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Small Talk

Was kann ich sagen? Wie vermeide ich peinliche Situationen? Wie überzeuge ich im Gespräch?

von Dieter J. Zittlau (Autor:in)
180 Seiten

Zusammenfassung

Bei Begrüßungen, auf Partys, bei Geschäftsessen oder beim Chatten: In vielen privaten und beruflichen Situationen ist Small Talk unvermeidlich. Doch wie führe ich solche Gespräche, ohne oberflächlich zu wirken oder gar peinliche Pausen entstehen zu lassen? Dieser Ratgeber zeigt, wie Sie ein charmanter und kluger Gesprächspartner werden. Denn: Small Talk lässt sich lernen!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Dieter J. Zittlau
 
 
 
 
 

Small Talk

 
 
 
Was kann ich sagen?  
Wie vermeide ich peinliche Situationen?  
Wie überzeuge ich im Gespräch?  


 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

 
ISBN 978-3-86910-935-0  
ISBN der gedruckten Originalausgabe: 978-3-86910-012-8

 

 

Autor: Dr. Dieter J. Zittlau arbeitet seit über 25 Jahren als erfolgreicher Rhetorik- und Management-Trainer. Er ist Hochschuldozent für Psychologie mit dem Schwerpunkt Kommunikation in Düsseldorf. Durch seine Erfahrung weiß er: Mit den richtigen Übungen kann jeder einen gelungenen Small Talk führen.

 

 
 
 
 

 
© 2010 humboldt

Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbh & Co. KG,
Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover
www.schluetersche.de
www.humboldt.de

 
Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden.

 
Lektorat: no:vum, Susanne Noll, Leinfelden-Echterdingen
Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen
Coverfoto: Fotolia/unpict

Was ist Small Talk?

So manche Talkshow im Fernsehen besteht fast ausschließlich aus Small Talk. Small Talk verdient also seine Bezeichnung nicht etwa dadurch, dass er wenig Zeit kostet, sondern vielmehr dadurch, dass er inhaltlich weitgehend aus dem Austausch von Belanglosigkeiten besteht.

Und dennoch muten wir uns diese besondere Form der Kommunikation nicht nur beim Fernsehen, sondern vor allem in der alltäglichen privaten und geschäftlichen Kommunikation zu, ganz zu schweigen von manchen Partys, die ausschließlich zu diesem Zweck stattfinden. Wissenschaftler definieren den Small Talk als „beiläufige Konversation ohne Tiefgang“, weisen auf der anderen Seite aber auch darauf hin, dass sein Wert als Ritual in unserer Gesellschaft beträchtlich sein kann. Schon als sprichwörtlich zu nennen wäre hier das nicht gerade einfallsreiche „übers Wetter reden“. Worin beruht denn dieser Zwang zum Small Talk und wie kann man sich ihm entziehen, wenn man es will? Und gibt es wirklich den intelligenten Small Talk oder ist dieser schon in sich so widersprüchlich wie ein schwarzer Schimmel?

Die Bedeutung von Bedeutung

Wenn wir kritisch anmerken, dass so mancher Small Talk inhaltlich eher in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, dann sollten wir uns vielleicht erst einmal kurz Gedanken darüber machen, was Bedeutung oder auch Bedeutungslosigkeit überhaupt meint.

Was ist denn die Bedeutung eines Wortes oder irgendeines Zeichens? Wodurch wird sie bestimmt? Was ist die Bedeutung von Bedeutung? In unserer Zeit, einem Zeitalter der umfassenden Information, wird man die Antwort möglicherweise von der Informationstheorie erwarten – doch leider vergebens. Sie reicht zur Beantwortung dieser Frage nicht aus. So stellt der Sprachwissenschaftler Hörmann treffend fest: „… der Informationsgehalt einer Mitteilung darf nicht verwechselt werden mit der Bedeutung dieser Mitteilung“.

Helfen dann vielleicht die Beschreibungen des Wortes Bedeutung in gängigen Lexika? Was findet man hier dazu? Sie definieren Bedeutung als „dasjenige, was ein sprachlicher Ausdruck oder ein anderes Zeichen zu verstehen gibt“. Es geht also um das Verstehen, um das Nachvollziehen-Können des Gemeinten, mit anderen Worten um einen unverzichtbaren Teil jeder wirkungsvollen Kommunikation zwischen zwei und mehr Menschen.

Als Student hatte ich oft Gelegenheit und Veranlassung, an meinen alten und billigen Autos herumzubasteln. Bei komplizierteren Reparaturen ließ ich mir jedoch in der Regel von den befreundeten Eigentümern einer Autowerkstatt helfen. In besonders schwierigen Fällen legte der erfahrene Kraftfahrzeug-Monteur auch selbst Hand an, und ich hatte dann lediglich die Aufgabe, ihm das passende Werkzeug anzureichen. Doch wenn er mich bat, ihm ein bestimmtes Werkzeug zu geben, konnte ich sehr häufig nur ratlos meinen Blick über seine riesige Wand mit säuberlich geordneten Zangen, Schraubschlüsseln und anderen Dingen schweifen lassen, für die ich keine Namen hatte.

Ich kannte schlicht und ergreifend die Bezeichnung für die meisten Werkzeuge nicht und wusste somit auch nicht, welches ich ihm reichen sollte. Das, was er sagte, hatte für mich einfach keine Bedeutung, ich konnte dem Begriff keinen Gegenstand zuordnen.

Für Philosophen
Für den Philosophen G. Frege zum Beispiel besteht die Bedeutung eines Namens in dem mit ihm bezeichneten Gegenstand, sein Sinn aber in der Art und Weise seines Gebrauchs. So ist beispielsweise die Bedeutung von Abendstern und Morgenstern dieselbe, weil beide Ausdrücke denselben Gegenstand, nämlich den Planeten Venus, bezeichnen – ihr Sinn und damit die Art und Gelegenheit ihres Gebrauchs sind jedoch grundverschieden. Denn der Stern am Abend wird üblicherweise als Abendstern und nicht als Morgenstern bezeichnet, auch wenn sich hinter beiden Ausdrücken der gleiche Himmelskörper verbirgt.

Aber verlieren wir uns mit solchen Überlegungen nicht in ein Feld philosophischer Spekulationen, die auf die tägliche Praxis des Verstehens keinen Einfluss haben? Manche könnten das meinen. Aber tatsächlich spielen solche Verwirrungen bei zahllosen Missverständnissen im Alltag eine Rolle.

Wenn zum Beispiel Anhänger verschiedener politischer Gruppierungen über Grenzwerte verschiedener Schadstoffe streiten, so benutzen sie dabei oft den in seiner Bedeutung völlig unklaren Begriff Schadstoff. Nun sagte schon im 16. Jahrhundert der berühmte Arzt Paracelsus: „Die Menge macht das Gift.“ Wenn demnach ein bestimmter Stoff erst in einer bestimmten Menge giftig ist und gesundheitliche Schäden hervorruft, ist die Kennzeichnung dieses Stoffes als Schadstoff abhängig von der persönlichen Einstellung des Sprechers. Die Wahrscheinlichkeit, bei der Verwendung derartiger Begriffe aneinander vorbeizureden, ist also recht hoch, und die damit einhergehenden Verwirrungen und Streitigkeiten füllen täglich unsere Zeitungen. Und diese Streitigkeiten leben zusätzlich von der falschen Annahme, dass man den anderen verstanden hätte, oder im schlimmsten Fall von dem bewussten Versuch, ihn nicht zu verstehen.

In besonderen Situationen, etwa wenn wir mit ganz verschiedenen Sprachen in Berührung kommen, hilft auch das aufrichtigste Bemühen, den anderen zu verstehen, nicht mehr. Was das heißt, durfte ich eines Tages am eigenen Leibe erfahren: Ich ließ mich von Freunden in Tunesien dazu überreden, mit ihnen ins Kino zu gehen, und sah mich dort einem Spielfilm in indischer Sprache, aber mit arabischen Untertiteln gegenüber. Bedauerlicherweise verstehe ich weder ein Wort Indisch, noch kann ich Arabisch lesen. Und mich ohne Worte zu verständigen war im Kino ja auch nicht möglich.

Sie empfinden dieses Beispiel möglicherweise als zu exotisch, als zu weit hergeholt? Dann hören Sie als Laie doch einfach einmal ausgebildeten Juristen, Medizinern oder Soziologen unter sich zu und entscheiden dann, ob Ihnen nicht sogar arabische Untertitel lieber wären. Nicht umsonst gibt es das geflügelte Wort vom Fachchinesisch, mit dem – mitunter wohl auch vorsätzlich – bestimmte Menschen vom Gespräch ausgeschlossen werden sollen.

Was hat das Ganze nun mit Small Talk zu tun? Das wird am folgenden Beispiel schnell klar: Die besonders häufig benutzte Floskel „Mensch, ist das wieder ein Wetter heute“ hat keinerlei Bedeutung. Denn in der Geschichte der Menschheit dürfte es noch keinen einzigen Tag ohne Wetter gegeben haben. Und auch der schon zumindest in eine Richtung weisende Spruch „Ich bin vielleicht fertig heute“ ist dermaßen vieldeutig, dass er ohne Nachfrage beim besten Willen nichts aussagt. Was aber veranlasst uns zu solchen nichtssagenden Äußerungen?

Die Faszination des Nichtssagenden gegenüber dem Nichtssagen

Der Bürgermeister einer kleinen, aber recht wohlhabenden Stadt erzählte mir einmal, wie er auf einer Versammlung des örtlichen Schützenvereins (ohne den er die Wahl nicht gewonnen hätte) nach dem Stand der Planungen für den neuen Schützenplatz gefragt wurde. Obwohl er davon nicht die geringste Ahnung hatte, stand er auf und gab eine kurze Stellungnahme ab, die er selber so kommentierte: „Als ich mich danach hinsetzte, hatte ich irgendwie das Gefühl, mich gerade ordentlich blamiert zu haben.“

„Hättest du geschwiegen, wärest du ein Philosoph geblieben.” (Boethius)

Aber warum tut man sich so etwas an? Wir alle spielen in unserem Leben verschiedene Rollen: bei der Arbeit vielleicht die Rolle des Sachbearbeiters, in der Familie die Rolle der Mutter oder des Vaters, im Verein die Rolle des Schriftführers und noch viele andere mehr. Eines ist all diesen Rollen jedoch gemeinsam: Es sind Sprechrollen. Wir sind es nicht gewohnt zu schweigen oder haben schlicht nicht den Mut zuzugeben, dass wir etwas nicht wissen.

So hätte dieser Bürgermeister zum Beispiel erklären können: „Ich habe jetzt drei Möglichkeiten: 1. Ich kann Ihnen etwas Falsches sagen. 2. Ich kann Ihnen etwas Nichtssagendes sagen. 3. Ich sage Ihnen wirklich nichts, weil ich zu meinem Bedauern nichts weiß.“

So gesehen ist – gemessen an der im vorigen Abschnitt erklärten Bedeutung von Small Talk – selbst die längste Rede so manchen Politikers nur Small Talk. Und damit ist die so oft beklagte Politikverdrossenheit der Bürger möglicherweise nur eine Politikerverdrossenheit.

Doch sind wir selbst besser? Kennen Sie Sprüche wie: „Meine Güte, ist das kalt heute“, „Das ist ja mal wieder voll hier“ oder „Jetzt hat die Bahn schon wieder Verspätung!“? Und wer glaubt ernsthaft, er würde damit seinem Gesprächspartner etwas Neues erzählen? Aber manchmal bekommt man auf solche Äußerungen auch tatsächlich eine philosophische Reaktion, nämlich Schweigen.

Wozu braucht man Small Talk?

Sicherlich ist der Small Talk nicht der intellektuelle Höhepunkt menschlicher Kommunikation, aber möglicherweise erfüllt er eine Aufgabe, die ein ernsthaftes Gespräch mit wohlüberlegten Argumenten gar nicht erfüllen kann?

Small Talk pflegt Beziehungen

Unserer Kultur ist eine innere Versenkung und eine bisweilen stunden- oder tagelang währende Meditation, wie sie in vielen fernöstlichen Gesellschaften und Religionen üblich ist, weitgehend fremd. Insbesondere das Schweigen beherrschen bei uns allenfalls noch Mönche im Kloster. Der Rest unserer Bevölkerung kommuniziert schon beinahe pausenlos – beispielsweise telefoniert er sogar auf der Straße ungehemmt und lauthals mit dem Handy. So störend Unbeteiligte den lautstarken Austausch belangloser Informationen oft empfinden mögen, so muss man doch zugeben, dass auf diese Weise Beziehungen gepflegt werden. Und genau das ist – ob mit oder ohne Handy – eine der Hauptaufgaben des Small Talks.

Telefonieren in der Straßenbahn
Wenn die Frau, die neben mir in der Straßenbahn sitzt, ihrem Anrufer voller Begeisterung mitteilt, dass sie gerade in der Linie 6 sitzt und in etwa einer Viertelstunde am Hautbahnhof ankommen wird, dann macht diese Information den anderen nicht unbedingt klüger, aber diese Art der Unterhaltung unterstellt immerhin, dass der andere ein gewisses Interesse an ihrem augenblicklichen Tun und damit auch an ihr hat.

Möglicherweise besteht also die vorrangige Funktion des Small Talks aber gar nicht darin, etwas Gehaltvolles oder Bedeutsames zu sagen, sondern entspricht eher dem, was wir bei unseren engsten genetischen Verwandten, den Affen, als Fellpflege beobachten. Diese Fellpflege erfüllt nur teilweise eine wirklich reinigende Aufgabe. Vielmehr dient sie vor allem der Pflege der gegenseitigen Beziehung. Sowohl derjenige, der den anderen an sein Fell lässt, als auch derjenige, der die pflegerische Tätigkeit ausführt, signalisiert damit so etwas wie eine geduldete Nähe. Die Fellpflege dient also tatsächlich eher der Pflege der sozialen Bindungen.

Der Mensch, der zusätzlich über das Mittel der gesprochenen Sprache verfügt, braucht nun zur Pflege dieser sozialen Bindungen dem anderen nicht mehr unbedingt den Kopf zu streicheln oder ihn gar zu „lausen“. Er signalisiert stattdessen seine aggressionsfreie Kommunikationsbereitschaft durch kurze, halbwegs sinnvolle Bemerkungen, also eben durch Small Talk. Der Inhalt des Small Talks ist dabei fast so nebensächlich, wie die Tatsache, ob ein Affe bei dem anderen Tier wirklich einen Parasiten oder etwas Schmutz entfernt oder nicht. Entscheidend sind die Handlung und das damit vermittelte Signal: „Ich akzeptiere dich in meiner näheren Umgebung.“ Und tatsächlich wird ein Mensch, der sich beispielsweise in einer Gruppe, in einem Meeting oder gar bei einer Feier befindet und dabei die ganze Zeit schweigt, weniger als weise, sondern vielmehr als distanziert und abweisend empfunden. Er öffnet sich eben nicht so, wie jemand, der wenigstens etwas Bedeutungsloses von sich gibt.

„Wer unter die Oberfläche dringt, tut es auf eigene Gefahr” (Oscar Wilde)

In diesem Zusammenhang ist es also geradezu gefährlich, dem Small Talk einen allzu tiefen Ernst zu geben, wenn man seinen Gesprächspartner nicht gut kennt oder gar mit ihm befreundet ist. So wird etwa der Mensch, den Sie eben in der Endlosschlange im Supermarkt kennengelernt haben, auf die Bemerkung „Sie sehen heute aber erschöpft aus. Fehlt Ihnen was?“ vermutlich eher mit einem aggressiven „Was geht Sie das an?“ reagieren, während die Kassiererin im gleichen Supermarkt, bei der Sie seit Jahren schon hundertmal bezahlt haben, sich nach meiner Erfahrung sogar über so viel unerwartete Anteilnahme freut.

Small Talk zeigt emotionale Intelligenz

In den späten achtziger Jahren versuchten die amerikanischen Psychologen Peter Salovey und John Mayer emotionale Fertigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Selbstbewusstsein und die Kontrolle der Gefühle in den Begriff der emotionalen Intelligenz zusammenzufassen, den schließlich Daniel Goleman in Anlehnung an den klassischen Intelligenzquotienten (IQ) mit dem sogenannten Emotionalquotienten (EQ) messen wollte. Aber wenn schon die Messbarkeit der gewöhnlichen Intelligenz als IQ methodisch fragwürdig ist, dann ist es wohl erst recht die Messung des EQ. Doch da man mit dem Begriff der Intelligenz als „Fähigkeit, das Verhalten den Umständen anzupassen“ (S. A. Barnett) sowohl bei Menschen als auch bei Tieren ganz gut arbeiten kann, schauen wir uns das Konzept der emotionalen Intelligenz einmal genauer an.

So scheint die Fähigkeit, mit den eigenen und den Gefühlen anderer umzugehen, bei verschiedenen Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt zu sein. Doch gerade diese Fähigkeit ist beim Small Talk gefragt. So muss man beim Small Talk in kürzester Zeit die emotionale Befindlichkeit des anderen erfassen. Kommt etwa auf die Frage „Na, wie geht es?“ die zögerliche Äußerung „Es geht so“, dann muss man geradezu spüren, ob der Gesprächspartner dieses Thema gerne vertiefen möchte oder ob man seine Äußerung eher als „Lass uns bitte über etwas anderes reden!“ übersetzen muss. Ein rationales oder – schlimmer noch – verärgertes Nachfassen in der Art „Das verstehe ich nicht. Wie geht es dir denn nun wirklich?“ ist wie ein heftiger Schlag der Vernunft gegen eine möglicherweise verletzte Seele.

Um das vielleicht noch besser zu verstehen, können wir das Ganze einmal umdrehen und uns überlegen, was wir empfinden würden, wenn auf unsere Frage „Na wie geht es?“ die Antwort käme: „Das interessiert dich doch sowieso nicht!“ Selbst wenn wir jetzt unterstellen, dass der andere mit seiner Äußerung in der Sache Recht hat, hätten wir nach einer solchen Antwort die weise Gelassenheit, nicht beleidigt zu sein?

„Wir sind nie grundlos wütend, aber selten aus einem guten Grund.” (Benjamin Franklin)

Goleman führt in diesem Zusammenhang gerne die asiatischen Traditionen der Achtsamkeit gegenüber der eigenen Gefühlswelt an: Wir schwimmen nicht nur wie ein Stück Treibholz im Strom der Gefühle, sondern beobachten zugleich, wie wir uns in diesem Strom bewegen. Dadurch schaffen wir die Voraussetzung, den einen oder anderen Zug in dieser Bewegung bewusst und aktiv zu verändern. Wer also in einer bestimmten Situation einfach nur zornig ist, wird sich kaum beherrschen können. Und selbst wenn ihm das gelingt, besteht der Zorn doch fort. Wer aber in der Lage ist, sich zu sagen „Ich empfinde jetzt Zorn, weil …“, der ist bereits einen Schritt weiter und kann entscheiden, ob er seinen Zorn als berechtigt zulässt oder ihn zumindest infrage stellt.

Das ist vor allem in Situationen angebracht, in denen wir sowohl die Beziehung zum Gesprächspartner als auch – damit verbunden – unsere eigene Reaktion kontrollieren möchten. Wenn uns jemand geärgert hat, so scheitert eine vernünftige Reaktion sehr häufig daran, dass uns vor lauter Wut einfach nichts Gescheites einfällt. Und wer aufgrund seiner emotionalen Intelligenz in der Lage ist, diesen Zustand blitzartig zu analysieren und zu hinterfragen, hat sich wahrscheinlich schneller wieder im Griff. Er ist – wie die Verfechter der emotionalen Intelligenz sagen – in der Lage „sich angemessen zu ärgern“.

Einen weiteren Trumpf spielt die emotionale Intelligenz dort aus, wo es darum geht, die Gefühle seiner Zuhörer anzusprechen. Ein gutes Gespür für die emotionale Wirkung eines Small Talks ist oftmals mehr wert als das Erfassen der sachlichen Bedeutung derselben Aussage. Damit kann der Small Talk ein echter Erfolgsfaktor werden. Goleman wird auch nicht müde zu betonen, dass Menschen mit einer hohen Empathie, also mit einem hohen Einfühlungsvermögen, deutlich erfolgreicher sind als diejenigen, die bei ansonsten gleicher Intelligenz diese Einfühlsamkeit nicht besitzen. Lichtgestalten wie Martin Luther King oder Mahatma Ghandi sind gute Beispiele dafür. Sie haben trotz ihrer zweifellos vorhandenen intellektuellen Brillanz vor allem die Herzen ihrer Anhänger angesprochen und erreicht. Aber auch ein Adolf Hitler war bedauerlicherweise sehr erfolgreich, obwohl er in seinen Ansprachen ganz selten etwas halbwegs Vernünftiges von sich gegeben hat. Denn er und sein Partner Goebbels hatten einen geradezu diabolischen Zugriff auf die Gefühle der von ihnen angesprochenen Bevölkerung.

Verschiedene Arten von Small Talk

Small Talk, plaudern, Stammtischgespräche, Pausengespräche, Kaffeeklatsch oder chatten bezeichnen zwar nicht zu hundert Prozent das gleiche, aber alles ist recht eng miteinander verwandt. In all diesen Fällen handelt es sich um eine zeitlich eng begrenzte Kommunikation ohne allzu großen geistigen Tiefgang.

Insbesondere das Wort „plaudern“ hat von seiner Abstammung her wenig positive Bedeutungen: Im Mittelhochdeutschen „pludern“, im Schwedischen „pladder“, im Dänischen „bladre“ und im Lateinischen „blaterare“, ist es in allen Fällen durchweg mit „(dumm) daherschwatzen“ zu übersetzen.

Wie wir schon gesehen haben, kann man aber von fehlendem Tiefgang nicht auf fehlenden Sinn schließen. Wir begeben uns ja bewusst in diese Gesprächssituationen und genießen oder brauchen sie sogar. Beim Stammtischgespräch oder beim Kaffeeklatsch wird das besonders deutlich: Hier reden sich viele Menschen erfolgreich bestimmte Dinge von der Seele, ohne dabei allzu viel Verstand einzusetzen.

Schriftlicher Small Talk

Das Internet hat es geschafft, diese Kunst von der gesprochenen auf die geschriebene Sprache zu übertragen. Wenn man vorher zumindest beim Schreiben noch genau überlegt hat, was man da von sich gibt, so ist davon in Emails und den Chaträumen des Internets wenig zu spüren. Hier herrscht Kommunikation „wie man gerade lustig ist“.

Eine gewisse sprachliche Verarmung in Emails ist dabei noch zu verschmerzen und geradezu zu erwarten. Genau genommen hat sie sogar Tradition. Denn der Urahn der Email war ja das Telegramm, und hier ging man schon wegen der Kosten recht sparsam mit Worten um. Heutzutage sind es aber weniger die pro Wort anfallenden Beträge als vielmehr die fehlende Zeit, die Emails manchmal sogar bei ausgesprochen wichtigen geschäftlichen Entscheidungen zumindest sprachlich in die Nähe eines Small Talks bringen.

In den Chaträumen hingegen geht das auf blanke Unbekümmertheit zurück. Mit Ausnahme von einigen wenigen tatsächlich Rat- und Hilfesuchenden nutzen „User“ Chaträume bewusst für den Small Talk. Einige möchten hier zwar auch Bekanntschaften oder gar Freundschaften knüpfen, doch das unterscheidet dieses Medium nicht vom Small Talk ohne Internet und ohne Computer.

Eine ganz andere Form von schriftlichem Small Talk finden wir in der Klatschpresse oder im sogenannten Boulevard-Journalismus (Zeitschriften mit großen, reißerischen Schlagzeilen und vergleichsweise wenig Text). Diese Zeitungen werden von ihren Lesern eher wegen ihres Unterhaltungswertes gekauft als wegen der wenigen echten Informationen. Der Inhalt dieser Zeitschriften bietet denn auch konsequent den Stoff für jede Menge Small Talk unter ihren Lesern.

Der unmittelbare Bezug zum Small Talk wird schon dadurch deutlich, dass die Leser dieser Zeitschriften auf diese Weise eine Beziehung zu den Stars und Sternchen aufbauen, die darin abgedruckt werden. Diese Art der Beziehungspflege ist zwar sehr einseitig, wird aber teilweise mit sehr viel Leidenschaft betrieben. Das merkt man, wenn man einmal einer Diskussion von Frauen über die Kleidung oder sogar die intimen Details von Schauspielerinnen zuhört oder Männern, die über die Fähigkeiten, aber auch über das Privatleben von Fußballern reden. Wüsste man es nicht besser, könnte man fast auf den Gedanken kommen, dass hier persönliche Bekanntschaften und Kontakte vorliegen. Diese Zeitschriften verbreiten somit nicht nur Small Talk, sondern sie stiften ihn auch.

Bei welchen Gelegenheiten wird Small Talk eingesetzt?

Small Talk ist im Ursprung weder gut noch schlecht, sondern entweder angebracht oder unpassend. So gibt es Situationen, die eine wohlüberlegte Stellungnahme erfordern, aber auch andere Fälle, in denen lediglich ein lockerer Small Talk erwartet wird.

Small Talk zur Begrüßung

Die mit Abstand häufigste Floskeln, die auf die unmittelbare Begrüßung folgt, ist wahrscheinlich die Frage „Wie geht es?“.

Wenn Sie hierauf in der gleichen Qualitätsstufe antworten, also mit „Gut“ oder „Es geht so“, dann ist der Small Talk sehr schnell vorbei, und Sie können Ihres Weges ziehen oder auf wichtigere Dinge zu sprechen kommen. Wie ernst es allerdings mit der Beziehung zum Gesprächspartner steht, sehen Sie, wenn Sie die Antwort „Schlecht“ geben: Gesprächspartner, denen Ihr Wohlergehen in Wahrheit völlig egal ist, sind jetzt irritiert und wissen in der Regel nicht mehr, wie das ihnen durch diese Antwort aufgezwungene Gespräch weitergeführt werden soll. Echte oder gespielte Anteilnahme lässt sich mit einer solchen Antwort schnell unterscheiden.

Die klassische Frage „Wie geht es?” ist in der Vielzahl der Fälle nicht ernst gemeint.

Dies bedeutet umgekehrt, dass Sie selbst die Frage „Wie geht es?“ ebenfalls nur dann stellen sollten, wenn Sie an der Antwort wirklich interessiert sind, zum Beispiel weil Sie von vorhandenen Schwierigkeiten bei Ihrem Gesprächspartner wissen und ein echtes Interesse an ihm haben.

Ein echter Beziehungskiller müsste es theoretisch sein, wenn man auf die Mitteilung, dass es dem anderen schlecht geht, ohne langes Zögern auf die eigenen Unpässlichkeiten zu sprechen kommt, etwa mit der Bemerkung: „Das kann ich gut verstehen, mit tut heute auch alles weh. Weißt du, der Arzt hat letztlich zu mir gesagt …“ Genau genommen teilt man dem anderen auf diese Weise mit, dass seine Probleme nur insofern interessant sind, als dass man sie mit den eigenen überbieten kann. Interessanterweise ist unsere Gesellschaft aber so von dem Thema Krankheiten fasziniert, dass daraus oft ein intensiver Austausch über alle Krankheiten der letzten Jahre folgt und beide Seiten sich zum Schluss gut unterhalten fühlen.

„Guten Tag” ist keine Selbstverständlichkeit

Bei näherem Hinschauen ist auch die Begrüßung „Guten Tag“, die der alltäglichen Etikette folgt, zumindest nicht selbstverständlich. Benutzt man diesen Ausdruck nämlich zum Abschied, so meint das in der Regel, dass man den anderen auf keinen Fall wiedersehen möchte. Kassiererinnen im Supermarkt verwenden deshalb auch die ausführlichere Form, wie: „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“ Wenn man darauf ein „Danke, gleichfalls“ oder „Ich Ihnen auch“ erwidert, so hat man ein gelungenes Beispiel für einen netten Small Talk, der mit etwas Glück vielleicht auch ein kleines bisschen der Beziehungspflege dient. Doch Vorsicht! Das heißt noch lange nicht, dass uns der Gesprächspartner auch wirklich am Herzen liegt, sondern nur, dass wir einfach nett sein wollten.

„Guten Tag” muss keine Floskel sein.

Eine seltene Erfahrung machte ich eines Tages auf den Kapverdischen Inseln, einer ehemalige portugiesischen Kolonie im Atlantik mit wunderschönen Menschen. Deren Bewohner sind bekannt dafür, mit großer Gelassenheit, Ruhe und Zufriedenheit ihren für unsere Verhältnisse eher ärmlichen Alltag zu meistern. Das Meer ist ungeheuer fischreich, und wer Hunger hat, hängt einfach eine Angel ins Wasser und muss höchstens zehn Minuten warten, bis ein Fisch angebissen hat. Selbst die zahlreichen Haie in der Gegend sind ungefährlich, weil satt.

In den ersten Tagen meines Aufenthaltes war ich etwas irritiert: Denn viele Kapverdianer saßen den Tag über im Schatten einer Palme und begrüßten jeden Vorübergehenden mit einem recht herzlich klingenden „Guten Tag“. Argwöhnisch durch ganz andere Erfahrungen in südlichen Ländern murmelte ich anfangs nur eine sehr knappe und leise Entgegnung und ging dann möglichst schnell weiter. Ich befürchtete, mit rührseligen Geschichten um mein Geld gebracht zu werden.

Erst nach ein paar Tagen, und nachdem ich mich etwas genauer mit Land und Leuten beschäftigt hatte, ging mir auf, dass diese Menschen nicht nur „Guten Tag“ sagten, sondern auch „Guten Tag“ meinten. Sie wünschten anderen Menschen wirklich einen angenehmen Tag.

Offenbar ist dieser Small Talk „Guten Tag“ nicht immer und überall eine nichtssagende Floskel, und ich muss gestehen, dass diese Wünsche eine so angenehme Wirkung auf mich hatten, dass sie schon allein aus diesem Grund wahr wurden.

„Gut siehst du aus!”

Bemerkenswert ist auch die Begrüßung: „Mensch wir haben uns aber lange nicht gesehen. Gut siehst du aus!“ Jetzt sind wir in der Regel gezwungen, genauso heuchlerisch zu erwidern, dass der andere ebenfalls gut aussieht. Da ist es fast schon besser wenn der andere sagt: „Mensch wir haben uns aber lange nicht gesehen. Du hast aber ganz schön zugelegt!“ Darauf kann man denn wenigstens aus vollem Herzen entgegnen: „Du bist aber auch nicht schmaler geworden!“

Small Talk auf Partys

„Lieben Sie Partys? Ich finde sie unbequem,

Keiner kennt keinen, doch sagt jeder ‚Angenehm!‘.

Man steht herum, stumm, das Glas in der rechten Hand,

und wer zuerst schläft, das ist meistens der Verstand.“

Dies ist der Beginn eines wundervollen Liedes, das Daliah Lavi 1972 mit dem Titel Lieben Sie Partys? aufgenommen hat.

Vielleicht muss man sogar unterscheiden zwischen den Partys, die Jugendliche aus Ausgelassenheit und echtem Spaß organisieren, und jenen gesellschaftlichen Verpflichtungen, die umso trostloser sind, je mehr sich Gastgeber und Gäste einer gewissen Elite zurechnen.

So erinnere ich mich noch gut an ein High-Society-Event, bei dem eine berühmte Juwelierin im teuersten Hotel der Stadt eine Schmuck-Ausstellung organisiert hatte. Nachdem man mich pflichtschuldigst jedem Gast vorgestellt hatte, der als „wichtig“ galt, ließ man mich mehr oder weniger alleine mit der Bemerkung, ich hätte ja nun genug Partner für ein Gespräch. Doch leider verstehe ich nichts von Schmuck, und wollte irgendwie auch niemandem unter den Gästen ein Gespräch aufzwingen. Als geborener Genießer machte ich mich also über die Kaviar-Häppchen her, die eigens dafür engagierte, hübsche junge Damen zwischen den Gästen hin- und hertrugen. Zu meinem Erstaunen war ich wohl der einzige Kaviarliebhaber, und so standen die jungen Damen bald bei mir Schlange, weil sie endlich einen Abnehmer für ihre kostbare Fracht gefunden hatten. Und aus dieser netten Gesellschaft entwickelte sich sogar eine längere, geschäftliche Beziehung – was beweist, dass auch eine scheinbar sinnlose Konversation durchaus ernstzunehmende Folgen haben kann.

Mit positivem Small Talk ist man auf der sicheren Seite.

Wenn Sie die eingeladenen Gäste nicht kennen, sollten Sie sich auf positiven Small Talk beschränken, also beispielsweise auf so tiefsinnige Bemerkungen wie „Nett hier!“ oder „Das Buffet ist wirklich gelungen!“. Insbesondere ist es ausgesprochen nützlich, die Gastgeber und ihre Angehörigen zu kennen, um bei ihnen nicht mit einer Bemerkung wie „Ist das nicht eine grauenhafte Musik hier?“ in unsterblicher Erinnerung zu bleiben.

Und seien Sie vorsichtig, wenn Sie in eine Runde mit reichlich Klatsch und Tratsch geraten. Diejenigen, die hier so mitteilsam wirken, sind zumeist auch unersättlich neugierig, und hier dient der Small Talk unter anderem dazu, von Ihnen verfängliche Informationen über Sie selbst oder andere zu bekommen. Der Small Talk soll also Ihre „Zunge lösen“.

Small Talk im Aufzug

Ein vollbesetzter Aufzug ist häufig einer der ruhigsten Plätze im Haus. Da hier der in unserer Kultur übliche Mindestabstand zwischen nicht-befreundeten Personen deutlich unterschritten wird – er liegt bei etwa einer Armeslänge –, stellt sich bei den meisten Mitfahrern ein zumindest leichtes Missempfinden ein. Anstandshalber schließt man sich darum in der Regel dem Schweigen an. Wenn Sie jetzt allerdings laut und deutlich sagen: „Ist es nicht komisch, dass in einem vollen Aufzug die Menschen alle zur Decke oder auf den Boden schauen, obwohl es dort gar nichts zu sehen gibt?“, bleiben Sie mit Sicherheit in bleibender Erinnerung bei Ihren Mitfahrern und können durch diese Art Small Talk zwar nicht Ihren Beliebtheits-, aber doch zumindest Ihren Bekanntheitsgrad steigern.

Small Talk während einer Auto- oder Zugfahrt

Als Beifahrer im Auto wird es einem schnell langweilig. Denn im Gegensatz zum Fahrer hat man ja meist so gut wie nichts zu tun. Während man im Zug noch eine Tageszeitung lesen kann, wird dies im Auto selten toleriert. Zu leicht kommt man dem Fahrer beim Umblättern der einzelnen Blätter ins Gehege. Aber selbst wenn man statt der Zeitung auf ein handlicheres Buch zurückgreift, so endet das bei empfindlicheren Personen ohnehin sehr oft in einem Gefühl leichter Übelkeit, quasi im Äquivalent einer leichten Seekrankheit. Also bietet sich ein lockeres Gespräch geradezu an, um die aufkommende Langeweile zu besiegen.

Small Talk im Auto verkürzt die Reisezeit.

Häufig genug sind auch viele Autofahrer selbst bei einer Autofahrt kommunikativ nicht ausgelastet und freuen sich über ein wenig seichte Unterhaltung. Tiefsinnige Gespräche und Schwerverdauliches kommen ja wegen der Fahrsicherheit nicht infrage. Das kann schnell ins Auge gehen, wie ich am eigenen Leib erlebt habe: Ich erinnere mich noch gut, dass ich einen Kollegen, der Berufskraftfahrer ist und in dieser Eigenschaft auch Seminare gibt, mit einem interessanten Thema derart abgelenkt habe, dass er eine Geschwindigkeitskontrolle der Polizei samt der dazugehörigen Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen hat. Noch zehn Jahre später erzählt er in seinen Seminaren, in denen sich auch Seminarteilnehmer befinden, die mich kennen, wem er seine bisher einzigen Punkte in Flensburg zu verdanken hat.

Bahnfahren bietet viele Möglichkeiten zu einem netten Small Talk.

Wie viel lockerer ist es da doch im Zug! Insbesondere bei den nicht allzu seltenen Verspätungen der Bundesbahn drängt sich ein Small Talk geradezu auf. Als eines Tages der Zug mal wieder mitten im Grünen stehen blieb und der Zugführer mit der geistreichen Bemerkung glänzte, hierbei handele es sich um einen ungeplanten Halt, ergoss sich mein Sitzpartner in einen Schwall übler Beschimpfungen über die nun unkalkulierbare Verspätung. Ich neige üblicherweise nicht zu so deftigen Bemerkungen, sah mich jedoch gezwungen, dem Leiden meiner Seele auf ganz ähnliche Weise Luft zu machen. Wie sich bei dem anschließenden Small Talk herausstellte, war mein Gesprächspartner ein Pfarrer auf dem Weg zu einer Trauung, und ich unterwegs zu einem Seminar, das ebenfalls bald beginnen sollte. In diesem Falle änderte der Small Talk zwar nicht das Geringste an der objektiven Lage, er erleichterte uns beide aber enorm.

Man schließt ebenfalls schnell neue Bekanntschaften, wenn man sich eines der zahlreichen verwirrten Bahnkunden annimmt, die hilflos suchend auf dem Bahnsteig herumlaufen. Bahnpersonal ist in der Regel nicht in Sicht, und so hat man mühelos einen freundlichen, weil dankbaren Gesprächspartner. Im Grunde sorgt gerade die Unzuverlässigkeit der Bahn für jede Menge Gesprächsstoff, auf den man bei einem funktionierenden System hätte verzichten müssen.

Small Talk im Flugzeug mit dem unbekannten Nachbarn

Zumindest wenn man zwei oder mehr Stunden recht eng nebeneinander sitzt, wäre ein kleiner Small Talk im Flugzeug nett. Das verkürzt die Reisezeit und zeigt dem Nachbarn, dass man ihm freundlich gesonnen ist. Aber natürlich ist das kein Muss: Wer demonstrativ von der Stewardess ein Kopfkissen und eine Decke verlangt und es schafft, sich die gesamte Zeit in einer vom Nachbarn abgewandten Haltung in den Sitz zu quetschen, der könnte mit der unausgesprochenen Botschaft „Bitte in Ruhe lassen!“ Erfolg haben.

Ansonsten bietet es sich an, über den Flug selbst zu sprechen. Dabei kann es um Pünktlichkeit oder Unpünktlichkeit gehen, und selbst das Wetter hat bei einem Flug endlich einmal eine tiefere Bedeutung. Einleitend über das letzte Flugzeugunglück zu plappern, könnte allerdings beim Nachbarn einen starken Würgereiz hervorrufen, womit ein Gespräch von Anfang an erstickt wäre. Und sollten Sie zu denjenigen gehören, die wissen, dass das Fliegen beileibe nicht die sicherste Beförderungsart ist, sondern dass es hierbei pro Passagier und Stunde etwa dreimal so viele Tote gibt wie bei der Bahn, dann behalten Sie dieses Wissen besser mindestens so lange für sich, bis Sie wissen, dass ihr Nachbar eine ausgesprochen robuste Natur hat. Bemerkungen über das schöne Wetter oder die schöne Gegend am Zielort wirken da sehr viel angenehmer. Und wenn Sie bei jedem Small Talk unbedingt an etwas herumnörgeln müssen, dann schimpfen Sie zur Not auf das Gehalt des Piloten, aber zweifeln Sie bitte zumindest vor der Landung niemals seine Flugfähigkeiten an.

Small Talk im Taxi

Beim Taxifahren stellt sich die interessante Frage, von wem der Small Talk ausgeht und wem er am meisten nützt. Einerseits gibt es sicherlich Kunden, die während der Fahrt ihre Ruhe haben wollen, andererseits aber auch solche, die den Small Talk im Taxi als Bestandteil des Beförderungsservice ansehen und deshalb nach der Nennung des Fahrtzieles munter weiterplappern. Ein guter Taxifahrer spürt das und verhält sich entsprechend. Schwierige Kunden für den Taxifahrer sind deshalb die Fahrgäste, die sich gerne unterhalten würden, sich aber nicht trauen, den Anfang zu machen.

Ein gelungener Small Talk im Taxi verspricht mehr Trinkgeld.

Jeder erfahrene Taxifahrer weiß, dass ein gelungener Small Talk mit großer Wahrscheinlichkeit das Trinkgeld erhöht. Und das ist auch keineswegs verwerflich, denn der zufriedene Kunde gibt es ja gerne. Insbesondere Geschäftskunden sind auch nicht abgeneigt, sich die Visitenkarte des Fahrers geben zu lassen, um bei nächster Gelegenheit auch genau den Taxifahrer zu ordern, bei dem sie sich während der Fahrt so wohl gefühlt haben.

Was das Small-Talk-Thema angeht, muss ein Taxifahrer allerdings einiges an Fingerspitzengefühl mitbringen. Es entlockt mir immer wieder ein Schmunzeln, wenn mich zum Beispiel ein Taxifahrer in Gelsenkirchen ganz vorsichtig fragt, ob ich mich für Fußball interessiere. Denn fast jeder weiß, dass weltweit der Begriff Schalke viel bekannter ist als der Ort Gelsenkirchen. Raffinierte Taxifahrer schalten auch gerne den nächsten Nachrichtensender ein, um herauszufinden, ob der Kunde bei irgendeinem Thema eine besondere Reaktion zeigt. Ich selbst gehöre zu denen, die bevorzugt mit Bahn und Flugzeug unterwegs sind und für die letzten Kilometer fast regelmäßig ein Taxi in Anspruch nehmen, weil das Ganze insgesamt für mich bequemer und oft auch günstiger ist, als mein eigenes Auto zu nehmen. Bin ich öfter am selben Ort, wähle ich oft ganz bewusst die Taxigesellschaft aus, die die freundlicheren Fahrer hat, und verzeihe es dann manchmal sogar, wenn der nette Fahrer sich verfahren hat – was eigentlich nicht vorkommen dürfte.

Small Talk bei einem Geschäftsessen

Es stimmt zwar, dass anlässlich eines Geschäftsessens schon viele erfolgreiche, politische, wirtschaftliche und auch private Abschlüsse getätigt wurden und werden, aber nur in sehr seltenen Fällen erfolgten diese Vereinbarungen wirklich während des Essens selbst. Vielmehr ist ein Geschäftsessen eine Vorbereitung auf einen erwünschten Abschluss, die auf der Beziehungsebene ansetzt: Das heißt, hier werden die emotionalen Voraussetzungen für das geschaffen, was dann erst nach dem Essen beschlossen und ausformuliert wird.

Ursprünglich – also in grauer Vorzeit – herrschten auf diesem Planeten nur begrenzte Ressourcen, die der jeweilige Besitzer erbittert gegen jeden Eindringling verteidigte. In gewisser Hinsicht ist das ja zumindest auf Teilen dieser Erde nach wie vor der Fall. Wenn man nun jemanden in das eigene Territorium hineinließ und es ihm erlaubte, mit Billigung oder gar Beteiligung des jeweiligen Revierinhabers diesem etwas wegzuessen, so war dies zugleich ein Symbol für Freundschaft oder zumindest für Verbundenheit. Und so funktioniert es auch heute noch: Wir entscheiden uns bis zum heutigen Tage, trotz hunderter alternativer Tätigkeiten mit guten Freunden in erster Linie zusammen trinken oder essen zu gehen. Dies festigt die gute Beziehung zueinander.

Bei einem Geschäftsessen ist man allerdings nur selten miteinander befreundet. Man weiß jedoch um den Wert der bloßen Sympathie für einen Geschäftsabschluss. Nun gilt neben der Regel, mit vollem Mund nicht zu sprechen, auch die, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Deshalb pflegt man statt der wortreichen Verhandlung hierbei lieber einen Small Talk, der die gute Beziehung, die über das gemeinsame Essen hergestellt wird, noch verstärkt. Oft spricht man dann über private Dinge, wie die Ausbildung der Kinder, die bevorzugte Urlaubsregion oder gar das geliebte Haustier. Beachten Sie, dass der Small Talk nicht zu tief gehen darf! Das nimmt das Großhirn zu stark in Anspruch und stört tatsächlich den Genuss und sogar die Verdauung.

Small Talk beim Friseur

Beim Friseur ist man als Kunde und vermutlich noch eher als Kundin für eine ganze Weile in einer überwiegend passiven Haltung. Das ist man zwar beim Zahnarzt auch, aber da ist die Situation wesentlich angespannter und für einige unter uns sogar fast dramatisch.

Um das Haareschneiden (und eventuell das Pflegen und Färben) nicht einfach zu einer schnöden und womöglich gar langweiligen Dienstleistung werden zu lassen, sind manche Friseure geradezu Meister der kurz gefassten Unterhaltung. Selbst die örtliche Zeitung faltet sich vor Scham zusammen in Anbetracht dessen, was ein guter Friseur alles aus der Gegend und insbesondere über die Menschen in dieser Gegend zu berichten weiß.

„Es ist töricht, sich im Kummer die Haare zu raufen,

denn noch niemals ist Kahlköpfigkeit

ein Mittel gegen Probleme gewesen.“
(Mark Twain)

Selbstverständlich wird der Friseur einem nicht die Relativitätstheorie erklären, und überhaupt erfordert dieser Beruf ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl für Themen, die man bei einem Small Talk besser nicht anschneidet. Aber es ist doch wohltuend, mit frisch gewaschenen und geschnittenen Haaren ins Freie zu treten, um ein paar Euro ärmer, aber um etliche Informationen reicher.

Und Hand aufs Herz: Woher hat der Friseur diese Informationen? Es gibt offenbar genug Kunden, die sich am liebsten damit unterhalten, anderen etwas zu erzählen. Der Friseur muss also etwas können, was die meisten von uns nie gelernt haben: geduldig und aufmerksam zuhören. Nur so fühlt sich mancher Kunde richtig verstanden und ernst genommen. Ist es denn wirklich sinnvoll, seine kleinen Kümmernisse ausgerechnet auf einem Friseurstuhl preiszugeben, wenn ein Psychiater für ein Vielfaches an Geld denselben Dienst erbringt? Allerdings unterliegt letzterer der Pflicht zur Verschwiegenheit.

Small Talk in der Sauna

Die Sauna gehört nicht zu den kommunikativsten Orten unserer Gesellschaft, aber erstens ist das einfache Schwitzen vielen als Betätigung zu wenig und zweitens gehen sowohl Männer als auch Frauen gerne in Begleitung in die Sauna. Man bringt also den Gesprächspartner schon mit. Da die Hitze einem das Gehirn austrocknet, findet dort aber selten ein gepflegtes, tiefgründiges Gespräch statt, sondern hier ist echter Small Talk gefragt. Gerade in der Sauna bietet sich dafür die detailverliebte Betrachtung des eigenen Körpers an – mit all den Makeln, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, die man schon seit Jahren loswerden will und mit deren Beseitigung man spätestens nächste Woche beginnt.

Weniger schicklich sind Bemerkungen über den Körper der anderen Saunagänger, auch wenn man diese in der Sauna ausgiebig betrachten und mit den eigenen Vor- oder Nachteilen vergleichen kann.

Da zu einer guten Sauna in der Regel ein angeschlossener Ruhebereich gehört, findet sich dort die Gelegenheit, den in der Hitze begonnenen Small Talk nun in abgekühlter Form zu vertiefen. Doch seien Sie vorsichtig, wenn Fremde dabei sind, denn so mancher versteht unter einem Ruhebereich tatsächlich einen Raum, in dem Ruhe herrscht, und ganz pingelige Zeitgenossen verstehen darunter auch schon die Sauna selbst.

Small Talk im Fitness-Studio

Böse Zungen behaupten, ein beträchtlicher Teil der Mitglieder in einem Fitness-Studio melde sich in erster Linie wegen des Small Talks dort an. Es gibt in der Tat Studios, die durch entsprechende Maßnahmen – wie eine Theke, Stühle, Tische und Kunststoffpalmen – dafür sorgen, dass eine Wohlfühlatmosphäre (Neudeutsch: Wellness) entsteht, die man sich nicht unbedingt mit hartem Training ruinieren muss. Es ist zudem schon lange kein Geheimnis mehr, dass manche Fitness-Studios in punkto zwischenmenschliche Beziehungen jede Kontaktbörse oder Diskothek bei Weitem übertreffen. Und das wohl auch deshalb, weil hier die Altersspanne bei Weitem größer ist als beispielsweise in einer Disko, wo der kontaktfördernde Small Talk oft schon an den akustischen Gegebenheiten scheitert.

Aber auch im Trainingsbereich eines Fitness-Studios unterhält man sich munter: Diese Unterhaltung reicht von Mode und Männer (eher ein Thema für Frauen) bis zu Muskeln, Kraft und Frauen (eher Themen für Männer). Da ich selbst jahrelang ein Fitness-Studio betrieben habe, muss ich übrigens mit dem Vorurteil aufräumen, dass Frauen bei solchem Tratsch führend sind. Eine Frau auf einem Stepper oder einem Laufband hat gar nicht so viel Zeit für einen Small Talk, wie ein Mann, der sich zwischen den einzelnen anstrengenden Trainingseinheiten ausgiebig erholen muss.

Small Talk im Wartezimmer

Privatpatienten sind hier übel dran. Denn sie kommen zumindest bei manchen Ärzten einfach zu schnell dran, als dass sich ein Gespräch mit anderen entwickeln könnte. Ich erinnere mich noch an einen nicht mehr praktizierenden HNO-Arzt, bei dem ich grundsätzlich allen Patienten vorgezogen wurde und überhaupt nicht warten musste, weil dieser Arzt eine akademische Unterhaltung „unter Doktoren“ über alles schätzte. Da er dabei alle anderen Patienten beliebig lange warten ließ, fällt es mir schwer, diese Unterredungen noch als Small Talk zu bezeichnen.

Im Normalfall sitzt man allerdings bei guten und daher beliebten Ärzten selbst mit Anmeldung leicht schon einmal eine Stunde oder länger in einem überfüllten Wartezimmer. Dann langweilt man sich oder lässt sich von den an der Wand hängenden Hinweisen zu diversen Krankheiten und Vorsorgeuntersuchungen in eine schleichende Panik versetzen. Leider zeigen etliche Ärzte bei der Auswahl ihrer ausliegenden Zeitschriften einen Geschmack, der nicht jedermanns Sache ist, und so manche Geschichte über mir ansonsten völlig unbekannte Prinzen und Prinzessinnen würde ich ohne Arztbesuch wohl nur aus dem Märchenbuch kennen.

Im Wartezimmer eines Arztes entfällt nun endlich das Tabu, in einem Small Talk über Krankheiten zu reden. Und einige machen davon zum großen Vergnügen der anderen Wartenden auch ausgiebig Gebrauch. Besonders reizvoll wird es, wenn Mütter aus reiner Not ihre kleinen Kinder mitbringen, die dann im Wartezimmer über Tische und Bänke turnen. Dann ist es eine recht gute Vorsorgemaßnahme, frühzeitig einen Small Talk über die Probleme bei der Kindererziehung zu beginnen, bevor sich jemand noch über das Verhalten dieses Kindes beschweren kann, weil er nicht begreift, dass auch die beste Erziehung beispielsweise einen Vierjährigen nicht dazu ermuntern kann, über eine Stunde still und stumm auf etwas zu warten, was er ohnehin nicht versteht.

Small Talk in der Warteschlange

Sie stehen im Supermarkt in einer Schlange, aber ausgerechnet in Ihrer Schlange verlässt die Kassiererin für einige Zeit die Kasse, um eine Information einzuholen. Oder noch schlimmer: Sie stehen in einer Schlange vor einem Fahrkartenschalter der Bundesbahn und etwa fünf Personen vor Ihnen möchte jemand eine Fahrkarte nach Helsinki kaufen. Die Frau oder der Mann am Schalter ist damit völlig überfordert, und auch der nach einiger Zeit herbeigerufene Vorgesetzte scheint sich nicht damit auszukennen. Ein Blick zur Seite zeigt Ihnen, dass Sie mit Ihrem fünften Platz in der Schlange aber relativ gut liegen. Wenn Sie jetzt wechseln, fangen Sie als Nummer zehn in der anderen Schlange von hinten an.

Damit sitzen Sie in der Falle. Sie brauchen jetzt viel Zeit und Geduld und Sie haben nichts zu tun. Die Gründe für einen Small Talk mit den anderen Wartenden in der Schlange sind nun offensichtlich. Eine Mischung aus Langeweile, Frust und Ärger führt jetzt zu tief schürfenden Bemerkungen:

Die Antworten sind nicht weniger aufschlussreich:

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869109350
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2010 (Dezember)
Schlagworte
Alltagstaugliche-Tipps Beruf und Karriere Gesprächsführung Kommunikations-Ratgeber Kommunikationstrainer Sicheres Auftreten Überzeugen

Autor

  • Dieter J. Zittlau (Autor:in)

Dr. Dieter J. Zittlau ist seit über 25 Jahren erfolgreicher Rhetorik- und Management-Trainer sowie Hochschuldozent für Psychologie mit dem Schwerpunkt Kommunikation in Düsseldorf. Er weiß: Mit den richtigen Übungen kann jeder gelungenen Small Talk führen.
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Titel: Small Talk