leise Redner, also daran soll es nicht scheitern. Das ist das eine. Das andere ist: Es gibt ganz sicher Menschen, die sich von der Dampfplauderei beeindrucken lassen. Doch alle Welt für so dämlich zu halten, sich von den lockeren Sprüchen ohne Substanz beeindrucken zu lassen, das ist reichlich übertrieben. Denn die meisten Menschen interessieren sich ganz sicher für den Inhalt und die Tiefe. Und genau da schließt sich der Kreis zum Selbstmarketing.

MERKSATZ

Es ist sehr wichtig, anderen das von sich zu zeigen, von dem Sie möchten, dass es wahrgenommen und gewürdigt wird. Auf eine Weise, die zu Ihnen passt. Aber durchaus aktiv!

Klischee Nr. 6: Sei sittsam, bescheiden und rein und nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein.

Mich gruselt es bei dem Gedanken, wie viele Menschen (besonders Frauen) über Generationen hinweg dieser Spruch begleitete – man denke nur an das berüchtigte Poesie-Album. Nichts gegen Bescheidenheit an sich! Ganz im Gegenteil: Ich finde, dass Bescheidenheit heutzutage so manchem Zeitgenossen gut zu Gesicht stehen würde. Wie jede andere Tugend aber lebt auch sie von der richtigen Dosis. Übertreibt man es damit, wird aus einer Tugend nämlich eine Untugend.

Die enthaltene Botschaft In diesem Satz steckt die Bedeutung: Wer stolz ist, sucht gleichzeitig nach Bewunderung, aber beides ist verpönt. Besonders bedenklich ist, dass dieser Spruch gerade bei den leisen Menschen auf einen dankbaren Boden fällt, denn wenn man ohnehin eher leise ist, kann man leicht auf die Idee kommen, dass man gefälligst zurückhaltend und bescheiden zu sein hat. Dass man es sogar wie eine Medaille vor sich hertragen sollte, sich unsichtbar zu machen. Durch solche Glaubenssätze wird jeder Versuch, die eigene Zurückhaltung aufzugeben, zunichte gemacht.

Sowohl Bescheidenheit als auch Stolz sind wertvolle Tugenden. Es ist sehr wichtig für unser Selbstvertrauen, unsere Zufriedenheit und damit auch unsere Selbstwirksamkeit, dass wir uns dessen bewusst sind, was uns auszeichnet und was wir gut machen. Und mal ehrlich: Ist es nicht toll, wenn man auch mal bewundert wird? Wer behauptet, so etwas würde keinen Spaß machen, dem glaube ich kein Wort!

Was passiert denn, wenn man in der Bescheidenheits-Schublade gelandet ist?

  • Die eigenen Erfolge werden heruntergespielt und kleingeredet. Auch Lob wird am besten gar nicht oder nur begleitet von Schamgefühlen angenommen. Bei jedem noch so leichten Anflug von Stolz wird man von richtig schlechten Gefühlen übermannt.
  • Andere Menschen, die in der Lage sind, stolz auf sich zu sein, und dazu stehen, dass sie die Bewunderung durchaus genießen können, werden verachtet. Man sieht sich selbst als ein besserer, tugendhafterer Mensch.

Dieses Klischee hat eine enorme Auswirkung auf Generationen von Menschen gehabt und gehört zur Kategorie „Geht gar nicht!“ Kürzlich las ich im Internet die Umkehrung davon und musste sehr schmunzeln: „Sei nicht wie ein Veilchen im Moose – sittsam, bescheiden und rein. Du kannst doch viel lieber wie eine Rose etwas stachelig und stolz auf dich sein.“ Ich denke, es ist an der Zeit, den ursprünglichen Spruch zeitgemäß umzuformen!

Die Basis: sich selbst wertschätzen und sich erlauben, von sich begeistert zu sein. Im Kapitel „Ein starkes inneres Leitbild als Fundament“ bekommen Sie umfassend Gelegenheit dazu.

MERKSATZ

Sie haben jede Menge auf dem Kasten. Wenn Sie sich dessen bewusst sind, gehen Sie aktiver mit Ihren Pluspunkten um. Vor allen Dingen aber verändert sich Ihre Ausstrahlung.

Klischee Nr. 7: Eigenlob stinkt.

Von allen hier erwähnten Klischees finde ich dieses am schlimmsten! Wo auch immer es herkam. Es hat sich rasend schnell verbreitet und so tiefe Wurzeln geschlagen, dass es wirklich als gesellschaftlich inakzeptabel gilt, sich selbst zu loben. Wer es doch tut, bekommt schnell zu spüren, wie unangemessen sein Verhalten ist – betretenes Schweigen und peinlich berührte Menschen sind noch die harmlose Variante. Oft wird einem buchstäblich ein „Eigenlob stinkt!“ um die Ohren gehauen.

Die enthaltene Botschaft Dieses Klischee besagt: Wer positiv über seine Stärken und Erfolge spricht, ist ein Angeber. Es ist wirklich komisch: Negativ über sich zu reden ist absolut akzeptabel. Es ist für die allermeisten Menschen überhaupt kein Problem, auf Anhieb eine lange Liste an eigenen Makeln und Schwächen zu nennen. Geht es aber darum, zu sagen, dass man etwas wirklich gut kann, oder sich frei von der Leber weg über einen tollen Erfolg zu freuen, dann ist es irgendwie peinlich und unangenehm.

Dabei ist es auch hier wichtig zu unterscheiden, denn Eigenlob ist nicht gleich Eigenlob:

  • Wenn jemand pausenlos nur über sich selbst redet und jedem, der es nicht wissen will, Dinge unter die Nase hält à la „mein Haus, mein Auto, mein Boot“, dann ist das schlicht Angeberei.
  • Wenn aber jemand freudestrahlend davon erzählt, was ihm gerade gelungen ist, und seine Freude teilt, dann ist das verdient. Wohl denen, die sich mitfreuen oder beeindruckt sind!

Denken Sie an Bewerbungsgespräche: Wird man gefragt, welche Stärken man hat, dann will der Fragende Antworten hören und gleichzeitig abchecken, wie die Person sich selbst einschätzt. Wie Sie mit sich selbst umgehen, wie gut Sie sich kennen und wie sehr Sie zu sich stehen, bestimmt mit, welchen Eindruck Sie auf andere machen!

Leider wird stattdessen Menschen, die gut über sich und eigene Erfolge sprechen, unterstellt, dass sie es offenbar nötig haben. Dabei ist es doch auch kein Problem, andere zu loben. Warum ist es bei sich selbst so anders? Meistens, weil dieses „Eigenlob stinkt“ sich von klein auf verhakt hat. Oder weil man oft mitbekommen hat, wie andere als Angeber bezeichnet wurden, nur weil sie gut über sich selbst gesprochen haben.

Über seine Erfolge zu sprechen, sich seiner Stärken (und Schwächen) bewusst zu sein und zu sich selbst zu stehen, all das hat nichts mit stinkendem Eigenlob zu tun, sondern mit gesundem Selbstbewusstsein im Sinne von „mir meiner selbst bewusst sein“.

MERKSATZ

Wenn Sie von anderen gewürdigt werden möchten, fangen Sie erst mal selbst damit an!

Die drei größten inneren Barrieren

Wie wir eben schon bei den Klischees gesehen haben, bremsen uns Denkmuster sehr stark aus. Dadurch, dass Introvertierte besonders viel über sich selbst nachdenken, leiden sie mitunter stärker unter Selbstzweifeln, Selbstbe- und -abwertungen und einem ausgeprägten Perfektionsanspruch. Daraus entsteht eine Fülle innerer Barrieren, mit denen sie sich zusätzlich im Wege stehen. In der Arbeit mit meinen Kunden haben sich die folgenden drei Barrieren herauskristallisiert, die auch noch miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig bedingen:

  1. Die Selbstverständlichkeitsfalle
  2. Der Vergleich mit anderen
  3. Das „Nie genug“-Prinzip

Natürlich haben diese Barrieren eine spezielle Aufgabe: Sie sollen uns schützen. Irgendwann – aufgrund von schlechten Erfahrungen und Ängsten – hat unsere Psyche bestimmte Barrieren aufgebaut, die uns vor weiteren Enttäuschungen bewahren sollten. Sie wirken nach dem Motto: „Riskiere nichts, dann kann dir auch nichts passieren!“ Manchmal sind das nicht mal eigene Sicherheitsbarrieren, sondern wir haben sie von unseren Eltern oder unserem Umfeld gelernt.

Das Dumme ist, dass eben diese Barrieren die Sichtbarkeit von vornherein unmöglich machen und Sie vor dem Erreichen Ihrer Ziele „schützen“. Denn alle drei wirken so, dass man denkt, man wäre nicht sehenswert. Kommt Ihnen also eine dieser Barrieren – oder mehrere – bekannt vor, dann heißt es, sich damit jetzt auseinanderzusetzen. Denn solange diese Barrieren aktiv sind, werden Sie sich immer scheuen, sich zu zeigen.

Barriere Nr. 1: Die Selbstverständlichkeitsfalle

Die erste Aufgabe, die meine Kunden im Sichtbarkeits-Coaching bekommen, besteht darin, sich an die Situationen zu erinnern, in denen sie erfolgreich waren, ganz egal zu welcher Zeit in ihrem Leben und ob sie privater oder beruflicher Natur sind. Die Geschichten dieser Erfolge erzählen sie mir dann im Coaching. Es ist immer wieder toll zu sehen, wie sie dabei strahlen und ihre Augen leuchten – sie fühlen sich so richtig in ihrem Element. Gemeinsam schauen wir uns dann an, welche Fähigkeiten sie in der jeweiligen Erfolgsgeschichte eingesetzt haben. Wenn wir dann zehn bis 15 Geschichten so bearbeitet haben, zeigen sich ganz klare Muster. Denn einige Fähigkeiten tauchen immer wieder auf.

Dann sage ich: „Schauen Sie, und genau das sind Ihre größten Stärken.“ Dann erlebe ich es sehr oft, gerade bei leisen Menschen, wie schnell das Leuchten in den Augen erlischt und ich plötzlich eine entgeisterte Person vor mir habe. „Das sollen meine Stärken sein? Dafür muss ich doch gar nichts machen, ich kann das einfach. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, das wäre ja peinlich, darüber zu reden.“

Das stimmt! Die eigenen Stärken sind die Fähigkeiten, die einem besonders leicht fallen und die schon immer da waren. Deswegen kommen auch Gedanken und Einwände wie

  • „Das ist doch nichts Besonderes.“
  • „Das kann/macht doch jeder.“
  • „Das ist doch selbstverständlich.“
  • ”Das muss man nun nicht extra erwähnen.“
  • „Das interessiert doch keinen.“

Willkommen in der Selbstverständlichkeitsfalle!

Meine Antwort auf solche Einwände ist, dass es deswegen ja auch eine Stärke ist, weil sie einfach da ist und null Anstrengung bedeutet. Gerade die Menschen, die sehr selbstkritisch sind, brauchen jetzt etwas länger, bis es an dieser Stelle klick macht. Dahinter steckt der weit verbreitete Denkfehler, dass Stärke etwas mit Anstrengung zu tun hat. Das, was man sich mühsam angeeignet hat, schätzt man somit wesentlich mehr als das, was sowieso schon da war.

Die Tiermetapher Hier nutze ich gern die Tiermetapher, die ich von meinem NLP-Lehrer Ralf Stumpf gehört habe (NLP = Neuro-Linguistisches Programmieren, ein psychotherapeutisches Konzept für Kommunikation und Veränderung) und die ursprünglich auf Vera F. Birkenbihl zurückgeht. Schaut man sich Tiere und ihre Stärken an, dann ist sonnenklar: Der Affe klettert auf Bäume. Der Delfin schwimmt im Meer. Der Adler fliegt hoch im Himmel.

Das wundert keinen. Wenn aber jetzt der Affe seine Kletterfähigkeit als Selbstverständlichkeit ansieht und stattdessen lieber schwimmen lernen würde, könnte er wohl nach vielen Trainingsstunden schwimmen, doch würde er nie so gut schwimmen können wie der Delfin, dem diese Fähigkeit angeboren ist. Noch skurriler ist die Vorstellung, wenn der Delfin statt zu schwimmen lieber klettern oder fliegen wollte beziehungsweise der Adler schwimmen oder klettern.

Jetzt schauen wir uns an, wie die Selbstverständlichkeitsfalle Ihre Sichtbarkeit behindert: Sie können davon ausgehen, dass die Fähigkeiten, für die Sie oft Komplimente bekommen und bei denen andere ausgerechnet Sie um Hilfe bitten, zu Ihren Stärken gehören, z.B. Ausflüge organisieren oder schnell ein witziges Gedicht für die Geburtstagskarte reimen.

Wenn Sie dann denken:

  • „Ich kann das nicht mehr hören; ich mag nicht, wenn die Leute mich für solche Selbstverständlichkeiten loben, ich finde es albern.“
  • „Das fällt mir so leicht, ich muss mich doch gar nicht anstrengen dafür, das kann doch nun wirklich jeder.“

… dann sitzen Sie einerseits in der Selbstverständlichkeitsfalle. Andererseits werden Sie erst recht nicht bereit sein, über Ihre Erfolge und Stärken zu reden, wenn das alles so banal ist. Also, adieu Sichtbarkeit!

Und was die Selbstverständlichkeiten betrifft – überlegen Sie mal, wofür Sie einen anderen aufrichtig bewundern und ihm Komplimente machen. Richtig: genau für die Dinge, die für Sie nicht selbstverständlich sind. Es sind die Fähigkeiten, die Sie für besonders oder toll halten und die Ihnen selbst nicht so liegen oder die Sie (noch) nicht so gut beherrschen.

ÜBUNG

Wen haben Sie zuletzt gelobt oder heimlich bewundert und für welche Stärken? Schreiben Sie mindestens fünf auf, z.B.:

  • den Freund, der ein wahres Improvisationsgenie ist
  • die Barista, die extrem gut multitasken kann
  • den Kollegen, der perfekte Statusberichte aus dem Stegreif macht
  • die Lieferantin, die extrem ruhig geblieben ist, als Sie sich böse beschwert haben
  • den Nachbarn, weil er alles reparieren kann

Fazit Es gibt nichts, was für jeden Menschen selbstverständlich ist. Es gibt keinen anderen Menschen auf der Welt, der die gleichen Fähigkeiten in der gleichen Zusammensetzung und Qualität besitzt wie Sie. Punkt.

Im Kapitel „Ein starkes inneres Leitbild als Fundament“ setzen Sie sich mit Ihren Eigenschaften, Stärken und Erfolgen intensiv auseinander und machen sich diese so richtig bewusst.

Barriere Nr. 2: Der Vergleich mit anderen

Die beiden Barrieren Selbstverständlichkeitsfalle und Vergleich mit anderen hängen stark miteinander zusammen. Überlegen Sie mal: Wenn Sie das, was Sie können, für nichts Besonderes halten, dann ist es doch nur klar, dass andere viel bessere und wichtigere Stärken und Fähigkeiten haben als Sie! Das ist natürlich totaler Humbug. Doch eins nach dem anderen.

Ein Beispiel Als ich vor Jahren als Angestellte an mehreren Projekten arbeitete und viele Präsentationen zu halten hatte, verglich ich mich immer mit meinem damaligen Chef, der eine irrsinnige Begabung hatte, Zahlen, Daten und Fakten zu jonglieren, und sie äußerst wirkungsvoll präsentierte. Also habe ich mich daran gemessen und versucht, meine Präsentationen genauso aufzubauen und zu halten. Doch irgendwie passte das nicht zu mir. Das wusste ich schon damals. Nur habe ich daraus falsche Schlüsse gezogen: Ich hielt mich für eine schlechte Präsentatorin. Das machte mich sehr unglücklich und ich hasste es, trotzdem immer präsentieren zu müssen. Davon abgesehen waren meine Präsentationen damals wirklich eher durchschnittlich.

Eines Tages war ich spontan zu einem Meeting eingeladen worden, wo ich über die Fortschritte eines von mir geleiteten Projektes berichten musste. Ich konnte keine Präsentation vorbereiten, sondern musste mich auf das verlassen, was ich an Informationen im Kopf hatte. Aufregung! Panik! Doch es nützte nichts. Ich musste etwas sagen. Todesmutig ging ich nach vorne und fing an, statt über Daten und Fakten über die Zusammenhänge innerhalb des Projektes zu sprechen und darüber, welche Auswirkungen die Verzögerungen im Projekt auf andere Projekte und damit betraute Mitarbeiter hatte. Um die einzelnen Stationen darzustellen, griff ich mir das sonst nie genutzte Flipchart und malte darauf. Ich redete mich wirklich in Rage, was ich von sonstigen Präsentationen nicht kannte.

Als ich fertig war, sah ich die erstaunten Gesichter der ganzen Führungsriege zu mir aufschauen. Der Chef war begeistert und lobte mich vor versammeltem Gremium (was schon eine Rarität war). Mehrere Kollegen sprachen mich im Anschluss an und sagten, dass ich so ganz anders aufgetreten sei und dass sie mich als wesentlich präsenter erlebt hätten als sonst.

So entdeckte ich rein zufällig, dass meine vorigen Präsentationen durchschnittlich waren, weil es einfach nicht meine Art zu präsentieren war. Weil ich einen Maßstab gewählt hatte, der überhaupt nicht zu meinen Qualitäten passte. Heute weiß ich, welche Stärken ich habe und was mir ganz selbstverständlich gelingt. Und statt mich an anderen zu orientieren, versuche ich immer meinen eigenen Weg zu suchen.

Ein Problem des Vergleichens ist also, dass man sich an falschen Maßstäben orientiert, sich das Leben damit erschwert und den eigenen Erfolg unterminiert. Ein weiteres Problem ist, dass man sich im permanenten Wettbewerb zu anderen erlebt. Es findet immer ein Soll-Ist-Vergleich mit einer oft idealisierten Person statt. Und das läuft wieder, wie bei den Klischees, auf ein Entweder-oder hinaus:

  • Entweder ich oder er/sie ist besser, schöner, klüger etc.
  • Sie ist gut in ... – ich bin schlecht darin.
  • Er macht ... richtig – ich mache es falsch.
  • Sie präsentiert sehr professionell – ich bin unprofessionell.
  • Seine Stärke ist wirklich toll – ich kann nichts Besonderes.
  • Was sie kann, ist wirklich wertvoll – was ich kann, ist wertlos.
  • Er ist mir fachlich überlegen – ich bin ihm unterlegen.

Die Tiermetapher Jetzt lassen Sie uns die Tiermetapher noch einmal anschauen: Stellen Sie sich vor, der Affe hat tatsächlich gelernt zu schwimmen, der Delfin übt sich im Klettern und der Adler versucht alles, um laufen zu lernen, weil er einer Antilope nacheifert. Statt stolz zu sein auf das bisher Erreichte, vergleichen sie sich ständig mit den anderen: Der Affe vergleicht seine Schwimmkünste mit denen des Delfins. Der Delfin misst seine Klettergeschwindigkeit mit der des Affen. Der Adler will mit der Antilope um die Wette laufen.

Dass dieses Vergleichen nur Frust und Demotivation mit sich bringt, liegt auf der Hand. Ich will hier aber nicht den Vergleich per se verteufeln. Die Frage ist vielmehr, an welchem Maßstab vergleicht man sich. Wenn Sie sich mit Menschen vergleichen, die von Haus aus ganz andere Voraussetzungen mitbringen oder sogar das Gegenteil von Ihnen sind – etwa wenn Sie sich als leiser Mensch mit besonders lauten Menschen vergleichen –, werden Sie immer den Kürzeren ziehen.

Die Muster, nach denen man sich Frust holt, sind dabei immer wieder ähnlich:

  • Man nimmt sich viel zu viel vor. Das führt zur Überforderung und dann Enttäuschung über sich selbst beziehungsweise die sich selbst erfüllende Prophezeiung, dass es wie immer nicht klappt, wird bestätigt.
  • Oder man macht sich von Anfang an kleiner, als man ist, weil man nicht mit der Vergleichsperson mithalten kann. Das führt dazu, dass man denkt: „Das ist eh nichts für mich, ich bin dazu nicht in der Lage, deswegen fang ich gar nicht erst an.“

Und da haben wir es wieder: Wer eigene Stärken für selbstverständlich hält und ihnen keine Bedeutung beimisst, die Stärken von anderen dagegen für wesentlich attraktiver und begehrenswerter hält, wird sich schwertun damit, sich und eigene Qualitäten sichtbar zu machen und über die eigenen Erfolge zu sprechen.

SELBST-CHECK: SITZEN SIE IN DER VERGLEICHSFALLE FEST?

Lassen Sie uns anschauen, wie es bei Ihnen ist und ob Sie auch in der Vergleichsfalle festsitzen. Überlegen Sie dies für den Bereich, in dem Sie sich mehr Sichtbarkeit wünschen:

  • Mit wem vergleichen Sie sich?
  • Was ist das für eine Person?
  • Welche ihrer Fähigkeiten bewundern Sie?
  • Worin unterscheidet sich diese Person von Ihnen?

Machen Sie diesen Vergleich aber richtig differenziert. Denn wenn Sie genau ausloten, was Sie an anderen warum bewundern, und nicht nur sagen „Der ist besser als ich“ oder „Das kann ich nie“, dann gelingt es Ihnen, sich konstruktiv zu vergleichen und Anregungen zu holen beziehungsweise den anderen als Vorbild wahrzunehmen. Indem Sie im Alltag genau hinhören, wenn der Kollege wieder so brillant alles auf den Punkt bringt, oder sogar um Tipps fragen.

Fazit Hören Sie auf, sich ständig zu vergleichen. Jeder Mensch ist anders und jeder hat seine eigenen Qualitäten, die herauszufinden sich lohnt. Also richten Sie Ihren Fokus darauf, Ihre Stärken herauszufinden. Denn das sind Fähigkeiten, auf die Sie sich jederzeit verlassen können. Genau diese Stärken machen Sie zu etwas Besonderem. Umso schöner, dass uns diese Eigenschaften und Stärken so besonders leicht fallen, weil sie uns angeboren sind, weil wir viel Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet haben oder weil wir uns diese Stärken erarbeitet haben.

Barriere Nr. 3: Das „Nie genug“-Prinzip

Die dritte Barriere stellt oft eine Fortsetzung der anderen beiden dar: Das, was man selbst ist, ist selbstverständlich. Die anderen können es sowieso viel besser. Da muss es in der letzten Konsequenz darauf hinauslaufen, dass man erst noch einiges lernen muss, bevor man sich aus der Tarnung wagen darf. Lassen Sie uns also schauen, was hinter dem „Nie genug“-Prinzip steckt: Es ist die Angst, nicht zu genügen, schlechter zu sein als andere und deshalb abgelehnt zu werden.

Ein Beispiel Auf meiner ersten Netzwerkveranstaltung wurde mir wie noch nie zuvor klar, dass ich keinen Small Talk kann. Mir behagte das oberflächliche Geplänkel über das Wetter mit wildfremden Leuten überhaupt nicht. Und so schlich ich nach einem einzigen sehr kurzen Gespräch mit einer einzigen Person still und leise weg von dieser Veranstaltung.

Das einzige Gespräch, das ich geführt hatte, war in meinen Augen inhaltsleer, ich hatte mich weder selbst vorgestellt, noch wusste ich, mit wem ich sprach. Im Grunde war es nicht mehr als „Hallo und auf Wiedersehen“. Während andere Menschen um mich herum munter miteinander plauderten, Kontakte knüpften und sich amüsierten. Ich war entsetzt über mich und meine Unfähigkeit, in Kontakt zu anderen Menschen zu treten. Seit dieser Zeit mied ich solche Veranstaltungen wie der Teufel das Weihwasser.

Nun tat ich das, was die Introvertierten am liebsten tun: Ich las Bücher und Beiträge zum Thema Small Talk und Netzwerken. Doch wie Sonja, meine liebe Trainer-Kollegin und gute Freundin, immer sagt: „Das Wissen ist der Trostpreis“. Die Sache spitzte sich immer mehr zu. Je mehr ich las, umso mehr Panik hatte ich davor, zu scheitern. Denn das, was ich an Ratschlägen las, entsprach so ganz und gar nicht meiner Art.

Jedes Mal, wenn ich mich zu einer Netzwerkveranstaltung angemeldet hatte, kam etwas dazwischen, ob plötzliche Kopfschmerzen oder ein anderer Termin, der doch wichtiger war – ich drückte mich mit aller Macht davor. Um Ausreden war ich natürlich nicht verlegen, ich redete mir ein, dass ich mich noch besser vorbereiten müsste, mein Elevator Pitch einfach noch nicht knackig genug war und was sonst alles.

Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, was passiert, wenn man in der „Nie genug“-Falle gelandet ist. Letztlich handelt es sich dabei immer um Selbstzweifel, basierend auf einem ausgeprägten Perfektionsanspruch:

  • Wenn ich noch … habe/kann, dann ...
  • Solange ich ... noch nicht kann, …
  • Entweder ich kann das so wie ... oder gar nicht.

Genau da sind wir beim Kern des Problems angelangt: Mit diesem gesamten Barrieren-Konstrukt ist man eigentlich nie richtig so weit und bereit, sich anderen Menschen zu zeigen. Man kann somit noch eine weitere Runde im Inneren drehen und das, was noch nicht gut genug ist und nicht bereit für die Öffentlichkeit, durchwetzen. Das passt ja sehr gut zu unserem leisen Gebaren.

Ich habe das jetzt natürlich ironisch und sehr überspitzt formuliert, doch fühlen Sie sich nicht auch genauso ertappt wie ich selbst, wenn Sie das lesen?

Wollen Sie wissen, wie die Small-Talk-Geschichte weitergegangen ist? Irgendwann habe ich angefangen, Improvisationstheater zu spielen. Das war eine richtige Offenbarung: Je mehr ich den Perfektionsanspruch, immer das Richtige zu sagen, losließ, umso entspannter wurde ich. Ich stellte fest, dass ich auf der Bühne keine Schwierigkeiten hatte, einen Aufhänger für das Gespräch zu finden. (Kommt Ihnen das nicht aus der Geschichte mit der spontanen Präsentation bekannt vor?)

Außerdem bekam ich Rückmeldungen, dass ich die Gabe besitze, sofort Kontakt zu Menschen aufzubauen, nur mit meinen Augen, ohne zu sprechen. Wie bitte? Das hätte ich nun gar nicht gedacht – die Selbstverständlichkeitsfalle lässt grüßen. Und eine weitere Lektion war, aufzuhören, mich mit anderen Impro-Spielern zu vergleichen – jeder hat seine Stärken und seine eigene Art auf der Bühne. Ich habe mich immer mehr auf mich und meine Qualitäten besonnen. Natürlich ist dies nicht zuletzt meinen Impro-Lehrern zu verdanken, die mich immer wieder liebevoll auf meine Stärken hingewiesen und meine Potenziale herausgekitzelt haben! Solche Menschen sind sehr wichtig – dazu kommen wir später noch, wenn es um Mentoren geht.

Jetzt weiß ich, dass mir immer etwas einfällt, um ein Gespräch zu gestalten. Ich rede nicht übers Wetter, sondern nutze meine Beobachtungsgabe, um das Thema zu finden, das für mich und meinen Gesprächspartner interessant ist. Ich weiß, welche Fragen ich stellen kann, damit auch ein Fremder ins Erzählen kommt. Dann ist es für mich ein Leichtes, das, was diese Person sagt, aufzugreifen und eine nächste Frage zu stellen. So muss ich nicht groß über mich erzählen, was mir sehr entgegenkommt. Und der Gesprächspartner fühlt sich gut, weil er sich verstanden und interessant fühlt.

Da ich am eigenen Leib erlebt habe, welche Wunder Improvisationstheater wirkt, kann ich Ihnen nur wärmstens ans Herz legen, es auszuprobieren. Im Kapitel „Improvisieren lernen – 7 Regeln für mehr Sichtbarkeit“ erfahren Sie mehr über die Prinzipien des Improvisationstheaters, gerade weil sie so nützlich im privaten und beruflichen Alltag sind – und unsere Eigen-Art auf unsere eigene Art so wunderbar zum Strahlen bringen.

Ihr Umfeld: Bremser meiden, Mentoren suchen

Unser Umfeld hat eine große Auswirkung auf uns, auch wenn es uns manchmal nicht so richtig bewusst ist. Mit Umfeld sind natürlich nicht nur Familie und Freunde gemeint, sondern alle, mit denen wir regelmäßig zu tun haben. Das können Arbeitskollegen, Bekannte und Fußballkameraden sein. Also all die Menschen, mit denen wir in Berührung kommen und die uns mal mehr, mal weniger beeinflussen. Manche mit Worten, andere mit ihrem Verhalten. So reicht schon ein Blick oder eine Geste von einer bestimmten Person, um uns zu Neuem zu ermutigen oder uns in Selbstzweifel zu stürzen.

Eltern, Kinder, Partner, Kollegen, Freunde, Bekannte, Vorgesetzte – alle diese Menschen übernehmen wichtige Aufgaben für uns. Im Positiven wie im Negativen: Die einen unterstützen uns bei unseren Vorhaben und geben uns Rückendeckung. Die anderen kosten Kraft und reden uns ein schlechtes Gewissen ein.

Gerade in Phasen der persönlichen Veränderung spielt unsere Umgebung eine besondere Rolle. So auch jetzt, da Sie sich entschieden haben, an Ihrer Sichtbarkeit zu arbeiten. Denn in solchen wichtigen Momenten, wenn man selbst noch am Zweifeln und noch dabei ist, nach dem richtigen Weg zu suchen, kann schon ein kleiner „Windstoß“ eine dramatische Wirkung haben, und das sowohl in die positive als auch in die negative Richtung. Ihre Sichtbarkeit ist ein zartes Pflänzchen. Es gibt Menschen, die dieses Pflänzchen gießen und düngen werden, die dafür sorgen, dass immer genug Licht und Schatten da ist, damit es wachsen und gedeihen kann. Es gibt aber andere Menschen, die auf das Pflänzchen treten werden, die es völlig übergießen oder vertrocknen lassen. Ob das bewusst oder unbewusst geschieht, ist hier nicht von Belang. Es ist vielmehr wichtig für Sie, zu unterscheiden, wer zu welcher Art von Mensch gehört und wie Sie sich diesem Menschen gegenüber verhalten können, damit Ihr zartes Pflänzchen nicht zugrunde geht, bevor es richtig zum Wachstum kam.

Wir können natürlich jetzt nicht Ihr gesamtes Umfeld beleuchten. Darum machen wir das jetzt exemplarisch an einer bestimmten Situation:

ÜBUNG

Suchen Sie sich bitte eine ganz konkrete Situation im privaten oder beruflichen Bereich, die so oder ähnlich immer wieder auftritt und in der Sie sich mehr Sichtbarkeit wünschen. Das kann Ihr jährliches Beurteilungsgespräch mit Ihrem Vorgesetzten sein oder das alljährliche Sommerfest bei Ihren (Schwieger-)Eltern.

Wichtig ist, dass Sie in dieser Situation das Gefühl haben, Sie würden gern mehr aus der Deckung kommen und endlich präsenter sein. Vielleicht sogar auch mal über Ihre über das Jahr angesammelten Erfolge berichten, statt wie gewohnt nur den Geschichten anderer zu lauschen. Und auch wenn Sie jetzt denken, dass Sie keine passende Situation haben, dann nehmen Sie die, die halbwegs oder auch nur ein ganz kleines bisschen passt.

Haben Sie sich für eine Situation entschieden? Wunderbar! Dann können wir loslegen. Wir schauen uns die Personen an, die Sie in dieser Situation umgeben, wobei wir sie in Bremser und Mentoren einteilen.

Identifizieren Sie Ihre Bremser

Bremser sind Menschen in unserem Umfeld, die uns scheinbar unabsichtlich vor jedem Versuch einer Veränderung bewahren. Dabei übernehmen sie letztlich die Aufgabe, unsere eigenen inneren Barrieren und Bedenken zu bestätigen. Ja, Sie lesen richtig! Man kann ihnen somit nicht wirklich einen Vorwurf machen. Denn bis auf wenige Ausnahmen, die uns mit Absicht Böses wollen, tun die meisten nichts anderes, als einfach nur ihre eigene Art, mit den Veränderungen umzugehen, auf uns zu projizieren. Und ganz egal, in welcher Form es Ihnen gelingt, uns von den geplanten Veränderungen abzuhalten – wir haben uns selbst dafür entschieden, uns abhalten zu lassen. Also gilt es die Verantwortung dafür zu übernehmen, ob und wie wir reagieren, statt die Verantwortung für uns selbst auf andere abzuwälzen.

Ich habe drei Gruppen von Bremsern ausgemacht, die immer wieder in verschiedenen Gestalten auftauchen:

  • die Zweifler und Angsthasen
  • die falschen Helfer und gut meinenden Bewahrer
  • die Verhinderer und Einschüchterer
MERKSATZ

Unser Umfeld kann uns nur beeinflussen, wenn wir uns beeinflussen lassen.

Zweifler und Angsthasen

Motto: „Bist du dir wirklich sicher?“

Diese Menschen tun sich schwer mit Neuem. Lieber bleiben sie in ihren bewährten Strukturen. Sie zweifeln sich selbst und andere an, stellen alles infrage und haben eine spürbare Angst vor Veränderungen. Darum verbreiten sie Zweifel und Unsicherheit. Doch natürlich hat das nur dann die Chance, bei Ihnen auf fruchtbaren Boden zu fallen, wenn der andere das ausspricht, was Sie selbst, manchmal nur im Geheimen, denken.

Wie kann man Zweifler und Angsthasen identifizieren? Sie jammern viel über Umstände und andere Leute, doch wenn es darum geht, die Situation zu ändern, dann haben sie tausend Einwände, warum es ausgerechnet bei ihnen und gerade jetzt nicht geht. Sie malen die schlimmsten Ängste und Katastrophen aus, was alles passieren kann, wenn man den Status quo ändern würde. Sie fühlen sich als Opfer der Umstände oder anderer Menschen.

Eine weitere Möglichkeit, einen Angsthasen zu erkennen, ist das eigene Verhalten nach einer Begegnung mit einem solchen Menschen.

  • Wenn Sie selbst auf einmal ins Jammern und Klagen verfallen;
  • wenn Sie zu jedem Ihrer neuen Vorhaben oder einer neuen Idee plötzlich anfangen Schreckensszenarien auszumalen;
  • wenn Sie nach dem Gespräch mit ihm plötzlich alles anzweifeln, was Sie sich vorher schon genau überlegt haben;
  • wenn Sie auf einmal von Selbstzweifeln geplagt werden und das Gefühl haben, alles würde zu Bruch gehen, wenn Sie auch nur das Geringste an Ihrem jetzigen Zustand ändern;
  • wenn Sie sich ganz komisch als Opfer der Umstände fühlen

… dann können Sie sicher sein: Sie lassen sich gerade von einem Angsthasen oder Zweifler beeinflussen.

ÜBUNG

Jetzt denken Sie an die von Ihnen ausgewählte Situation, in der Sie sichtbarer werden wollen. Haben Sie sich beim Lesen an jemanden erinnert, der bei dieser Sache genau so eine Wirkung auf Sie hat? Schreiben Sie seinen oder ihren Namen auf – es können natürlich auch mehrere sein – und skizzieren Sie für sich in aussagekräftigen Stichpunkten, wie sich diese Person verhält und was sie Ihnen vermittelt.

Falsche Helfer und gut meinende Bewahrer

Motto: „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“

Diese Spezies meint es wirklich gut mit einem. Meist kommen sie mit handfesten Ratschlägen, die sehr erwachsen und vernünftig klingen. Sie denken und handeln selbst in einfachen, bodenständigen Alternativen und halten gar nichts von Träumereien. Sie hinterfragen alle neuen Vorhaben ganz nüchtern, emotionale Beweggründe sind ihnen suspekt. Solide und sachlich erklären sie: „Konzentrier dich besser darauf, das Erreichte zu bewahren. Alles andere ist unrealistisch und Zeitverschwendung. Überlass das Leuten, die es können. Deine Qualitäten liegen nun mal ganz woanders. Mach dich nicht lächerlich.“

Man erkennt solche Menschen daran, dass sie fast wie konservative Eltern auftreten: Gut meinend und bodenständig tun sie neue Vorhaben und Pläne als Humbug ab. Sie kommen mit Sprüchen daher wie „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“.

An sich selbst erkennt man ihren Einfluss daran, dass man plötzlich anfängt sich zu fragen: „Ja, warum will ich mich oder mein Leben überhaupt ändern?“ Auf einmal erscheinen alle Pläne lächerlich und abgehoben. Bequemlichkeit und Selbstzufriedenheit macht sich breit – was an sich ja gut sein kann, nur eben dann nicht, wenn es gar nicht von Ihnen selbst ausgeht und nur eine momentane Erscheinung ist.

ÜBUNG

Jetzt denken Sie an die von Ihnen ausgewählte Situation, in der Sie sichtbarer werden wollen. Haben Sie sich beim Lesen an jemanden erinnert, der diese Wirkung auf Sie hat? Ist es einer oder sind es mehrere Personen in dieser konkreten Situation? Notieren Sie wieder den beziehungsweise die Namen und schreiben Sie auf, wie sich die Personen dann genau verhalten und zu Ihrem Vorhaben stehen werden.

Verhinderer und Einschüchterer

Motto: „Aha, interessant – und du traust dir das zu?“

Im Beisein dieser Menschen wird einem leicht bang: Man weiß, dass sie alles sehr kritisch beäugen und hinterfragen. Die Sache beziehungsweise die Neuerung an sich spielt keine große Rolle – sie zersetzen mit ihrer oft scharfen Kritik jedes Thema. Im Vergleich zu ihnen kommt man sich klein vor. Es gibt zwei Sorten:

  • die, die selbst schon vieles erreicht haben und einen fast schon zu sehr beeindrucken: „Das könnte ich nie!“
  • die, die selbst nichts Großartiges erreicht haben, es aber immer wieder mit ihrer überbordenden Selbstsicherheit schaffen, dass man sich daneben mickrig fühlt

Beide hören nicht richtig zu, wenn man etwas über sich erzählen will, unterbrechen und erzählen von ihren eigenen Erfolgen, so, dass die gewaltig erscheinen. „Und du willst also jetzt ...? Und was soll das bringen?“ Sie erdrücken einen mit Hochstatus, sodass man in ihrer Gegenwart sofort zu schrumpfen beginnt (mehr zum Thema Status im Kapitel „Status nutzen für mehr Präsenz“).

An sich selbst merkt man besonders, dass man sich in Gegenwart solcher Personen unwohl fühlt und sich irgendwie wertlos vorkommt. Im Nachhinein wird ihr Einfluss an einem total geschrumpften Selbstbewusstsein spürbar und daran, dass man sich mit allem, was man vorhat, auf einmal sehr lächerlich vorkommt.

ÜBUNG

Haben Sie solche Menschen in Ihrem Umfeld, wenn Sie an die von Ihnen ausgewählte Situation denken? Wenn ja, dann machen Sie sich wieder einzeln einige konkrete Gedanken, wer genau das ist und wie sich die jeweilige Person typischerweise verhält.

So schützen Sie sich vor Bremsern

Wie Sie sehen, können solche Menschen einen verheerenden Einfluss auf Sie und Ihre Ziele haben – jeder auf seine eigene Art. Darum ist es zuerst einmal wichtig, die Bremser in Ihrem Umfeld als solche zu erkennen. Nur wenn Sie erkennen, wer welchen Einfluss auf Sie hat, können Sie sich entsprechend verhalten. Dann können Sie sich vor unguten, schädigenden Einflüssen schützen und gezielt die Unterstützer in Ihrem Umfeld nutzen.

Darum ist es auch so sinnvoll, anhand von konkreten Anliegen zu überprüfen, welche Menschen Ihres Umfelds Ihnen gerade in Bezug auf dieses Ziel wichtiger werden. Manche haben einen generellen Einfluss, z.B. die engere Familie. Wer mit einem ängstlichen Ehepartner verheiratet ist, der total sicherheitsbedürftig ist, der weiß: Von hier kommt eher Zurückhaltung, die Ermahnung zur Besonnenheit oder ein „Lassen wir alles so, wie es ist“. Wenn Sie das wissen, können Sie es entsprechend einordnen, weil Sie es nicht mehr einfach als Demotivation oder mangelnde Unterstützung begreifen.

Bei anderen Zielen haben wir jedoch sehr viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun, die wir oft persönlich nicht mal näher kennen. Es ist also wichtig, je nach Ziel immer wieder auszuloten, aus welchem „Stoff“ Ihr Umfeld gemacht ist.

Nun heißt es mit schädlichen Bremsern umzugehen, um sich nicht den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen. Dafür habe ich aus persönlicher Erfahrung ein wirkungsvolles Instrument entwickelt: die Bremslöser-Formel (siehe folgende Seite).

DIE BREMSLÖSER-FORMEL
  1. Halten Sie den Mund. Sprechen Sie mit schädlichen Bremsern nur über Unverfängliches, was mit Ihnen persönlich nichts zu tun hat. Sprechen Sie schon gar nicht über Ihre Pläne und Dinge, die noch relativ neu sind. Denn da ist man meist noch nicht hundertprozentig sicher, sodass Bremser einen ganz schnell ins Schwanken bringen können. Am besten eignen sich Fragen, damit die Bremser ins Erzählen kommen und mit ihren eigenen Themen beschäftigt sind.
  2. Lassen Sie die Ohren zu. Ich habe mit der Zeit zuzuhören gelernt, ohne dass ich das, was solche Menschen sagen, richtig in mich aufnehme. Das ist dann möglich, wenn man sich vorher schon mental auf sie vorbereitet hat, indem man sich eine Glaswand zwischen der Person und sich selbst vorstellt. Dann hört man zwar, was sie sagt, und nickt freundlich, aber die imaginäre Glaswand lässt die im Inhalt mitgesendeten Emotionen nicht durch – das ist sehr wirkungsvoll. Probieren Sie es aus!
  3. Gehen Sie auf Abstand. Versuchen Sie sich so wenig wie möglich mit solchen Menschen zu umgeben. Wenn das komplette Fernhalten nicht funktioniert, kürzen Sie Gespräche so gut es geht ab. Das reduziert den Einfluss.
  4. Halten Sie ein Stoppschild hoch. Wenn alles nichts bringt und Sie die Person nicht davon abhalten können, sich an Ihnen und Ihren Themen zu schaffen zu machen, sagen Sie, dass Sie das Thema wechseln wollen, ohne es weiter zu begründen. Dann stellen Sie wieder Fragen zu der betreffenden Person: „Was ich viel lieber erfahren würde ...“ Dabei holen Sie schnell wieder die Glaswand hervor, hören zu und nicken freundlich, ohne das Gesagte an sich heranzulassen.

Vielleicht denken Sie jetzt, dass Ihnen diese Art des Umgangs nicht behagt. Doch behagt Ihnen der Einfluss, den solche Menschen auf Sie haben?

Finden Sie Mentoren

Mentoren sind Menschen in unserem Umfeld, die durch ihre pure Anwesenheit das Gute und Mutige in uns zum Klingen bringen. Dabei übernehmen sie letztlich die Aufgabe, unsere eigenen inneren kreativen und veränderungswilligen Seiten zu bestätigen. Es sind lebensbejahende Menschen, die immer ein offenes Ohr haben und in deren Gegenwart man sich richtig gut fühlt. Deswegen ist es gerade in Zeiten der Veränderungen und persönlichen Entwicklungen besonders wichtig, aktiv deren Gesellschaft zu suchen.

Ich habe drei Gruppen von Mentoren ausgemacht, die immer wieder in verschiedenen Gestalten auftauchen:

  • die Unterstützer und Motivatoren
  • die Feedback-Geber und Wegbegleiter
  • die Erfahrungsteiler und Kontakte-Vermittler

Es ist für Ihre zukünftige Entwicklung wichtig, Mentoren zu erkennen und eine effektive Art zu finden, sich deren Unterstützung zu sichern.

Unterstützer und Motivatoren

Motto: „Du schaffst es, ich bin bei dir und stärke dir den Rücken.“

Diese Menschen sind wie ein Balsam für die Seele, sie sind sehr offen und haben ein aufrichtiges Interesse an anderen: an dem, was sie bewegt und was sie zu berichten haben. Sie äußern keine Kritik. Vielmehr bringen sie ihre Gesprächspartner durch gezielte Fragen dazu, dass während des Erzählens neue Pläne immer konkretere Formen annehmen. Sie machen dem anderen klar, dass sie jederzeit bereit sind, ihn zu unterstützen, ganz egal was er vorhat, und bewundern seinen Mut. Die Unterstützung ist dabei weniger durch Handeln oder konkrete Ratschläge gekennzeichnet, sondern vielmehr geht es in erster Linie um mentale Unterstützung – sie erklären sich bereit, ihrem Gesprächspartner den Rücken zu stärken.

In ihrer Gegenwart fühlt man sich rundum angenommen. Auch im Nachhinein merkt man, dass die eigene Kreativität durch diesen positiven Einfluss so richtig angeheizt wurde – die Ideen sprudeln nur so und neue Vorhaben erscheinen möglich und umsetzbar. Auch das bereits Erreichte sieht man in einem tollen Licht: Man fühlt sich einfach gut!

ÜBUNG

Kommen wir zurück zu der von Ihnen ausgewählten Situation, in der Sie sichtbarer werden möchten: Gibt es in Ihrem Umfeld bereits Unterstützer und Motivatoren? Notieren Sie sich wieder, wer das sein könnte, wie diese Person so ist beziehungsweise welchen Einfluss ihre Art auf Sie hat.

Feedbackgeber und Wegbegleiter

Motto: „Ich stehe dir als ehrlicher Feedbackgeber mit Rat zur Seite.“

Diese Menschen fordern uns heraus. Sie hinterfragen uns und unsere Vorhaben auf eine konstruktive Art und Weise. Sie geben Feedback und halten mit ihrer Meinung nie hinterm Berg, jedoch dürfen sie nicht mit Bremsern verwechselt werden! Sie unterscheiden sich dadurch, dass man bei ihnen sofort merkt: Sie interessieren sich wirklich für einen und für das, was man zu sagen hat. Das merkt man unter anderem daran, dass sie die Situationen oder Pläne, von den man berichtet, gut analysieren und auch begründen können, warum etwas noch nicht so klappt, wie es sollte. Doch dabei bleibt es nicht: Diese Menschen wissen, was besser wäre. Sie machen sich sofort Gedanken darüber und geben all ihr Wissen dazu. Man kann sich jederzeit an sie wenden, wenn man mal einen Rat braucht.

An sich selbst merkt man die Gegenwart solcher Menschen daran, dass man auf eine konstruktive Art seine Vorhaben hinterfragt und in Handlungsalternativen denkt. Das ist nämlich der Unterschied zu den Bremsern, da würde man alles kleinmachen. Hier geht es darum, dass man realistisch in konkreten Zielen und Umsetzungsschritten denkt.

ÜBUNG

Forschen Sie jetzt, ob es zu der von Ihnen gewählten Situation für mehr Sichtbarkeit solche Feedbackgeber und Wegbegleiter gibt. Notieren Sie wieder spezifische Details. Wer könnte Ihnen wie nützen?

Erfahrungsteiler und Kontakte-Vermittler

Motto: „Ich kenne diesen Weg und teile mit dir meine Erfahrungen und Kontakte.“

Diese Menschen wissen, wovon sie reden. Sie geizen nicht mit Berichten über ihre Erfahrungen und auch Fehler, die sie selbst gemacht haben. Ihre Lernerfahrungen daraus geben sie bereitwillig weiter und man weiß, dass sie einen nicht im Stich lassen werden.

Oft kennen diese Personen Gott und die Welt und sind jederzeit bereit, Sie mit den für Ihre nächsten Schritte wichtigen Leuten zusammenzubringen.

In ihrer Gegenwart hat man das Gefühl, man habe einen riesigen Wissensschatz zur Verfügung, aus dem man beliebig schöpfen kann. Auch ist man auf einmal in der Lage, mögliche Denkfehler klar zu erkennen, und hat Alternativen vor Augen.

ÜBUNG

Gibt es in Bezug auf das von Ihnen gewählte Sichtbarkeitsziel bereits solche Erfahrungsteiler in Ihrem Umfeld? Notieren Sie die Namen und wie Ihnen diese Personen konkret nützen können.

Mentoren gesucht!

Wenn Sie die passenden Mentoren identifiziert haben, dann sorgen Sie dafür, dass Sie sich in ihrer Nähe aufhalten und Gespräche mit ihnen führen. Denn wie Sie sehen, können solche Menschen einen unschätzbaren Wert für Sie und Ihre Sichtbarkeit haben. Zumindest ist es wesentlich angenehmer und hilfreicher, Mentoren um sich zu haben als Bremser.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869105574
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (April)
Schlagworte
Alltagstaugliche-Tipps Gesprächsführung Leise-Menschen Selbstcoaching Selbstcoaching-Ratgeber Selbstdarstellung Überzeugen-Lernen

Autor

  • Natalie Schnack (Autor:in)

Natalie Schnack hilft als Sichtbarkeits-Coach und Trainerin Introvertierten dabei, ihre vorhandenen Stärken zu erkennen und sinnvoll einzusetzen. Da sie selbst eher auf der „leisen Seite“ zu finden ist, kennt sie die Bedürfnisse von zurückhaltenden Menschen nicht nur aufgrund Ihrer umfassenden Coaching-Erfahrung sehr genau.
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Titel: Leise überzeugen