Lade Inhalt...

Jedes Kind kann sich benehmen

So lernen Ihre Kleinen gute Umgangsformen

von Nandine Meyden (Autor:in)
216 Seiten

Zusammenfassung

Liebevollen Eltern liegt das gute Benehmen ihrer Kinder am Herzen. Dieser Ratgeber zeigt die wichtigsten „Benimmregeln“ und erklärt an praktischen Beispielen, wie Eltern ihren Kindern gutes Benehmen beibringen. Sie erfahren, wie sie den Kleinen spielerisch Werte wie Rücksicht oder Pünktlichkeit, aber auch Tischmanieren und einen angemessenen Sprachgebrauch vermitteln.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Nandine Meyden




Jedes Kind kann sich benehmen

So lernen Ihre Kleinen gute Umgangsformen




images/humbold.jpg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86910-903-9

ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-602-1

Die Autorin: Nandine Meyden gibt seit 15 Jahren Benimm-Kurse für Groß und Klein. Die Fernseh-Zuschauer kennen die Etikette-Trainerin und Buchautorin aus der MDR-Sendung „Vorsicht Fettnäpfchen!“. Um möglichst viele praktische Tipps im Buch zu vereinen, hat sie für diesen Ratgeber eng mit jungen Eltern zusammengearbeitet.

© 2009 humboldt.
Ein Imprint der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

Lektorat: Redaktionsbüro Punkt und Komma, Nathalie Röseler, Pliening
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Coverfoto: Sean Justice / Corbis

Inhaltsverzeichnis

Diese Jugend! Gestern und heute

Keilinschrift aus Ur, Chaldäa, ca. 2000 v. Chr.:
„Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“

Sokrates, griechischer Philosoph, 470 – 399 v. Chr.:
„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen den Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 – 322 v. Chr.:
„Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen.“

Dem Mönch Peter von Morrone, 1274, zugeschrieben:
„Die Welt macht schlimme Zeiten durch. Die jungen Leute von heute denken an nichts anderes als an sich selbst. Sie haben keine Ehrfurcht vor ihren Eltern oder dem Alter.“

Regierungsbericht, 1852:
„Es ist die Wahrnehmung gemacht worden, dass bei der Schuljugend die früher kundgegebene Anständigkeit und das sittliche Benehmen … mehr und mehr verschwinde.“

Und heute?

Einleitung

Es ist also nichts Neues, dass über die schlechten Umgangsformen der heranwachsenden Generation geklagt wird. Neu ist, dass Arbeitgeber, die dringend Auszubildende, Trainees, Praktikanten oder Berufsanfänger suchen, ihre freien Stellen nicht ohne Weiteres füllen können. Die jungen Leute benehmen sich so schlecht, dass sie nicht tragbar für das Unternehmen sind. Kunden werden einsilbig abgefertigt, Kollegen unzureichend gegrüßt, Pünktlichkeit und Ordnung lassen zu wünschen übrig, die Kleidung ist ein ewiges Diskussionsthema. Waren dies früher Einzelfälle, so weiß sich heute selbst manch ein großer Konzern, der begehrte Stellen bietet und freie Auswahl unter den Bewerbern hat, nicht anders zu helfen, als intensive Schulungen zum Thema Umgangsformen im ersten Lehrjahr als Pflicht einzuführen. Die Reputation des Unternehmens im In- und Ausland hängt nicht nur von den Produkten, sondern auch vom Verhalten der Mitarbeiter ab. Zudem leiden viele der langjährigen Mitarbeiter unter dem unfreundlichen Ton der jungen Kollegen und dem damit schlechter werdenden Betriebsklima.

Dennoch scheinen den Deutschen gute Umgangsformen wichtig zu sein. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „emnid“ hatte zum Ergebnis, dass rund 95 Prozent aller Deutschen gute Umgangsformen für wichtig beziehungsweise sehr wichtig halten. 77,3 Prozent aller Befragten stuften in einer Studie des Karriereportals „monster.de“ im Jahr 2006 gute Manieren als sehr wichtig für den Karriereerfolg ein. „Danke“, „Bitte“ und „Entschuldigung“ zu sagen finden laut einer Untersuchung des Nürnberger Sailer-Verlages aus dem Jahr 2004 sogar 95 Prozent der Schüler zwischen sechs und 13 Jahren wichtig. Im Jahr 2007 zeigte eine Untersuchung, die im Auftrag des Apothekenmagazins „medizini“ durchgeführt wurde, dass sich 71,2 Prozent der Kinder darüber ärgern, wenn sich Erwachsene vordrängeln.

Manieren regeln das Miteinander

Schlechte Manieren sind also für Menschen jeglichen Alters störend, gute Umgangsformen hingegen wichtig. Wenn man sich tagtäglich am Arbeitsplatz, auf der Straße, im Supermarkt oder in der U-Bahn umsieht, dann fragt man sich unwillkürlich: Wo sind all die Menschen, die so viel Wert auf guten Ton legen? Es scheint eine Diskrepanz zu geben zwischen dem, was an Verhalten erwartet und dem, was selbst gezeigt wird. Vielleicht ist es auch eine zunehmend wachsende Anzahl von Menschen, die kein Gefühl dafür hat, was andere als unhöflich oder störend empfinden.

Fakt ist: Menschen mit schlechtem Benehmen werden ausgegrenzt, da sie selbst auch andere ausgrenzen. Gutes Benehmen zeigt dem Gegenüber: Du bist mir wichtig, ich will, dass wir uns miteinander wohlfühlen. Manieren sind also nichts Altmodisches, Steifes und Unnatürliches: Manieren dienen dazu, menschliches Miteinander zu regeln – hier und überall auf der Welt.

Kinder haben viele Vorteile, wenn sie gute Umgangsformen von klein auf erlernen:

 
All dies stärkt das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen eines heranwachsenden Menschen.

Dieses Buch gibt Ihnen einen Überblick über heute geltende Verhaltensstandards. Es zeigt Ihnen als Eltern und Erziehungsberechtigten, welche gesellschaftlichen Spielregeln in unserem Miteinander überhaupt noch gelten und hilft Ihnen so, Wissenslücken im Bereich moderner Umgangsformen zu füllen. Das ist wichtig, denn unsichere Eltern sind oft nicht konsequent oder können Gründe für Regeln nicht erklären. Einige der vorgestellten Regeln betreffen Ihre Kinder noch nicht, solange sie bei Ihnen zu Hause leben. Als junge Erwachsene, mit den ersten Schritten im Berufsleben, werden sie aber davon profitieren, wenn sie im Elternhaus diese Umgangsformen als selbstverständlich erlebt haben.

Ihr Wissen allein schafft es noch nicht, dass Ihr Kind sich ebenso souverän verhält. Ausführliche Tipps für Ihr Verhalten erleichtern Ihnen die Vermittlung guten Benehmens in der Familie und unterstützen Sie auf konkrete Weise für einen höflicheren und respektvolleren Umgang miteinander.

Erste Hilfe für Erziehungsberechtigte

Sie finden eine Reihe von Fallbeispielen. Alle diese Beispiele sind wahre Begebenheiten, die mir so oder so ähnlich sehr oft im Laufe meiner Berufstätigkeit geschildert wurden oder die ich selbst erlebt habe. Die Namen in den Geschichten sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Personen sind nicht beabsichtigt, aber dennoch nicht zufällig. Zu sehr spiegeln die Beispiele einen Alltag wider, wie er inzwischen in fast jeder Familie zu finden ist.

Informationen, warum wann welche Regeln gelten, können Ihnen und Ihrem Kind helfen, sich ähnliche Begebenheiten zu ersparen. Ausblicke, wie schädlich sich ein Mangel an guten Umgangsformen im Erwachsenenleben auswirken kann, helfen Ihnen, das Ziel im Auge zu behalten: eine gute Vorbereitung durch die Erziehungsberechtigten auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben der Kinder mit ausreichend Wahlmöglichkeiten und der Fähigkeit, sich in jeglicher Gesellschaft zurechtzufinden und zu behaupten.

Eine Reihe von Praxistipps, Spielen, Checklisten und Übungen bieten eine reichhaltige Auswahl an Instrumenten zur Umsetzung. Sie basieren auf verschiedenen pädagogischen und psychologischen Theorien. Erziehende und Heranwachsende sind eben sehr unterschiedlich. Jede Familie braucht deshalb andere Instrumente. Ein Patentrezept gibt es nicht.

Kinder unter drei Jahren lernen Umgangsformen nur indirekt, indem sie verfolgen, was um sie herum passiert und wie die Bezugspersonen handeln. Die vorgeschlagenen Regeln und Tipps zur Umsetzung eignen sich deshalb nur für Kinder über drei Jahren bis hin zum Teenageralter. Ich habe darauf verzichtet, jeweils anzugeben, was ein Kind in welcher Altersstufe beherrschen sollte. Kinder entwickeln sich sehr unterschiedlich, deshalb ist eine Angabe nach Jahren nicht hilfreich. Sie kennen Ihr Kind und wissen, was Sie von ihm fordern können.

images/602-1_001-216_screen15-00.jpg

Das Buch ist kein pädagogischer Ratgeber für Eltern, die verhaltensgestörte Kinder haben. Wann ein Kind verhaltensgestört ist, kann im Zweifelsfall nur ein Fachmann klären. Erziehungsarbeit gehört auch heutzutage noch vorwiegend zu den Aufgaben der Frauen. Es gibt jedoch immer mehr Männer, die Verantwortung und Zeit für Kinder übernehmen. Die Zahl der Alleinerziehenden ist seit Jahren zunehmend, in einigen Familien werden Kinder durch ein gleichgeschlechtliches Paar großgezogen. Der von mir verwendetet Begriff „Eltern“ ist deshalb immer so zu verstehen, dass ich die Personen meine, die die Funktion von Eltern haben, nicht unbedingt die biologischen Eltern.

Die Hirnforschung weiß heute, dass positive Emotionen auch positive Auswirkungen auf das Lernen haben. Humor und gute Laune sind deshalb Voraussetzungen für eine gelungene Erziehung. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das Buch hin und wieder zum Schmunzeln bringt und es Ihnen erleichtert, Ihre wichtige Aufgabe mit Freude erfolgreich zu meistern.

Ohne all die Eltern, die mir nicht nur ihre Fragen und Probleme anvertrauten, sondern auch ihre Tipps und Erfahrungen weitergegeben haben, wäre dieses Buch nicht möglich gewesen: Danke schön! Mein herzlicher Dank gilt auch dem Verlag humboldt, insbesondere Mark Wachsmann, für die wirklich fantastische und überaus geduldige Unterstützung bei diesem Projekt. Ingrid Mack-Zellmer gilt mein Dank für die Illustrationen. Die große Sorgfalt, die kritischen Fragen sowie die vielen guten Ideen meiner Lektorin Nathalie Röseler waren ein wichtiger Beitrag. Vielen Dank!

Pädagogische Grundlagen

Kinder sollten gute und moderne Umgangsformen lernen. Um sie ihnen auch richtig vermitteln zu können, müssen grundlegende Einstellungen und Verhaltensweisen bei Ihnen als Erziehungsberechtigtem ebenfalls vorhanden und gefestigt sein.

Die Informationen und Praxistipps sowie die abschließenden Übungen am Ende der einzelnen Kapitel sollen es Ihnen leichter machen, die zu lernenden Manieren, die in den Folgekapiteln ausführlich dargestellt werden, in der Familie einzuführen, anzuwenden und zu etablieren.

Vorbild und Einigkeit

Klaus, 12 Jahre, sitzt mit den Eltern am Frühstückstisch. Während er seinen Kakao trinkt und sein Marmeladebrot isst, schaut er in sein Vokabelheft. Heute steht eine Klassenarbeit in Englisch an, da will er lieber auf Nummer sicher gehen und das Gelernte noch einmal wiederholen. „Leg das weg“, ermahnt ihn sein Vater. „Wenn du gestern nicht richtig gelernt hast, dann hilft das heute auch nicht mehr. Außerdem wird beim Essen nicht gelesen.“ „Lass ihn doch“, schaltet sich die Mutter ein. „Wir können uns freuen, dass er sich so engagiert. Besser, als wenn ihm die Schule egal ist.“ „Genau!“, sagt Klaus. „Außerdem liest du ja auch die Zeitung beim Frühstück.“

Eine große Schwierigkeit bei der Umsetzung von Manieren besteht darin, dass es innerhalb der Familie oft keine Einigkeit mehr darüber gibt, was denn nun höflich ist, welche Regeln bei gutem Benehmen gelten. In der Verwandtschaft werden wieder andere Normen für richtig erachtet, und jede Nachbarsfamilie hat einen eigenen Verhaltenskodex. Je weniger Verbindlichkeit und Einheitlichkeit Ihr Kind erlebt, desto schwieriger ist es zu verstehen, was es tun soll und was nicht. Sorgen Sie deshalb unbedingt dafür, dass zumindest innerhalb des engsten Kreises klare und verbindliche Regeln und Absprachen herrschen. Sie müssen sich einig darüber sein, ob Sie es dulden, dass ein müdes Kind eine Hand unter dem Tisch hat, oder ob das keinesfalls infrage kommt. Es muss Klarheit darüber bestehen, ob und wann Sie es akzeptieren, dass ein Kind ein Gespräch unterbricht. Diskutieren Sie diese Dinge nicht vor dem Kind aus. Es ist wichtig, dass Ihr Kind von allen Erziehungsberechtigten darauf hingewiesen wird, dass es sich vor dem Essen die Hände waschen soll, dass die Schuhe ausgezogen werden und dass ein „Guten Morgen“ auch bei schlechter Laune erwartet wird. Ein Elternteil, der sich dieser mühseligen Aufgabe des ständigen Erinnerns und Hinweisens entzieht, wird seiner Erziehungsaufgabe nicht gerecht und schadet dem Kind im späteren Leben.

Mit gutem Beispiel voran

Nichts ist so entscheidend bei der Vermittlung von gutem Benehmen, wie das Beispiel, welches das Kind tagtäglich in der eigenen Familie erlebt. Auch wenn es in der Pubertät trotzig das seiner Meinung nach „spießige“ Verhalten einer gemeinsamen Mahlzeit zu einer festen Uhrzeit ablehnt. Wenn das Kind später alleine oder mit Freunden zusammenwohnt, so wird es dieses Ritual wahrscheinlich vermissen, falls es nicht stattfindet. Kinder haben eine gute Beobachtungsgabe und scharfe Augen, ganz besonders dann, wenn es darum geht, die eigenen Eltern bei Inkonsequenz und Fehlverhalten zu ertappen.

images/602-1_001-216_screen19-00.jpg

Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Ihr Kind soziale Kompetenz erwirbt, ist, dass Sie ihm diese Tag für Tag vorleben. Fordern Sie bestimmte Verhaltensweise nur autoritär ein, wird Ihr Kind entweder eine autoritätshörige Persönlichkeit oder neigt besonders stark zu Widerspruch. Als autoritätshörige Person wird es als Erwachsener nur andressiertes Regelverhalten zeigen. Kinder, die mit autoritärer Erziehung groß geworden sind, entwickeln oft die sogenannte Radfahrer-Mentalität: Sie ducken sich nach oben hin und hasten den Aufforderungen von höher gestellten Personen hinterher, nach unten wird getreten. So wird es also keine stabile Persönlichkeit entwickeln können, die aus Überzeugung und Wertschätzung gegenüber anderen Menschen auf entspannte Art perfekte Umgangsformen beherrscht. Ihr Kind wird dadurch auch nicht befähigt, im späteren Leben Anweisungen und Regeln kritisch zu hinterfragen und adäquat mit seinen Zweifeln umzugehen. Treiben Sie Ihr Kind in den Widerstand, so ist ein ständiger Kampf programmiert. Ein Vertrauensverhältnis kann sich so nicht aufbauen. Ein Bruch in der Beziehung zwischen Eltern und Kind ist dann vorhersehbar.

  1. Praxistipps
  2. Klären Sie mit Ihrem Partner, welche Verhaltensweisen Sie beide nie, immer oder ausnahmsweise dulden.
  3. Diskutieren Sie nie vor dem Kind, was Ihnen in der Erziehung wichtig ist, wo Sie anderer Meinung als der Partner sind, wo Sie Kompromisse schließen wollen und was Sie ändern möchten.
  4. Machen Sie eine Checkliste, auf der schlechte Beispiele in der Öffentlichkeit zu sehen sind: spucken, drängeln, Müll wegwerfen, lautes telefonieren, schubsen, kein „Danke“ oder „Bitte“ … etc. Legen Sie dazu mehrere Spalten an, in denen Sie das Datum notieren können, wann Sie mit Ihrem Kind unangemessenes Verhalten anderer beobachtet und besprochen haben. Prüfen Sie jedes Quartal, ob die Dinge oft genug besprochen wurden und welches Verhalten Ihr Kind zeigt.

 
Gemeinsam sind wir stark

Bei Müllers sind heute Bekannte zu einem Dia-Abend eingeladen. Da die Eltern wissen, wie ungern die Kinder im Teenageralter dabei sind, wird das auch nicht verlangt. Im Gegenteil: Auch die Eltern freuen sich auf einen ungestörten Abend mit ihren Freunden, die sie länger nicht gesehen haben. Von den Kindern wird aber erwartet, dass sie die Gäste begrüßen. Als es soweit ist und sich das Wohnzimmer der Müllers füllt, kommen Claudia, 16 Jahre, und Timmy, 15 Jahre, kurz herein. Timmy hat die linke Hand in der Hosentasche versenkt und schüttelt mit der rechten die Hände der Gäste. Als die Eltern ihn am nächsten Tag darauf hinweisen, dass die Hände bei einem Gespräch mit Erwachsenen nicht in der Hosentasche sein dürfen, erst recht nicht bei einer Begrüßung, meint er: „Ihr seid so spießig. Das war früher vielleicht so. Das ist längst altmodisch. Heute machen das alle so. Sieht man im Fernsehen. Sogar bei den Fernsehmoderatoren, die ihr doch so toll findet. Wenn die das im Fernsehen dürfen, wieso darf ich das dann nicht?“

Gerade Rollenvorbilder für Teenager wie Filmstars oder bekannte Popmusiker geben sich in den Medien oft unverschämt und respektlos. Aber auch andere Personen der Öffentlichkeit zeigen nicht immer korrektes und höfliches Verhalten. Das macht in vielen Fällen bestimmte Erziehungsideale schwierig, da die Heranwachsenden die Idee bekommen, man könne in der Welt nur dann etwas erreichen, wenn man sich so kleidet und verhält, wie es prominente Persönlichkeiten vorleben. Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder, sie brauchen diese Vorbilder im kleinen Kreis, aber auch aus der großen weiten Welt.

Schlechtes Benehmen kommentieren

Bei allen Untersuchungen und Befragungen, die in den letzten Jahrzehnten zu diesem Thema gemacht wurden, sind die Eltern von den Heranwachsenden an erster Stelle als Vorbilder genannt. Das ist auf der einen Seite sicherlich tröstlich, dennoch entbindet es nicht von der Verantwortung, sich Gedanken um vorgelebte Werte zu machen, die weder förderlich für das eigene Kind noch förderlich für unsere Gesellschaft sind. Die junge Frau, die sich rücksichtslos in einer Schlange vordrängelt, der Mann, der Ihnen den Parkplatz vor der Nase wegschnappt – auch sie hinterlassen einen Eindruck bei Ihrem Kind.

Lassen Sie schlechtes Benehmen, mit dem Ihre Tochter oder Ihr Sohn im täglichen Leben konfrontiert ist, nicht unkommentiert. Erklären Sie Ihrem Kind, warum ein rücksichtsvoller Umgang auch mit fremden Menschen wichtig ist. Weisen Sie darauf hin, wenn andere sich vordrängeln, eine Tür vor Ihrer Nase zufallen lassen oder schubsen, erklären Sie, warum Sie das ärgerlich finden und aus welchen Gründen Sie selbst sich anders verhalten würden.

Andere Eltern – andere Sitten?

Sprechen Sie auch mit anderen Eltern, wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Kind lernt dort andere Verhaltensweisen. Im Allgemeinen ist es nicht schädlich, wenn das Kind mit unterschiedlichen Sitten konfrontiert wird. Die meisten Kinder verstehen durchaus, dass es in jeder Familie ein wenig anders zugeht. Trotzdem sollten Sie die Übersicht darüber behalten, mit welchem Verhalten Ihr Kind Kontakt hat. Wenn Ihre Tochter erzählt, bei der Familie ihrer Freundin Hilde gefalle es ihr so gut, da man sich dort zum Essen auf den Boden vor den Fernseher setzen dürfe, dann sollten Sie auf jeden Fall Hildes Eltern fragen, ob das überhaupt stimmt und ob das wirklich jeden Tag so üblich ist oder ob es eine Ausnahme war, um den beiden Mädchen eine Freude zu machen. Sollte es tatsächlich ein Dauerzustand sein, dass vor dem Fernseher am Boden gegessen wird, so können Sie den Eltern immerhin sagen, dass Sie das nicht so gut finden und dass es in Ihrer Familie nicht geduldet wird. Außerdem ist es dann wichtig, dass Hilde öfter bei Ihnen zu Gast ist als Ihre Tochter bei Hilde. Vielleicht gefällt es dem kleinen Mädchen sogar sehr gut, wie schön es bei Ihnen zu Hause zugeht und wie viel Spaß es macht, wenn zusammen gegessen wird und sich alle dabei unterhalten – auch wenn es das vielleicht in dem Augenblick nicht zugibt.

Eltern haben mehr Macht, als sie denken. Allerdings meist nur dann, wenn sie sich zusammenschließen. Eine einzelne Person, die sich bei Fernsehsendern über gezeigte Inhalte oder bei Institutionen über das Verhalten eines Repräsentanten beschwert, wird sehr oft nicht ernst genommen. Anders sieht es aus, wenn sich Vereine, Verbände oder Organisationen zu Wort melden, vor allem, wenn sie es beharrlich immer wieder und an verschiedenen Stellen tun.

Es gibt heute eine ganze Reihe von Interessengemeinschaften. Finden Sie also heraus, welche es in Ihrer Nähe gibt. Suchen Sie Kontakt und überlegen Sie, wo Sie sich einbringen möchten und wo Sie Chancen sehen, dass in Ihrem Sinne gehandelt wird. Die Vorteile dieser Interessengemeinschaften liegen auch darin, dass viele davon bundesweit vernetzt sind und damit auch die Möglichkeit haben, gemeinsame Aktionen zu starten.

  1. Praxistipps
  2. Suchen Sie im Freundeskreis und der Verwandtschaft gezielt nach Eltern, welche die gleichen Werte wie Sie vertreten.
  3. Suchen Sie Kontakt zu anderen Eltern und sprechen Sie darüber, welche Spielregeln bei Ihnen gelten, wenn andere Kinder zu Besuch kommen.
  4. Weisen Sie Ihr Kind auf schlechtes Benehmen in der Öffentlichkeit hin und erklären Sie, warum das störend ist.
  5. Schließen Sie sich Interessenverbänden an.

 
Geduld und Ausdauer

„Nimm bitte beide Hände beim Essen auf den Tisch“, sagt Frau Huber ihrer Tochter Claudia, 9 Jahre. Claudia tut es für einen Augenblick, dann wandert wieder eine Hand auf den Schoß. „Claudia, deine linke Hand muss auch auf den Tisch, selbst wenn du sie gerade nicht brauchst.“ Die Hand wird auf den Tisch gelegt, um gleich wieder zu verschwinden. So geht es während des gesamten Essens. Am nächsten Tag geht das Spiel wieder von vorne los. Über Wochen vergeht kein Tag, an dem das Thema „immer beide Hände auf dem Tisch“ nicht zur Sprache kommt. Irgendwann gibt Frau Huber auf. Sie ist fast alleine für die Erziehung der Tochter zuständig und arbeitet zudem noch halbtags. Ihr Mann ist beruflich häufig unterwegs. Wenn sie gemeinsam mit der Tochter isst und mit ihr plaudern möchte, kann sie selbst nur wenig zu sich nehmen. Zu einer richtigen Unterhaltung kommt es kaum, da sie mit den Ermahnungen beschäftigt ist, die zudem die Atmosphäre nicht verbessern.

Erziehen ist anstrengend. Das bezweifelt niemand. Geduld, Beständigkeit und viele Wiederholungen sind jedoch bei fast jeder Art von Lernen unumgänglich. Kein Musikinstrument lernt sich von selbst, keine Vokabeln einer Sprache fliegen einem zu. Alles muss geübt und wiederholt werden. Je besser jemand in einer Tätigkeit ist, desto mehr Übung steckt dahinter. Berühmte Musiker wie Anne-Sophie Mutter hätten niemals dieses Niveau erreicht, wenn sie nicht von früh an bestimmte Tonfolgen wieder und wieder gespielt hätten. Auch ein Tennisprofi wie Boris Becker hätte nie Weltruhm erlangt, wenn er nicht bereit gewesen wäre, einen bestimmten Schlag fünfzig Mal hintereinander zu üben – nur um es am nächsten und am übernächsten Tag wieder zu tun. Bei den vielen Dingen, die soziale Kompetenz ausmachen, ist es nicht anders: Das Verhalten muss vom Kind eingeübt werden, bis es ein Automatismus ist. Das Kind ist aber noch zu klein, um sich selbst für diese Art von Übung zu entscheiden. Die Eltern haben deshalb die Pflicht, dies einzufordern.

Geben Sie bei einzelnen Dingen auf, weil Sie glauben, es hätte keinen Sinn, so geben Sie Ihrem Kind das Signal, dass es sich bei einem anderen Thema durchaus lohnen könnte, ebenso widerspenstig zu sein. Es hat schließlich mit dem Thema „Hände auf den Tisch“ geklappt, dann wird es vielleicht auch beim pünktlich nach Hause kommen, dem Schuhe abstreifen, dem Zimmer aufräumen und Tausend anderen Dingen klappen.

  1. Praxistipps
  2. Zeigen Sie dem Kind, dass Sie sicher nicht aufgeben werden.
  3. Fordern Sie die Einhaltung von Regeln immer wieder ein.
  4. Diskutieren Sie die Regeln nicht mehr, wenn Sie einmal erklärt und begründet wurden.
  5. Hängen Sie sich einen Zettel an eine gut sichtbare Stelle: „Von selber geht es nicht!“

 
Rahmen, Regeln, Grenzen

Sabine Fritsche ist umgezogen. Sie sucht den Kontakt zu Nachbarn, die ebenfalls kleine Kinder haben. Umso mehr freut sie sich, als sich herausstellt, dass in der Wohnung nebenan Familie Schubert wohnt, die wie sie eine fünfjährige Tochter hat. Sie fühlt sich verstanden, als ihr die Nachbarin erzählt, wie wichtig ihr die Bedürfnisse des Kindes sind und wie sehr sie darauf achtet, die Persönlichkeit der Tochter von früh an zu fördern und dafür zu sorgen, dass sie selbstständig und selbstbewusst wird. Nach einem Besuch bei Schuberts ist Sabine Fritsche jedoch befremdet und verunsichert. Bei Schuberts gibt es keine festen Essenszeiten, die Tochter Kathrin bekommt immer dann etwas zu essen, wenn sie Hunger hat – zu jeder Tageszeit. Sie soll schließlich keine Essstörung bekommen. Deshalb wird auch kein Zwang ausgeübt, sich dazuzusetzen, wenn der Rest der Familie zusammen isst. Möchte sie dabei sein, ist es gut, will sie lieber zwischendrin aufstehen, ist es auch gut. Kathrin solle lernen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und das gemeinsame Essen nicht als Zwang empfinden. Sie habe einen starken Bewegungsdrang, erklärt Frau Schubert. Da könne man die Fünfjährige nicht zwingen, so lange still zu sitzen.

Das Leben der Erwachsenen ist eingebunden in bestimmte Grenzen und unterläuft bestimmten Regeln. Je nach Kultur, Beruf und sozialem Umfeld gibt es einen Rahmen, innerhalb dessen wir uns wohlfühlen und in dem wir uns ausleben können, ohne Sanktionen zu fürchten. Dies muss ein Kind lernen, um sich später mit genügend Selbstbewusstsein sowohl in einen Rahmen einzufügen als auch Regeln zu hinterfragen. Erlernt ein Kind diese Fähigkeit nicht, dann muss es erleben, was zurzeit vielen Jugendlichen widerfährt: Trotz hoher Intelligenz sind sie nicht fähig, sich am Arbeitsplatz ein- und unterzuordnen, eine Ausbildung zu Ende zu bringen. Oft gelingt es nicht einmal, dass sie jeden Tag pünktlich erscheinen.

Regeln bringen Stabilität und Orientierung

Je restriktiver die Eltern selbst aufgewachsen sind und je mehr sie Regeln als schmerzhaften Rahmen und als Gefängnis empfunden haben, desto mehr tendieren sie dazu, Kindern alles zu gestatten, damit deren Kindheit schöner wird als die eigene.

Regeln bieten jedoch auch Positives, sie schaffen Orientierung und Stabilität. Unsere Regeln des Alltags geben uns Hinweise, wie wir uns zum Beispiel im Straßenverkehr verhalten müssen, damit der Verkehr fließt und es keine Unfälle gibt. Wir wissen durch Regeln, dass wir im ICE die Fahrkarte auch im Zug kaufen können, in der Regionalbahn jedoch nicht. Wir verstehen, dass wir uns bei einem Umzug ummelden müssen, wann wir eine Steuererklärung abzugeben haben und was wir tun müssen, um eine Kreditkarte zu bekommen. Ohne all diese Regeln ist unser komplexes Leben in der modernen, vernetzten Welt nicht möglich. Regeln des Zusammenlebens hat es immer schon gegeben und es gibt sie auch heute in jeder Kultur: Vom im Regenwald lebenden Indianerstamm bis hin zu den Wall-Street-Brokern hat jede Gemeinschaft ihre Regeln. Interessanterweise zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass Kinder schon früh erkennen, welche Regeln allgemeingültig sind und welche sie infrage stellen können.

Wichtig zu wissen: Kindorientiertes Handeln ist wichtig, darf aber nicht damit verwechselt werden, dass jedem Bedürfnis des Kindes nachgegeben werden soll.

Lernt ein Kind nicht von klein auf, dass es Regeln gibt, denen es sich anpassen muss, Grenzen, die es nicht überschreiten darf und Rahmen, innerhalb derer es sich bewegen kann, so wird es weder fähig sein, ein funktionierendes Mitglied unserer Kultur zu sein noch sich einer anderen Kultur anzupassen. Denn vielleicht lehnt Ihr Kind, wenn es erwachsen ist, die Regeln unserer Kultur ab und möchte lieber sein Glück in einem ganz anderen Lebenskreis versuchen. Ihr Kind wird jedoch auch dort nur ein geschätztes Mitglied der Gemeinschaft werden, wenn es gelernt hat, die dort herrschenden Regeln zu erkennen und zu respektieren.

Grenzen setzen

Grenzen sind also nicht etwas Negatives, sondern haben damit zu tun, dass Erziehungsberechtigte mit Klarheit und Festigkeit aus Achtung vor dem Kind dafür sorgen, dass es Halt und Struktur findet. Die Familienministerin Ursula von der Leyen äußerte sich dazu im „Berliner Tagesspiegel“: „Ich bin überzeugt davon, dass Kinder Leitplanken brauchen, klare Regeln, damit sie erkennen können, was aus Sicht ihrer Eltern richtig oder falsch ist.“ Und ihre Vorgängerin im Amt, Renate Schmidt, betont: „Zur Erziehung gehören – wenige – feste Regeln.“

Wer eine ständige Grenzüberschreitung von Kindern ignoriert, verhindert, dass das Kind Selbstwertgefühl, Achtung und Respekt entwickeln kann. Er fördert aggressives und zerstörerisches Verhalten. Regeln zu akzeptieren und einzuhalten, auch wenn sie einem selbst nicht gefallen, ist eine wichtige psychische Fähigkeit. Nur so sind Menschen in der Lage, genügend Frustrationstoleranz zu entwickeln und Notwendigkeiten zu erkennen, um sich beispielsweise im Berufsleben zurechtzufinden.

Beispiele für konkrete Regeln, wie Umgangsformen in der Familie eingehalten werden:

  1. Praxistipps
  2. Hinterfragen Sie kritisch Ihre eigene Einstellung zu Regeln und Grenzen. Denken Sie dabei an positive und negative Erfahrungen in Ihrer Kindheit.
  3. Seien Sie sich immer dessen bewusst, dass das Einhalten von Regeln und das Erkennen von Grenzen zu den grundlegenden Fähigkeiten jedes Menschen gehören, der sich selbstbewusst und erfolgreich durch das Leben bewegt.
  4. Prüfen Sie genau, wie klar und eindeutig Regeln sind. Weiß das Kind immer, was es tun darf oder nicht? Wie sehr unterscheiden sich Situationen, sodass ein bestimmtes Verhalten manchmal falsch und manchmal richtig ist? Hat Ihr Kind schon die Fähigkeit, diese Situationen zu unterscheiden?
  5. Versteht Ihr Kind die Regeln und versteht es auch, warum sie da sind und welche Konsequenzen ein Verstoß hat?
  6. Vergessen Sie nie, dass das Hinterfragen von Regeln und das Austesten, wie groß ein Rahmen ist, zu wichtigen Fähigkeiten einer kritischen Persönlichkeit und damit zum Prozess des Erwachsenwerdens gehört.
  7. Passen Sie Ihre Regeln dem Entwicklungszustand der Heranwachsenden an. Legen Sie dazu für jedes Ihrer Kinder eine Liste an, auf der Sie die Regeln notieren, die jetzt für das Kind gelten. Prüfen Sie mindestens einmal jährlich zum Geburtstag des Kindes, ob diese Regeln noch aktuell sind, ob sie geändert oder gestrichen werden müssen und ob neue Regeln dazugekommen sind, die noch nicht festgehalten wurden. Machen Sie am Geburtstag ein Ritual daraus, dass nun einige Regeln wegfallen und vielleicht andere dazukommen.
  8. Schaffen Sie bewusst Ausnahmen, weil es schön ist, nicht weil Sie müde oder frustriert sind.
  9. Sprechen Sie klare Worte: „Wenn du mit deinen Freunden alleine bist, dann kannst du das gerne machen. Bei uns zu Hause nicht.“
  10. Erklären Sie Regeln, aber lassen Sie sich nicht auf endlose Diskussionen ein. Sie wollen Ihr Kind auf das Leben vorbereiten. Über Sinn oder Unsinn von roten Ampeln diskutieren Sie ja auch nicht.
  11. Halten Sie Ihre Regeln schriftlich fest, damit Sie sich konkret darauf beziehen können.

 

Übung
Legen Sie für sich eine Art Erinnerungstagebuch an, in dem Sie vermerken, welchen Regeln und Grenzen Sie selbst als Kind begegnet sind. Versehen Sie diese Erinnerungen mit einem „Plus“ oder einem „Minus“, je nachdem ob Sie diese Regeln als akzeptabel oder schmerzhaft empfanden. Prüfen Sie mehrmals jährlich, ob Sie unbewusst eine Ablehnung von Regeln auf Ihr Kind übertragen und ihm somit die nötige Stütze entzogen haben.

Spiel
Wenn Sie mit Ihrem Kind ein Buch anschauen oder ihm eine Geschichte vorlesen, dann können Sie auch immer wieder darüber sprechen, welche Regeln in welcher Gemeinschaft herrschen: beim Fußball, in einer anderen Kultur, im Altertum, in einer Fantasiewelt der Märchen.

Konsequenzen

Familie Kleinhaus hat immer wieder Schwierigkeiten mit dem Sohn Klaus, 10 Jahre. Er schafft es einfach nie, pünktlich zum Essen zu kommen. Mittags trödelt er nach der Schule immer so herum, dass sein Vater, der zur Nachmittagsschicht muss, ständig in Zeitnot gerät, da der Sohn nicht zur verabredeten Zeit kommt. Jedoch ist es ihm wichtig, gemeinsam eine warme Mahlzeit einzunehmen. Abends ist es oft genauso: Beim Spielen mit Freunden „vergisst“ Klaus die Zeit und lässt dann seine Mutter mit dem Abendbrot warten. Oft hat es Diskussionen über die Mühe mit dem Essen gegeben, weil es bei zu langem Stehen auf dem Herd verdirbt. Auch die Zeitprobleme der Eltern und deren Wunsch nach gemeinsamer Mahlzeit wurden vielfach besprochen. Trotzdem spielt sich jeden Tag das Gleiche ab: Ein Elternteil wartet zunehmend genervt, der Sohn kommt zu spät. Dann wird geschimpft, das Essen hastig auf den Tisch gebracht und eilig gemeinsam gegessen.

Warum benehmen sich Kinder schlecht, obwohl sie genau wissen, dass es falsch ist, was sie tun? Diese Frage treibt viele Eltern zur Verzweiflung und lässt sie enttäuscht vom eigenen Sprössling sein. Dazu besteht aber kein Grund. Es ist normal, dass ein Kind die Regeln missachtet, die ihm beigebracht wurden. Es gehört zum Prozess des Erwachsenwerdens.

Es gibt eine Reihe von Gründen, die dazu führen können:

Neugier: Das Kind ist neugierig und will einfach ausprobieren, was passiert, wenn es die Regel nicht einhält. Vielleicht macht das ja mehr Spaß oder es passiert etwas Interessantes.

Neugier und Ausprobieren sind zutiefst menschliche Eigenschaften. Wäre unsere Gattung nicht damit ausgestattet, dann würden wir immer noch glauben, dass die Erde eine Scheibe ist.

Austesten: Das Kind möchte wissen, wie weit es Regeln dehnen kann, ob sie immer und in jeder Situation gelten. Es will auch erproben, wie Sie als Eltern damit umgehen, wenn es sich nicht an Abmachungen hält.

Zu wenig Grenzen: Oft haben Kinder zu viel Entscheidungsfreiheit und sind es nicht gewohnt, sich anzupassen und Regeln einzuhalten. Schlechtes Benehmen ist dann oft eine Art Hilferuf und die Suche nach den dringend benötigten Strukturen und Rahmen, die dem Kind das Leben erleichtern.

Müdigkeit: Ihr Kind ist überanstrengt, müde oder krank und hat keine Energie, sich auf erlernte Verhaltensweisen zu konzentrieren, sondern handelt nur lustbetont.

Stress und Druck: Es ist von seiner Gesamtsituation überfordert und schafft es einfach nicht, den vielen Anforderungen gerecht zu werden. Einem Kind ist es nicht möglich, dies klar zu erkennen und zu formulieren. Es ist Aufgabe der Eltern, kritisch zu hinterfragen, ob es vielleicht zu viele Termine im Leben des Kindes gibt und es deshalb versucht, sich Freiräume zu verschaffen und aus diesem Grund zum Beispiel immer zu spät kommt.

Aufmerksamkeit erregen: Es gibt eigentlich ganz andere Probleme, die das Kind aus verschiedenen Gründen nicht sagen will oder kann. So versucht es unbewusst, durch sein Benehmen die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen.

Wenn Sie ausgeschlossen haben, dass Ihr Kind aus den letzten drei genannten Gründen ständig ein eingefordertes Verhalten verweigert, dann zeigen Sie ihm die Konsequenzen seines Tuns. Werden für das Kind keine Konsequenzen sichtbar, so hat es zu Recht das Gefühl, dass die Macht der Familie in seinen Händen liegt. Schließlich dominiert es mit seinem Verhalten, zwingt die Eltern, ständig zu reagieren oder auch eigene Pläne umzustoßen.

Mit Konsequenzen ist nicht gemeint:

 
Konsequenzen zeigen heißt einfach, dass das Kind klar erkennen soll, was im Leben passiert, wenn es bestimmte Regeln nicht einhält. Im oben aufgeführten Beispiel der ständigen Verspätungen von Klaus könnte das zum Beispiel bedeuten, dass das jeweilige Elternteil zur festgelegten Zeit schon alleine isst und Klaus dann ebenfalls alleine sein lauwarmes Essen bekommt. Davon sind sicherlich keine gesundheitlichen Schäden zu erwarten. Er spürt aber, dass etwas passiert, wenn er zu spät kommt, und dass er nicht alles machen kann, was ihm gefällt. Er muss damit rechnen, dass ihm die Folgen aus seinem Verhalten selbst nicht passen. Konsequenzen zu zeigen bedeutet auch, dass Sie Sicherheit ausstrahlen. Sie stehen für die Dinge ein, die Sie sagen, Sie wissen, was zu tun ist. Für das Kind bedeutet das auch ganz klar: Auf Sie ist Verlass.

Weitere Möglichkeiten für logische Konsequenzen sind:

Verhalten des Kindes Logische Konsequenz
Das Kind räumt trotz mehrfacher Hinweise seine Spielsachen nicht vom Esstisch. Die Spielsachen werden von den Eltern weggeräumt und für eine Woche verwahrt. Erst dann darf das Kind wieder damit spielen.
Das Kind hampelt bei Tisch immer herum und verschüttet dadurch etwas. Es muss aufstehen, einen Lappen holen und selbst sauber machen.
Das Kind verhält sich beim Essen unappetitlich. Es wird mit seinem Essen hinausgeschickt und muss alleine essen.

 
Auch wenn es für Sie als Eltern im ersten Moment hart erscheint: Konsequenzen zu zeigen, ist sehr wichtig für die Entwicklung des Kindes. Nur dann kann ein heranwachsender Mensch lernen, dass er in einer Gesellschaft nicht ausschließlich nach seinen eigenen Bedürfnissen und Neigungen leben kann. Lernt er es nicht als Kind zu Hause, wird er schon in der Schule große Probleme haben und sich unter Umständen sehr wundern, dass ihm bei der Lehrstelle seines Traumberufs schon nach einer Woche gekündigt wird, weil er bereits am vierten Arbeitstag zehn Minuten zu spät kam.

Diese drei Bedingungen müssen bei logischen Konsequenzen erfüllt sein, damit Ihre Bemühungen Früchte tragen:

  1. Die Konsequenz muss sofort erfolgen.
  2. Sie muss jedes Mal zu spüren sein.
  3. Sie darf weder zu heftig noch zu schwach, sondern muss angemessen sein.

 
Ihr Kind muss sowohl die Regeln kennen, die deutlich, klar und nachvollziehbar sein müssen, als auch die Konsequenzen, die es zu erwarten hat, wenn es die Regeln nicht einhält. Haben Sie als Eltern so für einen Rahmen gesorgt, können Sie das Kind bei einem Brechen der aufgestellten Regel fragen: „Wie heißt die Regel?“ Viele Kinder antworten dann nicht oder nuscheln etwas vor sich hin. Hier sind wieder Geduld und Ausdauer gefragt. Fragen Sie genau drei Mal nach. Antwortet das Kind nicht, so sagen Sie selbst: „Wir setzen uns alle aufrecht an den Tisch.“ Wenn das Kind sich dann nicht ordentlich hinsetzt, können Sie weiterfragen: „Und was passiert jetzt?“ Auch hier können Sie drei Mal fragen. Es ist anstrengend, aber Sie helfen damit dem Kind, sich darüber im Klaren zu sein, dass es bei Nichteinhalten Konsequenzen spüren wird. Sagen Sie also, wenn keine Antwort kommt, selbst: „Dann musst du wieder alleine essen.“ Im dritten und letzten Schritt fragen Sie das Kind, wieder maximal drei Mal: „Möchtest du dich lieber ordentlich hinsetzen oder alleine essen?“ Wichtig ist es, Konsequenzen nicht nur als etwas Unangenehmes zu vermitteln. In vielen Fällen funktioniert es auch sehr gut, angenehme Konsequenzen für eine wünschenswerte Handlung aufzuzeigen. Auch hier sollten die Konsequenzen in einem direkten und logischen Zusammenhang zur Situation stehen.

Beispiele:

Kind Reaktion der Eltern
„Ich will aber keinen Dankesbrief an Oma schreiben.“ „Wenn du damit fertig bist, dann können wir draußen zusammen Fußball spielen.“
„Ich hab aber keine Lust, die Legosteine aufzuräumen.“ „Wenn du alle wieder schön eingesammelt hast, dann kannst du gerne etwas anderes zum Spielen ins Wohnzimmer bringen.“
„Warum muss immer ich die Teller in die Küche bringen?“ „Wenn der Tisch wieder frei ist, dann können wir zusammen deine Laterne basteln.“

 
Sorgen Sie gerade bei kleineren Kindern dafür, dass es auch ein Belohnungssystem gibt, das sichtbar und greifbar ist. Gerade bei Verhalten, das über einer längeren Zeitraum Schwierigkeiten geboten hat, ist es ein guter Anreiz, sich anzustrengen. Manche Eltern hängen zum Beispiel an einer gut sichtbaren Stelle für jedes Kind der Familie eine Kette mit Holzperlen auf. Jedes Mal, wenn die Problemsituation gut bewältigt wurde, wird eine Holzperle auf die Kette gefädelt. Bei fünf, zehn oder 20 Holzperlen gibt es dann eine vorher fest vereinbarte Belohnung. Je kleiner die Kinder sind, desto weniger Holzperlen sollten zu einer Belohnung führen. Dinge, die zu weit in der Zukunft liegen, sind noch zu abstrakt für sie. Bei Teenagern können es durchaus 50 oder 100 Perlen sein, die dann zu einer größeren Belohnung führen. Das funktioniert nur, wenn die Belohnung dem Kind auch gefällt und es sich etwas wirklich wünscht.

In anderen Familien ist ein Belohnungsplan üblich, der ebenfalls für alle gut sichtbar in der Wohnung hängt.

Beispiel:

  Mo Di Mi Do Fr Sa So
Ganz alleine die Hände vor dem Essen waschen.              
Ohne Aufforderung den Tisch decken.              
Die Spielsachen vor dem Abendessen aufräumen.              
Freundlich miteinander reden.              
„Bitte“ sagen, wenn ich etwas möchte.              
Appetitlich essen.              

 

  1. Praxistipps
  2. Zeigen Sie dem Kind, dass Regelübertretung im Leben Konsequenzen birgt, die direkt aus seiner Handlungsweise stammen.
  3. Prüfen Sie kritisch, warum Ihr Kind permanent eine ganz bestimmte Regel nicht einhält.
  4. Geben Sie sich nicht der Illusion hin, es werde sich schon von selbst wieder einrenken.
  5. Schaffen Sie positive Konsequenzen als Anreiz.
  6. Überlegen Sie in aller Ruhe und außerhalb von kritischen Situationen, welche Dinge Ihr Kind immer wieder missachtet und welche Konsequenzen Sie dafür in Zukunft schaffen wollen.

 
Beispiel:

Verhalten des Kindes Negative Konsequenz Positive Konsequenz Wo 1 Wo 2 Wo 3 Wo 4
             
             
             
             

 
In den vier schmalen Spalten können Sie über vier Wochen lang eintragen, wie oft die Situation pro Woche aufgetreten ist. So haben Sie eine direkte Kontrolle darüber, ob sich etwas ändert oder nicht. Sollte der Stand nach vier Wochen gleich geblieben sein, dann können Sie über andere Konsequenzen oder eine neue Strategie nachdenken.

Rituale des Alltags

Karin staunt, als sie ihre Freundin Sabine, die sie aus der Grundschule kennt, das erste Mal besucht. Als ein Gongschlag ertönt, lässt die Freundin die Spielsachen fallen und zieht den Gast ins Badezimmer, um sich dort gemeinsam mit ihr die Hände zu waschen. Sabine geht dann in die Küche und holt zwei Untersetzer, die sie im Esszimmer auf den Tisch legt. „Das ist meine Aufgabe“, erklärt sie Karin. „Mein Bruder muss immer Besteck und Geschirr holen.“ Als die Kinder sich setzen, stellt Karin fest, dass jeder in der Familie einen eigenen Serviettenring mit seinem Namen darauf hat. Als alle sitzen, wird eine Kerze angezündet. Dann erklärt der Vater, was es heute zu essen gibt. Jedem wird der Reihe nach etwas auf den Teller gelegt. „Bitte fangt an“, sagt Sabines Mutter. Karin schämt sich ein wenig, als sie feststellt, dass sie die Einzige ist, die in diesem Augenblick schon die Gabel in der Hand hatte. Beim Essen darf jeder der Reihe nach erzählen, was tagsüber so passiert ist. Karin ist als Gast zuerst dran, dann kommt Sabine, anschließend ihr Bruder und zum Schluss die Eltern. Als alle mit dem Essen fertig sind, wird besprochen, welche Wünsche es für das Essen am nächsten Tag gibt. In der Küche hängt eine Liste, wer an welchen Tagen mit dem Abräumen des Geschirrs dran ist. Bei Karin zu Hause holt sich jeder immer dann etwas aus der Küche, wenn er Hunger hat, und isst es dort, wo er gerade mag.

Vorbei sind die Zeiten, als Rituale sinnentleert und starr in Familie und Öffentlichkeit praktiziert wurden. Nach Jahren einer starken Ritualkritik hat sich nun wieder das Bewusstsein durchgesetzt, dass die vielen kleinen Rituale des Alltags wichtig für soziales Lernen sind. Rituale stiften im Alltag Sinn, stärken die Gemeinschaft und den Zusammenhalt, sie vermitteln Orientierung und Halt. Sie geben nicht nur jedem Tag, sondern auch dem Jahr und bestimmten Lebensabschnitten Rhythmus und Struktur.

Durch feste Abläufe in Ihrer Familie geben Sie Ihren Kindern das, was sie brauchen: Orientierung und Struktur. Sind die Hilfeleistungen der Kleinen in bestimmte, immer wiederkehrende Abfolgen eingebunden, schaffen Sie mit der Zeit einen Automatismus. Dadurch lernt das Kind, was von ihm erwartet wird, und es kann selbstständig seine Aufgaben erledigen.

images/602-1_001-216_screen43-00.jpg

Feste Bestandteile von gemeinsamen Mahlzeiten, dem sonntäglichen Frühstück oder Feiern im Jahresrhythmus schaffen bleibende Erinnerungen, die später zu sehr schönen Erinnerungen werden: wie Sie immer im Sommer auf dem Rasen gepicknickt haben, wer immer den Christbaum auf welche Weise schmückte und wie schön der Tisch immer mit den alten Kerzenleuchtern aussah.

  1. Praxistipps
  2. Geben Sie dem Alltag Ihrer Kinder, vor allem bei den Mahlzeiten, sinnvolle Rituale, die den Tag und die Gemeinsamkeit schöner machen.
  3. Binden Sie wünschenswerte Verhaltensweisen wie Hilfeleistungen, Ordnung oder Pünktlichkeit in Rituale ein und erleichtern Sie sich und Ihren Kindern damit die Gewöhnung und Umsetzung.
  4. Sorgen Sie für Routineabläufe.
  5. Helfen Sie den Kindern, die schon lesen können, indem Sie einen Zettel mit den Routineaufgaben oder festen Uhrzeiten in die Kinderzimmer hängen.

 
„Das tut man nicht“

Sebastian, sieben Jahre, sitzt mit seinem Vater am Tisch. Der kleine Junge musste aufstoßen und hat nun großes Vergnügen daran, es erneut und mit Absicht immer wieder zu tun. „Hör auf damit“, sagt sein Vater genervt. „Warum denn?“ „So was tut man einfach nicht“.

Fast alle Eltern kennen die Phasen, in denen ein Kind bei allem „warum“ fragt. Das kann ganz schön anstrengend sein. Wenig hilfreich ist, sich dann in eine Verteidigungshaltung zu begeben oder das Kind mit einem „Das tut man nicht“ abzuspeisen. Gerade bei den Umgangsformen ist es wichtig, dem Kind zu erklären, aus welchen Gründen es ein bestimmtes Verhalten unterlassen und ein anderes unbedingt zeigen soll. Ihr Kind muss lernen, wodurch es andere Menschen verletzen oder verärgern kann, wann es rücksichtslos ist und wie es einer anderen Person den Appetit verdirbt. Es muss verstehen, dass es durch sein Verhalten andere stören, enttäuschen oder erfreuen kann und dass es durch sein Benehmen dafür sorgt, ob es beliebt oder unbeliebt ist. Erklären Sie also Ihrem Kind, dass ein lautes Aufstoßen bei Babys deshalb begrüßt wird, weil es für die Eltern ein wichtiges Signal ist. Sobald aber ein Kind mit anderen am Tisch sitzt, muss es sich so verhalten, dass es die anderen Esser nicht stört und ihnen den Appetit nicht verdirbt.

Zeigt Ihr Sohn oder Ihre Tochter ärgerliches Benehmen, so untersagen Sie dieses nie mit dem Hinweis „weil man das nicht tut“, sondern erklären Sie:

 
Nur so können Sie dafür sorgen, dass Ihr Kind Ihre Regeln langfristig als Hilfen des Zusammenlebens akzeptiert. Durch ein beständiges Spiegeln der Verhaltensweisen und den Hinweis, wie andere Menschen empfinden, kann Ihr Kind Rücksicht und Einfühlungsvermögen entwickeln – auch wenn es in eine Situation gerät, für die es keine festen Regeln gibt. Nur wenn Kinder verstehen, wie es sich für andere anfühlt, wenn Regeln des Umgangs verletzt werden, können sie Einfühlungsvermögen entwickeln.

  1. Praxistipps
  2. Erklären Sie Ihrem Kind immer wieder, dass auch andere Menschen Gefühle haben und wie sich eigenes Verhalten auf andere Menschen auswirkt.
  3. Sprechen Sie in der „Ich-Form“ darüber, warum Sie bestimmtes Verhalten nicht wünschen, und vermeiden Sie „das tut man nicht“.
  4. Vergessen Sie nicht, dass es beim Erlernen von Umgangsformen nicht darum geht, einfach nur Regeln zu beherrschen, sondern dass diese Ihr Kind dazu zu befähigen, dass es ein umsichtiger und rücksichtsvoller Mensch wird, der die Gefühle anderer einschätzen kann und von ihnen geachtet wird.
  5. Passen Sie Ihre Erklärungen dem Alter des Kindes an. Ein Kleinkind versteht nicht, warum es sich die Hände waschen soll. Ein Grundschulkind kann nichts mit dem Spruch anfangen, dass es fürs Leben lernt, nicht für die Schule.

 
Kinder liebevoll korrigieren

Familie Schöller besucht Tante Gerda. Schöllers ist gutes Benehmen sehr wichtig, deshalb werden die Kinder vor dem Besuch instruiert. Vor allem der kleinere der beiden Jungen wird ermahnt: „Blamier uns bloß nicht wieder wie beim letzten Mal. Nimm dir bitte ein Beispiel an deinem Bruder, der benimmt sich wenigstens ordentlich.“ Als die Familie bei Tante Gerda ankommt, heißt es ständig: „Sei lieb …“, „sei brav …“. Auch der Hinweis „Wie heißt das Zauberwort?“ kommt des Öfteren.

Vergleiche mit anderen Kindern fördern nur Trotzreaktionen. Beziehen Sie Ihre Kritik deshalb immer auf das, was Ihr Kind macht, ohne eine dritte Instanz ins Spiel zu bringen. Permanentes Herummeckern am Kind führt nur dazu, dass es lernt, auf Durchzug zu schalten. Sie erreichen eher das Gegenteil von dem, was Sie sich gewünscht haben. Zudem erzeugen ständige Ermahnungen beim Dauerkritisierten Verunsicherung.

Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Ermahnungen nicht gebetsmühlenartig vor sich hinmurmeln, sondern klar und deutlich formulieren, was Sie stört und was genau Sie nun erwarten. Setzen Sie dabei auch eine klare Körpersprache ein: Blicken Sie das Kind fest an, ändern Sie Ihre Stimmlage und achten Sie darauf, dass Ihr Körper Festigkeit zeigt.

Sprechen Sie mit dem Kind vor einer Situation darüber, was Sie erwarten. Erklären Sie, was genau bei einem bestimmten Verhalten des Kindes für andere unangenehm sein kann. Stellen Sie klare Regeln auf.

Zeigen Sie Ihren Kindern auch, dass es sich lohnt, die Hinweise der Eltern zu respektieren. Loben Sie immer, wenn alles gut geklappt hat. Geben Sie dem Kind damit die Chance, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Fördern Sie somit seine Motivation.

images/602-1_001-216_screen48-00.jpg

So bitte nicht:

 
Wichtig ist es, korrigierende Äußerungen klar auszusprechen. Es ist schon für Erwachsene oft schwierig, einen als Kritik empfundenen Kommentar als präzise Handlungsaufforderung einzuordnen. Für Kinder ist es noch schwieriger.

Beispiele:

Unklare Aufforderung Klare Aufforderung
„Was ist das denn für ein Chaos?“ „Räum bitte deine Spielsachen aus dem Wohnzimmer weg.“
„Deine Hose ist schmutzig.“ „Zieh dir bitte sofort eine saubere Hose an.“
„Die Messer fehlen ja auf dem Tisch.“ „Bitte decke noch für jeden von uns ein Messer ein.“

 
Viele Eltern haben nur das störende Verhalten des Kindes im Kopf, wenn sie eine Änderung erzielen wollen. Problematisch ist dabei, dass die meisten Menschen nur wenig auf negative Formulierungen ansprechen. Bei einem Satz, der in die Richtung von „mache dies oder jenes
nicht “ geht, ist das Unterbewusstsein auf genau den Punkt orientiert, der eigentlich vermieden werden soll.

Trainieren Sie sich deshalb an, Ihre Aufforderungen positiv auszudrücken.

Beispiele:

Negative Formulierung Positive Formulierung
„Lass doch nicht immer alles hinter dir stehen und liegen.“ „Hebe bitte deine Spielsachen alle vom Boden auf. Ich möchte, dass du alles wieder mitnimmst, wenn du mit dem Spielen fertig bist.“
„Komm nicht wieder zu spät.“ „Wir essen heute um 18.00 Uhr. Ich erwarte von dir, dass du pünktlich kommst.“
„Klecker doch nicht so rum.“ „Iss bitte deine Suppe ordentlich, damit dein Platz nach dem Essen noch appetitlich aussieht.“

 

  1. Praxistipps
  2. Kritisieren Sie immer das Verhalten, nicht die Person.
  3. Ermahnen Sie möglichst nicht vor anderen Personen und vermeiden Sie, Ihre Kinder zu demütigen.
  4. Setzen Sie Stimme und Körpersprache ein, um Ihrer Kritik Nachdruck zu verleihen.
  5. Vergessen Sie nicht, Ihr Kind zu loben, wenn es Abmachungen und Regeln einhält.
  6. Vermeiden Sie endgültige Formulierungen wie „nie wieder“.
  7. Prüfen Sie kritisch: Wann bekommt Ihr Kind mehr Aufmerksamkeit von Ihnen – wenn es erwünschtes oder wenn es unerwünschtes Verhalten zeigt?
  8. Formulieren Sie klar und positiv, was Sie sich wünschen.

 

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869109039
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2010 (Dezember)
Schlagworte
Benimm Eltern Erziehung Essen Grüßen Gutes Benehmen Jungen Kinder Kinder erziehen Kinder-Knigge Knigge Mädchen Manieren Regeln Tischmanieren Trinken Umgangsformen Werte

Autor

  • Nandine Meyden (Autor:in)

Die Autorin Nandine Meyden gibt seit 15 Jahren Benimm-Kurse für Groß und Klein. Die Fernseh-Zuschauer kennen die Etikette-Trainerin und Buchautorin aus der TV-Sendung „Vorsicht Fettnäpfchen“. Um möglichst viele praktische Tipps im Buch zu vereinen, hat sie für diesen Ratgeber eng mit jungen Eltern zusammengearbeitet.
Zurück

Titel: Jedes Kind kann sich benehmen