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Atlas der Anatomie des Hundes

herausgegeben von Sven Reese, Christoph Mülling, Christiane Pfarrer, Sabine Kölle, Klaus-Dieter Budras

von BUDRAS ANATOMIE (Autor:in)
292 Seiten

Zusammenfassung

Eine grundlegend überarbeitete Neuauflage! Die neue Herausgebergemeinschaft führt das bewährte Konzept dieses unentbehrlichen Standardwerkes für Studierende und praktizierende Tierärzte fort. Eine neue Gestaltung führt die anatomischen Themen und die dazugehörige klinisch-funktionelle Anatomie noch näher zusammen. Dabei fokussieren die Autoren die aktuellen Anforderungen des Studiums und die klinisch relevanten Fakten für die Praxis.
Der Atlas erfasst das gesamte Spektrum der Anatomie des Hundes. Übersichtliche, ganzseitige Abbildungstafeln zur topographischen Anatomie ermöglichen jedem Studierenden, die Fülle des Stoffgebietes leicht zu erfassen. Die Beiträge zur klinisch-funktionellen Anatomie erläutern den praktischen Bezug zu den anatomischen Sachverhalten durch anschauliche Röntgenbilder, Zeichnungen und Fotografien.
Damit berücksichtigt das Buch neben den Grundlagen der Anatomie klinisch wichtige Anwendungen und stellt auch für praktizierende Tierärzte ein begehrtes und sehr praxisbezogenes Nachschlagewerk dar.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 | Hals und Brustregion

1.1 Hautmuskeln und Hautnerven von Hals und Brustwand

1.1.1 Hautmuskeln

Die Hautmuskeln enden mit feinsten Sehnen in der äußeren Haut und bewirken deren Bewegung etwa zur Abwehr von Insekten.

Der M. cutaneus trunci (4) konvergiert in seinem Faserverlauf zur Achselgegend und zur ventromedianen Bauchnaht (Linea alba) und wird von feinsten Hautnervenästen durchbohrt. Seine motorische Innervation erfolgt durch den N. thoracicus lateralis (5), dessen Äste bei muskelfaserparalleler Verlaufsrichtung in der Ventralhälfte des Bauchhautmuskels sichtbar sind.

Das Platysma (2) reicht am Hals (Halsplatysma – M. cutaneus colli) von seinem linearen Ursprung in der dorsalen Medianen bis zur Kopfhalsgrenze, wo es in das Kopfplatysma (M. cutaneus faciei) übergeht.

Der Nervenast für das Platysma am Hals (R. platysmatis —3) stammt vom N. auricularis caudalis des VII. Gehirnnerven (N. facialis). Er unterkreuzt die Faserbündel seines Muskels bei dorsoparamedianem Verlauf etwa in Höhe der Lateralenden der Halswirbelquerfortsätze. Durch Auseinanderdrängen der groben Muskelfaserbündel kann der Nervenast bestimmt werden.

Der M. sphincter colli superficialis (1) liegt ventral am Hals. Seine transversalen Muskelfasern lassen sich nur mühsam von der Haut lösen.

1.1.2 Hautnerven

Die Hautnerven versorgen die äußere Haut vornehmlich sensibel und sind deshalb als einzige Anteile der Spinalnerven subkutan sichtbar. Die Spinalnerven (z. B. nC 4) teilen sich bei Austritt aus dem For. intervertebrale in einen Dorsalast (d) und einen Ventralast (v), die sich weiter in Medial- (dm resp. vm) und Lateraläste (dl resp. vl) aufteilen. Mit Ausnahme des dorsalen Halsbereiches führen die tiefliegenden Medialäste ganz oder überwiegend motorische Faserqualitäten, die Lateraläste für die Hautversorgung überwiegend sensible.

Von den acht Halsnerven tritt nC 1 durch das For. vertebrale laterale atlantis. NC 2–7 treten kranial der gleichzähligen Halswirbel und nC 8 kaudal des letzten Halswirbels aus dem entsprechenden For. intervertebrale hervor. Der erste Halsnerv erreicht mit seinem Dorsomedialast (nC 1dm) nicht die Halshaut. Der N. occipitalis major (nC 2dm) zieht unter dem M. cervicoauricularis superficialis zur Hinterhauptsregion. Die folgenden nC 3dm bis nC 6dm sind oft doppelt ausgebildet. Die beiden letzten nC 7dm und nC 8dm sind so schwach, dass sie in der Regel die Haut nicht erreichen, sondern in der dicken Muskelschicht steckenbleiben. Die Innervation des dorsalen Halshautgebietes durch dm-Äste stellt eine Abweichung von der in anderen Körperregionen gültigen Regel dar, dass die Haut von Lateralästen und die Muskulatur von Medialästen versorgt wird. Die Abweichung wird bei Gegenüberstellung der Nervendurchtritte im dorsalen Hals- und Brustbereich deutlich.

Die dorsale Halshautnervenreihe tritt in Gefäßbegleitung in der dorsalen Medianen an die Oberfläche und wird von dm-Ästen gebildet.

Die dorsale Thorakalhautnervenreihe tritt in Gefäßbegleitung handbreit dorsoparamedian, also lateral, hervor und wird bei regelrechtem Verhalten von dl-Ästen gebildet. Die dreizehn Thorakalnerven verlassen kaudal des gleichzähligen Wirbels den Wirbelkanal und teilen sich hier in den Dorsal- und Ventralast. Der Ventralast zieht als N. intercostalis zwischen den Rippen distal und gibt etwa auf halber Länge des Interkostalspaltes einen vl (prox.)-Ast und am Ventralende des Interkostalspaltes einen vl (dist.)-Ast ab. image (1)

Die seitliche Halshautnervenreihe wird von vl-Ästen (nC 2vl bis nC 5vl) gebildet. Die nC 2v bis nC 5v kommunizieren untereinander und bilden in der Tiefe der Muskulatur den Plexus cervicalis. Der nC 2vl zieht mit seinem N. auricularis magnus (11) zur Ohrgegend und mit seinem N. transversus colli (12) zur ventralen Halsregion. Die Wurzeln von nC 6v bis nT 2v fließen mit ihren Hauptanteilen in das Armgeflecht (Plexus brachialis – s. Kap. 2.3.2), aus dem die Plexusnerven der Schultergliedmaße hervorgehen.

Die seitliche Thorakalhautnervenreihe wird von den erwähnten proximalen vl-Ästen (Rr. cutanei laterales nn. intercostales) gebildet. image (2)

Eine ventrale Thorakalhautnervenreihe wird von den erwähnten sehr schwachen distalen vl-Ästen (Rr. cutanei ventrales nn. intercostales n) gebildet. image (2)

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Nerven der dorsalen Thorakalhautnervenreihe bilden den afferenten Schenkel beim Pannikulus-Reflexbogen. Hautreize entlang der Rückenlinie werden über sie abgeleitet, führen reflektorisch zur Erregung des N. thoracicus lat. und damit zur Kontraktion des M. cutaneus trunci.

(2)_____ Die sensible Innervation der seitlichen Brustwand erfolgt nicht nur über die segmental angeordeneten Äste der seitlichen und ventralen Thorakalhautnervenreihe, sondern zusätzlich über den N. thoracicus lateralis (m), der aus dem Plexus brachialis hervorgeht. Diese Doppelinnervation ist bei einer Sensibilitätsprüfung im Rahmen einer neurologischen Untersuchung zu beachten.

 

Regiones colli et pectoris

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1.2 Dorsale Schultergürtel-Muskulatur

Die Muskelursprünge resp. -ansätze an Schulterblatt (Scapula), Rudiment des Rabenschnabelbeins (Proc. coracoideus) und bindegewebigem Rudiment des Schlüsselbeins (Intersectio clavicularis) sind maßgebend für die Benennung als Schultergürtelmuskulatur. Von diesen Muskeln stellt der M. serratus ventralis die synsarkotische Rumpf-Gliedmaßen-Verbindung her, deren Drehfeld inmitten der Facies serrata scapulae liegt.

Die Funktion der Schultergürtel-Muskulatur besteht sowohl in der Bewegung von Kopf, Wirbelsäule und Schultergliedmaße als auch in der Aufhängung des Stammes am Gliedmaßenpaar. Die weiter dorsal gelegenen Muskeln erfüllen überwiegend Bewegungsfunktionen und übernehmen in Nebenfunktion die Aufhängung der Schultergliedmaße. Die weiter ventral gelegenen Muskeln bewirken vornehmlich die Aufhängung des Stammes und besitzen dafür reichlich Sehneneinlagerungen.

Der M. trapezius entspringt mit seinen beiden Teilen an der Dorsomedianlinie über den Dornfortsätzen der Hals- und Brustwirbel. Seine Pars thoracica (6) endet bei kranioventraler Verlaufsrichtung am Dorsaldrittel der Spina scapulae. Die Pars cervicalis (5) inseriert bei kaudoventraler Verlaufsrichtung an den dorsalen zwei Dritteln der Spina scapulae. Trotz unterschiedlicher Faserverlaufsrichtung fungieren beide Teile als Vorführer der Gliedmaße, da die Pars thoracica dorsal und die Pars cervicalis ventral vom Drehfeld der synsarkotischen Rumpf-Gliedmaßen-Verbindung inseriert.

Der M. cleidocervicalis (3) verkehrt zwischen Klavikularstreifen (Intersectio clavicularis —18) und der dorsalen Medianen des Halses.

Der innervierende R. dorsalis n. accessorii (3.13) kommt zwischen dem M. cleidocervicalis und der Pars cervicalis m. trapezii an der Spitze eines muskelumgrenzten Dreiecks zum Vorschein.

Der M. omotransversarius (4) verkehrt entsprechend seiner Benennung zwischen Acromion der Schulter (Omos) und Transversalfortsatz des Atlas. Innervation: nC 4vm. Unter seiner Dorsomedialfläche liegt der Buglymphknoten (Lnn. cervicales superficiales —k).

Der M. latissimus dorsi (3.8) entspringt an der breiten Fascia thoracolumbalis (3.9) und endet an der Oberarmfaszie sowie an der Crista tuberculi majoris und — minoris humeri, wodurch ein breiter Arcus axillaris entsteht. Sein N. thoracodorsalis (s. Kap. 2.3.2) tritt mit begleitenden Gefäßen in die Medialfläche des Muskels.

Der M. rhomboideus (3.10) wird vom M. trapezius bedeckt und besteht aus den Mm. rhomboideus capitis (nC vm), — cervicis (nC vm) und — thoracis (nT vm), die an der Crista nuchae und an der Dorsomedianlinie entspringen und am Schulterblattknorpel enden. Funktion: Feststeller, Heber und Rückwärtsführer der Schultergliedmaße sowie Heber des Halses.

1.3 Ventrale Schultergürtel-Muskulatur

Die Mm. pectorales superficiales (Nn. pectorales craniales et — caudales) bilden gemeinsam mit dem M. cleidobrachialis die seitliche Brustfurche mit darin gelegener V. cephalica. Der breite M. pectoralis transversus (12) hat seinen linearen Ursprung vom Kranialende des Corpus sterni bis zum Manubrium sterni, wo auch der schmale, oberflächlich aufliegende M. pectoralis descendens (13) entspringt. Die oberflächlichen Brustmuskeln enden an der Crista tuberculi majoris des Oberarmknochens.

Der M. pectoralis profundus (Nn. pectorales craniales et — caudales) bildet mit seiner Hauptportion (Pars principalis —15) die Unterlage für die schmale, lateral gelegene Nebenportion (Pars accessoria14). Der tiefe Brustmuskel entspringt am Manubrium — und Corpus sterni und endet am Tuberculum majus und minus humeri. Die Nebenportion inseriert an der Oberarmfaszie. Die innervierenden Nerven sind auf der Schnittfläche der Brustmuskulatur erkennbar.

Der M. serratus ventralis (17) ist in den M. serratus ventralis cervicis (nCvm) und den M. serratus ventralis thoracis (N. thoracicus longus —16) unterteilt, die im Bereich ihres transversalen Faserverlaufs am Brustkorbeingang nahtlos ineinander übergehen. Sie entspringen an den Transversalfortsätzen der Halswirbel resp. an den Rippen und inserieren gemeinsam an der Facies serrata scapulae.

Der M. sternocleidomastoideus (R. ventralis n. accessorii) besteht aus vier Einzelmuskeln: Die Mm. cleidomastoideus (9) und sternomastoideus (8) sind kranial, der M. sternomastoideus und der M. sternooccipitalis (1) sind kaudal miteinander verwachsen. Die Lateralfläche des M. sternocleidomastoideus bildet die Drosselrinne für die Drosselvene (V. jugularis externa). Der M. cleidocervicalis (3) ist kaudal mit dem M. cleidomastoideus verwachsen, wird aber vom R. dorsalis n. accessorii innerviert. Die Innervation erfolgt durch den XI. Gehirnnerven (N. accessorius, 3.13). Der N. accessorius verlässt den Schädel durch das For. jugulare und teilt sich am Kaudalrand der Gl. mandibularis in seinen langen R. dorsalis für den M. trapezius und seinen kürzeren R. ventralis, dessen drei Äste nach kurzem Verlauf in den Einzelmuskeln des M. sternocleidomastoideus enden.

Der M. cleidobrachialis (2) wird vom N. axillaris accessorius (nC 6 —11) innerviert, der zwei Fingerbreit distal vom Schlüsselbeinstreifen in seine Medialfläche eintritt und diesen motorisch versorgt. Mit seinen sensiblen Hautastanteilen durchbohrt der N. axillaris accessorius den genannten Muskel. Der M. cleidobrachialis ist entwicklungsgeschichtlich betrachtet eigentlich der dritte Teil (Pars clavicularis) des M. deltoideus, der mit seinen Partes scapularis (21) und acromialis (20) nicht zur Schultergürtel-Muskulatur gerechnet wird.

Der M. sternohyoideus (nC 1vm —10) und der M. sternothyreoideus (nC 1vm —7) gehören nicht zur Schultergürtel-Muskulatur, sondern zu den langen Zungenbeinmuskeln. Der rechte und linke M. sternohyoideus berühren sich in der Ventromedianlinie des Halses. Der M. sternothyreoideus liegt lateral benachbart.

 

Regiones colli et pectoris

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1.4 Leitungsstrukturen und Eingeweide des Halses

1.4.1 V. jugularis externa

Die V. jugularis externa (8) geht ebenso wie die Vv. subclavia und jugularis interna in Höhe der Apertura thoracis cranialis aus der V. brachiocephalica hervor. Sie entlässt in kaudokranialer Reihenfolge die Vv. cephalica, cervicalis superficialis und omobrachialis. Danach teilt sie sich an der Kaudalkontur der Gl. mandibularis in die dorsale V. maxillaris (19) und die ventrale V. linguofacialis (18). Die V. cephalica (11) zieht anfangs in der seitlichen Brustfurche zur Schultergliedmaße. Die V. cervicalis superficialis (10) verzweigt sich wie die gleichnamige, im Brustkorb entspringende Arterie, in der Schultergürtel-Muskulatur. Die V. omobrachialis (9) zieht lateral über den M. deltoideus zum Oberarm. image (1)

1.4.2 Leitungsstrukturen im Spatium colli

Von den Leitungsstrukturen im Spatium colli zieht die V. jugularis interna (22) an der lateralen Kontur der Trachea entlang und schickt Äste zum Gehirn, zur Schilddrüse, zum Kehl- und Schlundkopf. Die Aa. carotis communis sinistra und — dextra gehen in Höhe der Apertura thoracis cranialis aus dem arteriellen Truncus brachiocephalicus hervor. Die A. carotis communis (24) zieht an der dorsolateralen Kontur der Trachea kopfwärts und schickt Arterienäste zu Schilddrüse, Kehl- und Schlundkopf. Der Truncus vagosympathicus (23) liegt als großer Nervenstamm dorsolateral an der A. carotis communis. Er leitet sympathische Anteile vom Brust-Lenden-Grenzstrang (thorakolumbales System) zum Kopf. Parasympathische Anteile des N. vagus (X. Gehirnnerv) gelangen vom Kopf überwiegend in die Körperhöhlen. Der N. vagus entlässt nach seiner Trennung vom N. sympathicus innerhalb des Brustkorbs den N. laryngeus recurrens und führt danach ausschließlich parasympathische Nervenfasern. Der N. laryngeus recurrens (26) kehrt mit seinen überwiegend motorischen und sensiblen Faserqualitäten zum Hals zurück. Er liegt innerhalb der Bindegewebsumhüllung lateral an der Trachea, die ebenso wie der Oesophagus Nervenäste erhält. An der Medialfläche der Schilddrüse ist der N. laryngeus recurrens leicht auffindbar. image (2)

1.4.3 Lymphsystem

Vom Lymphsystem werden hier Lymphgefäßstämme und Lymphknoten berücksichtigt. Der Truncus jugularis (trachealis) ist der große paarige Lymphstamm des Halses. Er beginnt als Abfluss aus dem Ln. retropharyngeus medialis, erhält Zuflüsse von oberflächlichen und tiefen Halslymphknoten und mündet im Venenwinkel, der durch den Zusammenfluss von äußerer und innerer Drosselvene (V. jugularis) entsteht. Der Endabschnitt des linken Truncus jugularis (trachealis —28) vereinigt sich kurz vor seiner Mündung mit dem Ende des Milchbrustganges (Ductus thoracicus —29), der die Lymphe aus den Körperhöhlen zuführt. Der Ln. retropharyngeus medialis (1) liegt auf dem Insertionsabschnitt des M. sternothyreoideus. Er erhält seine Lymphe aus dem Kopfbereich. Der Buglymphknoten (Lnn. cervicales superficiales —27) liegt unter dem Dorsalrand des M. omotransversarius auf dem M. serratus ventralis. Zum Einzugsgebiet gehören der oberflächliche Halsbereich, aber auch Rumpf, Kopf und Schultergliedmaße. image (3)

Die Lnn. cervicales profundi liegen dicht an der Trachea und bestehen aus einer inkonstanten kranialen, mittleren und kaudalen Gruppe. Ihr Einzugsgebiet ist ihre unmittelbare Umgebung im Spatium colli.

1.4.4 Halseingeweide

Zu den Halseingeweiden gehören Oesophagus, Trachea, Gl. thyreoidea und Gl. parathyreoidea.

Die Speiseröhre (Oesophagus —25) liegt mit ihrer Pars cervicalis in der Halsmitte dorsal und am Brusteingang links dorsal der Trachea. Ihre rötliche Farbe wird durch Einlagerung von quergestreifter Muskulatur verursacht. Diese quergestreifte Muskulatur vom viszeralen Typ wird vom N. vagus innerviert. image (4)

Die Luftröhre (Trachea —6) besteht aus C-förmigen Knorpelspangen, die von dem Paries membranaceus mit enthaltenem M. trachealis (transversus) verschlossen werden. Die Knorpelspangen sind durch Ligg. anularia verbunden. Das Tracheallumen wird durch die Knorpelspangen offen gehalten, die durch ein fibroelastisches Gewebe verspannt sind. Der Spanneffekt ermöglicht Längenveränderungen (bei Atmung und Schluckakt) und ist für die typisch runde Querschnittsform der Trachea verantwortlich, deren Lumen durch Anspannung des M. trachealis etwas eingeengt werden kann. image (5)

Die Schilddrüse (Gl. thyreoidea —21) liegt dem Kranialende der Trachea mit ihren Lobi dexter und sinister an, die gelegentlich durch einen schwachen ventralen Isthmus verbunden sein können. image (6)

Die beiderseitigen zwei Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen, Gll. parathyreoideae —20) liegen als hellere runde Drüsen mit einem Durchmesser von ca. drei Millimetern an der Schilddrüse, und zwar an der Lateral- und Medialfläche oder darunter im Schilddrüsenparenchym. image (7)

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die V. jugularis externa (Abb. 1.4–1) ist auch bei kollabierten peripheren Venen noch zur Blutentnahme geeignet und wird zur Entnahme größerer Blutmengen für Bluttransfusionen herangezogen. Außerdem ist sie der Zugang der Wahl für zentrale Venenkatheter.

(2)_____ Der N. laryngeus recurrens liegt der Luftröhre seitlich an und ist unbedingt bei Halsoperationen, insbesondere beim ventralen Zugang zur Halswirbelsäule, zu beachten und zu schonen. Seine Schädigung z. B. in Folge einer invasiv wachsenden Neoplasie der Schilddrüse kann eine einseitige Kehlkopflähmung (Hemiplegia laryngis) zur Folge haben.

(3)_____ Der oberflächlich liegende Buglymphknoten ist gut tastbar und sollte bei jeder klinischen Allgemeinuntersuchung palpatorisch auf Veränderungen untersucht werden.

(4)_____ Im Oesophagus erfolgt der Weitertransport von abgeschluckten Bissen durch wellenförmige, aboral gerichtete unwillkürliche Kontraktionen der Oesophagusmuskulatur. Die Peristaltik wird automatisch nach Auslösung eines Schluckreflexes ausgeführt, aber auch unmittelbar durch mechanische Dehnungsreize gefördert oder sogar ausgelöst. Ein vollständiger Transport von kleinen Teilen (Tabletten!), die keinen Dehnungsreiz ausüben, ist daher nicht immer gewährleistet. Motilitätsstörungen können lokal den pharyngooesophagealen Übergangsbereich oder die gesamte Oesophagusmuskulatur betreffen. Pharyngooesophageale Motilitätsstörungen beruhen auf angeborenen neuromuskulären Funktionsstörungen mit Lähmung des M. cricopharyngeus (cricopharyngeale Achalasie), können aber z. B. auch Folge einer Staupe- oder Tollwutinfektion sein. Motilitätsstörungen der Oesophagusmuskulatur haben einen ungenügenden Transport der Nahrung und eine Erweiterung der Speiseröhre (Megaoesophagus) zur Folge. Die Ursache kann in einer angeborenen Innervationsstörung (Rassedisposition Schäferhund) liegen sowie sekundäre Folge neurogener oder myogener Krankheiten (z. B. Polyneuritis, Myasthenia gravis) sein. Eine Dilatation des kaudalen Abschnittes des Oesophagus wird in selteneren Fällen durch eine ungenügende Erschlaffung des M. sphincter cardiae hervorgerufen (s. Kap. 5.3.2). Im Oesophagus steckengebliebene Fremdkörper (z. B. abgeschluckte Knochen, Bälle etc.) verlegen das Lumen partiell oder vollständig (Obturation). Anatomisch für Obturationen disponierte Engstellen sind die Apertura thoracis cranialis, die Herzbasis und der Durchtritt durch das Zwerchfell. Der fortwährende Dehnungsreiz durch den Fremdkörper führt zu einem Krampf der Oesophagusmuskulatur, der zur Minderdurchblutung, ischämischer Nekrose und schließlich Perforation der Oesophaguswand führen kann. Eine Einengung der Speiseröhre von außen (Stenose) wird am häufigsten durch Verlaufsanomalien der großen Gefäße (Rechtsaorta, Abb. 1.4–2) verursacht.

 

Regiones colli et pectoris

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(5)_____ Eine Einengung der Trachea (Trachealstenose) führt zur Atemnot (Dyspnoe). Hauptursache ist eine Schwäche und Überdehnung des Paries membrananceus und des M. trachealis, die eine dorsoventrale Abflachung der Trachea (Trachealkollaps, Abb. 1.4–3) zur Folge hat. Das Krankheitsbild wird fast ausschließlich bei Zwerghunden gesehen (Yorkshireterrier, Toypudel, Chihuahua, Mops) und ist zumindest zum Teil kongenital bedingt. Seltener sind kongenitale Formveränderungen wie eine seitliche Abplattung (Säbelscheidentrachea) oder die bei Bulldoggen auftretende Hypoplasie von Knorpelspangen. Eine akut lebensbedrohliche Atemnot durch Verlegung der oberen Atemwege z. B. beim Kehlkopfödem kann durch eine Eröffnung der Luftröhre (Tracheotomie) behandelt werden. Dazu wird nach ventromedianer Freilegung der Trachea eine Inzision eines der Ligamenta anularia zwischen der 2. und 5. Knorpelspange vorgenommen, in die ein T-förmiger Trachealtubus eingeführt wird.

(6)_____ Die Schilddrüse (Abb. 1.4–4) ist eine endokrine Drüse, die durch gesteuerte Abgabe ihrer Hormone Tetrajodthyronin (Thyroxin) und Trijodthyronin in die Blutbahn die Intensität des Stoffwechsels reguliert. Ihre parafollikulären oder C-Zellen produzieren zusätzlich das Hormon Kalzitonin, dessen Ausschüttung eine Senkung des Kalziumspiegels bewirkt. Die Schilddrüse entwickelt sich mit ihren Hauptanteilen dorsal aus dem Entoderm der Zungenwurzel. (Die C-Zellen stammen aus den Ultimobranchialkörpern und primär aus der Ganglienleiste.) Von der Zunge sprosst der Ductus thyreoglossus bis zur ventralen Kehlkopf-Trachea-Grenze. Das Distalende des Ductus thyreoglossus entwickelt sich zum rechten und linken Seitenlappen sowie zum mittleren Isthmus glandularis, der beim Hund aber nur gelegentlich ausgebildet ist. Die übrigen Teile des Ductus thyreoglossus bilden sich normalerweise vollständig zurück. Einzelne erhalten gebliebene Reste differenzieren sich zu akzessorischen Schilddrüsen, die an allen Organen, die während der Embryonalentwicklung Kontakt zur Schilddrüsenanlage hatten (Zunge, Kehlkopf, Trachea, Herzbasis), vorkommen können. Ausgehend vom Ductus thyreoglossus können sich gelegentlich Zysten entwickeln, die meist an der Zungenwurzel liegen. Die Größe der Schilddrüse ist von einer Vielzahl von Faktoren wie Körpergewicht, Alter, Geschlecht und Jahreszeit abhängig und kann sonographisch bestimmt werden. Jede Form der Schilddrüsenvergrößerung wird als Struma (Kropf) bezeichnet und kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Klassisches Beispiel ist eine Jodmangelstruma infolge einer chronischen Unterversorgung mit Jod in Jodmangelgebieten (Süddeutschland). Tumorbedingte Strumen sind beim Hund häufig bösartig (Struma carcinomatosa). Eine bei Hunden (Rassedisposition Golden Retriever) relativ häufige autoimmunologische Schilddrüsenentzündung (Thyreoiditis) kann eine Schilddrüsenverkleinerung und -unterfunktion (Hypothyreose) verursachen.

 

 

 

 

 

(7)_____ Die Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen, Abb. 1.4–5) regulieren den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel. Das von ihnen produzierte Hormon, Parathormon, bewirkt als Antagonist des Kalzitonins eine Erhöhung des Blutkalziumspiegels und gleichzeitig eine Absenkung des Phosphatspiegels. Ein Funktionsausfall der Nebenschilddrüsen führt innerhalb kurzer Zeit zu lebensbedrohlichen hypokalzämischen Tetanien, weshalb die Epithelkörperchen bei Schilddrüsenoperationen unbedingt zu schonen sind. Fütterungsfehler (z. B. vorwiegende Fleischfütterung) insbesondere von Junghunden sind häufig Ursache einer übermäßigen Aufnahme von Phosphat und/oder einer unzureichenden Kalziumzufuhr. Gegenregulatorisch kommt es zur vermehrten Parathormonausschüttung (alimentärer sekundärer Hyperparathyreoidismus) und schließlich Hyperplasie der Nebenschilddrüsen. Die Folge ist eine vermehrte Kalziumresorption aus den Knochen, weshalb dieses Krankheitsbild auch als juvenile Osteoporose oder Osteodystrophia fibrosa bezeichnet wird. Die Demineralisierung der Knochen führt zu einer Verbiegung der langen Röhrenknochen und der Neigung zu Grünholz-, Impressions- und Wirbelfrakturen. Typische Ursache einer Hyperplasie der Nebenschilddrüsen bei alten Hunden ist eine chronische Niereninsuffizienz, die über die Störung der enteralen Kalziumresorption eine Hypokalzämie und damit ebenfalls eine vermehrte Parathormonausschüttung (renaler sekundärer Hyperparathyreoidismus) mit entsprechenden Folgen für das Skelettsystem bewirkt. Adenome der Nebenschilddrüsen können autonom Parathormon bilden und führen zum seltenen Krankheitsbild des primären Hyperparathyreoidismus, dessen Leitbefund eine Hyperkalzämie ist.

2 | Schultergliedmaße

2.1 Skelett der Schultergliedmaße

2.1.1 Schulterblatt

Das Schulterblatt (Scapula) ist der Hauptbestandteil des Schultergürtels. image (1) Die Facies costalis (1) ist in die dorsal gelegene Facies serrata (2, Ansatz des M. serratus ventralis) image (2) und die ventral anschließende Fossa subscapularis (3, Ansatz des M. subscapularis) unterteilt. Die Facies lateralis (4) ist durch die Schulterblattgräte (Spina scapulae —5) in die Fossa supraspinata (6, Ursprung des M. supraspinatus) und die Fossa infraspinata (7, Ursprung des M. infraspinatus) untergliedert. Am Ventralende der Spina scapulae befindet sich das Gräteneck (Acromion —8) mit einem distalen Processus hamatus (9). image (3) Der Margo caudalis (10) ist fast geradlinig, der Margo cranialis (11) besitzt distal eine Incisura scapulae (12), und der Margo dorsalis (13) trägt die schmale Cartilago scapulae (14). Von den drei Winkeln (Angulus caudalis —15, Angulus cranialis —16, Angulus ventralis —17) besitzt der ventrale Winkel eine flachovale Gelenkpfanne (Cavitas glenoidalis —18). Kaudodistal des nur angedeuteten Collum scapulae (19) liegt das Tuberculum infraglenoidale (20) sowie kraniodistal das Tuberculum supraglenoidale (21) mit kraniomedialem Processus coracoideus (22).

2.1.2 Oberarmknochen

Der Oberarmknochen (Humerus) trägt das Caput humeri (23) als Gelenkerhöhung für das Buggelenk. Der Oberarmkopf ist kaudal deutlich durch das Collum humeri (24) abgesetzt. Von der Kranialkontur des Tuberculum majus (25) ziehen die Crista tuberculi majoris (26) und von der Kaudalkontur die Linea m. tricipitis (27) distal. Der Sulcus intertubercularis (28) beherbergt die Ursprungssehne des M. biceps brachii und bildet die Grenzfurche zum medial gelegenen Tuberculum minus (29), von dem die Crista tuberculi minoris (30) distal zieht und in die Crista supracondylaris lateralis übergeht. Das Corpus humeri (31) besitzt lateral an der proximalen Drittelgrenze die Tuberositas deltoidea (32) für die Insertion des gleichnamigen Muskels. Von der Tuberositas deltoidea setzt sich die Crista humeri (33) bis zum Epicondylus medialis distal fort. Sie begrenzt kranial den spiralig verlaufenden Sulcus m. brachialis (34), der vom gleichnamigen Muskel ausgefüllt wird. Die distale Gelenkwalze (Condylus humeri —35) besteht aus einer großen medialen Gelenkrolle (Trochlea humeri —36) für die Artikulation mit der Ulna und dem kleinen lateralen Capitulum humeri (37), das mit dem Radius artikuliert. Der Condylus humeri besitzt Epikondylen. Vom Epicondylus lateralis (38, Streckknorren für den Ursprung der Zehen- und Karpalgelenksstrecker) strebt die auffällige Crista supracondylaris lateralis (38') in proximale Richtung. Der Epicondylus medialis (39) ist der Beugeknorren für die Zehen- und Karpalgelenksbeuger. Die kaudale tiefe Fossa olecrani (40) und die kraniale seichte Fossa radialis (41) kommunizieren durch das For. supratrochleare (42). image (4)

2.1.3 Unterarmknochen

Radius

Das Caput radii (43) besitzt distal der Gelenkfläche mit dem Humerus eine mediale walzenförmige Gelenkerhöhung (Circumferentia articularis —44) für die proximale Artikulation mit der Ulna an deren Incisura radialis. Das undeutliche Collum radii (45) trägt medial eine unscheinbare Tuberositas radii (46) für den Ansatz der Insertionssehne des M. biceps brachii. Der Schaft (Corpus radii —47) geht in die Trochlea radii (48) über, die distal mit den Handwurzelknochen artikuliert, lateral mittels der Incisura ulnaris (49) an der distalen Artikulation mit der Circumferentia articularis ulnae mitwirkt und medial mit dem medialen Griffelfortsatz (Processus styloideus medialis —50) endet. image (5, 9)

Ulna

Die Ulna überragt das Caput radii mit ihrem Olecranon (51), das proximal zum Tuber olecrani (52) verdickt ist. image (6) Am hakenförmigen Processus anconaeus (53) image (7) beginnt medial und lateral die Incisura trochlearis (s. semilunaris —54), die bis zum Processus coronoideus medialis (55) resp. — lateralis (56) reicht image (8). Die Incisura radialis (57) liegt am Übergang zum Corpus ulnae (58). Das distale (!) Caput ulnae (59) besitzt die mediale Circumferentia articularis (60) und endet distal mit dem lateralen Griffelfortsatz (Processus styloideus lateralis —61). image (9) Das Spatium interosseum antebrachii (62) ist im distalen Unterarmdrittel besonders weit.

2.1.4 Handwurzelknochen

Das mediale Os carpi radiale (63) und das distal der Ulna gelegene Os carpi ulnare (64) sowie das lateral herausragende Os carpi accessorium (65) bilden die proximale Reihe. Die Ossa carpalia I bis IV (66) sind in der distalen Reihe der Handwurzelknochen angeordnet. image (10)

2.1.5 Mittelhandknochen

Die Mittelhandknochen (Ossa metacarpalia I bis V) besitzen proximal eine Basis (67) mit einer Gelenkfläche, ein langes Corpus (68) und schließlich ein distales (!) Caput (69). image (10)

2.1.6 Finger- resp. Zehenknochen der Hand

Zu den Finger- resp. Zehenknochen der Hand (Ossa digitorum manus) gehören die Phalanges proximalis, media und distalis. Am Daumen (Pollex) fehlt gewöhnlich die mittlere Phalanx. Die Phalanx proximalis (70) und die Phalanx media (71) besitzen proximal eine Basis (72), ein mittleres Corpus (73) und distal ein Caput (74). An der Phalanx media liegt proximopalmar die undeutliche Tuberositas flexoria (75) für den Ansatz der oberflächlichen Beugesehne. Das Krallenbein (Phalanx distalis, Os unguiculare —76) besitzt proximal eine Facies articularis (77), proximodorsal einen undeutlichen Processus extensorius (78) für den Ansatz der Strecksehne und proximopalmar ein deutliches Tuberculum flexorium (79) für den Ansatz der tiefen Beugesehne. Die scharfkantige Krallenleiste (Crista unguicularis —80) überlagert den Krallenfalz (Sulcus unguicularis —81) und die Basis des Processus unguicularis (82), der die Kralle trägt. image (10)

2.1.7 Sesambeine

Die Sesambeine (Sesamoides, Ossa sesamoidea) der Hand sind das medial am Os carpale I gelegene Os sesamoideum m. abductoris digiti I (83) und die palmar am Zehengrundgelenk gelegenen Ossa sesamoidea proximalia (Sesama bina resp. Gleichbeine —84). Von den palmar am Zehenendgelenk gelegenen Sesamoides sind das Sesamoideum distale (85) sowie das dorsal am Zehenmittelgelenk vorkommende Sesamoideum dorsale (86) stets (Cartilago sesamoidea) und das dorsal am Zehengrundgelenk befindliche gelegentlich knorpelig (86). image (11–14)

 

Ossa membri thoracici

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Der Schultergürtel (Cingulum membri thoracici) besteht aus Schulterblatt (Scapula), Rabenschnabelbein (Os coracoideum) und Schlüsselbein (Clavicula), die bei Nichtsäugetieren (z. B. beim Vogel) noch vollständig als Einzelknochen ausgebildet sind. Bei den Haussäugetieren erfolgt eine weitgehende Rückbildung zum Rabenschnabelfortsatz der Scapula resp. zur weitgehend bindegewebigen Intersectio clavicularis mit gelegentlich übrig gebliebenem, winzigem knöchernem Klavikularrest, der röntgenologisch am Medialende des Klavikularstreifens als ca. 10 × 5 mm großes Knochenblättchen vorkommen kann.

(2)_____ Scapula-Dislokation (dorsal displacement während der Belastung). Die Schultergliedmaße erscheint gestreckt und scheinbar verlängert, weil die synsarkotische Rumpf-Gliedmaßen-Verbindung durch Ruptur des Rumpfträgers (M. serratus ventralis) gelöst wurde. Der Rumpf sinkt nach unten und die Gliedmaße ragt mit ihrem dorsalen Rand über das Niveau der Körperoberfläche hinaus. Durch einen chirurgischen Eingriff wird eine feste Rumpf-Gliedmaßen-Verbindung wiederhergestellt, indem dünne Stahldrähte an der Scapula fixiert werden und um die 5. bis 7. Rippe gelegt werden, ohne dabei die Pleurahöhle zu eröffnen.

(3)_____ Das Acromion kann zur Erleichterung des lateralen chirurgischen Zuganges zum Collum scapulae osteotomiert (vorübergehend an seiner Basis gelöst) werden, wobei die enge Lagebeziehung zum N. suprascapularis zu beachten ist. Am Ende des Eingriffes wird das Acromion mit einer Zugschraube oder Bohrdrähten mittels einer Zuggurtung wieder fixiert.

Acromion-Frakturen sind meistens mit einer Distalverlagerung des Fortsatzes verbunden, die durch Kontraktionen der hier inserierenden Pars acromialis des M. deltoideus ausgelöst wird. Die Reposition und Fixation des abgelösten Acromion erfolgt mit Bohrdrähten oder Zugschrauben.

(4)_____ Der Humerus besitzt beim wachsenden Hund proximal eine Epiphyse (Caput humeri) und eine Apophyse (Tuberculum majus und minus) mit eigenen Verknöcherungskernen. Beide Verknöcherungskerne verschmelzen im Laufe der Entwicklung und sind dann von der Diaphyse durch eine charakteristische dachförmige Wachstumsfuge getrennt (Abb. 2.1–1). Distal besitzen Trochlea und Capitulum humeri je einen eigenen Verknöcherungskern, die postnatal nach etwa zwei Monaten miteinander verschmelzen und ebenfalls eine gemeinsame Epiphyse bilden. Die proximale Physenfuge besitzt eine wesentlich höhere Wachstumspotenz als die distale, so dass das Längenwachstum des Humerus vorwiegend in proximale Richtung erfolgt. Stauchungen oder Frakturen der proximalen Wachstumsfuge haben somit potenziell schwerwiegendere Folgen für das weitere Längenwachstum des Oberarmbeines als Verletzungen der distalen Physenfuge.

(5)_____ Der Radius hat in seiner proximalen Wachstumsfuge ein Potenzial für 40 % und in seiner distalen Wachstumsfuge ein Potenzial von 60 % des Längenwachstums. Ein vorzeitiger symmetrischer oder asymmetrischer Wachstumsfugenschluss kann einen verkürzten Radius (Short-Radius-Syndrom, Abb. 2.1–5) mit Kranialverbiegung samt Rotation der Pfote (Valgusdeformation) und evtl. eine Ellenbogengelenk-Subluxation verursachen.

(6)_____ An der Ulna treten Olekranonfrakturen bei lateral einwirkenden Traumata auf oder sie entstehen durch Überstreckung des Ellenbogengelenkes. Der kräftige Zug des M. triceps brachii am Tuber olecrani führt zur kranioproximalen Kippung des proximalen Olekranon-Fragmentes. Die somit immer dislozierte Fraktur muss operativ (Kirschner-Bohrdrähte) versorgt werden. Die Zugkräfte des M. triceps brachii müssen zusätzlich durch eine Zuggurtung aufgenommen werden.

(7)_____ Der Proc. anconaeus verleiht dem gestreckten Ellenbogengelenk eine Stabilität gegen Seitwärts- und Rotationsbewegungen. Seine Ablösung (isolierter oder fragmentierter Proc. anconaeus) führt zur leichten Instabilität des Gelenkes und damit zur Arthrosenbildung. Das Krankheitsbild des isolierten Proc. anconaeus (Abb. 2.1–2) wird zum Komplex der Ellenbogengelenksdysplasie (s. auch image (8)) gerechnet. Seine Loslösung ist nicht traumatisch bedingt, sondern wahrscheinlich die Folge von Wachstumsstörungen seiner knorpeligen Wachstumsfuge, die z. B. durch fehlerhafte Ernährung und Aufzucht, aber auch genetische Disposition (z. B. Schäferhund) gefördert wird.

Der fragmentierte oder isolierte Proc. anconaeus kommt bei großwüchsigen Hunderassen vor, vorrangig beim Deutschen Schäferhund. Bei großwüchsigen Hunderassen besitzt der Proc. anconeus einen eigenen Verknöcherungskern und an seiner Basis einen eigenen Wachstumsknorpel. Der Schluss der Wachstumsfuge durch Verknöcherung erfolgt meistens in der 14. bis 15. Lebenswoche. Beim Ausbleiben des Wachstumsfugenschlusses, wenn nach der 20. Lebenswoche noch eine Wachstumsfuge erkennbar ist, liegt das Krankheitsbild eines fragmentierten oder isolierten Proc. anconaeus vor. Erste Anzeichen einer Erkrankung sind meistens im Alter von vier bis zwölf Monaten erkennbar. In der Wachstumsfuge überwiegt Bindegewebe mit nekrotischen Inseln, die durch Zusammenfluss eine völlige Isolierung des Proc. anconaeus bewirken können. Durch einen chirurgischen Eingriff wird der Proc. anconaeus entfernt oder reponiert. Für die Beurteilung des Krankheitsgeschehens ist der normale zeitliche Schluss der Wachstumsfugen unbedingt zu beachten (Abb. 2.1–4).

Kleinwüchsigen Hunderassen fehlt sowohl ein Verknöcherungskern als auch eine Wachstumsfuge und eine Fragmentierung oder Isolierung des Proc. anconaeus tritt nicht auf.

(8)_____ Die Fragmentierung des Proc. coronoideus medialis (Abb. 2.1–3) wird ebenfalls zum Komplex der Ellenbogengelenksdysplasie gerechnet und tritt insbesondere bei großwüchsigen Hunderassen wie dem Berner Sennenhund oder dem Rottweiler auf, wobei Rüden deutlich häufiger betroffen sind als Hündinnen. Die Krankheitsursachen sind weitgehend unbekannt. Offensichtlich handelt es sich um multifaktorielle Einflüsse. Eine der möglichen Ursachen liegt in einer Wachstumsverzögerung des Radius (Short-Radius-Syndrom). Der Humerus artikuliert dann nicht mehr mit dem verkürzten Radius, sondern lastet insbesondere auf dem Proc. coronoideus medialis ulnae, der dann mit Deformation oder Fragmentierung reagiert. Die Röntgendiagnose kann besonders bei Tieren unter sechs Lebensmonaten u. a. wegen der Winzigkeit der Fragmente und schwierigen Abgrenzung von Osteophyten (Knochenneubildungen) erhebliche Probleme bereiten. Moderne bildgebende Verfahren (CT und MRT) sollten in Zweifelsfällen herangezogen werden. Der chirurgische Zugang zur Entfernung der Fragmente gelingt mit oder ohne Osteotomie (Entfernung) des Epicondylus medialis humeri bei Desmotomie des medialen Ellenbogen-Kollateralbandes sowie Tenektomie des M. pronator teres und (erforderlichenfalls) benachbarter Muskeln. Die arthroskopische Behandlung findet zunehmend Anwendung.

 

 

 

 

 

 

(9)_____ In der distalen Wachstumsfuge der Ulna erfolgt 80 % des Längenwachstums der Ulna. Genetische (Teckel, Basset), traumatische oder alimentäre (verzögerte Mineralisation) Faktoren können zu einem verzögerten Längenwachstum führen. Die Folge ist eine Verkürzung und Verbiegung der Ulna (Short-Ulna-Syndrom, Abb. 2.1–6) und eine Stufenbildung im Ellenbogengelenk (Distractio cubiti) und/oder im Karpalgelenk (Distractio carpi). Das Wachstum des Radius distal über den Proc. styloideus ulnae hinaus führt zur Auswärtsdrehung der distalen Gliedmaßenabschnitte (Carpus valgus). Eine verzögerte Mineralisation des Fugenknorpels stellt sich röntgenologisch als konischer Bezirk geringerer Röntgendichte dar (persistierender Knorpelzapfen) und kann in leichter Ausprägung bei Riesenrassen fast regelmäßig nachgewiesen werden.

image Für nomenklatorische Richtungsbezeichnungen (und entsprechenden Ableitungen) wird an Vorderfuß und Hinterfuß (einschließlich Carpus bzw. Tarsus) anstelle von „kranial“ der Begriff „dorsal“ (handrückenwärts bzw. fußrückenwärts) und anstelle von „kaudal“ der Begriff „palmar“ (palma = Hohlhandfläche) bzw. „plantar“ (planta = Fußsohle) verwendet.

(10)_____ An Carpus, Metacarpus und Zehenknochen (Abb. 2.1–7) sind Frakturen oder Läsionen meistens Folgen von Traumen. Für Karpalknochen werden besonders im klinischen Sprachgebrauch auch Synonyma verwendet:

Synonyma für die Handwurzelknochen (Ossa carpi)
Os carpi radiale (Os scaphoideum) = Kahnbein
Os carpi intermedium (Os lunatum) = Mondbein
Os carpi ulnare (Os triquetrum) = Dreieckbein
Os carpi accessorium (Os pisiforme) = Erbsenbein
Os carpale I (Os trapezium) = großes Vieleckbein
Os carpale II (Os trapezoideum) = kleines Vieleckbein
Os carpale III (Os capitatum) = Kopfbein
Os carpale IV (Os hamatum) = Hakenbein

Die Karpalknochen werden gemäß ihrer Größe und Form zu den „Kurzen Knochen“ gerechnet, die enchondral verknöchern und nur einen Verknöcherungskern besitzen, ganz im Gegensatz zu langen Röhrenknochen mit mindestens drei Verknöcherungskernen. Wenn einzelne Karpalknochen, z. B. das Os Carpi radiale zwei Verknöcherungskerne aufweisen, ist das ein Beleg dafür, dass der betreffende Knochen während der frühen Ontogenese (Individualentwicklung) eine Fusion mit einem anderen Karpalknochen eingegangen ist. (Im vorliegenden Beipiel erfolgt regelmäßig eine Fusion mit dem Os carpi intermedium). Andere Karpalknochen können eher zufällig eine Fusion einhergehen (z. B. der erste Karpalknochen mit dem ersten Mittelhandknochen). Eine Überzahl einzelner Karpalknochen kann sich als Folge einer Fraktur ergeben.

(11)_____ Degenerative Sesambeinerkrankungen treten besonders an den proximalen Sesambeinen (Sesama bina, palmar am Zehengrundgelenk gelegen) auf und können zur Lahmheit führen. Ein chirurgisches Ausräumen (Débridement) der degenerativen Umgebung erfolgt entweder mit oder ohne Entfernung der Sesambeine.

(12)_____ Zur Altersschätzung bei Jungtieren kann der Zeitpunkt des Physenfugenschlusses herangezogen werden, weil Physenfugen einer bestimmten Lokalisation bei Hunden gleichen Alters etwa gleichzeitig verknöchern. (An Physenfugen unterschiedlicher Lokalisationen findet der Fugenschluss dagegen zu sehr unterschiedlichen Zeiten statt, Abb. 2.1–4).

 

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Abb. 2.1–6: Short-Ulna-Syndrom als Folge einer Wachstumsstörung in der distalen Epiphysenfuge der Ulna. (Röntgenbild: Klink für Kleintiere, Chirurgie, JLU Gießen.)

 

(13)_____ Verknöcherungskerne und Wachstumsfugen: Epi-, Apo- und Metaphysen. Die Verknöcherungskerne sind röntgenologisch erkennbare Zentren aus mineralisiertem Knorpelgewebe, das hier durch Knochengewebe ersetzt wird. In den langen Röhrenknochen der Gliedmaßen existieren mehrere (epiphysäre und diaphysäre sowie auch apophysäre) Verknöcherungskerne.

Apophysen sind Knochenvorsprünge für Muskelinsertionen. Sie besitzen einen eigenen Verknöcherungskern sowie einen Apophysenfugenknorpel und sind bei heranwachsenden Hunden durch Abrissfrakturen gefährdet.

Zwischen den Verknöcherungskernen der Diaphyse (Knochenschaft) und der proximalen und distalen Epiphyse (Knochenenden) liegt ursprünglich (ungeordnetes) Knorpelgewebe (Zona reservata). Im (primären) Verknöcherungskern der Diaphyse proliferiert das Knorpelgewebe und differenziert (ordnet) sich dabei zu Säulenknorpel. An den diaphysären Enden des Säulenknorpels werden in der Zona resorbens großblasige Knopelzellen aufgelöst (resorbiert), und an den spießförmigen Resten erhalten gebliebener mineralisierter Knorpelgrundsubstanz lagern sich Knochenbildungszellen (Osteoblasten) außen an und beginnen an den entstehenden primären Knochenbälkchen mit der Bildung von Knochengrundsubstanz (Osteoid), die sekundär mineralisiert.

In der Metaphyse, im konisch verdickten Bereich zwischen Dia- und Epiphyse, erfolgt der Umbau der primären Knochenbälkchen in sekundäre (mineralisierte) Knochenbälkchen, die im Unterschied zu den primären Vorläufern keine Knorpelgrundsubstanz enthalten und allmählich den typischen Aufbau eines Lamellenknochens mit entstehenden Osteonen annehmen. Während der Umbauphase ist die Festigkeit offensichtlich gemindert (Prädisposition zu Knochenbrüchen).

Wenn die Auflösung (Resorption) der großblasigen Knorpelzellen sowie der Ersatz durch Knochengewebe nicht mehr durch die (zur Knochenmitte gerichtete) Knorpelzellproliferation ausgeglichen werden kann, wird die Masse der Zona reservata des Wachstumsknorpels (Cartilago physialis) zunehmend zur dünnen, noch knorpeligen Physenfugenscbeibe eingeengt. Eine Scheibenform entsteht, weil zusätzlich zum diaphysären (primären) Verknöcherungskern mit zeitlicher Verzögerung in der proximalen und der distalen Epiphyse jeweils ein weiterer „Kern“, der (sekundäre) Verknöcherungskern der Epiphyse entsteht. Die enchondrale Ossifikation beginnt im Zentrum der Epiphyse, in der Cartilago epiphysialis, und schreitet von hier peripher voran. Die äußere, am Gelenk beteiligte Knorpelkappe verknöchert nicht, sondern differenziert sich zum Gelenkknorpel (Cartilago articularis). Im Grenzbereich zur Diaphyse trifft die Verknöcherungszone auf den Physenfugenknorpel (Cartilago physialis) der nun auch epiphysär, also proximal und distal „aufgebraucht“ wird. Dementsprechend wird die Physenfugenscheibe immer dünner und schließlich in der entstehenden Linea physialis durch eine physiologische Knochennarbe ersetzt. Dieser Vorgang ist röntgenologisch als Physenfugenschluss nachvollziehbar und bedeutet das Ende des Längenwachstums der langen Röhrenknochen.

(14)_____ Als Haarriss kann eine sehr dünne Physenfugenscheibe bei flüchtiger, unkritischer Betrachtung der Röntgenbilder fehlinterpretiert werden. Die Berücksichtigung des Lebensalters des Patienten und der Vergleich mit der kontralateralen Gliedmaße helfen, diesen Irrtum zu vermeiden.

Auch die Linea physialis kann bei sehr fahrlässigem Vorgehen als Haarriss fehlgedeutet werden. Der Physenfugenschluss bedeutet die Verbindung des diaphysären Knochenschaftes mit dem Knochengewebe der Epiphyse durch eine „Knochennarbe“, die im Vergleich zur Umgebung stärker mineralisiert ist und das bewirkt eine verstärkte Absorption von Röntgenstrahlen. Aus der wenig absorbierenden Physenfugenscheibe hat sich an derselben Stelle eine stärker absorbierende Physenlinie (Linea physialis) entwickelt. Der Kontrast hat sich ins Gegenteil gewandelt und sollte bei seiner Beachtung eine Fehldeutung vermeiden.

image Nomenklatorische Anmerkungen: Nach neuer Übereinkunft in der internationalen Nomenklatur-Kommission werden Termini technici, die sich von „physis“ ableiten mit Wachstum übersetzt. (Cartilago physialis = Wachstumsknorpel; Linea physialis = Wachstumslinie, das Überbleibsel der Cartilago physialis). Epiphysis bedeutet das (darauf gewachsene) Knochenende. Die Cartilago epiphysialis umgibt in der Epiphyse den sekundären Verknöcherungskern und unterscheidet sich strukturell und funktionell von der Cartilago articularis und Cartilago physialis. (Der deutsche Begriff „Kern“ im Zusammenhang mit Verknöcherungskern stammt aus der Röntgenologie und verweist auf die relativ hohe Strahlenabsorption durch den mineralisierten Knorpel. Der Begriff „Fuge“ verweist auf die relativ geringe Röntgenstrahlen-Absorption des noch nicht mineralisierten Wachstumsknorpels.

Ein Locus minoris resistentiae mit verstärkter Neigung zum Knochenbruch liegt vor, solange die Physenfuge noch besteht und damit Knochengewebe an Knorpelgewebe grenzt. Sofern eine Fraktur die Physenfuge partiell oder ganz betrifft, spricht man von Salter-Harris-Frakturen, die in sechs verschiedene Typen eingeteilt werden. Läsionen im Wachstumsknorpel oder in der Metaphyse verursachen Abweichungen von normalen Wachstums- bzw. Differenzierungsprozessen. Es kann zum vorzeitigen Fugenschluss und verminderten Knochenwachstum kommen.

Ein eindrucksvolles Beispiel aus der Kunstgeschichte bietet die Verkrüppelung des Malers und Grafikers Toulouse-Lautrec, der im Kindesalter von 12 Jahren eine Femurfraktur und im darauffolgenden Jahr einen zweiten Knochenbruch am gegenüberliegenden Oberschenkel erlitt, wobei die Wachtstumsfugen offensichtlich mit betroffen waren. Daraus resultierte eine typische Verkürzung beider Oberschenkel und zwar in unterschiedlichen Ausmaßen, gemäß dem Zeitintervall zwischen den beiden Brüchen.

 

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Abb. 2.1–7: Röntgenologische Darstellung der linken Vorderpfote eines Hundes im dorso-ventralen Strahlengang. (Röntgenaufnahme: C. Poulsen Nautrup, München.)

 

A Ossa carpi

1 Os carpi radiale

2 Os carpi ulnare

3 Os carpi accessorium

4 Os carpale I

5 Os carpale II

6 Os carpale III

7 O carpale IV

 

B Ossa metacarpalia

8 Basis

9 Corpus

10 Caput

 

C Ossa digitorum

11 Phalanx proximalis

12 Phalanx media

13 Phalanx distalis

 

Eine ungleichmäßige unsymmetrische Verknöcherung innerhalb der Physenfugenscheiben kann zu Gliedmaßen-Fehlstellungen mit Knochenverkrümmungen führen. Eine laterale Abweichung von der Gliedmaßenachse im Unterarm- und Handwurzelbereich (Auswärtsdrehung) wird Valgus-Fehlstellung genannt (Carpus valgus). Bei einer medialen Abweichung (Einwärtsdrehung) spricht man von Varus-Fehlstellung. Rassentypische Merkmale (z. B. beim Basset Artesien-Normand) sind von Fehlstellungen zu unterscheiden. Auch eine Laxheit (Lockerung, Schlaffheit) in der Handwurzel der Welpen ist abzugrenzen.

Bei chirurgischer Korrektur von Valgus- und Varus-Fehlstellungen am Unterarm ist der Reifegrad der Wachstumsfugen zu beachten, weil vor bzw. nach dem Physenfugenschluss unterschiedliche Operationsmethoden anzuwenden sind.

2.2 Synoviale Einrichtungen (Synovialstrukturen)

2.2.1 Gelenke der Schultergliedmaße

 

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Juncturae (Articulationes), Bursae et Vaginae synoviales

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2.2.2 Schleimbeutel (Bursae synoviales)

Die Bursa subtendinea m. infraspinati befindet sich zwischen der Endsehne ihres Muskels und der Schultergelenkskapsel.

Die Bursa subtendinea m. subscapularis liegt zwischen der Endsehne ihres Muskels und der Schultergelenkskapsel.

Die Bursa subtendinea m. tricipitis brachii dehnt sich zwischen dem Olecranon und der Insertion des M. triceps brachii aus.

Die Bursa subcutanea olecrani ist ein erworbener Schleimbeutel.

Die Bursa bicipitoradialis liegt zwischen ihrem Muskel und dem Radius und ist oft mit der Bursa subtendinea m. brachialis vereinigt.

Die Bursa subtendinea m. brachialis befindet sich zwischen der Endsehne ihres Muskels und dem Radius.

2.2.3 Sehnenscheiden (Vaginae synoviales)

Sehnenscheiden schützen die Ursprungssehne des M. coracobrachialis (Vagina synovialis m. coracobrachialis) und des M. biceps brachii im Sulcus intertubercularis (Vagina synovialis intertubercularis) und die Endsehnen der Karpalgelenks- und Zehengelenksstrecker sowie -beuger am Carpus und an den Zehengelenken.

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Am Schultergelenk fehlen typische, außen an der Kapsel gelegene Gelenkbänder, deren Funktion von kontraktilen Spannbändern (Sehnen der Mm. infraspinatus und subscapularis) übernommen wird. Die Ligg. glenohumerale lat. und —med. sind „innere“ Kapselverstärkungen. Das Schultergelenk hat beim Hund im Stand einen Winkel von 110–120°. Die Beugung ist um 45–70° und die Streckung um 10–30° möglich. Eine Adduktion ist bis ca. 30° und eine Abduktion bis ca. 40° möglich. Eine Punktion des Schultergelenkes kann bei leichter Beugestellung fingerbreit distal des Acromion über dem Tuberculum majus humeri erfolgen. Nach horizontalem Stich durch die Haut wird die Kanüle mediokaudal geschoben bis Synovia abfließt.

Mechanisch am stärksten belastet ist die Gelenkfläche des Humeruskopfes in ihrem kaudalen Abschnitt, der auch prädisponiert für Schäden des Gelenkknorpels im Sinne einer Osteochondrosis dissecans (OCD) ist. Die Osteochondrosis dissecans (OCD, Abb. 2.2–1 bis 2.2–3) mit scharf abgegrenzten („dissekanten“) Defekten im Gelenkknorpel und im unterlagernden spongiösen Knochengewebe der Epiphyse kommt besonders an den humeralen Gelenkköpfen des Schulter- und Ellenbogengelenkes sowie an der Beckengliedmaße am Knie- und am Sprunggelenk vor. Die OCD beruht auf einer fehlerhaften (abnormen) enchondralen Ossifikation samt partieller Fehlentwicklung des Gelenkknorpels.

Strukturelle Veränderungen zeigen sich anfangs in einer partiellen Verdickung des Gelenkknorpels sowie der knöchernen epiphysären Spongiosabälkchen.

Funktionell-nutritive Beeinträchtigungen sind durch verminderte Diffusionsleistungen sowohl des Gelenkknorpels als auch des darunterliegenden spongiösen Knochengewebes gegeben. Die nutritive Diffusionsleistung der oberflächlichen Knorpelschichten aus der Gelenkflüssigkeit (Synovia) und der tiefen Knorpelschichten aus dem epiphysären Blutgefäßsystem wird zunehmend kritischer.

Mechanische Beeinträchtigungen zeigen sich durch vertikale Spalten zwischen (normalen) und verdickten (abnormen) Gelenkknorpel-Arealen. Parallel zur Gelenkfläche ausgerichtete horizontale Separationen liegen zwischen den oberflächlichen, nicht mineralisierten und den tiefen mineralisierten Knorpelschichten vor. Die oberflächlichen Knorpelschichten heben sich als „Flaps“ (Gewebelappen) von der Unterlage ab und ragen in den Gelenkspalt hinein. In der epiphysären Spongiosa führen Fibrosierungen zu partiellen Separierungen und Destruktionen. Das Knochengewebe verliert seine Stabilität und der darübergelegene Gelenkknorpel kann einbrechen. Freie Gelenkkörper, die sich als „Gelenkmäuse“ aus einem muldenförmig vertieften „Mausbett“ herauslösen und frei in der Synovia schwimmen, sind für Mensch und Pferd typisch, weniger jedoch für den Hund.

 

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Abb. 2.2–1: Röntgenologisch unaufälliges Caput humeri eines ausgewachsenen Hundes. (Röntgenaufnahme: Klinik für Kleintiere, Chirurgie, JLU Gießen.)

 

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Abb. 2.2–2: OCD. Arthroskopische Darstellung des Knorpeldefektes auf dem Caput humeri. (Arthroskopische Aufnahme: M. Fehr, Stiftung Tierärztliche Hochschule, Hannover.)

 

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Abb. 2.2–3: OCD. Computertomographische Darstellung der Defekte im subchondralen Knochen. (Computertomographische Aufnahme: Tierklinik am Lademannbogen, Hamburg.)

 

 

Bewegungsbeeinträchtigende Schmerzen treten anfangs noch nicht, aber später verstärkt mit zunehmendem Grad der Gelenkdeformationen auf. Eine Disposition (gehäuftes Auftreten der Krankheit) liegt bei Rüden mit höherem Körpergewicht, besonders in der Wachstumsphase, vor. Die OCD tritt oft in Kombination mit Fragmentierungen des Proc. coronoideus medialis auf (s. Kap. 2.1 image (8)).

Die Diagnose basiert auf klinischen und röntgenologischen Untersuchungen.

Die chirurgische Behandlung konzentriert sich auf die Entfernung der knorpeligen Gewebelappen (Flaps) und auf Débridement (Ausräumung) des subchondralen knöchernen Detritus.

Die Auffüllung von kraterförmigen Vertiefungen kann unter Einsatz mesenchymaler und haemaler Stammzellen erfolgen.

Luxationen und Subluxationen des Schultergelenkes mit Verlagerungen des humeralen Gelenkkopfes (aus der glenoidalen Gelenkpfanne) nach allen möglichen Richtungen sind entweder traumatisch oder kongenital (angeboren) bedingt. Laterale und mediale Luxationen sind weit häufiger als kraniale oder kaudale Ausrenkungen. Die Luxationen sind meistens mit einer Ruptur der Gelenkkapsel (Stratum fibrosum einschließlich seiner Verstärkung an der inneren Oberfläche = Lig. humeroglenoidale laterale bzw. –mediale) kombiniert. Bei einer bestimmten Behandlungsmethode der lateralen Luxation wird zur Stabilisierung des Gelenkes (bei Osteotomie des Tuberculum majus humeri) die Ursprungssehne des M. biceps brachii lateral transponiert (verlagert). Bei der medialen Luxation liegen oft kongenitale Ursachen vor und es werden abweichend von der traumatischen Luxation alternative Behandlungsmethoden angewandt.

(2)_____ Am Ellenbogengelenk sind die Kollateralbänder zweischenkelig (radialer und ulnarer Ansatzschenkel). Das Lig. anulare radii umgreift das Caput radii und reicht vom Proc. coronoideus medialis ulnae zum Lig. collaterale laterale. Das Ellenbogengelenk nimmt im Stand einen Winkel von 125–140°. Eine Beugung ist um 90–110° möglich, während eine Streckung nur um 5–20° erfolgen kann. Die Punktion des leicht gebeugten Ellenbogengelenkes erfolgt von kraniolateral dicht unterhalb des tastbaren Epicondylus lateralis humeri bei leicht mediodistaler Neigung der Kanüle. Eine Reihe von Erkrankungen des Ellenbogengelenkes (isolierter Proc. anconaeus und coronoideus (Abb. 2.2–4), Distractio cubiti, kongenitale [angeborene] Luxation des Radiusköpfchens etc.) werden unter dem Namen Ellenbogengelenksdysplasie zusammengefasst. Sie resultiert insbesondere aus einer Skelett-Entwicklungsstörung mit asynchronem Längenwachstum von Radius und Ulna, die zur Stufenbildung im Ellenbogengelenk (Distractio cubiti) führt.

Ellenbogengelenksluxationen werden gemäß der Komplexität des mehrfach zusammengesetzten Ellenbogengelenkes in verschiedene Kategorien eingeteilt. Die Ursachen sind traumatisch oder kongenital (angeboren).

(3)_____ In den Artt. radioulnaris proximalis und distalis kann, bei um 90° gebeugt gehaltenem Ellenbogen- und Karpalgelenk, eine Pronation um 10° und eine Supination um 20–30° erfolgen. Nach einer Ruptur des Lig. collaterale cubiti lat. ist eine Einwärtsdrehung dagegen um mehr als 45° und nach Ruptur des Lig. collaterale cubiti med. eine Auswärtsdrehung über 90° möglich.

(4)_____Das Karpalgelenk nimmt im Stand mit einem Winkel von 190–200° eine leicht überstreckte Stellung ein. Neben dieser Überstreckung ist auch eine leichte Valgusstellung von 12–20° physiologisch. Eine weitere Streckung des Karpalgelenkes ist stark eingeschränkt (max. 5°). Die Beugung ist bis zu 150–160° und eine Supination um 10–20° möglich. Die Beweglichkeit der verschiedenen Gelenketagen des Karpalgelenkes ist sehr verschieden. Die Hauptbewegung erfolgt in der Art. antebrachiocarpea, die auch eine leichte Rotation um 5–10° zulässt. Die Abduktion wird durch die Kontraktion des M. abductor pollicis longus ausgelöst. Die Art. mediocarpea ist dagegen nur bis 15° und die Art. carpometacarpea bis 5° beugbar. Am Karpalgelenk gegrenzt das Lig. carpi palmare prof. (17.D) gemeinsam mit den anliegenden Karpalknochen den Canalis carpi in der Tiefe image (5). Oberflächlich wird der Karpalkanal vom Retinaculum flexorum abgedeckt. Von dem oberflächlichen Retinaculum flexorum spaltet sich noch ein tiefes Retinaculum flexorum zur Abgrenzung in einen oberflächlichen und tiefen Durchlass für die jeweilige Beugesehen ab.

(5)_____ Eine traumatisch bedingte Ruptur des palmaren Bandapparates führt zum Hyperextensionskomplex des Karpalgelenkes. Bei der chirurgischen Behandlung wird oft eine Arthrodese (Gelenkversteifung) vorgenommen.

2.3 Mediale Venen, mediale Schulter- und Oberarmmuskulatur mit Nervenversorgung

2.3.1 Venen

Die Venen werden anhand ihres Versorgungsgebietes bestimmt. Die Astfolge gilt für die Venenbestimmung nur als Hilfskriterium, da sie im Venensystem stark variiert. Im Arterien- und Nervensystem ist die Varianz geringer.

Die sehr kurze V. subclavia geht in Höhe der ersten Rippe in die V. axillaris (21) über, die zuerst die oft doppelt ausgebildete V. thoracica externa (22) zu den Brustmuskeln entlässt. Als weiterer Venenast wird die V. thoracica lateralis (4) entlassen, die gemeinsam mit der gleichnamigen Arterie und dem gleichnamigen Nerven am Lateralrand des M. pectoralis profundus resp. M. latissimus dorsi entlangzieht und an ihrem Ursprung den Ln. axillaris (21) sowie in Höhe des zweiten Interkostalraumes den Ln. axillaris accessorius (3) tangiert. Aus der V. axillaris ziehen dann die V. subscapularis (5) zum gleichnamigen Muskel und die V. thoracodorsalis (2) zur Medialfläche des M. latissimus dorsi. Die V. subscapularis entlässt die V. circumflexa humeri caudalis (18), die sofort in die Tiefe tritt, bogenförmig um den Humerus zieht und hier mit der V. circumflexa humeri cranialis (23) anastomosiert. Letztgenannte sehr schwache Vene entspringt aus der V. axillaris und zieht zum Hilusgebiet des M. biceps brachii. Nach Abgabe der V. axillobrachialis, die auch aus der V. circumflexa humeri caudalis entspringen kann, geht die V. axillaris in die V. brachialis (6) über. Diese entlässt in der Ellenbogenbeuge die V. brachialis superficialis (10), deren Fortsetzung, die V. mediana cubiti (27), aus der V. cephalica entspringt. Die V. brachialis gibt unter dem (zu durchschneidenden) M. pronator teres die V. interossea communis (12) ab und geht dann in die V. mediana (13) über.

2.3.2 Plexus brachialis

Die Spinalnerven nCv 6 bis nTv 2 bilden die Wurzeln für das Armgeflecht (Plexus brachialis), wo sich die Ventraläste mehrerer Spinalnervensegmente durchflechten. Aus dem Plexus brachialis gehen die Plexusnerven für die Schultergliedmaße hervor. Die Plexusnerven enthalten auch postganglionäre (marklose oder markarme) sympathische Fasern, die vom Ggl. stellatum kommen. Parasympathische Fasern besitzen die Plexusnerven dagegen nicht. image (1)

Bei der nachfolgenden Nerven- und Muskelbestimmung dienen die Nerven als Leitstrukturen für die Homologisierung der Muskeln, und wechselseitig werden die Nerven anhand ihres Innervationsgebietes identifiziert.

Der N. axillaris (nC 6 bis 8 —17) schickt einen Ast in den M. teres major (1), der proximal am Kaudalrand der Scapula entspringt und an der proximalen Drittelgrenze des Humerus an der Crista tuberculi majoris endet. Der N. axillaris innerviert zusätzlich den Kaudalrand des M. subscapularis sowie das Schultergelenk, tritt hier distal am Kaudalrand des M. subscapularis in die Tiefe und schließlich auf die Lateralfläche der Schulter (23.10). Der N. axillaris accessorius (nC 6 —15, kein Plexusnerv!) verzweigt sich mit seinen motorischen Anteilen im M. cleidobrachialis und durchbohrt mit seinen sensiblen Hautastanteilen diesen Muskelteil. Der N. subscapularis (nC 6 und 7 —16) tritt mit zwei Ästen in seinen M. subscapularis (16) ein, der an der Fossa subscapularis entspringt und am Tuberculum minus humeri endet. Der N. suprascapularis (nC 6 und 7 —14) kreuzt die distale Drittelgrenze des Margo cranialis scapulae und tritt zwischen den Mm. subscapularis und supraspinatus auf die Lateralfläche des Schulterblattes (23.2). Der N. musculocutaneus (nC 6 bis nT 1 —25) liegt der A. brachialis kranial an. Er versorgt mit proximalen Muskelästen die Mm. coracobrachialis und biceps brachii, kommuniziert fingerbreit proximal des Ellenbogens mit dem N. medianus und teilt sich unter dem M. biceps brachii in einen distalen Muskelast für die Mm. brachialis und (nochmals) biceps brachii sowie in den N. cutaneus antebrachii medialis (11), der zwischen der V. brachialis und der Endigung des M. biceps brachii unter die Haut tritt. Der kurze spindelförmige M. coracobrachialis (20) entspringt am Processus coracoideus und endet in Höhe der proximalen Drittelgrenze des Humerus an der Crista tuberculi minoris. Die Ursprungssehne des langen M. biceps brachii (26) beginnt dicht benachbart am Tuberculum supraglenoidale scapulae, senkt sich unter Bildung einer Kapselsehnenscheide in die Schultergelenkskapsel ein und wird im Sulcus intertubercularis durch ein Querband in seiner Lage gehalten. image (2)

Die Endsehne des M. biceps brachii (Textabb. 2.3–1) spaltet sich distal der Ellenbogenbeuge Y-förmig auf und inseriert proximal an Radius und Ulna. Der M. brachialis (Textabb. 2.3–1) zieht mit seiner Endsehne durch diese Y-förmige Bicepssehnenendigung bis zur proximalen Medialkontur der Ulna und zum Radius. Er entspringt kaudal vom Oberarmkopf, windet sich spiralförmig im Sulcus m. brachialis von kaudal über laterokranial und medial um den Humerus und endet proximal an der Ulna. Der N. radialis (nC 8 bis nT 1 —19) tritt distal der starken Endsehne des M. teres major in die Tiefe und innerviert hier den M. triceps brachii. Vorher entlässt der N. radialis noch proximomedial am Oberarm einen winzigen Ast zum dünnen M. tensor fasciae antebrachii (7), der an der Insertion des M. latissimus dorsi entspringt und in Höhe des Olecranon in die Unterarmfaszie einstrahlt. image (3) Die Nn. ulnaris (nC 8 bis nT 2 —8) und medianus (nC 8 bis nT 2 —24) gehen gemeinsam aus dem Plexus brachialis hervor, trennen sich in Höhe des Schultergelenkes voneinander und begleiten zunächst die V. brachialis, bevor der N. medianus medial und der N. ulnaris kaudal in die Unterarmmuskulatur gelangen. Der N. ulnaris entlässt in Höhe der distalen Drittelgrenze des Oberarms den zum Ellenbogenscheitel strebenden N. cutaneus antebrachii caudalis (9) image (4). (Nach der gültigen Nomenklatur werden auch die Nn. pectorales crann. und — caudd., der N. thoracicus longus, der N. thoracodorsalis und der N. thoracicus lateralis zu den Plexusnerven gezählt.)

 

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Textabb. 2.3–1: M. brachialis und Sehnen des M. biceps brachii.

 

Membrum thoracicum

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2.4 Laterale Venen, laterale Schulter- und Oberarmmuskulatur mit Nervenversorgung

2.4.1 Oberflächlich gelegene Hautvenen

Die lateral gelegenen oberflächlichen Hautvenen verlaufen im Schulter- und Oberarmbereich ohne gleichnamige Arterienbegleitung. Die V. cephalica (19) zieht in der seitlichen Brustfurche zur Kraniolateralkontur des Oberarms. Hier nimmt sie die starke V. axillobrachialis auf. Bevor die V. axillobrachialis (7) unter die Pars scapularis m. deltoidei tritt, empfängt sie die schwache V. omobrachialis (6). Die V. cephalica entlässt in der Ellenbogenbeuge die quer verlaufende V. mediana cubiti (20), deren Fortsetzung als V. brachialis superficialis zur medial gelegenen V. brachialis gelangt. Die V. cephalica wird bei ihrem Verlauf entlang der Kranialkontur des Unterarms von den beiden Ästen des R. superficialis n. radialis und von der Distalfortsetzung (A. antebrachialis superficialis cranialis) der schwachen A. brachialis superficialis begleitet. Drei Fingerbreiten proximal des Carpus biegt die V. cephalica medial um und gelangt zur Palma. Distal dieser Stelle wird ihre gerade Verlaufsrichtung entlang der Kranialkontur der Gliedmaße durch die V. cephalica accessoria (21) fortgesetzt, die auf dem Handrücken die dorsalen gemeinsamen Zehenvenen entlässt. image (5)

2.4.2 Laterale Muskulatur

Die Nerven, die die laterale Muskulatur an der Schulter und am Oberarm versorgen, gehen medial an der Schulter aus dem Plexus brachialis hervor und durchziehen zur Erreichung ihres lateralen Versorgungsgebietes die Muskulatur des Oberarms.

Der N. axillaris gibt Muskeläste an die Medialfläche der Partes scapularis und acromialis m. deltoidei sowie an den spindelförmigen M. teres minor ab. Danach endet der N. axillaris mit seinem N. cutaneus brachii lateralis cranialis (10) und seinem N. cutaneus antebrachii cranialis (11), die an der Ventralkontur des M. deltoideus zwischen den Partes scapularis und acromialis in Begleitung der V. axillobrachialis unter die Haut treten. Der M. deltoideus entspringt mit seiner Pars scapularis (3) an der Spina scapulae sowie mit seiner Pars acromialis (4) an deren Acromion. Beide Teile enden an der Tuberositas deltoidea humeri.

Die davon abweichende Pars clavicularis (5, M. cleidobrachialis) verkehrt zwischen Klavikularstreifen und Distalende der Crista humeri und wird vom N. axillaris accessorius (nC 6) versorgt. Der M. teres minor (Textabb. 2.4–1) entspringt am Tuberculum infraglenoidale sowie distal am Margo caudalis scapulae und endet proximal der Tuberositas deltoidea an der undeutlichen Tuberositas teres minor. Der N. suprascapularis (2) innerviert den M. supraspinatus und zieht lateral am Schulterblatt an der Basis des Acromion vorbei und tritt in den M. infraspinatus ein. image (6) Der M. supraspinatus (1) entspringt in der Fossa supraspinata scapulae und endet kranial am Tuberculum majus humeri. Der M. infraspinatus (9) liegt unter der Pars scapularis m. deltoidei. Sein Ursprung befindet sich in der Fossa infraspinata. Er endet, von der Bursa subtendinea m. infraspinati unterlagert, kaudal am Tuberculum majus humeri. image (7) Die Endsehnen der Mm. infraspinatus und subscapularis übernehmen die Funktion von lateralen resp. medialen kontraktilen Spannbändern am Schultergelenk, dem eigentliche Kollateralbänder fehlen. Tief in der Gelenkkapsel kommen lateral und medial fibröse Verstärkungen als Ligg. glenohumeralia vor. Der N. radialis (15) tritt mit seinen proximalen Muskelästen unter dem (durchschnittenen) Caput laterale m. tricipitis brachii in die Köpfe dieses Muskels und in den M. anconaeus. Der fortlaufende N. radialis zieht über die Crista supracondylaris lateralis. Er teilt sich in einen R. profundus (17) für die langen Zehen- und Karpalgelenksstrecker und in einen R. superficialis (16), dessen R. lateralis und R. medialis beiderseits die V. cephalica sowie anschließend die V. cephalica accessoria begleiten und mit ihren Nn. digitales dorsales communes den Handrücken versorgen. Der M. triceps brachii entspringt mit seinem Caput longum (12) am Kaudalrand der Scapula, image (8) mit seinem Caput accessorium (14) kaudal am Collum humeri, mit seinem Caput laterale (13) an der Linea m. tricipitis und seinem Caput mediale (8) proximomedial am Humerus. Unter der gemeinsamen Endigung am Olecranon liegt lateral ein Schleimbeutel. Über dem Processus olecrani liegt die inkonstante Bursa subcutanea olecrani. Der M. anconaeus (18) entspringt an der Umrandung der Fossa olecrani und endet „fleischig“ lateral am Olecranon.

 

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Textabb. 2.4–1: Laterale Muskulatur der Schulter.

 

Membrum thoracicum

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2.5 Unterarmmuskeln mit Nervenversorgung

2.5.1 Kaudomediale Unterarmmuskeln

Zu den kaudomedialen Unterarmmuskeln gehören zwei Zehenbeuger, zwei Karpalgelenksbeuger und zwei Einwärtsdreher (Pronatoren) der Radioulnargelenke. image (9)

Die Muskelursprünge liegen überwiegend am Beugeknorren (Epicondylus medialis humeri). Eine Ausnahme gilt lediglich für den M. pronator quadratus, der mit horizontalem Faserverlauf das Spatium interosseum antebrachii ausfüllt. Die beiden mehrköpfigen Muskeln besitzen neben dem humeralen Ursprungskopf am Beugeknorren noch zusätzliche Ursprungsköpfe an den Unterarmknochen, und zwar weist der zweiköpfige M. flexor carpi ulnaris zusätzlich ein Caput ulnare auf, während der dreiköpfige M. flexor digitalis profundus zusätzlich ein Caput ulnare und ein Caput radiale besitzt, welche entsprechend ihrer Benennung proximal an den jeweiligen Unterarmknochen entspringen.

Die Muskelansätze der beiden Zehenbeuger liegen an den Zehenknochen, die der beiden Karpalgelenksbeuger am Carpus resp. proximal am Metacarpus und die der beiden Einwärtsdreher an den Unterarmknochen (was bei der Muskelbestimmung zu berücksichtigen ist).

Zehenbeugemuskeln

Von den beiden Zehenbeugemuskeln geht der M. flexor digitalis superficialis (10) im distalen Drittel des Unterarms in die oberflächliche Beugesehne über, die sich proximal am Metacarpus in die vier Insertionsschenkel für die Zehen aufteilt. Kurz vor dem Ansatz an der Tuberositas flexoria der Phalanx media sind die Endsehnenschenkel für den Durchtritt der tiefen Beugesehnenschenkel tunnel- oder manschettenförmig als Manica flexoria (20) umgestaltet. Der M. flexor digitalis profundus bildet mit den Sehnen seines schwachen lateralen Caput ulnare (7), des starken mittleren Caput humerale (8) und des schwachen medialen Caput radiale (6) im distalen Unterarmdrittel die tiefe Beugesehne, deren fünf Insertionsschenkel nach Durchtritt durch die tunnelförmige Manica flexoria am Tuberculum flexorium der Krallenbeine enden.

Karpalgelenksbeuger

Von den beiden Karpalgelenksbeugern ist der M. flexor carpi ulnaris (15) bis zu seinem Ansatz am Os carpi accessorium in den überwiegend sehnigen ulnaren und den überwiegend fleischigen humeralen Kopf zweigeteilt. image (10) Der M. flexor carpi radialis (2) inseriert mit einer zweigeteilten Endsehne proximopalmar an den Ossa metacarpalia II und III.

Einwärtsdreher

Von den beiden Einwärtsdrehern der Radioulnargelenke endet der M. pronator teres kraniomedial am Radius. Der M. pronator quadratus (4) verkehrt im Spatium interosseum antebrachii zwischen beiden Unterarmknochen.

Die Nervenversorgung erfolgt über die Nn. medianus (5) und ulnaris (9), wobei die mehr medial gelegenen Muskeln (Mm. pronator teres, pronator quadratus, flexor carpi radialis und Caput radiale des tiefen Zehenbeugers) allein vom N. medianus und die mehr kaudal gelegenen Muskeln (M. flexor carpi ulnaris und Caput ulnare des tiefen Zehenbeugers) allein vom N. ulnaris innerviert werden. Eine Ausnahme bildet jedoch der M. flexor digitalis superficialis, der beim Hund als weit kaudal gelegener Muskel vom N. medianus versorgt wird. Der in der Mitte zwischen beiden Versorgungsgebieten liegende dreibäuchige humerale Kopf des tiefen Zehenbeugers erhält eine Doppelinnervation von den Nn. ulnaris und medianus. Der N. ulnaris teilt sich im proximalen Unterarmdrittel in den R. palmaris und R. dorsalis n. ulnaris (N. dorsalis manus —14). Letzterer zieht an der Kaudolateralkontur des M. extensor carpi ulnaris distal und endet als N. digitalis dorsalis V. abaxialis auf dem Handrücken. Der R. palmaris n. ulnaris (17) zieht an der Unterseite und der N. medianus an der Oberfläche der tiefen Beugesehne durch den Canalis carpi zur Palma.

2.5.2 Kraniolaterale Unterarmmuskeln

Zu den kraniolateralen Unterarmmuskeln gehören zwei Zehenstrecker, zwei Daumenmuskeln, zwei Karpalgelenksstrecker und zwei Auswärtsdreher (Supinatoren) der Radioulnargelenke.

Die Muskelursprünge der kraniolateralen Unterarmmuskeln liegen überwiegend am Streckknorren (Epicondylus lateralis humeri). Ausnahmen gelten lediglich für die Mm. extensor carpi radialis und brachioradialis, die etwas weiter proximal an der Crista supracondylaris lateralis entspringen – und für die beiden Daumenmuskeln, die etwas weiter distal von beiden Unterarmknochen kommen.

Die Muskelansätze werden für die Bestimmung der kraniolateralen Unterarmmuskeln herangezogen. Von den vier Muskelgruppen aus jeweils zwei Einzelmuskeln inserieren die Zehenstrecker distal am Processus extensorius der Krallenbeine, die Daumenmuskeln zwischen Metacarpus und Krallenbein, die Karpalgelenksstrecker direkt distal vom Carpus am Metacarpus und die Supinatoren weit proximal vom Carpus am Radius.

Zehenstrecker

Von den beiden Zehenstreckern inseriert der M. extensor digitalis communis (13) an der zweiten bis fünften Zehe und der M. extensor digitalis lateralis (16) an der dritten bis fünften Zehe, jeweils am Proc. extensorius des Krallenbeins.

Daumenmuskeln

Von beiden Daumenmuskeln endet der M. abductor pollicis longus (11) proximal am Os metacarpale I, und der M. extensor pollicis (12) zieht mit zwei sehr schwachen Endsehnen zur ersten und zweiten Zehe.

Karpalgelenksstrecker

Von beiden Karpalgelenksstreckern endet der M. extensor carpi radialis (3) mit zwei Endsehnen proximal an den Ossa metacarpalia II und III. Der M. extensor carpi ulnaris (18) zieht proximal zum Os metacarpale V und endet mit einem Querschenkel am Os carpi accessorium, weshalb er bei entsprechender Gelenkstellung auch als Abduktor fungieren soll.

Supinatoren

Von beiden Supinatoren liegt der M. supinator unter den Muskelursprüngen der Zehenstrecker und endet proximokranial am Radius. Der M. brachioradialis durchzieht oberflächlich die Ellenbogenbeuge und endet auf halber Höhe des Radius in der Unterarmfaszie.

Die Nervenversorgung erfolgt durch den N. radialis, der mit dem R. profundus (1) in alle kraniolateralen Unterarmmuskeln eintritt. Sein R. superficialis begleitet mit zwei Ästen (Ramus lateralis und medialis) beiderseits die V. cephalica und entlässt den N. cutaneus antebrachii lateralis. In Begleitung der V. cephalica accessoria ziehen beide Rami auf den Handrücken und verzweigen sich hier in die Nn. digitales dorsales communes (19), die die Nn. digitales dorsales proprii abgeben.

 

Membrum thoracicum

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imageimageimage Klinisch funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Nerven des Plexus brachialis können durch Druck, Quetschung oder Überdehnung aber auch Tumoren oder Abszesse – ausgehend von den Lnn. axillares – irritiert werden. Durch Überdehnung sind insbesondere Nerven mit kurzer Verlaufstrecke zwischen der Scalenuslücke und dem Muskeleintritt wie z. B. der N. axillaris gefährdet. Abrisse oder Ausrisse der Plexuswurzeln aus dem Rückenmark sind meist Folge extremer Abduktion der Gliedmaße z. B. bei Autounfällen. Ein vollständiger Abriss des Plexus brachialis führt zur Lähmung der gesamten Gliedmaßenmuskulatur mit Hängen der Schulter und des Ellenbogens bei gebeugter Karpalgelenksstellung. Der Abriss des nTv1 bewirkt zusätzlich den Ausfall des Pannikulusreflexes (s. Kap. 1.1 image (1)) und bei Schädigung der Rr. communicantes grisei, die zum Ggl. cervicothoracicum ziehen, tritt ein gleichseitiges (ipsilaterales) Horner-Syndrom auf (s. Kap. 8.11 image (4)).

(2)_____ Verletzungen des M. biceps brachii betreffen meist seine Ursprungssehne, die direkt rupturieren oder bei jungen Hunden mit dem Tuberculum supraglenoidale scapulae ausreißen kann (Abb. 2.5–1/–2). Typisches diagnostisches Merkmal dieser Ruptur ist, dass das Schultergelenk passiv weit überbeugt und das Ellenbogengelenk weit überstreckt werden kann. Die Ursprungssehne des M. biceps brachii kann besonders bei großwüchsigen und schweren Hunderassen (Labrador Retriver und Rottweiler) durch röntgenologisch erkennbare Mineralisation verändert sein. Ihre Sehnenscheide (Vagina synovialis intertubercularis) ist entzündet. Diese Veränderungen können zur Lahmheit führen.

Iatrogene Tendopatien sind vom Tierarzt verursacht, wenn Kortikosteroid-Injektionen direkt in eine Sehne oder deren unmittelbare Umgebung erfolgen und zur Nekrose führen.

Eine Verlagerung der Ursprungssehne des M. biceps brachii aus dem Sulcus intertubercularis heraus in mediale Richtung ist mit einer Ruptur des Retinaculum (Lig.) transversum verbunden und kann zur Luxation oder Subluxation des Schultergelenkes führen.

(3)_____ Der N. radialis kann in seinem Verlauf über die Crista supracondylaris lateralis infolge traumatischer Einwirkungen leicht geschädigt werden. Die Folge ist eine (distale) Radialislähmung, die mit einem Ausfall der Zehen- und Karpalgelenksstrecker einhergeht und zum Bild der „Kusshandstellung“ führt. Bei proximaler Schädigung des N. radialis im Bereich des Plexus brachialis fällt zusätzlich der M. triceps brachii aus (proximale Radialislähmung). Neben den motorischen Ausfällen kommt es bei einer Radialislähmung zum Sensibilitätsausfall am Pfotenrücken.

(4)_____ Der N. ulnaris ist auf der Medialfläche des Olecranon tastbar und kann bei gestreckt gehaltenem Ellenbogen (lockere Trizepsmuskulatur) proximal verfolgt werden.

(5)_____ Die V. cephalica antebrachii eignet sich für die Venenpunktion zur Blutentnahme oder intravenösen (i.v.) Injektion und zum Legen von Dauerverweilkanülen. Medial und lateral wird die Vene von sensiblen Ästen des N. radialis begleitet, weshalb paravenöses Einstechen von Kanülen heftige Abwehrreaktionen des betroffenen Patienten hervorrufen kann.

(6)_____ Der N. suprascapularis kann in seinen Verlauf um das Collum scapulae durch Skapulafrakturen leicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Seine Verletzung führt zur Lähmung der Mm. supraspinatus und infraspinatus. Da die Endsehnen dieser Muskeln als kontraktile Spannbänder fungieren und die fehlenden lateralen Kollareralbänder des Schultergelenkes funktionell ersetzen, führt die Lähmung dieser Muskeln zu einer Instabilität des Schultergelenkes, die sich in einer Abduktion der Schulter bei Belastung sowie Problemen beim Vorführen der Gliedmaße zeigt.

(7)_____ Eine Überlastung mit Anschwellung des M. infraspinatus führt durch Druckanstieg zu seiner Minderdurchblutung (akut funktionelles Kompartmentsyndrom), woraus sich eine ischämiebedingte Fibrosierung (Kontraktur) entwickeln kann. Die Verkürzung des Muskels hat eine Außenrotation der Gliedmaße bei adduziertem Ellenbogengelenk und verminderter Beweglichkeit zur Folge. Die frühzeitige chirurgische Durchtrennung des M. infraspinatus führt meist zur vollständigen Wiederherstellung der Gliedmaßenfunktion.

(8)_____ Das Caput longum des M. triceps brachii kann infolge eines Sturzes oder Sprunges aus großer Höhe rupturieren. In der Folge ist das betroffene Tier nicht mehr in der Lage, das Ellenbogengelenk zu strecken.

(9)_____ Die kräftige Fascia antebrachii umschließt die kaudalen Unterarmmuskeln (Zehen- und Karpalgelenksbeuger) vollständig unter Bildung einer Faszienloge bzw. eines muskulären Kompartiment. Die Faszienumhüllung der kraniolateralen Unterarmmuskeln (Zehen- und Karpalgelenkstrecker) umgrenzt dagegen kein abgeschlossenes Kompartiment.

Im muskulären Kompartment ermöglicht die umhüllende straffe Faszie kaum eine Ausdehnung der eingeschlossenen Muskulatur nach starker Belastung oder nach traumatischer Einwirkung. Die zwangsläufige Gewebedruckerhöhung führt zum Kompartmentsyndrom mit dauerhaften Schmerzen, zu Minderdurchblutung und bei dauerhaft starker Einwirkung zu irreversibler Muskelatrophie. Eine Fasziotomie (Fasziendurchtrennung) bewirkt eine Druckminderung und eine Besserung der Erkrankung.

Der Druck in einem Kompartiment kann mit einer Messapparatur ermittelt werden. Unter normalen Verhältnissen werden Werte bis 8 mmHg gemessen. Bei intramuskulären Läsionen mit Nekrosen steigen die Werte über 30 mmHg an und wenn diese hohen Werte über acht Stunden anhalten, ist die Nervenleitung beeinträchtigt und bei höherem Druck über 50 mmHg total blockiert.

Eine Myositis ossificans geht aus einer traumatisch bedingten Muskelentzündung hervor. Blutungen und Minderdurchblutung führen im Muskel zur partiellen Nekrose und zur umschriebenen Verknöcherung. Therapie: Bei Lahmheit ist eine komplette Entfernung der heterotropen Knochenformation erforderlich.

Fibröse Myopathien und Muskelkontrakturen entstehen nach Muskelverletzungen mit nachfolgender Narbenbildung. Wenn der betroffene Muskel partiell oder vollständig durch Narbengewebe ersetzt ist, entsteht ein unelastisches fibröses Band und man spricht von fibröser Myopathie oder Muskelkontraktur, die nicht infolge eines neurogenen Reizes, sondern durch Zusammenziehung des entstandenen Narbengewebes verursacht wird.

Muskelzerrung und Muskelfaserriss führen besonders bei Rennhunden (Greyhounds) unter erheblichen Schmerzen zu Narbenbildung und Desorientierung der Myofibrillen (Muskelfaserbündel). Die Diagnose gründet sich auf palpatorische Untersuchungen, erforderlichenfalls auf bildgebende Verfahren wie Sonographie und MRT. An der Schultergliedmaße sind besonders die Mm. triceps brachii, rhomboideus, serratus ventralis, und pectorales betroffen.

(10)_____ Die Endsehne des M. flexor carpi ulnaris kann durch operative Translokation an die Strecksehnen des Karpus zur Wiederherstellung der Streckstellung des Karpus bei irreversibler Radialislähmung genutzt werden.

 

 

 

 

2.6 Arterien, Venen und lymphatischer Abfluss

2.6.1 Schulter, Ober- und Unterarm

Schulter, Ober- und Unterarm werden von Gefäß- und Nervensträngen versorgt, die vornehmlich medial und kranial an der Gliedmaße verlaufen und an Gelenken bevorzugt in geschützten Bereichen (in der Gelenkkehle) liegen. Die Blutzufuhr zur Schultergliedmaße erfolgt nur über eine einzige Arterie, die A. axillaris. Für den Blutabfluss aus der Schultergliedmaße sorgen dagegen drei Venen, nämlich die medial gelegene V. axillaris und die lateral gelegenen Vv. cephalica und omobrachialis.

A. und V. axillaris

Die A. und V. axillaris (15) liegen in der Schultergelenksbeuge oberflächlich vom N. axillaris. Sie setzen in Höhe der ersten Rippe die lange A. subclavia resp. die sehr kurze V. subclavia fort und entlassen die Aa. und Vv. thoracica externa, thoracica lateralis, subscapularis und, vor ihrem Übergang in die A. und V. brachialis, die A. und V. circumflexa humeri cranialis. Die A. und V. thoracica externa (16) treten mit den begleitenden Nn. pectorales craniales in die Brustmuskeln ein. Die A. und V. thoracica lateralis (3) ziehen mit dem gleichnamigen Nerven am Lateralrand des M. pectoralis profundus entlang und vaskularisieren den Ln. axillaris, den inkonstanten Ln. axillaris accessorius und die thorakalen Mammae. Die A. und V. subscapularis (1) verlaufen am Kaudalrand des gleichnamigen Muskels. Die A. subscapularis entlässt kaudal die A. thoracodorsalis (2). Die V. thoracodorsalis (2) geht aus der V. axillaris hervor. Beide Gefäße treten mit dem gleichnamigen Nerven in die Medialfläche des M. latissimus dorsi ein. Als weitere Gefäße der A. und V. subscapularis ziehen die A. und V. circumflexa humeri caudalis (4) in tiefem, bogenförmigem Verlauf um den Humerus und anastomosieren hier mit der schwachen A. resp. V. circumflexa humeri cranialis. Die A. und V. circumflexa humeri cranialis (17) ziehen aus dem Distalende der A. und V. axillaris kranial und treten in Höhe des Muskelhilus unter den M. biceps brachii.

A. und V. brachialis

Die A. und V. brachialis (5), die aus der A. und V. axillaris hervorgehen, entlassen die Aa. und Vv. profunda brachii, bicipitalis, collateralis ulnaris, brachialis superficialis sowie transversa cubiti und gehen distal vom Ellenbogengelenk nach Abgabe der A. und V. interossea communis in die A. und V. mediana über. Im distalen Oberarmdrittel ziehen die A. und V. profunda brachii (6) kaudal in den dreiköpfigen und die A. und V. bicipitalis (18) kranial in den zweiköpfigen Oberarmmuskel. Die A. und V. collateralis ulnaris (7) begleiten den N. ulnaris zum Scheitel des Ellenbogengelenkes und anastomosieren danach über die A. und V. recurrens ulnaris (35) mit der A. und V. ulnaris (11). Die A. brachialis superficialis (8) entspringt im distalen Oberarmdrittel und die gleichnamige Vene in Höhe des Ellenbogengelenkes. Die Arterie und Vene ziehen zunächst oberflächlich und transversal gerichtet durch die Ellenbogenbeuge, und beide Gefäße nehmen anschließend einen unterschiedlichen Verlauf. Die A. brachialis superficialis geht distal in die oberflächliche Unterarmarterie (A. antebrachialis superficialis cranialis (48) über, deren Äste zunächst mit der V. cephalica (56) und anschließend gemeinsam mit der V. cephalica accessoria zum Handrücken streben. Die sehr kurze V. brachialis superficialis (8) geht in der Ellenbogenbeuge kontinuierlich in die V. mediana cubiti (57) über, die aus der V. cephalica (56) kommt. Beide querverlaufenden und ineinander übergehenden Venen (Vv. brachialis superficialis und mediana cubiti) bilden formal den Querschenkel einer H-förmigen Venenkonfiguration, deren Längsschenkel medial von der V. brachialis (5) und lateral von der V. cephalica (56) vertreten werden. Die A. und V. transversa cubiti (9) unterqueren in der Ellenbogenbeuge den Endabschnitt des M. biceps brachii. Die A. und V. interossea communis (10) schicken aus ihrem Ursprungsabschnitt die A. und V. ulnaris (11), die gemeinsam mit dem N. ulnaris distal ziehen. Die A. und V. interossea communis teilen sich dann in die A. und V. interossea cranialis (36) und in die A. und V. interossea caudalis (37), die kranial resp. kaudal im Spatium interosseum antebrachii distal ziehen.

A. und V. mediana

Die A. und V. mediana (12), die aus der A. und V. brachialis hervorgehen, entlassen im proximalen Drittel des Unterarms kaudal die A. und V. profunda antebrachii (13) für die Unterarmmuskulatur sowie nach fingerbreitem Abstand kranial die A. und V. radialis (14), die am Radius entlangziehen. Anschließend gelangt die A. mediana (bei Versiegen der Vene) nach Durchtritt durch den Canalis carpi auf der Oberfläche der tiefen Beugesehne zur Palma.

 

Arteriae, Venae et Nervi membri thoracici
(Basset Artésien-Normand)

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2.6.2 Versorgung der Hand

Die Versorgung der Hand erfolgt durch tiefe und oberflächliche Arterien, Venen und Nerven. Auf dem Handrücken und der Hohlhandfläche heißen die tief gelegenen Leitungsstrukturen Aa. und Vv. metacarpeae – sowie Nn. metacarpei dorsales (32) resp. palmares (21) und die oberflächlichen Leitungsstrukturen Aa., Vv. und Nn. digitales dorsales communes (34) resp. palmares communes (9), die sich in die Aa. und Vv. digitales propriae – sowie Nn. digitales proprii dorsales (35) resp. palmares (10) aufteilen.

Hohlhand

An der Hohlhand (Palma) entspringen die Aa. und Vv. digitales palmares communes I bis IV (9) aus dem arteriellen resp. venösen Arcus palmaris superficialis (8). Der arterielle Arcus palmaris superficialis geht distal am Karpalgelenk mit seinem medialen Bogenschenkel aus den Aa. mediana (18) samt radialis (2) und mit seinem lateralen Bogenschenkel aus einem Zusammenfluss der Aa. ulnaris (3) und interossea caudalis (17) hervor. Der venöse Arcus palmaris superficialis (8) liegt weiter distal am Metakarpalballen und entsteht aus einem medialen Zusammenfluss der Vv. cephalica (13) und radialis (2) sowie einem lateralen Zusammenfluss der Vv. ulnaris (3) und interossea caudalis (17). Die Aa. und Vv. metacarpeae palmares I bis IV (21) gehen wenig distal der Karpalgelenksbeuge aus dem arteriellen resp. venösen Arcus palmaris profundus (19) hervor. Der arterielle resp. venöse Arcus palmaris profundus wird medial von der A. radialis (2) resp. den Vv. cephalica (13) und radialis (2) und lateral von einem Zusammenfluss der Aa. resp. Vv. ulnaris (3) und interossea caudalis (17) gebildet. Die Nn. digitales palmares communes I bis III (9) gehen aus dem N. medianus (18), der N. digitalis palmaris communis IV geht aus dem R. superficialis des R. palmaris n. ulnaris (6) hervor. Die Nn. metacarpei palmares I bis IV (21) stammen vom R. profundus des R. palmaris n. ulnaris (5).

Handrücken

Auf dem Handrücken (Dorsum manus) gehen die Aa. digitales dorsales communes I bis IV (34) aus den beiden Ästen der oberflächlichen Unterarmarterie, A. antebrachialis supf. cran. (12, 24), hervor, die die A. brachialis superficialis distal fortsetzt. Die Vv. digitales dorsales communes I bis IV (34) werden von der V. cephalica accessoria (14) entlassen. Die Nn. digitales dorsales communes I bis IV (34) gehen von den beiden Ästen des R. superficialis n. radialis (11, 23) ab. Der R. dorsalis n. ulnaris (27) endet mit seinem N. digitalis dorsalis V abaxialis (33) auf dem Handrücken. Die tief gelegenen Aa. resp. Vv. metacarpeae dorsales I bis IV (32) gehen aus dem arteriellen resp. venösen Rete carpi dorsale (31) hervor. Das venöse Wundernetz wird von Rr. carpei dorsales gebildet, die den Vv. cephalica accessoria (29) und radialis (15) entstammen. Das arterielle Wundernetz wird über die Rr. carpei dorsales von den Aa. interossea caudalis (28), ulnaris (30) und radialis (15) gespeist.

2.6.3 Lymphatischer Abfluss

Der Lymphabfluss aus der Schultergliedmaße erfolgt über oberflächlich und tief gelegene Lymphgefäße. Die Vasa lymphatica superficialia begleiten überwiegend die oberflächlichen lateralen Hautvenen und leiten die Lymphe nach Durchfluss durch die Lnn. cervicales superficiales (5.k) zum Venenwinkel. Die Vasa lymphatica profunda ziehen in Begleitung der tiefen medialen Blutgefäße zu den Lnn. axillaris und axillaris accessorius, die auch Lymphe von der Brustwand und den drei vorderen Mammae drainieren. Der diskusförmige Ln. axillaris (21.21) mit einem Durchmesser von ca. zwei Zentimetern ist für die Palpation im Abzweigwinkel der A. und V. thoracica lateralis aus der A. und V. axillaris zugänglich. Der Ln. axillaris accessorius (21.3) liegt einen Interkostalraum weiter kaudal am Verlauf der A. und V. thoracica lateralis. Von den Lnn. axillaris und axillaris accessorius gelangt die Lymphe ebenfalls in den Venenwinkel.

 

Arteriae, Venae et Nervi manus

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2.7 Ballen und Zehenendorgan

2.7.1 Ballen

Zu den Ballen gehören beim Hund die Zehenballen (Tori digitales —14) in der Höhe der distalen Zehengelenke, die verschmolzenen Tori metacarpei (13) resp. —metatarseus in Höhe der Zehengrundgelenke und der Torus carpeus (12, mediodistal an der Handwurzel). Die dicke Unterhaut der Ballen weist reichlich Fettgewebe (Panniculus adiposus, Baufett) mit Schweißdrüsen auf und ist durch radiär-netzförmig angeordnete Haltebänder (Retinacula) aus kollagenen und elastischen Fasern gekammert (sehr empfindlich bei entzündungsbedingter Druckerhöhung). Die Haltebänder strahlen von der Lederhaut (Dermis tori) in die Unterhaut (Tela subcutanea tori) ein und verankern den Ballen an der unterlagernden Faszie und am Skelett. Die Metatarsal- resp. Metakarpalballen besitzen gut ausgebildete Spannbänder (Tractus tori —15). Diese fixieren die Ballen proximal an den Metakarpal- und Metatarsalknochen. Die Lederhaut weist sehr straffe Bindegewebszüge auf und formt einen sehr hohen Papillarkörper mit konischen Warzen. Die Epidermis (Epidermis tori) ist bis 2 mm dick und bildet entsprechende Konfigurationen aus weichem Horn. Die Hornzellen sind nach dem Prinzip des Spitzenwachstums angeordnet. Die Ballen sind reichlich mit Blut- und Lymphgefäßen sowie Nerven versorgt. image (1)

2.7.2 Zehenendorgan

Das Zehenendorgan ist das von modifizierter äußerer Haut umgebene knöcherne Zehenende. Abgesehen vom Zehenballen (Torus digitalis) fehlt eine Tela subcutanea. Die Dermis (Corium) ist in Form von Papillen, Zöttchen oder Blättchen ausgebildet oder weist eine glatte Oberfläche auf. Eine entsprechende Konfiguration weist auch die innere Oberfläche der Epidermis auf (Zapfen, Röhrchen, Blättchen, glatte Oberfläche). Beide, Dermis und Epidermis, gleichen einander wie die Patrize (Stempel = Dermis) der Matrize (Stempeleindruck = Epidermis).

Die verhornte Kralle (Unguicula) ist in Form einer Tüte ausgebildet, die den Krallenbeinfortsatz (Proc. unguicularis —11) umgibt. Dermis und Epidermis sind segmental ähnlich differenziert wie am Fingernagel des Menschen und am Huf des Pferdes.

Die knöcherne Krallenleiste (Crista unguicularis) wird basal von einem häutigen Krallenwall (Vallum —7) überlagert. Die Außenlamelle des Krallenwalls ist behaart, und die unbehaarte Innenlamelle ist mit dem Saumsegment (Limbus) des Pferdes vergleichbar. Sie bildet über ihrem Epidermisüberzug ein weiches Wallhorn (Eponychium —1), das dem Saumhorn (Glasurschicht) des Pferdes entspricht und wie dieses weit vor dem Distalende des Hornschuhs abgerieben wird. (Am menschlichen Fingernagel wird das bröckelig-weiche Eponychium bei der Maniküre entfernt.)

In der Tiefe des knöchernen Krallenfalzes (Sulcus unguicularis) liegt das Falzsegment, das dem Kronsegment des Pferdehufes entspricht. Seine Dermis trägt Zöttchen (Papillae dermales —10). Seine überlagernde Epidermis produziert ein Röhrchenhorn, das als Schutzschicht (Mesonychium —2) einen erheblichen Anteil der Hornkralle ausmacht. Dorsal am Krallenbeinfortsatz befindet sich ein glatter Dorsalwulst der Dermis (Dorsum dermale —8), eine Eigentümlichkeit am Zehenendorgan der Fleischfresser, die nach eigenen Untersuchungen nicht mit dem Kronsegment des Pferdes vergleichbar ist. Über seinem Epidermisüberzug wird das dorsale Wandhorn (Verbindungshorn) gebildet (Hyponychium dorsale —3). Im Lateralbereich des Krallenbeinfortsatzes liegen Blättchen vor, und zwar Lederhautblättchen (Lamellae dermales —9) und entsprechend geformte (unverhornte) Oberhautblättchen, die das einfach geschichtete seitliche Wandhorn (Hyponychium laterale —4), die Innenauskleidung der tütenförmigen Hornkralle, bilden.

Palmar (plantar) am Krallenbeinfortsatz liegt das Sohlensegment, an dem die Dermis deutliche Zöttchen trägt. Hier wird von der Epidermis das tubuläre Sohlenhorn (Solea cornea —5) gebildet, dessen Zellen stark desquamieren. Um die Spitze des Krallenbeinfortsatzes entsteht ein weiches Terminalhorn (Hyponychium terminale —6), das den distalen Teil der Krallentüte ausfüllt (daher auch Füllhorn). image (2)

 

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Textabb. 2.7–1: Cutis tori.

 

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ In den Subkutispolstern der Ballen sind die inkompressiblen Fettzellen – vergleichbar den Gelkissen in Laufschuhen – kammerartig von elastischen Bindegewebssepten umgeben. Sie fangen die bei der Fußung auftretenden Kräfte elastisch ab und schützen die Zehenknochen vor Druckbelastung. Die starke mechanische Belastung der Ballenepidermis erfordert eine hohe Hornbildungsrate, die durch eine sehr gute Vaskularisation der Ballenlederhaut gewährleistet wird, weshalb Ballenverletzungen heftig bluten.

(2)_____ Ungenügend abgenutzte Krallen werden zu lang, können sich einrollen und evtl. einwachsen. Dies betrifft insbesondere die nicht in die Fußung einbezogene Daumenkralle, die deshalb regelmäßig zu kontrollieren und gegebenenfalls zu kürzen ist. Beim Krallenschneiden ist zu beachten, dass nicht im rechten Winkel zur Krallentüte, sondern entsprechend den Verhältnissen bei natürlicher Abnutzung in einem leicht spitzenWinkel gekürzt werden sollte.

 

Unguicula et Torus

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3 | Brust- und Bauchwand

3.1 Wirbelsäule mit Brustkorb

3.1.1 Wirbelsäule

Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) dient der Umhüllung und dem Schutz des Rückenmarks. Für die Statik und Dynamik des Tierkörpers übernimmt die Wirbelsäule eine Tragefunktion. Die dafür erforderliche Festigkeit wird durch die einzelnen Wirbel gewährleistet, die Elastizität sowie die Verformbarkeit durch die Zwischenwirbelscheiben und die Wirbelgelenke.

Die Wirbelsäule besteht aus sieben Zervikal- resp. Halswirbeln (Vertebrae cervicales, vC 1–7), dreizehn Thorakal- resp. Brustwirbeln (vT 1–13), sieben Lumbal- resp. Lendenwirbeln (Vertebrae lumbales, vL 1–7), drei Sakral- resp. Kreuzwirbeln (vS 1–3), die zum Os sacrum verschmolzen sind, und ca. zwanzig Kokzygeal- resp. Schwanzwirbeln (vCy 1–20). image (1)

Wirbel

Die Wirbel weisen drei Grundbestandteile auf: Corpus sowie Arcus und Processus, die entsprechend den funktionellen Anforderungen regional unterschiedlich abgewandelt sind. image (2)

Das Corpus vertebrae (1) besitzt eine Crista ventralis (2, deutlich im Bereich der Halswirbelsäule) sowie eine Facies terminalis cranialis resp. Extremitas cranialis (3) und caudalis (4). image (3) An den Thorakalwirbeln bilden Foveae costales caudalis (5) und — cranialis (6) gemeinsam eine Gelenkfacette für das Rippenköpfchen. Der Canalis vertebralis (7) enthält in vivo das Rückenmark mit der Cauda equina und liegt zwischen Corpus und Arcus vertebrae. image (4)

Der Arcus vertebrae (8) weist basal den Pediculus und dorsal die abgeflachte Lamina auf. Die Forr. intervertebralia (9) werden von den Incisurae vertebrales cranialis (10) sowie — caudalis (11) des gleichund vorsegmentigen Wirbels begrenzt und sind Durchlassöffnungen für die Spinalnerven (Ausnahme: 1. Halsnerv). image (5)

Von den Wirbelfortsätzen ist der Processus spinosus (12) am deutlichsten ausgeprägt (Ausnahme: 1. Halswirbel und Schwanzwirbel). Die Processus transversi (13) sind an den Hals- und Lendenwirbeln gut ausgebildet und tragen an den Brustwirbeln eine Fovea costalis (14, Gelenkfacette für das Rippenhöckerchen. Am 1. bis 6. Halswirbel kommen an der Basis der Transversalfortsätze Forr. transversaria (15) vor, die hintereinander zum Canalis transversarius aufgereiht sind (für A., V. und N. vertebralis). Die Processus articulares cranialis (16) und — caudalis (17) bilden echte Gelenke zwischen den Wirbeln. Ein Processus costalis (18) erscheint am 3. bis 6. Halswirbel als ventrokraniales Ende des hier zweigeteilten Querfortsatzes. An der Lendenwirbelsäule stellen die Enden der Querfortsätze Processus costales dar, da sie Rippenrudimente enthalten, die zu Lendenrippen auswachsen können. Ein Processus accessorius (19) fehlt im Kaudalbereich der Lendenwirbelsäule und ist in deren Kranialbereich als selbständiger Fortsatz ausgebildet. Er verliert am Übergang zur Brustwirbelsäule beim Übertritt auf die Kaudalkontur des Querfortsatzes seine Selbständigkeit. Der Processus mamillaris (20) ist an den Lendenwirbeln dem Processus articularis cranialis aufgelagert (Processus mamilloarticularis) und verlagert sich am Übergang zur Brustwirbelsäule ebenfalls auf den Transversalfortsatz, und zwar auf dessen Kranialkontur. Processus haemales (21) sind ab dem 4. Schwanzwirbel ausgebildet und werden kaudal allmählich undeutlicher. Am 4. bis 7. (8.) Schwanzwirbel können sie zum Arcus haemalis (22) geschlossen sein.

Die dorsal offenen Spatia interarcualia sind als Spatium lumbosacrale (23) und sacrococcygeum (24) besonders weiträumig und für die Epiduralanästhesie bedeutsam. Das Spatium atlantooccipitale eignet sich für die Punktion des Subarachnoidalraumes, um Liquor cerebrospinalis zu entnehmen.

Besonderheiten: Der 1. Halswirbel (Atlas —25) trägt einen breitflächigen Processus lateralis (26), der auch Atlasflügel (Ala atlantis) genannt wird. Die Incisura alaris (27, For. alare anderer Haussäugetiere) liegt kranial am Ansatz des Atlasflügels und wird vom Ventralast des ersten Halsnerven ausgefüllt. Der erste Halsnerv tritt im Gegensatz zu den übrigen Spinalnerven nicht durch ein For. intervertebrale, sondern durch das For. vertebrale laterale (28). Der Atlas besitzt außer einem Arcus vertebrae resp. — dorsalis (29) als einziger Wirbel anstelle eines Corpus einen Arcus ventralis (30). Diese Benennung ist durch die Verlagerung des Großteils der embryonalen Anlage des Wirbelkörpers auf den Dens axis gerechtfertigt. Der 2. Halswirbel (Axis —31) enthält deshalb in seinem Dens (32) das verlagerte Corpus atlantis. Der letzte Halswirbel unterscheidet sich von den übrigen Halswirbeln durch seinen langen Processus spinosus, seine Fovea costalis caudalis für die erste Rippe und durch das Fehlen des For. transversarium.

Kreuzbein

Das Kreuzbein (Os sacrum) ist das Verschmelzungsprodukt der drei Sakralwirbel. Es trägt lateral die Ala sacralis (33), deren Facies auricularis (34) mit der gleichnamigen und spiegelbildlich gleichgeformten ohrförmigen Fläche des Darmbeines das straffe Kreuzdarmbeingelenk bildet. Die Crista sacralis mediana (35) entsteht durch unvollständige Verschmelzung der Spinalfortsätze. Die Lateralenden der verschmolzenen Lateralfortsätze formen die Crista sacralis lateralis (36). Die Crista sacralis intermedia (37) entsteht durch Hintereinanderreihung der Processus mamilloarticulares. Das Promontorium (38) ist die kranioventrale Kontur des Kreuzbeines und beteiligt sich an der Begrenzung der Beckeneingangslinie. Aus dem Wirbelkanal treten die Sakralnerven in die Foramina intervertebralia ein und verlassen die Wirbelsäule nach Aufteilung in Dorsal- und Ventraläste über die Forr. sacralia dorsalia (39) resp. — ventralia (40).

3.1.2 Rippen

Von den 13 Rippen (Costae) sind die 1. bis 9. Rippe als Tragerippen (Costae sternales —41) mit dem Brustbein gelenkig verbunden. Die Rippen 10 bis 12 sind frei bewegliche Atmungsrippen (Costae asternales —42). Durch Aneinanderlagerung ihrer Knorpelanteile entsteht auf beiden Körperseiten ein Arcus costalis, an dessen Bildung die letzte Rippe in der Regel nicht beteiligt ist. Sie endet als Fleischrippe (Costa fluctuans —43) frei in der Körperwand. Rippen, Brustbein und Brustwirbelsäule bilden gemeinsam den Brustkorb (Thorax) mit Cavum thoracis, dessen Apertura thoracis cranialis vom ersten Rippenpaar und dessen Apertura thoracis caudalis vom Rippenbogen begrenzt wird.

 

Columna vertebralis et Skeleton thoracis

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Der dorsale Rippenanteil ist knöchern (Os costale44). Sein Caput costae (45) trägt kranial und kaudal je eine Facies articularis capitis costae (46). Beide Gelenkflächen sind durch eine rauhe Leiste abgegrenzt, die an den meisten Rippen mit dem Lig. intercapitale und somit indirekt mit der Zwischenwirbelscheibe in Verbindung steht. Ein undeutliches Collum costae (47) ist das Verbindungsstück zum Corpus costae (48). Das proximodorsal gelegene Tuberculum costae (49) trägt eine Facies articularis tuberculi costae (50) zur Artikulation mit der Fovea costalis processus transversi. Der Rippenwinkel (Angulus costae —51) ist nur undeutlich erkennbar. Der Rippenknorpel (Cartilago costalis52) beginnt in der Rippenfuge und besitzt wenig distal davon das Rippenknie (Genu costae53), das bei anderen Haussäugetieren im Bereich der Rippenfuge liegt.

3.1.3 Brustbein

Das Brustbein (Sternum) besteht aus Manubrium sterni (54), Corpus sterni (55) mit seinen sechs Sternebrae (56) und dem Processus xiphoideus (57), der kaudal knorpelig endet. Das erste Rippenpaar artikuliert am Manubrium sterni, das zweite an der Grenz-Brustbeinfuge zum Körper, das dritte bis siebente an den folgenden Brustbeinfugen des Körpers und das achte und neunte gemeinsam an der Grenz- Brustbeinfuge zum Xiphosternum.

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Wirbelsäule ist ein wesentliches Element der parabolischen Bogensehnenbrückenkonstruktion, die dem Rumpf zwischen den Schulter- und Beckengliedmaßen die Tragfähigkeit verleiht. Gleichzeitig besitzt diese Konstruktion eine hohe Beweglichkeit, die auf der Summe der kleinen Bewegungsspielräume zwischen den Einzelwirbeln beruht. Die Dynamik, die die S-förmige Krümmung der Wirbelsäule dem Körperstamm verleiht, zeigt sich insbesondere im Sprunggalopp der Rennhunde, der den Huftieren mit ihrer wesentlich gestreckteren Wirbelsäule nicht möglich ist.

Die Anzahl der einzelnen Wirbelkörper kann variieren, Abweichungen von der Norm sind in der Regel klinisch bedeutungslos. An den Übergängen der einzelnen Abschnitte (vor allem thorakolumbal und lumbosakral) können die Wirbelkörper auch Merkmale beider Abschnitte aufweisen (sogenannte Übergangswirbel). Häufig sind diese Merkmale nur einseitig ausgebildet und führen zu einer Asymmetrie (Abb. 3.1–5a/b), wie z. B. einseitig angelegte Rippen oder Transversalfortsätze. Lumbosakrale Übergangswirbel können mit anderen Veränderungen wie Cauda-equina-Syndrom und Hüftgelenksdysplasie einhergehen.

Anomalien der Schwanzwirbelsäule treten in vielfältiger Form auf und sind bei einzelnen Rassen züchterisch erwünscht (z. B. Französische Bulldogge, Mops). Die konsequente Zucht auf Schwanzlosigkeit ist verbunden mit einer Häufung anderer Wirbelmissbildungen wie der Spina bifida und deshalb aus tierschützerischer Sicht als Qualzucht abzulehnen.

(2)_____ Die Wirbel-Terminologie leitet sich im anatomischen Sprachgebrauch vom lateinischen „Vertebra“ und im klinischen Sprachgebrauch vom griechischen „spondylos“ ab.

(3)_____ Block- und Keilwirbel (Hemivertebrae) sind Formen der Verschmelzung einzelner Wirbelkörper oder ganzer Wirbel, die auf einer Hemmungsmissbildung beruhen und besonders häufig bei kurzschädeligen (brachyzephalen) Hunderassen auftreten. Sie können eine Deformation sowie seitliche (Skoliose), ventrale (Kyphose) oder dorsale (Lordose, Abb. 3.1–3) Verkrümmungen der Wirbelsäule verursachen und durch Verengung des Wirbelkanals Lähmungserscheinungen hervorrufen.

Missbildungen der Wirbelkörper werden häufiger bei Bulldoggen und anderen brachyzephalen Hunden gesehen. Oft treten sie auch gleichzeitig mit anderen Missbildungen wie einer Spina bifida (fehlender Schluss der Dorsalwirbelfortsätze, meist in der Lumbalregion) auf. Klinisch relevant werden diese Veränderungen, wenn sie primär oder sekundär durch Bandscheibendegenerationen und Herniation zu einer Kompression des Rückenmarks führen.

Chronisch deformierende knöcherne Zubildungen (Osteophyten) der Wirbelkörper und -gelenke (Spondylosis deformans) sind ein häufiger röntgenologischer Zufallsbefund bei älteren Hunden. Insbesondere beim Boxer können diese erhebliche Ausmaße annehmen und die Lendenwirbel vollständig miteinander verbinden (Spondylarthrosis ancylopoetica, Abb. 3.1–1). Klinische Symptome treten in den (selteneren) Fällen auf, in denen der normalerweise ventral ablaufende Prozess die Spinalnerven an ihrem Austritt aus den Foramina intervertebralia komprimiert.

(4)_____ Der Wirbelkanal (Canalis vertebralis) schützt das empfindliche Rückenmark vor äußeren Einwirkungen. Ein angeborener partiell offener Wirbelkanal geht in der Regel mit klinischen Symptomen (Lähmungserscheinungen, Harn- und Kotinkontinenz) einher. Diese Anomalie beruht auf einer Hemmungsmissbildung des Neuralrohres und wird als Spina bifida (Rachischisis) bezeichnet. Betroffen sind meist Lenden- oder Kreuzwirbel, seltener der Hals- oder Brustbereich. Bei der Spina bifida aperta liegen die Rückenmarkshäute offen an der Oberfläche, während die äußere Haut bei der Spina bifida occulta geschlossen ist und den Defekt verdeckt. Die Einengung des Wirbelkanals ist eine häufige Ursache für Funktionsstörungen des Rückenmarkes. Sie kann auf Diskopathien (s. Kap. 3.2 image (3)), Wirbelgelenksdeformationen, -subluxationen oder -luxationen (s. Kap. 3.2 image (1) und image (2)), Wirbelmissbildungen (s. image (3)), seltener auf Tumoren (Abb. 3.1–2), Hämatomen etc. beruhen. Eine angeborene Instabilität der kaudalen Halswirbel (kaudale zervikale Spondylomyelopathie oder Wobbler-Syndrom) tritt besonders bei großwüchsigen Hunden auf (Rassedisposition Dobermann, Dogge) und führt zur röntgenologisch sichtbaren Verkürzung des Zwischenwirbelraumes und zur Einengung des Canalis vertebralis (Abb. 3.1–4). Folge ist die chronische Kompression des Rückenmarkes mit typischen neurologischen Ausfallserscheinungen. Als „Tipping“ wird eine Verschiebung der kraniodorsalen Abschnitte eines Wirbelköpers in den Wirbelkanal bezeichnet. Meist ist der 6., seltener der 7. Halswirbel betroffen. Als prädisponierender Faktor wird eine Instabilität des Wirbels in Folge einer chronischen Bandscheibendegeneration angenommen.

 

 

 

 

 

(5)_____ Eine Resektion oder Teilresektion des Wirbelbogens (Laminektomie, Hemilaminektomie) sind die am häufigsten verwendeten Methoden zur chirurgischen Druckentlastung des Rückenmarkes bei Einengung des Wirbelkanals im thorakolumbalen Bereich.

3.2 Gelenke der Wirbelsäule und des Brustkorbs, 1. und 2. Kopfgelenk

3.2.1 Gelenke

 

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Juncturae (Articulationes) columnae vertebralis et thoracis

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3.2.2 Bänder der Wirbelsäule

Drei Bänder erstrecken sich über längere Bereiche der Wirbelsäule. Kurze Bänder überbrücken Räume zwischen einzelnen Wirbeln.

Das Ligamentum longitudinale ventrale (39.J) heftet sich ventral an den Wirbelkörpern und an der Ventralkontur der Zwischenwirbelscheibe an. Es reicht vom 7. Brustwirbel bis zum Os sacrum.

Das Ligamentum longitudinale dorsale (39.A) liegt am Boden des Wirbelkanals und heftet sich an der Dorsalkontur der Zwischenwirbelscheibe an. Es reicht vom 2. Halswirbel bis zu den ersten Schwanzwirbeln.

Das Lig. nuchae (s. auch Kap. 3.3.2) besteht beim Hund nur aus dem paarigen elastischen Nackenstrang (Funiculus nuchae). Es überspannt vom Kaudalende des Axiskamms an die Halswirbelsäule und reicht bis zum Dornfortsatz des 1. Brustwirbels. Hier geht es unter Verlust der Elastizität in das Rückenband (Lig. supraspinale) über, das sich an alle Dornfortsätze der Wirbel anheftet und bis zum 3. Kreuzwirbel zieht.

Die Ligg. flava erstrecken sich als kurze elastische Bänder von Wirbelbogen zu Wirbelbogen und verschließen die Spatia interarcualia.

Ligg. interspinalia fehlen. Zwischen den Dornfortsätzen befindet sich der M. interspinalis.

Ligg. intertransversaria sind nur an der Lendenwirbelsäule ausgebildet.

3.2.3 Bänder der Kopf- und Brustkorbgelenke

Am 1. Kopfgelenk verstärkt die elastische Membrana atlantooccipitalis dorsalis die Gelenkkapsel und überspannt das Spatium atlantooccipitale (Zugang zur subarachnoidalen Cisterna cerebellomedullaris zur Gewinnung von Liquor cerebrospinalis für diagnostische Zwecke). Eine ventrale Verstärkung der Gelenkkapsel ist die Membrana atlantooccipitalis ventralis. Das Lig. laterale ist eine seitliche Verstärkung der Gelenkkapsel. image (1)

Am 2. Kopfgelenk wird der Dens axis durch die Ligg. apicis dentis, transversum atlantis und alare am Grund des Wirbelkanals und am Hinterhauptsbein fixiert. Das Lig. transversum atlantis wird von einem Schleimbeutel unterlagert und ist zu beiden Seiten des Atlas befestigt. Bei einer Ruptur dieser Bänder oder einer Fraktur des Dens axis infolge von Verkehrsunfällen oder Strangulationen kommt es zur Rückenmarksverletzung mit Querschnittslähmung und Todesfolge. Die elastische Membrana atlantoaxialis dorsalis ist eine dorsale Verstärkung der Gelenkskapsel.

Den Gelenken zwischen den Gelenkfortsätzen fehlen Gelenkbänder. Die Gelenkkapsel ist je nach Bewegungsspielraum eng anliegend oder weiter und beeinflusst die Bewegungsrichtung, die in erster Linie von der Stellung der Gelenkflächen abhängt.

Am Rippenkopfgelenk verbindet das Lig. capitis costae intraarticulare die Rippenköpfe beider Seiten und überlagert dabei die Zwischenwirbelscheibe, daher wird es auch Lig. intercapitale genannt. Es fehlt am ersten und an den beiden letzten Rippenpaaren. Als Verstärkung der Gelenkkapsel kommt das Lig. capitis costae radiatum vor. Am Rippenhöckergelenk wird die Gelenkkapsel durch das Lig. costotransversarium verstärkt.

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Eine Instabilität der Art. atlantoaxialis, die atlantoaxiale Subluxation (Abb. 3.2–3/–4), ermöglicht eine übermäßige Beugung des 2. Kopfgelenkes, die zur Kompression des Rückenmarks und neurologischen Ausfallserscheinungen führt. Sie tritt angeboren insbesondere bei Zwergrassen auf und beruht dann auf einer Hypoplasie oder Aplasie des Dens axis. Sie kann aber auch durch ein Trauma mit Fraktur des Dens axis (Genickbruch) oder Zerreißung der Gelenkbänder verursacht sein.

(2)_____ Veränderungen im Bereich der Art. lumbosacralis (Abb. 3.2–2) verursachen das Cauda-equina-Kompressionssyndrom, das mit Schmerzen, Lahmheit, Ataxie und Parese der Beckengliedmaßen sowie Harn- und Kotinkontinenz verbunden sein kann. Häufigste Ursachen sind degenerative Veränderungen an vL7 und vS1 (Spondylosen, Abb. 3.2–5 und Kap. 3.1 image (3)), Diskushernien (s. image (3)) und eine Proliferation im Ligamentum flavum, die zur dorso-ventralen Stenose des Wirbelkanals führen.

(3)_____ Die Zwischenwirbelscheiben unterliegen altersabhängigen Umbauvorgängen, die bei chondrodystrophen Rassen bereits in den ersten Lebensjahren schnell voranschreiten. Der Nucleus pulposus und die inneren Bindegewebslamellen des Anulus fibrosus werden zunehmend durch Knorpelgewebe ersetzt (chondroide Metaplasie). Die Ernährung erfolgt über Diffusion von peripheren Gefäßen, Störungen führen zu degenerativen Veränderungen und dystrophischen Verkalkungen, die röntgenologisch darstellbar sind. Der umgebaute Nucleus pulposus ist nicht mehr in der Lage, axiale Kompressionskräfte aufzufangen und abzuleiten. Die resultierende Überlastung der Fasern des Anulus fibrosus hat ihre Überdehnung mit dorsaler Vorwölbung oder ihre dorsale Zerreißung mit Vorfall des Nucleus pulposus in den Wirbelkanal zur Folge.

Eine Bandscheibenvorwölbung (Diskusprolaps) führt zur Kompression des Rückenmarks und/oder der Spinalnervenwurzeln und verursacht starke Rückenschmerzen, sowie gering- bis mittelgradige Ataxien und Paresen („Teckellähme“). Der hyperplastisch degenerierte Anulus fibrosus wölbt das Lig. longitudinale dorsale dorsal und übt so einen Druck auf die Dura mater aus. Die hierdurch hervorgerufene Rückenmarkskompression ist meist dynamisch d. h. der Grad der Kompression ist abhängig von der Stellung der Wirbelsäule und ändert sich bei Beugung und Streckung.

Ein Bandscheibenvorfall (Diskushernie, Abb. 3.2–6) führt zur hochgradigen Schädigung des Rückenmarks mit entsprechend schweren neurologischen Ausfallserscheinungen. Häufigste Lokalisation von Diskopathien sind der thorakolumbale Übergangsbereich (Abb. 3.2–1) von vT11 bis vL2, gefolgt von der Halswirbelsäule zwischen vC2 und vC7. Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Brustwirbel vT1–10 ist durch das hier ausgebildete Lig. intercapitale seltener. Das Lig. longitudinale dorsale verhindert meist eine direkte dorsale Vorwölbung oder Herniation der Zwischenwirbelscheibe und lenkt den vordrängenden Nucleus pulposus lateral ab.

Bei Bandscheibenvorfällen mit schweren neurologischen Symptomen ist eine chirurgische Dekompression des Rückenmarks durch Eröffnung des Wirbelkanals mit Entfernung des vorgefallenen Materials notwendig. Im Bereich der thorakolumbalen Wirbelsäule erfolgt dies vorzugsweise durch eine dorsale Hemilaminektomie (s. Kap. 3.1 image (5)). Zur Druckentlastung des Halsmarks wird den Wirbelkörpern kranial und kaudal der betroffenen Bandscheibe ventromedian ein Spalt („Ventral Slot“) herausgefräst, der jeweils ein Drittel der Wirbellänge bzw. -breite misst. Die Entfernung des vorgefallenen Materials über eine ventrale Fenestration des Anulus fibrosus ist ebenfalls möglich, führt aber nicht immer zu einer ausreichenden Druckentlastung des Halsmarks.

 

 

 

 

 

 

 

3.3 Wirbelsäulenmuskeln und Nackenband

3.3.1 Wirbelsäulenmuskeln

Die Wirbelsäulenmuskeln werden in eine dorsale und eine ventrale Muskelgruppe sowie die dorsalen Kopfbeweger unterteilt.

Die dorsalen Wirbelsäulenmuskeln (Nr. I–X) fungieren alle als Aufrichter und Seitwärtsbeweger der Wirbelsäule. Die Innervation aller dorsalen Wirbelsäulenmuskeln und der dorsalen Kopfbeweger (Nr. XIV–XVII) erfolgt durch Rr. dorsales der Spinalnerven.

Die ventralen Wirbelsäulenmuskeln (Nr. XI–XIII) fungieren als Abund Seitwärtsbieger der Halswirbelsäule. Die Innervation aller ventralen Wirbelsäulenmuskeln erfolgt durch Rr. ventrales der segmentalen Spinalnerven.

Die ventral an der Lendenwirbelsäule gelegenen Mm. quadratus lumborum, psoas major und psoas minor gehören zur Gruppe der inneren Lendenmuskeln und werden in Kap. 5.7.3 abgehandelt.

Musculi columnae vertebralis

Dorsale (autochthone) Wirbelsäulenmuskeln

I. M. splenius

II. M. iliocostalis

III. M. longissimus

IV. M. semispinalis capitis

V. M. spinalis et semispinalis cervicis et thoracis

VI. Mm. multifidi

VII. M. sacrococcygeus (-caud.) dors. med.

VIII. M. sacrococcygeus (-caud.) dors. lat.

IX. Mm. interspinales

X. Mm. intertransversarii

Ventrale Wirbelsäulenmuskeln

XI. Mm. scaleni

XII. M. longus capitis

XIII. M. longus colli

Dorsale Kopfbeweger

XIV. M. rectus capitis dors. major

XV. M. rectus capitis dors. minor

XVI. M. obliquus capitis caud.

XVII. M. obliquus capitis cran.

Der in der Halsmitte durchschnittene M. splenius (1) reicht von den Dornfortsätzen der ersten drei Brustwirbel bis zur Crista nuchae des Schädels.

Der M. iliocostalis entspringt am Darmbeinflügel und endet an den Lendenwirbelquerfortsätzen (M. iliocostalis lumborum —24), an den Rippenwinkeln sowie an den Querfortsätzen der letzten beiden Halswirbel (M. iliocostalis thoracis —17).

Der M. longissimus liegt bei gleicher kaudaler Reichweite medial neben dem M. iliocostalis und gliedert sich in die Mm. longissimus lumborum (23), — thoracis (16), — cervicis (12) und — capitis (2), die entsprechend ihrer Reichweite an den Lendenwirbelquerfortsätzen resp. Rippenhöckerchen resp. Halswirbelquerfortsätzen resp. am Warzenfortsatz des Schädels inserieren.

Der M. semispinalis capitis liegt im Halsbereich dorsal vom M. longissimus und besteht aus einem dorsalen M. biventer cervicis (4) mit schrägverlaufenden Zwischensehnen und einem ventralen M. complexus (3), die beide von der Brust-Hals-Grenze bis zum Schädel reichen.

Der M. spinalis et semispinalis cervicis et thoracis (15) liegt medial neben dem M. longissimus und verkehrt zwischen zweitem Hals- und elftem Brustwirbel.

Die Mm. multifidi (mehrfachgefiedert) reichen vom Axis bis zum Kreuzbein. Der M. multifidus cervicis (10) liegt in der kaudalen Halshälfte tief unter dem M. complexus und wird an seiner Ventrolateralkontur von Dorsalästen der Halsnerven überquert. Der M. multifidus thoracis liegt tief, der M. multifidus lumborum (26) oberflächlich neben den Lendenwirbel-Dornfortsätzen.

Der M. sacrococcygeus (-caudalis) dorsalis medialis (27) setzt in Höhe des siebten Lendenwirbels bei annähernd kaudalem Faserverlauf den schräg gefiederten M. multifidus fort.

Der M. sacrococcygeus (-caudalis) dorsalis lateralis (25) beginnt spitz am vierten Lendenwirbel und zieht als kaudomediale Fortsetzung des M. longissimus mit einer kräftigen Endsehne zum Schwanz.

Die Mm. interspinales liegen tief zwischen den Dornfortsätzen.

Die Mm. intertransversarii (8) liegen am Hals oberflächlich und im Brust- sowie Lendenbereich in der Tiefe an der Wirbelsäule. Die Mm. intertransversarii cervicis befinden sich ventral der Insertionslinie des M. longissimus cervicis.

Die Mm. scaleni ziehen vom vierten oder fünften Halswirbel zur achten (M. scalenus dorsalis —14) resp. zur ersten Rippe (M. scalenus medius —13). Der M. scalenus ventralis fehlt beim Hund.

Der ventromedial benachbarte M. longus capitis (9) liegt ventrolateral an den Halswirbeln und erstreckt sich vom sechsten Halswirbel zum Tuberculum musculare des Hinterhauptsbeins.

Der zopfförmige M. longus colli image (1) befindet sich ventromedial an Hals- und Brustwirbelsäule und reicht vom ersten Hals- bis zum sechsten Brustwirbel.

Der M. rectus capitis dorsalis major (6) ist die Kranialfortsetzung des Lig. nuchae. Er überlagert zwischen Axiskamm und Hinterhauptsbein den M. rectus capitis dorsalis minor.

Der M. obliquus capitis caudalis (7) ist die schräge Kranialfortsetzung des Nackenbandes bis zur Ala atlantis.

Der M. obliquus capitis cranialis (5) zieht vom Atlasflügel zum Hinterhauptsbein.

3.3.2 Nackenband

Das Nackenband (Lig. nuchae —11) liegt dorsomedian über den Dornfortsätzen der Halswirbel und verbindet die Spinalfortsätze des zweiten Hals- und ersten Brustwirbels, wo es kaudal in das Lig. supraspinale übergeht. Die gelbe Farbe des paarig ausgebildeten Nackenbandes ist ein Ausdruck seines überwiegenden Anteils an elastischen Fasern. Eine Nackenplatte fehlt dem Hund.

 

Musculi cervicis et thoracis

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3.4 Atmungsmuskeln

Die Atmungsmuskeln liegen am Thorax und werden auch Musculi thoracis genannt. Sie werden nach funktionellen Gesichtspunkten in Exspiratoren und Inspiratoren unterteilt. image (2)

Der Hauptatmungsmuskel (Diaphragma) und die übrigen obligaten Atmungsmuskeln werden funktionell von Hilfsatmungsmuskeln unterstützt, die zu anderen Muskelgruppen (z. B. Wirbelsäulenmuskeln) gehören und sich an der Atmung beteiligen. Die Mm. scalenus und serratus ventralis sind Hilfsinspiratoren, der M. iliocostalis sowie die Mm. abdominis sind Hilfsexspiratoren. (Der M. scalenus wird jedoch von einigen Autoren als obligater Atmungsmuskel geführt). Die obligaten Atmungsmuskeln können unter Berücksichtigung ihrer Lagebeziehungen zum Thorax in äußere, mittlere und innere Atmungsmuskeln eingeteilt werden.

Die Innervation des Zwerchfells (Diaphragma) erfolgt durch den N. phrenicus, die der übrigen Atmungsmuskeln durch die Nn. intercostales.

 

ExspiratorenLage Inspiratoren
M. serratus dorsalis caudalis äußere Atmungsmuskeln M. serratus dorsalis cranialis M. rectus thoracis
Mm. intercostales interni inkl. Mm. subcostales und retractor costae mittlere Atmungsmuskeln Mm. intercostales externi inkl. Mm. levatores costarum
M. transversus thoracis innere Atmungsmuskeln Diaphragma

3.4.1 Exspiratoren

Die Exspiratoren haben einen kranioventralen Faserverlauf und inserieren am Kaudalrand der Rippen. Sie ziehen diese nach innen und kaudal, wodurch die Brustkorbhöhle eingeengt wird.

Der M. serratus dorsalis caudalis (2) entspringt an der Fascia thoracolumbalis und zieht bei kranioventralem Faserverlauf an den Kaudalrand der letzten drei Rippen.

Die Mm. intercostales interni (5) liegen dorsal der Rippenfugen unter den äußeren Zwischenrippenmuskeln. Im Spalt zwischen den Rippenknorpeln kommen sie unter dem M. rectus abdominis zum Vorschein. Zum System der inneren Zwischenrippenmuskeln gehören auch die Mm. subcostales, die als längere Muskelanteile die Medialfläche einer Rippe überspringen und zur übernächsten Rippe ziehen, sowie der M. retractor costae (34), der von den Transversalfortsätzen der ersten drei Lendenwirbel zum Kaudalrand der letzten Rippe zieht.

Der M. transversus thoracis (13) ist kranial vom Zwerchfell die Fortsetzung des M. transversus abdominis. Er entspringt an der Innenfläche des Sternums und reicht mit seinen Insertionszacken an die Medialflächen der Rippenknie.

3.4.2 Inspiratoren

Die Inspiratoren sind durch eine kaudoventrale Muskelfaserverlaufsrichtung gekennzeichnet. Sie inserieren am Kranialrand der Rippen und ziehen diese nach außen und kranial, wodurch die Brustkorbhöhle erweitert wird.

Der M. serratus dorsalis cranialis (3) entspringt am Lig. supraspinale über den ersten acht Brustwirbeldornfortsätzen und endet mit sieben bis neun Fleischzacken am Kranialrand der Rippen drei bis zehn.

Der M. rectus thoracis (6) setzt in Höhe des vierten Rippenknorpels den M. rectus abdominis kranial fort und zieht schräg über dessen Ursprungsaponeurose zur ersten Rippe.

Die Mm. intercostales externi (4) liegen vornehmlich zwischen den knöchernen Teilen der Rippen und ziehen bis zu den Rippenfugen etwa zur Höhe des Lateralrandes des M. rectus abdominis. Ventral der Rippenfugen liegen nur spärliche Muskelfaserbündel. Zum System der äußeren Zwischenrippenmuskeln können als deren vertebrale Anteile auch die Mm. levatores costarum (1) gerechnet werden. Die Mm. levatores costarum ziehen bei annähernd gleicher Faserverlaufsrichtung vom Processus transversus der Brustwirbel über den Rippenwinkel proximal zum Kranialrand der nachfolgenden Rippe. Dabei werden die Mm. levatores costarum weitgehend von den Mm. iliocostalis und serratus dorsalis caudalis bedeckt.

Das Diaphragma ist das sehnig-muskulöse Septum zwischen Brust- und Bauchhöhle image (3) und ragt mit seiner zentralen sehnigen Zwerchfellkuppel weit in die Brusthöhle vor. Es wirkt als Hauptinspirator, da bei seiner Kontraktion die Zwerchfellkuppel seitlich abgeflacht wird, während der Scheitel der Zwerchfellkuppel am Durchtritt der V. cava caudalis fixiert ist und bei der Atembewegung weitgehend lagekonstant bleibt image (4). Das Zwerchfell ist in einen peripheren muskulösen und einen zentral gelegenen sehnigen Anteil untergliedert. Der periphere muskulöse Anteil des Zwerchfells besteht aus der Pars sternalis (15) mit Brustbeininsertion, der Pars costalis (12) mit Insertion an den Rippen neun bis dreizehn und einer Pars lumbalis mit Insertion ihrer Crura am dritten und vierten Lendenwirbel. Das schwächere Crus sinistrum (8) und das stärkere Crus dextrum (7) begrenzen mit ihren freien Medialrändern den Hiatus aorticus (9) für den Duchtritt der Aorta samt Ductus thoracicus und V. azygos dextra. Mit ihren freien Laterodorsalrändern bilden sie den Arcus lumbocostalis, über den der Truncus sympathicus und der abzweigende N. splanchnicus major hinwegziehen. Der Hiatus oesophageus (10) liegt leicht links im muskulösen Grenzbereich zum Centrum tendineum und ist der Durchlassschlitz für den Oesophagus mit begleitenden dorsalen und ventralen Stämmen des N. vagus. Das Centrum tendineum (14) ist V-förmig und weist rechts im Bereich der Zwerchfellskuppel das For. venae cavae (11) für den Durchtritt der hinteren Hohlvene auf, die vom rechten Zwerchfellsnerven begleitet wird. Im For. venae cavae ist die V. cava caud. fest und unverschieblich verankert. Die Innervation erfolgt durch den N. phrenicus (11), der mit drei Wurzeln vom fünften bis siebten Halsnerven abzweigt und in Höhe der Vorkammer-Kammer-Grenze über das Herz zieht. Anschließend gelangen der rechte Zwerchfellnerv im Hohlvenengekröse (61.n) und der linke Zwerchfellnerv in einer kurzen Falte des Mediastinums (69.y) zum Diaphragma.

 

Musculi thoracis (Facies sinistra)

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Linker und rechter M. longus colli werden, um einen Zugang von ventral an die Bandscheiben der Halswirbelsäule zu schaffen, nach Inzision der tiefen Halsfaszie in der Medianen stumpf voneinander getrennt (Abb. 3.4–1).

(2)_____ Die Inspiratoren sind kräftiger entwickelt als die Exspiratoren, da die Inspiration immer ein aktiver Vorgang ist. Die Exspiration hingegen erfolgt weitgehend passiv durch Zug der elastischen Elemente der Lunge, die während der Inspiration gedehnt wurden. Nur bei forcierter Atmung oder erschwerter Ausatmung (exspiratorische Dyspnoe) werden die Exspiratoren einschließlich der Bauchmuskulatur als Hilfsexspiratoren verstärkt eingesetzt. Eine Atmung mit vermehrter Ausdehnung des Brustkorbes wird als kostaler Atmungstyp bezeichnet, während beim abdominalen Atmungstyp hauptsächlich das Zwerchfell eingesetzt wird. Beim Hund überwiegt physiologischerweise die kostale Atmung.

Die Eigenelastizität der Brustwand bewirkt zusätzlich eine Rückstellung der Brustwand, sowohl aus der Expirations- als auch aus der Inspirationsstellung, und hat insbesondere eine Bedeutung bei der passiven Ausatmung. Unter paradoxen Atembewegungen versteht man ein Einsinken der Brustwand bei Inspiration und eine Auswärtsbewegung bei Expiration. Ist die ganze Brustwand betroffen, ist die Lähmung der Muskulatur der betroffenen Brustwand die häufigste Ursache. Die vom Zwerchfell bei Ein- und Ausatmung bewirkten Volumenveränderungen in der Brusthöhle bewirken passiv die Bewegungen der Brustwand. Paradoxe Atembewegungen müssen nicht die ganze Brustwand betreffen sondern ggf. nur Teilabschnitte. Multiple Rippenfrakturen in Folge eines Traumas sind hier die häufigste Ursache. Seltener kann die Ursache auch in einer angeborenen Anomalie wie einem Pectus excavatum (Trichterbrust) liegen. Hierbei sind die kaudalen Abschnitte des Brustbeins und die Rippenknorpel trichterförmig eingezogen. Betroffen sind insbesondere brachyzephale Rassen. Erkrankte Welpen werden meist im Alter zwischen erstem und drittem Lebensmonat klinisch auffällig und zeigen Atemnot, sind in der körperlichen Entwicklung zurückgeblieben und anfällig für Atemwegsinfekte.

 

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Abb. 3.4–1: Mm. columnae vertebralis (Pars cervicalis et thoracica).

 

(3)_____ Zwerchfellhernien können angeboren oder traumatisch erworben sein und gehen mit einer Verlagerung von Baucheingeweiden wie Leber, Magen und Dünndarm in die Pleurahöhle einher (Abb. 3.4–2/–3), wodurch die Entfaltung der Lunge bei der Inspiration mehr oder weniger stark beeinträchtigt wird. Durch den inspiratorischen Unterdruck werden die Bauchhöhlenorgane gewissermaßen in die Brustfellhöhle hineingesaugt. Bei angeborenen Zwerchfellhernien liegen meistens eine vorgeformte Bruchpforte, nämlich der Hiatus oesophageus und ein vorgeformter Bruchsack, nämlich das gedehnte Cavum mediastini serosum (Sussdorfscher Raum) vor.

In seltenen Fällen liegt eine spezielle Variante der angeborenen Zwerchfellhernie vor, die auf einem unvollständigen, kongenitalen Verschluss der ventralen Zwerchfellinsertionsabschnitte mit der Thoraxwand beruht. Sofern auch der Herzbeutel unverschlossen ist, kann der Bruchinhalt sogar in diesen hineingelangen.

Die traumatisch erworbene Zwerchfellhernie (Zwerchfellruptur) geht mit Zusammenhangstrennungen besonders in muskulösen Zwerchfellanteilen einher und weist weder eine vorgeformte Bruchpforte noch einen Bruchsack. auf. Sie verursacht schwerwiegende klinische Erscheinungen mit hochgradiger Atemnot, denn anfangs werden durch den noch vorhandenen pleuralen Unterdruck Bauchhöhlenorgane in die Brusthöhle hineingesogen. Nach erfolgtem Druckausgleich zwischen Brust- und Bauchhöhle liegen Pneumothorax-Verhältnisse vor.

(4)_____ Die kaudokranial gerichtete Bewegungsaktivität der verschiedenen Zwerchfellanteile im Atemrhythmus ist sehr unterschiedlich. Sie ist am höchsten in den abfallenden Seitenteilen der Zwerchfellkuppel und am geringsten an der Zwerchfell-Insertionslinie am Thorax. Das Zentrum der Zwerchfellkuppel wird nur wenig verlagert, denn das hier gelegene Foramen venae cavae ist fest mit der hindurchtretenden hinteren Hohlvene verbunden. Bei der Inspiration flachen die Seitenteile der Zwerchfellkuppel ab, wodurch sich die Pleurasäcke mit enthaltenen Lungenflügeln entfalten und die Atemluft ansaugen. Für die Exspiration sind die elastischen Fasern in der Umgebung der Lungenbläschen ausschlaggebend. Die Muskelkontraktion der Exspiratoren wirkt bei forcierter Atmung unterstützend.

Die Interaktion zwischen Bauchmuskeln, Diaphragma und Kehlkopf bewirkt je nach Zwerchfellaktion unterschiedliche Körperfunktionen:

1. Bei der Anspannung (Inspirationsstellung) des Zwerchfells bewirkt eine kräftige Kontraktion der Bauchmuskeln bei geschlossener Stimmritze die Bauchpresse, die unter anderem bei der Geburt, Defäkation und Erbrechen eingesetzt wird.

2. Bei der Entspannung (Exspirationsstellung) des Zwerchfells bewirkt eine kräftige Kontraktion der Bauchmuskeln in Zusammenwirkung mit anderen Exspiratoren bei geöffneter Stimmritze eine forcierte Ausatmung.

3. Dem Hustenstoß geht eine tiefe Einatmung voraus, gefolgt von einer forcierten Ausatmung, wobei die geschlossene Stimmritze des Kehlkopfes plötzlich vom Luftstrom aufgestoßen wird und ein schleimiger „Auswurf“ aus den unteren Atemwegen erfolgt.

4. Beim Niesen folgt nach tiefer Einatmung ein kurzer exspiratorischer Atemstoß, der die Stimmritze öffnet.

5. Beim Schluckauf kommt es infolge von Reizungen der Zwerchfellnerven zur kurzen Zuckung des Zwerchfells und zum plötzlichen Verschluss der Stimmritze, verbunden mit einem charakteristischen Einatmungsgeräusch.

 

 

 

3.5 Körperwand mit Präputium und Gesäuge

3.5.1 Vorhaut

Die Vorhaut (Praeputium) bedeckt die Glans penis. Der kaudale Teil, der in die behaarte Haut im Bereich des Corpus penis übergeht, ist an der ventralen Bauchwand befestigt; der kraniale, fast bis zum Nabel reichende Anteil ist ringsum frei. Das Praeputium besteht aus einer behaarten Lamina externa (7), die sich am Ostium praeputiale (1) in die unbehaarte kutane Schleimhaut der Lamina interna (8) fortsetzt. Im Fundus praeputialis (10) schlägt sich das Innenblatt – in Höhe des größten Umfanges des Bulbus glandis – in das Penisblatt (Lamina penina —9) um, das die Glans penis überzieht. Das Innenblatt und das Penisblatt weisen zahlreiche Lymphknötchen auf. Bei der Erektion des Penis wird die Vorhaut zurückgestreift und das Innenblatt der Vorhaut schlägt sich auf den Penis um, wobei Cavum praeputiale und Fundus praeputialis verlorengehen. image (1)

3.5.2 Gesäuge

Das Gesäuge (Mamma) besteht beiderseits des medianen Sulcus intermammarius in der Regel aus fünf Mammar- resp. Milchdrüsenkomplexen, und zwar aus einem kranialen und kaudalen thorakalen, kranialen und kaudalen abdominalen und einem inguinalen Mammarkomplex. Die Mammae masculinae sind an ihren unscheinbaren Papillae mammae kenntlich. Ein Mammarkomplex besteht aus dem Corpus mammae mit enthaltenen acht bis zwanzig Glandulae mammariae (meistens sind ca. zwölf Drüsen ausgebildet) und einer Zitze (Papilla mammae), die eine entsprechende Anzahl (8–20) von Drüsenmündungen (Ostia papillaria) aufweist.

Während der ca. 30-tägigen Laktationsperiode gewährleisten die Drüsenendstücke die Milchsekretion. Aus einem einzelnen embryonalen Epidermisspross entwickelt sich also eine große Drüse mit Endstücken, Milchkanälchen, Milchzisterne und Ductus papillaris. Von den Endstücken gelangt die Milch über zunächst kleinere und danach über größere Milchgänge (Ductus lactiferi —3) in die Milchzisterne (Sinus lactifer —4). Diese liegt ohne Unterteilung durch eine – für Großtiere typische – Querfalte mit ihrem überwiegenden Anteil in der Papilla mammae (Zitzenzisterne, Pars papillaris) und reicht nur mit ihrem Anfangsanteil, der die Milchgänge aufnimmt, in den Drüsenkörper (Drüsenzisterne, Pars glandularis) hinein. Zur Mündung auf der Körperoberfläche geht die Milchzisterne in einen engeren Strichkanal (Ductus papillaris —5) über, der sich im apikalen Drittel der Zitze befindet und meistens unabhängig von den benachbarten Drüsen einzeln auf der Kuppe der Zitze (Papilla mammae —2) mit einem Ostium papillare (6) endet. Erektile Blutgefäße der Zitze mit typisch dickwandigen (muskulösen) Venen sind bei der Hündin eher unterentwickelt, glatte Muskelfaserbündel umgeben die einzelnen Strichkänale zirkulär als Sphinkter papillae.

Der fasziale und muskulöse Aufhängeapparat sowie die Blut-, Lymph- und Nervenversorgung von Gesäuge und Präputium weisen zahlreiche Übereinstimmungen auf und werden deshalb gemeinsam studiert. image (2)

Lig. suspensorium mammae

Das Lig. suspensorium mammae resp. — penis (20) spaltet sich als Fortsetzung der Fascia trunci profunda in Höhe der Linea alba ab und zieht um die Mammarkomplexe resp. ins Präputium und um den Penis (als Fascia penis). Der M. supramammarius cranialis resp. praeputialis cranialis (18) entspringt in Höhe der Cartilago xiphoidea an der Linea alba und zieht an die Basis der abdominalen Mammae bzw. ins Präputium. Die kaudalen gleichnamigen Muskeln sind unscheinbar.

In der Blut-, Lymph- und Nervenversorgung gibt es ein kraniales Versorgungsgebiet für die beiden thorakalen Mammarkomplexe und den kranialen abdominalen Mammarkomplex sowie ein kaudales Versorgungsgebiet. Zu letzterem gehören der kaudale abdominale und inguinale Mammarkomplex bzw. das Präputium und die Haut im Bereich des Penis und das Scrotum. Zwischen dem kranialen und kaudalen Versorgungsgebiet können in Nabelhöhe Anastomosen vorkommen.

Blutgefäße

Die Blutgefäße des kranialen Versorgungsgebietes entstammen der A. und V. thoracica lateralis (13) für die kraniale thorakale Mamma sowie der A. und V. thoracica interna. Letztere treten mit Rr. perforantes (16) nahe der Linea alba zur Versorgung der beiden thorakalen Mammae aus der Tiefe hervor und enden mit der A. und V. epigastrica cranialis superficialis (17), die in Höhe des Rippenbogens die Brustwand durchbohren. Diese Gefäße versorgen die kraniale abdominale Mamma und anastomosieren in Nabelhöhe mit den gleichnamigen kaudalen Gefäßen.

Die Blutgefäße des kaudalen Versorgungsgebietes entstammen der A. und V. pudenda externa (26), die sich nach Passage des Leistenspaltes in Höhe der inguinalen Zitze in die Rr. labiales ventrales resp. scrotales ventrales (27) und in die A. und V. epigastrica caudalis superficialis (23) aufspalten, die ihrerseits Rr. mammarii resp. praeputiales abgeben. Die kraniale und kaudale A. und V. epigastrica superficialis sind die Hauptgefäße, die auch die Versorgung der Zitzen übernehmen. Zusätzliche Gefäße sind die Aa. und Vv. intercostales, abdominalis cranialis und circumflexa ilium profunda. Einzelne Gefäßäste (vornehmlich Venen) können die Mediane (Linea alba) überkreuzen und somit die kontralaterale Gesäugehälfte mitversorgen.

Lymphgefäße

Die Lymphgefäße des kranialen Versorgungsgebietes ziehen von den drei kranialen Mammae zum Ln. axillaris (11) und zum Ln. axillaris accessorius (12). Die Lymphgefäße des kaudalen Versorgungsgebietes drainieren die beiden kaudalen Mammae und beim Rüden das Präputium sowie die Penishaut samt Scrotum. Sie ziehen zu den Lnn. inguinales superficiales (25), die an der Basis der inguinalen Mamma liegen. Kommunikationen sollen wie bei den Blutgefäßen auch zwischen den beidseitigen Achsellymphknoten und zwischen den beidseitigen oberflächlichen Leistenlymphknoten vorkommen.

Nervenversorgung

Die sensible Nervenversorgung übernehmen kranial die Nn. intercostales und kaudal die Nn. iliohypogastricus cranialis und — caudalis, die mit Rr. cutanei laterales (15 u. 21, von der lateralen Reihe der Thorakal- und Lendenhautnerven) und mit Rr. cutanei ventrales (14 u. 22) nahe der Linea alba an das Gesäuge herantreten. Die inguinale Mamma wird außerdem vom N. genitofemoralis (24) innerviert, der durch den Leistenspalt tritt.

3.5.3 Lendenhautnerven

Sie bilden mit ihren hintereinandergereihten Durchtritten durch die skelettführende Muskelschicht eine dorsale (43.41), laterale (21) und ventrale (22) Hautnervenreihe.

 

Regio mammaria et Regio praeputialis

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3.5.4 Faszienverhältnisse

Zu den Faszienverhältnissen soll vor dem Studium der Bauchmuskeln eine Information vorangestellt werden.

Zur Fascia trunci externa gehören Fascia trunci superficialis und Fascia trunci profunda. Die Fascia trunci superficialis steht in enger Verbindung zur äußeren Haut und schließt mit zwei Blättern den Bauchhautmuskel ein. Die Fascia trunci profunda (49.19) ist innig mit der Oberfläche des äußeren schiefen Bauchmuskels verbunden. Sie wird dorsal im Lendenbereich Fascia thoracolumbalis (a) genannt und überzieht die Wirbelsäulenmuskeln zwischen den Dorn- und Querfortsätzen. Ventromedian ist die Fascia trunci profunda mit der Linea alba verlötet und spaltet hier das Lig. suspensorium mammae resp. — penis (49.20) ab. In der Leistengegend setzt sich die Fascia trunci externa (mit Fascia trunci superficialis und — profunda) am äußeren Leistenring als Fascia spermatica externa (Umhüllung aller den äußeren Leistenring durchziehenden Strukturen) fort und geht als Fascia femoralis (49.28) auf den Oberschenkel über.

Die Fascia trunci interna ist überwiegend mit der Serosa verlötet und wird abschnittsweise unterschiedlich benannt. In der Brusthöhle heißt sie Fascia endothoracica, in der Bauchhöhle Fascia transversalis sowie im Bereich der Ventralfläche der inneren Lendenmuskeln Fascia iliaca und in der Beckenhöhle Fascia pelvis. Die Fascia trunci interna, speziell die Fascia transversalis, setzt sich als Fascia spermatica interna (direkte Umhüllung des Processus vaginalis peritonaei) fort.

 

 

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Das Ostium praeputiale kann durch Narbenstriktur nach Verletzung oder angeboren verengt sein (Phimose) und verhindert dann ein Ausschachten des Penis. Die Folge können eine Harnretention und eine schwere Entzündung von Präputium und Glans penis (Balanoposthitis) sein. Eine leichte bakteriell bedingte Balanoposthitis (Präputialkatarrh) ist bei vielen Rüden chronisch ausgebildet (Abb. 3.5–1/–2).

(2)_____ Die Milchdrüse ist eine Hautdrüse, speziell eine stark modifizierte apokrine Schweißdrüse. Pränatal sprossen von der Spitze jeder Zitzenanlage zunächst mehrere solide Epidermisknospen in die Tiefe, ein Vorgang, der auch beim männlichen Geschlecht ohne erkennbaren Unterschied abläuft. Zur Zeit der Geburt liegen lumenhaltige Epithelsprosse vor.

Ein geschlechtsspezifischer Unterschied wird erst mit der Geschlechtsreife und dem ersten Östrus deutlich. Besonders durch Östrogeneinwirkung kommt es zur Verzweigung und partiellen Lumenbildung in den Epidermissprossen. Außerdem bewirkt Östrogen die Einlagerung von Fettgewebe in die Milchdrüse. Es handelt sich um Platzhalterfett, das bei der Entfaltung der Epidermissprosse zu gut entwickelten Drüsen während der Gravidität wieder verdrängt wird (Abb. 3.5–3). Bei der nichtlaktierenden Hündin sind das Drüsengewebe und das Fettgewebe so gering ausgeprägt, dass sich die Drüsenkörper nicht deutlich vorwölben und kaum voneinander abgrenzen. Während der Gravidität nehmen Sprossung, Verzweigung und Lumenbildung in der Drüse stark zu, vornehmlich induziert durch den erhöhten Östrogen-Blutspiegel. In der zweiten Hälfte der Gravidität entstehen besonders durch Progesteroneinfluss an den Enden der Milchdrüsenkanälchen zunehmend bläschenförmige Drüsenendstücke (Alveolen). Nach der Laktationsperiode wird ein Großteil des Gangsystems und besonders der Drüsenalveolen wieder zurückgebildet.

Das Milchdrüsengewebe ist in Septen der F. trunci superficialis eingebettet. Zur chirurgischen Entfernung (Mastektomie) kann sich der Operateur daher an der darunter liegenden F. trunci profunda orientieren. Nur im Bereich der inguinalen und der thorakalen Mamma treten Blutgefäße (A .und V. pudenda ext. bzw. Rami perforantes der A. und V. thoracica int.) von dorsal an das Drüsengewebe heran. Dorsal der inguinalen Mammarkomplexe ist bei der Mehrzahl der Hündinnen ein prall mit Fett angefüllter Proc. vaginalis peritonaei zu beachten. Seine Verletzung stellt eine Eröffnung der Bauchfellhöhle dar.

Indikationen für chirurgische Eingriffe sind in erster Linie bei Neoplasien (Tumoren) gegeben. Etwa die Hälfte aller Tumoren der Hündin sind Mammatumoren und davon sind etwa die Hälfte bösartige (maligne) Geschwülste. Der Lymphfluss und die regionalen Lymphknoten (Ln. axillaris und inguinalis superficialis, Abb. 3.5–4) bestimmen die lymphatischen Metastasierungswege bei bösartigen Tumoren. Abführende Lymphgefäße von den thorakalen Mammae können aber auch einen ungewöhnlichen Weg nehmen, indem sie die Brustwand durchdringen. In diesem Falle fließt die Lymphe über die Mediastinallymphknoten ab und das bedeutet eine große Gefahr für den Organismus (Metastasen in der Brusthöhle). Die Möglichkeit des direkten Abflusses der Lymphe aus den abdominalen Mammae in die Lnn. iliaci medd. wurde bei der Hündin inzwischen auch nachgewiesen. Von tumoröser Entartung sind hauptsächlich Hündinnen zwischen dem neunten und elften Lebensjahr betroffen. Rassedispositionen sind bekannt (gehäuft beim Cocker Spaniel). Der kaudale abdominale und der inguinale Mammakomplex bergen das höchste Risiko für tumoröse Entartungen. Ein hormoneller Einfluss durch Östrogen und weniger durch Progesteron ist gegeben. Der Umfang einer Mastektomie richtet sich nach dem Ergebnis einer palpatorischen Untersuchung und nach den zytologischen Befunden einer Biopsie. Vier verschiedene Operationsmethoden kommen zur Anwendung:

 

 

 

 

 

1. Kleine abgegrenzte Tumoren mit einem Durchmesser unter zwei Zentimetern können gemeinsam mit einem einen Zentimeter dicken Rand normal erscheinenden Gewebes entfernt werden.

2. Ein einziger Mammarkomplex wird gemeinsam mit dem Tumor entfernt. Dabei gelingt keine exakte Abgrenzung zum benachbarten Mammarkomplex.

3. Die Mastektomie der tumorhaltigen Mammakomplexe entweder des vorderen oder des hinteren Versorgungsgebietes (s. Kap. 3.5) einschließlich der Blut- und Lymphgefäße samt Lymphknoten. Im Hinblick auf die zu beachtende Blutflussrichtung und auf den Metastasierungsweg ist bedeutsam, dass auf der Höhe des Nabels arteriovenöse und lymphatische Anastomosen zwischen beiden Versorgungsgebieten vorkommen können.

4. Eine unilaterale oder bilaterale Mastektomie einer oder beider Milchleisten einschließlich der regionalen Lymphknoten. (Die Mediane überschreitende Lymphanastomosen sind selten.)

3.6 Bauchmuskeln samt Rektusscheide und Tendo praepubicus

3.6.1 Bauchmuskeln

Die Bauchmuskeln werden unter Berücksichtigung ihrer Ursprungsorte in Partes unterteilt, wobei die Pars costalis an den Rippen, die Pars sternalis am Brustbein, die Pars lumbalis an der Fascia thoracolumbalis (Textabb. 3.5–1) und die Pars inguinalis am Lig. inguinale (7) entspringen image (1). Mit Ausnahme des M. rectus abdominis erfolgt die Insertion mit einer Bauchsehne ventromedian an der Linea alba. Der innere schiefe Bauchmuskel endet auch am Rippenbogen mit einer Rippensehne (Tendo costalis), und der äußere schiefe Bauchmuskel endet auch mit einer Beckensehne (Crus laterale) am Schambeinkamm. Vor ihrer Insertion bilden die Bauchmuskeln mit ihren Aponeurosen die Rektusscheide (Vagina musculi recti abdominis, Textabb. 3.6–1), die ein Außenblatt (Lamina externa) und ein Innenblatt (Lamina interna) aufweist. Die Aponeurosen des Außenblattes formen ventroparamedian eine Durchflechtungszone, die mit den Intersectiones tendineae (2) des M. rectus abdominis verankert ist. Ventromedian entsteht durch Aneinanderreihung von Sehnenfaserdurchkreuzungen die Linea alba (10). Sie beginnt als ventromediane Verankerungsnaht für die Bauchmuskel-Aponeurosen am Mesosternum, umfließt an ihrer breitesten Stelle mit zwei Nabelschenkeln den Anulus umbilicalis (11) und endet stark verjüngt am Kranialende der Symphysis pelvina. image (2)

Der M. obliquus externus abdominis (8) entspringt mit einer Pars costalis und einer Pars lumbalis, die in die Bauchsehne (Crus mediale —8') resp. Beckensehne (Crus laterale —8") übergehen und so den oberflächlichen (äußeren) Leistenring (Anulus inguinalis superficialis s. inguinalis externus —23) begrenzen (s. auch Kap. 3.7). Der Muskel beteiligt sich durchweg am Außenblatt (Lamina externa) der Rektusscheide und inseriert kaudal mit der Bauch- und Beckensehne am Becken samt vorgelagertem Tendo praepubicus. Als Fibrae reflexae (13) enden an diesem auch tiefliegende Fasern der Bauchsehne des kontralateralen äußeren schiefen Bauchmuskels.

Der M. obliquus internus abdominis (12) besitzt die Partes lumbalis und inguinalis. Er weist nach Übergang in seine Aponeurose eine dreifach unterschiedliche Beteiligung an der Rektusscheide auf:

Ein kranialer fingerbreiter Abschnitt der Aponeurose beteiligt sich nur am Innenblatt (Lamina interna).

Ein anschließender ein- bis zweifingerbreiter Abschnitt ist im Nabelbereich doppelblättrig. Er beteiligt sich sowohl am Innenblatt als auch am Außenblatt (Lamina interna et externa, Textabb. 3.6–1).

Kaudal anschließend überzieht die Aponeurose den M. rectus abdominis nur noch außen (Lamina externa).

Der M. transversus abdominis (5) beteiligt sich mit seinen Partes costalis und lumbalis wie der innere schiefe Bauchmuskel an der Rektusscheide. Seine Doppelblättrigkeit befindet sich jedoch ein bis zwei Wirbellängen weiter kaudal. An seiner Lateralfläche ziehen muskelfaserparallel die Ventromedialäste der Brust- und Lendennerven (Nn. iliohypogastricus cranialis und — caudalis, N. ilioinguinalis) ventral.

Der M. rectus abdominis (1) entspringt an der ersten Rippe und den Sternebrae eins bis vier und könnte somit in eine Pars costalis und Pars sternalis untergliedert werden. Er endet am Pecten ossis pubis und wird kaudal des Rippenbogens von der Rektusscheide umhüllt, die von den übrigen drei Bauchmuskeln sowie von den Rumpffaszien gebildet wird. Dabei beteiligt sich die äußere Faszie durchweg am Außenblatt (Lamina externa) und die innere Faszie am Innenblatt (Lamina interna) der Rektusscheide, mit Ausnahme des Kaudalbereichs, wo sie doppelblättrig ist.

Die Innervation der vier Bauchmuskeln erfolgt über die Interkostalnerven, über die Nn. iliohypogastricus cranialis (3) und — caudalis (4) und über den N. ilioinguinalis (6), die alle mit ihren vm-Ästen auf der Lateralfläche des M. transversus abdominis ventral streben und nahe der Linea alba mit Haut- resp. Gesäugeästen hervortreten. Mit ihren vl-Ästen ziehen die genannten Nerven auf dem äußeren schiefen Bauchmuskel zum Gesäuge (s. Kap. 3.5.2).

3.6.2 Tendo praepubicus

Der Tendo praepubicus (9, image (3)) ist als zentrale sehnige Verankerungsstelle dem Schambeinkamm vorgelagert und besteht hauptsächlich aus den lateralen und medialen Ursprungssehnen des (ipsilateralen) M. pectineus (et adductor longus —15) sowie der kranial anliegenden Beckensehne des M. obliquus externus abdominis (Crus laterale), die besonders durch die faserknorpelige Cartilago iliopubica (14) verhaftet sind. Die äußerlich palpierbare Cartilago iliopubica verstärkt den Kaudalwinkel des äußeren Leistenringes, indem sie Bauch- und Beckensehne des äußeren schiefen Bauchmuskels miteinander verbindet und dem M. pectineus (et adductor longus) einen mittleren oberflächlichen Sehnenursprung bietet. Ein zusätzlicher starker fleischiger Ursprung des M. pectineus (et adductor longus) kommt als mittlerer tiefer Ursprung von der Eminentia iliopubica. Die laterale Ursprungssehne kommt vom Tuberculum m. psoas minoris. Die mediale Ursprungssehne des diesseitigen (ipsilateralen) M. pectineus (et adductor longus) durchkreuzt sich nicht mit der medialen Ursprungssehne des kontralateralen gleichnamigen Muskels. Somit fehlt dem Hund eine Verankerung am kontralateralen (jenseitigen) Schambein durch den M. pectineus (et adductor longus), die für den Tendo praepubicus der großen Haussäugetiere zur Sicherung eines mechanischen Zusammenhaltes beider Beckenhälften in der Symphysis pelvina bedeutsam ist.

 

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Textabb. 3.6–1: Vagina musculi recti abdominis (Regio abdominis media).

 

 

Mm. abdominis et Regio inguinalis

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Bauchmuskeln entwickeln sich aus den Myotomen der Urwirbel, die auch die Wirbelsäulenmuskeln hervorbringen. Während die Wirbelsäulenmuskeln am Ort ihrer Genese als autochthone (ortsständige) Stamm-Muskeln liegen bleiben, entfernen sich die Bauchmuskeln vom Herkunftsort zur ventrolateralen Bauchregion. Die drei breitflächigen Muskeln behalten mit ihren Ursprungsaponeurosen aus der Fascia thoracolumbalis (s. Textabb. 3.5–1) den Kontakt zum Ort ihrer Herkunft, während der gerade Bauchmuskel auch diesen Kontakt verliert. Seine Segmentierung durch die Intersectiones tendinei (53.2) basiert noch auf der Segmentierung der Urwirbel.

Die Bauchmuskeln besitzen neben ihrer kontraktilen Funktion durch ihre breiten Muskelbäuche noch zusätzlich für die Baucheingeweide eine passive Tragefunktion, die vorrangig von den Aponeurosen wahrgenommen wird. Man spricht von gerader Gurtung durch den geraden und den queren Bauchmuskel sowie von schiefer Gurtung durch den inneren und den äußeren schiefen Bauchmuskel.

Die Bauchmuskel-Funktion im Zusammenwirken mit dem Zwerchfell (s. Kap. 3.4 image (3)).

(2)_____ Hernien (Brüche durch die Körperwand) entstehen meist durch Vordringen von Eingeweiden oder Gekrösen der Körperhöhlen durch vorgeformte (angeborene) Öffnungen der parietalen Serosa (überwiegend Bauchfell) oder durch erworbene Öffnungen der Körperwand (traumatische Hernien). Bei weitgefasster Definition nennt man auch andere Vorgänge in verschiedenen Körpergegenden inkonsequenterweise Hernien (oder falsche Hernien) wie z. B. die Vorverlagerungen der Augenlinse in die vordere Augenkammer (Hernia lentis).

Die Strukturen einer (echten) Hernie sind:

1. Bruchpforte, eine Öffnung in der parietalen Serosa (meist Bauchfell), entweder angeboren (congenital) z. B. Anulus vaginalis bei der Hernia inguinalis indirecta oder erworben (z. B. Hernia inguinalis directa bei aufgerissenem Bauchfell).

2. Bruchsack, eine innen mit Serosa ausgekleidete Umhüllung des Bruchinhaltes. Der Bruchsack kann unvollständig sein oder fehlen (z. B. Hernia traumatica). In unkorrekter Weise wird oft vom angeborenen (congenitalen) Bruch gesprochen. Gemeint ist jedoch meistens ein congenitaler, potentieller Bruchsack, z. B. der Processus vaginalis, der als Veranlagung (Prädilektion) zum Bruch zu werten ist. Tatsächlich entwickelt sich ein Bruch oft in den ersten Lebenstagen und ist dann erworben (Hernia aquisita), z. B. durch exzessiven Einsatz der Bauchpresse.

3. Bruchinhalt, meistens Darmteile/Gekröse oder Organe wie die Harnblase. Der Bruchinhalt bestimmt entscheidend den Krankheitsgrad, da er reponierbar oder inkarzeriert (zurückverlagerbar oder eingeklemmt) oder gar stranguliert (verdreht) sein kann und dann – im Falle von Darmschlingen – unverzügliches tierärztliches Handel erfordert.

Beim Nabelbruch (Omphalozele) des Welpen persistiert die foetale Nabelöffnung. Der Nabel ist umfangreicher als normal und eventuell schmerzhaft. Ursächlich liegt eine fehlende oder mangelhafte Fusion der den Nabel begrenzenden foetalen Bauchwandlappen vor. Beim Nabelbruch des adulten Hundes kommt es zur Wiedereröffnung des zwischenzeitlich (unvollkommen) geschlossenen Nabels, die durch erhöhten abdominalen Druck und evtl. durch traumatische Einflüsse oder Fettleibigkeit forciert wird. Nabelhernien treten oft in Kombination mit anderen embryonalen Defekten auf, zum Beispiel mit Kryptorchismus (s. Kap. 6.2 image (3)) oder fehlerhafter Fusion der Brustbeinanteile mit verbreiterter (präumbilikaler) Linea alba abdominis. Hereditäre genetische Einflüsse und Rassendispositionen sind bekannt, weshalb betroffene Hunde nicht zur Zucht zugelassen werden sollten. Bei Vorliegen eines Nabelbruches dient die Nabelöffnung als Bruchpforte. Der subkutane Bruchsack besteht aus Resten der Eihäute (Amnion- und Allantoisscheide) und einer unvollständigen Peritonäalhülle. Der Bruchinhalt besteht bei Welpen aus Anteilen des Nabelstranges (Urachus, zwei Nabelarterien, zwei Nabelvenen, Dottersackstiel mit Dottersackblutgefäßen samt haemopoetischem Gewebe) und eventuell aus Eingeweide- und Gekröseteilen. Gastrointestinale Symptome mit Erbrechen und Anorexie sowie starker Nabelschmerz sind Anzeichen für vorgefallene, eventuell nicht reponierbare Intestinalanteile (z. B. Jejunalschlingen mit der Gefahr einer Inkarzeration oder Strangulation). Bei Welpen kann sich die Bruchöffnung spontan schließen oder sie wird chirurgisch verschlossen. Beim adulten Hund besteht der Bruchinhalt aus stark verfetteten Anteilen des Lig. falciforme (Abb. 3.6–1) und eventuell aus dem kranialen Abschnitt des medianen Harnblasenbandes oder Anteilen des großen Netzes. Ein chirurgischer Verschluss des Nabelbruches ist meistens erforderlich.

Traumatische Hernien kommen je nach Ort einer stumpfen Gewalteinwirkung, z. B. Verkehrsunfall, an verschiedenen Stellen der Bauchwand vor. Eine Bruchpforte entsteht in der Bauchwand durch die traumatische Einwirkung. Ein peritonäaler Bruchsack fehlt oder ist inkomplett bzw. zerrissen.

(3)_____ Chirurgische Schnitte durch die Bauchwand sollen so angelegt werden, dass Muskelgewebe und Nerven weitgehend geschont werden, um umfangreiche Narbenbildungen zu vermeiden.

Beim Flankenschnitt sollen die Muskelbäuche der Mm. obliquus internus abdominis und obliquus externus abdominis jeweils muskelfaserparallel durchtrennt und die Schnittränder auseinandergespreizt werden. Auf der Oberfläche des M. transversus abdominis erfolgt die Schnittführung ebenfalls muskelfaserparallel (transversal), und zwar parallel zu den ventromedialen Nervenästen der Nn. iliohypogastricus cran. und — caud. (43.18–21) ohne die Nerven zu durchschneiden. Eine Durchtrennung führt zu einer Atrophie und Degeneration des Muskelanteils, der vom betreffenden (abgetrennten) Nervenast innerviert wurde. Im vorliegenden Falle wären hauptsächlich die Mm. transversus abdominis und rectus abdominis betroffen. Ein denervierter Muskelabschnitt verliert seine Festigkeit und es entsteht eine iatrogene (vom Tierarzt verursachte) Prädilektionsstelle für Bauchwandhernien.

Der ventromediane Bauchwandschnitt erfolgt meist präumbilikal, weil hier die zu spaltende Linea alba abdominis eine ausreichende Breite von etwas mehr als fünf Millimetern aufweist. Kaudal des Nabels ist sie zunehmend unscheinbar. Die weiße Linie besteht aus linear hintereinander gereihten gekreuzten Sehnenfasern der Bauchmuskelaponeurosen: Die vielen tendofaszialen Bauchwandschichten verschmelzen zu einem einzigen Strang. Abgesehen vom Hautschnitt genügt zur Eröffnung der Peritonäalhöhle ein einziger Schnitt durch die ventromediane Bauchnaht (Line alba abdominis). Die Sehnenfaserkreuzungen bieten dem Nahtmaterial eine ausreichende Verankerung (Vermeidung eines postoperativen „Platzbauches“). Wegen dieser und anderer Vorteile wird die Linea alba abdominis beim Hund am häufigsten für den chirurgischen Zugang in die Bauchhöhle (Laparotomie) gewählt. Bei präumbilikalem Zugang trifft man nach Inzision der Linea alba auf den präumbilikalen Fettkörper im Lig. falciforme (Abb. 3.6–2), der von der Bauchdecke gelöst und weggeklappt werden sollte.

 

 

 

3.7 Regio inguinalis mit Leistenspalt, Muskel- und Gefäßpforte

In der Regio inguinalis gibt es drei Durchlässe: das Spatium inguinale, die Lacuna musculorum und die Lacuna vasorum.

3.7.1 Spatium inguinale

Das Spatium inguinale reicht vom inneren bis zum äußeren Leistenring, deren Kaudalwinkel auf gleicher Höhe übereinanderliegen. Der Kranialwinkel des inneren Leistenringes liegt jedoch fingerbreit kraniolateral vom Kaudalwinkel des äußeren Leistenringes, woraus eine entsprechende Länge des Leistenspaltes resultiert.

Die äußere Haut (Cutis) beteiligt sich nicht an der Bildung des Spatium inguinale, sondern geht kontinuierlich in die Skrotal- resp. Schamlippenhaut über.

Die Fascia trunci externa (5) stülpt sich am äußeren Leistenring als Fascia spermatica externa (21) aus, die den Processus vaginalis peritonaei (24) mit Inhalt schlauchförmig umgibt (s. Tabelle, S. 58). Der Inhalt ist beim Rüden der Samenstrang (Funiculus spermaticus) und bei der Hündin das runde Mutterband mit umgebendem Fettkörper. Die Hündin besitzt im Gegensatz zu anderen weiblichen Haussäugetieren meistens einen Processus vaginalis peritonaei und somit eine Fascia spermatica externa. Die A. und V. pudenda externa (20) samt N. genitofemoralis und der M. cremaster (externus) durchziehen außerhalb des Processus vaginalis peritonaei den Leistenspalt und treten danach in die schlauchförmige Fascia spermatica externa ein. Die genannten Leitungsstrukturen durchbrechen nach wenigen Millimetern die Fascia spermatica externa. Danach zweigen sich die Gefäße dicht an den Lnn. inguinales superficiales in die A. und V. epigastrica caudalis superficialis und die Rr. scrotales ventrales resp. labiales ventrales auf (49.27).

Anulus inguinalis externus (superficialis)

Der M. obliquus externus abdominis bildet durch die Aufspaltung seiner Aponeurose in die Crura laterale (16) und mediale (15) den Anulus inguinalis externus (— superficialis —17).

Anulus inguinalis internus (profundus)

Der M. obliquus internus abdominis (14) bildet mit seinem freien Kaudalrand gemeinsam mit dem Lateralrand des M. rectus abdominis (19) und der Innenfläche des Crus laterale des äußeren schiefen Bauchmuskels den Anulus inguinalis internus (— profundus —18).

Der M. cremaster (externus —22) ist beim Rüden deutlich; bei der Hündin kommt er in schwacher Ausprägung vor. Er spaltet sich bei Nagetieren mit seiner Hauptportion vom M. transversus abdominis und mit seiner Nebenportion vom M. obliquus internus abdominis ab. Bei unseren Haussäugetieren hat der einheitliche M. cremaster (externus) seine direkte Verbindung zu den genannten Bauchmuskeln meistens verloren, und der selbstständig gewordene Muskel entspringt am Lig. inguinale. Er zieht außen am Processus vaginalis peritonaei durch den Leistenspalt.

Der M. transversus abdominis (6) beteiligt sich in den meisten Fällen nicht an der Bildung des Leistenspaltes, da sein freier Kaudalrand bereits in Höhe des Hüfthöckers mit der Linea arcuata endet. In wenigen Fällen liegt der kaudale Rand weiter kaudal. Dann beteiligt er sich gemeinsam mit dem kaudalen freien Rand des inneren schiefen Bauchmuskels an der Bildung des inneren Leistenringes und endet danach am Tendo praepubicus.

Die Fascia trunci interna (Fascia transversalis —7) ist mit dem Peritonaeum verlötet und stülpt sich in direkter Umgebung des Processus vaginalis peritonaei als schlauchförmige Fascia spermatica interna (23) durch den Leistenspalt aus. image(1)

Anulus vaginalis

Das Peritonaeum (8) stülpt sich als schlauchförmiger Processus vaginalis peritonaei aus, der den Leistenspalt durchsetzt und mit der umgebenden Fascia spermatica interna verlötet ist. Der bauchhöhlenseitige Ausstülpungsring ist der Anulus vaginalis (9), der als Eingang in den Processus vaginalis peritonaei nicht zum Leistenspalt gehört. image(2)

3.7.2 Lacuna musculorum

Die Lacuna musculorum (29) ist eine Durchlasspforte für den M. iliopsoas mit eingeschlossenem N. femoralis. In Höhe der Muskelpforte überzieht die Fascia transversalis (7) am Übergang von der lateralen in die dorsale Bauchwand den M. iliopsoas (4) und heißt hier Fascia iliaca. In diesen Faszienüberzug ist das Lig. inguinale eingewebt, wodurch die Fascia iliaca in die bauchhöhlenseitige Fascia iliaca interna (1) und die oberschenkelseitige Fascia iliaca externa (Lamina iliaca —2) unterteilt wird, die am Darmbein endet. Das sehr schwache und gelegentlich fehlende Lig. inguinale (3) beginnt am Tuber coxae, ist im Bereich der Lacuna musculorum als Bindegewebsverstärkung für den Ursprung des inneren schiefen Bauchmuskels in die Fascia iliaca eingewebt, vereinigt sich in Höhe des Leistenspaltes mit dem Crus laterale des äußeren schiefen Bauchmuskels und endet am Pecten ossis pubis.

Gemeinsam mit dem M. iliopsoas zieht der N. femoralis (10) mit abzweigendem N. saphenus (11) durch die Lacuna musculorum, die ventral vom Lig. inguinale und dorsal vom Darmbein begrenzt wird. Der N. saphenus gelangt anschließend in das Trigonum femorale (12), dessen drei begrenzende Seiten vom Lig. inguinale, M. pectineus (et adductor longus) und M. sartorius (Pars caudalis) gebildet werden. Das Trigonum femorale umgrenzt den Schenkelspalt (Spatium femorale, Canalis femoralis —13), der in der Tiefe vom M. iliopsoas begrenzt und oberflächlich von der Fascia femoralis medialis abgedeckt wird. Er beherbergt neben dem N. saphenus die A. und V. femoralis.

3.7.3 Lacuna vasorum

Die Lacuna vasorum (29) ist die Gefäßpforte für die Schenkelgefäße. Sie wird dorsolateral durch die Lacuna musculorum, dorsomedial durch den Darmbeinkörper und ventral durch das Lig. inguinale begrenzt. Der von den Schenkelgefäßen nicht ausgefüllte mediale Abschnitt der Lacuna vasorum wird Anulus femoralis (30) genannt. image(3) Dieser Schenkelring ist der durch Peritonaeum und Fascia transversalis verschlossene Zugang zum Spatium femorale (Canalis femoralis) (image(4) s. auch Kap. 7.3.7) und bildet bei den sehr seltenen Schenkelhernien die Bruchpforte.

 

Regio Inguinalis image

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Fortsetzung der Bauchwandschichten am Spatium inguinale und Vagina m. recti abdominis

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Bauchwandschichten setzen sich in der Leistengegend als Umhüllung des Samenstranges bis zum Hoden resp. als Umhüllung des runden Mutterbandes bis zu den Schamlippen der Hündin fort.

Der innerste Fortsatz ist der Proc. vaginalis peritonaei mit enthaltenem Cavum vaginale. Beim Rüden legt sich nach erfolgtem Hodenabstieg der eingefaltete Processus vaginalis peritonaei mit seiner visceralen (eingefalteten) Innenwand um den Samenstrang und verbindet sich mit seiner parietalen Außenwand sehr innig mit der Fascia spermatica interna, der Fortsetzung der F. transversalis. Der Proc. vaginalis wird nach dem Hodenabstieg beim Rüden wegen des fast vollständigen Verlustes des Cavum vaginale auch Tunica vaginalis genannt. Bei der Hündin bleibt der Proc. vaginalis, dessen Cavum vaginale mit Fettgewebe und dem runden Mutterbang angefüllt ist, zeitlebens erhalten.

Im klinischen Sprachgebrauch wird der Proc. vaginalis peritonaei mit verlöteter F. spermatica int. auch (gemeinsamer) Scheidenhautfortsatz genannt. Außen anliegend befinden sich der M. cremaster und eine lockere Verschiebeschicht zur Fascia spermatica ext. Das lockere Bindegewebe ermöglicht das Freilegen des (gemeinsamen) Scheidenhautfortsatzes durch Abstreifen der F. spermatica ext. bei der bedeckenden Kastration (mit geschlossenem Scheidenhautfortsatz) und bei der offenen Kastration (mit eröffnetem Scheidenhautfortsatz.). Die letztgenannte Methode sollte möglichst vermieden werden, weil sie zwangsläufig mit einer Eröffnung der Peritonäalhöhle und so mit einer erhöhten Infektionsgefahr einhergeht.

(2)_____ Ein Leistenbruch (Hernia inguinalis) tritt ganz im Gegensatz zu entsprechenden Verhältnissen bei den anderen Haussäugetieren beim weiblichen Geschlecht wesentlich häufiger auf als beim männlichen.

Bei der Hündin werden der häufigere indirekte (oft angeborene) und der seltene direkte (immer erworbene) Leistenbruch unterschieden. Beim indirekten Leistenbruch fungiert der Anulus vaginalis als Bruchpforte und der Proc. vaginalis bildet den peritonäalen Bruchsack, der indirekt schräg auf langem Wege die Bauchwand durchsetzt (schräg vom kraniolateralen Winkel des inneren – tiefen – Leistenringes zum kaudomedialen Winkel des äußeren – oberflächlichen – Leistenringes). Der Scheidenhautfortsatz (Proc. vaginalis) ist – im Gegensatz zu entsprechenden Verhältnissen bei den anderen weiblichen Haustieren – bei der Hündin fast immer einseitig oder beidseitig ausgebildet. Durch die unterschiedliche Anfüllung mit Fettmassen liegen sehr variable Kaliber vor. Das kaudale blinde Ende erreicht bei maximaler Entfaltung die Schamlippen. Neben Fettmassen befindet sich das Lig. teres uteri im Proc. vaginalis. Für mehrere Hunderassen (Cocker Spaniel, Teckel, Golden Retriever) wurde zusätzlich ein erblich bedingter abnorm weiter Anulus vaginalis als Prädilektionsstelle für den indirekten Leistenbruch nachgewiesen. Bei derart disponierten Tieren kommt es bei Druckerhöhung im Bauchraum (Bauchpresse, Trächtigkeit) leicht zum Vorfall von Teilen des großen Netzes oder auch von Darmschlingen, Harnblase oder Uterus. Der verfettete Inhalt des Proc. vaginalis lässt sich wegen seiner weichen Konsistenz durch vordringende Strukturen leicht verdrängen (viel leichter als der derbe Samenstrang des Rüden). Aus dem anfänglich indirekten Leistenbruch kann sich ein direkter Leistenbruch entwickeln, wenn vordringende Strukturen die mediale oder laterale Umrandung des Anulus vaginalis, die als Schwachstellen zu werten sind, durchbrechen. Der Bruchinhalt liegt nicht im Scheidenhautfortsatz, sondern daneben im subkutanen lockeren Gewebe und kann leicht weiter in Richtung Schamlippen vordringen. Man spricht vom direktem Leistenbruch, weil der Bruchinhalt auf direktem, kurzem Wege gerade durch die Bauchwand tritt (Abb. 3.7–1).

Beim Rüden kommen ebenfalls indirekte und direkte Leistenbrüche vor. Beim indirekten Leistenbruch liegt der Bruchinhalt (wie bei der Hündin) im Proc. vaginalis. Beim direkten Leistenbruch liegt die erworbene Bruchpforte neben dem Anulus vaginalis. Sie entsteht durch eine Gewebszerreißung, die Baucheingeweide dringen neben dem Proc. vaginalis auf kürzestem geraden (direktem) Weg durch die Bauchdecke. Der Bruchinhalt kann subkutan im lockeren Bindegewebe bis ins Scrotum vordringen, dann spricht man vom Hodensackbruch (Hernia scrotalis). Im Operationsfeld liegen innerhalb und außerhalb des Processus vaginalis zahlreiche bedeutende Leitungsstrukturen, die teils mit bloßem Auge gut wahrnehmbar und teils nicht erkennbar sind. Im Processus vaginalis liegen die erkennbaren A. und V. testicularis, die A. und V. ductus deferentis sowie der Samenstrang. Außerdem liegen innerhalb des Scheidenhautfortsatzes die unscheinbaren Plexus nervosus testicularis (marklose postganglonäre sympatische Nervenfasern für den Hoden) und Lymphgefäße mit hormonhaltigem Inhalt, die vom Hoden zu den medialen Darmbeinlymphknoten ziehen. Außerhalb des Processus vaginalis kommt neben dem deutlichen M. cremaster der Ramus genitalis des N. genitofemoralis vor.

(3)_____ Der Anulus femoralis (57.30) stellt in seltenen Fällen die Bruchpforte für eine Schenkelhernie (Hernia femoralis) dar. Diese erworbene Bruchpforte entsteht durch Zerreißung des Bauchfells und der F. transversalis im Anulus femoralis, so dass der Bruchinhalt in den Schenkelspalt (Spatium femorale —57.13) vordringen kann, der vom Trigonum femorale lateral und medial begrenzt wird. Die oberflächliche Abdeckung erfolgt durch die mediale Oberschenkelfaszie, die tiefe Abgrenzung geschieht durch den M. iliopsoas.

(4)_____ Die im Spatium femorale liegende A. femoralis wird zur Palpation der Pulswelle und der Zählung der Pulsfrequenz herangezogen. Die dopplersonographische Darstellung der A. und V. femoralis ermöglicht hier die genaue Messung der Blutfließparameter und damit eine Aussage über die Blutversorgung der Gliedmaße (Abb. 3.7–2 bis 3.7–6).

 

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Abb. 3.7–1: Darstellung eines beidseitigen Leistenbruches bei der weiblichen Katze (!), der in prinzipiell gleicher Form bei der Hündin vorkommen kann. Linke Bildseite: Direkter Leistenbruch. Rechte Bildseite: Indirekter Leistenbruch bei eröffnetem Processus vaginalis (Bauchwand gefenstert). (Präparat: K. Budras, Berlin. Wissenschaftliche Grafik: W. Fricke, Berlin.)

 

 

 

 

 

4 | Brusthöhle

4.1 Brusthöhle mit Brustfell und Venen der Brusthöhle

4.1.1 Brusthöhle (Cavum thoracis)

Die Brusthöhle wird von Brustwirbeln, Rippen und Brustbein knöchern gestützt, die in ihrer Gesamtheit als Brustkorb (Thorax) bezeichnet werden. Dieser beginnt an der durch das erste Rippenpaar markierten Apertura thoracis cranialis und endet mit der vom Rippenbogen begrenzten Apertura thoracis caudalis. So beinhaltet der knöcherne Brustkorb die Brusthöhle und schließt kaudal des Zwerchfells auch den intrathorakalen Teil der Bauchhöhle mit ein. Die Wand der Brusthöhle beinhaltet alle Gewebeschichten von der Haut bis hin zur inneren Rumpffaszie, der Fascia endothoracica. image (1)

4.1.2 Brustfellhöhlen (Cava pleurae) und Mittelfell (Mediastinum) (Textabb. 4.1–1)

An die Fascia endothoracica anschließend ist die Brusthöhle mit einer serösen Haut, dem Brustfell (Pleura) ausgekleidet, das auch die Brusthöhlenorgane überzieht. Das Wandblatt der Pleura (innen der Brustwand anliegend) heißt Pleura parietalis. Seine Abschnitte werden je nach Lage Pleura costalis (F), —diaphragmatica (H), —mediastinalis (G) und —pericardiaca (I) genannt. image (2) Das Organblatt, die Pleura visceralis, überzieht die Lunge und heißt deshalb Pleura pulmonalis (D). Die mediastinalen Pleuraabschnitte bilden mit einer dazwischenliegenden fibrösen Bindegewebsschicht das Mediastinum (8).

Das Mediastinum kann als Gekröse des Oesophagus interpretiert werden. Es inseriert dorsal an den Wirbelkörpern, ventral am Brustbein und kaudal am Zwerchfell, wo die Insertionslinie weit links von der Mittellinie verschoben ist. Durch das Mediastinum ziehen in kraniokaudaler Richtung die V. azygos dextra (10), der Ductus thoracicus (12), die Aorta descendens (C), der Truncus vagalis dorsalis (13), der Oesophagus (19), der Truncus vagalis ventralis (18) und die Trachea (9) mit der Bifurcatio tracheae. Das Lig. pulmonale (17) zieht vom kaudalen Lungenlappen zum Mediastinum und verbindet somit die Pleura pulmonalis mit der Pleura mediastinalis. image (3)

Die Pleura bildet innerhalb der Brusthöhle zwei Cava pleurae (B). Die Cava pleurae stellen einen flüssigkeitsgefüllten kapillären Spalt dar. Pleura pulmonalis und Pleura parietalis liegen einander an und sind durch Adhäsionskräfte miteinander verhaftet, sodass die Lunge der Bewegung der Brustwand folgen muss, wodurch sie bei Erweiterung des Brustkorbs entfaltet wird (Inspiration). image (4) Die kranialen Abschnitte werden als Cupulae pleurae (A) bezeichnet und ragen jeweils durch die Apertura thoracis cranialis in den Halsbereich hinein (links etwa zwei Rippenbreiten, rechts etwa eine Rippenbreite). Kaudal zwischen Pleura costalis und diaphragmatica, also kranial der Zwerchfellinsertionslinie, findet sich der Recessus costodiaphragmaticus (20), in welchen sich die Lunge während der Inspiration ausdehnt. image (5) Durch die kaudal asymmetrische Insertion des Mediastinums besitzt das Cavum pleurae sinistrum ferner einen Recessus costomediastinalis (P); das Cavum pleurae dextrum weist dagegen einen Recessus mediastinodiaphragmaticus sinister (O) auf. Da die V. cava caudalis in einer eigenen, vom Mediastinum abgefalteten Plica venae cavae durch das Cavum pleurae dextrum zieht, entsteht so eine weitere Nische, der Recessus mediastini (15), für den Anhangslappen der rechten Lunge. Rechts des Oesophagus und kaudal der Bifurcatio tracheae liegt im Mediastinum eine weitere seröse Höhle, das Cavum mediastini serosum (16), eine während der Ontogenese entstandene Abschnürung vom Cavum peritonaei.

Ventral des Oesophagus und der Bifurcatio tracheae liegt im Mediastinum die vierte intrathorakale seröse Höhle, die Herzbeutelhöhle (Cavum pericardii —J) mit dem Herzen. Am eröffneten Perikard erkennt man als Innenauskleidung das Pericardium serosum, und zwar dessen Lamina parietalis (K), die sich an der Herzbasis als Lamina visceralis (Epicardium —L) auf die Herzoberfläche umschlägt. Die außenumhüllende bindegewebige Grundlage des Perikards, das Pericardium fibrosum (M) steht über das bindegewebige Lig. phrenicopericardiacum (N) mit der Fascia endothoracica (E) in Verbindung, die die bindegewebige Grundlage der Pleura parietalis darstellt. Der als Pleura pericardiaca (I) benannte Abschnitt der Pleura mediastinalis überzieht seitlich den Herzbeutel.

4.1.3 Venen der Brusthöhle

Die V. cava cranialis (7) gibt herznah die V. azygos dextra (10) und am Brustkorbeingang nacheinander die Vv. costocervicalis (5) und thoracica interna (6) ab, bevor sie sich in die rechte und linke V. brachiocephalica (4) gabelt. Die V. brachiocephalica entlässt die Vv. subclavia (3), jugularis externa (1) und — interna (2). Die V. cava caudalis (11) besitzt mit der Plica venae cavae (14) ein eigenes Gekröse, das sich vom Mediastinum abspaltet.

 

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Textabb. 4.1–1: Halbschematischer Transversalschnitt (links) und Horizontalschnitt (rechts) durch das Cavum thoracis mit Darstellung der Pleuraverhältnisse.

 

Cavum thoracis dextrum

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Trennung zwischen Brust- und Bauchhöhle kann durch eine angeborene oder traumatisch erworbene Zwerchfellhernie partiell aufgehoben sein und mit einer Verlagerung von Baucheingeweiden wie Leber, Magen und Dünndarm in die Pleurahöhle einhergehen, wodurch die Entfaltung der Lunge bei der Inspiration mehr oder weniger stark beeinträchtigt wird (Abb. 4.1–1/–2, näheres siehe Kapitel 3.4 image (3)).

(2)_____ Die Pleura costalis wird durch Äste der Interkostalnerven sensibel innerviert, weshalb eine Rippenfellentzündung hochschmerzhaft ist. Auch die Pleura diaphragmatica und mediastinalis erhalten über den N. phrenicus sensible bzw. den N. vagus viszerosensible Fasern. Dagegen ist die Pleura pulmonalis nicht oder nur geringgradig viszerosensibel innerviert.

(3)_____ In das Mediastinum kann durch Verletzungen der Trachealoder Bronchalwand und des Oesophagus z. B. durch einen perforierenden Fremdkörper Luft eindringen (Pneumomediastinum). Im lufthaltigen Mediastinum zeichnen sich röntgenologisch unter physiologischen Verhältnissen nicht sichtbare Leitungsstrukturen und Organe deutlich ab.

(4)_____ Die Pleurahöhlen können in qualitativer und quantitativer Hinsicht einen unphysiologischen Inhalt aufweisen, und zwar Luft (Pneumothorax), vermehrt wässrige Flüssigkeit (Hydrothorax, Abb. 4.1–2), lymphhaltige Flüssigkeit (Chylothorax nach Ruptur des Ductus thoracicus) oder bluthaltige Flüssigkeit (Hämothorax).

Ein Pneumothorax entsteht, wenn Luft durch eine Verletzung in den Pleuraspalt eindringt (äußerer Pneumothorax) oder durch einen Riss im Lungengewebe in den Pleuraspalt gelangt (innerer Pneumothorax). Die Folge ist eine Ausweitung des Pleuralspaltes und damit eine Aufhebung der Adhäsionskräfte, die die Lunge an der Brustwand gehalten haben. Der Lungenflügel auf der betroffenen Seite kollabiert auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe. Ein beidseitiger Pneumothorax kann entstehen, wenn das Mediastinum die beiden Pleurahöhlen nicht vollständig trennt. Er führt zu schwerer lebensbedrohlicher Atemnot.

Der Ventil- oder Spannungspneumothorax führt ebenfalls zu lebensbedrohlicher Atemnot. Bei ihm wird mit jedem Atemzug weitere Luft in die Pleurahöhle gesaugt, die bei der Exspiration nicht entweichen kann, da die verletzte Stelle wie ein Ventil wirkt und nur einen Einstrom von Luft zulässt. Auskultatorisch sind auf der von einem Pneumothorax betroffenen Brustseite keine Atemgeräusche zu hören und auch die Herztöne sind deutlich abgeschwächt. Das Röntgenbild eines Pneumothorax besitzt charakteristische Merkmale: Der kollabierte, nach dorsal zum Lungenhilus verlagerte Lungenflügel ist röntgendicht und hebt sich deutlich von der lufthaltigen Pleurahöhle ab. Das Herz ist ebenfalls dorsal verlagert und liegt mit seiner Spitze nicht mehr dem Sternum auf.

Häufige Ursache eines Hydrothorax ist eine Herzinsuffizienz mit Rückstau des Blutes in den Lungenkreislauf mit der Folge einer vermehrten Flüssigkeitsdiffusion aus dem Blutgefäßsystem in die umliegenden Hohlräume.

Verletzungen im Bugbereich (vor der ersten Rippe), die mit Atemnot einhergehen, könnten mit einer Verletzung der Cupula pleurae in Zusammenhang stehen.

(5)_____ Die Recessus costodiaphragmatici sind Komplementär- oder Reserveräume, die von der Lunge bei normaler Inspiration nicht vollständig ausgefüllt werden. Sie sind bei großen Hunderassen zwei bis drei Finger breit. Kranial werden sie von der Kaudalgrenze des Lungenfeldes (s. Kap. 4.2 image (1)) und kaudal von der Insertionslinie des Zwerchfells begrenzt. Nur bei tiefer Einatmung (Gähnen) und bei pathologischer Lungenvergrößerung (z. B. Emphysem) reichen die kaudalen Lungenränder teilweise in den Recessus costodiaphragmaticus hinein. Beim Lungenemphysem, das beim Hund selten auftritt, kann das Lungenfeld fast bis zur Zwerchfellinsertionslinie reichen.

 

 

 

4.2 Lungen

Die Lunge dient dem Gasaustausch zwischen Blut- und Atemluft. Hierbei wird die Luft über den Bronchialbaum zu den luftaustauschenden Lungenbläschen, den Alveolen, geleitet. Mittels dieser wird die innere Lungenoberfläche enorm vergrößert. Der Atmungsvorgang basiert auf einer Volumenveränderung der Brusthöhle. Ihre Vergrößerung wird bei der Inspiration durch Abflachung der Zwerchfellkuppel (Zwerchfellatmung) und durch Erweiterung des Brustkorbes durch Kraniolateralverlagerung der Rippen (kostale Atmung) erreicht. Den Bewegungen der Brusthöhlenwand muss die Lunge durch die Adhäsionskräfte im Pleuraspalt folgen, wodurch die Lungenbläschen entfaltet werden. Die Exspiration wird in erster Linie durch perialveoläre elastische Netze bewirkt, die die Lungenbläschen passiv verengen. Ein komplettes Kollabieren der Alveolen wird durch das Oberflächenspannungsreduzierende Surfactant verhindert. image (1)

Die äußere Form der Lungen ist inkonstant, abhängig von den Atmungsbewegungen der Brustkorbhöhle und dem Luftfüllungszustand. Beide Lungen zusammengenommen ähneln einem Kegel (jede Lunge etwa einem Halbkegel) mit kranialgelegener Lungenspitze (Apex pulmonis), die leicht den Thoraxeingang überragt und einer umfangreichen Basis (Basis pulmonis), die dem Zwerchfell anliegt. Die Lungenoberfläche ist mit Lungenfell (Pleura pulmonalis) überzogen (s. Kap. 4.1.2). Die Facies costalis weist nach einer Fixierung in situ deutliche Eindrücke durch die Rippen auf. Die Facies medialis (Textabb. 4.2–1) reicht dorsal mit ihrer Pars vertebralis an die Wirbelsäule heran. Ventral davon beginnt der Mittelfellabschnitt (Pars mediastinalis) mit der Impressio aortica (12), Impressio oesophagea (13), dem Sulcus venae cavae caudalis (14) und ventral folgend der Herzmulde (Impressio cardiaca —15). Die Facies diaphragmatica (16) liegt dem Zwerchfell glatt auf.

4.2.1 Lungen (Pulmones)

Die Lungen des Hundes sind deutlich asymmetrisch, denn die rechte Lunge mit ihren vier Lappen ist wesentlich größer als die linke Lunge mit nur zwei Lappen. Äußerlich sind die Lungenlappen beim Hund durch Einschnitte (Fissurae interlobares) unterteilt oder abgegrenzt, die sehr tief und teilweise bis auf die Bronchen einschneiden.

Rechte Lunge

Die rechte Lunge (Pulmo dexter) ist durch Fissurae interlobares cranialis (2) und caudalis (3) in den Lobus cranialis (5), Lobus medius (4), Lobus caudalis (1) und den kleinen Lobus accessorius (Textabb. 4.2–1, —17) gegliedert, der an der Facies medialis in den Recessus mediastini hineinreicht (s. Kap. 4.1.2) und von lateral nicht sichtbar ist. Er umgreift teilweise die V. cava caudalis unter Bildung des Sulcus venae cavae caudalis. Die Fissura interlobaris cranialis geht am ventralen Lungenrand in die Incisura cardiaca pulmonis dextri (6) über. Die Fissura interlobaris caudalis grenzt den Lobus medius vom Lobus caudalis ab, der medial mit dem Lobus accessorius verschmolzen ist.

Linke Lunge

Die linke Lunge (Pulmo sinister) weist in ihrem Lobus cranialis (7) eine Unterteilung in eine Pars cranialis (8) und Pars caudalis (9) auf. Diese können sich geringfügig überlappen. Die Fissura intralobaris öffnet sich am Lungenrand in die seichte linke Herzbucht (Incisura cardiaca pulmonis sinistri —10). Der Lobus caudalis (11) ist einheitlich und liegt mit seiner Facies diaphragmatica dem Zwerchfell auf.

 

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Textabb. 4.2–1: Pulmo dexter et sinister (Facies medialis).

 

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Lunge kann im Lungenfeld, einem etwa dreiseitigen Projektionsfeld auf der seitlichen Brustwand, von außen durch Auskultation und Perkussion untersucht werden. Dieses Projektionsfeld wird kranial in Höhe der 5. Rippe von der Gliedmaße im Stand begrenzt und kann durch Vorverlagerung der Schultergliedmaße kranial um zwei Rippenbreiten vergrößert werden. Der dorsale Rand wird vom Lateralrand des M. iliocostalis begrenzt und reicht kaudal bis zur 11. Rippe (in Höhe des Hüfthöckers). Der kaudoventrale (basale) Rand steigt vom Knie der 6. (in Höhe der oberen Kontur des Ellenbogenhöckers) – über die Mitte der 8. (ungefähre Mitte des Brustkorbes) – bis zum Vertebralende der 11. Rippe an. In diesem Lungenfeld liegt die kaudale Lungengrenze in Höhe des Hüfthöckers im 11. Interkostalraum, in Höhe des Buggelenks im 9. Interkostalraum und in Höhe der oberen Kontur des Ellenbogenhöckers im 6. Interkostalraum.

 

Cavum thoracis dextrum et Pulmones

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4.3 Bifurcatio tracheae, Bronchalbaum und Lymphsystem der Lunge

4.3.1 Bifurcatio tracheae

Die Bifurcatio tracheae (A) kennzeichnet die Aufzweigung in die Hauptbronchen (Bronchi principales —B). In der Folge teilen sich, äußerlich nicht sichtbar, die Hauptbronchen in Lappenbronchen (Bronchi lobares). Diese Abgrenzung der Lungenlappen ist eindeutiger als die äußerlich sichtbaren Fissurae, die teils zwischen den Lappen, teils innerhalb von Lappen liegen. image (1)

Die Bifurcatio tracheae befindet sich ventral des Oesophagus etwa auf halbem Wege zwischen der Apertura thoracis cranialis und dem Zwerchfell. Beim Hund sind entsprechend der Lobierung der Lunge links zwei Lappenbronchen (Bronchus lobaris cranialis —C und — caudalis —D) und rechts vier Lappenbronchen (Bronchus lobaris cranialis —E, — medius —F, — caudalis —G und — accessorius —H) ausgebildet.

Die Lappenbronchen spalten ihrerseits Segmentbronchen (Bronchi segmentales —I) ab, die entsprechend ihrer Lage als dorsale, ventrale, laterale und mediale Segmentbronchen benannt werden. Die Segmente sind u. a. an anatomischen Korrosionspräparaten abgrenzbar. Im Kaudallappen verlaufen die Lungenarterienäste beim Hund gemeinsam mit dem Segmentbronchus (bronchoarterieller Versorgungstyp) im Zentrum des Segments und die Lungenvenenäste markieren die Segmentperipherie. Im Kranial- und Mittellappen werden die Segmentbronchen nicht nur von Arterien- sondern auch von Venenästen begleitet (bronchovaskulärer Versorgungstyp) und die periphere Segmentabgrenzung ist undeutlich. image (2)

Dort, wo die Bronchalknorpel verschwinden, gehen die kleineren Äste der Segmentbronchen in die Bronchuli über, die im Durchmesser kleiner als 1 mm sind. Die Endabschnitte des luftleitenden Systems, die Bronchuli terminales, gehen in das Gasaustausch-System über, zu dem die Bronchuli respiratorii (Durchmesser kleiner als 0,5 mm), die Ductuli- und Sacculi alveolares und schließlich die Alveolen (Alveoli) gehören.

4.3.2 Lymphsystem der Lungen

Die Lungen werden vom Lymphocentrum bronchale lymphatisch verbzw. entsorgt. Hierzu gehören die im Lungenparenchym gelegenen Lungenlymphknoten (Lnn. pulmonales —N) und die Lnn. tracheobronchalis dexter (M), —medius (L) und —sinister (K), die an der Kranialkontur des rechten Hauptbronchus resp. dorsal an der Bifurcatio tracheae resp. kaudodorsal am linken Hauptbronchus liegen. Die Einzugsgebiete sind Lunge und Herz. Die Vasa lymphatica efferentia ziehen direkt oder indirekt nach Durchfluss der Lnn. mediastinales crann. zu den Lymphmündungsstämmen im Venenwinkel (Winkel zwischen der V. jugularis interna und V. jugularis externa).

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Im Röntgenbild unterscheiden sich die lufthaltigen Bronchen nicht vom umliegenden lufthaltigen Lungengewebe. Dagegen lassen Verdichtungen des Lungengewebes, z. B. bei einer Lungenentzündung, die lufthaltigen Bronchen betroffener Bezirke hervor treten (Luftbronchogramm). Ihre artefizielle Darstellung ist auch durch Eingabe eines Positivkontrastmittels in den Bronchalbaum möglich (Kontrastbronchogramm).

(2)_____ Weil die Lungensegmente jeweils nur durch einen einzigen Segmentbronchus belüftet werden, ist bei einem Verschluss eines Bronchus auf dem Röntgenbild eine keilförmige Verschattung mit zentraler Keilspitze und peripherer Basis kenntlich.

Während die Trachea sensibel innerviert ist und als Reaktion auf einen eingeatmeten Fremdkörper einen Hustenreflex auslöst, wird durch einen tief in die Bronchen eingeatmeten Fremdkörper kein Hustenreiz ausgelöst. Die Darstellung und Entfernung eingeatmeter Fremdkörper kann endoskopisch (Bronchoskopie, Abb. 4.3–1) oder computertomographisch erfolgen (Abb. 4.3–2).

 

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Abb. 4.3–1: Bronchoskopischer Blick in die Hauptbronchien eines gesunden Hundes (links) und bronchoskopische Darstellung einer eingeatmeten Granne (rechts). (Bronchoskopische Aufnahmen: W. Kraft, München.)

 

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Abb. 4.3–2: Fremdkörper-Abszess (Granne) in der rechten Lunge. (1) Abszess, (2) Herz, (3) V. cava caud., (4) Aorta, (5) Plica venae cavae, (6) Mediastinum. (Computertomographische Aufnahme: Tierklinik am Lademannbogen, Hamburg.)

 

 

Arbor bronchialis et Vasa pulmonalis (dorsal)

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Pulmones et Lc. bronchale (dorsal)

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4.4 Blut- und Nervenversorgung der Lunge, Aortenbogen, Lymphknoten in der Brusthöhle, Thymus

4.4.1 Blutversorgung der Lungen

Die Lungen werden über zwei Systeme, erstens den Lungenkreislauf (Aa. und Vv. pulmonales, Vasa publica) und zweitens über die Vasa privata, A. und V. bronchooesophagea (15), versorgt.

Über den Lungenkreislauf, in dem im Gegensatz zum Körperkreislauf ein niedriger Blutdruck herrscht, werden die Lungen funktionell versorgt. Aus der rechten Herzkammer gelangt das sauerstoffarme (venöse) Blut durch den arteriellen Truncus pulmonalis (10) und seine Hauptleitungsäste (A. pulmonalis dextra und — sinistra) über den Hilus pulmonis in die linke bzw. rechte Lunge (Textabb. 4.4–1). Das im Kapillarbett mit Sauerstoff angereicherte Blut fließt über fünf bis acht Lungenvenen (Vv. pulmonales —14) in die linke Vorkammer des Herzens. image (1)

Die Vasa privata, das nutritive System, werden durch die paarige A. bronchooesophagea repräsentiert. Diese entspringen etwa in Höhe der 5. bis 7. Rippe aus der Aorta oder einer abgehenden Interkostalarterie und treten in den Hilus der rechten bzw. linken Lunge ein. Sie übernehmen die nutritive Versorgung des Bronchalbaumes samt seiner unmittelbaren Umgebung. Im Grenzbereich zwischen dem Luftleitungs- und dem Gasaustauschsystem wurden bei einigen Spezies Anastomosen zu Ästen der A. pulmonalis nachgewiesen. Die daraus resultierende Vermischung von funktionellem und nutritivem Blut ist beim Hund umstritten. Die V. bronchooesophagea mündet meistens in die V. azygos dextra.

4.4.2 Nervenversorgung der Lungen

Die Lungen werden über autonome Plexus des sympathischen und parasympathischen Nervensystems innerviert. Mit den autonomen Nervenbahnen treten auch viszerosensible Nerven an die Lungenwurzel, ohne jedoch das Lungenparenchym mit schmerzleitenden Nervenfasern zu versorgen. image (2)

4.4.3 Aortenbogen (Arcus aorticus)

Der Aortenbogen entlässt zunächst den Truncus brachiocephalicus (7), der die Aa. carotis communis sinistra (1) und — dextra sowie die A. subclavia dextra abgibt. Die A. subclavia sinistra (9) geht separat fingerbreit distal aus der Konvexität des Aortenbogens hervor. Die rechte und linke A. subclavia entlassen je vier Arterien: A. vertebralis, Truncus costocervicalis, A. thoracica interna, A. cervicalis superficialis. image (3)

Die A. vertebralis (3) unterkreuzt den Truncus costocervicalis (2) medial und gelangt mit Nerv und Vene gleichen Namens in den Canalis transversarius der Halswirbelsäule. Der Truncus costocervicalis verzweigt sich in die A. cervicalis profunda (g), die A. scapularis dorsalis (f) und die A. vertebralis thoracica (h).

Die A. thoracica interna (5) unterkreuzt bei kaudoventraler Verlaufsrichtung den M. transversus thoracis. Ihre Äste perforieren hier die Brustwand und schicken Rr. mammarii zu den thorakalen Mammarkomplexen. In Höhe des Xiphosternum geht eine Arterie zum Zwerchfell ab, bevor die Aufteilung in die Aa. epigastrica cranialis und — cranialis superficialis erfolgt, die auf der Innen- resp. Außenfläche des M. rectus abdominis kaudal ziehen und hier mit den gleichnamigen kaudalen Gefäßen anastomosieren.

Die A. cervicalis superficialis entlässt den R. deltoideus zur seitlichen Brustfurche und verzweigt sich in der seitlichen Halsregion.

Direkt aus der Aorta descendens (12) oder aus den Interkostalarterien fünf bis sieben geht die A. bronchooesophagea hervor.

Die Aa. intercostales (11) verlaufen mit gleichnamigen Venen und Nerven direkt kaudal an den Rippen nach ventral und verbinden so die Aorta mit der A. thoracica interna.

4.4.4 Lymphknoten der Brusthöhle

Die Brusthöhle wird vom Lymphocentrum mediastinale versorgt. Die hierzu gehörenden Lnn. mediastinales craniales (6 und 67.J, mittlere und kaudale Lnn. mediastinales fehlen dem Hund, s. a. Kap. 4.3.2). Sie liegen im präkardialen Mediastinum besonders an der Wand großer Gefäßstämme oder der Eingeweide. Die Lnn. sternales craniales (4, kaudale Lnn. sternales fehlen dem Hund) befinden sich am Kranialrand des M. transversus thoracis. Die Lnn. intercostales kommen inkonstant proximal im fünften oder sechsten Interkostalraum vor. Die Einzugsgebiete liegen in unmittelbarer Umgebung der betreffenden Lymphknoten, und ihre Vasa lymphatica efferentia ziehen von den kranialen Mediastinallymphknoten direkt oder von den Lnn. sternales craniales und intercostales indirekt nach Durchfluss durch die Lnn. mediastinales craniales zum Venenwinkel. image (4)

 

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Textabb. 4.4–1: Ventralansicht der Lungen (Pulmones).

 

Cavum thoracis sinistrum

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4.4.5 Thymus

Der Thymus (s. 69.8) ist die Prägungsstelle der T-Lymphozyten. Gemäß der Herkunft aus der dritten und vierten Schlundtasche des Kiemendarmes gilt der Thymus als lympho-epitheliales Organ, das auf dem Anschnitt eine Gliederung in Mark und Rinde erkennen lässt. Ausbuchtungen des baumartig verzweigten Marks sind vom Rindenanteil überlagert und vom Bindegewebe der Organkapsel umlagert, woraus scheinbar eine Lappengliederung resultiert.

Der Thymus ist in der perinatalen Phase voll entfaltet. Bereits im Alter von vier bis sechs Monaten setzt eine Thymusinvolution ein, wobei das Parenchym mehr und mehr durch Fettgewebe ersetzt wird. Es bleiben aber immer noch winzige aktive Thymusinseln erhalten, selbst im höchsten Lebensalter.

Der Thymus reicht beim Neugeborenen vom Herzen bis wenige Millimeter über den Brusteingang hinaus. Die paarigen Organteile sind medial miteinander verwachsen und befinden sich im Mediastinalspalt. image (5)

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Lungenarterie des kranialen Lungenlappens zieht immer dorsal und parallel zur entsprechenden Lungenvene kranioventral. Beide Gefäße heben sich röntgenologisch im latero-lateralen Strahlengang vom lufthaltigen Lungengewebe deutlich ab und können aufgrund ihrer charakteristischen Lagebeziehung im latero-lateralen Röntgenbild sicher als Lungenarterie (dorsal) und -vene (ventral) identifiziert werden (Abb. 4.4–1).

(2)_____ Die fehlende oder nur gering ausgebildete viszerosensible Innervation des Bronchalbaumes und der Lunge ist die Ursache dafür, dass Lungen- oder Bronchaltumoren erst spät, oft zu spät, erkannt werden, da sie keine oder kaum Schmerzen verursachen.

(3)_____ Die Aorta und die abzweigenden herznahen großen Arterien sind an ihrer gelblichen Farbe als Arterien vom elastischen Typ erkennbar. Die Wand der Aorta ascendens dehnt sich, wenn das Blut in der Systole aus dem Herzen getrieben wird. In der folgenden Diastole zieht sie sich wieder zusammen und befördert das Blut so passiv weiter (Windkesselfunktion, s. Lehrbücher der Physiologie).

(4)_____ Der Ln. sternalis ist zwar der klinischen Diagnostik nicht direkt zugänglich, bei pathologischer Vergrößerung stellt er sich aber röntgenologisch im latero-lateralen Strahlengang gut dar.

(5)_____ Der Thymus (Abb. 4.4–2) ist ein primäres lymphatisches Organ, das bei vergleichend- anatomischer Betrachtung nur in einen Brustteil mit rechtem und linkem Lappen eingeteilt wird. Die Involution mit einhergehender Verfettung ist nie vollständig, da auch im hohen Alter noch funktionierende Reste erhalten bleiben. Foetal wandern nach überwiegender Meinung Stammzellen aus dem Knochenmark in den Thymus ein, wo sich die Tochterzellen zu Thymozyten differenzieren. Diese besiedeln von hier aus die sekundären lymphatischen Organe wie Lymphknoten und Milz und sind nach ihrer Prägung zu T-Lymphozyten für die zelluläre Immunität verantwortlich (unerwünschte Wirksamkeit bei der Transplantatabstoßung).

Eine Thymusatrophie mit Lymphozytenschwund kann bei Ernährungsstörungen, Stress und auszehrenden Krankheiten auftreten. Eine unphysiologisch verzögerte Rückbildung kommt bei endokrinen Störungen vor und kann die Folge einer frühzeitigen Kastration sein. Eine Thymushyperplasie mit Überfunktion tritt, ähnlich wie beim Menschen, selten auch bei jungen Hunden bei der Myasthenia gravis (neuromuskuläre Überleitungsstörung mit rascher Ermüdung der Muskulatur) auf. Durch Thymektomie (chirurgische Entfernung) konnte beim Menschen eine Besserung erreicht werden.

 

 

 

4.5 Vegetative Nerven in der Brusthöhle

4.5.1 Sympathikus

Der Sympathikus reicht mit seinem paarigen Grenzstrang (Truncus sympathicus) von der Kopf-Hals-Grenze bis zum Schwanz. Hinter dem Brusteingang ist der Grenzstrang durch seine Ganglien (Ganglia trunci sympathici —10) mit Zu- und Abflüssen (Rr. communicantes) annähernd segmental gegliedert. Durch longitudinale Rr. interganglionares (11) erfolgt eine Verknüpfung zu einer Kette von Ganglien, die den Wirbelkörpern ventrolateral anliegen und deshalb auch Paravertebralganglien genannt werden. Die Ursprungsperikarien liegen im Seitenhorn des thorakolumbalen Rückenmarksabschnittes. Ihre zentralen markhaltigen Nervenfasern verlassen in den Rami communicantes albi das Rückenmark und gelangen als Zuflüsse zu den Grenzstrangganglien. Ein Teil dieser Nervenfasern wird in den Grenzstrangganglien synaptisch umgeschaltet, die anschließenden peripheren marklosen Nervenfasern ziehen in den Rami communicantes grisei zu den somatischen Rückenmarksnerven. Marklose und markhaltige Nervenfasern liegen jedoch oft gemeinsam in gemischten Rami communicantes vor.

Der Halsgrenzstrang weist gegenüber den anderen Abschnitten die Besonderheit auf, dass er in deutlicher Entfernung zur Wirbelsäule mit dem N. vagus zum Truncus vagosympathicus vereinigt ist und an seinen drei Ganglien (Ggll. cervicale craniale, medium und caudale) keine Zuflüsse aus dem Rückenmark erhält und somit eine segmentale Gliederung vermissen lässt.

Die ersten drei paravertebralen Brustgrenzstrang-Ganglien bilden gemeinsam mit dem Ganglion cervicale caudale das Ganglion cervicothoracicum (stellatum —5, image (1)), von dem die zwei Schenkel der Ansa subclavia (6) ausgehen. Nach Umschlingung der A. subclavia sinistra resp. dextra vereinigen sich beide Schenkel wieder im undeutlichen Ganglion cervicale medium (4). Von hier werden die sympathischen Qualitäten im Truncus vagosympathicus über das Ganglion cervicale craniale zum Kopf geleitet (s. Kap. 8.11.3). Aus dem Ganglion cervicothoracicum werden folgende drei Astgruppen entlassen: Erstens ziehen marklose Nervenäste zu den Brusteingeweiden und werden nach diesen benannt (z. B. Nn. cardiaci —7), die auch Wurzeln aus der Ansa subclavia und dem Ganglion cervicale medium erhalten). Die sympathischen Nerven für die Brusthöhlenorgane durchflechten sich mit parasympathischen Fasern vom N. vagus und bilden gemeinsam mit diesen gemischte Plexus für die Brusteingeweide (Plexus cardiacus, — oesophageus und — pulmonalis). Zweitens gelangt der N. vertebralis (2) mit den begleitenden gleichnamigen Blutgefäßen in den Canalis transversarius der Halswirbelsäule und gibt hier seine sympathischen Qualitäten an die Halsnerven ab. Drittens ziehen schwache Rr. communicantes grisei (3) zum Plexus brachialis sowie zu den ersten vier Interkostalnerven und führen diesen sympathische Nervenqualitäten zu.

Aus dem Brustgrenzstrang geht noch vor seinem Übergang in den Lendengrenzstrang in Höhe des zehnten bis dreizehnten Brustwirbels der starke N. splanchnicus major (13) ab, der über den Arcus lumbocostalis des Zwerchfells in die Bauchhöhle zum Plexus solaris (s. Kap. 5.7.1) zieht. Der Brustgrenzstrang ist danach sehr dünn geworden und geht kontinuierlich in den wieder anschwellenden Lendengrenzstrang (s. Kap. 5.7.1) über.

4.5.2 Parasympathikus

Zum Parasympathikus gehören ein kranialer Gehirnanteil und ein kaudaler Sakralanteil. Von den Gehirnnerven III, VII, IX und X mit parasympathischen Faserqualitäten zieht der N. vagus (X —8) in die Körperhöhlen.

Im Halsbereich ist er im Truncus vagosympathicus enthalten. Am sympathischen Ganglion cervicale medium trennt sich der N. vagus vom Sympathikus und begleitet die Trachea bis zur Lungenwurzel, wo er Rr. cardiaci und bronchales (9) an die Plexus cardiacus und pulmonalis abgibt. Kaudal der Lungenwurzel gabeln sich der rechte und linke N. vagus in je einen langen Dorsal- und einen kurzen Ventralast. Die Dorsal- und Ventraläste beider Körperseiten vereinigen sich zu den Trunci vagales dorsalis et ventralis (12). Die Vagusstämme begleiten den Oesophagus dorsal resp. ventral durch den Hiatus oesophageus in die Bauchhöhle, wo sie die Bauchhöhlenorgane bis ein schließlich Colon transversum versorgen.

In der Brusthöhle entlässt der N. vagus noch den N. laryngeus recurrens. Der rechte N. laryngeus recurrens schlingt sich nach seinem Abgang um die rechte A. subclavia, und der linke N. laryngeus recurrens (1 image (2)) schlingt sich an der Herzbasis um den Aortenbogen. Danach ziehen die Nerven beider Körperseiten ventral der A. carotis communis zurück zum Kehlkopf. Der N. laryngeus recurrens entlässt Rr. tracheales und oesophagei und endet als N. laryngeus caudalis. Nach Abgang des N. laryngeus recurrens mit seinen motorischen und sensiblen Anteilen enthält der N. vagus neben viszerosensiblen Anteilen ausschließlich parasympathische Qualitäten. Die parasympathischen Umschaltungen von der markhaltigen präganglionären zur marklosen postganglionären Nervenfaser erfolgen bevorzugt dicht am Erfolgsorgan überwiegend in den intramuralen Ganglien.

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Verletzungen der Rückenmarkssegmente T1-T3 können den Sympathikotonus im Ggl. cervicothoracicum herabsetzen und sich als Horner-Syndrom am Auge (s. Kap. 8.11 image (4)) manifestieren. Durch Injektion eines Lokalanästhetikums an das Ggl. cervicothoracicum kann die sympathische Innervation des Kopfes, Halses und der gleichseitigen Schultergliedmaße vorübergehend unterbrochen werden (Stellatumblockade). Diese Methode wird in der Neuraltherapie, z. B. zur Bekämpfung chronisch-schmerzhafter Prozesse in der Gliedmaße, eingesetzt.

(2)_____ Schädigungen des N. layryngeus recurrens haben eine einseitige Lähmung der Kehlkopfmuskulatur (Hemiplegia laryngis, s. Kap. 8.14 image (7)) zur Folge, weshalb dieser Nerv beim chirurgischen Zugang zur Halswirbelsäule unbedingt zu beachten und zu schonen ist.

 

Nervi, Ateriae et Venae cervicis et thoracis

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4.6 Herz mit Herzoberfläche, Herzwand und Herzkranzgefäßen

Das Herz kombiniert die Funktionen einer Druck- und Saugpumpe zur Aufrechterhaltung des Blutkreislaufes. Es liegt im Mittelfellspalt und bildet mit seiner Längsachse zur Längsachse des Körpers einen kaudal offenen Winkel von 45–50°. Die Herzspitze zeigt nach kaudoventral und reicht bis zur ventralen Zwerchfellsinsertion. Das Herz liegt zwischen der 3. und 7. Rippe und befindet sich zu 4/7 links und zu 3/7 rechts der Medianen, da es sich in der Entwicklung um 90° gedreht hat. Die verwendeten Fachbegriffe leiten sich vom lateinischen „cor, cordis“ oder vom griechischen „cardia, -ae“ ab. Lagebezeichnungen wie Atrium dextrum beziehen sich auf das Herz selbst und nicht auf den Gesamtkörper. image (1)

4.6.1 Herzoberfläche

An der Herzoberfläche findet sich dorsal die Herzbasis (Basis cordis —1) an der alle Gefäße ein- resp. austreten. Die Herzspitze (Apex cordis —2) zeigt nach ventrokaudal. Die linke, arterielle Herzseite liegt kaudal und ist von der rechten, kranial gelegenen venösen Herzseite äußerlich durch ihre größere Ausdehnung zu unterscheiden, denn sie bildet allein die Herzspitze und weist eine dickere Wand auf. Der Margo ventricularis dexter (4) bildet die kraniale und der Margo ventricularis sinister (3) die kaudale Kontur des Herzens. Die linksseitig gelegene Facies auricularis des Herzens ist nach den Spitzen beider Herzohren (Auriculae atrii dextra —11 und sinistra —12) benannt, welche die großen arteriellen Gefäßstämme umgreifen. Die rechtsseitig gelegende Fläche wird nach den benachbarten Vorhöfen (Atrium sinistrum —5, Atrium dextrum —6) Facies atrialis bezeichnet. Zwischen beiden Herzohrspitzen verjüngt sich in der rechten Kammer (Ventriculus dexter —8) die Blutaustreibungsbahn zum Conus arteriosus (13), der sich in den Truncus pulmonalis fortsetzt. Das Lig. arteriosum verkehrt als Überbleibsel des embryonalen Ductus arteriosus in Höhe der Herzbeutelumschlagslinie zwischen Aorta und Truncus pulmonalis image (6), Abb. 4.6–3. Die Herzkammern sind auf der Facies auricularis durch den neben dem Conus arteriosus gelegenen Sulcus interventricularis paraconalis (14) getrennt, welcher Längsschenkel der Herzkranzgefäße enthält. Auf der Facies atrialis zieht der undeutliche Sulcus interventricularis subsinuosus (10) unter dem Mündungsgebiet der großen und mittelgroßen Herzvenen (Sinus coronarius —28) herzspitzenwärts. Der Sulcus coronarius (9) ist die äußerlich erkennbare Grenze zwischen Vorkammer- und Kammerbereich und enthält die Zirkulärschenkel der Herzkranzarterien. image (2)

4.6.2 Herzwand

Die Herzwand besteht aus dem sehr dünnen Endokard, dem mächtigen Myocard und dem sehr dünnen Epicard. Das Endocardium bedeckt lückenlos die innere Herzoberfläche und geht kontinuierlich in die Innenauskleidung der großen Blutgefäße über, die zum Herzen hinziehen oder von ihm wegziehen. image (3) Das Myocardium wird in das Arbeitsmyokard und das Erregungsbildungs- und -leitungsmyokard gegliedert. Die Dicke des weit überwiegenden Arbeitsmyokards spiegelt die lokalen Druckunterschiede wider. Es besteht aus quergestreiften Herzmuskelzellen, die mit ihren Enden aneinandergekoppelt sind und miteinander ein spitzwinkeliges Netzwerk bilden. Die Herzmuskelzellen sind in drei (äußere, mittlere und innere) Schichten angeordnet, die sich an der Herzspitze wirbelförmig durchflechten. Im Bereich des Conus arteriosus liegen zirkulär verlaufende Muskelzellbündel vor. Damit die Erregung nicht unkontrolliert von den Vorkammern auf die Kammer überspringen kann, bilden Vorkammer und Kammermuskulatur kein Kontinuum, sondern inserieren aus der jeweiligen Richtung kommend, am Herzskelett (s. Kap. 4.7.2). Das Erregungsleitungsmyokard (s. Kap. 4.8) enthält nur sehr wenige Myofibrillen, die bei funktioneller Spezialisierung zur Erregungsbildung und -leitung ihr Kontraktionsvermögen weitgehend oder vollständig eingebüßt haben. image (4) Das Epicardium ist eine dem Herzen aufliegende Serosaschicht, die der Lamina visceralis des Pericardium serosum entspricht. image (5)

4.6.3 Herzgefäße

Die Hauptäste der Herzkranzarterien und der Herzvenen verlaufen unter dem Epikard, von Fettgewebe umgeben, in der Herzkranzfurche (Sulcus coronarius —9). Die linke und rechte Herzkranzarterie entspringen aus dem erweiterten Anfangsabschnitt der Aorta (Sinus aortae) über den Taschenklappen. Die Herzkranzarterien können bezüglich ihres Verlaufes und des Versorgungsgebietes Variationen aufweisen, was bei der Diagnostik von Durchblutungsstörungen zu beachten ist.

Herzkranzarterien

Die A. coronaria sinistra (26) verlässt den Sinus aortae direkt oberhalb der Taschenklappe und teilt sich bei Unterquerung des linken Herzohres in die beiden Hauptäste: Der erste Hauptast, der Ramus interventricularis paraconalis (29) verläuft in der gleichnamigen Herzlängsfurche, wo er ein proximales und distales Kollateralgefäß an die linke Kammerwand abgibt. Der zweite Hauptast, der Ramus circumflexus (27) zieht in der Herzkranzfurche über kaudal nach rechts bis zum Sulcus interventricularis subsinuosus, wo er in den meisten Fällen in den Ramus interventricularis subsinuosus (28) übergeht.

Die A. coronaria dextra (24) entspringt kranial zwischen dem Ursprung des Truncus pulmonalis und der Auricula atrii dextri aus dem Sinus aortae. Sie zieht mit dem allein ausgebildeten Ramus circumflexus (25) in der Herzkranzfurche auf die rechte Herzseite (Facies atrialis) und läuft dort aus. image (7)

Dieser Verzweigungsmodus wird als links-koronarer Versorgungstyp bezeichnet. Ca. 10 % des vom Herzen ausgestoßenen Blutes dient der Herzeigenversorgung (Abb. 4.6–4).

Herzvenen

Die Herzvenen (Vv. cordis) werden in eine große (magna) und eine mittelgroße (media) Vene und kleine (minimae) Venen eingeteilt. Die V. cordis magna (31) verläuft zunächst im Sulcus interventricularis paraconalis, anschließend im Sulcus coronarius und geht ohne Richtungsänderung in den Sinus coronarius (30) über, der in die rechte Vorkammer mündet. Die V. cordis media (32) zieht aus dem Sulcus interventricularis subsinuosus direkt in den Sinus coronarius. Die kleinen Vv. cordis dextrae führen Blut aus der rechten Kammerwand direkt in den rechten Vorhof. Die Vv. cordis minimae leiten Blut aus dem subendocardialen Gewebe direkt in die angrenzenden vier Herzbinnenräume, besonders in die Vorkammern. Typisch für den Hund ist, dass eine Arterie meist von zwei Venen (je rechts und links) begleitet wird.

 

Facies atrialis

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Facies auricularis

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Zur Erfüllung seiner Funktion als Druck- und Saugpumpe durchläuft das Herz einen regelmäßigen Zyklus aus Kammermuskelkontraktion (Systole) und -erschlaffung (Diastole) mit einer Frequenz von 80 bis 120 Kontraktionen („Schlägen“) pro Minute. Die Frequenz ist stark von der Größe eines Individuums abhängig. Grundsätzlich gilt: Je kleiner das Individuum, desto höher ist die Frequenz. Es kann zu krankhafter oder iatrogener Erhöhung (Tachykardie) oder Erniedrigung (Bradykardie) der Frequenz kommen, welche medikamentell behandelt wird.

(2)_____ Die seitlichen Herzoberflächen liegen mit ihrem herzspitzenwärtigen Teil der linken und rechten Brustwand direkt an. Hier kann der Herzspitzenstoß am kräftigsten durch die Brustwand gefühlt werden und die Ankopplung eines Ultraschallkopfes zur sonographischen Herzuntersuchung (Echokardiographie) ist hier möglich (s. Abb. 4.7–1 bis 4.7–7).

Die Perkussion ermöglicht die Abgrenzung dieses Bereiches als Herzdämpfungsfeld. Die direkte Anlagerung des Herzens an die Brustwand erzeugt einen stark gedämpften Klopfschall (absolute Herzdämpfung). Randbezirke, in denen sich etwas Lunge dazwischenschiebt, erzeugen einen deutlich helleren Klopfschall (relative Herzdämpfung). Bei schräger Lage der Herzlängsachse liegt das rechte Herz mehr rechts und kranial und das linke Herz mehr links und kaudal, wodurch es bei Exspiration an das Zwerchfell grenzt. Auf dem Röntgenbild, bei latero-lateralem Strahlengang, liegt das Herz mit dem apikalen Ende seines Margo ventricularis dexter dem Sternum auf.

(3)_____ Beim Endocardium handelt es sich um ein reguläres Endothel, welches in die Innenauskleidung der abgehenden Riesengefäße übergeht. Entzündungen werden als Endokarditis bezeichnet und führen zu Fibrinauflagerungen, blumenkohlartigen Wucherungen und der Gefahr von Thrombenbildung.

(4)_____ Das Arbeitsmyokard kann ebenso wie die Skelettmuskulatur bei vermehrter Arbeit hypertrophieren. Eine gleichmäßige „harmonische“ Herzhypertrophie aller Myokardbereiche liegt bei vermehrter Leistung des ganzen Herzens vor (Sportlerherz). Bei unproportionierter Hypertrophie sind dagegen nur bestimmte Myokardabschnitte verdickt (z. B. die rechte Herzkammer bei einer Pulmonalstenose und die linke bei einer Aortenstenose). Da ein konstantes Zahlenverhältnis von Herzmuskelzellen zu versorgenden Blutkapillaren besteht, ist eine Hypertrophie nur in beschränktem Maße möglich. Wird ein Grenzbereich überschritten, so gleitet die Hypertrophie in eine Dilatation (Herzerweiterung) über, die röntgenologisch bei Kontrastmittelanwendung an der unterschiedlichen Herzwanddicke zu unterscheiden ist. Außerdem nimmt das dilatierte Herz eine stumpfkegelige Form an. (Das normale Herz ist spitzkegelig.) Ein dilatiertes Herz ist nicht mehr in der Lage, sein Blutvolumen in der Systole vollständig auszustoßen, so dass eine beachtliche Restblutmenge verbleibt, die sich mit dem zuströmenden Blut vermischt.

 

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Abb. 4.6–1: Persistenz der rechten Aorta. (1) Oesophagus, (2) Aorta descendens, (3) Ductus arteriosus.

 

(5)_____ Das glatte Epicardium als Serosa/Mesothelüberzug ermöglicht das reibungslose Gleiten zwischen Herz und Herzbeutel bei der Herzaktion.

(6)_____ Regulär schließt sich der pränatal offene Ductus arteriosus, über den der Blutstrom aus dem Truncus pulmonalis bei Umgehung der Lunge direkt in die Aorta geleitet wird, innerhalb weniger Wochen nach der Geburt vollständig zu einem bindegewebigen Überbleibsel, dem fibrösen Lig. arteriosum. Ein Persistieren des Ductus arteriosus (Abb. 4.6–3) führt aufgrund der veränderten Volumenverhältnisse zu einer starken Belastung des linken Ventrikels, da ein Teil des Blutvolumens (Shuntvolumen) von der Aorta direkt in den Truncus pulmonalis gelangt (Links-Rechts-Shunt) und von der Lunge über die Lungenvenen in den linken Vorhof. Der Rechts-Links-Shunt ist wesentlich seltener und entsteht beim Menschen aus einer Shuntumkehr. Bei der Auskultation eines Links-Rechts-Shunts sind typische „Maschinengeräusche“ hörbar. Ein persistierender Ductus arteriosus ist mitunter mit anderen Herzanomalien (z. B. Ventrikelseptumdefekten) gekoppelt. Durch einen operativen Eingriff kann der Ductus arteriosus mittels verschiedener Techniken verschlossen werden. Hierbei ist der linke N. laryngeus recurrens zu beachten, der vom N. vagus abzweigt und sich am Ductus arteriosus (Lig. arteriosum) um den Aortenbogen herumschlägt.

Bei abnormer Persistenz der rechten Aorta (s. Embryologie der Kiemenbogenarterien) anstelle der normalerweise vorhandenen linken Aorta, liegt die Rechts-Aorta rechts vom Oesophagus (normalerweise liegt die Aorta links davon). Bei dieser Abnormität zieht der deutlich verlängerte Ductus arteriosus vom stets links gelegenen Truncus pulmonalis dorsal über den Oesophagus hinweg zur abnormen Rechts-Aorta. Der Oesophagus wird dann durch den Ductus arteriosus eingeschnürt und ist präkardial stark erweitert (Ursache für eine Oesophagusdilatation. Die Dilatation ist röntgenologisch nach einer Bariumkontrastmittelgabe leicht nachweisbar (Abb. 4.6–2).

 

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Abb. 4.6–2: Kontrastdarstellung des präkardial erweiterten Oesophagus bei einem Hund mit Rechtsaorta und persistierendem Ductus arteriosus. (Röntgenbild: K. Gerlach, Berlin.)

 

 

(7)_____ Die Koronararterien sind nach streng anatomischen Kriterien keine Endarterien, da sie Anastomosen aufweisen. Reine Endarterien anastomosieren nicht miteinander und versorgen nur ganz bestimmte Gewebebezirke. Nach funktionellen Gesichtspunkten können jedoch die Koronararterien als Endarterien aufgefasst werden, da ihre Anastomosen so englumig sind, dass sie bei Thrombosierung einer Nachbararterie deren Blutversorgung nicht voll übernehmen können. Der Blutzufluss über die Koronararterien erfolgt in der Diastole. Bei abnormer Herzfrequenzerhöhung wird besonders die Diastole verkürzt, wodurch die Zeitspanne zur Eigenversorgung über die Koronararterien verkürzt und damit eine Unterversorgung der Herzmuskulatur verursacht wird.

Thrombosierung der Koronararterien führt zu Nekrosen im Myokard, die einen Herzinfarkt auslösen. Beim Überleben können die Herzmuskelzellen nicht regenerieren, sondern werden durch weniger belastbares Narbengewebe ersetzt. Eine Endokarditis in der linken Herzkammer erhöht die Thrombosierungsgefahr in den Herzkranzarterien, weil abgelöste Endokardanteile am Ursprung der Aorta direkt in die Koronararterien gelangen können. (Herzinfarkte sind beim Hund im Vergleich zum Menschen von untergeordneter Bedeutung.) Durchblutungsstörungen in den Herzkranzgefäßen verursachen beim Menschen die Angina pectoris, die heftige Herzschmerzen auslöst, welche auf den linken Arm ausstrahlen.

 

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Abb. 4.6–4: Häufigste Verlaufsform der A. coronaria dextra und sinistra beim Hund (links-koronarer Versorgungstyp).

 

4.7 Herzinnenverhältnisse und Klappenapparat

4.7.1 Herzinnenverhältnisse

Die Herzinnenverhältnisse werden entsprechend der Blutflussrichtung beschrieben. Das innen glattwandige Mündungsgebiet beider Hohlvenen (Sinus venarum cavarum resp. Sinus venosus —a) ist vom eigentlichen Atrium dextrum (A) mit seinen kammartig ins Vorkammerlumen vorspringenden Mm. pectinati (c) nur undeutlich abgegrenzt. Die großen herzeigenen Herzvenen, die V. cordis magna und — media münden ventral der Einmündung der kaudalen Hohlvene in den Sinus coronarius (b), der eine schlauchförmige Ausstülpung der rechten Vorkammer darstellt. Die Vv. cordis dextrae (d) und die Vv. cordis minimae münden separat in den rechten Vorhof.

Am Eingang des Ventriculus dexter (B) liegt die Valva tricuspidalis (e) mit ihren drei Zipfeln (Cuspides), die am Anulus fibrosus des Herzskelettes verankert sind. Von der wandständigen Cuspis parietalis (e'1) ziehen Chordae tendineae vornehmlich zum M. papillaris magnus (e"1), von der septumständigen Cuspis septalis (e'2) vornehmlich zu den unauffälligen Mm. papillares parvi (e"2) und von der undeutlichen Cuspis angularis (e'3, im Winkel zwischen den vorgenannten gelegen) vornehmlich zum M. papillaris subarteriosus (e"3, unter dem arteriellen Truncus pulmonalis gelegen).

An der Valva trunci pulmonalis (f) werden entsprechend der Lagebeziehung zum rechten resp. linken Herzen die drei Kläppchen als Valvulae semilunaris dextra (f1) resp. — sinistra (f2) resp. — intermedia (f3) bezeichnet. Zwischen beiden Herzhälften liegt im Vorkammerbereich das Septum interatriale (g). Wenn es gegen eine Lichtquelle gehalten wird, ist die durchscheinende Fossa ovalis (h) erkennbar. image (1) Da Epikard und Myokard hier fehlen, besteht die Fossa ovalis nur aus einer Duplikatur des Endokards. Durch das Ostium atrioventriculare (l) dextrum und — sinistrum strömt das Blut in beide Herzkammern, die durch ein dickes Septum interventriculare (m) vollständig getrennt sind. image (2)

In beiden Kammern führen sehnenartige Trabeculae septomarginales (n) Erregungsleitungsmuskulatur vom Septum zum Marginalbereich, besonders zu den warzenförmigen Muskeln. Trabeculae carneae (o) ragen besonders deutlich im Herzspitzenbereich beider Kammern als Fleischbälkchen ins Kammerlumen hinein. Die Chordae tendineae (p) sind Sehnenfäden, die an den Atrioventrikularklappen einen Klappenzipfel mit jeweils zwei Papillarmuskeln verbinden.

Im Atrium sinistrum (C) befinden sich fünf bis acht Ostia venarum pulmonalium (q). Der Ventriculus sinister (D) besitzt eingangs die Valva bicuspidalis (r), die mit ihrem parietalen Zipfel (Cuspis parietalis — r'1) über Chordae tendineae vornehmlich mit dem M. papillaris subauricularis (r"1) und mit ihrem septalen Zipfel (Cuspis septalis —r'2) vornehmlich mit dem M. papillaris subatrialis (r"2) verbunden ist. Die Austreibungsbahn zur Valva aortae (s) liegt zwischen dem septalen Zipfel und dem Kammerseptum. Die halbmondförmigen Kläppchen der Aortenklappe werden entsprechend ihrer Lagebeziehung zum rechten resp. linken Herzen resp. zum Vorkammerseptum als Valvulae semilunaris dextra (s1) resp. — sinistra (s2) resp. — septalis (s3) bezeichnet.

4.7.2 Klappenapparat

Der Klappenapparat besteht aus dem Herzskelett und den daran verankerten Herzklappen. Zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern sind Segelklappen und an der Basis der Aorta und des Truncus pulmonalis sind Taschenklappen ausgebildet. image (3) Das Herzskelett wird von den bindegewebigen Anuli fibrosi gebildet, die die Öffnungen zwischen Vorkammer und Kammer und von Aorta und Truncus pulmonalis umgeben und stellenweise Knorpeleinlagerungen enthalten. Zwischen den Atrioventrikularöffnungen und der Aorta liegen das Trigonum cartilagineum dextrum und die Cartilago cordis septalis. Außer den Herzklappen inseriert die Arbeitsmuskulatur am Herzskelett, welches in elektrophysiologischer Hinsicht als Isolator wirkt und so verhindert, dass die Vorkammererregung direkt auf die Kammern übertreten kann. Lediglich für den Durchtritt des Erregungsleitungssystems ist eine Öffnung ausgespart. image (4)

Weil alle vier großen Herzklappen etwa auf einer Ebene angeordnet sind, wird auch von der Ventilebene des Herzens gesprochen. Äußerlich ist die Ventilebene zwischen Vorkammer und Kammer durch die zirkulär verlaufende Herzkranzfurche markiert. Die Ventilebene verlagert sich bei der Herzaktion. Während der Kammersystole (Kontraktion) wird sie in Richtung Herzspitze verlagert und während der Kammerdiastole (Erschlaffung) wird sie in die ursprüngliche Position zurückverlagert. Während der Systole wird Blut ausgeworfen, und durch die Senkung der Ventilebene wird gleichermaßen Blut aus den Vorhöfen und den herznahen Venen angesaugt (Funktion als Saug- und Druckpumpe).

Die Segelklappen (Valva bicuspidalis —r und Valva tricuspidalis —e), die die Atrioventrikularöffnungen verschließen, werden von Sehnenfäden (Chordae tendineae —p) und von den Papillarmuskeln (Mm. papillares —e“, r“) auf der Höhe der Ventilebene gehalten, damit sie bei Umkehr des Blutflusses während der Kammersystole nicht in den Vorhofsbereich zurückschlagen, sondern sich mit ihren freien Rändern aneinander legen und so den Rückfluss des Blutes in den Vorhof verhindern. Die Zipfel der Segelklappen werden also passiv durch den Blutstrom geöffnet, nicht etwa durch die Papillarmuskeln. image (5)

Die Taschenklappen (Valva trunci pulmonalis —f und Valva aortae —s) bestehen formal aus drei schwalbennestähnlichen Einzeltaschen, welche rein passiv funktionieren. Sie werden in der Systole durch den Blutstrom seitwärts gedrückt und so geöffnet. Bei Strömungsumkehr in der Diastole werden sie jedoch aufgebläht, wobei sich die freien Ränder aneinander legen und so die Klappenöffnung verschließen und den Rückfluss von Blut in die Herzkammern verhindern. In dieser Phase erfolgt auch die Herzeigenversorgung, da die Sinus aortae gefüllt sind und nicht durch Klappen verschlossen. image (6)

 

Legenda (s. nebenstehende Abbildung)

A Atrium dextrum

a Sinus venarum cavarum
[Sinus venosus]

b Sinus coronarius

c Mm. pectinati

d Vv. cordis dextt.

 

B Ventriculus dexter

e Valva tricuspidalis
(Valva atrioventricularis dext.)

e'1 Cuspis parietalis

e'2 Cuspis septalis

e'3 Cuspis angularis

e"1 M. papillaris magnus n
r"1 M. papillaris subauricularis

e"2 Mm. papillares parvi

e"3 M. papillaris subarteriosus

f Valva trunci pulmonalis

f Valvula seminularis dext.

f2 Valvula semilunaris sin.

f3 Valvula semilunaris intermedia

 

g Septum interatriale

h Fossa ovalis

i Epicardium

j Myocardium

k Endocardium

 

l Ostium atrioventriculare

m Septum interventriculare

n Trabeculae septomarginales

o Trabeculae carneae

p Chordae tendineae

 

C Atrium sinistrum

q Ostia venarum pulmonalium

 

c Mm. pectinati

 

D Ventriculus sinister

r Valva bicuspidalis [mitralis] (Valva atrioventricularis sin.)

r'1 Cuspis parietalis

r'2 Cuspis septalis

 

r"1 M. papillaris subauricularis

r"2 M. papillaris subatrialis

 

s Valva aortae

s1Valvula semilunaris dext.

s2Valvula semilunaris sin.

s3 Valvula semilunaris sept.

 

Ventriculus dexter

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Basis cordis

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Atrium sinistrum et Ventriculus sinister

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imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie

(1)_____ Die Fossa ovalis ist die dünnste Stelle in der Vorkammerscheidewand. Sie entsteht durch den schlagartigen Verschluss des foetalen Foramen ovale beim ersten Atemzug während der Geburt infolge plötzlich veränderter Druckverhältnisse. Durch das Foramen ovale wird pränatal der Blutstrom an der noch funktionslosen Lunge vorbeigeleitet.

In der Foetalperiode fließt das sauerstoffreiche Blut von der Placenta über die V. umbilicalis und weiter über die V. cava caudalis in die rechte Vorkammer und von hier durch das Foramen ovale in die linke Vor- und linke Hauptkammer sowie durch Aorta, Truncus brachiocephalicus und A. carotis communis zum Kopf, der also sauerstoffreicheres Blut erhält und in seiner Entwicklung begünstigt wird. Das sauerstoffarme Blut aus der V. cava cranialis gelangt über die rechte Vorkammer (wo es sich mit dem vorgenannten sauerstoffreichen Blutstrom kreuzt) zur rechten Kammer und über den Truncus pulmonalis, Ductus arteriosus, die Aorta descendens zum kaudalen Körperteil, der somit sauerstoffärmeres Blut erhält und in seiner Entwicklung zurückbleibt.

(2)_____ Das Septum interventriculare besteht in seinem großen apikalen Bereich im Wesentlichen aus Herzmuskulatur. Nahe den Atrioventrikularklappen liegt ein kleiner membranöser (bindegewebiger) Bereich. Hier kann ein Foramen interventriculare als Anomalie vorliegen. Löcher im muskulären Bereich sind dagegen sehr selten. Beim Vetrinkelseptumdefekt (VSD) fließt das Blut entsprechend den unterschiedlichen Druckverhältnissen von der linken in die rechte Kammer.

(3)_____ Ein korrekter Ablauf der Klappenfunktion aller Herzklappen ist Grundvoraussetzungen für eine effektive Herzaktion. Diese besteht aus der Kammermuskelkontraktion (Systole) und Kammermuskelerschlaffung (Diastole). Beide bestehen aus je zwei Phasen und laufen am linken und rechten Herzen synchron ab (Abb. 4.7–1 bis 4.7–4).

In der Diastole sind in der ersten Phase (Entspannungs- oder Erschlaffungsphase) alle Klappen geschlossen, und es herrscht in der Kammer ein geringer bis fehlender Druck. In der zweiten Phase (Füllungsphase) werden durch den höheren Druck in der Vorkammer die Segelklappen durch den Blutstrom aufgestoßen, ebenso wie eine Tür durch einen Windstoß geöffnet wird. (Keinesfalls erfolgt die Öffnung durch Zug der Papillarmuskeln.) Die Kammerfüllung erfolgt in erster Linie durch die Senkung der Ventilebene (Klappenebene), wodurch Blut aus dem Vorhof in die Kammer gesaugt wird. Weitere Faktoren zur Kammerfüllung sind der Restdruck in den Hohlvenen und die Vorkammerkontraktion.

In der folgenden Systole kontrahiert sich die Kammermuskulatur. In der ersten Phase (Anspannungsphase) werden die Atrioventrikularklappen passiv geschlossen, weil der Druck in der Kammer größer wird als in der Vorkammer. Dadurch werden die Klappenzipfel der Segelklappen in Richtung Vorkammer gedrückt (Rückschlagventil). Die nun angespannten Chordae tendineae verhindern ein Zurückschlagen der Klappenzipfel in den Vorkammerbereich. Vielmehr legen sich die Ränder der segelförmigen Klappenzipfel so eng aneinander, dass ein dichter Verschluss entsteht. In der zweiten Phase (Austreibungsphase) wird das Blut bei weiterer Druckerhöhung in die abgehenden Gefäße (Aorta resp. Truncus pulmonalis) getrieben. Dabei werden die Taschenklappen passiv durch den Blutstrom aufgestoßen. Am Ende der Austreibungsphase fällt bei beginnender Diastole der Blutdruck in der Kammer unter den Druck in den Riesengefäßen und die drei taschenförmigen Kläppchen werden durch den rückstrebenden Blutstrom aufgebläht. Die Aufblähung bewirkt den Klappenschluss.

Der Schluss der Pulmonalis- und Aorten-Taschenklappen erzeugt den (kurzen) zweiten Herzton. Der (längere) erste Herzton entsteht durch Anspannungsschwingungen der Herzmuskulatur in der Kammersystole.

„Herz(neben)geräusche“ sind abnorme Geräusche, die durch Einengung (Stenose) sowie bei persistierendem Ductus arteriosus (= Strömungsgeräusche) oder durch mangelhaften Schluss (Insuffizienz) der Herzklappen (= Klappengeräusche) entstehen können.

(4)_____ Die Herzklappen sind am Herzskelett befestigt. Dieses ist partiell verknorpelt und beim Rind sogar partiell verknöchert und besteht aus den Anuli fibrosi (Faserringe) mit dazwischenliegenden Faserdreiecken. Es stabilisiert die Herzform und dient der Insertion des Vorkammer- und Kammermyokards, die aus beiden Richtungen an das Herzskelett herantreten, diese Grenze aber nicht überschreiten.

(5)_____ Die Insuffizienz der Valva bicuspidalis s. mitralis ist die häufigste Ursache einer Herzinsuffizienz beim älteren Hund. Sie beruht auf einer voranschreitenden Fibrosierung und Verdickung der Klappenränder (Endokardose) bei gleichzeitiger Verkürzung der Klappe. Der Rückstrom des Blutes führt zur Dilatation der linken Vorkammer sowie zum Rückstau in die Pulmonalvenen (Abb. 4.7–6/–7). Im Lungenkreislauf kommt es zur Blutdruckerhöhung, die bei hochgradigen Insuffizienzen den Übertritt von Flüssigkeit in die Lungenalveolen (Lungenödem) zur Folge hat.

Bei der Tricuspidalis-Insuffizienz ist die rechte Hauptkammer hypertrophiert. Der rechte Vorhof ist dagegen meist dilatiert, da ein Teil des Blutes durch das ungenügend geschlossene Ostium atrioventriculare dextrum zurückgetrieben wird (Reflux).

(6)_____ Die Valva trunci pulmonalis weist oft eine kongenitale Stenose (Pulmonalstenose) auf, gegen die der rechte Ventrikel arbeiten muss und somit hypertrophiert. Die Pulmonalisklappe ist ebenso wie die Aortenklappe eine Taschenklappe, deren drei Kläppchen (Valvulae) wie Schwalbennester an der Gefäßinnenwand befestigt sind. Beim Blutdurchstrom während der Kammersystole werden die Kläppchenränder an die Gefäßinnenwand gedrängt. Bei der Kammererschlaffung (Diastole) entfaltet der zurückstrebende Blutstrom die drei Kläppchen, so dass diese sich mit ihren Rändern dicht aneinanderlagern und so den Klappenschluss sichern.

Eine Insuffizienz der Valva aortae s. Aortenklappe (Abb. 4.7–5) ist beim Hund selten. Häufig ist dagegen die kongenitale (Rassedisposition Boxer) meist subvalvulär gelegene Aortenstenose. Die Einengung der linksventrikulären Ausflussbahn zieht eine Druckbelastung des linken Ventrikels nach sich, unter der es zur Hypertrophie des Myokards kommt (Abb. 4.7–3).

 

 

 

 

 

 

 

 

4.8 Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem

Das herzeigene Reizbildungs- und Erregungsleitungssystem ermöglicht dem Herzen eine selbstständige Herzaktion, die selbst bei Bewusstlosigkeit weiter funktioniert. Dieses System besteht aus modifizierten Herzmuskelzellen, dem Erregungsleitungsmyokard, das mit makroskopischanatomischen Methoden schwer darstellbar ist. Es handelt sich also nicht um Nervengewebe, erhält jedoch Impulse vom autonomen Nervensystem, das die Reizbildung und Erregungsleitung beschleunigt (Sympathikus) oder verlangsamt (Parasympathikus).

Der Sinusknoten (Nodus sinuatrialis —1), der Herzschrittmacher, liegt als übergeordnetes Reizbildungszentrum im Bereich des Sinus venosus zwischen der Mündung der V. cava cranialis und dem rechten Herzohr. Die hier entstehenden rhythmischen Erregungen führen zur Kontraktion der Vorkammer-Arbeitsmuskulatur und erreichen über diese den Atrioventrikularknoten (Nodus atrioventricularis —2), wo die Erregungsleitung verzögert wird. Das hier beginnende Atrioventrikularbündel (Fasciculus atrioventricularis, His-Bündel —7) tritt durch eine Lücke des Herzskeletts zur Kammerscheidewand, wo es sich in zwei Schenkel (Crus dextrum —8 und Crus sinistrum —9) teilt. Beide Schenkel des His-Bündels ziehen subendokardial in der jeweiligen Herzkammer spitzenwärts und gelangen teils durch Trabeculae septomarginales (10) auf kurzem Wege zu den Papillarmuskeln, ohne die Herzspitze zu passieren. Beide Schenkel spalten sich in feinere Fasern (Purkinje-Fasern) auf, die die Erregung zum Arbeitsmyokard und zu den Papillarmuskeln der Herzkammern weiterleiten. image (1)

4.9 Herznerven

Die Herznerven (s. Kap. 4.5) des autonomen Nervensystems modifizieren die Eigenrhythmik des Herzens. Der Sympathikus, der in den Nn. cardiaci verläuft, entstammt dem Ganglion cervicothoracicum (stellatum, b) sowie dem Ganglion cervicale medium (d) und bildet mit parasympathischen Anteilen vom N. vagus (X, f) oder dessen Abzweigung, dem N. laryngeus recurrens (a), das nervale Herzgeflecht (Plexus cardiacus). Von diesem treten die Nervenäste an das Herz, speziell an die Blutgefäße sowie an das Erregungsleitungs- und Arbeitsmyokard, heran und bilden außerdem einen weiteren (subendokardialen) Nervenplexus. image (2)

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842685161
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (Mai)
Schlagworte
Anatomie Bildgebende Verfahren Chirurgie Hund Klinische Anatomie Lehrbuch Röntgenanatomie Topographische Anatomie

Autor

  • BUDRAS ANATOMIE (Autor:in)

Die Autoren Die Herausgeber der 9. Auflage dieses Standardwerkes repräsentieren die Veterinäranatomie an den Standorten in Berlin, Hannover, Leipzig und München. Zu den Mitautoren gehören Anatomen und Kliniker nationaler und internationaler Einrichtungen.
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Titel: Atlas der Anatomie des Hundes