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So rede ich richtig mit meinem Kind

Wie Worte wirken. Konflikte fair lösen. Stressfreier erziehen. Für Eltern von 3- bis 10-jährigen Kindern

von Doris Heueck-Mauß (Autor:in)
160 Seiten

Zusammenfassung

Wenn Kinder sprachlich immer geschickter werden und ihren Willen äußern können, dann sind Konflikte an der Tagesordnung. Verbote, Schimpfen und Ermahnen rufen meist nur den Widerstand des Kindes hervor. Meist enden solche Situationen mit Gebrüll, Tränen und Frust. Doch es geht auch anders! Doris Heueck-Mauß zeigt, wie Eltern mit einer offenen und klaren Kommunikation ihre Ziele bei Kindern erreichen. Aufräumen, Essen, Hausaufgaben, Geschwisterstreit, Schlafen: Die Autorin gibt ganz praktische Tipps für alle typischen Lebenslagen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Doris Heueck-Mauß
 
 
 
 
 

So rede ich richtig mit meinem Kind

 
 
 
Wie Worte wirken 
Konflikte fair lösen 
Stressfreier erziehen 
Für Eltern von 3- bis 10-jährigen Kindern


 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 
978-3-86910-743-1  
ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-621-1  
ISBN des PDF-eBooks: 978-3-86910-745-5

 

 

Doris Heueck-MaußMauß, Diplom-Psychologin/Psychotherapeutin, ist Mutter zweier erwachsener Kinder. Seit ihrem Examen 1974 in klinischer Psychologie an der Universität München sind ihre beruflichen Schwerpunkte die Entwicklung des Kindes, das menschliche Verhalten und Kommunikation. Nach ihrer klinischen Arbeit mit sozial-emotional gestörten Kindern im Kinderzentrum München unter Leitung von Professor Hellbrügge arbeitet sie als selbstständige Psychologin seit 1977 im Münchner Familienkolleg mit den Schwerpunkten Präventives Elterntraining „PET“ und Fortbildungsseminare in Verhaltens- und Kommunikationstraining. Seit 1982 führt sie eine eigene psychotherapeutische Praxis. Zudem bereitet sie werdende Eltern an einer Münchner Frauenklinik auf Geburt und Familienleben vor. Ergänzend hält sie Vorträge im Bereich Erziehung und Entwicklung des Kindes und leitet Supervisionen mit Erzieherteams in sozialen Einrichtungen. Die Autorin im Internet: www.elternabc.de

 
 
 
 

 
© 2012 humboldt

Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

 
Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

 
Lektorat: Nathalie Röseler, Dateiwerk GmbH, Pliening; Eckhard Schwettmann, Gernsbach
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Titelfoto: Shutterstock/DSP

Vorwort

Liebe Mutter, lieber Vater,

wenn Sie diesen Ratgeber zum ersten Mal in der Hand halten, werden Sie sich vielleicht fragen: Gibt es nicht schon eine Menge Erziehungsratgeber? Worin unterscheiden sie sich?

Es wird viel über die Kindererziehung diskutiert und geschrieben und es werden Ratschläge sowie Rezepte vermittelt, die aber oft nicht funktionieren, da sie nur den Blickwinkel der Erwachsenen berücksichtigen. Die Art und Weise, wie sich Erwachsene verhalten und kommunizieren und welche Auswirkung dies auf das kindliche Verhalten und seine Emotionen hat, findet man dagegen selten erklärt.

Sind Ihre Kinder aus dem Kleinkindalter herausgewachsen und zeigen ihren Willen sehr deutlich, wobei sie sprachlich immer geschickter werden, können Sie als Eltern oder Großeltern schnell an Ihre Grenzen kommen. Kinder fordern uns täglich heraus, da die elterlichen Anforderungen oft zu Konflikten führen. Aus Zeitmangel, Ungeduld oder Verärgerung hören Kinder oftmals „Nein“, „Du musst …“, „mach endlich“, „warum folgst du nicht“, „wenn du nicht, … dann …“ – also viele Aufforderungen, Befehle, Ermahnungen und Tadel. Kinder lernen dadurch aber kein neues Verhalten. Im Gegenteil, so wird eher der Widerstand des Kindes hervorgerufen. Häufig enden diese Konflikte mit Schimpfen, Gebrüll, Tränen und Frustration auf beiden Seiten. Es gibt Sieger und Verlierer. Das ist anstrengend und die meisten Eltern haben sich Erziehen so nicht vorgestellt!

Selten wird Eltern deutlich vor Augen geführt, dass sie täglich ein Vorbild in ihrem verbalen und nonverbalen Verhalten geben und ihr Verhalten immer in Wechselwirkung steht!

In meinem Ratgeber „Das Trotzkopfalter“ für zwei- bis sechsjährige Kinder werden diese lernpsychologischen Erkenntnisse als „Erziehungs-ABC“ ausführlich beschrieben. Der Schwerpunkt des Ratgebers liegt bei der emotionalen Entwicklung – vor allem der Unterscheidung zwischen Aggressionen, Provokationen und dem emotionalen Frust, genannt Trotz – und im beobachtbaren Verhalten sowohl des Kindes als auch der Eltern.

In diesem Ratgeber für Kinder im Vor- und Grundschulalter stehen die Wirkung der Sprache und die familiäre Kommunikation im Mittelpunkt!

Ich erkläre kommunikationspsychologische Erkenntnisse anhand vieler Beispiele sowie Kommunikationsregeln und deren Anwendungsmöglichkeiten, vor allem bei alltäglichen Konflikten. So erfahren Sie, wie Sie mit einer ehrlichen, direkten und schlüssigen Kommunikation Ihre Erziehungsziele erreichen können, und zwar möglichst ohne Machtkampf und Frustration auf beiden Seiten.

Es kommt nicht nur darauf an, was man sagt, sondern vor allem, wie man es sagt! Je älter die Kinder werden, desto mehr steigen auch die täglichen Anforderungen an sie und damit das Risiko von Konflikten vor allem in folgenden Bereichen: Ordnung, Essen, Hausaufgaben, Pünktlichkeit, Benehmen und Schlafzeiten. Bei mehreren Kindern kommt es auch öfters zu Geschwisterstreit. Ältere Kinder bringen von der Schule oder von Freunden Ausdrücke und Redewendungen mit nach Hause, die Eltern ärgern oder „sprachlos“ machen können.

Mit diesem Ratgeber lernen Sie als Eltern, wie Sie zu vernünftigen, altersangepassten Kompromissen und Konfliktlösungen mit Ihren Kindern, aber auch Ihrem Partner kommen. Sie erfahren, wie Sie Ihr eigenes Sprachverhalten reflektieren, lesen über Kommunikationsregeln und erhalten Anleitungen zum „fairen“ Streitgespräch. Damit das Familienleben lebendig bleibt und tiefer gehende Konflikte vermieden werden können.

Einleitung

Die Sprache – das Tor zur Welt für Kinder

Ohne Sprache können Kinder nicht existieren, sich nicht in die Welt der Erwachsenen integrieren. Damit Kinder sich in einer Welt zurechtfinden, die für sie immer komplizierter, reizüberfluteter und leistungsbetonter wird, brauchen sie Orientierung. Die erhalten sie durch das liebevolle Verhalten und die verständnisvolle Sprache ihrer Eltern und ein offenes Ohr für ihre Kümmernisse!

Eltern legen mit ihrem Verhalten das Fundament für die Persönlichkeit des Kindes! Ob ein Kind sich selbstbewusst entwickelt, aber auch lernt, sich an die Regeln der Familie und der Gesellschaft anzupassen, hängt entscheidend davon ab, wie Eltern ihren Kindern Regeln und Wertvorstellungen vermitteln und vorleben.

Der Erziehungsanspruch, den die Gesellschaft heutzutage an die Eltern stellt, kann starken Druck und Verunsicherung auslösen. Denn einerseits werden die autoritären Erziehungsmodelle von gestern abgelehnt, andererseits gibt es aber auch nicht wirklich neue Modelle. Eltern handeln eher durch ein Ausprobieren zwischen alles erlauben, ohne Grenzen zu setzen, bis hin zu einem demokratischen Erziehungsstil.

Denn Eltern sind keine Pädagogen! Sie sind geprägt durch die eigene Erziehung und das Umfeld, in dem sie aufgewachsen sind. Einen Einfluss haben ebenso ihre Schulausbildung, ihre Berufswahl und ihre Lebensmodelle. Diese Erfahrungen bestimmen den Lebensstil, die Partnerwahl, den Umgang miteinander und auch das verbale Verhalten. Die Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern sprechen oder sich anreden lassen, ob es Monologe oder Dialoge gibt, Unterhaltungen oder Streitgespräche, wird somit von den eigenen Elternmodellen mit geprägt.

Manche Eltern sprechen ihre dreijährigen Kinder bereits wie Erwachsene an, sie diskutieren mit ihnen wie mit dem Partner, sodass diese Kinder dann sehr „altklug“ sprechen. Auf der anderen Seite sprechen schon Sechsjährige mit ihrer Mutter oder ihrem Vater wie mit ihren Freunden auf dem Schulhof. Manche Zehnjährige behandeln ihre Eltern wie Befehlsempfänger und drohen, wenn ihre Wünsche nicht erfüllt werden. An der Schwelle zur Pubertät haben Eltern oft gar nichts mehr zu sagen, und die Kommunikation funktioniert nur noch über Dritte, wenn Hilfe von außen angefordert wird.

Damit es gar nicht so weit kommt, sollten Eltern, Erzieher, Großeltern und Kinder Bescheid wissen, welche Kommunikationsmuster in die typischen emotionalen Fallen führen, wodurch viel Energie in destruktives Sprechen und Handeln fließt und auf beiden Seiten Frustration entstehen kann.

Konstruktive Sprache und aufmerksames Zuhören führen dagegen zu erwünschtem Verhalten und positiven Emotionen, zu einem Miteinander in der Familie.

Achtsames Erziehen und miteinander Sprechen erfordert Zeit, Geduld und das Wissen, dass eindeutige Kommunikationsregeln den Erziehungsalltag erleichtern. Sprache schafft Wirklichkeiten: „So, wie man in den Wald hineinruft, schallt es wieder heraus!“

Beispiele für Kommunikationsregeln

Wie funktioniert Sprache?

Geistige Entwicklung und Sprachentwicklung

Vom Laut zum Wort zum Satz

Schon ein paar Tagen nach der Geburt können Eltern die kindlichen Lautäußerungen unterscheiden. Bedeuten die Töne oder das Schreien Hunger, Langeweile, Müdigkeit oder das Bedürfnis danach getragen zu werden und nach Hautkontakt? Das Baby ist auch „ganz Ohr“ und lauscht aufmerksam, wenn die Eltern mit ihm sprechen. Schon im Mutterleib kann es zwischen der weiblichen und der männlichen Stimme unterscheiden. Alle Sinne, vor allem das Hören und der kinästhetische Sinn, sind schon voll im Einsatz. Deshalb sind dem Baby die Stimmen, Töne und Melodien sowie Berührungen nach der Geburt bereits vertraut. Schon im ersten Lebensjahr lernt das Kind Worte und Begriffe, kann diese aber noch nicht aussprechen, da sich die Zungenmotorik noch entwickeln muss. Eltern-Kind-Dialoge finden über Doppellaute wie „dada, baba, mama“ statt, das Baby brabbelt aber auch alleine vor sich hin, wenn es zufrieden ist. Ende des ersten Lebensjahres sind schon ca. 50 Wörter abgespeichert und mit 16 Monaten sprechen 90 % der Kleinkinder Einwortsätze und können Begriffe zuordnen. Mit zwei Jahren verständigt sich das Kleinkind mit Zweiwortsätzen: „Mama eia, Papa spielen, Mimi haben …“.

Bis das Sprechen als psychomotorischer Vorgang erlernt ist, vergehen drei Jahre, dann werden Drei- und Mehrwortsätze gesprochen. Dabei können Kleinkinder schöpferisch mit der Wortwahl sein. Der dreijährige Ferdinand kreierte „Popi“ für seinen Opa mit der kindlichen Logik „Der Opa ist der Papa von der Mama“. Den Namen Popi verwendeten dann alle in der Familie.

Kinder sollten in diesem „Wortfindungsalter“ zwischen zwei und drei Jahren weder korrigiert noch ausgelacht werden. Als Eltern wiederholt man das Wort richtig: „Ach, du meinst mit ‚Mimi‘ deine Milch.“ Gerade Großeltern neigen gerne zur Babysprache, wenn das Kind noch so klein und niedlich ist: „Gib der Oma das Patschehändchen“ oder „Magst du namnam?“, „Sollen wir heia machen?“ Das ist in Ordnung, die Begriffe sollten aber auch in der Erwachsenensprache benannt werden.

Sprachverständnis

Das Sprachverständnis entwickelt sich schneller als das Sprechen und setzt bereits ab dem fünften Lebensmonat ein. Das Baby erkennt seinen Namen, Mama und Papa, Gegenstände und Begriffe wie heiß, kalt, aua, ja und nein. Es kann kleineren Aufforderungen nachkommen wie „Gib mir den Teddy“, „Nimm den Ball!“ oder „Wo ist der Hund?“

Wie das Kind ab dem dritten Lebensjahr spricht, in Babysprache, im Dialekt oder grammatikalisch richtig, lernt es von den Erwachsenen. Sprechen ist zwar genetisch angelegt, benötigt aber die Anregung und die Beschäftigung mit dem Kind. Es muss Sprache hören, um sich später ausdrücken zu können. Es soll ermuntert und geliebt werden, um frei und ohne Hemmungen oder Sprachlücken sprechen zu können. Die Eltern sind sein Sprachvorbild! Das kann man gut bei den kindlichen Rollenspielen erkennen, wenn das Kind in eine Elternrolle schlüpft und Papa oder Mama in Tonfall oder Wortwahl, aber auch Mimik und Gestik genau widerspiegelt! Manche Eltern erschrecken und erkennen sich kaum wieder: „Was, so laut und im Befehlston rede ich mit meinem Kind?“

Selbstbewusste Dreijährige sind kleine Plaudertaschen und können sich schon wie die Großen ausdrücken. Gehemmte oder entwicklungsverzögerte Kinder sind eher still, man muss ihnen jedes Wort hervorlocken, oft drücken sie sich nur über Gestik und Mimik aus.

Auch wenn kleine Kinder sich wie die Großen ausdrücken wollen, sollten die Erwachsenen nicht mit Ironie oder Doppeldeutigkeiten sprechen. Kinder in diesem Alter nehmen noch alles wortwörtlich, sie können noch nicht hinterfragen, sie müssen erst lernen, die Bedeutung der Wörter zu begreifen. Auch Fäkalsprache oder sexistische Ausdrücke sollten Sie unbedingt unterlassen. Kinder sprechen auch diese Worte unbefangen aus: „Oma, du bist ein Arschloch, hat der Papa gesagt“, „Alle Weiber sind blöd“.

Die Gefühlswelt der Erwachsenen können sie noch nicht erkennen, wenn die Mutter sagt: „Es ist zum Kotzen mit dir, ich halt es nicht mehr aus und gehe.“ Sagt dies der Dreijährige dann zu seiner Erzieherin, bekommt er vielleicht Sanktionen und versteht gar nicht, warum.

VORSICHT:
Kinder haben große Ohren und Freude am Nachahmen und Nachplappern, können aber noch nicht abstrahieren und unterscheiden, was man in der Familie so dahinsagt und was nicht nach außen gehört.

Zweisprachigkeit

Viele Kleinkinder wachsen heute bilingual auf, wenn ihre Eltern verschiedene Muttersprachen sprechen oder sie Kinder mit Migrationshintergrund sind, wenn sie mit drei Jahren in einen deutschen Kindergarten kommen. Babys können schon im Mutterleib unterschiedliche Sprachrhythmen erkennen. Sie sind fähig, von Geburt an zwei- oder mehrsprachig aufzuwachsen. Sie befinden sich bereits im Bauch in einem „Sprachbad“ und hören täglich verschiedene Sprachen. Das kindliche Gehirn ist unglaublich aufnahmefähig, ein Kind ist damit nicht überfordert. Für die grammatikalisch richtige Wiedergabe der Sprache ist es jedoch wichtig, dass die Eltern konsequent mit ihrem Baby und Kleinkind in der jeweiligen Sprache sprechen. So gibt es Familien, in denen die Mutter Spanisch mit dem Kind spricht und der Vater Englisch, während es in der Kinderkrippe täglich Deutsch hört. Für die Integration dieser Kinder ist es sehr wichtig, dass sie frühzeitig die jeweilige Landessprache sprechen lernen, am Spielplatz, vom Nachbarskind und spätestens im Kindergarten. Geschieht dies erst in der Grundschule, tun sich diese Kinder schwer, die Grammatik richtig anzuwenden, und fühlen sich schnell ausgegrenzt.

Kinder, die nur mit einem Dialekt aufwachsen und keine Schriftsprache sprechen können, sind ebenfalls benachteiligt, wenn sie in den Kindergarten kommen.

Eltern sollten aber nicht zwanghaft eine Fremdsprache sprechen, wenn es nicht ihre Muttersprache ist. Kinder reagieren darauf eher mit Kauderwelsch. Mittlerweile gibt es in den Großstädten bilinguale Kindergärten und Schulen, in denen die Pädagogen Muttersprachler sind und die Kinder täglich in beiden Sprachen fördern und unterrichten. Werden Kinder nur einmal die Woche eine Stunde in einer Fremdsprache unterrichtet, ahmen sie diese zwar nach, es bleibt aber kein Sprachfundus für später hängen, da das Arbeits- und Langzeitgedächtnis erst um das sechste Lebensjahr angelegt wird.

FAZIT:

Sprache im Kindergartenalter

Zwischen dem vierten und fünften Lebensjahr meistern gesunde und geförderte Kinder ihre Muttersprache sowohl in der Wortwahl als auch in grammatikalisch richtigen Sätzen. Dabei spielt die Bildung der Eltern eine große Rolle, ebenso der Besuch einer pädagogischen Einrichtung und der Umgang mit den Medien.

Leider sitzen schon viel zu viele Kindergartenkinder durchschnittlich täglich eine Stunde (!) oder mehr vor dem Fernseher oder vor Spielkonsolen für kleine Kinder. Es gibt durchaus wertvolle Sendungen wie „Die Sendung mit der Maus“ oder „Sesamstraße“. Viele Eltern erinnern sich noch an „Tom und Jerry“ und ähnliche Comicfilme. Ältere Kinder lieben „Pippi Langstrumpf“ und „Die Kinder von Bullerbü“. Eltern dürfen und sollten ihren Kindern Grenzen setzen und sie nur ausgewählte Filme schauen lassen. Außerdem ist es besser, wenn ein Elternteil (oder ein anderer Erwachsener) mit dem Kind diese Sendungen anschaut, damit die kindlichen Fragen beantwortet werden können und eine emotionale Begleitung und Beteiligung durch den Erwachsenen möglich ist. Kinder identifizieren sich gerne mit ihren Lieblingsfiguren. Ein- bis zweimal die Woche 30 Minuten einen Film sehen, ist völlig in Ordnung. Nach neuesten Studien sitzen aber bereits Vier- bis Fünfjährige täglich bis zu zwei Stunden vor dem Bildschirm oder der Spielkonsole – alleine! Der Fernseher wird leider viel zu häufig als „technische Oma“ eingesetzt, damit Mama oder Papa in Ruhe ihre Arbeit erledigen können. Auch die Gutenachtgeschichte wird immer häufiger durch Filme oder Hörbücher ersetzt. Die Kinder sind natürlich neugierig, sehen und hören gerne zu. Es fehlt aber die emotionale Beziehung, der Austausch über das Erlebte. Ungefiltert übernehmen sie die Sprache und Sprechweisen ihrer technischen Freunde. Erfahrene Erzieherinnen erkennen anhand der Formulierungen der Kinder häufig, welche Sendung gerade der Favorit ist.

Der Slogan „Kiste aus und Buch raus“ sollte ein Appell an die Eltern sein, wieder mehr zum Buch zu greifen. Es gibt viele sehr gut gestaltete Bände für jede Altersstufe! Altersgerecht wird die Fantasiewelt des Kindes dargestellt, der Vorleser kann seine Stimme verstellen und die Emotionen in der Geschichte widerspiegeln. Das Kind versetzt sich in eine andere Welt und sucht die körperliche Nähe und Zuwendung. Es teilt den Spaß, die Spannung, die Angst mit dem Erwachsenen und ist nicht alleine.

Beim Vorlesen werden alle Grundbedürfnisse eines Kleinkindes erfüllt: Zeit füreinander haben, in Körperkontakt sein, Aufmerksamkeit spüren und emotionale Beteiligung. Die guten alten Märchen wie „Frau Holle“, „Struwwelpeter“, „Max und Moritz“ oder „Hänsel und Gretel“ wirken in den Augen der Erwachsenen oft grausam, aber letztlich spiegeln sie die Welt wider und häufig siegt das Gute. Kindliche Aggressionen sind angeboren, so fiebern die Kleinen mit dem Bösewicht mit. Mitgefühl kann nur über Modelle und das Vorleben der Erwachsenen gelernt werden. Es gibt Geschichten, die Kinder immer wieder hören wollen, oft täglich. Erfüllen Sie Ihrem Kind diesen Wunsch, auch wenn Sie das Märchen langweilt. Kinder im Vorschulalter lernen über ständiges Wiederholen und brauchen ihre eigene Zeit für die Verarbeitung, das Begreifen! Kinder werden damit bestens für den Alltag gerüstet. Mitschauen, Zuhören und das emotionale Verarbeiten der Geschichte fördert auch die kognitiv-emotionale und die soziale Entwicklung und die Konzentration. Kinder, die zu oft und zu lange alleine vor den Fernseher sitzen, nehmen die Inhalte zwar passiv auf, können diese aber nicht reflektieren, sind oft körperlich unruhig, da unausgelastet, und ahmen ihre Figuren ungefiltert in Sprache und Gestik nach. Sie verlernen, sich selbst zu beschäftigen und ihre Fantasie im Spiel auszuleben.

Nicht nur Vorlesen und gemeinsam Filme und Bilderbücher anschauen, auch Ausflüge in die Natur, die die Neugierde fördern und körperliches Austoben ermöglichen, lassen Kinderherzen höherschlagen! Eltern erleben dann, wie es aus dem Kindermund nur so heraussprudelt, was es alles entdeckt und ausprobiert, und wie viele Fragen das Kind hat.

Diese Aktionen sind manchmal anstrengend für die Erwachsenen, aber die beste Schule des Lebens für ihr Kind.

FAZIT:
Jedes Kind hat das Recht, ernst genommen zu werden. Eltern sollten ihr Kind fördern, aber nicht über- oder unterfordern, sie sollten ihm seine Welt zeigen, sie erfahren und begreifen lassen und seine Fragen altersgerecht beantworten.

Kinder im Vorschulalter sprechen oft schneller als sie denken können. Da gibt es dann Wortverdreher, Silbenverschlucken, Stammeln oder Stottern. Das Kind sollte nicht ausgelacht oder ständig korrigiert werden. Das würde es nur verunsichern. Besser ist der Satz: „Lass dir Zeit, sag es einfach noch mal.“ Sollten Stammeln, Stottern oder Lispeln aber nach ein paar Wochen nicht aufhören, sprechen Sie bitte mit dem Kinderarzt darüber, ob Ihr Kind einen Logopäden oder einen Kinderpsychologen aufsuchen sollte. Hinter diesen Sprachauffälligkeiten können sowohl motorische und genetische, aber auch seelische Ursachen stecken. Sprache spiegelt die Beziehung – jedes vierte Kind zwischen sechs und sieben Jahren, das sprachauffällig ist, hat bereits psychische Probleme. Da hilft dann keine Logopädie, sondern eine Kinder- und Familientherapie.

TIPP:

Die Sprache des Schulkindes

Ab dem sechsten Lebensjahr findet allmählich eine Abkehr vom egozentrischen Sprechen und Denken statt hin zum vorausschauenden Denken und Hinterfragen. Die Fantasiewelt weicht der realen Weltsicht. Das Schulkind tritt in eine neue Gruppierung mit anderen Kindern ein. Das spielerische Miteinander wird sich verändern zum Lernverhalten und Konkurrenzdenken. Der Wortschatz wird bereichert, allerdings nicht immer zum Positiven. Jetzt werden die Gleichaltrigen oder älteren Kinder auf dem Schulhof zum Sprachmodell! Viel Neues muss verarbeitet werden, sowohl kognitiv (also das Denken, Erkennen, Wahrnehmen betreffend) wie emotional. Soziale Einsicht, sich anpassen, Konzentration und selbstständiges Lernen fordern jetzt das Kind. Zu Hause will es aber noch Kind sein und das Elternhaus als sicheren Hafen empfinden, wo es auch seine Sorgen und Emotionen zeigen darf.

Das Schulkind lernt jetzt, seine Gedanken, Empfindungen und Gefühle verbal auszudrücken. Es kann psychologische Begriffe auf sich selbst und andere anwenden. Es kann besser abwarten, sich immer mehr in den emotionalen Zustand eines anderen hineinversetzen und Zwischentöne in der Sprache deuten: „Wenn meine Mama so laut wird und mich schimpft, dann hat sie sich wieder über Papa geärgert.“ Das Kind kann jetzt zuhören und sich auch in die Lage des anderen versetzen. Es erkennt, dass Dinge aus der Vergangenheit oder noch bevorstehende Ereignisse sein Verhalten beeinflussen. Es ist nun gruppenfähig geworden, nicht mehr so egozentrisch wie als Kleinkind und muss nicht mehr immer im Mittelpunkt stehen. Das Kind entwickelt Antennen für die Bedürfnisse der anderen. Es kann sich in die Lage des Sprechers versetzen, und man kann mit einem Schulkind jetzt richtig diskutieren, sollte seine Meinung aber auch ernst nehmen. Es nimmt auch sein Verhalten unter die Lupe und wird immer kritikfähiger – allerdings auch seinen Eltern gegenüber.

Ein selbstbewusstes Kind wird viele Fragen stellen und auch das elterliche Verhalten immer mehr hinterfragen. Es ist neugierig, wissbegierig und aufgeschlossen, auch anderen Erwachsenen gegenüber. Es lernt, sich selbst einzuschätzen und zu seinen Stärken oder Schwächen zu stehen.

Emotionen traut es sich in der Ich-Form anzusprechen und kann abwarten, wenn Konflikte nicht sofort gelöst werden können. Es hat eine Frustrationstoleranz entwickelt.

Ein unsicheres Kind mit niedrigem Selbstwert wird sich sprachlich zurücknehmen, es versteckt sich hinter der Wir-Form und wird sich schnell einschüchtern lassen. Oder es fühlt sich angegriffen und wird aggressiv reagieren. Es hat eine niedrige Frustrationsschwelle. Kann es sich sprachlich noch nicht altersgemäß ausdrücken, kann es schnell zum Außenseiter in seiner Gruppe werden.

Diese Außenseitererfahrungen werden in der Pubertät noch ausgeprägter wirken und können einen Menschen sein Leben lang begleiten, wenn er keine Chance zur Veränderung bekommt.

Ab dem achten Lebensjahr ist das Kind in seinen erweiterten geistigen Fähigkeiten nun fähig zu abstrahieren. Es erlebt sich in Wechselwirkung mit den anderen Menschen, nicht mehr nur mit seinen Familienmitgliedern. Es stellt sich Natur-, Lebens- und Wissensfragen und interessiert sich zunehmend für menschliche Schicksale. Es kann zwischen äußeren Ereignissen, den Reaktionen darauf und dem inneren Erleben unterscheiden. Das ist ein großer Reifeschritt in der Entwicklung. Bis zum sechsten Lebensjahr denkt das Kind z.B. „Wer lacht, ist glücklich, wer schreit, ist böse.“ Das ältere Kind kann nun zwischen Verhalten und Gefühlen differenzieren. Es weiß jetzt, dass die Worte nicht immer mit der Mimik und dem Verhalten übereinstimmen. Das kann es irritieren, aber es kann diese Erkenntnis auch aufdecken und nachfragen.

Leider haben viele Erwachsene nicht gelernt, offen in ihrer Familie über ihr Empfinden zu reden. Aus Angst, ihre wahren Bedürfnisse und Emotionen zu zeigen, kommunizieren sie indirekt und oft anklagend. Kinder spüren, dass etwas nicht stimmt, und können darauf sehr verunsichert oder aggressiv reagieren. Sie werden, wenn sie älter werden, das Verhalten ihrer Eltern immer mehr infrage stellen, kritisieren und in Widerstand gehen. Spätestens jetzt sollten Eltern lernen, offen und nachvollziehbar zu kommunizieren und sich Konflikten zu stellen. Sie sollten sich selbst und ihr Kind als Familienmitglied respektieren. Durch einen fairen Umgang miteinander, getragen mit Respekt und Wertschätzung, werden sie ihrem Kind somit ein Vorbild sein.

Offene Kommunikation und ihre Auswirkungen

Wahrnehmungskanäle

Sprechen ist Verhalten, Schweigen ebenfalls. Sprechen geschieht über die Zungenmotorik, was wir inhaltlich mitteilen wollen und wie wir etwas sagen, wird über die Worte und den Tonfall übermittelt und bestimmt somit das Sprachverständnis. Die Informationen werden aber nicht nur über die Worte weitergegeben, sondern auch über Körperhaltung, Gestik und Mimik. Es gibt dabei in der Kommunikation einen Sprecher und einen Zuhörer oder – kommunikationswissenschaftlich ausgedrückt – einen Sender und einen Empfänger.

Verhalten und damit auch Kommunizieren steht immer in Wechselwirkung! Was jemand sagt und wie es bei dem anderen ankommt, aktiviert noch andere Wahrnehmungskanäle, also nicht nur das Sprechen und Hören. Was sehe ich als Empfänger, was verstehe ich, wie fühlt sich das an und wie interpretiere ich das Gesagte. Der Sender wiederum verlässt sich auf das, was er sagt, und bemerkt oft nicht, wie er das Gesagte in Tonfall, Gestik und Mimik vermittelt und wie es bei dem Empfänger ankommt. Wir kommunizieren also immer mit all unseren Wahrnehmungskanälen! Je älter der Mensch wird, desto mehr hat er gelernt, ganz auf die Worte zu vertrauen. Erwachsene kommunizieren somit überwiegend verbal-kognitiv.

Kleinkinder haben noch sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich verbal auszudrücken, und kommunizieren über Blicke, Gesten und Mimik, also nonverbal. Wenn sie sich nicht verstanden fühlen oder ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden, erkennen die Erwachsenen dies schnell an ihren Gefühlsausbrüchen. Vorschulkinder sind zwar der Sprache mächtig, nehmen aber alles noch wortwörtlich und auf sich bezogen. Sie können Doppeldeutigkeiten oder indirekte Kommunikation nicht verstehen. Über alle Wahrnehmungskanäle versuchen sie Aufmerksamkeit zu erlangen und sich bestärkende Informationen zu holen.

Deshalb ist es wichtig, mit dem Klein- und dem Vorschulkind auf Augenhöhe zu sprechen, es anzuschauen, zu berühren oder es in den Arm zu nehmen und auf die eigenen Wahrnehmungskanäle zu achten.

Wie schnell ist etwas dahingesagt und der Erwachsene wundert sich über die Reaktion des Empfängers. Das Kind versucht, dem Elternteil etwas zu vermitteln, die Botschaft kommt aber nicht an und das Kind reagiert traurig oder wütend. Viele Missverständnisse führen zu emotionalen Reaktionen. Werden diese nicht aufgedeckt, kann auch das Kind nicht lernen, offen zu kommunizieren.

Viele Erwachsene reagieren bei Missverständnissen in der Kommunikation oder Kritik emotional immer noch wie Kleinkinder. Das beeinträchtigt die Paarbeziehung und die kollegialen Beziehungen und bedeutet permanenten emotionalen Stress. In solch einem Fall sind Mediatoren und Coaches gefragt.

TIPP:
Nehmen Sie sich etwas Zeit und trainieren Sie wieder Ihre Wahrnehmungskanäle, um offen und nachvollziehbar kommunizieren zu können. Somit können Sie ein Vorbild für Ihr Kind (und Ihren Partner) sein. Die Familie ist wie ein Mobile. Fängt einer an sich zu bewegen und etwas zu verändern, bewegen sich die anderen mit!

Üben der Wahrnehmungskanäle

Nehmen Sie sich vor, die nächsten fünf Minuten immer eine Minute lang Ihre Wahrnehmungskanäle einzeln einzusetzen.

Fassen Sie Ihre Wahrnehmung und Ihre Empfindungen und Gedanken darüber zusammen und sprechen Sie sie nun einmal offen aus.

Das wird als „offene und kongruente Kommunikation“ bezeichnet, da sowohl dem Sender als auch dem Empfänger alle Wahrnehmungskanäle geöffnet werden.

Kleine Kinder kommunizieren noch mit allen Kanälen, sie beschreiben, was sie im Moment sehen, hören, riechen, schmecken, wie sie empfinden, was sie begreifen.

Ältere Kinder und Erwachsene haben gelernt, ihre Wahrnehmung sofort zu bewerten, zu interpretieren, ihre Kommentare abzugeben. Sie meinen, nur ihre Sicht der Dinge sei richtig! So kommt es zum Widerstand des Empfängers, also des Gesprächspartners. Denn der macht ja dasselbe und meint ebenfalls, nur seine Denkweise sei richtig. Dann wird Kommunikation anstrengend und führt sehr schnell zu Missverständnissen oder Streit.

Viele Menschen meinen genau zu wissen, wie ihr Kind oder ihr Partner denken und fühlen sollte, und vermitteln dies in ihrer Sprache „Das musst du so sehen“, „Das darf man nicht denken“, „Ein Junge ist doch kein Angsthase“. Oder Erwachsene werden „blind“ auf ihren Wahrnehmungskanälen und sehen nur noch die eine Seite, das Verhalten, das sie ärgert oder enttäuscht, und erziehen mit Anklage und Befehlen wie „Nie machst du …“, „Du bist böse, schusselig“, „Mach endlich, was ich sage!“ Erwartungen, Sorgen und Ängste tragen ebenso dazu bei, dass man in der Familie „betriebsblind“ werden kann.

TIPP:
Öffnen Sie Ihre Wahrnehmungskanäle, versetzen Sie sich in die Lage Ihres Kindes oder Ihres Partners. Versuchen Sie auch mal mit den Augen, Ohren und dem Bauchgefühl des anderen Familienmitgliedes wahrzunehmen. Das erweitert Ihre Wahrnehmung und trägt zum Verständnis und Mitgefühl bei.

Üben der Wahrnehmungskanäle mit der Familie

Damit auch die anderen Familienmitglieder ihre Wahrnehmungskanäle üben, können Sie ein Spiel für alle daraus machen. Das können Sie spielen beim Essen, in der Warteschlange vor der Kasse oder bei einer längeren Autofahrt. In der Natur macht ein Wahrnehmungstraining besonders viel Spaß! Jeder Kanal wird immer eine Minute geübt und der andere darf sofort stoppen, wenn eine Wertung oder Interpretation erfolgt: „Ich sehe, dass du grantig schaust.“ Stopp! „Ich sehe auf deiner Stirn Falten!“ oder „Ich höre deine Wut.“ Stopp! „Ich höre deine laute Stimme und denke mir, du bist wütend.“ Super!

Anfangs wird es viele Stopps geben, aber Übung macht den Meister und reinigt und schärft die Wahrnehmungskanäle! Schon ab vier Jahren machen Kinder gerne mit und sind gute Beobachter. Erwachsene entdecken schnell, wie schwer es fällt, „nur“ seine Wahrnehmung zu beschreiben und nicht zu werten.

Ziel des gemeinsamen Wahrnehmungsspiels ist es, zu erleben, im Augenblick zu bleiben, in der täglichen Kommunikation seine Interpretationen über die Wahrnehmungskanäle zu überprüfen und genau hinzuhören, was der andere gerade wahrgenommen hat, bevor man antwortet. Diese Vorbereitung ist die Voraussetzung für die offene und kongruente, vereinfacht gesagt nachvollziehbare, Kommunikation, für das Zuhören mit dem „dritten Ohr“, für Familiengespräche und für das faire Konfliktgespräch.

Beispiele

Erste Situation:

Die vierjährige Anna sitzt beim Abendessen vor ihrem Teller und stochert in ihrem Essen herum.

Mutter A sagt: „Anna, nicht schon wieder das Theater! (laute Stimme) Iss endlich, sonst gehst du ohne Gutenachtgeschichte sofort ins Bett!“ (sie hebt drohend den Zeigefinger)

Wie wird Anna reagieren? Sicher auch emotional wie ihre Mutter, es wird einen Konflikt geben.

Mutter A ist verärgert. Sie sieht nur das Stochern und denkt, ihre Tochter mag nicht essen und will sie provozieren.

Mutter B sagt: „Anna, ich sehe du stocherst in deinem Essen herum, du schaust nach unten und ich höre, wie du leise sagst ‚Ich mag nichts‘. Da denke ich mir, du bist müde und hast keinen Hunger, stimmt das? Oder schmeckt es dir nicht?“

Mutter B ist aufmerksam in ihrer Wahrnehmung und beschreibt diese ihrer Tochter, so bleibt sie emotional gelassen und ihre Tochter kann sagen, was der Grund ist. Es wird konfliktfrei eine Lösung gefunden werden. Mutter B bleibt im Kontakt mit ihrem Kind und ist bereit, auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, somit bleibt auch Anna emotional gelassen!

Mutter A ist durch ihre Interpretation „Theater machen“ blockiert und kann die anderen Wahrnehmungskanäle nicht mehr einsetzen – mit dem Ergebnis von unangenehmen Emotionen auf beiden Seiten. Anna wird wütend werden über die angedrohte Konsequenz „keine Gutenachtgeschichte“. Sie fühlt sich missverstanden, das Verhalten wird sich gegenseitig aufschaukeln, somit kommt es zu einem Konflikt.

Zweite Situation:

Der neunjährige Peter sitzt über seinen Hausaufgaben. Er stöhnt und schiebt sein Mathebuch weg: „Blödes Mathe, ich kann das nicht.“

Mutter A sagt: „Peter, konzentriere dich! Wenn du dich anstrengst, kannst du das auch. Es gibt kein blödes Fach! Du hast nur keine Lust und immer nur dein Fußball im Kopf.“ (die Stimme wirkt gereizt, die Betonung ist belehrend)

Mutter B sagt: „Peter ich sehe, dass du deinen Kopf aufstützt, dein Mathebuch wegschiebst und ‚Blödes Mathe!‘ sagst und denke mir, dir fällt Mathe heute schwer, weil du dich so auf euer Fußballspiel freust. Vielleicht hilft dir eine kleine Pause?“

Mutter B versucht, ihre Wahrnehmung offenzulegen und diese auch zu beschreiben. Sie bewertet das Verhalten von Peter nicht und moralisiert nicht, sie spürt, dass er blockiert und abgelenkt ist.

Peter fühlt sich verstanden und nicht abgewertet. Die kleine Pause und die Freude auf sein Fußballspiel motivieren ihn, es noch mal zu versuchen. Oder die beiden finden eine andere Lösung. Sie bleiben beide in freundlichem Kontakt.

Bei Mutter A fühlt sich Peter kritisiert und abgewertet, das wird seine Lernmotivation nicht erhöhen. Er fühlt sich vielleicht gekränkt, wird ärgerlich reagieren und Mathe bleibt erst recht ein blödes Fach für ihn. Er will nur noch zum Fußball. Es werden auf beiden Seiten emotionale Argumente kommen, die den Konflikt – Mathe/Fußball – nicht befriedigend lösen werden.

Vielleicht denken Sie jetzt: Das ist doch unnatürlich, so zu reden, das nimmt doch viel zu viel Zeit in Anspruch! Die offene Kommunikation erleichtert aber, die emotionalen Botschaften des Kindes zu erkennen, und hilft, dass der Elternteil seine Gedanken, Wahrnehmungen und Emotionen beschreiben und somit Bewertungen und negative Emotionen vermeiden kann. Beide bleiben im positiven Kontakt.

Schnelle Schlussfolgerungen und Urteile über das kindliche Verhalten führen zu Missverständnissen, emotionalen Belastungen und Konflikten. Das kostet viel mehr Zeit und verbraucht viel zu viel Energie. Vor allem leidet die Beziehung zwischen Kind und Eltern. Auch neues Verhalten wird somit nicht gelernt oder nur mit viel Widerstand.

Im Erwachsenenleben wird die Kommunikation selten offen und konstruktiv ablaufen. Es wird allgemein wechselseitig schnell interpretiert und gewertet, nach dem Motto „Man kennt ja seine Mitmenschen“. Kein Wunder, dass sich dann jeder ständig rechtfertigt oder zum Gegenangriff startet und Missverständnisse entstehen. Diese verdeckte und destruktive Kommunikation wird als anstrengend empfunden und macht wütend oder frustriert.

FAZIT:
Haben Sie Mut, üben Sie die offene Kommunikation!

Ihr Kind wird sich verstanden, angenommen und respektiert fühlen. So ist es motiviert und bereit, Ihnen ebenfalls seine Wahrnehmung, seine Empfindungen und Gedanken mitzuteilen, ohne Angst verurteilt oder nicht geliebt zu werden.

Offene Kommunikation ist ein Türöffner zum Herzen! Sie festigt den Selbstwert Ihres Kindes, verbessert die Beziehung und macht Ihr Kind selbstkritisch und frei von der Meinung anderer. Diese wichtige Erfahrung sollten Eltern ihren Kindern tagtäglich ermöglichen, so früh wie möglich!

Auch Erwachsene lernen täglich über das Reflektieren ihrer Kommunikation und ihres Verhaltens. In offenen Familien findet täglich ein Lernprozess durch Austausch statt – die beste Schule des Lebens für das Kind. In geschlossenen Familiensystemen müssen sich alle starren Regeln anpassen, um zu überleben, eine offene Kommunikation kann somit nicht gelernt werden.

Daher ist es wichtig, sich auch einmal Freiheiten zu gönnen. Die folgenden „fünf Freiheiten“ sollte Ihre ganze Familie beherzigen und darauf achten, sie sich im Alltag auch immer zu nehmen:

Die fünf Freiheiten

Zuhören mit dem „dritten Ohr

Achtet man immer besser auf seine Wahrnehmungskanäle, wird man damit aufmerksamer gegenüber den versteckten Botschaften des Gesprächspartners, also seinen nicht direkt ausgesprochenen Wünschen, Bedürfnissen und Empfindungen. Wir spüren, da gibt es noch etwas hinter den Worten oder Handlungen, das der andere verbirgt, sich nicht traut zu sagen oder es ihm vielleicht gar nicht bewusst ist. Man nennt das auch Bauchgefühl oder Intuition.

Autor

  • Doris Heueck-Mauß (Autor:in)

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Titel: So rede ich richtig mit meinem Kind