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Warum sich der Löffel biegt und die Madonna weint

Übersinnliche Phänomene und ihre irdischen Erklärungen

von Ingo Kugenbuch (Autor:in)
168 Seiten

Zusammenfassung

Verbogene Löffel, Rutengänger, Kornkreise, der Bibel-Code, die weinende Madonna oder Feng-Shui: Ist das alles Hokuspokus, oder haben wir es tatsächlich mit Übersinnlichem zu tun? Ingo Kugenbuch geht den populärsten Phänomenen auf den Grund und fördert Erstaunliches zutage.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Ingo Kugenbuch

Warum sich der Löffel biegt und die Madonna weint

Übersinnliche Phänomene und ihre irdischen Erklärungen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86910-907-7

ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-89994-207-1

Der Autor: Der Journalist und Buchautor Ingo Kugenbuch beschäftigt sich seit seinem Physik-Studium mit der Erforschung übersinnlicher Phänomene. Er ist Mitglied der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften.

© 2009 humboldt.
Ein Imprint der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

Lektorat: Ralph Henry Fischer, Köln
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Coverfoto: istock

 
Inhalt

 
Vorwort

Die Welt ist voller Wunder. Fern im Kosmos existieren Schwarze Löcher, so mächtig, dass sie sogar das Licht in sich hineinsaugen. Neutronensterne sind ähnlich exotische Gebilde: Sie entstehen, wenn ein Stern kollabiert, sind bis zu dreimal so schwer wie unsere Sonne, haben aber nur einen Durchmesser von rund 20 Kilometern. Ein eiswürfelgroßes Stück aus ihrem Zentrum wiegt etwa zehn Milliarden Tonnen.

Auf der anderen Seite gibt es die kleinsten Teilchen, Neutrinos zum Beispiel, die dadurch entstehen, dass die Sonne Wärme erzeugt. Sie sind so winzig, dass man bis heute nicht weiß, ob sie überhaupt eine Masse haben, genauer gesagt: eine Ruhemasse. Denn wenn sie sich bewegen, werden sie – wie jedes Teilchen – schwerer. Jede Sekunde sausen 70 Milliarden Sonnenneutrinos pro Quadratzentimeter durch unseren Körper hindurch. Die Winzlinge lassen sich kaum einfangen: Um nur jedes zweite von ihnen zu erwischen, bräuchte man eine Bleiwand, die 10 Billionen Kilometer dick ist. Das entspräche der 63000fachen Strecke von der Erde zur Sonne.

Die Welt ist voller Wunder. Ein Aal hat eine so gute Nase, dass er Rosenöl noch riechen könnte, wenn ein Tropfen davon mit der Wassermenge des ganzen Bodensees verdünnt würde. Eulen hören eine Maus aus 60 Metern Entfernung; und weil sie lautlos fliegen können, hört umgekehrt die Maus ihren Tod nicht herannahen. Haie haben einen eingebauten Metall- und Spannungsdetektor – die so genannten Lorenzinischen Ampullen. Mit ihnen können sie kleinste elektrische Felder von Lebewesen wahrnehmen und sogar im Sand eingegrabene Beutetiere aufspüren. Verschiedene nordamerikanische Froscharten können gefroren im Eis überwintern. Nach dem Auftauen leben sie weiter, als wäre nichts geschehen.

Die Welt ist voller Wunder: weiße Nächte und Polarlichter im Norden, Pyramiden, Elefanten- und Gnuherden im Süden, die Chinesische Mauer und das Great Barrier Reef im Osten, der Grand Canyon und die Wolkenkratzer Manhattans im Westen.

Reicht das nicht? „Genügt es nicht zu sehen, dass ein Garten schön ist, ohne dass man auch noch glauben müsste, dass Elfen darin wohnen?“, fragte Douglas Adams, der Autor von „Per Anhalter durch die Galaxis“.

Nein, offenbar brauchen viele von uns noch mehr Wunder. Sie brauchen Pendel, die ihnen sagen, welche Krankheit sie haben. Sie brauchen kleine Madonnenfiguren, die Tränen vergießen. Sie brauchen Zauberer, die allein durch ihren Willen Löffel verbiegen und defekte Uhren zum Laufen bringen. Sie brauchen Außerirdische, versteckte Botschaften in der Bibel und Erdstrahlen aufstöbernde Wünschelruten.

Aber woher kommt dieses Bedürfnis? Vielleicht daher, dass es einfacher ist, an solch kleine Wunder zu glauben als daran, dass die Welt, die Zeit und der Raum einst in einem Urknall aus dem Nichts heraus entstanden. Oder ist es für wundergläubige Menschen nur schlicht zu mühsam, sich durch schwierige physikalische Formeln zu wühlen, komplizierte biologische Gesetzmäßigkeiten zu begreifen oder komplexe chemische Reaktionen nachzuvollziehen, um unsere Welt zu verstehen? Dagegen erscheint das Wunderbare auf den ersten Blick oft auch wunderbar verständlich.

Zum Beispiel die Rutengänger: Sie erklären diverse körperliche Gebrechen damit, dass in unterirdischen Wasseradern Bäche an Felswänden reiben. Dadurch entstehe eine Strahlung, die durch den Boden und die Häuserwände dringe und in Kinderzimmern und Ehebetten die Menschen um ihren Schlaf bringe. Die Lösung des Problems ist natürlich ebenso klar: Einfach das Bett verrücken oder – wenn das nicht möglich ist – eine Abschirmmatratze hineinpacken. Was macht es da schon, wenn Spielverderber darauf hinweisen, dass es unterirdische Wasseradern kaum gibt und die erwähnte Erdstrahlung keinen physikalischen Gesetzen folgt? Denn eine Strahlung, die stets senkrecht nach oben wirkt und dazu noch in immer gleicher Stärke (egal wie weit sie von ihrer Quelle entfernt ist), existiert nicht.

Würde es die Rutengänger mit ihren einfachen Erklärungen nicht geben, müssten die Menschen allerdings genauer erkunden, warum sie tatsächlich schlecht schlafen. Ist es der Stress bei der Arbeit, der sie auch in der Nacht quält? Ist es das späte, zu reichliche und zu fette Abendessen, das den Magen beschäftigt? Schlafen sie schlecht, weil sie den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und sich nicht bewegen? Ist es der Kredit für Haus und Auto, der auf die Seele drückt? Kurzum: Wer nach den wahren Gründen für seine Schlafstörungen sucht, muss mehr tun, als sein Bett aus der Reichweite des vom Rutengänger auf dem Schlafzimmerboden markierten Strahlungsareals zu schaffen. Der muss vielleicht sein Leben verändern. Auch wer sich die Zukunft aus der Hand lesen lässt, verzichtet darauf, sich mit eigenen realen Unzulänglichkeiten und Fehlern zu befassen, um sein Leben stattdessen in die Hand eines nicht abwendbaren Schicksals zu legen. Warum nachgrübeln und forschen, wenn man ja doch nichts ändern kann?

„Menschen, die von ihrer persönlichen Verblüffung über ein Naturphänomen den Sprung zur eiligen Beschwörung des Übernatürlichen vollziehen, sind nicht besser als jene Dummköpfe, die einem Zauberkünstler beim Verbiegen eines Löffels zusehen und dann zu der Schlussfolgerung gelangen, dies sei ‚paranormal‘“, schreibt der britische Wissenschaftler Richard Dawkins in seinem Bestseller „Der Gotteswahn“. Skeptiker glauben nicht an Wunder aus der Kategorie „weinende Madonna“ oder „von Außerirdischen gezauberte Kornkreise“. Sie besitzen die Vermessenheit, nach den rationalen Ursachen für einen Vorgang oder ein Phänomen zu fragen. Denn die meisten Dinge auf dieser Welt lassen sich durchaus mit den Werkzeugen der Naturwissenschaft erkennen und erklären. Und wo diese Werkzeuge einmal nicht ausreichen, muss noch keineswegs ein übernatürliches Phänomen vorliegen.

Doch die Skeptiker haben ein Problem: Während es relativ leicht ist, zu zeigen, dass es die Gravitationskraft oder die elektromagnetische Wechselwirkung gibt, ist der Nachweis, dass das Krümel-Monster nicht existiert, ziemlich schwer zu führen. Das Krümel-Monster bleibt ebenso ungreifbar wie das Qi, jene universelle Lebensenergie aus dem Fernen Osten, die sich in vermeintlichen Wunderwissenschaften wie Feng Shui, Qi-Gong oder Reiki niederschlägt. Qi und seine zahlreichen Geschwister müssen für vieles als Ursache herhalten. Nur: Niemand konnte bisher zeigen, dass es diese Lebensenergie tatsächlich gibt. Es existiert weder ein Messgerät noch eine Maßeinheit für Qi.

Aber was ist eigentlich schlimm daran, wenn jemand trotzdem daran glaubt – insbesondere dann, wenn es ihm hilft? Dieser Einwand ist ein Killerargument. Denn natürlich kann der Glaube an Qi, an Erdstrahlen oder die Reinkarnation Krankheiten heilen – so wie jedes Placebo und jeder Glaube. Umgekehrt kann es aber tödlich enden, wenn etwa ein solcher Glaube einen Kranken dazu veranlasst, eine wirkungsvolle medizinische Therapie abzulehnen.

Dazu nur ein Beispiel: Ryke Geerd Hamer hat die so genannte „Neue Germanische Medizin“ erfunden. Nach seiner Ansicht entstehen alle Krankheiten – auch Krebs – durch einen „biologischen Konflikt, ein hochdramatisches Schockerlebnis“. Die Heilung soll ganz ohne Skalpell, Chemotherapie und Bestrahlung geschehen, einfach durch die Verarbeitung des Konflikts. Wie die Krebszellen dabei verschwinden? Laut Hamer so: „Wenn der Konflikt gelöst ist, sind die zusätzlich entstandenen Zellen [also der Krebs] sinnlos geworden und werden in der Heilungsphase mit Hilfe der zuständigen Mikroben (Mykobakterien = Tbc-Pilz-Bakterien) wieder abgebaut.“ Das Ergebnis von Hamers „Heilungen“ ist eine umfangreiche Liste mit Toten, die nach Ansicht von Schulmedizinern gute Chancen gehabt hätten, ohne die „Neue Germanische Medizin“ den Krebs zu besiegen.

Skeptiker überall auf der Welt wollen die Menschen vor Quacksalbern und Wundertätern schützen. Sie suchen nach natürlichen Erklärungen für auf den ersten Blick übersinnliche Phänomene. Vorreiter in Deutschland ist hier die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). In diesem Buch werden Sie ihr häufig als Quelle von Studien begegnen, die Wunderheiler und Hellseher nachhaltig entzaubern.

Um zu zeigen, dass es Krümel-Monster, Qi und Erdstrahlung nicht gibt, haben sich die Skeptiker einen besonderen Trick einfallen lassen: Einer ihrer Hauptvertreter aus Amerika, der Bühnenmagier James Randi, hat einen Preis von einer Million Dollar für denjenigen ausgesetzt, der den Nachweis für irgendein übernatürliches Phänomen erbringen kann. Das Geld musste bis heute nicht ausgezahlt werden.

Ingo Kugenbuch

Rutengänger –
Von wundersamen Erdstrahlen

Die kleine Mira ist kerngesund. Trotzdem will das Baby nachts in seinem Bettchen einfach nicht einschlafen. Der Kinderarzt hat eine Drei-Monats-Kolik diagnostiziert, doch auch die Mittel gegen Baby-Blähungen helfen nicht. Auf den Rat einer Freundin hin bestellen die gestressten Eltern einen Wünschelrutengänger. Schon ab 248 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) bietet die „Vereinigung deutscher Rutengänger“ bundesweit ihre Dienste an – das Benzingeld ist im Preis enthalten. Für diese Summe ist eine „Haus-/Wohnungsuntersuchung“ zu bekommen. Grundstücksuntersuchungen bis 500 Quadratmeter oder eine Brunnensuche kosten 100 Euro mehr.

Egon Jäger ist ein erfahrener Rutengänger. Gemeinsam mit Assistentin Marianne spürt er alles auf, was aus seiner Sicht den ruhigen Schlaf stören kann. Und da gibt es einiges: Wasseradern, Elektrosmog, aber auch verschiedene Gitternetze des natürlichen Erdmagnetismus. Bei Miras Familie wird Jäger sofort fündig: Direkt über Miras Bettchen schlägt seine Wünschelrute aus. Quer durchs Kinderzimmer läuft eine Wasserader, die sich auch im elterlichen Schlafzimmer fortsetzt. Jäger kennzeichnet die Strahlung der unterirdischen Wasserbahnen durch aneinander gelegte Zollstöcke. Da sieht selbst der Laie: An ruhigen Schlaf ist in diesen Zimmern nicht zu denken. Kein Wunder, dass auch Miras Vater damit Probleme hat.

Was sollen Wünschelruten warum leisten?

Glaubt man den „Radiästheten“, wie sich die Wünschelrutengänger selbst gern nennen, so hat die Familie ungeheures Glück. Schließlich soll die Strahlung von Wasseradern durch eine Lähmung des Immunsystems sogar Krebs hervorrufen können. Und nicht nur das. Der durch die Rutengänger verbreitete Katalog von Krankheiten, die durch unterirdisch fließendes Wasser ausgelöst werden, ist schier endlos. Dazu gehören:

  • Schlafstörungen
  • Innere Unruhe und Nervosität
  • Verspannungen
  • Bettnässen
  • Rheuma
  • Aggressivität
  • Magen- und Darmprobleme
  • Rückenschmerzen
  • Schilddrüsenstörungen
  • Arthrose
  • Potenzstörungen
  • Stoffwechselstörungen
  • Kopfschmerzen/Migräne
  • Allergien
  • Gelenkprobleme
  • Krebs
  • Abgeschlafftheit
  • Depressionen

Worin ist nun aber die Macht des Wassers begründet? Wasseradern gehören einer radiästhetischen Theorie zufolge zum natürlichen Drainagesystem der Erde: Sie sind gleichsam Flüsse im Erdinneren, die durch Regenwasser gespeist werden, angeblich kilometerlang, viele Meter tief und oft sehr breit. Diese unterirdischen Flüsse werden mit großer Kraft durch das Gestein gepresst. Durch die Reibung des Wassers an den Gesteinswänden entsteht die so genannte Erdstrahlung. Sie stört das komplexe Netz von Energiefeldern, das unsere Erde überzieht – genauso wie Erdspalten, Erdverwerfungen und die verschiedenen „Globalgitternetze“. Sie alle sorgen angeblich für Verwerfungen im „biomagnetischen Feld“ von Mensch, Pflanze und Tier.

Zu den „Globalgitternetzen“ sollte man folgendes wissen:

Menschen, Tiere und Pflanzen, versichern die Rutengänger, reagieren empfindlich auf diese Erdstrahlung. So meiden Hunde die strahlenbelasteten Bereiche, während Katzen sie regelrecht lieben. Auch Pferde, Kühe, Schweine und Schafe fliehen die Strahlenzonen und werden krank, wenn ihnen das nicht gelingt. Hühner werden durch Strahlenbelastung aggressiv. Ameisen wiederum führen ihre Straßen immer auf Wasseradern und bauen ihre Hügel auf Reizzonen. Schlangen suchen sich verstrahlte Plätze zum Ausruhen, und Bienen sammeln dort mehr Honig als anderswo. Das Gift strahlensuchender Tiere wird häufig zur Herstellung von Medikamenten verwendet. Und so unterschiedlich wie die Tiere verhalten sich auch die Bäume: Während Buchen, Linden und Birken mit Drehwuchs und Krebsgeschwüren auf Strahlungen reagieren, wachsen Eichen gern auf Wasseradern. Auch Heilkräuter lieben die Störzonen.

Eine gelungene Therapie

Aber zurück zu Mira und ihrem Vater, denen eine Wasserader direkt unter dem Bett den Schlaf vergällt. Wie kann ihnen der Radiästhet Jäger helfen?

Bei dem Baby muss das Bett nur ein wenig schräg gestellt und verrückt werden – schon befindet es sich außerhalb der Wirkung der krankmachenden Strahlen aus den Tiefen der Erde. Beim Vater ist mehr Aufwand nötig. Man müsste das Schlafzimmer komplett umgestalten, um das Ehebett aus dem Strahlungsbereich zu entfernen. Aber der erfahrene Rutengänger Egon Jäger hat auch für diesen schwierigen Fall eine Lösung parat: Zwei spezielle Matten, unter jede Matratze gelegt, werden das Bett vor den schlafraubenden Strahlen abschirmen. Kostenpunkt: 600 Euro. Pro Stück.

Warum eigentlich, fragt man sich, gibt es kein Wasser-Strahlometer, das den Verlauf der Wasseradern und die Stärke der Strahlung anzeigt? Wozu braucht man die Wünschelrute? Die Antwort: Nach der Theorie der Radiästhesie sind die Strahlen nicht direkt messbar, sie können nur von den Rutengängern angezeigt werden: Wenn der Radiästhet die Strahlung merkt, reagieren seine Muskeln, und die Rute schlägt aus. Und dies könnten nicht nur besondere Naturtalente, sondern es sei von jedem Menschen erlernbar.

Früher benutzten die Rutengänger einen biegsamen Holzstab in Y-Form. Heute gibt es Wünschelruten aus vielen verschiedenen Materialien in zahlreichen Formen. So bietet etwa die Vereinigung Deutscher Rutengänger für 24,95 Euro die „Jedermann-Winkelrute“ aus Aluminium an – mit „patentiertem Schieberegler und Leichtlauf-Griffhülse“. Für nur 34,80 Euro gibt es eine handgefertigte „Profi-Kunststoffrute“, die auch im Winter flexibel bleibt. Die beiden rechtwinklig gebogenen Metall-Winkel der Jedermann-Rute hält der Rutengänger ähnlich wie zwei Pistolen vor sich. Kreuzen sich die nach vorn gerichteten Enden der Alu-Winkel, so ist er fündig geworden. Die Profi-Rute wird dagegen mit angewinkelten Ellenbogen und nach oben weisenden Handflächen vor der Brust gehalten. Diese Rute meldet ihren Fund durch einen Ausschlag in Richtung Boden. Mit einer solchen Wünschelrute lassen sich nicht nur vermeintliche Wasseradern aufspüren, sondern auch Gesteinsbrüche, Verwerfungen, Gold, Kohle, Erdöl und andere Bodenschätze.

Als wichtigste Quelle für Erdstrahlen nennen die Rutengänger unterirdische Wasseradern. Nur: Die gibt es in Deutschland kaum.

Einmal nachgefragt

Es stellen sich zwei Fragen:
1. Gibt es überhaupt Erdstrahlen?
2. Kann der Rutengänger sie (oder Wasser, Erdöl, Gold usw.) nachweisen?

Beide Fragen lassen sich kurz und bündig beantworten: Da unterirdische Wasseradern – als die meistgenannte Quelle für Erdstrahlen – nur ganz selten vorkommen, kann man davon ausgehen, dass auch die ominöse Strahlung nur in der Fantasie der Rutengänger existiert. Die Vorstellung von einem ausgedehnten Netz unterirdischer Bach- und Flussläufe entstammt einer Zeit, als man den geologischen Aufbau der Erde noch nicht kannte. Damals schlossen die Menschen aus der Beobachtung, dass durch manche Höhlen Wasser fließt, dass der gesamte Untergrund von Wasserläufen durchzogen ist. Aber selbst in porösem Karstgestein mit Klüften und Höhlen trifft man nur selten auf unterirdische Wasserläufe. Fast immer kommt Grundwasser nämlich flächig – also in Gestalt eines unterirdischen Sees – vor. Und es bewegt sich nur sehr langsam durch Poren und Spalten im Gestein, sodass es gar nicht zu jener heftigen Reibung von fließendem Wasser an Gesteinswänden kommt, mit der die Rutengänger die Entstehung der angeblich gefährlichen Erdstrahlen begründen.

Und auch wenn Wasser tatsächlich einmal an Gestein reibt, geschieht – nichts. Physiker jedenfalls konnten auch mit empfindlichsten Messgeräten keinerlei Strahlung nachweisen, die von fließendem Wasser (oder „Gesteinsbrüchen“ und „Erdverwerfungen“) ausgeht. Auch eine Veränderung des Erdmagnetfeldes durch die erwähnten „Störzonen“ wurde bislang nirgends beobachtet.
Ohnehin gehorchen die Erdstrahlen der Radiästheten anderen Gesetzen als denen der Naturwissenschaft – immerhin besitzen sie die erstaunliche Eigenschaft, von den Rutengängern immer in gleicher Intensität wahrgenommen zu werden, egal ob sie nun aus Wasseradern in zehn oder 400 Metern Tiefe stammen. Die Intensität jeder anderen Strahlung nimmt aber mit der Entfernung zu ihrer Quelle ab – jede Lampe erscheint umso dunkler, je weiter man sich von ihr entfernt, jeder Ofen wärmt in unmittelbarer Nähe besser als in 20 Metern Abstand. Der Grund: Da sich die Strahlung im Raum verteilt, wird sie gewissermaßen „verdünnt“. Genauer: Die Strahlungsintensität nimmt proportional zum Quadrat der Entfernung ab. Zehn Meter von der Quelle entfernt ist sie also 100-mal schwächer als in einem Meter Abstand. Andernfalls wäre nämlich die gesamte Strahlung in einem Raum größer als die von der Quelle abgegebene Energie. Das aber widerspräche einem der wichtigsten Gesetze der Physik – dem Energieerhaltungssatz. Mit anderen Worten: Verhielten sich (die nicht nachweisbaren) Erdstrahlen tatsächlich so, wie die Rutengänger behaupten, dann wäre auch ein Perpetuum Mobile möglich. Energie würde aus dem Nichts entstehen, womit auch endlich das Problem von kohlendioxidausstoßenden Kohlekraftwerken oder benzinschluckenden Autos gelöst wäre.

Den Radiästheten zufolge strahlen die Wasseradern sogar nach oben ab, und das noch haargenau etwa in das Bett von Baby Mira hinein. „Normale“ Strahlen wie Licht, Wärme oder Radioaktivität kommen aber keineswegs in einigen Hundert Metern Entfernung von ihrer Quelle auf Zollstockbreite gebündelt vor – und sie unterscheiden nicht zwischen oben und unten. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Auch die Globalgitter-Netze sind Erfindungen der Rutengänger.

Kommt der Rutengänger mit seinem Werkzeug in die Nähe des Babybetts, erwartet er die Reaktion seiner Wünschelrute, und prompt schlägt sie dann auch aus – der Carpenter-Effekt.

Aber die Brunnen …

Jeder Verteidiger der Radiästhesie wird nun einwerfen: Aber die vielen Brunnen, die Rutengänger schon gefunden haben! Kein Wunder, schließlich ist es nahezu unmöglich, in Deutschland den Boden anzubohren, ohne auf Grundwasser zu stoßen. Das heißt aber nicht, dass sämtliche Rutengänger Betrüger wären. Vielmehr können sie selbst sehr wohl von ihren Fähigkeiten überzeugt sein – zumal sie tatsächlich fühlen, wie die Rute ausschlägt. Eine Erklärung dafür liefert der so genannte Carpenter-Effekt. Denn so unterschiedlich die Wünschelruten auch sein mögen, ihnen allen ist eines gemeinsam: Sie befinden sich in einem sehr labilen Gleichgewicht und schlagen schon durch die kleinste Krafteinwirkung aus. Es ist recht schwierig, eine Rute vor sich her zu tragen, ohne dass sie nach oben oder unten wippt. Da reicht ein Fingerzucken, eine Verkrampfung oder ein leichtes Stolpern, und die Rute schlägt Alarm. Der Carpenter-Effekt ist immer dort wirksam, wo ein Mensch eine bestimmte Bewegung ausführt, weil er sie sieht oder daran denkt. Einfache Beispiele: Die Mutter öffnet ihren Mund, wenn sie ihr Baby mit dem Löffel füttert, oder ein Beifahrer im Auto, der selbst häufig fährt, bremst automatisch mit. Kommt der Rutengänger mit seinem Werkzeug in die Nähe des Babybetts, erwartet er die Reaktion seiner Wünschelrute – und prompt schlägt sie dann auch aus. Dieser auch „ideomotorisch“ genannte Effekt wurde zum ersten Mal 1852 von seinem Namensgeber, dem englischen Naturwissenschaftler William Benjamin Carpenter, beschrieben. Er liefert die Erklärung für viele angeblich übersinnliche Phänomene: Pendeln, Tischerücken und eben auch das Ausschlagen von Wünschelruten.

Dennoch glauben viele Menschen nach wie vor an die Rutengängerei. Für sie ist die Relativitätstheorie mit ihren Gravitationslinsen, der Längenverkürzung („Längenkontraktion“) und Zeitdehnung („Zeitdilatation“) schwerer vorstellbar als es die ominösen Erdstrahlen sind. Doch während die Gesetze der Physik von vielen Millionen Schülern auf der ganzen Welt erfolgreich überprüft worden sind, haben die Rutengänger bislang keinen seriösen Test bestanden. Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) hat Anfang der 1990er Jahre in 900 Einzelversuchen die Fähigkeiten von
30 Rutengängern geprüft, die sich für dieses Experiment freiwillig zur Verfügung gestellt hatten. Ergebnis: Die Trefferquote überstieg nicht die zu erwartende Zufallsverteilung. Mit anderen Worten: Man hätte genauso gut würfeln oder eine Münze werfen können, um beim Finden von Wasserrohren so erfolgreich wie die Rutengänger zu sein.

Und die kleine Mira? Die kann ein paar Wochen nach dem Besuch des Rutengängers besser schlafen – nachdem der Papa ihr Bett verrückte. Und auch er selbst hat nun wieder einen ruhigeren Schlaf, beschützt von den neuen, 1.200 Euro teuren Abschirmmatratzen.

Wieso aber funktioniert beides, wenn es Erdstrahlen und geheimnisvolle Störzonen gar nicht gibt? Zunächst einmal wissen alle Eltern, dass sich die Schlafgewohnheiten von Babys innerhalb weniger Wochen x-mal ändern können. Und Miras Vater? Bei ihm wirkt wohl der mächtige Placeboeffekt. Denn nicht nur wirkstofffreie Traubenzuckerdrops können Krankheiten heilen, sofern sie nur mit dem Anschein ärztlicher Ernsthaftigkeit verabreicht werden. Studien zeigen, dass sogar Scheinoperationen wie Placebos wirken. So wurde in den USA im Rahmen eines Tests bei einigen Patienten mit Kniegelenksarthrose das Knie mit einem Arthroskop gespiegelt und eine Knorpelbehandlung vorgenommen. Bei den Vergleichsprobanden schnitten die Ärzte nur die Haut am Knie auf. Erstaunlicherweise besserten sich bei den unbehandelten Studienteilnehmern die Beschwerden genau so schnell wie bei den operierten. Weshalb also sollten da angebliche Abschirmmatratzen bei Schlafstörungen nicht helfen?

Hellseherei –
Die Zukunft im Kaffeesatz

„Frau Merkel gerät unter Beschuss. Die Einkommen des Mittelstandes sinken. Anschlagsgefahren (besonders Bereich Frankfurt). Keine Verbesserung der Arbeitslosigkeit. Der Mittelstand wird unzufriedener. Die Steuerbelastungen werden als bedrückend empfunden.“ So sah die Vorhersage von Rosalinde Haller, einer österreichischen Hellseherin, die auch regelmäßig in Radiosendungen auftritt, für das Jahr 2007 aus. Abgesehen von den Steuerbelastungen, die, seit es diese Abgaben gibt, stets als bedrückend empfunden werden, lag sie grandios daneben: Merkel wurde auf dem Parteitag im Dezember 2007 mit achtminütigem Beifall gefeiert, die Arbeitslosigkeit sank stetig. Und der Mittelstand ist immer unzufrieden, man braucht kein hellseherisches Talent, um dies vorhersagen zu können (dasselbe wäre für Bauern, Polizisten oder Lehrer auch zu sagen).

Aber vielleicht ist Frau Haller nur eine geschäftstüchtige Frau, die sich als Seherin ausgibt, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen, mögen jene einwenden, die an die tatsächliche Wahrsagerei glauben. Dann sollte man einen Blick auf den unumstrittenen Star unter den Hellsehern werfen, den Franzosen Michel de Notredame. Der 1503 in der Provence geborene Apotheker und Arzt ist besser unter seinem lateinischen Namen bekannt: Nostradamus. Von ihm werden bis heute Wunderdinge behauptet: Er habe die Anschläge vom 11. September vorhergesagt, den Tod von Lady Di, die Atombombe.

Der Pate des Wahrsagens

Das Referat für Weltanschauungs- und Sektenfragen des Bistums Trier hat die Prophezeiungen des französischen Wahrsagers unter die Lupe genommen. Ergebnis: „Die Angstvisionen des Nostradamus eröffnen weder einen Blick in die Zukunft noch können sie hilfreich sein für die Bewältigung der Aufgaben und der Wahrnehmung unserer Verantwortung in der heutigen Zeit.“ Nostradamus hat seine pessimistischen Weissagungen in Vierzeilern verfasst, von denen jeweils 100 eine so genannte Centurie bilden. Anhand verschiedener Verse zeigen die bischöflichen Weltanschauungsexperten, dass sich die Prophezeiungen unschwer auf jedes beliebige Ereignis der Weltgeschichte beziehen lassen: Man muss nur ein wenig an der Übersetzung basteln und das Gewünschte hineininterpretieren.

Nostradamus galt schon zu Lebzeiten als großer Seher. Warum? In Vers 35 seiner ersten Centurie schien er ein Ereignis vorhergesagt zu haben, das dann tatsächlich eintrat. Der Vers lautet:

„Der junge Löwe überwindet den alten auf kriegerischem Feld im Einzelwettkampf. Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen. Von zweien dann stirbt einer eines grausigen Todes.“

Nun wurde der französische König Heinrich II. am 1. Juli 1559 bei einem Turnier so schwer verletzt, dass er am 10. Juli qualvoll starb, und prompt glaubte man, dass Nostradamus genau dieses Ereignis gemeint hatte. Denn der schottische Graf Delorge Montgomery hatte dem Monarchen mit seiner abgebrochenen Lanze vermutlich durch dessen goldenes Visier (den „goldenen Käfig“) das Auge durchbohrt, woran Heinrich ein paar Tage später starb. Doch der König war erst knapp 40 Jahre alt und der Graf nur ein paar Jahre jünger – wer von beiden sollte nun der junge, wer der alte Löwe sein? Andere Quellen berichteten zudem, dass das Helmvisier gar nicht golden war und die Lanze keineswegs ins Auge, sondern durch die Stirn ins Hirn drang und der König an einer Hirnhautentzündung starb.

Dass sich die Prophezeiungen des Nostradamus mit etwas Geschick sehr frei interpretieren lassen, belegt ein anderes Beispiel noch besser. Das Referat des Bistums Trier analysierte einen seiner Vierzeiler:

„Einverleiben in Großdeutschland wird er Brabant und Flandern, Gent, Brügge und Bologne. Der Mann des falschen Friedens, der große Führer aus Armenien, wird Wien und Köln bestürmen.“

1941 hatte der Schweizer Astrologe Karl Ernst Kraft die Verse so interpretiert: „Nostradamus sieht die Zukunft Europas. Einen weiteren Hinweis auf den Aufstieg des Reiches vermittelt Nostradamus in einem Vierzeiler, in dem vor 400 Jahren bereits von ‚Grand Germany‘, Großdeutschland, die Rede ist.“ Krafts Übersetzung: „Überführen wird er in den Bereich von Großdeutschland Brabant und Flandern, Gent, Brügge und Bologne. Nach einem Betrug wird der große Führer von Armenien, d. h. des Landes des Arminius, überraschend besetzen Wien und Köln.“

Es hängt maßgeblich vom jeweiligen Übersetzer und Deuter der Verse des Nostradamus ab, was der Seher für die Zukunft prophezeite. Kein Wunder, dass sich seine Wahrsagungen teilweise wider sprechen oder ausschließen.

Tatsächlich schickte jener „große Führer“, nämlich Adolf Hitler, im März 1936 Soldaten ins Rheinland und nach Köln und 1938 auch nach Österreich, das er „heim ins Reich“ holte. Seine Armeen besetzten auch Brabant und Flandern. Das alles geschah, glaubt Kraft, als Folge der Appeasement-Politik des Westens gegenüber Hitler; demnach wäre der falsche Friede das Münchner Abkommen gewesen. Krafts eindeutiges Resümee: „Angesichts dieser Worte besteht kein Zweifel mehr, dass dieser Vierzeiler eine klare Voraussage des Werkes Adolf Hitlers enthält – der Errichtung Großdeutschlands.“ Tatsächlich kein Zweifel?

Nach dem 2. Weltkrieg entdeckte der Historiker Alexander Zentgraf in den Versen des Nostradamus allerdings eine ganz andere Botschaft, nämlich eine Durchhalteparole für den Kalten Krieg – er übersetzte: „Berlin im kalten Kriege unbesiegt. Einverleiben wird er (Hitler) Großdeutschland, Flandern usw. Im geheuchelten Waffenstillstand wird der große Führer aus Armenien (Stalin) Wien und Cölln berennen.“

Für Zentgraf war Cölln der alte Name für Berlin, das heutige Neukölln. Nostradamus sah folglich Stalins vergebliche Versuche voraus, Wien und Berlin zu behalten. „Ein schicksalhafter Vierzeiler“, schreibt der Interpret, „der den Berlinern im Kalten Krieg Mut zum Durchhalten gemacht hat.“

Und der Astrologe Kurt Allgeier schließlich schrieb über dieselbe Prophezeiung: „Nostradamus hat nicht die Bezeichnung Großdeutschland vorhergesehen, sondern Hitler hat diesen Vers mit dieser Bezeichnung gekannt und die Bezeichnung für sein Reich übernommen. Vorhergesehen hat der Seher aber den Einfall deutscher Truppen über Holland und Belgien. Der Führer aus Armenien, mit dem der falsche Nichtangriffspakt geschlossen wurde, ist Stalin, der Georgier. Er hat Wien und Berlin erobert.“

Ganz offensichtlich hängt es maßgeblich vom jeweiligen Übersetzer und Deuter der Verse des Nostradamus ab, was denn der geheimnisvollen Seher für die Zukunft prophezeite. Kein Wunder, dass sich seine Wahrsagungen teilweise wider sprechen oder ausschließen.

Treffer und Nieten

Die Trefferquote der heutigen Wahrsager dokumentiert der Mathematiker Michael Kunkel auf seiner Website www.wahrsagercheck.de. Dort sind für jedes Jahr seit 2002 die Vorhersagen prominenter Hellseher versammelt. Auch die eingangs zitierte Rosalinde Haller ist mit von der Partie. Einige der Auguren verlieren sich dabei in nebulösen Szenarien. Kostprobe des Schweizers Peter Schmid: „Pluto ist in Schütze von 1996 bis Anfang 2008. Das bedeutet, dass weltweite (Schütze) Umwälzungen (Pluto) im Gange sind, die zu einer echten Religions- und Meinungsfreiheit führen sollen. Aber auch leidenschaftliche Auseinandersetzungen (Pluto) der institutionalisierten Religionen (Schütze) und erbitterter Kampf (Pluto) der weltlich-wirtschaftlichen Ideologien (Schütze) gegeneinander. Globalisierung also auf der einen Seite und Selbstzweck auf der anderen Seite. Es ist die Zeit, in der zwischen Dogma und Realität, zwischen globaler Irreführung und tatsächlicher Wirklichkeit neue Horizonte gefunden werden müssen.“ Nachzuprüfen, ob derlei vage Wahrsagungen nun zutreffen oder nicht, dürfte recht schwierig sein.

Bei anderen Vertretern der Hellseher-Zunft ist das umso leichter. Beispiel: der US-Fernsehprediger Pat Robertson. Er weissagte kurz und bündig, dass Ende September 2007 mehrere Metropolen Opfer von Anschlägen würden, bei denen Millionen von Menschen ums Leben kämen – gottlob nicht eingetreten, so wenig wie die Prophezeiung von Johann Höber: Er hatte Luftschläge der Amerikaner gegen den Iran gesehen und ein Attentat auf Präsident Bush.

Niemand würde von der Hellseherei ein Aufheben machen, wenn nicht Wahrsager ab und an auch tatsächlich Treffer landeten – durch Zufall oder Manipulation.

Eine Spur unterhaltsamer kamen die Voraussagen des kanadischen Mediums Nikki Pezaro für 2007 daher: Ihm zufolge sollten bei einer Entgleisung des Orient-Expresses Hunderte sterben, im Dschungel von Costa Rica ein neuer King Kong auftauchen und in Deutschland ein neuer Hitler. Außerdem würde die Präsidentenmaschine Air Force One abstürzen und am Potomac in Washington ein Ufo landen – von der Erfindung von Korsetts und BHs für Männer einmal ganz zu schweigen.

Allerdings würde niemand von der Hellseherei ein Aufheben machen, wenn nicht Wahrsager ab und an auch tatsächlich Treffer landeten. Dazu sollte man aber wissen, dass es einige hilfreiche Tricks gibt, durch die die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Vorhersage größer wird. Michael Kunkel hat sechs davon auf seiner Website zusammengestellt:

Die Wunder des Tarot

Andere Wahrsager verdienen ihren Lebensunterhalt, indem sie ihren Klienten deren ganz persönliche Zukunft voraussagen. Zum Beispiel mit Tarotkarten.

Wann dieses Kartenspiel entstanden ist, ist nicht genau bekannt. Manche datieren es schon in die vorchristliche Zeit, andere sehen seine Ursprünge im Mittelalter. Die 78 Blätter des Spiels werden in die so genannten 22 Großen Arkana und die 56 Kleinen Arkana unterteilt. Wie bei unseren heutigen Skat- oder Rommé-Karten gibt es vier Farben: Stäbe, Schwerter, Münzen und Kelche. Daraus entwickelten sich die Motive unserer profanen Karten: Die Stäbe wurden zum Kreuz im französischen und zur Eichel im deutschen Blatt, die Schwerter zu Pik oder Blatt, die Kelche zu Herz und die Münzen zu Karo oder Schellen.

Die Zukunft ermitteln die Kartenleger aber nur mit den 22 Trumpfkarten der Großen Arkana. Jedes dieser Blätter hat ein festgelegtes Motiv mit einer bestimmten Bedeutung. Sie können etwa wie folgt aussehen (gefunden auf www.tarotwelten.de):

Werden diese Karten nun nach einem ganz bestimmten Schema ausgelegt, so ergeben sich zusammenhängende Geschichten, die vom Kartenleger als die Zukunft seines Kunden interpretiert werden.

Mit welcher Technik Wahrsager auch arbeiten, sie alle verwenden bekannte Tricks, wenn sie für ihre Klienten in die Zukunft schauen.

Weitere Praktiken

Außer dem Kartenlesen gibt es noch zahlreiche andere Methoden des Hellsehens. Hier einige der bekanntesten:

Das Pendel soll einer schwangeren Frau das Geschlecht ihres Kindes offenbaren – Ultraschall wäre hier in jedem Fall zuverlässiger.

 
Hinter den Kulissen

Egal, mit welcher Technik die Wahrsager arbeiten, sie alle verwenden gewisse Tricks, wenn sie für ihre Klienten in die Zukunft schauen. Die wichtigste Methode ist das „kalte Lesen“ oder auf Englisch: „cold reading“, das auch bei polizeilichen Vernehmungen oder Verkaufsgesprächen zum Einsatz kommt. Dabei versucht der Hellseher durch geschicktes Fragen, seinen Klienten auszuhorchen, ohne dass dieser es bemerkt. Zunächst einmal aber analysiert er das Äußere des Kunden und dessen Auftreten: Ist die Kleidung teuer oder billig, ist der Mensch ängstlich, arrogant, gutgläubig, skeptisch, verzweifelt? Wie sehen seine Fingernägel aus, wie die Frisur?

Beim anschließenden Gespräch sondiert der Wahrsager sein Feld anfangs mit Allgemeinplätzen, um zu erfahren, wie der Kunde reagiert. Er bleibt dabei im Ungefähren und hakt erst dann nach, wenn er bei dem Klienten eine Reaktion erlebt. Damit schafft er die nötige Vertrauensbasis – man spricht hier vom Barnum-Effekt: Menschen neigen dazu, eine allgemeingültige Aussage auf sich selbst zu beziehen. Zur Erläuterung ein aufschlussreicher Test des amerikanischen Psychologie-Professors Bertram R. Forer:
Forer gab vor, seine Studenten einem Persönlichkeitstest zu unterziehen, und legte ihnen anschließend auch die angebliche Auswertung vor. Die Testpersonen sollten nun angeben, wie zutreffend das Ergebnis ihre tatsächliche Persönlichkeit wiedergebe, und zwar mit Noten von 0 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft genau zu). Im Durchschnitt kam Forer auf einen extrem guten Zustimmungswert von 4,26. Was die Studenten nicht wussten: Jeder von ihnen hatte exakt denselben kurzen Auswertungstext vorgelegt bekommen.

Mit dem „kalten Lesen“, das auch bei polizeilichen Vernehmungen oder Verkaufsgesprächen zum Einsatz kommt, versucht der Hellseher durch geschicktes Fragen seinen Klienten auszuhorchen, ohne dass dieser es bemerkt.

Was war da geschehen? Ganz einfach: Der Text war so geschickt formuliert, dass fast jeder ihn auf sich beziehen konnte: „Sie wünschen sich, dass andere Leute Sie mögen und bewundern, und dennoch tendieren Sie zu einer kritischen Meinung gegenüber sich selbst. Sie haben zwar ein paar Schwächen in Ihrer Persönlichkeit, können diese aber im Allgemeinen ausgleichen. Sie verfügen über erhebliches Potenzial, das Sie bisher noch nicht zu Ihrem Vorteil genutzt haben. Nach außen hin wirken Sie diszipliniert und selbstbewusst, jedoch sind Sie innerlich beunruhigt und unsicher. Manchmal machen Sie sich ernsthafte Gedanken darüber, ob Sie die richtige Entscheidung getroffen oder das Richtige getan haben. Sie bevorzugen ein gewisses Maß an Abwechslung und Veränderung, und Sie fühlen sich unbefriedigt, wenn Sie von Einschränkungen und Limitierungen gehemmt werden. Sie sind auch stolz darauf, ein unabhängiger Denker zu sein, und Sie akzeptieren nicht einfach die Aussagen anderer Leute ohne stichhaltige Beweise. Allerdings haben Sie herausgefunden, dass es nicht sehr klug ist, sich gegenüber anderen zu sehr zu öffnen. Manchmal verhalten Sie sich extravertiert, leutselig und aufgeschlossen, allerdings sind Sie manchmal auch introvertiert, skeptisch und zurückhaltend. Einige Ihrer Sehnsüchte tendieren dazu, von eher unrealistischer Natur zu sein.“

Jeder Wahrsager, der seinem Kunden dergleichen offenbart, kann eigentlich gar nicht daneben treffen. Was immer er ihm auf dieser Basis dann anschließend für seine Zukunft voraussagt, wird ihm der Klient unbesehen glauben – und seinen Obolus gern entrichten. Der Mental-Magier Ian Rowland sagt es so: „Beim erfolgreichen Lesen wird der Wahrsager wahrscheinlich am meisten reden, aber der Klient ist es, der das Meiste von Bedeutung und alles Wichtige liefert.“

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869109077
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2010 (Dezember)
Schlagworte
Feuerlaufen hellsehen Hellseherei Kornkreise Phänomene Physik populäre Wissenschaft Übersinnliche Phänomene Uri Geller Wissenschaft Wünschelrute Zauberei zaubern

Autor

  • Ingo Kugenbuch (Autor:in)

Der Journalist und Buchautor Ingo Kugenbuch beschäftigt sich seit seinem Physik-Studium mit der Erforschung übersinnlicher Phänomene. Er ist Mitglied der Gesellschaft zur Wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften.
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Titel: Warum sich der Löffel biegt und die Madonna weint