Lade Inhalt...

Ich coache mich selbst!

Das Erfolgstraining gegen Stress, Angst und andere Belastungen. Der Ratgeber für ein selbstbewussteres Leben

von Gunnar Cramer (Autor:in) Dag Furuholmen (Autor:in)
248 Seiten

Zusammenfassung

Stress, Beziehungsprobleme, Angst, Unruhe oder Abgespanntheit: Unsere Seele wird Tag für Tag vielseitig belastet. Die Erfolgs-Psychiater Gunnar Cramer und Dag Furuholmen haben ein Trainingsprogramm entwickelt, das unsere Psyche für die Ansprüche des Alltags festigt. Dieses Buch macht nicht nur stark – es macht glücklich und zufrieden.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


images/000U1_00.jpg

 

 
 
 
 
Gunnar Cramer · Dag Furuholmen
 
 
 
 
 

Ich coache mich selbst!

 
 
 
Das Erfolgstraining gegen Stress, Angst und andere Belastungen  
Der Ratgeber für ein selbstbewussteres Leben  


 
 
 
 
 
 
 
 
 

images/humbold.jpg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 
ISBN 978-3-86910-933-6  
ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-464-5

 

 

Die Autoren: Die Ärzte und Psychiater Gunnar Cramer und Dag Furuholmen trainieren seit 25 Jahren Menschen für anspruchsvolle Situationen im Alltag und Beruf. Ihr psychologisches Training hat in den USA und Norwegen bereits vielen zu einem glücklichen Leben verholfen. Mit diesem Buch zeigen sie, dass es mit den richtigen Übungen möglich ist, aus negativen Verhaltensmustern herauszufinden.

 

 
 
 
 

 
© 2010 humboldt

Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

 
Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

 
Lektorat: Dagmar Fernholz, Köln
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Illustrationen: Werner Pollak, Hannover

Vorwort

„Einen persönlichen Trainer zu haben, der mir hilft, zufriedener, selbstbewusster, erfolgreicher zu werden, das wäre toll!“ Haben Sie das auch schon einmal gedacht? Aber warum wollen Sie einem fremden Trainer vertrauen? Sie selbst kennen sich doch am besten! Deshalb ist das Selbstcoaching – also das Training mit und an sich selbst – sinnvoll, um mit Erfolg die eigenen Ziele zu erreichen.

Wer ein Ziel mit dem Willen zum Erfolg in Angriff nimmt, ist auf dem richtigen Weg und schafft es, sich über seine Wünsche, Werte, Entwicklungsmöglichkeiten und Fähigkeiten, aber auch über seine alltäglichen Probleme – wie Kommunikationsprobleme, depressive Verstimmungen oder Unzufriedenheit – klar zu werden. Wir haben für diese Art des Selbstcoachings in Norwegen den Begriff „Psychologisches Training“ eingeführt und dessen Prinzipien in über 20-jähriger Praxis in psychologischen Trainingsseminaren, in Gruppen- und Einzeltherapien weiterentwickelt. Psychologisches Training deshalb, weil der Trainingsaspekt sowohl den psychischen (also die Seele betreffenden) als auch den physischen (den körperlichen) Bereich gleichermaßen betrifft. Wollen Sie Grenzen setzen und Nein sagen können, so müssen Sie diese Fertigkeiten ebenso wie Radfahren, Boxen oder Rudern schrittweise trainieren. Außerdem müssen Sie erkannt haben, dass diese bestimmte Fertigkeit wichtig für Sie ist.

Unsere Persönlichkeit muss genauso regelmäßig trainiert werden wie unser Körper, um nicht die Kraft, Flexibilität und Kondition zu verlieren. Wir müssen uns neuen Herausforderungen stellen, uns in ungewohnten Situationen und Milieus bewegen, neue Verhaltensweisen und Strategien ausprobieren – auch wenn wir bereits erwachsen sind und eine (Überlebens-)Form gefunden haben, die weitgehend funktioniert.

Mit diesem Buch möchten wir Ihnen, die Sie mit normalen Alltags- und Lebensproblemen zu kämpfen haben, Hoffnung machen. Wir möchten Ihnen Anleitungen und Modelle an die Hand geben, mit deren Hilfe Sie sich soweit selbst coachen können, um Ihre Probleme in Eigeninitiative zu lösen können. Damit Sie als Folge (wieder) selbstbewusster und zufriedener werden, ehe die Probleme und deren Symptome besorgniserregend und krankmachend werden.

Dieses Buch ist kein Fachbuch, sondern vielmehr als Hilfe zur Selbsthilfe konzipiert. Es soll Ihnen dabei helfen, vom Gefühl „Ich muss unbedingt etwas tun/ändern“ zum zielgerichteten Handeln zu gelangen. Zugleich hoffen wir, dass Ihnen dieses Buch als Nachschlagewerk nützlich ist, das Sie immer dann zur Hand nehmen können, wenn Ihre Probleme erneut auftreten.

Danksagung

Wir möchten denen danken, die uns auf diesem langen Schaffensprozess unterstützt haben. Großer Dank gebührt unseren Lebenspartnerinnen Liv Evjan und Victoria Cramer sowie unseren Kindern, die sich unsere vielfältigen Gedanken zum Buch ebenfalls angehört haben. Und nicht zuletzt danken wir all unseren Klienten und Kursteilnehmern, die uns eine beständige Inspirationsquelle zu neuen Erfahrungen gewesen sind.

images/Dag-und-Gunnar.jpg

Dag Furuholmen und Gunnar Cramer

Die Autoren

Gunnar Cramer ist Arzt und seit 1984 praktizierender Psychiater. Nach dem Studium der Medizin in Antwerpen und Oslo spezialisierte er sich auf Psychiatrie. Cramer zählt zu den ersten Gruppenanalytikern in Norwegen, 1989 schloss er eine fünfjährige entsprechende Zusatzausbildung ab; bis 2001 forschte er überdies auf dem Gebiet der psychodynamischen Psychotherapie in Norwegen und den USA. Von dort brachte er die Funktionelle Psychotherapie mit nach Norwegen. Gemeinsam mit dem Psychologen Ole J. Falch gründete er 1980 das Institut für Funktionelle Psychotherapie in Oslo.

Dag Furuholmen ist Arzt und Psychiater. Er studierte Medizin in Wien und Oslo, spezialisierte sich auf Psychiatrie und arbeitet seit 1974 in der Gruppentherapie sowie mit körperorientierten, psychodynamischen und kognitiv orientierten Methoden. 1980 gehörte er zu den Gründern einer Spezialeinrichtung für Suchtkranke in Oslo, der er bis 1987 als Ärztlicher Direktor vorstand. 1987 schloss er sich Gunnar Cramers Institut für Funktionelle Psychotherapie an.

Gemeinsam entwickelten Cramer und Furuholmen das „Psychologische Training“ und veranstalten seit 1984 Seminare sowohl zur Vorbeugung als auch zur Gruppen-, Einzel- und Familientherapie. In ihrem 1988 gegründeten Betriebspsychologischen Beratungsdienst betreuen sie überdies Führungskräfte aus der Wirtschaft.

Einführung

Fühlen Sie sich auch oft gestresst, ausgepowert, von allen missverstanden, haben Sie diffuse Beschwerden, trauen Sie sich nichts mehr zu und fühlen sich manchmal deprimiert? Sie möchten dieses Unbehagen, diese Situation ändern, wissen nur nicht, wie? Werden Sie Ihr eigener Coach! An sich selbst zu arbeiten ist gar nicht so schwer – Sie benötigen nur ein wenig Motivation und Durchhaltevermögen.

Werden Sie Ihr persönlicher Coach, trainieren Sie sich selbst!

Selbstcoaching gibt Ihnen die Freiheit zu Weiterentwicklung und Veränderung, es steht für Ihre Selbstbestimmung über Ihr Leben. Deshalb gilt: Werden Sie Ihr eigener psychologischer Trainer. Trotz alter Gewohnheiten, alter erlernter Wahrheiten und Ängste darüber, was passieren könnte, haben Sie so die Möglichkeit, neue Fähigkeiten für ein selbstbewussteres Leben immer wieder zu trainieren, bis Ihnen diese in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Das Ziel des Selbstcoachings ist es, Lebensqualität und Wohlbefinden zu verbessern. Auf längere Sicht verhilft Ihnen dieses Selbsttraining zu gesteigertem Selbstbewusstsein und dem Erlebnis, den Alltag zu meistern. Es wird Ihnen ein besseres Selbstbild vermitteln, Sie werden sich weniger selbst verurteilen und lernen, sich selbst zu akzeptieren. Indem Sie anders handeln, bewirken Sie Änderungen in Ihrem Leben. Wichtig ist hierbei, dass Sie aktiv handeln und neue Fähigkeiten erlernen müssen.

Wir selbst wissen genau, was wir tun müssten, damit es uns besser geht, tun es aber nicht. (Selbst-)Motivation und bewusstes Training sind notwendig, um etwas zu verändern. Indem Sie sich dessen bewusst sind, können Sie dazu beitragen, psychische Probleme und Erkrankungen zu vermeiden, die aufgrund eines falschen Lebensstils auftreten. Derartige „Erkrankungen“ können Angst, Depression und innere Unruhe verschiedenster Art sein. Physische Leiden wie Kopfschmerz, Rückenschmerz, Schulter- und Nackenschmerz sind nicht ungewöhnlich, andere entwickeln psychosomatische Leiden wie Hauterkrankungen und Verdauungsstörungen, wieder andere können eine herabgesetzte Widerstandskraft in den Atemwegen entwickeln.

Selbstcoaching hilft Ihnen, den Alltag besser zu meistern.

Ebenso kann die Sucht nach Essen, Sex, Arbeit, Alkohol und Tabletten seine Wurzeln in einer falschen Auslegung von Gefühlen und Bedürfnissen sein. Oft werden Worte wie Unruhe, Stress, Rastlosigkeit und Einsamkeit benutzt, um diesen Zustand zu beschreiben. Um diese Unruhe und diesen unangenehmen Zustand zu beseitigen, greifen einige zu betäubenden Mitteln. Doch entscheidend ist, der Ursache dieser Unruhe nachzuspüren. Dies wird Ihnen helfen, Ihre Bedürfnisse zu identifizieren. Diese Klarheit können Sie nutzen, um entsprechend Ihren Bedürfnissen und Gefühlen zu handeln. Das wird Ihnen zu dem Wohlbefinden und der Befriedigung verhelfen, die Sie brauchen.

Das bedeutet nicht, dass alle psychischen Beschwerden oder psychiatrischen Erkrankungen aufgrund eines falschen Lebensstils bestehen würden. Einige schwerere Symptome wie Schizophrenie, bipolare Erkrankungen und verschiedene Persönlichkeitsstörungen lassen sich nicht mithilfe von psychologischem Training und Selbstcoaching behandeln.

Selbstcoaching – ich nehme mein Leben in die Hand!

Das Buch eignet sich für all diejenigen, die bereit sind, Einsatz zu zeigen, um zufriedener zu werden, um die Kontrolle zurückzugewinnen und um längerfristig ein gesteigertes Selbstbewusstsein zu erhalten.

Wie das Buch anzuwenden ist

Am besten nutzen Sie dieses Buch, indem Sie das Gelesene auf sich und Ihren Alltag übertragen. Indem Sie beim Lesen beginnen, kleine, aber neue Herausforderungen anzunehmen, sind Sie schon mitten im Selbstcoaching.

Im 1. Kapitel stellen wir Ihnen die Grundlagen des Selbstcoachings vor: Was kann ich? Was will ich? Wie erreiche ich das?

Im 2. Kapitel erfahren Sie, wie Selbstcoaching Ihnen in Ihrem Alltag helfen kann, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Bereits an dieser Stelle haben wir einige Trainingsübungen eingefügt, die Ihnen helfen sollen, Ihren Alltag besser zu meistern.

Im 3. Kapitel konzentrieren wir uns auf die „Schlüssel“, die Ihnen helfen, Ihren Alltag bestmöglich zu bewältigen, sodass ein Gleichgewicht zwischen Ihrem Inneren und Ihrem Äußeren entsteht. Beherrschen Sie diese Schlüssel, und können Sie diese praktisch anwenden, haben Sie bereits einen bedeutenden Schritt in Ihrem Trainingsprogramm geschafft.

Im 4. Kapitel beleuchten wir den „inneren Schweinehund“ in uns etwas näher. Gäbe es diesen Widerstand in uns nicht, täten wir all das, was gut für uns ist. Er begegnet uns in allen Bereichen. Denken Sie nur an die Vorsätze, Sport zu treiben oder mit dem Rauchen aufzuhören. Genauso verhält es sich auch mit dem Selbstcoaching. Es gibt ständig einen Widerstand in uns, den wir besiegen müssen.

Das 5. Kapitel ist ein reines Übungskapitel. Hier finden Sie einen Fragekatalog, worin Sie festhalten können, was in Ihnen Unbehagen auslöst. Wie fühlt sich dieser Zustand an? In welchen Situationen empfinden Sie dieses Unbehagen? Was denken Sie über sich selbst, was denken Sie über andere? Wie reagieren Sie normalerweise, und zu welchem Ergebnis führt diese Reaktion?

Viel Erfolg wünschen Ihnen

Gunnar Cramer und Dag Furuholmen

Kapitel 1  Grundlagen des Selbstcoachings

Was kennzeichnet das Selbstcoaching?

Der Trainingsaspekt

Selbstcoaching ist eine lösungsorientierte, praktische Arbeitsmethode, bei der das Besondere der Trainingsaspekt selbst ist. Viele Probleme sind das Resultat mangelnder Flexibilität und festgefahrener Verhaltensweisen. Dies wiederum führt zu einem Lebensstil, der langfristig Probleme schafft. Bei den meisten aber lassen sich diese Probleme wegtrainieren. Oft vermitteln bereits kleine Veränderungen ein neues Gefühl von Hoffnung und Freiheit. Dabei bedeuten Veränderungen nicht notwendigerweise große Revolutionen und Persönlichkeitsveränderungen – oft sind es wirklich die kleinen Schritten, die weiterhelfen.

Setzen Sie sich ein konkretes Ziel, das Sie erreichen wollen.

images/13_Wunder.jpg

Wie bei anderen Trainingsprogrammen auch ist ein aktiver persönlicher Einsatz nötig, um eine Weiterentwicklung zu erreichen. Sie müssen sich ein konkretes Ziel setzen, um sich in die richtige Richtung bewegen zu können. Nutzen Sie Ihren Willen, um ausdauernd und zielorientiert zu sein, und trainieren Sie hart, um eine Veränderung herbeizuführen.

Von Schwäche zu Stärke

Ihre Schwächen – wie nicht Nein sagen zu können oder zu aufbrausend zu sein – sind keine Gebrechen, sondern Bereiche, in denen Sie durch Übung neue Fähigkeiten entwickeln können. Mit anderen Worten: Mit Ihnen ist nicht etwas nicht in Ordnung, sondern Sie haben die Chance, etwas Neues in Ergänzung zu dem zu erlernen, was Sie bereits können. Vielleicht sind Sie gut darin, verantwortlich, streng und präzise zu sein, aber weniger gut darin, sich ungezwungen zu verhalten und verantwortungslos zu handeln. Die Faustregel hierzu lautet, dass wir Fähigkeiten in eine bestimmte Richtung entwickeln und als Gegenstück dazu weniger entwickelte Fähigkeiten finden.

Um Stärken zu trainieren, müssen Sie auch Schwächen entwickeln.

Ihr „psychologischer Körper“ ist auf der einen Seite gut entwickelt. Um aber eine bessere Balance und gesteigerte Flexibilität zu erhalten, müssen Sie auch die andere Seite ausbauen. Das bedeutet nicht, etwas von dem wegzunehmen, was man gut kann. Schwach, rüpelhaft, streitbar, nörgelnd, ausweichend oder verantwortungslos zu sein, sind Eigenschaften, die in einer gegebenen Situation nützlich sein können. Wenn dies aber das Einzige ist, was Sie können, sind Ihre Fähigkeiten nicht im Gleichgewicht. Um sie in eine Balance zu bringen, müssen Sie trainieren. Wenn Sie beispielsweise nur verantwortungslos, aber nicht verantwortlich handeln können, kann dies (negative) Konsequenzen haben.

Ein junger Mann, der kürzlich Vater geworden war, hatte große Probleme damit, sich erwachsen und verantwortlich in seiner neuen Rolle zu verhalten. Er wich der Verantwortung am Arbeitsplatz aus, hatte keinen regelmäßigen Tagesrhythmus, überließ seiner Partnerin die Betreuung des Kindes, kleidete sich wie ein 15-Jähriger und lehnte sich gegen alle Einschränkungen und Autoritäten auf. Interessanterweise war eine seiner unangenehmsten Aufgaben im Rahmen unseres Seminars, sich die Haare schneiden zu lassen und einen Anzug zu kaufen. Das waren für ihn Symbole für das Erwachsensein. Trotzdem erschien er am letzten Kurstag frisch vom Friseur und im Anzug – prompt erhielt er positives Feedback von den übrigen Teilnehmern. Mit der Zeit verstand er, dass es darum ging, sich selbst ernst zu nehmen, sich zu trauen, seine Rolle als Vater und erwachsener Mann einzunehmen, selbst Autorität zu besitzen und aufzuhören, die eigene abweisende Haltung gegenüber Partnerin und Autoritäten sein Leben steuern zu lassen.

Das Training findet im Jetzt statt

Wir wollen nicht die Vergangenheit als ein Mittel zur Problemlösung nutzen, indem man diese aufs Neue durchlebt und durchleidet. Die Vergangenheit ist vergangen. Aber wir sind interessiert an den Fähigkeiten, die Sie in der Vergangenheit erlernt haben. Daher ist es wichtig, Ihre Geschichte zu kennen, damit Sie sich Ihrer alten Verhaltensweisen bewusst werden können.

Oft sind diese Verhaltensweisen jedoch automatisiert und können Probleme schaffen. Deshalb ist das Bewusstmachen alter Muster ein wichtiger Teil der Arbeit. Denken Sie beispielsweise an Sport und Training. Man muss erst verstehen, wie man eine Übung oder eine Bewegung macht, bevor man eine neue Version einstudiert. Auf die gleiche Art und Weise muss man sich darüber klar werden, wie man selbst mit anderen zusammenarbeitet, um für sich neue Arten der Interaktion zu erlernen. Diese Klarheit ist notwendig, um zielgerichtet handeln zu können.

Von der Erkenntnis zur Handlung

Die Gefühle und Bedürfnisse, die wir während unseres Heranwachsens unterdrücken, bleiben oft ein ausgegrenzter Bereich. Als Erwachsener ist es wichtig, wieder Kontakt mit diesen Gefühlen und Bedürfnissen aufzunehmen. Hatten Sie beispielsweise Probleme damit, Nähe zu suchen, weil Sie oft abgewiesen wurden, ist es wahrscheinlich, dass Sie Ihr Leben als Erwachsener auf eine Weise fortsetzen, die zum gleichen Ergebnis führt. Sie sind einsam und traurig, ohne zu verstehen, dass Sie Ihre Probleme aufrechterhalten, indem Sie keine Möglichkeit für Nähe schaffen. Ein Schritt im Selbstcoaching ist es, Klarheit darüber zu erlangen, was man braucht und fühlt. Hat man diese Klarheit und Erkenntnis erreicht, ist Verhaltenstraining nötig, um ein positives Ergebnis zu erreichen. Sie müssen üben, sich mitzuteilen und sich auf eine Art und Weise zu verhalten, die andere verstehen und mit der Ihre Bedürfnisse befriedigt werden.

Parallelen zum körperlichen Training

Es gibt bei dem Selbstcoaching, also dem Persönlichkeitstraining, viele Parallelen zum körperlichen Training. Sie sind vielleicht stark bezüglich einzelner Muskelgruppen, da Sie diese ständig trainiert haben, während andere wiederum noch nicht ausgebildet sind und weiteres systematisches Training benötigen. Das Gleiche gilt für psychologische „Muskeln“, für Ihre Persönlichkeit und Ihr Selbst. Sie haben vielleicht einige psychologische Fähigkeiten sehr gut entwickelt, andere dagegen noch nicht.

Sind Sie in schlechter körperlicher Verfassung, werden Sie das daran erkennen, dass Ihnen die „Puste ausgeht“ und Sie beim Treppensteigen mehrfach stoppen müssen. Sie bekommen Rücken- und Armschmerzen, wenn Sie Dinge heben. Für die meisten ist das ein Zeichen dafür, dass sie körperlich trainieren müssen. Auch wenn es ein Kraftakt für Sie ist, sich zu aktivieren, wissen Sie, dass Sie sich mit der Zeit gut fühlen werden und Ihr Wohlbefinden und Ihre Kraft gesteigert werden. Ihr Rücken wird gestärkt und Ihre Atmung besser, und bald sind Sie Ihre Wehwehchen los.

Für einen dauerhaften Erfolg müssen Sie genau wie im Sport üben.

Genauso verhält es sich, wenn Sie in schlechter psychologischer Verfassung sind. Ihre Stimmung sinkt, Sie sind weniger belastbar und bekommen mit der Zeit Probleme. Sie empfinden einen ständigen Zeitmangel, geraten oft in Streit oder sind viel zu passiv und antriebslos. Ständig taucht der Gedanke auf, nicht gut genug zu sein, und Sie fühlen sich gestresst und niedergeschlagen. Was tun mit dieser Situation? Beim körperlichen Training wissen Sie mit Sicherheit, was zu tun wäre. Um psychologisch zu trainieren, müssen Sie genauso konkret sein und sich die Zeit nehmen, die Sie brauchen.

Trainingsmuskelkater

Muskelkater kann sich in Form eines schlechten Gewissens äußern.

Muskelkater kennen Sie aus dem Sport, und wenn Sie ihn hinterher in den Gliedmaßen spüren, wissen Sie, dass Sie sich gesteigert haben. Auch beim Training Ihrer Persönlichkeit können Sie eine Art Muskelkater empfinden, ein inneres Unbehagen und eine innere Unruhe. Oft tauchen beim Selbstcoaching negative Gedanken in Form eines schlechten Gewissens auf, dem Gefühl, sich blamiert zu haben oder die Sorge darüber, was andere von Ihnen denken. Sind Sie es gewohnt, nett und rücksichtsvoll zu sein, und sagen dann Nein und setzen Grenzen, müssen Sie es ertragen, ein wenig Muskelkater zu bekommen. Sie fühlen sich womöglich „böse“.

Gesteigerte Trainingsintensität nach ersten Erfolgen

Ausdauer trainieren, Muskeln aufbauen – das kennen Sie. Aber sich selbst, Ihre Psyche trainieren? Das soll klappen? Zunächst einmal wird es Ihnen komisch vorkommen, psychologisch, das heißt sich selbst zu trainieren. Aber denken Sie daran: Sie selbst kennen sich immer noch am besten. Daher kann Selbstcoaching sinnvoll sein, um mit Erfolg Ihre Ziele zu erreichen. Allerdings müssen Sie sich realistische Ziele setzen. Fragen Sie sich selbst: „Wie soll ich mit dem Training beginnen?“, „Was will ich erreichen?“, „Was ist ein angemessener Fortschritt für mich?“

Dokumentieren Sie Ihre Fortschritte und Erfolge.

Der Begriff Fortschritt ist wichtig für alle Arten von Training. Zunächst müssen Sie mit einer angemessen niedrigen Trainingsbelastung beginnen und diese nach und nach steigern, wenn Sie stärker, sicherer und tüchtiger in einer Fähigkeit geworden sind. Man kann es damit vergleichen, eine Treppe mit angemessen hohen Stufen zu konstruieren, von denen jede Stufe ein Teilziel darstellt. Wo glauben Sie, ist es am leichtesten, das Training zu starten? Möchten Sie damit beginnen, am Arbeitsplatz zu üben, mit einem engen Freund oder zu Hause gemeinsam mit Ihrer Partnerin beziehungsweise Ihrem Partner? Bei welchen Personen haben Sie die besten Möglichkeiten, bereits Erfolg zu haben, bevor sie geübter sind? Denken Sie an die Parallelen zum körperlichen Training.

Während des Trainingsverlaufs müssen Sie abschätzen, ob Trainingsweise und Intensität realistisch sind und Ihnen ein Gefühl von Fortschritt vermitteln. Stecken Sie die Ziele zu hoch, wird das gesamte Projekt nur zu Frustration führen statt zu einem Erlebnis von Fortschritt und Entwicklung. Wir empfehlen Ihnen, ein eigenes Trainingstagebuch zu führen. Was konkret haben Sie in der vergangenen Woche oder im vergangenen Monat gemacht? Gab es Fortschritte, oder haben Sie die Übungen vernachlässigt? Sind Sie so weit gekommen, dass Sie die Trainingsintensität steigern können, um weitere Fortschritte zu machen? Üben Sie im Kontext neuer Situationen, neuer Personen oder in neuen Lebensbereichen. Ziel des Trainings ist es, zufriedener und flexibler zu werden – und nicht ein tüchtiger Sportabhängiger.

Mentale Vorbereitung

Ebenso wie Ihr körperlicher Zustand Ihre psychische Leistungsfähigkeit beeinflusst, gibt es auch den entgegengesetzten Einfluss. Sportler nutzen mentales Training, um bessere Leistungen zu erzielen. Sie nehmen beispielsweise die Fantasie zur Hilfe, um sich selbst perfekte Bewegungen machen und Leistungen vollbringen zu sehen, sie arbeiten mit Selbstvertrauen und Entspannung. Auch beim Selbstcoaching kann es hilfreich sein, sich vorzustellen, wie man gerne handeln möchte, oder man kann sich mithilfe von Notizen und Üben vor dem Spiegel vorbereiten.

Lernen an Vorbildern

Ein wichtiges Hilfsmittel beim Training sind Vorbilder: Wie machen andere etwas? Wie können Sie was von ihnen lernen? Es gibt immer jemanden in Ihrer Nähe, der kann, was Sie gerne lernen möchten. Kinder zeigen dieses Verhalten ganz instinktiv. Sie schauen, was andere Kinder tun, beobachten Mutter und Vater oder Geschwister und ahmen nach, was sie sehen. Viele Erwachsene glauben, sie seien so geboren oder es sei ihre Persönlichkeit, die man nicht ändern könne. Sie haben Vorstellungen wie: „Das bin nicht ich, jetzt tue ich so, als sei ich jemand anders, als ich in Wirklichkeit bin. Jetzt bin ich falsch.“ Sie sagen vielleicht wie die meisten: „Ich bin nicht so, das wäre absolut gekünstelt, das passt nicht zu mir.“

Schauen Sie ruhig das Verhalten bei anderen Personen ab.

Kinder sind da anders, sie sind auf natürliche Weise flexibel. Sie experimentieren mit verschiedenen Verhaltensweisen und lernen von vielen verschiedenen Vorbildern und Rollen.

Wie kann Selbstcoaching Ihnen helfen?

Kontakte knüpfen und halten

Weite Bereiche unserer Psyche, unsere Reaktionen und unser Verhalten bauen auf der Kontaktfähigkeit auf.

Früher war man in Säuglingsstationen der Meinung, es kämen jene Kinder am besten durch, deren Betten nahe bei den Krankenschwestern stünden. Tatsächlich bekamen die Kinder, die am weitesten entfernt lagen, häufiger psychische Probleme, sie wurden öfter krank und hatten eine höhere Sterblichkeit. Kinder, denen diese Kontaktfähigkeit fehlt, die Fähigkeit, sich fallen zu lassen und anderen zu vertrauen, sind früh in ihrer Kontaktfähigkeit geschädigt worden.

Wie ist es mit Ihnen als Erwachsenem? Haben Sie genügend Kontakt? Sind Sie zufrieden mit der Qualität Ihres Kontakts zu Ihrem Partner, zu Ihren Kindern und Freunden? Hätten Sie gerne mehr Freunde oder einen besseren Kontakt zu den Freunden, die Sie haben? Wünschen Sie sich vielleicht einen Partner? Haben Sie Lust, daran zu arbeiten, das Verhältnis zu Ihren Arbeitskollegen zu verbessern?

Kontaktmangel ist ein zentrales Thema, das viele mit sich herumtragen.

Eines der generellen Ziele unserer Arbeit ist das Training ungenutzter Kontaktressourcen, das heißt, alte Kontakte zu pflegen und zu intensivieren sowie neue Kontakte aufzubauen. Um Kontakte zu knüpfen und um vom Gegenüber verstanden zu werden, müssen Sie Ihre Gefühle, Bedürfnisse und Gedanken mitteilen. Das tun Sie mithilfe von Sprache und Tonfall, durch Mimik, Körpersprache und Handlungen, die den Schlüssel zu Ihrer Kontaktfähigkeit darstellen und die es Ihnen erleichtern, Kontakt herzustellen. Sie können Ihre Kontaktfähigkeit verbessern, indem Sie neue konkrete Verhaltens- und Ausdrucksweisen trainieren. Das verleiht Zufriedenheit und psychisches Wohlbefinden. Wenn wir davon sprechen, Verhalten zu trainieren, heißt das nicht, dass diese neuen Verhaltensweisen trainiert werden müssen, um dadurch Akzeptanz oder nette Rückmeldungen von seiner Umgebung zu erhalten. Neue Verhaltensweisen sind etwas, was Sie üben können, weil Sie auf diese Weise etwas über Ihr Inneres ausdrücken können. Sehnen Sie sich nach Kontakt, müssen Sie lernen, sich „persönlicher“ mitzuteilen. Anstatt sich zurückzuziehen und zu isolieren, gibt Ihnen dies die Möglichkeit, diese wichtigen Bedürfnisse zu erfüllen.

Wenn Sie sich nach Kontakt sehnen, müssen Sie sich mitteilen können.

Viele von uns glauben, guter Kontakt bedeute, einander ohne Worte zu verstehen. Betrachtet man dies genauer, so zeigt sich, dass wir eine Menge Signale bewusst oder unbewusst äußern. Wir alle versuchen, die Blicke anderer zu deuten, doch gibt es dabei viel Raum für Missverständnisse. Wir kannten Ehepaare, die auch nach jahrelangem Zusammenleben nicht in der Lage waren, einander ihre Gefühle und Wünsche zu vermitteln.

Eine erwachsene Frau war wütend auf ihren Ehemann, weil dieser nach 20 Jahren des Zusammenlebens noch immer nicht wusste, was sie brauchte. Wir baten sie, genauer zu beschreiben, was sie meinte, denn keiner in der Gruppe kannte sie länger als einige Stunden, und wir konnten daher unmöglich wissen, welche Wünsche sie hatte. Sie saß lange schweigend und mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck da, bevor sie endlich antwortete: „Ich weiß es nicht! Ich weiß tatsächlich nicht, was ich brauche.“

Harmonie zwischen dem Inneren und dem Äußeren schaffen

Sie stellen Kontakt her, indem Sie zeigen, was in Ihrem Inneren vor sich geht.

Wenn Sie mit Bauchgrimmen umhergehen und dabei nach außen ein Lächeln aufsetzen, wie sollen andere Ihr Unwohlsein denn bemerken? Sie fühlen sich vermutlich unwohl mit der Spannung, die zwischen Ihrem Inneren und Ihrem Äußeren entsteht. Die, mit denen Sie Kontakt wünschen, verstehen nicht, wie es Ihnen geht. Mit dieser „sozialen“ Maske oder Fassade gehen viele den ganzen Tag umher. Die Befürchtung, durchschaut zu werden oder das Gesicht zu verlieren, macht ihnen Sorgen. Indem sie Teile von sich verstecken und nur die Fassade mit anderen in Kontakt kommt, werden sie das Gefühl von Einsamkeit erleben. Deshalb ist es wichtig, die Mitteilung eigener Gefühle und Bedürfnisse zu üben, sodass auch andere Ihrer inneren Seiten zum Ausdruck kommen. Erst dann werden Sie sich sicher fühlen.

Die persönliche Verantwortung übernehmen

Am Ende sind immer Sie es, der die Verantwortung trägt.

Wir alle haben die Tendenz, die Verantwortung für unseren Zustand und unser Glück auf andere abzuwälzen. „Wärst Du nur ein wenig netter, aufmerksamer, ein besserer Zuhörer, spannender oder verantwortungsbewusster, so ginge es mir gut. Also ist es Deine Schuld, dass es mir nicht gut geht. Ich lege mein Leben in Deine Hände und erwarte, dass Du Dich veränderst, damit ich zufrieden bin. Ich bin von Dir abhängig und bis auf Weiteres zu einem hilflosen Opfer geworden.“

images/21_eigenesLeben.jpg

Als Kind waren Sie von Ihren Erziehungsberechtigten abhängig. Aber schließlich übernehmen Sie selbst die Verantwortung für Ihr Leben, ob Sie es wollen oder nicht. Sie sind verantwortlich für Ihre Reaktionen, Entscheidungen und Handlungen und dafür, wie Sie wirken. Diese Einstellung ist eingebettet in die Sprache. Das englische Wort responsibility setzt sich zusammen aus ability (Fähigkeit) und response (Reaktion). Verantwortung heißt, dass wir die Fähigkeit haben zu reagieren, unsere Wünsche zu äußern, unsere Meinung zu sagen, deutlich Ja oder Nein zu sagen.

Offen und direkt kommunizieren

Durch persönliche und verantwortliche Kommunikation können Sie Kontakt herstellen. Was bedeutet das in der Praxis? Es bedeutet, in der Ichform zu sprechen, anstatt „man, einer, Du oder mehrere von uns“ zu sagen. Es bedeutet, einen klaren Absender zu haben und für die eigene Botschaft verantwortlich zu sein. Sie brauchen auch eine klare Adresse: Ich spreche mit Dir. In Kombination mit deutlichem Blickkontakt und einem zur Botschaft passenden Tonfall wird diese beim Empfänger als offen und ehrlich wahrgenommen.

Durch direkte Kommunikation sind Sie für Ihre Botschaft verantwortlich.

Das Maß an Offenheit oder Verheimlichung ist wesentlich für die Atmosphäre in allen Zusammenhängen, auch in Beruf und Familie. Gesunde Organisationen zeichnen sich durch eine hohe Toleranz und einen offenen Umgang mit Meinungsverschiedenheiten aus; Geheimhaltung und Beschränkungen darüber, was man laut sagen darf, führen dagegen zu Verunsicherung und Misstrauen.

Offenheit schafft Sicherheit.

Viele erzählen, dass sogenannte Tabuthemen während des Heranwachsens bei ihnen ein extremes Gefühl von Unsicherheit hervorgerufen haben. Der Versuch, Alkoholmissbrauch vor der Umwelt zu verheimlichen, ist ein immer wiederkehrendes Thema: Wahre die Fassade! Es ist Deine Aufgabe, die Familie nach außen hin heil dastehen zu lassen! Beschwere Dich bei niemandem! Kinder, die sich nicht trauen, Freunde nach Hause einzuladen, kompensieren das in der Schule mit Fleiß, Höflichkeit oder Coolness. Als Erwachsene leiden sie unter Schamgefühl und der Angst aufzufliegen.

Sicherheit ist ein wichtiges Thema und eine Voraussetzung für Wohlbefinden. Indem Sie persönlich die Verantwortung übernehmen und nach außen hin zeigen, was in Ihnen vorgeht, werden Sie sich mit der Zeit sicherer fühlen. Mit anderen Worten: Sie selbst sind es, der die Verantwortung dafür trägt, ein Gefühl von Selbstsicherheit zu entwickeln. Begegnet Ihnen jemand trotzdem auf eine Art und Weise, die Sie nicht angenehm finden, ist es auch hier Ihre Verantwortung zu entscheiden, ob Sie bleiben oder gehen wollen.

Handeln Sie anders, dann verändern Sie etwas

Viele haben ein übertriebenes Vertrauen darin, es werde alles gut gehen, wenn man nur reflektiert genug sei. Oft fragen wir die Teilnehmer unserer Therapiegruppen: „Gibt es jemanden, der weiß, was er tun müsste, damit es ihm besser geht?“ Fast alle beantworten dies mit Ja – aber warum verhalten sie sich dann nicht anders? Nach unserer Erfahrung erreicht man keine wirkliche Veränderung, ohne zuvor die Fertigkeiten dafür trainiert zu haben. Wenn wir zum ersten Mal etwas Neues tun oder sagen, empfinden wir dies als unangenehm oder vielleicht als unheimlich. Es gibt eine Barriere aus Gedanken, Bedenken und Befürchtungen zwischen dem Andersdenken, dem Sich-etwas-anderes-Wünschen und der tatsächlichen Handlung.

Alte Verhaltensmuster sind so automatisiert, dass wir unbewusst handeln, wie wir es gewohnt sind. Arne, eine Führungskraft aus dem mittleren Management, hatte ein Problem damit, Nein zu sagen, speziell einem dominierenden Kollegen gegenüber. Wir fanden eine Person in der Trainingsgruppe, die diesem Kollegen ähnelte, und ließen Arne das Neinsagen trainieren. Sein Sparringpartner kam polternd mit einem Stapel Papier herein, und bevor Arne verstand, was er tat, hatte er seine Arme ausgestreckt, um den Stapel entgegenzunehmen, während er gleichzeitig verzweifelt versuchte, den Kopf zu schütteln. Nach vielen Versuchen fand er endlich eine Methode, die funktionierte. Er ging zu einem Regal, kehrte seinem Kollegen den Rücken zu und blätterte in einigen Papieren, während er sagte: „Kommen Sie herein!“ Dem Kollegen mit dem Rücken zugewandt und mit nur einem flüchtigen Blick in dessen Richtung, schaffte er es – zur großen Begeisterung der Gruppe –, die Aufgabe abzulehnen.

Zufriedenheit schaffen durch neues Verhalten

Viele Menschen haben Probleme damit, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Sie selbst erklären sich das allerdings nicht damit, dass sie untrainiert seien, sondern dass sie schon so geboren wurden. Entsprechend denken manche, dass sie nie eine gute körperliche Verfassung erreichen werden, das sei schlicht unmöglich. Hier werden sie allerdings Widerstand von den meisten erhalten: „Alle können doch durch Training fit werden, auch wenn sie vielleicht kein Wettbewerbsniveau erreichen!“

Möglicherweise sind Sie zunächst unsicher oder haben eine zitternde Stimme, und es kann gut sein, dass Sie sich unbeholfen fühlen und Angst haben, sich zu blamieren. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich hierbei um ganz normale Reaktionen handelt, die die meisten Menschen erleben, bevor sie genug Übung bekommen haben.

Es ist wichtig, sich selbst immer wieder herauszufordern.

Die Persönlichkeit kann „erstarren“, man fühlt sich unflexibel und „funktioniert“ nicht mehr. Ihre alten Verhaltensweisen funktionieren nicht, weder in Ihrem neuen Job noch in Ihrer Ehe oder in der neuen Beziehung? Es ist schwierig oder sogar unmöglich, Ihre Bedürfnisse zu befriedigen, oder Sie geraten ständig in Konfliktsituationen? Dann müssen Sie ein neues und funktionaleres Verhalten erlernen, um Zufriedenheit zu erreichen! Um es positiv auszudrücken: Wenn Sie sich unbehaglich fühlen und trotzdem etwas verändern, sind Sie vermutlich auf dem rechten Weg, und das Training wird bald einen Effekt haben. Jetzt gilt es nur, am Ball zu bleiben, dann werden Sie sich mit der Zeit besser fühlen.

Wann brauchen Sie Selbstcoaching?

Wenn die Kommunikation zusammenbricht oder wir Schwierigkeiten haben uns mitzuteilen, kann es sinnvoll sein, neue Fähigkeiten zu erlernen und an sich selbst zu arbeiten.

Sie halten an Verhaltensweisen fest

Sie wiederholen ständig Haltungen und Verhaltensmuster, die Sie als Erwachsenen nicht zufriedenstellen? Sie sind permanent unzufrieden, erschöpft, einsam oder frustriert? Dann wird es Zeit, an sich selbst zu arbeiten!

Sie geraten ständig unter Zeitdruck

Eine Aussage wie „Ich habe nie Zeit, alle erwarten so viel von mir, ich kann einfach nicht Nein sagen, ich schaffe es nicht, andere zu enttäuschen, es ist eine einzige Schufterei“ ist ein Zeichen dafür, dass Sie lernen müssen, Grenzen zu setzen. Sie müssen lernen, Nein zu sagen und sich damit den Freiraum schaffen, um Ja zu den Dingen sagen zu können, durch die Sie Energie tanken, zusammen mit anderen Menschen, aber auch allein.

Es kommt häufig zu Konflikten und Brüchen

Falls Sie oft mit Ihrem Partner oder Ihren Freunden streiten und sich dann zurückziehen und aufgewühlt sind, ist das ein Zeichen dafür, dass Sie Ihre Kontakt- und Kommunikationsfähigkeiten trainieren müssen.

Sie sind häufig gestresst

Sind Sie die meiste Zeit gestresst, kann das ein Zeichen dafür sein, dass Sie lernen müssen, Grenzen zu setzen und angenehme, energiebringende Situationen zu erleben. Dann sollten Sie versuchen, sich darüber klar zu werden, was in Ihnen vorgeht. Stress ist ein schwammiger Begriff und kann mehr Verwirrung stiften als Klarheit darüber schaffen, was Sie brauchen.

Sie entwickeln störende Symptome

Störende Symptome wie Unruhe, Stress, Angst, körperliches Unbehagen, Angespanntheit, Niedergeschlagenheit, Depression, Erschöpfung oder Schmerzen sind oft ein Zeichen dafür, dass das, was in Ihrem Inneren passiert, nicht mit dem zusammenhängt, was Sie nach außen zeigen. Möglicherweise unterdrücken Sie Bedürfnisse, möglicherweise zeigen Sie zu wenig Gefühle, um eine Fassade aufrechtzuerhalten, oder Sie harren derart ruhig und passiv aus, dass eine depressive Reaktion ausgelöst wird.

Die vier Phasen beim Selbstcoaching

Erst das Problem erkennen, dann lösen.

Wie sieht nun Selbstcoaching in der Praxis aus? Hierzu ein Beispiel mit einem alltäglichen Problem, das Sie bestimmt kennen. Um das Problem zu erkennen und zu lösen, bedarf es des Selbstcoachings, das sich in vier Phasen gliedert:

Phase 1: Das ist kein Thema für mich … Ich habe kein Problem.

Phase 2: Ich weiß, was ich brauche, aber ich kann es nicht … Ich habe ein Problem.

Phase 3: Ich fühle mich unbeholfen und dumm, aber ich löse das Problem.

Phase 4: Endlich ein Erfolgserlebnis, jetzt schaffe ich es … Das Problem ist gelöst!

Einfachheitshalber haben wir als Beispiel das Erlernen des Radfahrens gewählt:

Phase 1: Sie können nicht Rad fahren, haben nicht den Wunsch, Rad fahren zu können und empfinden dies nicht als Problem.

Mit dem Älterwerden wurden Sie, wie alle anderen, durch Ihre Umwelt beeinflusst. „Alle“ konnten Rad fahren und hatten ein Fahrrad zum Geburtstag bekommen. Radeln zu können, wurde plötzlich zur wichtigsten Sache der Welt, aber die Fähigkeit fehlte, und Sie hatten ein Problem.

Phase 2: Sie haben ein Bedürfnis, aber nicht die Fähigkeiten, dieses zu stillen und haben folglich ein Problem.

Dieses Unbehagen ist unser Motivator, es folgt die Erkenntnis: „Dieses Problem kann ich lösen, indem ich mir das Fahrradfahren beibringe! Mama und Papa müssen mir dabei helfen. Ich muss rausgehen und das Radfahren üben.“

Sie stellen sich vielleicht vor, sich zu blamieren, sich dumm anzustellen oder es nicht zu schaffen. Vielleicht haben Sie Angst, hinzufallen und sich zu verletzen. Schon zu diesem Zeitpunkt haben einige so viele negative Vorstellungen, was alles passieren könnte, dass der erste Versuch zur Qual wird. Nicht ohne Grund wird das erste Mal – beinahe unabhängig davon, was es zu meistern gilt – als ein magischer, konfliktgeladener Augenblick beschrieben, sei es nun beim Radfahren oder in der Zusammenarbeit mit anderen.

Aber ungeachtet dessen beginnen Sie zu üben! Wie die meisten Kinder sind Sie motiviert und voller Unternehmungsgeist. Sie lassen sich nicht durch die negativen Gedanken behindern, und selbst wenn Sie fallen und sich verletzen, schwingen Sie sich dennoch wieder auf Ihr Fahrrad.

Phase 3: Sie fühlen sich unbeholfen, aber sind froh und erleichtert über das, was Sie schaffen. Die Fähigkeiten sitzen noch nicht hundertprozentig, aber Sie haben das Problem fast gelöst.

Zweifel sind anfangs ein natürliches Gefühl beim Selbstcoaching.

Sie stehen wieder auf und sind geknickt. Sie erinnern sich sicherlich, dass Sie eine Phase überwinden mussten, in der Sie unbeholfen waren, in der es schwierig war, in einer Steigung zu starten, in der Sie überlegen mussten, wo die Bremse ist, in der es schwierig war, die Balance zu halten und sich an all das gleichzeitig zu erinnern. Es ist eine sensible Phase: „Was ist, wenn ich es nie schaffe?“ Da ist es leicht, aufzugeben und die negativen Gedanken das Ruder übernehmen zu lassen. Aber wie die meisten Kinder meistern Sie das Lernpensum immer besser und können mit der Zeit Ihr Bedürfnis nach dem Radfahren stillen, wenn Sie Lust dazu haben.

Sie haben das Problem gelöst und sind in Phase 4, Sie können Fahrrad fahren, wenn Sie Lust dazu haben, Sie haben eine neue Fähigkeit erlernt.

Sie waren einer der kleinen Helden, die das Fahrradfahren erlernt haben und sind sehr stolz darauf! Sie erinnern sich sicherlich noch wie heute an das Glücksgefühl, etwas zu beherrschen, an das Gefühl von Geschwindigkeit und Bewegungsfreiheit. Das ist die Belohnung dafür, dass Sie mithilfe des Trainings allen Schwierigkeiten getrotzt haben. Die äußerliche Fähigkeit stillte Ihr inneres Bedürfnis, und das Radfahren wurde zu einem natürlichen Teil Ihres Repertoires, beinahe genauso natürlich wie das Essen.

Das Training psychologischer Fähigkeiten

Diejenigen, die sich trotz normaler Voraussetzungen schwertun, das Radfahren zu erlernen, haben eine Menge negativer Vorstellungen. Es sind mit anderen Worten Ihre Gedanken und Ihre negativen Erwartungen und Bedenken, die das größte Hindernis beim Erlernen neuer Dinge darstellen. Hier lässt sich eine Parallele zu den Problemen und dem Widerstand ziehen, den Sie beim Erlernen einer neuen, eher sozialen Fähigkeit erleben werden.

Gedanken und negative Erwartungen behindern uns beim Erlernen neuer Dinge.

Ebenso wie Ihnen das Gehen, Fahrradfahren, Schwimmen und Skifahren zur Selbstverständlichkeit geworden sind, so haben Sie sich im Laufe Ihres Lebens auch eine Reihe psychologischer Fähigkeiten angeeignet, die Sie beherrschen. Für die meisten, die unter Unwohlsein und psychischen Symptomen leiden, ist dies ein motivierender Faktor, um Änderungen vorzunehmen. Um Ihre Situation zu verbessern, ist es nötig, neue Verhaltensweisen zu trainieren. Es ist an der Zeit, an sich selbst zu trainieren! Trotz des unbehaglichen Gefühls müssen Sie sich auf das Fahrrad gedanklich zurückversetzen, auf dem Sie als Kind gesessen haben. Diesmal sollen Sie psychologische Fähigkeiten erlernen, doch die Aneignung neuer Fähigkeiten verläuft in denselben vier Phasen wie das Erlernen des Radfahrens.

Wir haben lange Zeit vorbeugend das Burn-out-Syndrom, also das Gefühl, erschöpft und ausgebrannt zu sein, bei Arztkollegen behandelt. Ein sehr sympathischer Kollege hatte große Schwierigkeiten, auf sich und seine Zeit Acht zu geben, aber er war Weltklasse darin, sich um andere zu kümmern. Er war „vielleicht etwas erschöpft“, berichtete er, aber es war ihm nicht bewusst, dass er sich selbst viel schlechter behandelte als alle anderen. Nach einer Weile erkannte er, was er tat, und er erzählte folgende Geschichte über sich: Eines Morgens wurde er auf dem Weg zur Arbeit auf dem Zebrastreifen angefahren und brach ohnmächtig zusammen. Als er langsam wieder zu sich kam, hörte er eine Frau (diejenige, die ihn angefahren hatte) verzweifelt schreien: „Oh Gott, ist hier denn nirgendwo ein Arzt? Ich brauche einen Arzt!“ Und obwohl er sich nur unter Schmerzen bewegen konnte, streckte er eine Hand in die Höhe und rief: „Ja, hier, ich bin Arzt!“ Es dauerte tatsächlich eine Weile, bis er verstand, dass er es war, der Hilfe brauchte.

Genau wie im Beispiel mit dem Radfahren können wir beim psychologischen Fähigkeitstraining vier Phasen identifizieren. Benutzen wir das Beispiel unseres hilfsbereiten Kollegen: Er wuchs in einer friedlichen, christlichen Familie auf. Bei ihm zu Hause gab es wenig Krach und Streit, und es war wichtig, ein lieber und guter Mensch zu sein. Er wurde lieb, tüchtig, ein guter Helfer, und alles lief gut, sowohl in seiner Jugend als auch in seiner eigenen Familie. Er war in Phase 1 und hatte keine Probleme. Aber mit fordernden und streitliebenden Patienten hatte er Schwierigkeiten. Er konnte nicht Nein sagen und saß bis weit in den Abend hinein in seinem Büro mit Konsultationen, ärztlichen Gutachten, Hausbesuchen und traurigen Schicksalen. Er war nicht in der Lage, seine Kollegen um Hilfe zu bitten, sondern glaubte, alles selbst machen zu müssen. Das beeinträchtigte seine Gesundheit und sein Wohlbefinden, und schließlich merkte er, dass es so nicht weiterging. Er erkannte, dass er etwas verändern musste. Er war in Phase 2 angelangt, er hatte ein Problem bekommen.

Bei unserem netten Kollegen war es so weit gegangen, dass er Symptome entwickelte. Er war erschöpft, angespannt und hatte Schlafstörungen. Wir ließen ihn zehn unterschiedliche Varianten aufschreiben, mit denen er die Forderungen seiner Patienten abweisen sollte. Nach kleinen Korrekturen und etwas Training fand er „fünf Lieblingsabweisungen“, die alle höflich, freundlich, aber bestimmt waren. Diese musste er zunächst auf einem Zettel neben dem Telefon liegen haben, um die Aufgabe zu bewältigen. Er befand sich in Phase 3, er war unbeholfen und fühlte sich unsicher.

Aber trotz vieler Gedanken darüber, böse zu sein und ein schlechtes Gewissen haben zu müssen („Muskelkater“), war gleichzeitig die Erleichterung so groß, dass er das Training fortsetzte. Diese Phase ist besonders wichtig. Es ist typisch, dass man sich gleichzeitig mutig und zufrieden fühlt, froh darüber ist, etwas Neues zu tun oder zu sagen, und gleichzeitig „Muskelkater“ bekommt. Heute hat er keine Probleme mehr damit, seinen Patienten Grenzen zu setzen. Er ist ruhig und hat Selbstvertrauen entwickelt. Er hat Phase 4 erreicht und das Problem gelöst.

Handeln, handeln, handeln

Es ist mühsam, aber kleine Veränderungen werden Ihnen ein gutes Gefühl geben.

Der erste Schritt zur Veränderung ist die veränderte Handlung. Es nützt nichts, nur darüber nachzudenken. Nur durch Verhaltensänderungen können Sie reale Veränderungen bewirken. In all unseren Gruppen wissen die meisten Teilnehmer, was sie verändern müssten, um zufriedener zu sein. Etwas Neues zu tun, erleben jedoch viele wie einen Sprung von einer steilen Klippe. Die Magie und die Spannung beim ersten Schritt bewirken oft entgegengesetzte Vorzeichen: Sie sind aufgewühlt, ängstlich und fühlen sich böse, dumm oder unangemessen. Sie bekommen Herzklopfen, Schweißausbrüche, Ihre Stimme versagt – das kann tatsächlich bedeuten, dass Sie auf dem richtigen Weg sind! Genau dieses Gefühl müssen Sie anstreben, wenn Sie psychologisch trainieren.

images/32_Problem.jpg

Kapitel 2   Selbstcoaching im Alltag

Wie teilen Sie Ihren Alltag ein?

Einleitung

Wenn Sie viel Zeit in dem einen Bereich investieren, bleibt keine für einen anderen.

Sie haben nun einiges über Selbstcoaching sowie psychologisches Training und dessen Inhalte gelesen. Ein Großteil dieses Trainings findet im Alltag statt. Wir haben es auf die gängigsten Lebensbereiche verteilt: Arbeit, Pflichten, Partnerschaft, Freundschaft, Hobbys, Gesundheit, Ruhe und Besinnung sowie Sexualität. Die Zeit, in der Sie schlafen, haben wir nicht mitgerechnet. In der Praxis sprechen wir von rund 17 Stunden, die Ihnen täglich zur Verfügung stehen. In den verschiedenen Bereichen haben wir unterschiedliche Wünsche, Bedürfnisse, Gelüste und Gefühle. Verbringen Sie viel Zeit in einem der Bereiche, ohne sich darüber bewusst zu sein, ist wenig oder keine Zeit für die anderen übrig. Die viel zitierte Zeitnot ist ein typisches Beispiel dafür. Alle wollen etwas von Ihnen, und was bleibt für Sie übrig? Deshalb wollen wir, dass Sie sich im Klaren über Ihre Zeiteinteilung und über die von Ihnen getroffenen Entscheidungen sind. Um zu veranschaulichen, wie viel Zeit Sie in die verschiedenen Lebensbereiche investieren, benutzen wir eine Figur, die wir „Gummimännchen“ nennen.

images/38_Gummimaennchen.jpg

Dieses Gummimännchen (siehe Abbildung oben) ist ein Werkzeug, mit dem Sie sich bewusst machen können, welche Prioritäten Sie in Ihren verschiedenen Lebensbereichen setzen. Malen Sie Ihr persönliches Gummimännchen auf ein Blatt Papier: Die Größe des Kopfes zeigt, welchen Zeitanteil Ihre Berufstätigkeit einnimmt, die Größe des linken Armes zeigt, wie viel Zeit Sie für Ihre Freunde haben, die Größe des rechten Armes führt Ihnen vor Augen, wie viel Zeit Sie Ihrem Partner widmen. Die Größe des linken Beins illustriert die Zeit, die Sie sich für Ihre Gesundheit nehmen, die Größe des rechten Beins zeigt Ihnen, was an Zeit für Sport und Hobbys bleibt. Die Größe des Herzens steht für die Zeit, die Sie sich für Ruhe und Besinnung gönnen, der Bauchbereich, wie wichtig Ihnen Pflichten sind, und der Bereich zwischen den Beinen Ihres Gummimännchens – oder Ihrer Gummifrau – zeigt Ihnen, welchen Stellenwert Sexualität in Ihrem Leben hat.

Nun sehen Sie deutlich, welche Körperteile und welche Zeitanteile groß und welche klein sind. Aber trösten Sie sich: Es gibt kein richtiges oder falsches Gummimännchen, auch wenn Ihre Figur merkwürdig aussehen sollte, so ist das völlig in Ordnung. Zeichnen Sie zusätzlich ein Gummimännchen für Ihre Wochenenden, also für die Zeit, in der Sie nicht arbeiten, dann erhalten Sie eine andere Variante. Es macht auch keinen Sinn, etwas zu ändern, wenn Sie mit Ihrer gegenwärtigen Zeiteinteilung zufrieden sind. Ziel ist es, dass Sie Ihr Leben so gestalten, dass es Ihnen gut geht.

Grundlegende Bedürfnisse

Wenn Sie nicht genug Zeit haben, können Sie auch nicht das befriedigen, was wir grundlegende Bedürfnisse nennen. Es ist wichtig, dass Sie genügend Sicherheit, Zugehörigkeit, Intimität, Sexualität, Zärtlichkeit, Fürsorge, Nähe und generell tiefen Kontakt haben.

Grundsätzlich kann man sagen, dass Arbeit und Pflicht zwei Bereiche sind, die sich von den übrigen Lebensbereichen unterscheiden. Mit Arbeit und Pflicht befriedigen Sie primär die Bedürfnisse Ihres Arbeitgebers oder eines Kunden. Es sind nicht unbedingt Ihre Bedürfnisse, die Sie damit stillen. Große Bereiche Ihres Gummimännchens werden auf diese beiden Bereiche entfallen, und viele empfinden darüber eine ständige Zeitnot. Diese ist ein Resultat Ihrer Erwartungen an sich selbst und stimmt im Übrigen mit den Erwartungen überein, die die Gesellschaft an Sie hat. „Man sollte in jeder Hinsicht perfekt sein, hübsch, tüchtig, eine gute Mutter oder ein guter Vater, sportlich, viele Freunde haben, sozial sein, Yoga machen und sich um die Eltern kümmern.“ Diese Liste ließe sich ins Unendliche fortsetzen, und es ist nicht leicht, diese vielfältigen Erwartungen zu erfüllen. Viele empfinden dies als aussichtslos und schwierig, werden müde und fühlen sich ausgebrannt. Deshalb ist die Balance zwischen Pflichten, Arbeit und den anderen Bereichen wesentlich.

Vernachlässigen Sie Ihre grundlegenden Bedürfnisse, werden Sie allmählich ein freudloses Dasein führen und möglicherweise mit der Zeit Krankheitssymptome entwickeln. Für viele macht offener und naher Kontakt verletzlich und ist daher schwierig. Wie ist es bei Ihnen? Werden Ihre grundlegenden Bedürfnisse in der Beziehung zu Ihrem Partner erfüllt? Haben Sie das Gefühl, von Ihrem Partner und Ihren Freunden gesehen und gehört zu werden?

Sobald Bedürfnisse befriedigt sind, geht die Motivation zur Veränderung verloren.

Der amerikanische Psychiater Abraham Maslow (1908–1970) entwickelte eine Bedürfnishierarchie in Form einer Pyramide: Das Fundament bilden die notwendigsten und grundlegendsten Bedürfnisse, die man zum Überleben decken muss. Dazu gehören die physiologischen Bedürfnisse wie Luft, Flüssigkeit, Nahrung, Wärme und Bewegung. Wir tun alles dafür, um diese zufriedenzustellen, und unser Körper liefert uns klare Signale, sobald etwas nicht in Ordnung ist. Darüber in einer zweiten Ebene der Bedürfnispyramide von Maslow stehen die Sicherheitsbedürfnisse. Ist alles um mich herum ruhig und sicher? Gibt es etwas, wovor ich Angst haben müsste? Ist diese Ebene befriedigt, kommt auf der nächsten Ebene der soziale Kontakt.

Diese Ebene beinhaltet physischen Kontakt in Form von Hautkontakt und psychologischen Kontakt in Form von Blicken, Lächeln, Mimik und Nähe. Die nächste Ebene ist das Bedürfnis nach Anerkennung, wie Sie von anderen wertgeschätzt werden und andere schätzen möchten. Schließlich kommt das Selbstverwirklichungsbedürfnis, es geht also darum, sich selbst weiterzuentwickeln und Projekte ins Leben zu rufen, die zu realisieren Sie nicht für möglich gehalten hätten. Maslow war der Meinung, dass all diese grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden müssten, um ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Erst wenn die Bedürfnisse auf den unteren Ebenen befriedigt sind, können Sie sich innerhalb der Pyramide weiter nach oben entwickeln.

images/42_Maslow.jpg

Dennoch werden Sie einige „Löcher“ auf den einzelnen Ebenen haben und sich hinauf- und hinabbewegen, um diese zu befriedigen. In der Praxis haben viele ihren Fokus auf den höheren Ebenen, auch wenn die darunterliegenden nicht befriedigt wurden. Dann jedoch fallen Sie auf eine der unteren Ebenen zurück. Stellen Sie sich eine Scheidungssituation vor. Plötzlich ist keiner mehr in Ihrer Nähe, und Sie müssen von vorn beginnen, um den Kontakt aufzubauen, den Sie brauchen. Sobald Sie die meisten Bedürfnisse auf einer Ebene befriedigt haben und zufrieden sind, geht die Motivation zur Veränderung verloren. Erst wenn Sie Unwohlsein empfinden, müssen Sie erneut nachspüren, was Sie brauchen. Daher sind psychologisches Unbehagen und körperliche Symptome oft ein erstes Signal und ein wichtiger Motivator für Veränderung und Training.

Wie erreichen Sie ein Gleichgewicht zwischen den Lebensbereichen?

Ein Ungleichgewicht zwischen den Lebensbereichen stört das Wohlbefinden.

Es ist wichtig, dass Ihre Zeit im Verlaufe eines Wochentages im Gleichgewicht ist, damit Sie sich gut fühlen und Ihre grundlegenden Bedürfnisse befriedigen. Leben Sie in einem ständigen Ungleichgewicht, zerstört dies Ihr Wohlbefinden. Sie erstarren in einem Verhaltensmuster. Wenn Sie sich in dieser Beschreibung wiedererkennen, ist es wichtig, ein Trainingsprogramm zu erstellen, um dieses Gleichgewicht wiederherzustellen. Hilfreich sind hierbei die Fähigkeiten, flexibel zu sein, Grenzen zu setzen, Gleichwertigkeit zu trainieren und in jedem Bereich eine „Heimspielsituation“ zu etablieren.

Flexibilität

Der Begriff Flexibilität sagt etwas aus über Ihre Fähigkeit, Situationen, Veränderungen und Belastungen zu meistern. Manchmal kann es richtig sein, „Ja“ zu sagen, ein anderes Mal „Nein“ oder „Vielleicht“. Die Freiheit, in der Situation wählen zu können, was Sie brauchen, und danach zu handeln, ist ein Zeichen von Flexibilität und Geschmeidigkeit.

Elin hatte die Angewohnheit, immer und in vielen Situationen ihre Meinung sagen zu müssen, wenn sie das Gefühl hatte, das sei richtig. Speziell in ihrem Job war das der Fall. Eines Tages wurde es schwierig, denn ihre Freundin war bereits mehrfach damit konfrontiert worden, nicht pünktlich zur Arbeit erschienen zu sein. Elin fühlte, sie müsse ihre Freundin verteidigen, obwohl sie eigentlich die Meinung des Chefs teilte, und schrie Zeter und Mordio in der Besprechung. Das führte dazu, dass man ihr vorwarf, immer in Opposition gegen die Autoritäten zu gehen und Ärger zu verursachen. Dies hatte sich mehrmals wiederholt. Sie entschuldigte sich und erklärte, sie sei immer so gewesen, auch wenn sie in diesem Fall hundertprozentig mit ihrem Chef übereinstimme. Sie wusste genau, woher sie dieses Verhalten hatte (Vater), aber konnte es nicht unterbinden. In einigen Situationen konnte das eine Stärke sein, in dieser Situation aber war sie vollkommen unflexibel und einem Reflex ausgeliefert. Dadurch geriet sie ständig in Streitsituationen, die sie nicht nötig hatte, und fühlte sich dumm und kindisch. Um es an ihrem Arbeitsplatz für sich selbst angenehmer und besser zu gestalten, musste sie üben, ihre Oppositionsfähigkeit im richtigen Kontext einzusetzen. Es dauerte lange, doch schließlich schaffte sie es. Sie erhöhte damit ihre Flexibilität im Job, statt immer die Opposition ergreifen zu müssen.

Grenzen setzen

Es kann schnell passieren, dass wir aus dem Gleichgewicht geraten, wenn wir zu viel Zeit für einen Bereich verwenden. Die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, ist überaus wichtig, wenn es darum geht, Ihre Beziehung zu Ihrer Umgebung zu regulieren. Nehmen Sie zu viel Rücksicht auf die Erwartungen anderer, führt das nicht zum Erfolg. Sie verlieren Ihre eigene Selbstständigkeit und Wahlfreiheit. Die Zeit fliegt Ihnen nur so davon, und Sie schaffen es nicht, Ja zu dem zu sagen, was Sie sich selbst wünschen.

Fredrik war ein anständiger, sympathischer Kerl, der abends gern mit seinen Freunden ausging. Für seine Freundin war das in Ordnung, aber sie mochte es nicht, wenn er spätabends betrunken nach Hause kam. Dennoch geschah dies häufig. Fredrik versprach, er werde sich ändern, doch nichts geschah. Sie mochte nicht laut werden, und daher stauten sich mehr und mehr Wut und Frustration in ihr an, und das Verhältnis des Paares wurde immer schlechter. Sie versuchte, ihre Kritik zunächst vorsichtig zu formulieren, ohne Erfolg. Schließlich wurde es so schlimm, dass sie die Beziehung beenden wollte. Sie sagte Fredrik deutlich die Meinung und war sehr wütend. Damit setzte sie eine sinnvolle und klare Grenze, und nun fing auch Fredrik an, sich Grenzen zu setzen. Es war nötig, wütend und deutlich zu sein, damit er verstand, dass sie es ernst meinte.

images/44_Grenzen.jpg

Grenzen können die Beziehung zur Umgebung regulieren.

Falls es Ihnen schwerfällt, Grenzen zu setzen, müssen Sie dies üben, um die Balance in der Verwendung Ihrer Zeit zurückgewinnen. Trainieren Sie, auf sich selbst Acht zu geben, beginnen Sie damit, Nein zu sagen. Wir wissen, dass das schwierig ist. Vielen fällt das Neinsagen schwer, weil sie glauben, andere damit zu verletzen. Das persönliche Unwohlsein, das man empfinden kann, wenn man jemanden enttäuscht, ist ein starker Widerstand gegen Veränderung. Aber denken Sie daran: Es ist erlaubt, auf sich selbst Acht zu geben, und falls Sie denken, Sie könnten jemanden verletzen, so können dies alte Befürchtungen sein, die Sie mit sich herumtragen. Versuchen Sie, einige Male Nein zu sagen, um herauszufinden, wie es wirklich ist. Sie werden positiv überrascht sein!

Gleichwertigkeit und Rollen

Das Gleichwertigkeitsprinzip ist eine Voraussetzung dafür, dass zwei Menschen eine gute Beziehung haben können. Das gilt sowohl in der Beziehung zum Partner als auch in einer Freundschaft. Es ist wichtig, geben und nehmen zu können, damit Sie eine Form von Nähe erleben, die Ihnen die Energie und das Gefühl gibt, Ihre Batterien aufzuladen. Ohne diese Art von Beziehung werden Sie Ihre grundlegenden Bedürfnisse nicht befriedigen können.

Damit das Treffen zweier Menschen gleichwertig ist, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

Beziehungen sind ab und zu ein Kampf um das Rechthaben.

In Beziehungen kann es passieren, dass einer die Rolle des Verantwortlichen und Vernünftigen übernimmt, während der andere sich verantwortungslos und rüpelhaft verhält. In derartigen Beziehungen entwickelt sich ein unausgewogenes Verhältnis. Sind es meine Gefühle, die zählen sollen? Sind es Deine Bedürfnisse, von denen wir uns steuern lassen sollen? Warum ist Deine Meinung immer richtiger als meine? Partner haben eine Tendenz, einander herunterzumachen oder einander zu vergöttern. Wie ist es bei Ihnen?

Ein Bezirksarzt in einem unserer Kurse hatte große Probleme damit, seine Arztrolle abzustreifen. Er hatte seinen Beruf mehr als 20 Jahre lang ausgeübt, alle kannten ihn. Seine Familie und Freunde sahen in ihm nur den Arzt. Wenn er in Freizeitkleidung in ein Geschäft kam, konnte es passieren, dass die Kassiererin ihn um ein Rezept für die Pille bat, während er bezahlte. Wo er auch war, man betrachtete ihn in seiner Funktion als Arzt. Er konnte nicht Nein sagen aus Angst, die ihn um Hilfe bittenden Menschen zu enttäuschen. Seine Lösung für dieses Problem bestand darin, zur Erholung Fernreisen zu machen. Im Urlaub konnte er endlich er selbst sein.

Welche Rollen nehmen Sie selbst im Zusammensein mit anderen ein?

Eine seiner Stärken, die er dauernd ausspielte, war es, Arzt und Helfer zu sein. Das Ergebnis dieser starken Verhaftung mit seiner Rolle kann Einsamkeit sein und der Verzicht darauf, eigene Gefühle und Bedürfnisse zu äußern. Es ist selbstverständlich, dass das Gummimännchen einen großen Kopf hat, wenn Leistung und Verantwortung einen derart großen Stellenwert haben.

Eine Person zu sein bedeutet, man selbst zu sein, sich im Verhältnis zu anderen als gleichwertig zu betrachten und privat und persönlich zu sein. Das Gefühl von Zugehörigkeit und Selbstwertgefühl hängt nicht davon ab, was man tun, sondern davon, wer man ist, welcher Art die Beziehungen sind, die man zu anderen hat.

Heimspiel

Sie kennen den Begriff Heimspiel vom Sport, er bezeichnet den Vorteil desjenigen, der auf vertrautem Platz spielt und sich der Unterstützung und Anerkennung des Publikums sicher sein kann. Wir benutzen einen entsprechenden Begriff beim Selbstcoaching, der in allen Lebensbereichen seine Gültigkeit hat. Je besser die Heimspielsituation ist, die Sie sich erarbeiten, desto größer wird Ihr Wohlbefinden und Ihre Freude in Ihren verschiedenen Lebensbereichen sein.

Autoren

  • Gunnar Cramer (Autor:in)

  • Dag Furuholmen (Autor:in)