Zusammenfassung
Die übersichtliche Gestaltung des Leitfadens ermöglicht schnelles Nachschlagen auch im hektischen Praxisalltag. Rund 180 exzellente Abbildungen und ein thematisch geordnetes Arzneimittelregister samt Dosierungen erleichtern diagnostische und therapeutische Entscheidungen.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Veit Kostka · Marcellus Bürkle
Basisversorgung von Vogelpatienten
Abkürzungsverzeichnis
APV | Aviäre Polyomavirusinfektion |
AST | Aspartat-Aminotransferase |
BID | zweimal täglich |
CK | Creatinkinase |
G | Gauge |
IE | Internationale Einheiten |
i. m. | intramuskulär |
i. v. | intravenös |
KM | Körpermasse |
LDH | Laktatdehydrogenase |
MDT | Magen-Darm-Trakt |
NaCl | Natriumchlorid (Kochsalz) |
NSAID | Nonsteroid Antiinflammatory Drug |
PBFD | Psittacine Beak and Feather Disease |
PCR | Polymerase Chain Reaction |
PDD | Neuropathische Drüsenmagendilatation (Proventricular Dilatation Disease) |
p. o. | per os |
QID | viermal täglich |
s. c. | subkutan |
SID | einmal täglich |
TID | dreimal täglich |
TW | Trinkwasser |
Inhalt
1 Steckbriefe der wichtigsten Vogelarten
3 Klinischer Untersuchungsgang
3.5 Krallen- und Schnabelkürzen, Ringentfernung
4.1 Untersuchung einer Kropfspülung
4.2 Untersuchung einer (Sammel-)Kotprobe
4.3 Mikrobiologische Untersuchung von Abstrichen
5 Bakteriologie und Mykologie: Ergebnisinterpretation
6.1 Filme und Folien, Belichtung
6.4 Kontrastmitteluntersuchungen
7.2 Medikamentengabe in den Schnabel
8 Behandlungen durch den Tierbesitzer
9.1 Behandlungsschema Intensivbehandlung
10.2 Vorbereitung und Prämedikation
10.3 Technische Voraussetzungen
13.1 Notfall: Schock, Erste Hilfe
13.2 Notfall: Syrinxobstruktion
14.1 Atemwegsmykose (Aspergillose)
14.8 Macrorhabdose („Megabakteriose“)
14.9 Neuropathische Drüsenmagendilatation (Proventricular Dilatation Disease, PDD)
14.16 Atemwegserkrankungen bei Kanarienvögeln
Hersteller und Vertrieb von Produkten für die Vogelpraxis
Literaturempfehlungen (Auswahl)
Vorwort
Die Vogelmedizin folgt in ihrer Entwicklung mit einem zeitlichen Abstand den Innovationen der Kleintiermedizin. Dementsprechend sind die Standardverfahren der Kleintiermedizin heute auch an die Besonderheiten der Vogelmedizin adaptiert. Somit gehören Hämatologie und klinische Chemie, klassische Bildgebung mit Röntgen, Ultraschall und Endoskopie sowie mikrobiologische Nachweise auch spezieller Ziervogelerreger zum Standardrepertoire. Viele Arzneimittel aus der Kleintiermedizin haben ihren Weg – meist empirisch – in die Ziervogelbehandlung gefunden und ermöglichen oft lebensrettende Therapien. Als Beispiel genannt seien die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, über deren Existenz man vor zehn Jahren nahezu nichts wusste und die heute erfolgreich langfristig behandelt werden können. Neue bildgebende Verfahren wie Computertomographie und Kernspintomographie werden zunehmend häufiger am Vogelpatienten angewendet, auch endokrinologische Fragen werden vermehrt angegangen und die minimal-invasive Chirurgie beim Vogel ist in steter Entwicklung. Einer adäquaten medizinischen Versorgung von Ziervogelpatienten steht somit nichts im Wege.
Wie sieht die veterinärmedizinische Versorgung von Ziervogelpatienten jedoch in der Fläche aus? Trotz gewachsenen Kenntnisstandes beschränkt sich die kompetente Versorgung auf eine Hand voll Praxen und Kliniken, die sich teilweise oder ganz der Vogelmedizin verschrieben haben. Die Versorgung ist entsprechend lückenhaft, und Tierbesitzer müssen oft weite Wege auf sich nehmen, um Hilfe zu erfahren.
Warum ist die Situation so unbefriedigend? Am Willen der Kolleginnen und Kollegen mangelt es nicht. Jedoch bleibt in einem Studiengang, der weiterhin als Universalstudium durchgeführt wird, wenig Raum zur Spezialisierung, ja oft nicht einmal zur Schwerpunktbildung. Infolgedessen verfügen Berufsanfänger meist nicht über ausreichende Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten für die Behandlung von Vogelpatienten. Dies bessert sich auch im Berufsleben häufig nicht, da – siehe oben – nur wenige Arbeits- und Hospitanzstellen zur Verfügung stehen.
Wir haben in unserer praktischen Arbeit immer wieder festgestellt, dass es meist bereits an den praktischen Fertigkeiten mangelt – Fangen, Fixieren, die systematische klinische Untersuchung, Blutprobennahme, Behandlungstechniken. Deren Beschreibung findet sich jedoch oft nur fragmentarisch und meist nicht ausreichend bebildert in der Literatur. Mit diesem Buch wollen wir folgendes erreichen:
• Die grundlegenden Untersuchungs- und Behandlungstechniken ausführlich und nachvollziehbar in Wort und Bild beschreiben.
• Einen Untersuchungsgang darstellen, der auch für Nichtspezialisten praktikabel ist und alles Wesentliche umfasst.
• Alle wesentlichen diagnostischen Maßnahmen aufführen und Anhaltspunkte zur Befundbewertung geben.
• Die häufigsten Krankheiten der Ziervögel – mit dem Schwerpunkt auf den Psittaziden – beschreiben und aktuelle Therapien empfehlen.
• Die Einschätzung der Schwere einer Erkrankung erleichtern: daher unterscheiden wir zwischen Notfällen und häufigen Erkrankungen.
Besonderen Wert legen wir auf die intensivmedizinische Behandlung des Vogelpatienten. Es kann nicht oft genug betont werden, dass aufgrund der sprichwörtlichen Symptomarmut Vogelpatienten oft schwerer erkrankt sind, als es den äußeren Anschein hat. Einer einleitenden intensivmedizinischen Behandlung – Sauerstoff- und Wärmezufuhr, Flüssigkeitssubstitution, ggf. Zwangsernährung mit hochkalorischen Futtermitteln – kommt daher für einen Behandlungserfolg oft genauso viel Bedeutung zu wie einer korrekten Diagnose und entsprechenden Therapie.
Wir hoffen, mit diesem Buch einen Grundstein zu legen für eine bessere medizinische Versorgung von Vogelpatienten. Wie alle Tiere in Menschenobhut haben auch Vögel einen Anspruch auf körperliche und mentale Gesundheit.
Wir hoffen aber auch, allen interessierten Kolleginnen und Kollegen zu zeigen, dass Vogelmedizin machbar und beherrschbar ist und als wesentlicher Bestandteil der Klein- und Heimtierpraxis große persönliche Befriedigung verschaffen kann.
Hamburg und Karlsruhe | Veit Kostka |
1 Steckbriefe der wichtigsten Vogelarten
* Nymphensittiche bilden Nachgelege, d. h. das Entfernen der Eier ist keine Option zur Nachzuchtverhinderung, sondern kann Dauerlegen, Legenot und Erschöpfung der Weibchen auslösen.
Normalgewichte der einzelnen Vogelarten siehe Kapitel 3.6 (Körperkondition).

Abb. 1.2: Zebrafinken, links Hahn, rechts Henne.

Abb. 1.3: Wellensittiche, links Hahn, rechts Henne.

Abb. 1.4a, b: Nymphensittich Wildform: links Hahn, rechts Henne.

Abb. 1.5: Gruppe von Unzertrennlichen (Agaporniden).
Normalgewichte der einzelnen Vogelarten siehe Kapitel 3.6 (Körperkondition).

Abb. 1.7: Blaustirnamazone

Abb. 1.8: Gelbhaubenkakadu

Abb. 1.9: Gelbbrustara

Abb. 1.10: Beo
2 Vorbericht und Adspektion
2.1 Vorbericht
Allen Vögeln gemeinsam ist die Eigenart, erst bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf deutliche Symptome zu zeigen. Deswegen kommt bereits dem Vorbericht eine wichtige Rolle zu, um den Schweregrad einer Erkrankung einordnen zu können. Viele Erkrankungen können bereits durch einen ausführlichen Vorbericht differenzialdiagnostisch eingegrenzt werden.
Da Vögel in der Regel eher zu spät als zu früh oder gerade noch rechtzeitig dem Tierarzt vorgestellt werden, sollte dem Vogelpatienten Priorität bei der Behandlung eingeräumt werden. Dies gilt vor allem für die Terminvergabe per Telefon. Im Zweifelsfall sollte jeder Vogel als „Notfall“ in die Praxis einbestellt werden.
Häufige Haltungsfehler
• zu geringe Lichtintensität: mangelnde Vitalität, reduzierte Stoffwechselprozesse
• zu lange Beleuchtung (>12 Std. tägl.): Stress, Federrupfen
• zu wenig UV-B-Strahlung:
– Hypovitaminose D: bei Belastungen des Kalziumstoffwechsels (z. B. Eianbildung) kommt es zu Mangelerscheinungen: Krämpfe, Knochenerweichungen
• zu geringe Luftfeuchtigkeit: Haut- und Atemwegsprobleme
• zu kleine Käfige / Volieren: Tierschutzrelevanz, Adipositas
• Einzelhaltung: Tierschutzrelevanz, Adipositas
Häufige Ernährungsfehler
• zu fettreiche Ernährung: Adipositas, Hepatopathien, Pododermatitis
• zu wenig Mineralstoffe und Spurenelemente: Mangelerscheinungen, Gefiederprobleme
• Papageien: Fütterung „vom Tisch“!
• alle Vögel benötigen zusätzlich zum Grundfutter (siehe Steckbriefe):
– Grünfutter (Obst, Gemüse, Wildkräuter)
– Mineralstoffe (Sepiaschale, Kalksteine, Vogelgrit, ggf. auch Ergänzungsfuttermittel wie Korvimin ZVT®)
– Vitamine (z. B. Korvimin ZVT®)
• Zur Zucht und während der Mauser muss zusätzlich Eiweiß zugeführt sowie die Vitamin-, Mineralstoff- und Spurenelementversorgung optimiert werden.
Frage | Hintergrund |
Was ist dem Patientenbesitzer aufgefallen? | Leichte Symptome (z. B. Verhaltensauffälligkeiten) fallen oftmals nur dem Besitzer auf |
Wann traten diese Veränderungen auf? | Akutes oder chronisches Problem? |
Hat sich die Futter- / Wasseraufnahme geändert (mehr oder weniger)? | Wellensittich: gesteigerte Futteraufnahme bei Macrorhabdus ornithogaster (Megabakteriose) |
Wurden Veränderungen an den Fäzes festgestellt? | Diarrhö oder Polyurie? |
Wurden Veränderungen bei der Atmung festgestellt? | Problembereich Aspergillose (Papageien) |
Wurden bereits tierärztliche Maßnahmen ergriffen? | Vorbehandlung durch Kollegen (Antibiotikaeinsatz, Antibiogramm?) |
Wurden bereits andere therapeutische Maßnahmen eingeleitet? | Eigenbehandlungen, z. B. Empfehlungen aus Internetforen |

Abb. 2.1: Welcher Vogel ist krank? Der linke Wellensittich zeigt glatt anliegendes Gefieder, der rechte ist trotz Stresssituation (Praxis) aufgeplustert. Beide Tiere sind adulte Männchen (blaue Wachshaut).

Abb. 2.2: Dieser Glanzsittich zeigt als Folge einer vorausgegangenen Paramyxovirusinfektion eine permanente Kopfschiefhaltung.

Abb. 2.3: Auf dem Boden sitzender Zwergara, der aufgrund hochgradiger Schwäche und Atemnot Kopf und Hals durch Einhängen des Schnabels in das Käfiggitter stützt. (Copyright Klinik für Vögel und Reptilien, Universität Leipzig.)
2.2 Adspektion
Spätestens bei der Adspektion muss entschieden werden, ob es sich um einen akuten Notfall handelt, oder nicht.
Ein kranker Vogel wird unter allen Umständen versuchen, seine Krankheitsanzeichen zu verbergen, besonders in der für ihn bedrohlichen Praxissituation.
Somit ist ein Vogel, der in der Praxis deutliche Krankheitsanzeichen zeigt, grundsätzlich als Risikopatient einzustufen!
Risikoanzeichen sind:
• Aufplustern (Abb. 2.1)
• Atemnot
• ZNS-Symptome (Abb. 2.2)
• Einhängen des Schnabels ins Käfiggitter (Abb. 2.3)
• auf dem Boden sitzen (Abb. 2.4)
Bei lebensbedrohlichen Zuständen ist zunächst das Augenmerk auf eine lebenserhaltende Notfalltherapie (Kap. 9.2, 13.1) zu richten. Erst nach der Stabilisierung des Patienten sollten diagnostische und weitere therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden. Vor Einleitung jeglicher Maßnahmen, also bereits vor dem Herausfangen des Vogels aus dem Käfig, ist der Besitzer nachdrücklich auf den Zustand des Patienten und die mit der Handhabung einhergehenden Risiken hinzuweisen!
Lebensbedrohliche Notfälle
Hochgradige Dyspnoe: Deutliche Symptome für eine hochgradige Dyspnoe sind Atmen bei geöffnetem Schnabel, pfeifende oder röchelnde Atemgeräusche, starke Bewegung des Brustkorbes und / oder Bauches sowie Schwanzwippen.
Gründe hierfür können u. a. sein: Verengung der oberen Atemwege (Aspergillosegranulom), raumgreifende Prozesse in der Zölomhöhle (z. B. Aszites, Legenot) oder chronische Atemwegserkrankungen mit akuter Verschlechterung.
Bei obstruktiven Veränderungen der oberen Luftwege ist in vielen Fällen das Einbringen eines Luftsackkatheters unabdingbar (Kap. 13.2).
Schockzustände: Schockzustände sind oftmals Folge eines schweren Flüssigkeitsverlustes oder von Traumata sowie Endstadien chronischer Erkrankungen. Vögel, die in einem solchen Zustand in der Praxis vorgestellt werden, zeigen oftmals ein deutlich reduziertes Allgemeinbefinden, einhergehend mit gesträubtem Gefieder, geschlossenen Augen und allgemeiner Schwäche. Nicht selten sind solche Patienten nicht mehr in der Lage, sich auf der Sitzstange zu halten.
Die Therapie beinhaltet eine Flüssigkeitssubstitution, Ruhe, Wärme und Sauerstoffzufuhr in einer Sauerstoffbox (Kap. 9.2).
Schwere Blutungen: Schwere Blutungen können Folge von abgerissenen Gliedmaßen, Bisswunden oder anderen Verletzungen sein. Im Vergleich zum Säugetier kommen lebensbedrohliche Blutungen beim Vogelpatienten jedoch weitaus seltener vor. Selbst bei Gliedmaßenabrissen (durch Greifvögel, Marder oder andere Fressfeinde) kommt es nur selten zu einem lebensbedrohlichen Blutverlust. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass Vögel gegenüber Blutverlust weitaus toleranter sind als Säugetiere. Toleriert werden Verluste von bis zu 50 % des Blutvolumens.
Wachsende Federn („Blutfedern“) haben eine starke Blutversorgung. Werden sie verletzt, können langdauernde Blutungen auftreten. Eine effektive Blutstillung ist nur möglich, indem die betroffene Feder ausgezogen wird, am besten mit Hilfe einer Klemme.
Bei schweren Blutungen sollte durch Verbände versucht werden, diese zu stoppen, um dann eine „Schocktherapie“ (Kap. 9.2) durchzuführen.
Handelt es sich bei dem vorgestellten Patienten nicht um einen akuten Notfall, wird die Adspektion in der nachfolgend beschriebenen Reihenfolge fortgeführt.
Verhalten
Weicht das Verhalten vom sonst üblichen Verhalten ab (Vogel ist ruhiger, schläft mehr, ist nervös, trennt sich vom Partner, sucht den engen Kontakt zum Menschen …)?
Körperhaltung
• Vogel sitzt gekrümmt, liegt mit der Brust auf der Stange, Rücken-Schwanz-Linie ist gebrochen (Hinweis auf allgemeine Schwäche, Schmerzen im Abdomen oder bei gebrochener Rücken-Schwanz-Linie auf Nierenerkrankung).
• Vogel schläft auf zwei Beinen (gesunde Papageienartige schlafen in den meisten Fällen auf einem Fuß)
• Schwanzwippen (Hinweis auf Atemwegsstörung oder eventuell Legenot)
• Extremitäten (ein oder beide Flügel hängen leicht nach unten, Fuß wird nicht belastet) (Abb. 2.5, 2.6)

Abb. 2.4: Schwerstkranker Wellensittich: Augen geschlossen, verklebtes Kopf- und Nasengefieder, breitbeiniges Sitzen auf dem Boden.

Abb. 2.5: Der rechte Flügel dieses Wellensittichs hängt tiefer herab als der linke. Ursache ist eine Erkrankung des Karpometakarpalgelenkes.

Abb. 2.6: Schonhaltung: Das linke Bein wird nicht belastet. Ursache ist hier eine Unterschenkelfraktur.

Abb. 2.7: Alles weist auf einen kranken Vogel (Blaustirnamazone) hin: Augen leicht geschlossen, Schnabel leicht geöffnet, Gefieder gesträubt. Beachte auch die Käfighygiene: kotverschmiertes und rostiges Gitter, abgenutzte Sitzstange.

Abb. 2.8: Verwahrloster Käfig: eine Mischung aus Einstreu, Fäzes, Futterresten und Federn.
Gefieder
Gesträubte Federn, angefangen vom leichten Aufstellen des Nackengefieders, bis hin zum Sträuben des gesamten Gefieders, dienen der Wärmeregulation. Im Anfangsstadium einer Erkrankung werden oft nur einige Federn im Kopf- und Nackenbereich aufgestellt; dies kann aber auch ein Drohverhalten sein! Ebenso ist auf Verschmutzungen (Kopfgefieder, Kloake, Schwanzunterseite) und Gefiederschäden zu achten.
Augen
Hier gilt es gut zu beobachten. Kranke Tiere haben die Augen zu Beginn eines Krankheitsgeschehens meist ganz leicht geschlossen (Abb. 2.7). Um dieses leichte Schließen zu erkennen, muss man sehr genau hinsehen! Bei Krankheiten verschwindet auch der Glanz aus den Augen der Tiere. Schwerkranke Tiere haben die Augen ganz geschlossen (Abb. 2.4).
Kot und Urin (Fäzes)
Achten auf Menge, Farbe und Konsistenz:
• Menge: Mehr oder weniger Kot als üblich ist ein Hinweis auf eine Störung.
• Farbe: Kann sehr von den aufgenommenen Futtermitteln abhängig sein, sollte aber trotzdem gut beobachtet werden.
• Konsistenz: Kann dünner oder dicker als normal sein. Wichtig ist zu unterscheiden, ob es sich um Durchfall oder um eine vermehrte Harnausscheidung handelt. In der Praxis ist häufig eine stressbedingte Polyurie zu beobachten. Deshalb den Besitzer fragen: Wie sind die Fäzes zu Hause beschaffen?
Zu den einzelnen pathologischen Veränderungen der Fäzes und ihrer Bedeutung siehe Kapitel 14.6.
Käfighygiene und -einrichtung
• Macht der Käfig den Eindruck, als sei er „gerade eben gesäubert“ oder ist er stark verschmutzt (Abb. 2.8)?
• Welche Sitzstangen werden benutzt (Naturäste, Plastikstangen …)?
• Wird der Durchmesser der Sitzstangen dem Vogelfuß gerecht?
• Spielzeug: Welches? Materialien? Verletzungsgefahr?
3 Klinischer Untersuchungsgang
3.1 Hilfsmittel
Die klinische Untersuchung des Vogelpatienten wird durch folgende Hilfsmittel erleichtert (Bezugsquellen siehe Anhang 2):
• Waage, grammgenau, mit Plastikboxen verschiedener Größe (für Kleinvögel, Papageien) bzw. Ständern für zahme Großsittiche und Papageien
• zum Einfangen Papierhandtücher für Kleinvögel, Stoffhandtücher für Papageien
• Pinzette zum Offenhalten des Schnabels bei Kleinvögeln (Wellensittich, Agapornide), alternativ 1-ml-Einwegspritze
• Schere stumpf / stumpf oder Schnabelspreizer zum Offenhalten des Schnabels bei Großsittichen und Papageien, ersatzweise Einwegspritzen: 2, 10 und 20 ml.
• Otoskoplampe oder Kopflampe zum Ausleuchten der Schnabelhöhle
• Knopfsonden in verschiedenen Längen und Durchmessern zur Gewinnung von Kropfspülproben
• Wattetupfer für die Probenentnahme
3.2 Planung der Untersuchung
Eine geplante Untersuchung des Vogelpatienten minimiert Risiken. Da Vogelpatienten häufig in fortgeschrittenen Krankheitsstadien vorgestellt werden, kommen der Risikoabschätzung, Anpassung des Untersuchungsgangs an den Zustand des Patienten und ggf. einer diesbezüglichen Besitzeraufklärung besondere Bedeutung zu.
Die Untersuchung im Käfig durch Adspektion hat u. a. die Risikoeinschätzung des Patienten zum Ziel (Kap. 2.3). Entsprechend dem Ergebnis der Adspektion sollte geplant werden, ob und welche Untersuchungen durchgeführt werden.
Der Zeitraum, der durchschnittlich für die Untersuchung eines fixierten Vogelpatienten zur Verfügung steht, beträgt für einen mittelgroßen Vogel (ca. 500 g KM) 5 Minuten.
Innerhalb dieses Zeitraumes bedingt die gesteigerte Herzfrequenz eine erhöhte Stoffwechselleistung und damit einen Anstieg der Körpertemperatur. Am Patienten macht sich dies durch Erhöhung der Atemfrequenz und ggf. Hecheln bemerkbar. Bei Eintritt dieser Anzeichen ist die Untersuchung abzubrechen.
Notfalluntersuchung
Bei Patienten mit erhöhtem Untersuchungsrisiko sollte der Untersuchungsgang begrenzt werden auf folgende Fragestellungen:
• Dyspnoe: inspiratorisch / exspiratorisch?
– inspiratorisch, mit Stenosegeräuschen
= Verlegung im oberen Respirationstrakt
→ Sauerstoffkäfig, Luftsackkatheter (Kap. 13.2)
– exspiratorisch, ohne Stenosegeräusche
= Erkrankung des tiefen Atmungstraktes
→ Sauerstoffkäfig, kein Luftsackkatheter (Kap. 14.6)
• Bauch / Kloake: geschwollen = Verdacht auf Aszites! (Kap. 14.10)
• Brustbemuskelung: akut krank oder ausgezehrt? (Kap. 3.6, Körperkondition)
• Gliedmaßen, Schnabel, Auge: Verletzung, Fraktur? (Kap. 13.6)
Notfallröntgen
Cave: Bei Patienten mit Aszites: Wegen des fehlenden Zwerchfells kann in Rückenlage (ventro-dorsale Projektion) Aszitesflüssigkeit retrograd in die Lunge fließen!
Hochgradig instabile Patienten mit Verdacht auf Schwermetallvergiftung werden in einer Wiegebox sitzend geröntgt.
Vor Beginn der Untersuchung:
• Kassetten aufbauen
• Gerät einstellen
• Schutzkleidung anlegen
Notfallbehandlung
Vor dem Herausfangen muss alles vorbereitet sein:
• Sauerstoffkäfig (Kap. 9.2)
• Medikamente aufziehen, aufwärmen und bereitlegen: z. B. Antibiotikum, Flüssigkeitsinfusion

Abb. 3.1: Optimale Fixation: Der Kopf ist sicher am Unterkiefer fixiert. Die Brust ist nicht eingeengt. Flügel und Beine sind mit einer Hand erfasst. Der Vogelkörper ist gut gestreckt.
3.3 Fangen und fixieren
Zahme Vögel, die sich anfassen lassen, können vom Halter an die Hilfsperson übergeben werden. Alle anderen Vögel werden direkt aus dem Käfig oder der Transportbox gefangen. Das Fangen sollte zügig, jedoch ohne Hektik vonstatten gehen. Kleinvögel bis Nymphensittichgröße werden mit einem Papiertuch gefangen, größere Vögel mit einem Handtuch. Vor dem Fangen werden ggf. Stangen und Spielzeug entfernt.
Cave: Die Käfigtür muss groß genug sein, um den Vogel entnehmen zu können (z. B. Papagei im Wellensittichkäfig).
Fangen
Der Vogel wird mit der durch ein Tuch geschützten Hand von hinten am Kopf ergriffen und mit Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger im Bereich der Kiefergelenke fixiert. Das klappt am besten, wenn der Vogel den Schnabel gerade ins Käfiggitter eingehängt hat. Der Vogelkörper kann, muss aber nicht durch die zweite Hand unterstützt werden.
Der Vogel wird, ggf. nach Lösen der Krallen aus dem Käfiggitter, aus dem Käfig genommen. Breitet der Vogel die Flügel aus, müssen diese beim Passieren der Käfigtür vorsichtig in Richtung Körper angelegt werden.
Fixieren
Der Griff am Kiefer wird beibehalten, die Augen müssen dabei sichtbar bleiben. Die zweite Hand fixiert die Hintergliedmaßen: Zeigefinger und Daumen bzw. Zeigefinger und Mittelfinger fixieren zusammen je ein Hinterbein und den zugehörigen Flügel (Abb. 3.1, 3.2a–e).
Der Vogelkörper muss stets durch Zug gestreckt werden, um Abwehrbewegungen zu minimieren. Zusätzlich kann die den Vogel haltende Hilfsperson sich den Vogelkörper an die Brust drücken, um einen Flügel zu fixieren. Mit den übrigen Fingern der rechten Hand kann der Flügelbug an den Vogelkörper gedrückt werden (Abb. 3.1).
Abb. 3.2a–e: Technik der Fixation:
a, b Schädel eines Hyazintharas: Die Fixation erfolgt am Unterkiefer, der meiste Druck lastet auf der Mandibula. Im Bereich des Kiefergelenkes (b, unter dem Zeigefinger) wird nur geringer Druck ausgeübt.
c Fixation am Unterkiefer: Es wird kein Druck auf die Augen oder das Kiefergelenk ausgeübt.
d, e Eine Hand fixiert Hintergliedmaßen und Flügel: Zeigefinger und Daumen bzw. Zeigefinger und Mittelfinger fixieren zusammen je ein Hinterbein und den zugehörigen Flügel (e Ansicht von dorsal).

Abb. 3.3: Atemmechanik des Vogels: Die Bewegungsfreiheit des Brustbeins ist unabdingbar für In- und Exspiration.

Abb. 3.4: Fixation im Handtuch: Der Kopf wird weiter manuell fixiert. Das Handtuch beschränkt die Bewegungsfreiheit der Flügel und Beine. Geeignet für kleinere Manipulationen.

Abb. 3.5: Fixation Kleinvögel: Ein Wellensittich kann problemlos mit einer Hand so fixiert werden, dass der Kopf sicher erfasst ist, die Brust frei ist, die Hintergliedmaßen fixiert sind und der Vogelkörper gut gestreckt ist.
Keinesfalls darf bei der Fixation die Bewegung des Brustbeins eingeengt werden, da dadurch die Atemmechanik stillgelegt werden kann (Abb. 3.3)!
Für kleinere Eingriffe (Injektionen, Krallenschneiden) kann der Patient locker in ein Handtuch gewickelt werden. Der Kopf muss weiter manuell fixiert werden, Beine und Flügel werden durch das Handtuch in Position gehalten. Aufgrund der geringeren Bewegungseinschränkung ist diese Fixation weniger stressbehaftet und wird besser toleriert (Abb. 3.4).
Wellensittiche und Finkenvögel können mit etwas Übung auch in einer Hand fixiert werden (Abb. 3.5).
Wie viel Zeit bleibt für die Untersuchung am fixierten Patienten?
• durchschnittlich etwa 5 Minuten
Wann muss die Hilfsperson den Vogel sofort loslassen?
• wenn der Vogel schnell atmet
• wenn der Vogel die Augen schließt
• wenn die Körperspannung nachlässt
• wenn der Vogel überhitzt (dies bemerkt als erstes die Person, die den Vogel fixiert)
• im Zweifelsfall!
3.4 Wiegen
Vogelpatienten sollten bei jeder Vorstellung gewogen und das Gewicht sollte protokolliert werden. Die regelmäßige Gewichtskontrolle ist die beste Maßnahme zur Früherkennung von Krankheiten und sollte auch dem Tierbesitzer geraten werden. Eine genaue Erfassung des Gewichtes ist zudem Voraussetzung einer exakten Arzneimitteldosierung.
Durchführung:
• Wiegen der Transportbox mit und ohne Vogel (Abb. 3.6a)
• Wiegen zahmer Vögel auf einem Ständer (Abb. 3.6b)
Zur Beurteilung der Kondition siehe Kapitel 3.6, Körperkondition.
Abb. 3.6a, b: Das Wiegen erfolgt in Plastikboxen (a), zahme Vögel können auf einem Ständer gewogen werden (b).

Abb. 3.8: Korrekte Stangendicke: Der Vogelfuß liegt breitflächig auf, die Druckverteilung ist optimal.

Abb. 3.9: Technik des Krallenkürzens:
1 = zu lang,
2 = korrekt,
3 = zu kurz (Blutung, Beschädigung des Krallenbeines).
3.5 Krallen- und Schnabelkürzen, Ringentfernung
Übermäßiges Krallen- und Schnabelwachstum (Abb. 3.7) sind Hinweise auf:
• ungenügende Abnutzung: ungeeignete Sitzstangen, keine Nagemöglichkeiten
• Lebererkrankungen (Kap. 14.2.)
Sitzstangen sollten unterschiedliche Dicken haben. Mindestens eine Stange muss so dick sein, dass der Vogelfuß sie nicht vollständig umfassen kann (Abb. 3.8). Die zum Schlafen vorzugsweise benutzte Stange sollte diese Dicke haben, da der Vogel dort die meiste Zeit verbringt. Naturholzstangen sind vorzuziehen. Stangen mit rauen Belägen, die den Krallenabrieb fördern sollen, schädigen meist die Fußhaut und sind daher abzulehnen. Plastikstangen mit Rillen, zu dünne aber auch zu dicke Stangen, viereckige oder scharfkantige Stangen führen durch punktuell starke Druckbelastungen zu Pododermatitiden (Kap. 3.6, Beine und Füße).
Das Krallenkürzen erfolgt im nicht durchbluteten Bereich mit einem Schrägschnitt (Abb. 3.9). Treten Blutungen auf, ist das Gefäß zu kauterisieren.
Beim Schnabelkürzen ist neben der Längenkorrektur die Wiederherstellung einer physiologischen Schnabelform anzustreben. Insbesondere ist auf den Erhalt bzw. die Wiederherstellung der Feilkerbe bei Psittaziden zu achten (Abb. 3.10). Bei übermäßiger Korrektur können auch hier Blutungen auftreten.
Kreuzschnäbel entstehen durch Deformationen der knöchernen Schnabelgrundlage (Abb. 3.11). Nach Verfestigung des Skeletts, d. h. spätestens mit Beendigung des Größenwachstums beim Jungvogel, sind diese Deformationen nicht mehr dauerhaft korrigierbar, es müssen lebenslang Korrekturen des Hornwachstums im Abstand von 3–4 Monaten durchgeführt werden.
Für die Ringentfernung eignen sich neben speziellen Fußringsägen insbesondere Beißzangen, die auch bei eingewachsenen Ringen (Abb. 3.12) gut eingesetzt werden können.
Cave: Bei eingewachsenen Ringen besteht erhöhte Frakturgefahr!
Instrumente: Nagelclipper, Krallenschere, Fußringzange, Minibohrmaschine (z. B. Dremel) mit Trennscheiben- und Schleifaufsätzen (Abb. 3.13).

Abb. 3.10: Technik des Schnabelkürzens: Wiederherstellen der korrekten Länge (1), Erhalt bzw. Wiederherstellen der Feilkerbe (2)

Abb. 3.11: Kreuzschnabel bei einem Gelbbrustara.

Abb. 3.12: Hochgradige Fußschwellung und eitrige Dermatitis durch einen Fußring.

Abb. 3.13: Materialien zur Krallen- und Schnabelkorrektur: Diverse Krallenscheren, Fußringsäge (Mitte), Minibohrmaschine Dremel mit Schleifaufsatz (rechts).

Abb. 3.15: Fortgeschrittene Knemidokoptesräude bei einem Wellensittich: Schnabel, Wachshaut, die Haut im Schnabelwinkel und im Augenbereich sind mit borkigen Auflagerungen überzogen. Gut sind die Bohrgänge der Milben zu erkennen.
3.6 Klinische Untersuchung
Augen
Augen und Konjunktiven sind stets zu untersuchen. Die Konjunktiven sind blassrosa und feucht. Konjunktivitiden sind häufig, Ursache sind meist Infektionen (Bakterien, Mykoplasmen, Chlamydophila, Viren). Insbesondere bei Wellen- und Nymphensittichen sind häufig Chlamydophila-Infektionen die Ursache. Generell sollte bei allen Erkrankungen des oberen Respirationstraktes – Rhinitis, Sinusitis, Konjunktivitis – eine mögliche Chlamydophila-Infektion berücksichtigt und Proben für weiterführende Untersuchungen sollten entnommen werden.
Die Proben müssen vor Einleitung einer antibiotischen Therapie entnommen werden. Für Chlamydophila-Infektionen bei Psittaziden, also Psittakose (Kap. 14.12), besteht Anzeigepflicht!
Eingefallene Augen weisen auf eine Dehydratation von mehr als 10 % hin (Abb. 3.27, Kap. 3.6, Körperkondition).
Die ophthalmologische Untersuchung des Vogelauges erfolgt analog zu der des Säugers, es ist das gleiche Instrumentarium zu verwenden.
Cave: Pupillenreaktionen sind beim Vogel willkürlich!
Nase, Nasennebenhöhlen, Wachshaut
Die Nase und ihre Umgebung sind physiologischerweise trocken. Die Nasenhöhle ist bei den meisten Vögeln nur eingeschränkt untersuchbar. Bei vielen Arten wird sie von einer Nasenpapille abgeschirmt, die dem Fernhalten von Fremdkörpern dient.
Cave: Die Nasenpapille darf nicht mit einem Fremdkörper verwechselt werden!
Die Nasennebenhöhlen (Sinus) stehen mit den Luftsäcken des Kopfes und des Halses in Verbindung und bilden mit diesen ein luftführendes System, das den gesamten Kopf-Hals-Bereich umgibt. Infektionen können sich daher weit ausdehnen. Kommt es zu Sekretansammlungen in den Infraorbitalsinus, werden ein- oder beidseitige Schwellungen im Bereich zwischen Auge und Nase bzw. unterhalb des Auges sichtbar (Abb. 3.14).
Die Wachshaut ist die weiche Haut rund um die Nasenlöcher. Bei Wellensittichen ist sie bei den Geschlechtern unterschiedlich gefärbt. Männchen haben im Jugendalter eine rosafarbene Nasenhaut, die sich mit einigen Monaten blau umfärbt. Bei den Wellensittich-Weibchen ist die Nasenhautfarbe sehr variabel, abhängig vom Zyklusstand. Sie reicht von hellblau-weißlich bis hin zu tief braun und runzelig, ein Zeichen für hohe Brutaktivität der Weibchen. Sie wird insbesondere bei der Knemidokoptesräude (Kap. 14.13) des Wellensittichs borkig-krustig (Abb. 3.15). Umfärbungen der Wachshaut beim adulten Wellensittich weisen auf einen hormonproduzierenden Tumor (Gonadentumor, Kap. 14.10) hin.
Die Nase kann geprüft werden auf:
• Sekretansammlung (Abb. 3.16): Sekret kann spontan abfließen oder leichter Druck von dorsal auf die Nasenlöcher lässt Sekret austreten. Auch mit einer aufgesetzten Spritze kann geprüft werden, ob bei Aspiration Sekret austritt.
• Durchgängigkeit: Mit einem Tropfen NaCl-Lösung kann die Durchgängigkeit geprüft werden. Ist die Nase gut durchgängig, wird der Tropfen zügig eingeatmet.
Die Nasennebenhöhlen können mithilfe folgender Untersuchung auf Sekretansammlungen geprüft werden:
• Nasenspülprobe bzw. Nasenspülung: Der Vogel wird kopfüber gehalten und sterile, erwärmte Kochsalzlösung wird unter Druck in ein Nasenloch instilliert, anschließend ein Teil für die mikrobiologische Untersuchung rückgewonnen (Abb. 3.17). Zur Anpassung an die Nasenöffnung eignen sich perforierte Spritzenverschlussstopfen.
• Punktion: Einstich senkrecht zur Haut zwischen Orbita und Nase (Abb. 3.18).
Häufige Erkrankungen sind bakteriell oder mykotisch bedingte Rhinitiden-Sinusitiden (Kap. 14.1, 14.16). Bei einer eitrigen Rhinitis-Sinusitis sollte stets eine Chlamydophila-Infektion in Betracht gezogen werden. Niesen kann Ausdruck einer Infektion der oberen Atemwege sein, findet sich aber auch als Symptom bei der Aspergillose. Bei Graupapageien treten häufig chronisch-granulomatöse Rhinitiden mit Einschmelzung des Nasenloches auf (Abb. 14.1). Die granulomatösen Massen müssen ausgeräumt und das Nasenloch antibiotisch-antimykotisch behandelt werden. Diese Patienten bleiben anfällig für Atemwegsinfektionen, da der Defekt nicht mehr ausheilt und die Filterfunktion der Nase verloren ist (Kap. 14.1).

Abb. 3.16: Einseitige chronische Rhinitis (Blaustirnamazone): Gut zu erkennen ist der Abfluss eitrigen Sekrets (oberer Pfeil), das bereits das Schnabelhorn aufgeweicht hat (unterer Pfeil). (Copyright: Dr. Jens Straub, Düsseldorf.)

Abb. 3.17: Technik der Nasenspülung: Der Patient wird kopfüber gehalten und die Spüllösung mit vorsichtigem Druck in die Nase instilliert.

Abb. 3.18: Der rot eingefärbte Bereich ventral des Os zygomaticum ist für eine Sinuspuktion geeignet. Punktionen dorsal des Os zygomaticum bergen die Gefahr einer Verletzung der Orbita.
Abb. 3.19a–c: Öffnen des Schnabels zur Untersuchung des Rachens mit:
a Pinzette: gut geeignet für kleine Papageien.
b Schere. Gut sichtbar sind die dunkle Pigmentation der Rachenschleimhaut (gattungsspezifisch, hier Amazone) sowie die Choa-nenpapillen (Pfeile). Deren Fehlen deutet auf eine Atemwegsinfektion hin.
c Schnabelspreizer.
Ohren
Die Ohren liegen kaudal der Augen und sind von kleinen Federn bedeckt. Otitiden sind beim Vogel selten. Werden im Vorbericht Kopfschütteln oder Kopfkratzen erwähnt oder sind Sekretspuren im Ohrbereich vorhanden, sollten die Ohren adspektorisch näher untersucht und Tupfer für eine mikrobiologische Untersuchung entnommen werden.
Rachen
Der Rachen muss bei jeder klinischen Untersuchung adspiziert werden. Zum Öffnen des Rachens können
• Einwegspritzen bzw. Kanülenschutzkappen als „Beißkeile“ einseitig zwischen Ober- und Unterschnabel eingeführt werden.
• Pinzetten (Wellensittich), Scheren oder spezielle Schnabelspreizer horizontal in den Schnabel eingeführt und dann aufgestellt werden (Abb. 3.19a–c).
Die meisten Vogelpatienten beißen auf diese Hilfsmittel, sobald sie in die Nähe des Schnabels gebracht werden.
Für das Ausleuchten der Schnabelhöhle sollten entweder Kopflampen oder im Untersuchungsraum installierte OP- bzw. Behandlungsleuchten benutzt werden. Sie haben gegenüber der Benutzung von Handlampen den Vorteil, dass der Untersucher keine zusätzliche Hand benötigt. Folgende Strukturen der Schnabelhöhle können bei der Untersuchung betrachtet werden (Abb. 3.20): Choane mit Papillen, Choanenspalt, Pharynx, Larynx, Zunge.
Bei der Adspektion der Schnabelhöhle wird geachtet auf:
• Verfärbungen: Rötungen der Rachenschleimhaut, z. B. bei Infektionen
Cave: Bei vielen Vögeln ist zumindest ein Teil der Rachenschleimhaut pigmentiert (Abb. 3.19b).
• Fremdkörper
• Zubildungen, z. B. Vitamin-A-Mangelgranulome bei Papageien (Abb. 3.21)
• Blutungen, z. B. durch Traumata
• Schleimbildung, z. B. bei Infektionen
• Choanenpapillen: abgerundete Papillen weisen auf ein infektiöses Geschehen des oberen Atmungstraktes hin
Tupferproben: Bei Schleimhautveränderungen ist eine Tupferprobenentnahme zur bakteriologischen / mykologischen bzw. zur mikroskopischen Untersuchung angezeigt. Bei Erkrankungen des Verdauungstraktes sind für die bakteriologische / mykologische Untersuchung Proben aus dem Rachen, bei Atemwegserkrankungen – vor allem mit Beteiligung der Nase – Proben aus dem Choanenspalt am geeignetsten. Mit einem angefeuchteten Tupfer (Abb. 3.22) wird unter leicht drehenden Bewegungen Probenmaterial entnommen.
In vielen Fällen kann beim Entnehmen des Tupfers ein zäher Schleimfaden beobachtet werden, sodass auf diesem Wege eine Verschleimung des Rachens bzw. der Choane nachgewiesen werden kann, auch wenn diese bei der Adspektion nicht darstellbar war. Ebenso können in einigen Fällen geringgradige Blutungen erst an der weißen Watte des Tupfers erkannt werden.
Übersicht:
Untersuchung von Schnabelhöhle und Rachen
• Schnabelhöhle und Rachen bei jeder klinischen Untersuchung adspizieren.
• Zum Öffnen des Schnabels Einwegspritzen, Kanülenschutzkappen oder spezielle Schnabelspreizer benutzen.
• Farbe der Schleimhaut sowie evtl. vorhandene Fremdkörper, Zubildungen, Blutungen und Schleimbildung beurteilen.
• Bei Erkrankungen des Verdauungstraktes Probenmaterial aus dem Kropf gewinnen, bei Atemwegserkrankungen aus dem Choanenspalt
• Schleimbildung oder geringgradige Blutungen können vor allem bei kleinen Vögeln häufig in Form eines Schleimfadens am Tupfer bzw. einer Rotfärbung des Tupfers leichter nachgewiesen werden als bei der Adspektion.

Abb. 3.20: Blick in die Schnabelhöhle eines Großpapageis:
1 = Oberschnabel,
2 = Unterschnabel,
3 = Choanenspalt mit Papillen,
4 = Ösophagus,
5 = Larynx,
6 = Zunge.

Abb. 3.21: Eine Hypovitaminose A führt auf Dauer zur Bildung von Metaplasien der Unterzungen- oder der Speicheldrüsenepithelien (Pfeil). Prädestiniert sind Graupapageien.

Abb. 3.22: Tupfer für die Probenentnahme: unten Abstrichtupfer üblicher Dicke (Papageien), oben dünne Abstrichtupfer (Wellensittiche, Kleinvögel).
Technik der Kropfspülung
Die Technik der Kropfspülung mit einer Knopfsonde wird hier am toten Vogel dargestellt (Abb. 3.23a–c). Die Federn wurden zur besseren Übersicht entfernt.
• Die verwendete starre Sonde sollte länger sein als die Distanz zwischen Rachen und tiefstem Punkt des Kropfes. (Abb. 3.23a, c)
Zur Spülung wird Ringerlösung aus einer aufgesetzten Spritze verwendet (Wellensittich 1 ml, Papagei 10 ml).
• Der Schnabel wird mit einem Schnabelspreizer geöffnet (hier nicht zu sehen). Da der größte Teil des Kropfes auf der rechten Körperseite liegt, wird die Kropfsonde von links nach rechts unter Überwindung der Zunge eingeführt (Abb. 3.23b).
• Die Sonde wird bis in den Bereich der Brustapertur vorgeschoben (Abb. 3.23c) und der korrekte Sitz kontrolliert. Der Knopf ist unter der Haut gut zu sehen (Pfeile). Danach folgen:
– Instillation der Ringerlösung.
– Kurze Massage des Kropfes.
– Abziehen einer Spülprobe für Mikroskopie und Mikrobiologie.
Mit dem gleichen Vorgehen können auch Tupferproben direkt aus dem Kropf entnommen werden. Voraussetzungen sind jedoch eine sichere Fixierung des Patienten sowie ein verlässlicher Schnabelspreizer, damit es nicht zu einem Abbeißen des Tupfers kommen kann.

Abb. 3.23a–c
Untersuchung auf Chlamydophila-Infektionen (Psittakose, Ornithose)
Die Entnahme einer Tupferprobe zum Erregernachweis ist angezeigt, wenn die Untersuchung von Augen und Konjunktiven, Nase und Rachen Hinweise auf eine Chlamydophila-Infektion ergeben hat, z. B. Konjunktivitis, Rhinitis, Sinusitis, verschleimter Rachen oder Dyspnoe.
Im Vorfeld sollte mit dem Labor, das den Antigennachweis durchführen soll, geklärt werden, ob die Verwendung spezieller Tupfer und Transportmedien notwendig ist, die i. d. R. auch vom jeweiligen Labor bezogen werden können. Die größte Nachweissicherheit liefert der so genannte Dreifachtupfer (Kap. 14.12). Ziel ist die Entnahme möglichst vieler Schleimhautzellen, da es sich bei Chlamydophila spp. um einen intrazellulären Krankheitserreger handelt. Mit einem Tupfer werden dabei unter drehender Bewegung zunächst die Konjunktiven, dann das Rachendach und abschließend die Kloake beprobt.
Kropf
Der Kropf dient der Speicherung und dem Einweichen der aufgenommenen Nahrung. Er erstreckt sich beidseits am Hals bis zur Brustapertur; der größere Anteil liegt auf der rechten Seite.
Die Kropfschleimhaut ist sehr dünn, sodass er sich palpatorisch nur dann von der Haut abgrenzen lässt, wenn eine deutliche Schleimhautverdickung vorliegt.
Eine kurze Palpation des Kropfes sollte bei jeder klinischen Untersuchung durchgeführt werden, eine Kropfspülprobe (Abb. 3.23) ist bei allen Patienten mit der Symptomatik einer Magen-Darm-Erkrankung durchzuführen.
Soll das Symptom „Regurgitieren“ abgeklärt werden, so ist das physiologische Hervorwürgen des Futters zum gegenseitigen Füttern bei verpaarten Vögeln auszuschließen. Zweck dieses Verhaltens ist die Festigung der Paarbindung und das „Trainieren“ der Futterübergabe, da bei vielen Arten die Henne das Nest bzw. den Nistkasten während der Brut nicht verlässt und während dieser Zeit vom Hahn gefüttert wird. Als Verhaltensabweichung mit krankhafter Auswirkung (chronische Reizung von Rachen- und Kropfschleimhaut durch permanente Wiederholung) wird Regurgitieren beim einzeln gehaltenen, männlichen Wellensittich beobachtet und oft fälschlich als primäre Kropfentzündung diagnostiziert.
Kropfspülprobe oder Kropftupfer werden zunächst mikroskopisch untersucht (Kap. 4). Mikroskopisch feststellbar sind:
• Trichomonaden (Wellensittich, Kanarie)
• Hefepilze
• Bakteriengehalt der Spülprobe
Häufige Erkrankungen des Kropfes sind: Trichomoniasis, bakterielle Infektionen und Hefepilzinfektionen des Kropfes (Kap. 14.7) oder des gesamten Magen-Darm-Traktes (Kap. 14.6, 14.5, 14.8), Kropffisteln durch Verbrennung (zu heißer Futterbrei bei Handaufzucht) und Fremdkörper (Neugier) v. a. bei Jungvögeln.
Flügel
Der ausgestreckte Flügel wird mit einer Hand vorsichtig unter Zug fixiert, mit der anderen werden die Strukturen palpiert und die Vollständigkeit der Befiederung kontrolliert.
Körperkondition
Die Kondition ist stets zu ermitteln. Sie wird beurteilt anhand von:
• Körpergewicht (Tab. 3.1)
• Ernährungszustand anhand der Brustbemuskelung
• ggf. Unterhautfettdepots
Zur Technik des Wiegens siehe Kapitel 3.4.
Vogelart | Durchschnitt (g) | Spannbreite (g) |
Kanarie | 20 | 18–22 |
Wellensittich | 40 | 35–45 |
Wellensittich Schauform | 70 | 60–80 |
Agapornide | 50 | 45–60 |
Nymphensittich | 100 | 90–110 |
Kongo-Graupapagei | 450 | 400–550 |
Blaustirnamazone | 450 | 380–550 |
Venezuelaamazone | 400 | 350–450 |
Kl. Gelbhaubenkakadu | 450 | 400–500 |
Gelbbrustara | 1000 | 900–1100 |

Abb. 3.25: Subkutane Fettdepots in der Hals-, Axillar- und Abdominalregion bei einem Rosakakadu. Das Hämatom am Bauch resultiert aus einer Blutgerinnungsstörung, bedingt durch eine hochgradige Fettleber (Todesursache).

Abb. 3.26: Subkutanes Lipom im Brust-Bauch-Bereich bei einem Wellensittich.
Ernährungszustand: Der Ernährungszustand wird durch Palpation der Brustmuskulatur ermittelt. Die Brustmuskulatur als Hauptflugmuskulatur gibt auch bei nicht flugaktiven Vögeln Auskunft über den Ernährungszustand. Es werden vier Stadien unterschieden (Abb. 3.24a–d):
• sehr gute Bemuskelung: Brustmuskulatur wölbt sich höher als der Brustbeinkamm
• gute Bemuskelung: Brustmuskulatur erreicht Höhe des Brustbeinkammes
• schlechte Bemuskelung: Brustbemuskelung fällt beidseits des Brustbeinkammes deutlich ab
• Kachexie: Brustbemuskelung ist fast nicht mehr palpabel
Fettdepots: Zur Beurteilung einer Adipositas sind folgende Kriterien heranzuziehen:
• Fettablagerungen in der Hals-, Axillar- und Abdominalregion, meist nur nach Anfeuchten der Federn sichtbar (Abb. 3.25)
• Ausbildung solider Lipome im Brust- oder Bauchbereich (v. a. Wellensittich, Abb. 3.26)
Zur Korrektur der Adipositas und eventuell damit einhergehender Hepatopathien siehe Kapitel 14.2.
Schlechte Kondition, Kachexie: Eine schlechte Körperkondition ist häufig ein Hinweis auf chronisch auszehrende Erkrankungen, z. B. Aspergillose, Endoparasitosen, Megabakteriose, Neuropathische Drüsenmagendilatation (Proventricular Dilatation Disease, PDD). Derartige Patienten profitieren neben einer zielgerichteten Arzneimitteltherapie von einer Verbesserung ihrer Ernährung, je nach Grunderkrankung und Allgemeinzustand (Anorexie) auch von einer stationären Behandlung mit Flüssigkeitssubstitution und Zwangsernährung.
Liegt eine Kachexie vor, so ist die Prognose unabhängig von der Erkrankungsursache ungünstig. Diese Patienten können allenfalls durch eine stationäre Behandlung mit Wärmezufuhr, Flüssigkeitssubstitution und Zwangsernährung zusätzlich zur Therapie der Grunderkrankung gerettet werden (Kap. 9.2). Oft sind solche Patienten in einem derart labilen Zustand, dass jegliche Veränderung – auch positiver, d. h. therapeutischer Art – als zusätzlicher Stressor wirkt und zu einer weiteren Verschlechterung des Gesamtzustandes führt.
Hydratationszustand: Der Hydratationszustand kann klinisch beurteilt werden anhand von:
• kapillärer Rückfüllungszeit der Flügelvene (V. ulnaris): > 1 Sekunde bei Dehydratation von mehr als 7 %
• eingefallenen Augen (Abb. 3.27) bei Dehydratation von mehr als 10 %
Kraniale Körperhöhle (Atmungstrakt)
Wesentlicher Teil der Untersuchung ist die Adspektion des in Ruhe befindlichen Patienten auf Anzeichen von Dyspnoe: Atemgeräusche, verstärkter Einsatz der Bauchpresse, in gesteigerter Form Schwanzwippen bis hin zur Schnabelatmung. Die Auskultation ist durchführbar, für die Diagnostik aber oft nicht ergiebig. Kleinvögel können zur Auskultation direkt an das Ohr gehalten werden.
Ein „Knackgeräusch“ ist bei Finkenvögeln hinweisend auf eine Luftsackmilbenerkrankung, das Fehlen eines „Knackens“ schließt diese jedoch nicht aus (Kap. 14.16).
Die Herzfrequenzen sind bei allen Vögeln vergleichsweise hoch, bei kleineren Vögeln relativ höher als bei großen:
• Kongo-Graupapagei: 350 / min
• Amazone: 470 / min
• Kakadu: 420 / min
• Wellensittich: 530 / min
Kurzfristig sind Erhöhungen der Herzfrequenz auf 1000 / min möglich.
Kaudale Körperhöhle („Bauch“)
Vögel verfügen über eine zusammenhängende Körperhöhle (Zölom), da sie kein Zwerchfell haben, welches Brust- und Bauchhöhle voneinander trennt. Die Palpation des Bauches ist besonders wichtig, da viele praxisrelevante Erkrankungen mit einer Umfangsvermehrung einhergehen. Zur Palpation werden die Beine von der den Vogel haltenden Hilfsperson nach kranial gezogen.
Der normale Vogelbauch hat ein leicht konkaves, also eingezogenes Profil. Jegliche darüber hinausgehende Vorwölbung ist als Abweichung anzusehen (Abb. 3.28).
Die folgenden pathologischen Palpationsbefunde können erhoben werden (Kap. 14.10):
• weich, nicht fluktuierend sowie gelbliche Farbe der Haut selbst (Xanthomatose) oder des Gewebes unter der Haut: Lipom
• weich-fluktuierend, keine Hautveränderung: Aszites
• weiche, diffuse Schwellung, fester Körper palpabel: beschaltes Ei im Legedarm
Cave: Verwechslung mit Muskelmagen möglich.
Auch der harte Muskelmagen kann rechtsseitig im kranialen Abdomen palpiert werden.
• weich-diffus:
– Legetätigkeit (durch Östrogen bedingte Erweichung der Bauchdecken und Volumenzunahme des Legedarmes)
– Tumoren der inneren Organe (v. a. Wellensittich)
– Legedarmentzündung mit Schichteibildung (Wellensittich, Nymphensittich)
– Obstipation
– Hernia abdominalis
Nicht eindeutige Palpationsbefunde sollten durch eine Röntgen-(Kap. 6) oder Ultraschalluntersuchung abgeklärt werden.
Cave bei Patienten mit Aszites: wegen des fehlenden Zwerchfells kann in Rückenlage (v / d-Projektion) Aszitesflüssigkeit retrograd in die Lunge fließen!

Abb. 3.27: Enophthalmus bei einem Graupapagei: Der Grad der Exsikkose liegt bei mehr als 10 Prozent.

Abb. 3.28: Zölomprofil: 1, konkav = physiologisch; 2, konvex = erweitert.

Abb. 3.30: Kloakenprolaps bei einem Weißhaubenkakadu. Beachte auch das mit geronnenem Blut und Fäzesanteilen verklebte Kloakengefieder.

Abb. 3.31: Papillomatose: blumenkohlartige Wucherungen in der Kloakenschleimhaut.
Kloake
Die Kloake dient zur Ausscheidung von Harn, Kot und Geschlechtsprodukten (Eier, Sperma). Der Kloakenbereich sollte sauber, d. h. frei von Fäzesanteilen oder Blut sein und es sollten keine Federn fehlen. Die Schleimhaut kann mit einem Wattetupfer vorgelagert und beurteilt werden (Abb. 3.29). Dieser Tupfer kann zugleich für eine mikroskopische oder mikrobiologische Untersuchung verwendet werden. Für Wellensittiche und andere Kleinvögel müssen besonders dünne Tupfer verwendet werden (Bezugsquellen siehe Anhang 2). Gelegentlich verursacht die Tupferprobenentnahme Blutungen, die beim nächsten Absatz von Fäzes sichtbar werden. Kommen diese nicht spontan zum Stillstand, empfiehlt sich die Injektion von Kalzium (100 mg / kg KM s. c., i. m.) und Vitamin K (2,5 mg / kg KM s. c., i. m.).
Häufige Abweichungen sind:
• mit Fäzes verschmierte Kloake: Diarrhö, Kotabsatzbeschwerden verschiedenster Ursache, Infektionen des Magen-Darm-Traktes (Kap. 14.6)
• mit Blut verschmierte Kloake: Legenot (Kap. 13.7), Papillomatose
• Kloakenprolaps (Abb. 3.30): Bindegewebsschwäche, Erkrankung des Magen-Darm-Traktes, Legenot
• Schleimhautwucherungen (Abb. 3.31): Papillomatose der Kloakenschleimhaut, besonders bei Neuweltpapageien (Amazonen, Aras)
Beine und Füße
Die Beine werden i. d. R. nur näher untersucht, wenn Hinweise auf eine Verletzung oder Fraktur vorliegen (Lahmheit, Schonhaltung). Bei den Füßen werden jedoch stets sowohl Oberseite als auch Sohlenfläche untersucht. Von besonderer Bedeutung ist die Hornqualität der Sohle. Abflachungen der Sohlenfläche weisen auf Übergewicht hin, eine Rotverfärbung der Sohlenhaut ist als erstes Stadium einer Pododermatitis zu werten (Abb. 3.32). Weißliche Einlagerungen sind häufig durch Ura-tausfällungen bedingt (Gicht), die Füße bzw. Fußgelenke sind dann entsprechend schmerzhaft (Abb. 3.33, Kap. 14.3). Beim Wellensittich finden sich Hautveränderungen durch Knemidokoptesmilben an den Füßen bis hin zu den Sprunggelenken (Abb. 3.34). Durch Papillomaviren und Pockenviren bedingte Veränderungen treten häufig bei Kanarien auf.
Haut
Der Vogelhaut fehlt eine ausgeprägte Unterhaut, sie ist daher sehr dünn. Umfangreiche subkutane Fettdepots finden sich nur bei überernährten Vögeln, dann in der Hals-, Axillar- und Abdominalregion. Die Vogelhaut ist frei von Drüsen, mit Ausnahme der Bürzeldrüse.
Aufgrund der Befiederung sind normalerweise nur die Wachshaut der Nase, bei bestimmten Arten die Gesichtshaut sowie die Haut der Ständer unmittelbar zu sehen. Unter den Flügeln und im Bereich der Körperseiten finden sich weniger stark befiederte Stellen, an denen die Haut sichtbar ist. Erkrankungen der Haut gehen meist mit Sekretbildung und entsprechenden Verklebungen der betreffenden Federn einher, sodass bei einem geschlossenen Gefieder von einer unversehrten Haut auszugehen ist.
Die Untersuchung von Hautveränderungen kann erfolgen durch:
• mikrobiologische Untersuchung von Tupfern
• mikroskopische Untersuchung von Hautgeschabseln
• zytologische Untersuchung von Geschabseln oder Abstrichen
• histologische Untersuchung von Bioptaten

Abb. 3.32: Sohlenballengeschwür: zentrale Läsion der Sohlenfläche, Schwellung des Mittelfußes, xanthomatöse Hautveränderung am Tarsometatarsus (Pfeil).

Abb. 3.33: Gichtknoten an der Zehe eines Wellensittichs.

Abb. 3.34: Knemidokoptesräude der Beine beim Wellensittich.

Abb. 3.36: Technik der Federprobenentnahme: Die dünne Vogelhaut wird mit einer Pinzette gegen Einreißen gestützt und eine Feder mit einer Klemme vorsichtig ausgezogen.
Gefieder
Das Gefieder wird in Deck- und Untergefieder unterteilt. Das Deckgefieder schützt das Untergefieder, es stellt die Flug- und Steuerfedern und sorgt für das farbliche Erscheinungsbild. Das Untergefieder dient der Hitze- und Kälteisolation. Eine Besonderheit stellen die Puderdaunen bei Kakadus und Nymphensittichen dar: Sie zerfallen zu Staub, welcher der Gefiederpflege dient und ersetzen damit die bei diesen Arten fehlende Bürzeldrüse.
Stets sollte das Deckgefieder, insbesondere die Schwung- und Schwanzfedern, auf vorhandene Stressmarken untersucht werden (Abb. 3.35). Das sind quer zum Federkiel verlaufende Linien verminderter Federsubstanz in der Federfahne. Sie drücken aus, dass zum Zeitpunkt der Bildung dieses Federabschnittes eine Stresssituation vorgelegen hat und weisen häufig auf Ernährungsmängel hin.
Andere Federveränderungen können untersucht werden durch
• mikroskopische Untersuchung,
• Untersuchung frisch ausgezupfter, junger Federn (Abb. 3.36) und / oder
• Blutproben auf Viruserkrankungen (Zirkoviren, Polyomaviren).
Juckreiz: Ein wesentlicher Punkt bei der Untersuchung von Haut- und Gefiederveränderungen ist die Frage, ob Juckreiz vorliegt. Dabei ist zu beachten, dass die Grenzen zwischen vermehrter Putztätigkeit und Juckreiz fließend sind. Vermehrte Putztätigkeit wird ausgelöst durch alle Stressoren aus dem Haltungsumfeld, z. B. zu trockene Luft, zu wenig Nachtruhe, ungeschützter Standplatz der Voliere, zu viel allgemeine Unruhe etc.
Juckreiz findet sich bei:
• parasitären Erkrankungen (Kap. 14.13):
– Knemidokoptesräude der Wellensittiche (meist ohne Juckreiz)
– Federmilben und Federspulmilbenbefall (Milben im Federkiel, selten): Meist deutlich gesteigerte Putztätigkeit. Federmilben besiedeln häufig speziesspezifisch nur bestimmte Federn und sind daher nicht in jeder Federprobe auffindbar. Oft ist eine diagnostische Therapie einfacher und wirkungsvoller als die Untersuchung zahlreicher Federn aus unterschiedlichen Körperregionen.
– Entgegen weit verbreiteter Meinung sind Ektoparasiten nur in seltenen Fällen Verursacher von Juckreiz und Federrupfen bei Großpapageien.
• Dermatitiden bakterieller, mykotischer oder allergischer Ursache (Kap. 14.15)
• Erkrankungen der Leber (Kap. 14.2): Sind Parasitosen und Dermatitiden als Ursache auszuschließen, sollte eine Lebererkrankung als mögliche Ursache abgeklärt werden.
Befiederungsstörungen: Ausdruck von Befiederungsstörungen (Kap. 14.15) und deren Ursachen können sein:
• qualitativ schlechtes Gefieder:
– insgesamt schlechte Federstruktur, Überalterung des Gefieders: Mauserstörung durch Mangel (Aminosäuren, Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe) oder Grunderkrankung anderer Genese (z. B. Lebererkrankung, Atemwegsmykose)
• Federverlust:
– fehlende Federn: am Hinterkopf von Nymphensittichhähnen und diversen Farbkanarien physiologisch oder Rupfen des Hinterkopfes der Henne durch männlichen Partner
– ausgefallene Federn: Schreckmauser (stressbedingt, z. B. bei Ziegensittichen) oder Viruserkrankung (Zirko-, Polyomavirus, Abb. 3.37a, b)
– ausgezupfte oder abgebissene Federn, dabei Kopfgefieder unversehrt: Automutilation (Rupfer, Abb. 3.38)
• Veränderungen der Federn:
– Farbveränderungen: Mangelerkrankung (Aminosäuren, Vitamine, Spurenelemente, Mineralstoffe), Zirkoviruserkrankung, Lebererkrankung oder genetisch bedingt (Abb. 3.39)
Details
- Seiten
- ISBN (ePUB)
- 9783842685253
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2014 (Mai)
- Schlagworte
- Diagnostik Erkrankungen Fallbesprechungen Handling Notfall Propädeutik Vogelhaltung Vogelkrankheit