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Wer passt zu mir? Sie+Er = Herz

Das Geheimnis der erfolgreichen Partnerwahl

von Christian Thiel (Autor:in)
216 Seiten

Zusammenfassung

Der erfolgreiche Single- und Paarberater Christian Thiel entschlüsselt die Geheimnisse einer glücklichen Partnerwahl. Er begründet, warum wir einen Hang haben, immer die gleichen Fehler bei der Partnersuche zu machen und erklärt, wie wir diese Fehler vermeiden können. Sein Ratgeber führt den Leser nicht nur zur Selbsterkenntnis – er führt ihn auch zu einer glücklichen Partnerschaft.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Christian Thiel

Wer passt zu mir?

Das Geheimnis

der erfolgreichen Partnerwahl









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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 

 

978-3-86910-573-4

ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-488-1

ISBN des PDF-eBooks: 978-3-86910-574-1

 

 

 

 

Über den Autor: Christian Thiel, Jahrgang 1961, hat Philosophie und Germanistik studiert und ist seit Jahren als freier Autor für verschiedene Zeitungen, Zeitschriften und Radiosender zu den Themen Partnerschaft und Partnersuche tätig. Von ihm erschienen sind die Bücher „Streit ist auch keine Lösung. Wie Sie in Ihrer Partnerschaft das bekommen, was Sie wirklich wollen“, „Suche einen für immer und ewig. Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt“ und „Was glückliche Paare richtig machen“.

 

Christian Thiel arbeitet seit vielen Jahren als Single- und Partnerschaftsberater in freier Praxis. Er hält Vorträge und bietet auch Workshops an. Er selber ist glücklich verheiratet und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Berlin.

www.singleberater.de

 

Einen Singleberater finden:

www.die-singleberater.de

 

 

 

 

© 2012 humboldt

 

Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,

Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

www.schluetersche.de

www.humboldt.de

 

 

Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

 

 

Lektorat: Judith Mark, Freiburg

Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen

Titelfoto: 123RF: Viktoriya Sukhanova

EPUB: PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig

Einleitung

Im Juli des Jahres 1981 steht ein junger, ein wenig linkisch wirkender Marineoffizier auf dem Balkon des Buckingham Palace. Seine großen Segelohren leuchten feuerrot. Er schaut auf die unübersehbare Menschenmenge, die sich an diesem strahlend blauen Sommertag zur Feier seiner Hochzeit eingefunden hat.

Der 32-Jährige trägt die Galauniform der englischen Ma­­rine, mit roter Weste und blauer Schärpe. Er hebt den cremefarbenen Brautschleier seiner frisch angetrauten Ehefrau an. Die Wangen der 20-Jährigen glühen in der gleichen Farbe wie seine weltbekannten Ohren. Sie wagt ein scheues Lächeln. Dann küssen sich die beiden.

Welch ein Augenblick! Weltweit sitzen knapp eine Milliarde Menschen gebannt vor ihren Fernsehern und sehen diesen Kuss. Sie träumen den märchengleichen Traum von ewiger und unzerbrechlicher Liebe. Sie alle machen, zusammen mit den Medien, die beiden frisch Vermählten zu Kultstars in Sachen Liebe. So wie das Hochzeitspaar selbst sind auch die Menschen auf den Straßen von London und vor den Fernsehapparaten davon überzeugt, dass Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor und Diana Frances Mountbatten-Windsor, geborene Spencer, eine gute Antwort gefunden haben auf die wohl wichtigste Frage im menschlichen Leben: Wer passt zu mir? Doch sie alle sollten sich irren.

Glückliche Paare – unglückliche Paare

Wer passt zu mir? Nichts beeinflusst das menschliche Leben so grundlegend wie die Antwort, die wir auf diese Frage finden. Diese Antwort entscheidet über Glück oder Unglück in unserem Leben. Sie entscheidet über Gesundheit und Krankheit. Ja, in manchen Fällen sogar über Leben und Tod.

Wer in einer glücklichen Partnerschaft lebt, ist mit seinem Leben insgesamt zufriedener. Er oder sie hat ein besseres, wirksameres Immunsystem, wird seltener krank, lebt länger. Im Durchschnitt drei bis vier Jahre.

Wer dagegen in einer unglücklichen Partnerschaft lebt, zahlt einen hohen Preis. Er oder sie ist unzufriedener mit seinem Leben, häufiger krank und stirbt im Durchschnitt einige Jahre früher. Keine schönen Aussichten, oder?

„Ist eine Trennung vielleicht eine bekömmlichere Alternative?“, sind Sie da vielleicht geneigt zu fragen. Nicht unbedingt, sagt die Wissenschaft. Wer eine unglückliche Partnerschaft beendet, muss mit einer Vielzahl von unangenehmen Folgen rechnen. Frisch Getrennte erkranken häufiger, oft nur an harmlosen Wehwehchen wie Erkältungen, manchmal aber auch an gravierenden, lebensbedrohlichen Krankheiten. Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall, an einer Krankheit oder durch Suizid zu sterben, steigt nach einer Trennung deutlich an – für Männer erheblich stärker als für Frauen. Viele Männer und Frauen binden sich nach einer Trennung für lange Zeit nicht mehr. Einige verzichten sogar für den Rest ihres Lebens auf eine neuerliche Bindung.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Eine Trennung ist heute für viele Menschen eine gute Alternative zum jahrelangen Gegeneinander in einer längst zerrütteten Partnerschaft. Das haben schließlich auch der englische Thronfolger Charles und seine Frau Diana eingesehen. Auch sie haben ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorgezogen.

Was wäre denn auch innerhalb einer unglücklichen Beziehung noch zu erwarten? Weitere Jahre der unerfüllten Hoffnung auf eine Veränderung, die doch nie eintritt? Weitere Jahre, in denen wir Anerkennung, Verständnis und Respekt von einem Partner erhoffen, der zu alledem schon lange nicht mehr in der Lage ist – weil er nicht zu uns passt? Weitere Jahre angestrengter Bemühungen um Anerkennung, Verständnis und Respekt dem Partner gegenüber, obwohl wir doch unsererseits dazu ebenfalls schon lange nicht mehr imstande sind – weil er nicht zu uns passt? Oder zumindest nicht mehr zu uns passt. Ebenfalls keine schönen Aussichten, finde ich.

Davonlaufen geht nicht

Aber seien wir ehrlich: Eine Trennung ist nicht das, was wir wirklich wollen. Kein Mann denkt an eine Trennung, wenn er den Brautschleier hebt, um die Braut zu küssen. Keine Frau glaubt, dass sich diese Szene irgendwann in ihrem Leben noch einmal mit einem anderen Bräutigam wiederholen wird. Niemand will ein zweites Mal vor den Traualtar treten, um einem anderen Mann, einer anderen Frau das Jawort zu geben. Wir alle wollen ja zusammenbleiben.

Aber auch wenn wir uns trennen, auch wenn wir wieder eigene Wege gehen und unser Leben neu ordnen – der Grundfrage der Liebe Wer passt zu mir? entgehen wir auf diese Weise nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Wir laufen dieser Frage geradewegs wieder in die Arme. Denn nach dem Scheitern einer Beziehung stellt sie sich erneut – und dringlicher denn je. Ihr davonzulaufen, das geht nicht.

Wer sich trennt, muss sich eingestehen, dass er sich bei seiner Wahl geirrt hat. Wer sich trennt, muss auf die Frage, wer um alles in der Welt wirklich zu ihm passt, wieder eine Antwort finden. Nur dann findet er oder sie den Mut zu einer neuen Bindung. Nur dann gibt es die Chance, es beim nächsten Mal wirklich besser hinzubekommen. Nur dann bestehen gute Aussichten, dass die nächste Liebe wirklich gekommen ist, um zu bleiben. Davonlaufen, das geht nicht.

Gegenwind für die Liebe

Gute Gründe also, die Frage Wer passt zu mir? sehr ernst zu nehmen. Leider aber hat sie in unserer Gesellschaft einen schweren Stand. Der Wind bläst ihr gewissermaßen direkt ins Gesicht, und das aus ganz verschiedenen Richtungen.

Die Kultur. Die christliche Tradition unserer Kultur gebietet, unsere Mitmenschen zu lieben und lässt so schon die Frage nach dem einen Menschen, der zu uns passt, sinnlos erscheinen. Gegenwind für die Liebe.

Die Psychologie. Ein großer Teil der Psychologie wandelt auf den gleichen Pfaden und kann mit der Frage Wer passt zu mir? ebenfalls nichts anfangen. Als Beispiel mag der erfolgreiche Partnerschaftsratgeber Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest von Eva-Maria Zurhorst gelten. Die Autorin greift eine zentrale These von Erich Fromm aus seinem berühmten Buch Die Kunst des Liebens auf. Entscheidend für den Erfolg in der Liebe ist demnach ausschließlich die eigene Liebesfähigkeit, nicht aber, ob das geliebte Objekt zu einem selbst auch passt. Gegenwind für die Liebe.

Ist es wirklich egal, wen wir heiraten? Wissenschaftlich ist diese These nicht zu halten. Nichts spricht gegen die Arbeit am eigenen Ich. Mehr Selbstwertgefühl und mehr Selbstakzeptanz erhöhen nachweislich auch die Zufriedenheit in und mit einer Partnerschaft. Entscheidend für das Glück in der Liebe ist aber die Wahl, die wir treffen.

Der Zeitgeist. Auch der Zeitgeist meint es nicht gut mit der Frage Wer passt zu mir? Haben Sie schon einmal einen Liebesfilm gesehen oder einen Liebesroman gelesen, in dem die Heldin sich ernsthaft gefragt hat, welcher von zwei möglichen Partnern besser zu ihr passt? Ich für meinen Teil nicht. Oder haben Sie gar einen Helden erlebt, der sich ernsthaft fragen musste, welche von zwei möglichen Partnerinnen besser zu ihm passt? Nein, das nun schon gar nicht.

Populäre Unterhaltungsromane und Liebesfilme pflegen die triviale Sicht auf die Liebe. Held und Heldin verlieben sich – warum, das bleibt ihr ewiges Geheimnis. Dann treten einige banale Missverständnisse auf, nach deren Aufklärung sich die Liebenden glücklich und zufrieden in die Arme fallen dürfen. Und Abblende!

Ein Happy End ist bei allen trivialen Ergüssen des Zeitgeistes selbstverständlich Pflicht. Hier gelingt die Liebe am Ende immer. Allerdings bleibt unerfindlich, warum das so ist. Hinzu kommt: In aller Regel enden diese Filme und Romane – bildlich gesprochen – genau in dem Augenblick, in dem er den Brautschleier anhebt und die beiden Liebenden sich küssen. Genau dann also, wenn die Phase der Verliebtheit noch andauert oder gerade erst endet und die spannende Phase der Beziehung erst noch kommt. Gegenwind für die Liebe.

Die Literatur. „Na gut“, könnten Sie da sagen, „dann schauen wir uns eben in der anspruchsvollen Literatur um.“ Sieht es da besser aus? Leider nein.

Die Literatur handelt nicht von der gelungenen Wahl und der gelingenden Liebe, sondern – im Gegenteil – von den Schwierigkeiten, ja von der Unmöglichkeit der Liebe. Von Shakespeares Romeo und Julia über Goethes Wahlverwandtschaften bis hin zu Tolstois Anna Karenina zieht sich eine Spur der Verwüstung durch die Literatur. Wohin wir auch blicken, wir finden nur Unglück und Untreue. Am Ende sind sie alle tot: Romeo, Julia, Ottilie und auch Anna Karenina.

Die Schule. Ein Schulfach Liebe, ja, das könnte wohl helfen. Wofür bitteschön ist die Schule denn da, wenn nicht, um uns auf das Leben vorzubereiten und uns genau das beizubringen, was wir später einmal unbedingt wissen sollten. Leider aber ist es sehr unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit in der Schule – neben der erschöpfenden Erklärung der Sexualfunktionen des Menschen – die grundlegenden Erkenntnisse zur Psychologie der Gefühle vermittelt werden.

So wichtig dieses Wissen für den Menschen auch ist – die Grundfragen der Psychologie haben in unserer auf wirtschaftlichen Erfolg gestimmten Zeit nicht viele Fürsprecher. Und unter ihnen sind schon gar keine Politiker. Kein deutscher Kultusminister hat je ein solches Fach gefordert, um dem absurden Missstand abzuhelfen, dass Kinder und Jugendliche ihr Wissen von der Liebe aus Fernsehserien wie Sex and the City und Verliebt in Berlin beziehen. Oder aus Gute Zeiten, schlechte Zeiten.

Fazit: Ein realistischer Begriff von der Liebe, von den Gründen, aus denen sie entsteht oder wieder vergeht, findet sich in dem Bild, das sich unsere Gesellschaft von ihr macht, nur ausnahmsweise, in homöopathischen Dosen gleichsam. Also auch hier: Gegenwind für die Liebe.

„Wer passt zu mir? Das wüsste ich auch gerne!“

Bei so viel Gegenwind überrascht es nicht, dass viele Menschen sich, auch wenn sie schon lange kein Kind und kein Jugendlicher mehr sind, noch nie ernsthaft gefragt haben, wer denn überhaupt zu ihnen passt. Die Frage Wer passt zu mir? ist seit vielen Jahren fester Bestandteil meiner Workshops zur Partnersuche. Sie löst manchmal Erstaunen aus – „Ehrlich, das habe ich mich noch nie gefragt!“. Manchmal auch brennende Neugier – „Ja, wer passt zu mir, das wüsste ich auch gerne!“. Andere wiederum glauben, das sei ein Rätsel, das der Mensch wohl nie werde lösen können. Irrtum!

Wer passt zu mir? Zum Glück ist die Antwort auf diese Frage schon lange kein Geheimnis mehr. Die wesentlichen Fakten liegen auf dem Tisch. Wissenschaftler aus aller Welt und Praktiker der Paarberatung haben sie zusammengetragen. Von diesem Wissen können wir alle profitieren.

Wer – passt – zu mir? Diese Frage zerfällt in drei Teile und stellt uns damit vor drei Aufgaben, die wir bei der Partnerwahl lösen müssen.

Wer – das ist die Frage nach der Menschenkenntnis, die wir besitzen. Sind wir überhaupt in der Lage, das Wesen des anderen zu erfassen? Oder sind wir dazu verurteilt, durch Versuch und Irrtum herauszufinden, wer als Partner für uns geeignet ist? Die Antwort lautet: Nein. Menschenkenntnis ist erlernbar. Wie, das will ich Ihnen in diesem Buch zeigen.

Passen – welche Wahl ist günstig? Führt eine betont gegensätzliche Wahl zu Glück und Stabilität in der Beziehung? Oder sollten wir jemanden wählen, der uns ähnlich ist, weil Gleich und Gleich sich ja bekanntlich so gerne gesellen? Die Antwort der Wissenschaft auf diese Frage ist ­eindeutig. Sie plädiert – wie ich als Berater auch – für die Ähnlichkeitswahl. Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen sind das beste Schmiermittel im Getriebe der Partnerschaft. Allzu große Gegensätze erweisen sich immer wieder als Sand, der das Getriebe zerstört.

Zu mir – wer diese dritte Aufgabe lösen will, der muss über Selbsterkenntnis verfügen. Das ist selten genug der Fall. Häufiger ist das Gegenteil. Unser Verhalten folgt der Devise: Denn wir wissen nicht, was wir tun! Welche Wege aber führen zur Selbsterkenntnis? Welche eignen sich für wen? Hilft es, daheim im stillen Kämmerlein zu sitzen und über sich und sein Leben einfach mal eine Weile nachzudenken? Führt das schon zu Selbsterkenntnis? Oder brauchen wir alle die jahrelange, tiefschürfende Selbstreflexion einer Psychoanalyse, um uns selbst besser erkennen zu können? Die Antwort heißt: Nein. Auch Selbsterkenntnis ist erlernbar. Manchmal ist dazu allerdings ein guter Mentor vonnöten.

Sodann brauchen wir – viertens – noch eine gehörige Portion Realismus, um eine Antwort auf die Frage Wer passt zu mir? zu finden. Wir müssen den Glauben an das Schicksal verabschieden und die Verantwortung für unser Handeln übernehmen.

Und wir müssen – fünftens – die Partnersuche als das ­begreifen, was sie in ihrem Kern ist: Eine Wahl. Eine Entscheidung, die wir selber treffen. Partnerwahl – welch ein altmodisches Wort! Dabei beschreibt es viel genauer, worum es bei der Liebe geht.

Steuern Sie Ihr Lebensschiff selbst

Ich habe große Zweifel an der Besinnungslosigkeit, die der Zeitgeist uns nahe legt. Sicher, es geht auch ohne viel nachzudenken. Es geht auch ohne jedes Sich-Bemühen um Einsicht und Erkenntnis. Es geht auch ohne das Suchen nach einer Antwort auf die Frage Wer passt zu mir?

Sich dieser Grundfrage der Liebe nicht zu stellen hat aber absehbare Folgen. Es ist für Menschen, die eine neue Partnerschaft suchen, riskant. Mögliche Folgen können sein:

In neuen Partnerschaften immer und immer wieder die gleichen Fehler zu machen.

In schöner Regelmäßigkeit nach zwei Jahren bereits wieder vor dem Scherbenhaufen einer Liebesbeziehung zu stehen.

Nach vielen Versuchen mit der Liebe eines Tages erschöpft und enttäuscht zu resignieren, weil das Gemüt sagt Das brauche ich nicht noch einmal! Die Liebe ist nichts für mich.

Unserer Entwicklung dient es also nicht, wenn wir uns um eine Antwort auf die Frage Wer passt zu mir? herumdrücken. Wenn wir aber Zeit und Aufmerksamkeit auf diese Frage richten, dann profitieren wir enorm. Diese Erfahrung mache ich immer wieder, wenn ich Singles bei der Partnersuche begleite. Wer zu mir kommt, der nutzt seine Zeit als Single, um den Kompass des Lebens neu zu justieren. Wer zu mir kommt, will wissen, was in der Vergangenheit gut und richtig war und was falsch gelaufen ist. Und er will wissen, was in Zukunft, in der nächsten Partnerschaft, anders sein soll. Diese Zeit der Reflexion, der Selbsterforschung und der Selbstvergewisserung trägt später, wenn die nächste Partnerschaft da ist, immer wieder reichlich Früchte.

Wenn wir das Schiff unseres Lebens erfolgreich steuern wollen, dann ist es hilfreich, die Richtung zu kennen, in die wir wollen. Folgen Sie mir also auf eine Reise durch die Welt der Partnerwahl. Fünf Kontinente werden wir auf unserer Fahrt ansteuern. Sie heißen: Verantwortung, Selbsterkenntnis, Passen, Menschenkenntnis und Wählen. Viele Länder werden wir dort besuchen und dabei immer wieder neue Aspekte des Themas kennenlernen. Aspekte, die Ihnen helfen sollen, die Frage Wer passt zu mir? neu zu sehen, neu zu durchdenken und neu zu entscheiden. Damit die Liebe beim nächsten Mal wirklich gekommen ist, um zu bleiben!

Denn wir alle wollen im Grunde unseres Herzens nur einmal in unserem Leben den Brautschleier heben, wollen nur einmal im Leben die Braut küssen oder den Bräutigam. Und wir wollen nur einmal Ja sagen. Wir wollen, dass wir eine wirklich gute, eine dauerhafte und beständige Antwort gefunden haben auf die Frage Wer passt zu mir?

Teil 1: Verantwortung

Wenn Sie sich den Kontinent Verantwortung vorstellen, dann sollten Sie nicht der Versuchung erliegen, ihn – übertragen auf unseren Planeten, die Erde – für so groß wie Europa zu halten. Der Kontinent Verantwortung ist klein und überschaubar. So groß wie Neuseeland vielleicht.

Verantwortung hat eine abwechslungsreiche Landschaft, liebliche Wälder, lange Sandstrände, die zum Wandern einladen, und wilde Gebirge, deren Gipfel bis in die Wolken ragen. Es gibt dort zerklüftete Canyons, die vor allem die abenteuerlustigen Reisenden anziehen und eine Vielzahl seltener Tierarten beherbergen. Ein schönes, ein exotisches Land.

Einzig der zähe Nebel, der weite Teile der Berge einhüllt und oft auch die Wälder durchdringt, macht die Reise auf dem Kontinent Verantwortung zu einem Wagnis.

„Ich bin mir sicher, Sie werden Ihren Aufenthalt hier auf Verantwortung nicht bereuen!“, sagt der Pressesprecher des dortigen Tourismusverbandes mit einem breiten Lächeln. Na dann – auf nach Verantwortung!

Der Mythos Dornröschen

Es war ein trüber Novembertag, als Anna-Marie (36) zu mir in die Beratung kam. Anna-Marie war in mancherlei Hinsicht ungewöhnlich. Zunächst einmal war sie erstaunlich jung für jemanden, der in der Liebe Rat suchte. Noch ungewöhnlicher war allerdings ihr Aussehen. Anna-Marie sah aus wie ein Model, das gerade vom Laufsteg heruntergestiegen war. Ihre blonden Haare waren leicht gelockt und fielen ihr sanft bis über die Schultern. Ihre Augen leuchteten in einem bezaubernden Blau, und ihr Gesicht war ebenmäßig und ausdrucksstark.

Sie war die Sorte Frau, der Männer hinterher schauen und der schon einmal nach einer halben Stunde ein Heiratsantrag gemacht worden war. Der Traum vieler Männer eben.

„Eine Frau wie Anna-Marie hat doch keine Schwierigkeiten, einen Partner zu finden!“ Das ist die vorherrschende Meinung. Doch sie ist falsch. Anna-Marie hatte sogar sehr große Schwierigkeiten bei der Partnerwahl. Sie hatte noch nie eine Partnerschaft gehabt, die länger als zwei Jahre hielt und war nun schon seit vier Jahren Single.

„Aber wie kommt denn das?“, fragen Sie jetzt vermutlich. Auch ich war erstaunt an jenem düsteren Herbsttag. Und auch ich fragte mich, wie Anna-Marie in diese Lage geraten war.

Anna-Marie war es seit ihrer Jugend gewohnt, von Männern umschwärmt zu werden. Einen dieser Verehrer hatte sie dann, nach einigem Zögern, versteht sich, genommen – um schon bald, nach etwa drei Monaten, enttäuscht von ihm zu sein. Nach ein oder zwei Jahren war dann Schluss. Ende der Fahnenstange. Nichts ging mehr.

Dieses Muster wiederholte sich immer wieder, von Beziehung zu Beziehung. Das stimmte Anna-Marie im Laufe der Zeit in punkto Liebe pessimistisch. Hinzu kam, dass die Zahl ihrer Verehrer in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen war. Kein Wunder – in dem Alter, in dem Anna-Marie inzwischen war, sind immer mehr Menschen fest gebunden, haben Familien gegründet und sind nicht mehr zu haben. Die Anzahl ernsthafter Anwärter wird also stetig geringer. Sie nimmt sogar drastisch ab. Wenn Sie mit 26 auf eine Party gehen, dann ist es völlig normal, dass ein Drittel der Anwesenden noch zu haben ist. Die Jahre zwischen 20 und 30 sind heute die Single-Zeit des Menschen. Mit 36 Jahren dagegen kann eine Frau schon froh sein, wenn sich unter 50 Gästen noch ein oder zwei Männer befinden, die ungebunden sind.

Das alles hat auch Anna-Marie deutlich zu spüren bekommen, und es hat ihre Stimmung weiter gedrückt. Früher stand sie bei solchen Festen oft umringt von vier oder fünf supernetten jungen Männern und sonnte sich in deren Gunst. Die Männer überschlugen sich darin, möglichst amüsante Geschichten zum Besten zu geben. Sie wetteiferten darum, wer ihr das nächste Getränk besorgen durfte. Was für ein Leben!

Heute dagegen weiß Anna-Marie oft schon nach fünf Mi­­nuten, dass der einzige anwesende Single-Mann nicht ihr Typ ist. Dann steht sie mit einigen Frauen zusammen, die allesamt gedankenverloren über ihre enormen Bäuche streicheln. Statt Fragen wie „Gehen wir zu dir oder zu mir?“ hört sie bei diesen Festen heute eher „Und, wann hast du Termin?“

Sicher, ab und an finden sich noch Männer, die sich ernsthaft um Anna-Marie bemühen. Das passiert heute aber gerade noch zwei oder drei Mal im Jahr. Für keinen von ihnen konnte Anna-Marie sich in den letzten Jahren erwärmen. Also blieb sie Single. „Im Grunde denke ich, es wird ja doch wieder nichts – warum also erst etwas anfangen?“, fasst sie ihre Situation zusammen.

Seit ein paar Monaten fühlt sich Anna-Marie sogar regelrecht deprimiert. Der Mai – sonst für sie einer der schönsten Monate des Jahres – war ihr in diesem Jahr regelrecht verhasst. Glückliche Paare schlenderten die Wege im nahen Schlosspark entlang. Manche schoben einen Kinderwagen vor sich her. Im März hatte ihre beste Freundin geheiratet. „Das Fest war grauenvoll. Eine Qual. Ich wollte mich schon nach einer halben Stunde verdrücken – aber das ging einfach nicht. Karin ist doch meine beste Freundin!“

Anna-Marie wusste, dass sie sich für Karin freuen sollte. Allein – es gelang ihr nicht. „Ich habe beruflich schon so viel erreicht“, sagt Anna-Marie, „aber in der Liebe bin ich eine komplette Niete.“ Nun war sie auch noch neidisch auf ihre beste Freundin. Wenn das kein Grund war, sich deprimiert zu fühlen!

Lassen Sie sich nicht finden!

Anna-Marie ist in eine der tückischsten Fallen bei der Partnersuche getappt, eine Falle, die bei gut aussehenden Frauen oft zuschnappt: Sie hat es versäumt, herauszufinden, wer zu ihr passt. Sie hat nicht die Verantwortung für den Erfolg in der Liebe übernommen. Sie hat sich von den Männern einfach finden lassen.

Natürlich hat Anna-Marie sich das nicht vorgenommen. Niemand startet mit dem Vorsatz ins Abenteuer der Liebe, keine Entscheidung fällen zu wollen, oder sich finden lassen zu wollen. Es ergibt sich einfach so. Nachdenken tun die meisten von uns darüber nicht.

Lassen Sie sich nicht einfach finden! Von dieser Regel hatte Anna-Marie nie etwas gehört. Auch ihre – weniger blendend aussehenden – Freundinnen nicht. Aber die waren ja auch nicht so umlagert wie Anna-Marie. Sie konnten nicht so aus dem Vollen schöpfen, hatten nicht den Eindruck, dass das Finden eines Partners eine Kleinigkeit sei. Und während ihre Freundinnen Ausschau hielten nach Antworten auf die Frage Wer passt zu mir?, brauchte Anna-Marie nur gelegentlich einen Mann anzulächeln.

Mit ihrem sorglosen Verhalten steht Anna-Marie keineswegs alleine da. Ich gehe davon aus, dass – im Grunde ihres Herzens – die allermeisten Menschen so empfinden wie sie. Sie wollen nicht suchen. Sie wollen sich nicht entscheiden müssen. Sie wollen gefunden werden.

Für dieses Verhalten hat Anna-Marie und haben wir alle ein sehr prominentes Vorbild. Sie alle haben ihren Namen schon einmal gehört. Sie ist eine wirkliche Berühmtheit. Ein absoluter Mega-Star. Sie ist bekannter als Britney Spears, Paris Hilton und Madonna zusammen. Ihr Name lautet Dornröschen.

Der Irrweg, sich wachküssen lassen zu wollen

Dornröschen. Was passiert in Ihrem Kopf, wenn Sie dieses Wort hören? Welche Gedanken tauchen auf, welche Bilder? Sehen Sie die blasse Prinzessin, dahingesunken in ihrem hundertjährigen Schlaf? Sehen Sie die Dornenhecke, die der starke Prinz mit wuchtigen Schlägen seines Schwertes durchteilt? Sehen Sie den Prinzen, wie er ganz entrückt die Schönheit der schlummernden Prinzessin bewundert? Sehen Sie schließlich auch den Kuss auf die Lippen der Schlafenden und die anschließende Hochzeitsfeier?

Der Mythos von der schönen Prinzessin, die vom Prinzen wachgeküsst wird, hat tiefe Spuren in unserer Wahr­nehmung hinterlassen. Noch immer träumen Frauen, wenn es um die Liebe geht, von dem Prinzen auf dem weißen Pferd, von dem principe azzurro, wie es im Italienischen so wunderschön heißt. Sie träumen von den kraftvollen Schlägen, mit denen er der Dornenhecke zu Leibe rückt. Sie träumen von dem alles erlösenden Kuss. Und noch immer glauben Männer, sie müssten nichts weiter tun, als eine schlafende Prinzessin zu finden und durch ihren Kuss zu erlösen. Fertig!

Der Mythos von Dornröschen verkörpert das Prinzip der Verantwortungslosigkeit. In dieser Geschichte regiert ein Schicksal, das es zu erfüllen gilt. Hier wird nicht nachgedacht und schon gar nicht entschieden. Hier wird gehandelt.

Mythen erklären und deuten uns die Welt. Die einen tun es besser, die anderen schlechter. Wenn wir Glück haben, ist ein Mythos eine bloße Vereinfachung, eine holzschnittartige Darstellung der Welt, der viele Nuancen fehlen. Wenn wir aber Pech haben, dann beschreibt ein Mythos alles andere als die reale Welt, sondern spiegelt lediglich unsere Wünsche wider. Er zeigt, wie wir die Welt gerne hätten und führt uns so in die Irre.

Der Mythos von Dornröschen führt eindeutig in die Irre. Er liegt wie ein dichter Nebel über den Bergen von Verantwortung. Er wabert durch die Wälder, zum Schneiden dick. Er sorgt dafür, dass uns die Sicht auf die Gipfel der Berge von Verantwortung beinahe immer versperrt ist. So manch ein Wanderer ging in diesen Nebelschwaden lange Irrwege und kam unverrichteter Dinge wieder zurück. Den Weg auf den Gipfel fand er nicht.

Wie Männer nach einer Partnerin suchen

Sich von den Männern finden zu lassen, ist für eine Frau eine sehr riskante Vorgehensweise. In der Regel führt sie geradewegs zum nächsten Misserfolg in der Liebe. Warum? Weil Frauen – durchschnittlich – erheblich mehr Menschenkenntnis haben als Männer. Es ist sehr modern, für solche Befunde die Genetik als Erklärung heranzuziehen oder die Evolutionsbiologie. Gehen Frauen nicht bei der Partnersuche das größere Risiko ein, nämlich eine Schwangerschaft? Also schauen sie eben auch genauer hin! Ich würde es, ganz neutral, lieber so ausdrücken: Frauen haben sich einfach durchschnittlich mehr mit dem Seelenleben anderer Menschen beschäftigt. Und deshalb verstehen sie mehr davon.

Durchschnittlich – dieses Wort ist hier nicht unwesentlich. Gerne wird bei Geschlechterunterschieden allzu tief in die Klamottenkiste der Vorurteile und Stereotypen gegriffen, und plötzlich sind alle Frauen schlechte Einparkerinnen und alle Männer maulfaul. „Durchschnittlich“ bedeutet, dass es statistisch einen beobachtbaren Unterschied zwischen den Geschlechtern gibt. Über den Einzelfall sagen solche Statistiken allerdings nichts aus. Ausnahmen sind immer möglich. Und zu denen kommen wir später noch.

Der zweite Grund dafür, dass es für Frauen gefährlich ist, sich finden zu lassen, liegt in der besonderen Art der Herangehensweise von Männern an die Partnersuche. Es gibt international eine Fülle von Studien über die männliche Partnerwahl und über die Kriterien, die Männer dabei anlegen. Diese Untersuchungen kommen übereinstimmend zu folgendem Ergebnis: Männer sind durchaus in der Lage zu merken, ob eine Frau nett zu ihnen ist. Männer registrieren auch, ob sie gut zuhören kann oder ob sie amüsant zu erzählen weiß. Aber der wichtigste Grund für einen Mann, eine Frau interessant und begehrenswert zu finden – oder eben nicht – ist ihr Aussehen.

Wenn Sie das wissen, dann können Sie sich jetzt sicher vorstellen, wie die Partnersuche von Anna-Marie verlaufen ist. Sie war von Jugend an stets umlagert von Männern, die ihr Aussehen einfach klasse fanden. Warum auch nicht. Sollen sie doch! Allerdings zog sie genau jene Männer an, die nur auf ihre äußere Erscheinung achteten. Kaum ein Mann war auch bereit und in der Lage, etwas genauer hinzuschauen. Hinter die blonden Locken, die blauen Augen, das ebenmäßige Gesicht und die tolle Figur.

Dieses Problem bei der Partnersuche beschränkt sich allerdings nicht auf Frauen, die, wie Anna-Marie, den gesellschaftlichen Schönheitsvorstellungen in besonderem Maße entsprechen. Auch Frauen, die sich selbst gar nicht als gut aussehend empfinden, haben manchmal eine ganz eigentümliche Anziehungskraft, die Männer bezaubert und in ihren Bann zieht.

Eine Frau, die sich von Männern finden lässt, macht – wie Anna-Marie – einen folgenschweren Fehler: Sie versucht mit einem Mann eine Beziehung zu führen, der ihr Aussehen oder ihre Ausstrahlung klasse findet. Und das reicht für eine stabile Partnerschaft nun einmal nicht aus. Diese Erfahrung hat Anna-Marie wieder und wieder gemacht. Die Männer waren begeistert von ihr und warben um sie. Doch nach einigen Monaten war die Luft raus aus der Beziehung – weil sie absolut nicht zu ihr passten.

Ein Wort an die Männer

Die meisten Ratgeber werden für Frauen geschrieben. Das ist ein ehernes Verlegergesetz. Trotzdem könnte es ja sein, dass Sie gar keine Leserin sind, sondern ein Leser. Dann denken Sie an dieser Stelle vielleicht: „Ganz schön platt, wie Sie uns Männer beschreiben. Geht es nicht auch etwas differenzierter?“ Sie haben natürlich recht. Nicht alle Männer schauen nur auf die blonden Locken, die blauen Augen, das anmutigste Lächeln der Galaxie und auf die tolle Figur einer Frau und geben – schwupp – ihren Verstand an der Garderobe ab.

Es gibt nachdenkliche Männer, Männer, die genauer hinschauen, interessante Fragen stellen und ab und an sogar ein psychologisches Buch in die Hand nehmen. Männer wie Sie also! Und da Sie all das tun, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es Ihnen schon ähnlich ergangen ist wie Anna-Marie. Sie haben sich – möglicherweise – von einer Frau finden lassen und waren am Ende, nach ein bis zwei Jahren, ziemlich enttäuscht. Weil sie einfach nicht zu Ihnen passte.

Auch für Männer kann es also riskant sein, sich finden zu lassen. Denn Männer sind eben nur durchschnittlich weniger erfahren in Gefühlsdingen und im Seelenleben anderer Menschen. Im konkreten Fall kann das völlig anders aussehen. Wenn Sie dieses Buch in der Hand halten, dann ist es nach meiner Erfahrung sehr wahrscheinlich, dass die Frauen, auf die Sie bei Ihrer Partnersuche treffen, weniger Menschenkenntnis haben als Sie, weniger von der Liebe wissen als Sie und weniger Selbsterkenntnis haben als Sie. Sie lesen dieses Buch und haben möglicherweise auch schon andere psychologische Ratgeber gelesen. Sie haben einfach mehr Zeit auf dieses wichtige Lebensthema verwendet. Die Frauen, auf die Sie treffen, aber möglicherweise nicht.

Warum wir die Verantwortung scheuen

Anna-Marie hat noch einen langen Weg vor sich. Um in der Liebe erfolgreich zu werden, wird sie ihre Strategie, sich finden zu lassen, aufgeben müssen. Sie muss selber auf die Suche gehen. Sie muss klären, wie sie sich eine Partnerschaft vorstellt. Sie muss eine Antwort finden auf die Frage Wer passt zu mir? Damit steht Anna-Marie noch ganz am Anfang. Sie hat es vermieden, die Verantwortung zu übernehmen und muss nun herausfinden, wie das geht. Oder bildlich gesprochen: Auf dem Kontinent Verantwortung hat Anna-Marie bislang gerade einmal eine kurze Stippvisite eingelegt. Dann hat sie sich entschieden, ganz schnell wieder abzureisen.

Mit ihrer Entscheidung steht Anna-Marie nicht alleine da. Wenn Sie am Flughafen von Verantwortung ankommen, dann werden Sie erstaunt feststellen, dass dort lange Schlangen an den Abflugschaltern an der Tagesordnung sind. Die ankommenden Flugzeuge dagegen sind nahezu leer. Aus irgend­einem Grund will hier kaum einer hin und jeder schnell wieder fort! Nur wenige verweilen wirklich gerne auf diesem Kontinent.

Wie waren noch die Worte des Pressesprechers des Tourismusverbandes? „Ich bin mir sicher, Sie werden Ihren Aufenthalt hier auf Verantwortung nicht bereuen!“ Tatsächlich hingegen scheint es den Menschen nicht zu gelingen, den Aufenthalt auf Verantwortung zu genießen. Warum aber wollen alle diese Menschen hier weg?

„Wir haben uns das natürlich auch gefragt“, sagt der Pressesprecher des Tourismusverbandes von Verantwortung ein wenig kleinlaut. Er ist ein gesetzter, älterer Herr, sehr korrekt gekleidet in einem dunkelgrauen Zweireiher. „Uns ist der extrem kurze Aufenthalt unserer Gäste natürlich auch aufgefallen. Aber warum das so ist, das wissen wir auch nicht.“

Freiheit – eine Lebensaufgabe

„Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sein Leben führt“, hat ein Philosoph einmal gesagt. Auch andere Denker haben den gleichen Gedanken in anderen Worten ausgedrückt. Der Existentialist Jean-Paul Sartre sprach davon, dass der Mensch „zur Freiheit verurteilt“ sei. Er trifft in jeder seiner Handlungen eine Wahl.

Nun neigen Philosophen zu schönen, starken und eindrücklichen Thesen. Allein, sie müssen hierfür keine Belege beibringen. Ganz anders ist es in der Welt der exakten Wissenschaft. Zum Beispiel in der Hirnforschung, die zu ganz ähnlichen Ergebnissen gekommen ist. Demnach ist der Mensch das einzige Lebewesen, das an die Zukunft denkt. Er malt sie sich aus. Er denkt über sie nach. Er wägt Alternativen ab. Der Mensch bedient sich hierzu eines speziellen Hirnbereiches, des sogenannten „Frontallappens“. Dieser Bereich des menschlichen Gehirns ist evolutionsgeschichtlich noch sehr jung. Wird der Frontallappen geschädigt, dann ist die Fähigkeit des betreffenden Menschen, seine Zukunft zu planen, beeinträchtigt.

Ohne diesen Gehirnbereich wären wir Menschen in der Gegenwart regelrecht gefangen. Wir könnten uns nicht vorstellen, wie wunderbar unser nächster Urlaub sein wird. Wir könnten unsere berufliche Zukunft nicht planen. Und wir könnten uns auch nicht vorstellen, wie das Leben an der Seite unseres Wunschpartners, unserer Wunschpartnerin wohl sein wird.

Das hätte allerdings auch handfeste Vorteile. Denn in diesem Fall bräuchten wir uns auch keine Sorgen darüber zu machen, ob die nächste Beziehung gutgeht oder nicht. Tiere tun das bekanntlich nicht. Sie stürzen sich Hals über Kopf in das nächste Liebesabenteuer. Die Folgen fürchten sie nicht. Menschen dagegen fürchten die Folgen ihrer Handlungen. Eine Entscheidung kann sich später als falsch herausstellen. Der strahlende Prinz kann sich nach einigen Monaten oder Jahren als griesgrämiger Besserwisser entpuppen. Die anmutige Prinzessin verwandelt sich, bei Licht betrachtet, in eine arge Langweilerin.

Die Verantwortung in der Liebe zu übernehmen ist also riskant. Wenn wir es tun, dann sind wir bei Fehlschlägen auch für unsere Niederlagen verantwortlich. Die Freiheit, zu entscheiden, und die Angst, welche Folgen unsere Entscheidung nach sich zieht, gehören also zusammen. Sie sind wie zwei Seiten einer Medaille.

Nicht jeder möchte deshalb diese Herausforderung der Verantwortung auch annehmen. Nicht jeder möchte sein Leben führen, also bewusst gestalten. Nicht jeder möchte die Freiheit, die er hat, nutzen und eigenständige Entscheidungen fällen. Viele Menschen wollen sich im Nachhinein nicht eingestehen müssen, dass sie einen Fehler gemacht haben.

Darüber hinaus hat auch die Komplexität von Problemen einen großen Einfluss auf die Bereitschaft von Menschen, Verantwortung zu übernehmen. Bei einfach strukturierten Lebensbereichen sind Menschen erheblich entscheidungsfreudiger als bei komplexen. Sie verwenden ­hierauf ­paradoxerweise auch viel mehr Zeit als auf schwierige Lebensprobleme.

Ein Beispiel: Vor dem Kauf eines neuen Autos verwenden Männer etwa 20 Stunden darauf, sich über verschiedene, in Frage kommende Modelle und über mögliche Preise zu informieren. Beim Abschluss einer privaten Altersvorsorge – einer ungleich komplexeren Entscheidung – sind es gerade noch ein bis zwei Stunden. In der Liebe, wir wissen es, sind vielen Menschen schon fünf Minuten der ernsthaften Beschäftigung mit dem Thema zu viel.

Verantwortung zu übernehmen gehört also aus philosophischer und anthropologischer Sicht zum Wesenskern des Menschen hinzu. Doch gleichzeitig gilt auch: Verantwortung nicht übernehmen zu wollen ist allzu menschlich. Wir alle neigen zu diesem Verhalten. Mythen, moderne wie althergebrachte, dienen dabei als Konstrukte, die uns die Last der Verantwortung erleichtern und uns das Unerklärliche erklären.

Sechs Strategien beim Ablehnen von Verantwortung

Die Menschen, die Verantwortung meiden, tun das aus ­verschiedenen Gründen. Es ist hilfreich, wenn wir uns die verschiedenen Methoden, mit denen Menschen die Verantwortung für die Partnerwahl von sich wegschieben, einmal genauer anschauen. Ich werde Ihnen im Folgenden sieben solcher Methoden vorstellen. Viele Menschen sind nicht umstandslos einer bestimmten Gruppe zuzuordnen. Manche finden sich gar in allen sieben Untergruppen wieder. Allerdings zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichem Maße.

1. Die Bequemen – oder: Ich lasse mich finden

„Warum bitteschön soll ich nach einem Partner suchen? Ich warte einfach, wer kommt. Ich lasse mich finden!“ (Veronika F., 36)

Mit der Bequemlichkeit des Sich-finden-Lassens haben wir uns bereits am Beispiel von Anna-Marie beschäftigt. Da der Mythos von Dornröschen aber Kernbestandteil unserer Kultur ist, findet sich die Bequemlichkeit als Motiv bei nahezu allen Menschen, unabhängig von ihrem Aussehen, wenn auch in unterschiedlichem Maße.

2. Die Perfekten – oder: Ich mach doch keine Fehler

„Sie mit Ihrer blöden Verantwortung! Ich bin jedenfalls nicht schuld, dass meine letzte Beziehung in die Brüche gegangen ist. Wenn Sie es ganz genau wissen wollen: Sie hat mich verlassen.“ (Erwin B., 46)

Manche Menschen wollen die ehrliche Auseinandersetzung mit der vergangenen Beziehung unbedingt vermeiden. Sie wollen unter gar keinen Umständen eigene Fehler erkennen, die sie in der vergangenen Beziehung gemacht haben oder schon bei der Partnerwahl. Für diese Haltung ist in der Regel eine Mischung aus Stolz und Überheblichkeit verantwortlich, die ihre Ursache in großen Selbstwertzweifeln hat. Lebensunsichere Menschen verwenden ihre Energie bevorzugt darauf, keine Fehler zu machen oder sie zumindest nicht zuzugeben.

Sicher ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie herablassend mancher Mann von seiner ehemaligen Partnerin redet und manche Frau von ihrem ehemaligen Partner. Schnell bekommt man bei diesen Erzählungen den Eindruck, sie oder er sei ein wahrer Zombie gewesen, eine Ansammlung sehr problematischer psychischer Absonderlichkeiten. Wir alle schieben auf diese Weise gerne die Verantwortung von uns. „An mir lag es nicht!“ Kurzfristig bringt eine solche Haltung Entlastung, langfristig aber manövrieren wir uns auf diese Weise in eine Sackgasse. An mir lag es nicht! Der andere war schuld. Wir selbst können, ja brauchen nichts zu lernen und nichts zu ändern.

Und genau das tun die Perfekten auch nicht. Sie brauchen nichts zu verändern, brauchen keine neuen Antworten zu finden auf die Frage Wer passt zu mir? Klar, dass die Perfekten sich auf Verantwortung sehr unwohl fühlen. Sie haben große Angst, einen Fehler zuzugeben.

Von der Lust am Fehler

Das menschliche Leben bringt es mit sich, dass wir Fehler machen. Entscheidend ist deshalb nicht, ob wir ab und an irren. Wichtig ist vielmehr, dass wir aus unseren Fehlern auch lernen. Das geht aber nur, wenn wir bereit sind, uns selbst Fehler auch einzugestehen. Dieser Schritt fällt vielen Menschen sehr schwer. Sie sind sich selbst gegenüber im Grunde ihres Herzens sehr kritisch eingestellt. Sobald sie einen Fehler bei sich wahrnehmen, brechen regelrecht alle Dämme und eine wahre Flut von negativen Gedanken überschwemmt sie.

Manchmal kommen Ratsuchende nur deshalb zu mir in die Beratung, weil sie sich ihren Fehlern in vergangenen Beziehungen nur mit Hilfe eines professionellen Coaches stellen können und wollen. Sie wollen – endlich – die Lust am Fehler entdecken. Und sie brauchen jemanden, der allzu negativen Gedanken entgegentritt.

3. Die Romantiker – oder: Ich will mich endlich neu verlieben

„Hauptsache, ich verliebe mich wieder. Ich will endlich dieses tolle Gefühl wieder erleben. Alles andere ist mir egal.“ (Elvira S., 38)

Die Romantiker haben den Zeitgeist auf ihrer Seite. Sie haben einen ganz modernen Mythos über die Liebe verinnerlicht. Ob Hera Lind, Rosamunde Pilcher oder das Traumschiff – die Devise heißt hier immer: Hauptsache verliebt! Alles andere wird sich finden. Es ist nicht einmal Nebensache. Es ist einerlei. Denke nicht nach! – so rufen diese Liebesgeschichten uns zu. Verliebe dich einfach neu! Die nächste Liebe kommt bestimmt. Diesmal ist es garantiert der oder die Richtige. Verliebe dich einfach neu – und alles wird gut! Diese Nachricht der Verantwortungslosigkeit kommt bei vielen Menschen gut an.

Wir alle lieben die einfachen Erklärungen, die triviale Liebesmythen anbieten: Die Liebe, eine Schicksalsmacht. Keine Anstrengung ist dafür nötig. Kein Nachdenken, nur Zuwarten. Schade, dass der Zeitgeist ein so schlechter Ratgeber in Sachen Liebe ist.

4. Die Hochnäsigen – oder: Ich finde keinen

„Gewisse Ansprüche wird man ja wohl noch haben dürfen. Ich nehme doch nicht irgendeinen!“ (Silvia R., 36)

Klar nehmen wir nicht irgendeinen. Doch wer eine Vielzahl von Forderungen an einen möglichen Partner stellt, zerstört damit jede Chance auf eine erfolgreiche Suche. „Sie ist zu an­­spruchsvoll“, sagen Freundinnen dann gerne. „Ihm kann es einfach keine recht machen“, sagen die Freunde. Das ist nicht wahr. Woran es hier fehlt, ist vielmehr der Mut. Die Hochnäsigkeit hat ein Ziel – sie soll eine neue Partnerschaft verhindern.

„Einen Partner wählen“, das klingt so leicht und so selbstverständlich. Doch das ist es in der Tat nicht. Eine Partnerschaft erfordert Mut. Den Mut, die eigene Welt mit einem anderen Menschen zu teilen. Den Mut, dem Anderssein des anderen mit Neugier zu begegnen. Den Mut, zu sich selbst zu stehen und sich nicht im anderen zu verlieren. Oft fehlt es an allem – und in dem Fall ist das Alleinebleiben eine prima Alternative.

5. Die Gerontophobiker – oder: Ich bin zu alt

„Eine Frau über 40 trifft eher auf einen Tiger als auf einen Mann. Kennen Sie diesen Spruch etwa nicht?“ (Silvia N., 44)

Auch zu dieser Haltung trägt der Zeitgeist sein Scherflein bei. Unsere Kultur verherrlicht das Jungsein. Dies gilt ganz besonders für Frauen. Eine Frau über 30 – unvermittelbar. Eine Frau über 40 – jenseits von Gut und Böse!

Stimmt das wirklich? Ist die Partnersuche ab einem gewissen Alter nahezu unmöglich? Nein. Die Partnersuche wird ab etwa dem 30. Lebensjahr schwieriger – für Männer wie für Frauen gleichermaßen. Es gibt eben nur noch wenige Singles in den Altersgruppen von 30 bis 60. Oberhalb des 60. Lebensjahres wird die Zahl der Singles dann wieder größer. Trotz aller Fortschritte der Medizin – in diesem Alter sind immer mehr Menschen unfreiwillig Single, weil sie verwitwet sind. Frauen sind davon erheblich häufiger betroffen als Männer, da Männer eine geringere Lebenserwartung haben. Für Frauen über 60 ist die Partnersuche deshalb tatsächlich etwas schwieriger. Aber nicht unmöglich. Unter den vielen Liebesgeschichten, die ich im Laufe der Jahre gesammelt habe, sind einige, die sich erst nach dem 70. Lebensjahr entwickelten. Eine Frau sagte später, als sie wiederum Witwe geworden war, sogar: „Es war die schönste Partnerschaft meines Lebens.“

Bei den meisten Menschen ist das Alter allerdings nicht viel mehr als eine billige Ausrede. Sie dient dazu, nichts tun zu müssen. Diese Menschen wollen auf das Schicksal warten. Sie wollen Dornröschen sein.

6. Die Narzissten – oder: Mein Aussehen ist schuld

„Suchen, wählen, entscheiden – was Sie nur haben! Dabei ist die Sache ganz einfach, ich habe nämlich einen Spiegel und in den schaue ich jeden Tag mehrmals hinein. Ich kann Ihnen genau sagen, was bei mir los ist: Wenn ich besser aussähe, würde ich auch einen Partner finden.“ (Erika M., 32)

„Mein Aussehen ist schuld!“ Was von dieser Ansicht zu halten ist – Sie wissen es bereits. Sie haben Anna-Marie und ihre aussichtslos erscheinende Partnersuche ja bereits miterlebt. Schönheit ist kein Garant für das Glück in der Liebe. Muss man so einen Allgemeinplatz überhaupt noch aussprechen? Ich fürchte, ja. Viele Menschen hegen die Überzeugung, dass sie nur besser aussehen müssten, und schon sei das Problem der Partnersuche für sie gelöst. Dabei braucht man nur einmal all die Liebesdramen in der Welt der Reichen und Schönen zu verfolgen, um zu sehen, dass Schönheit die Sache mit der Liebe womöglich sogar verkompliziert.

Trotzdem: Viele Menschen bilden sich ein, das Aussehen sei die entscheidende Größe bei der Partnersuche. An sich und ihrem Äußeren lassen sie dabei kein gutes Haar. „Wenn ich doch nur besser aussehen würde, dann hätte ich auch einen Partner!“

Woher kommt diese Neigung, die äußere Attraktivität für so entscheidend zu halten? In der Regel transportieren Menschen bei dieser Vorgehensweise innere Unsicherheiten nach außen und versuchen, sie dort zu lösen. Das geht schief. Und dem Ziel der Partnerschaft kommen sie damit keinen Schritt näher. Woran es hier fehlt, ist nicht eine andere Haarfarbe, eine schlankere Figur oder ein teureres Parfüm – es fehlt an innerer Sicherheit, an Selbstwertgefühl.

In Wahrheit kommt es bei der Partnersuche mehr auf die Ausstrahlung eines Menschen an als auf sein mögliches Abschneiden bei einem Schönheitswettbewerb. Die Ausstrahlung aber ist das Ergebnis innerer Ruhe und Zufriedenheit – und beides ist nicht in Töpfen und Tiegeln erhältlich.

In Wahrheit erleichtert ein besonders gutes Aussehen einen Erfolg bei der Partnersuche keineswegs. Ein durchschnittliches Aussehen dagegen hilft. Warum? Weil Menschen dazu neigen, einen Partner zu wählen, der ähnlich gut aussieht wie sie. Und durchschnittlich gut aussehende Menschen gibt es deutlich mehr als überdurchschnittlich gut aussehende. Deshalb ist es für erstere auch leichter, jemanden zu finden.

Wie Sie die Verantwortung übernehmen

Der Philosoph Karl Jaspers hat das Problem der menschlichen Verantwortung so ausgedrückt: „Die Zukunft ist als Raum der Möglichkeit der Raum unserer Freiheit.“ Diese Freiheit sollten wir nutzen. Wir sollten danach trachten, die Freiheitsräume, von denen Jaspers spricht, auch wirklich zu nutzen. Die Vorteile für unser Leben sind enorm: Wir gewinnen die Chance, unser Leben in die eigene Hand zu nehmen, uns nicht mehr bestimmen zu lassen von unbewussten Motiven und tradierten Mythen. Ein lohnendes Ziel, wie ich finde.

Unser Lebensglück ist ein viel zu hohes Gut, um es dem Zufall oder einem angeblichen Schicksal zu überlassen. Ich will Sie deshalb im Folgenden mit den besten Strategien vertraut machen, in der Liebe die Verantwortung zu übernehmen. Diese Strategien sollen Sie dabei unterstützen, Ihre persönlichen Freiheitsräume zu erobern. Sie sind vielfach erprobt und bewährt. Wollen Sie es versuchen? Na, dann los.

Erste Strategie: Finden Sie heraus, wie Sie sich vor der Verantwortung drücken

Wir alle scheuen uns, in der Liebe die Verantwortung zu übernehmen. Wir alle würden gerne Dornröschen sein und einfach nur gefunden werden. Wir alle möchten uns im Grunde unseres Herzens einfach nur verlieben. Das alleine ist noch nicht problematisch. Richtig schwierig wird es für uns erst, wenn wir das alles nicht einmal wissen. Lassen Sie uns also einen Blick werfen auf Ihre persönlichen Lieblingsvarianten, die Verantwortung zu vermeiden. Besser, Sie wissen, dass Sie es tun. Und besser, Sie wissen, auf welche Weise Sie es tun. Dann sind Sie freier in Ihren Handlungen. Dann können Sie gegensteuern.

Übung: Lesen Sie noch einmal genau die Darstellung der sechs Motive, nicht die Verantwortung zu übernehmen. Wie ergeht es Ihnen beim Lesen? Was kommt Ihnen bekannt vor? Erkennen Sie sich selbst in der einen oder anderen Beschreibung wieder? Welche Verhaltensweisen haben Sie in der Vergangenheit schon bei anderen beobachtet? Ma­­chen Sie sich im Anschluss an jeden Abschnitt Notizen. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen dazu einfällt. Schreiben ordnet und klärt unsere Gedanken. Schreiben Sie, so viel Sie wollen. Sie können sich hierzu auch ein eigenes Büchlein zulegen, in das Sie auch im Folgenden immer wieder Ihre Gedanken zu diesem Buch notieren und Übungen durchführen, eine Art Reisetagebuch also für unsere fünf Kontinente der Partnerwahl.

Vergeben Sie am Ende jedes Abschnitts eine Punktzahl, um auszudrücken, wie stark Sie zu der jeweiligen Haltung neigen. Benutzen Sie hierfür die Skala von 1 bis 10. Geben Sie sich einen Punkt, wenn Sie nur sehr wenig zu der jeweiligen Strategie neigen, vier oder fünf, wenn Sie das angesprochene Verhalten schon mal bei sich beobachtet haben, und zehn Punkte, wenn Sie sehr dazu neigen.

Keine Angst, Sie müssen die Punkte am Ende nicht addieren und bekommen von mir auch keine Analyse Ihrer Schwachstellen oder Empfehlungen, was Sie gefälligst anders ma­­chen sollten. Es geht mir ausschließlich darum, dass Sie Ihre Selbstwahrnehmung schärfen. Sie sollen sich selbst auf die Schliche kommen. Diese Übung soll Ihnen bewusst machen, welche Mythen und Vorstellungen von der Liebe Ihr Herangehen an die Partnerwahl prägen – mehr nicht.

Eine solche größere Bewusstheit hat Folgen: Wenn Sie Ihre Schwachstellen kennen, dann können Sie in Zukunft freier handeln. Wenn Ihnen zum Beispiel bewusst ist, dass Sie eigentlich nicht suchen wollen, sondern lieber gefunden werden möchten, dann können Sie sich dazu entscheiden, trotz Ihrer vorhandenen Widerstände mit der Suche zu beginnen.

Eine Bitte: Seien Sie bei dieser Übung nicht zu selbstkritisch. Wenn Sie zum Beispiel merken, dass Sie einen Hang zur Romantik haben, manchmal verzagt sind und in der Vergangenheit auch schon einmal in die Gruppe der Hoch­näsigen gehört haben, dann sollten Sie sich dafür nicht kritisieren oder gar niedermachen. Im Gegenteil: Es ehrt Sie, dass Sie diese Regungen so offen zugeben können. Seien Sie also stolz auf sich!

Auch ich bin immer stolz auf all diejenigen, denen es in der Beratung bei mir gelingt, eigene Fehler und Schwächen zu erkennen. Niemand ist verpflichtet, perfekt zu sein. Wir alle haben Fehler und Schwächen. Glauben Sie mir: Nicht unsere Fehlhaltungen machen uns das Leben so richtig schwer, sondern die mangelhafte Bereitschaft, sie uns selbst und anderen auch einzugestehen.

Zweite Strategie: Werden Sie Realist – tragen Sie Ihren Fernseher in den Keller

Das Fernsehen ist der fleißigste Zuarbeiter des Zeitgeistes und der Liebesmythen. Drehen Sie dieser dauernden Berieselung mit Falschbotschaften über die Liebe den Hahn ab. „Kriegt sie ihn?“ Aber natürlich! „Wird er seinen Nebenbuhler loswerden?“ Ja klar! Über die Wirklichkeit der Liebe erfahren Sie hier nichts.

Verbannen Sie Ihren Fernseher in den Keller. Leben Sie vier Wochen lang ohne Liebesschnulzen. Und auch ohne Action- oder Fantasyfilme, denn auch die kommen ohne eine Liebesgeschichte als Dreingabe nicht aus. Bleiben noch die Schmöker im Stile von Barbara Wood oder Hera Lind – auch die sind vier Wochen lang tabu. Vier Wochen sind schnell vorüber. Wenn Sie die geschafft haben, nun, dann verlängern Sie die Auszeit doch einfach. Was Sie einmal geschafft haben, das schaffen Sie auch ein zweites Mal. Und dann ein drittes.

„Ach, lassen Sie den Menschen doch ihre harmlosen Vergnügen“, sagt der Pressesprecher von Verantwortung und zieht seine Stirn kraus. „Nein“, lautet meine Antwort, „das alles ist keineswegs harmlos.“ In all diesen Filmen und Romanen lernen wir nichts über die Wirklichkeit der Liebe. Das allein ist schon schlimm genug. Es kommt aber noch ärger: Wir lernen auf diese Weise die klassischen und modernen Liebesmythen in- und auswendig, so lange, bis wir nicht ­einmal mehr bemerken, wie sehr sie unser Verhalten bestimmen. Wir verinnerlichen den Dornröschen-Mythos – bis er unser Bild vom Kennenlernen zweier Liebender prägt. Wir lernen Tag für Tag die Lektion „Verlieben reicht“ – bis wir gar nicht mehr auf die Idee kommen, dass es bei der Liebe um mehr geht als um das Verlieben, um das Prüfen nämlich und das Wählen. Und wir bekommen heutzutage in Liebesfilmen immer wieder vermittelt, dass zunächst die Sexualität kommt und dann erst die Liebe – und fragen uns schließlich, ob wir altmodisch sind oder prüde, wenn wir uns erst verlieben wollen und anschließend erst körperlich näherkommen.

Geben Sie sich also einen Ruck und tragen Sie Ihren Fernseher in den Keller. Am besten jetzt sofort! Sie werden es nicht bereuen. Vier, acht oder zwölf Wochen ohne Liebesmythen können wahre Wunder bewirken, besonders wenn Sie die freie Zeit in den nächsten Wochen und Monaten nutzen, um neue Erkenntnisse über die Liebe zu erlangen.

Dritte Strategie: Sorgen Sie für neue Erkenntnisse – lesen Sie psychologische Bücher

Sie lesen dieses Buch. Glückwunsch! Möglicherweise haben Sie in der Vergangenheit bereits den ein oder anderen psychologischen Ratgeber zur Hand genommen und auf diese Weise Erkenntnisse über sich und Ihr Leben gewonnen. Ich kann Sie in dieser Vorgehensweise nur bestärken.

In der Liebe gilt – wie auch im sonstigen Leben – die Regel time on task: Je mehr Zeit wir auf eine Aufgabe verwenden, desto besser werden wir auch. Diese Regel leuchtet den meisten Menschen in Bezug auf die Arbeit unmittelbar ein. „Übung macht den Meister“, lautet eine ganz ähnliche deutsche Lebensweisheit. Wer Schreiner werden will, lernt zu hobeln, wer Schlosser wird, das Feilen – und niemand erwartet, dass das ohne Zeitaufwand möglich ist.

In Bezug auf die Liebe aber lehnen viele Menschen die Regel time on task ab. Sie vergeben damit die Chance, neue Erkenntnisse zu gewinnen und seelisch zu wachsen. Dabei macht Wissen nicht nur klug, es erhöht auch das Selbstwertgefühl. Lesen Sie also jede Woche ein psychologisches Buch. Eines über die Liebe. Eines über Selbsterkenntnis. Oder eines über Menschenkenntnis. Zeit genug haben Sie ja jetzt, wo Ihr Fernseher im Keller steht. Zu neuen Erkenntnissen über die Liebe führen natürlich auch andere Wege: Vorträge, Seminare und Workshops eignen sich ebenfalls, um psychologisches Wissen zu erwerben.

Welche Bücher Sie lesen, dass bleibt Ihnen überlassen. Sie können aber auch gerne die Literaturliste am Ende des Buches als Anregung nutzen. Weil viele Autoren uns wichtige Dinge zu sagen haben, habe ich diese Liste etwas anders gestaltet als üblich. Sie werden zu jedem dort aufgeführten Buch einen kurzen Kommentar von mir finden. Die Liste umfasst meine Buchempfehlungen für Sie. Es sind Bücher, die sich in meinen Augen bewährt haben, wenn Sie mehr wissen wollen darüber, wie Sie Verantwortung übernehmen, wie Sie Selbsterkenntnis gewinnen, wie Sie herausfinden können, wer zu Ihnen passt, wie Sie den Charakter eines anderen Menschen einschätzen können und wie Sie am Ende eine gute, eine reife Wahl treffen.

Vierte Strategie: Tauchen Sie ein in die Welt der realen Liebe – sammeln Sie Liebesgeschichten

Bücher vermitteln uns Wissen aus zweiter Hand. Das kann wertvoll und nützlich für uns sein. Doch noch wertvoller und nützlicher sind eigene Erkenntnisse. Mein Vorschlag: Starten Sie doch selbst ein kleines Forschungsprojekt zur Liebe und zu der Frage Wer passt zu mir? Am meisten können Sie über die Liebe lernen, wenn Sie schauen, wie sie in der Realität entsteht, wie sie sich entwickelt und in manchen Fällen – leider – auch wieder vergeht. Wenn Sie sich also wirkliche Liebesgeschichten anhören.

Die Liebe ist eine Erfahrungswissenschaft. Meine persönliche Sammlung von wirklichen Liebegeschichten umfasst mittlerweile einige tausend solcher Erzählungen. Heute sind diese Geschichten für mich ein reichhaltiger Vorrat, ein Fundus, aus dem ich schöpfe, beim Schreiben und auch in der Beratung. Als ich vor 20 Jahren anfing, Liebesgeschichten zu sammeln, ahnte ich nicht, wie wertvoll sie einmal für mich werden sollten, für mein privates Leben und auch beruflich. Ich tat es – wie ich dachte – aus einer Laune heraus. Immer wieder war ich unglücklich verliebt und ewig und immer ein unzufriedener Single. Das änderte sich dann aber bald. Die Liebesgeschichten waren mir dabei eine wertvolle Hilfe.

Werden Sie also selbst zum Forscher. Sammeln Sie Liebesgeschichten. Fragen Sie Freunde und Bekannte nach deren Partnerschaft. Da Sie auf der Suche sind nach einer Antwort auf die Frage Wer passt zu mir?, sollten Sie die Geschichten, die Sie erzählt bekommen, gezielt nach Antworten auf diese Frage durchforsten. Fragen Sie bei Ihren Gesprächen mit Freunden und Bekannten nach der vergangenen Liebe und dann nach der neuen. Was haben Ihre Gesprächspartner bei einer erneuten Entscheidung für einen Lebenspartner anders gemacht? Wie haben sie es geschafft, glücklicher und zufriedener zu werden? Welche Schlüsse für die Zukunft haben sie aus dem Scheitern der alten Liebe gezogen?

Warum ist diese Vorgehensweise so wirksam? Was kann es Ihnen bringen, zu hören, wie andere eine Antwort auf die Frage Wer passt zu mir? gefunden haben? Sehr viel, sagt die Wissenschaft. Sie erinnern sich sicher noch an die spezifisch menschliche Fähigkeit, in die Zukunft zu schauen und sie sich vorzustellen. Diese Fähigkeit ist einzigartig, doch leider sind wir Menschen über die Zukunft sehr leicht zu täuschen, weil wir uns nicht der Grenzen bewusst sind, die die menschliche Vorstellungskraft uns setzt. Die allermeisten Menschen versuchen in die Zukunft zu schauen, indem sie sie sich vorstellen. Sie stellen sich vor, wie es wäre, eine neue Wahl zu treffen. Dabei bestimmt ihr gegenwärtiges Bild von sich selbst und wer zu ihnen passt ihre Vorstellungskraft und damit auch das zukünftige Bild.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869105734
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2012 (Dezember)
Schlagworte
Beziehung flirten Lebensführung Partnerschafts-Ratgeber Partnersuche Partnervermittlung Partnerwahl

Autor

  • Christian Thiel (Autor:in)

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Titel: Wer passt zu mir? Sie+Er = Herz