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Atlas der Anatomie des Pferdes

herausgegeben von Christoph Mülling, Christiane Pfarrer, Sven Reese, Sabine Kölle, Klaus-Dieter Budras

von BUDRAS ANATOMIE (Autor:in)
296 Seiten

Zusammenfassung

Komplette Aktualisierung des bekannten Standardwerkes
Neue Gestaltung: topographische und klinisch-funktionelle
Anatomie als Einheit
Erweitert um Beiträge zu Bewegungsapparat und Huf
Zahlreiche neue Abbildungen
Hoher Praxisbezug durch klinische Beispiele
Von Professoren und Dozenten aus Berlin, Hannover,
Leipzig, München und Dublin
Unentbehrlich für Studierende und praktizierende Tierärzte

Jetzt auch das Pferd – eine grundlegend überarbeitete Neuaufl age!
Die neue Herausgebergemeinschaft führt das bewährte Konzept für Studierende und praktizierende Tierärzte fort. Die Autoren fokussieren die aktuellen Anforderungen des Studiums und die klinisch relevanten Fakten für die Praxis.
Übersichtliche, ganzseitige Abbildungstafeln zur topographischen Anatomie ermöglichen jedem Studierenden, die Fülle des Stoffgebietes leicht zu erfassen. Die Beiträge zur klinisch-funktionellen Anatomie erläutern den praktischen Bezug zu den anatomischen Sachverhalten
durch anschauliche Röntgenbilder, Zeichnungen und Fotografien. Damit berücksichtigt das Buch noch stärker als bisher die klinisch wichtigen Anwendungen und stellt auch für praktizierende Tierärzte ein begehrtes und sehr praxisbezogenes Nachschlagewerk dar.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Atlas der Anatomie des Pferdes

 

 

 

 

 

 

 

 

schlütersche

Inhaltsverzeichnis

 

1 Stamm, Körperwand, Brust- und Bauchwand (C. Mülling, S. Reese)

1.1 Haut und Unterhaut (Jule Michler)

1.2 Haarkleid und Hautmodifikationen (Jule Michler)

1.3 Lymphsystem der Haut (Dirk Berens von Rautenfeld)

1.4 Stamm und Hals

1.5 Hals und Spatium colli

1.6 Oberflächliche Schicht der Rumpfmuskulatur

1.7 Mittlere Schicht der Rumpfmuskulatur

1.8 Tiefe Schicht der Rumpfmuskulatur

 

2 Schultergliedmaße (K.-D. Budras)

2.1 Skelett der Schultergliedmaße

2.2 Synoviale Einrichtungen (Synovialstrukturen)

2.3 Nerven und Muskeln der Schultergliedmaße

2.4 Muskulatur mit passiver Stehvorrichtung und Fesselträger

2.5 Hautinnervation, Blutgefäße und Lymphsystem

2.6 Leitungsstrukturen und Faszienverhältnisse an der Hand

 

3 Beckengliedmaße (K.-D. Budras)

3.1 Skelett der Beckengliedmaße

3.2 Synoviale Einrichtungen (Synovialstrukturen)

3.3 Nerven und Muskeln der Beckengliedmaße

3.4 Muskulatur mit passiver Stehvorrichtung

3.5 Hautinnervation, Blutgefäße und Lymphsystem

3.6 Leitungsstrukturen und Faszienverhältnisse am Fuß

 

4 Der Huf (K.-D. Budras, C. Mülling)

4.1 Definition und Bau des Hufes

4.2 Basisteile des Hufes

4.3 Hufbeinträger und Hufmechanismus

4.4 Arterien, Venen und Nervensystem des Hufes

 

5 Brusthöhle (C. Pfarrer)

5.1 Cavum thoracis, Lunge mit Atmungsmuskulatur und Lymphsystem

5.2 Herz und Thymus

 

6 Bauchwand und Bauchhöhle (C. Pfarrer)

6.1 Bauchwand

6.2 Magen mit Gekröse sowie Leber, Pankreas und Milz

6.3 Darm (Intestinum)

6.4 Topographie und Projektion der Bauchorgane auf die Körperwand

 

7 Becken mit Leistengegend sowie Harn- und Geschlechtsorgane (K.-D. Budras, S. Kölle)

7.1 Knöchernes Becken sowie Scham- und Leistengegend

7.2 Regio inguinalis

7.3 Verankerungsstrukturen am Beckeneingang, Leistenspalt der Stute, Nerven des Plexus lumbalis und Eute

7.4 Lymphsystem, Nebenniere und Organa urinaria

7.5 Weibliche Geschlechtsorgane (Organa genitalia feminina)

7.6 Männliche Geschlechtsorgane (Organa genitalia masculina)

7.7 Arterien, Venen und Nerven der Beckenhöhle

7.8 Fruchtbarkeitsüberwachung und Sonographie in der Pferdereproduktion (Peter S. Glatzel)

7.9 Perineum, Diaphragma pelvis und Schweifwurzel (Radix caudae)

 

8 Kopf (S. Kölle, S. Reese, C. Mülling)

8.1 Schädel mit Gebiss (Carsten Staszyk)

8.2 Nasennebenhöhlen und Zungenbein (Carsten Staszyk)

8.3 Oberflächliche Kopfvenen, N. facialis (VII) und Fazialismuskulatur

8.4 N. trigeminus (V3 und V2), Kaumuskeln, Speicheldrüsen und Lymphsystem

8.5 Hilfseinrichtungen des Auges

8.6 Auge

8.7 Nase mit Nasenhöhle, Mundhöhle mit Zunge (Carsten Staszyk)

8.8 Rachen und Luftsack

8.9 Kehlkopf und Kehlkopfmuskeln

8.10 Kopf-Hals-Grenze und Ohr

 

9 Zentralnervensystem (M. Stoffel, K.-D. Budras)

9.1 Rückenmark mit Rückenmarkshäuten

9.2 Gehirn mit Gehirnhäuten

 

Tabellarischer Teil zur Anatomie

Myologie

Lymphologie

Peripheres Nervensystem

Nervi craniales

 

Literaturverzeichnis

Index

 

1 | Stamm, Körperwand, Brust- und Bauchwand

1.1 Haut und Unterhaut

Das Integumentum commune als allgemeine Körperdecke beeinflusst maßgeblich das Erscheinungsbild des Pferdes durch variierende Fellfarbe und Haarlänge sowie dessen Pflegezustand. Das Aufgabenspektrum ist sehr vielfältig; beispielsweise fungiert es als Barriere gegen schädigende Einflüsse und spielt eine wichtige Rolle als Speicherorgan und bei der Regulation des Wasserhaushalts. Darüber hinaus erfüllt es immunologische und thermoregulatorische Funktionen und dient in besonderem Maße der Reizvermittlung sowie der Kommunikation mit der Außenwelt.

Oft wird das Integumentum commune mit der Haut gleichgesetzt. Der Grundaufbau besteht jedoch aus der Haut, Cutis, und der Unterhaut, Tela subcutanea, sowie allen Hautmodifikationen. Die Cutis wiederum wird aus der Oberhaut, Epidermis, und der durch eine Basalmembran abgegrenzten Lederhaut, der Dermis, gebildet. Unter der Dermis befindet sich die Unterhaut.

1.1.1 Epidermis

Die Epidermis (—1) besteht aus verschiedenen Zelltypen. Allen Zellen ist gemein, dass sie durch Diffusion aus der daruntergelegenen Dermis ernährt werden, da sich in der Epidermis selbst keine Blutgefäße befinden. Die Epidermis wird anhand der Schichtung der sog. Keratinozyten in vier Lagen eingeteilt (Strata basale, —spinosum, —granulosum, — corneum). Die durch fortwährende Keratinisierung und Verhornung gebildete Hornschicht der Epidermis, das Stratum corneum, wird durch mechanischen Abrieb beständig abgeschilfert. Neben der physikalischen Barriere, die die Keratinozyten bilden, haben diese eine Vielzahl weiterer Eigenschaften. Beispielsweise sind sie zur Bildung verschiedener antimikrobieller Proteine befähigt und synthetisieren Vorstufen des Vitamin D.

Neben den Keratinozyten gibt es weitere Zelltypen in der Epidermis. Im Stratum basale finden sich Melanozyten, die für den UV-Schutz und die Farbgebung der Haut durch Pigmentbildung verantwortlich sind. Sie produzieren Melanin und geben dieses über verzweigte Zellfortsätze an umliegende Keratinozyten ab. Von den Melanozyten abzugrenzen sind die dendritischen Zellen. Diese Bezeichnung wird für bestimmte Zellen des Immunsystems verwendet. Eine Art dendritischer Zellen (Langerhans-Zellen) findet sich in den Strata basale und spinosum. Als Teil des zellulären Immunsystems erkennen sie eindringende Antigene und sorgen für die Antigenpräsentation.

Als Sinneszellen sind Merkelzellen in geringer Anzahl diffus im Stratum basale und um Haarfollikel herum verteilt. Sie fungieren neben den ebenfalls vorhandenen freien Nervenendigungen als Mechanorezeptoren der Epidermis.

1.1.2 Dermis

Die Dermis (Lederhaut, Corium, —2) bestimmt im Wesentlichen die Dicke der Haut. Verschiedene histomorphologische Studien haben gezeigt, dass die Dermis des Pferdes sehr ausgeprägt ist, so dass in der neueren Literatur die Dermis in Strata superficiale dermidis, —mediale dermidis und —profundum dermidis eingeteilt wird. Trotz dessen sollte die klassische Einteilung in Stratum papillare und Stratum reticulare bekannt sein, da sie vielfach Verwendung findet. In behaarter Haut ist das Stratum papillare allerdings durch die Haltefunktion der verankerten Haare in einigen Regionen deutlich reduziert, wodurch eine klare Abgrenzung in Stratum papillare und Stratum reticulare erschwert wird. Es erscheint deshalb zweckmäßiger, die Dermis, wie oben beschrieben, einzuteilen. Die Einteilung kann nur mikroskopisch anhand der Anordnung der kollagenen und elastischen Fasern vorgenommen werden.

Vorherrschender Zelltyp der Dermis sind Fibroblasten, die das in der Haut überwiegend vorkommende Kollagen I, aber auch die ebenfalls benötigten Typ-III- und Typ-V-Kollagene synthetisieren.

Eine besondere Modifikation der Dermis von Equiden ist der sog. Rossspiegel. Der Begriff beschreibt die in besonderer Weise spiegelnde Reflektion einfallenden Lichtes bei der Verarbeitung von Pferdehaut zu Leder. Der Rossspiegel tritt im Kruppen- und Rückenbereich auf und beruht auf einer speziellen baumartig verzweigten Anordnung der Kollagenfasern (Typ I) im Stratum profundum. Die Ausprägung ist rasseabhängig.

1.1.3 Tela subcutanea

Die Tela subcutanea (Unterhaut, Hypodermis, Subcutis, —3) fungiert als Verschiebeschicht aus Binde- und Fettgewebe, deren Anteile je nach Ernährungszustand, Körperregion und rassetypischer Ausprägung variieren. Im Allgemeinen erfolgt eine Einteilung in ein Stratum adiposum und ein darunter befindliches Stratum fibrosum. Verzweigte Bindegewebssepten durchziehen das Fettgewebe, welches beim Pferd aufgrund der Einlagerung von Karotinoiden gelblich erscheint. An einigen Körperstellen können die Tela subcutanea und insbesondere das Stratum adiposum eine immense Ausprägung erfahren wie zum Beispiel am Mähnenkamm („Speckhälse“ gut genährter Pferde) oder in der Bauchregion als Panniculus adiposus externus. In manchen Körperregionen kann das Stratum adiposum aber auch fehlen wie in weiten Teilen des Kopfes.

1.1.4 Innervation und Blutversorgung

In der Dermis und Tela subcutanea sind zahlreiche Schmerzrezeptoren, die als freie Nervenendigungen und sog. polymodale Nozizeptoren vorliegen, sowie Thermo- und Mechanorezeptoren vorhanden. Zu den Mechanorezeptoren gehören die superfiziell in der Dermis liegenden Meissner-Tastkörperchen (Corpusculum tactus), die tiefer in der Dermis vorkommenden Ruffini-Körperchen und die subkutanen Vater-Pacini-Lamellenkörperchen (Corpusculum lamellosum, —4). Zusammen mit den in der Epidermis vorkommenden freien Nervenendigungen und Merkelzellen (s. Kap. 1.1.1) stellt das Integumentum commune ein wichtiges Sinnesorgan des Körpers dar.

Die Blutversorgung der Dermis und Unterhaut findet in mehreren Ebenen statt. Diese Schichten sind mit einem wesentlich reicheren Gefäßnetz ausgestattet als es für die Versorgung der Zellen notwendig wäre. Über Anastomosen kann die Durchblutung vermindert oder erhöht werden, was einen außergewöhnlich wirkungsvollen Mechanismus zur Thermoregulation darstellt.

Auf Höhe des Stratum fibrosum liegt das Rete arteriosum hypodermidis mit dem vergesellschafteten Plexus venosus hypodermidis (—13). Von hier aufsteigend findet sich auf Höhe der Haarfollikel das Rete arteriosum dermidis und der Plexus venosus dermidis (—12). Der superfiziell gelegene Gefäßverbund aus Rete arteriosum subpapillare und Plexus venosus subpapillaris (—11) liegt direkt an der Grenze von Dermis zu Epidermis. Hier spalten sich zusätzlich kleinste Verästelungen ab, die die Versorgung der Epidermis durch Diffusion mittragen.

 

Tafel 1.1: Integumentum commune

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1.2 Haarkleid und Hautmodifikationen

1.2.1 Fell und Drüsenadnexe

Das Haarkleid besteht aus Deckhaar (Fell) und Langhaar. Den Fellstrich des Deckhaars nennt man Flumina pilorum (—3.14). Die Langhaare bilden den Schopf (Cirrus capitis, —3.15), die Mähne (Juba, —3.16) und den Schweif (Cirrus caudae, —3.17). Insbesondere kaltblütige Rassen haben zusätzliche Langhaare an der distalen Gliedmaße, auch Kötenbehang genannt (Cirrus metacarpeus an der Vorderextremität, Cirrus metatarseus an der Hinterextremität).

Die verschiedenen Haartypen des Pferdes sind auf unterschiedliche Haarfollikelanlagen zurückzuführen. Haare, Pili, gehen aus Haarfollikeln, Folliculi pili, hervor. Man unterscheidet am einzelnen Haar drei Schichten: Mark (Medulla), Rinde (Cortex) und Cuticula. Der Follikel ist vergesellschaftet mit einem Haarbalgmuskel vom glatten Muskeltyp, dem M. arrector pili (—3.6), sowie Talgdrüsen und Schweißdrüsen (Glandulae sebaceae, —3.7) et Glandulae sudoriferae, —3.8. Da Talgdrüsen, Schweißdrüsen und Haare epidermale Abkömmlinge sind, fasst man sie auch als sog. Epidermistrias zusammen (für den strukturellen Aufbau siehe Lehrbücher der Histologie).

Embryonal werden die Haare nach ihrem Auftreten als Primär- oder Sekundärhaare angelegt. Diese beiden Haartypen sind beim Pferd gleichmäßig über den Körper verteilt und unterscheiden sich beim adulten Pferd nur geringfügig. Dem Wollhaarfollikel (Sekundärhaar) wird ein etwas feineres Haar zugeschrieben, dem das Haarmark und auch der M. arrector pili unter Umständen fehlen können.

Jeder Haarfollikel besteht aus einem epidermalen und einem dermalen Anteil. Dieses Miniorgan ermöglicht durch ein komplexes Zusammenspiel von Zellen beider Komponenten die immer wiederkehrende Erneuerung des Haarkleides. Synchrone Haarzyklen bestimmen den Fellwechsel. Im Frühjahr fällt das lange dichte Winterfell aus und ein kürzeres Sommerfell wächst nach. Im Herbst wird das Haarkleid dichter und länger und bildet so erneut das Winterfell.

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Haarfollikel sehr schräg in der Haut verankert, was die Strichrichtung des Fells bedingt. An einigen Körperstellen findet man divergierende oder konvergierende Haarwirbel, Haarscheiden oder -leisten. Darüber hinaus hat jedes Pferd individuelle Wirbel oder Wirbelformen, die eine Identifizierung des Pferdes erleichtern können. Sie werden daher im Equidenpass, den EU-weit jeder Einhufer besitzen muss, verzeichnet.

Sinushaare stellen eine Sonderform der Haare dar; sie befinden sich in einer Vielzahl um das Maul und in geringerer Zahl um das Auge herum verteilt. Beim Pferd sind sie vom kavernösen Typ (Pilus tactilis, —3.9) mit Sinus sanguineus folliculi (—3.10). Das eine besonders lange Sinushaar am nasalen Augenwinkel ist regelmäßig bei Equiden ausgebildet und wird Supercilium genannt.

Die Drüsenpakete in der Pferdehaut, insbesondere die Schweißdrüsen, sind stark ausgeprägt. Der pH-Wert der Haut reicht im Mittel von 6,3 bis hin zu Werten von 9 bei intensiver Schweißbildung. Ein Säureschutzmantel, wie er für die humane Haut beschrieben wird, existiert beim Pferd nicht.

1.2.2 Hautmodifikationen

Hautmodifikationen sind Abwandlungen in der Dicke, Komposition oder Beschaffenheit der Haut und Unterhaut. Im Rahmen von Modifizierungen kann es zur reduzierten oder prominenten Ausbildung einer oder mehrerer Anteile kommen. Zu den Hautmodifikationen gehören unter anderem die Bereiche, in denen die Haut in Schleimhaut übergeht. Man spricht hier von mukokutanen Übergängen. Diese finden sich beispielsweise an der Maulöffnung, am Auge und am After.

Bei allen Equiden findet man an den Extremitäten Kastanie und Sporn. Diese Hautmodifikationen gehen mit einer vermehrten Bildung weicher Hornmassen bei völliger Haarlosigkeit einher. Die Kastanie ist an den Innenseiten der Extremitäten zu finden und stellt ein Relikt des Metakarpal- bzw. Metatarsalballens dar. Am Vorderbein liegt der Torus carpeus proximal des Karpalgelenks. Der Torus tarseus (—3.18) am Hinterbein liegt distal des Tarsalgelenks. Der Sporn (Calcar metacarpeum, Calcar metatarseum, —3.19) liegt oberhalb der Fesselbeuge und ist etwas schwieriger zu finden, da er sich in der Regel unter der Fesselbehaarung verbirgt. Bei manchen Pferden zeigen Kastanie und Sporn ein erhebliches Wachstum. Da das Horn relativ weich ist, lässt es sich gut manuell entfernen.

Sehr bedeutende Hautmodifikationen sind das Zehenendorgan (s. Kap. 2) und die Milchdrüse (s. Kap. 7.3.5), die in den entsprechenden Abschnitten erläutert werden.

image image image Funktionelle Anatomie
Jule Michler

In der Praxis werden verschiedene Bezeichnungen für spezifische Farbmerkmale der Pferdehaut verwendet. Bereiche, in denen weiße Haare auf unpigmentierter Haut zu finden sind, nennt man Abzeichen. Sie können angeboren oder erworben sein. Zu den angeborenen Abzeichen zählen beispielsweise der Stern und die Blesse, wohingegen unpigmentierte Hautareale nach Verletzungen sowie nach Sattel- oder Gurtdruck zu den erworbenen Abzeichen zählen.

Die extrem schnellen Muskelzuckungen zur Fliegenabwehr, die man bei Pferden beobachten kann, werden durch regional kräftig ausgebildete Hautmuskeln verursacht und als Pannikulusreflex bezeichnet.

Dermis und Subkutis bestimmen den sog. Hautturgor. Wird eine Hautfalte aufgezogen, verstreicht diese anschließend mehr oder weniger schnell. So kann eine Aussage zum Flüssigkeitshaushalt gemacht werden, die sich aus dem Spannungszustand der Haut des Pferdes ableitet. Die Beschaffenheit und Versorgung der Tela subcutanea garantiert außerdem den langsam progressiven Abtransport von subkutan (s. c.) injizierten Arzneimitteln. Beim Pferd wird hierfür meist der seitliche Halsbereich gewählt.

Mikrochips zur Identifikation werden in der Regel auf der linken Halsseite subkutan implantiert. Ist er dort nicht aufzufinden, ist eine Überprüfung der rechten Halsseite anzuraten, da beispielsweise beim französischen Traber die Chips rechts gesetzt werden.

Intrakutantests (IKT) können zur Feststellung von Allergien genutzt werden. Dafür werden in der Halsregion Felder markiert und bestimmte Mengen des Allergens sowie eine Positiv- und eine Negativkontrolle intradermal injiziert. Die Quaddelbildung an der Injektionsstelle wird anschließend beurteilt.

„Quaddeln“ ist darüber hinaus ein feststehender Begriff in der Neuraltherapie. Dabei werden intradermale Depots meist paramedian der Wirbelsäule gesetzt. Es werden Injektionslösungen wie z. B. Natriumchlorid sowie verschiedene Lokalanästhetika eingesetzt.

 

 

Die Akupunktur als komplementäres Therapieverfahren erfährt in der Pferdemedizin zunehmende Beliebtheit. Je nach Körperregion werden die Akupunkturnadeln sehr oberflächlich (intradermal, so im Kopfbereich) bis tief intramuskulär (Lendenregion) gesetzt.

Für Operationen ist das Wissen um den Verlauf der sog. Spalthautlinien wichtig. Die Ausrichtung der dermalen Bindegewebsfasern sollte maßgeblich für die Schnittführung sein, da sie das komplikationslose Abheilen des Schnittes begünstigt. Beachtet man dies nicht, kann es zum Auseinanderklaffen der Wundränder, zur Ausbildung ungünstiger Zugverhältnisse auf die Wundnaht und einem daraus resultierenden verlangsamten Heilungsprozess kommen.

Hauttumore stellen beim Pferd circa die Hälfte aller auftretenden Neoplasien dar, wobei virusinduzierte Papillome und Sarkoide, Plattenepithelkarzinome und Melanome (bzw. Melanozytome) am häufigsten vorkommen.

Abbildung 1.2–1 zeigt eine Auswahl von Hauterkrankungen.

1.3 Lymphsystem der Haut

Das Lymphsystem der Haut ist wegen der besonderen Neigung des Pferdes zu Umfangsvermehrungen (Ödemen) von besonderer Bedeutung. Für die Behandlung eiweißarmer Wundödeme oder eiweißreicher Lymphödeme durch Anwendung der Manuellen Lymphdrainage (MLD) sind nicht nur Kenntnisse über die Lage der Lymphknoten (Lymphozentren), sondern auch ihrer zuführenden (afferenten) Lymphgefäßverläufe erforderlich.

Ein Netzsystem von initialen Lymphgefäßen (Lymphkapillaren und Präkollektoren) gewährleistet die Bildung von Lymphe aus dem interstitiellen Bindegewebe der Dermis (Textabb. 1.3–1). Im Gegensatz zu den dermalen terminalen Blutgefäßen weisen die Lymphbildungsgefäße Öffnungen (interendotheliale Öffnungen) in der Endothelauskleidung auf und ihnen fehlt ein kontinuierlicher Basalmembranfilter. Dadurch ist eine direkte Aufnahme von Plasmaproteinen aus dem Bindegewebsraum möglich, welche über das Lymphsystem zurück in das Blutsystem rezirkulieren müssen. Lymphsammelgefäße (Kollektoren) sind bereits innerhalb des initialen Lymphgefäßnetzsystems integriert (Textabb. 1.3–1), welche die Lymphe in subkutane (epifasziale) Kollektoren weiterleiten und den afferenten Kollektoren der Lymphozentren der Haut entsprechen (Tafel 1.2, oben). image(1)

Die territoriale Einteilung des Integumentum commune entspricht den anatomischen Einzugsgebieten der oberflächlich (epifaszial) gelegenen Lymphknoten eines Lymphozentrums. Einige Territorien besitzen mehrere Lymphozentren (siehe Tabelle 1.3–1) und können sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Territoriums liegen. Kenntnisse über die exakte Lage der sieben Territorien (I–VII) auf jeder Körperseite aber auch ihrer Wasserscheiden (siehe Tafel 1.2 oben, weiße Linien) sind sowohl für die Erfassung der Ausbreitung von Krebszellen zwischen dem Primärtumor und der ersten Lymphknotenstation als auch für die Behandlungsstrategie der MLD erforderlich. Unter physiologischen Bedingungen erfolgt der Lymphfluss in den subkutanen Kollektoren stets weg von den Wasserscheiden zum Lymphozentrum eines Territoriums. Bei Umfangsvermehrungen innerhalb eines Territoriums ist der Abfluss der Lymphe in den wegführenden (efferenten) Kollektoren des regionalen Lymphozentrums gestaut, so dass es erforderlich ist die Lymphlast mittels MLD in ein benachbartes Territorium umzuleiten (zu kollateralisieren).

Die Lymphgefäßstämme (Trunci lymphatici) drainieren die Lymphe aus dem Lymphozentrum der Haut letztlich bis zum linken (Tafel 1.2, unten) und rechten Venenwinkel, wo die Lymphe in das präkardiale Venensystem gelangt. image(2, 3)

 

Tab. 1.3–1: Für die Anwendung der MLD wichtige lymphvaskuläre Territorien (I–VII) der Haut mit deren regionalen Lymphknoten.
Territorium Haut Regionale Lymphknoten
Territorium ILnn. mandibulares
Territorium II Lnn. parotidei
Territorium IIILnn. cervicales superficiales, Lnn. cubitales
Territorium IVLnn. axillares proprii
Territorium VLnn. subiliaci
Territorium VILnn. anorectales et hypogastrici, Lnn. ischiadici
Territorium VIILnn. inguinales profundi, Lnn. poplitei profundi, Lnn. inguinales superficiales

 

image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Dirk Berens von Rautenfeld

(1) _____ Bei Anwendung der MLD kann durch spezielle kreisförmige Handgriffe auf der Haut die Lymphbildung gefördert werden. Der wichtigste Effekt des MLD-Griffes ist jedoch die Anregung der glatten Muskelzellen in der Wand der Kollektoren zur Kontraktion (Lymphgefäßwandpumpe). Neben den oberflächlichen (subkutanen) können auch die tief verlaufenden (subfaszialen) Kollektoren zur Mehrarbeit angeregt werden.

(2)_____ Besonders häufig treten Umfangsvermehrungen der Haut im Bereich der Beckengliedmaßen auf, da der Lymphabfluss über den Milchbrustgang (Ductus thoracicus) zum linken Venenwinkel (Tafel 1.2, unten) im Vergleich zu anderen Körperregionen besonders lang ist. Dabei ist zu beachten, dass auch die rechte Beckengliedmaße ihre Lymphe in den linken Venenwinkel drainiert. Ist z. B. die rechte Beckengliedmaße ödematös erkrankt beginnt die MLD-Behandlung im Bereich des linken Venenwinkels, um die intakten Lymphabflussverhältnisse im Ductus thoracicus zu aktivieren (zentrale Vorbehandlung) bevor die erkrankte Extremität behandelt wird.

(3)_____ Mit bildgebenden Verfahren wie der Lymphangiographie und Lymphszintigraphie können Lymphgefäße (Kollektoren) im Bereich der Extremitäten dargestellt werden. Dazu wird ein Röntgenkontrastmittel bzw. Radionukleid in die Dermis appliziert, von wo die Markierungsflüssigkeit über das Öffnungssystem der Endothelauskleidung initialer Lymphgefäße in den Lymphdrainageweg gelangt.

 

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Textabb. 1.3-1: Halbschematische Darstellung epifaszialer Lymphgefäße des Hautorgans beim Pferd (nach Berens v. Rautenfeld und Rothe, 2002). Direkt unter der Epidermis (oben) liegt ein dichtes Netz von Lymphkapillaren (grün) in der Dermis. Darunter, noch in der Dermis, befindet sich ein gemeinsames Netzsystem aus Präkollektoren (hellblau) und Kollektoren (rot). Das dermale Kollektorennetz zeigt fünf Gefäßverbindungen zu einem längs verlaufenden subkutanen Kollektor (rot) in der Subkutis (weiß, unten).

 

Tafel 1.2: Systema lymphaticum s. lymphoideum

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Gelb: Lnn. cervicales profundi caudales: drainieren als übergeordnete Lymphknoten (Schaltlymphknoten) die Lymphe des Kopfes, des Halses, der Schultergliedmaße und den kranialen Anteil des äußeren Rumpfes bis zur transversalen Wasserscheide (TW; gestrichelte Linie).
Orange: Lnn. iliaci mediales, drainieren entsprechend als Schaltlymphknoten Anteile der äußeren Rumpfwand kaudal der transversalen Wasserscheide (Gestrichelte Linie) einschließlich der Beckengliedmaße.

 

1.4 Stamm und Hals

1.4.1 Wirbelsäule

Die Wirbelsäule (Columna vertebralis) weist zwischen dem Hals- und Brustabschnitt die tiefste Stelle auf und steigt von hier allmählich bis zur Lendenwirbelsäule an. Auch die kaudodorsal ausgerichteten Dornfortsätze (Procc. spinosi —12) der Brustwirbel werden bis zum vierten (fünften) Brustwirbel stetig länger und bilden die knöcherne Grundlage des Widerristes. Danach erfolgt bis zum antiklinalen Wirbel (mit perpendikulärem Dornfortsatz, meistens vT16) eine stetige Verkürzung auf etwa 10 cm Länge (beim mittelgroßen Pferd), die an den Lendenwirbeln mit leicht kraniodorsal gerichteten Dornfortsätzen beibehalten wird. Die Enden der langen Dornfortsätze weisen im Widerristbereich bei Jungtieren noch knorpelige Kappen auf, die im höheren Alter allmählich verknöchern (s. Abb. 1.4–2). Die Wirbelsäulenabschnitte setzen sich wie folgt zusammen: 7 vC (wie bei allen Haussäugetieren), 18 vT (17, 19), 6 vL (5, 7), 5 vS, 20 vCy (15–21). Die Klammerziffern beziehen sich auf häufig vorkommende Variationen.

Halswirbel (Vertebrae cervicales)

An den Halswirbeln sind mit Ausnahme des zweiten und letzten Halswirbels die Spinalfortsätze nur angedeutet und fehlen am ersten Halswirbel ganz. Der Atlas weist ein Foramen alare (27') auf (Incisura alaris beim Hund) und (ebenso wie bei allen Haussäugetieren) ein Foramen vertebrale laterale (28), das auch am zweiten Halswirbel des Pferdes ausgebildet ist (Durchtritt von nC2). Der Kamm des zweiten Halswirbels lässt kaudal eine Paarigkeit erkennen. An den übrigen Halswirbeln besitzen die Querfortsätze ein kraniales Tuberculum ventrale (13') und ein kaudales Tuberculum dorsale (13") (Ausnahme: vC7). image (1)

 

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Textabb. 1.4-1: Articulationes costovertebrales.

 

Brustwirbel (Vertebrae thoracicae)

An den Brustwirbeln erfolgt im letzten Abschnitt eine Richtungsänderung der Gelenkfläche der Processus articulares von (annähernd) horizontal (tangential) zu perpendikulär (sagittal zum Wirbelkanal). Am Kaudalende der Brustwirbelsäule verschmelzen die Foveae costales craniales (6) des Wirbelkörpers mit der Fovea costalis (14) des Querfortsatzes und vereinigen sich allmählich zu einer einheitlichen Gelenkfläche für Rippenköpfchen und -höckerchen. Zuweilen ist die Incisura vertebralis caudalis durch einen Knochensteg verschlossen, wodurch das Foramen intervertebrale verdoppelt ist. image (2)

Lendenwirbel (Vertebrae lumbales)

An den Lendenwirbeln sind die rechtwinkelig abgehenden Querfortsätze (Procc. transversi —13) des letzten und vorletzten Lendenwirbels basal gelenkig miteinander (gelegentlich knöchern) verbunden, wodurch die Foramina intervertebralia in eine dorsale und eine ventrale Öffnung zweigeteilt sind. Der letzte Lendenwirbelquerfortsatz artikuliert an seiner Basis außerdem mit dem Kreuzbeinflügel, dabei ein auffällig großes, ebenfalls zweigeteiltes Foramen intervertebrale freilassend.

Kreuzwirbel (Vertebrae sacrales)

Die Kreuzwirbel verwachsen erst im Alter von 4 bis 5 Jahren partiell miteinander. Die Spinalfortsätze bleiben apikal überwiegend isoliert und verwachsen lediglich an ihren Basisabschnitten. An der Kranialkontur des dreieckig erscheinenden Kreuzbeins liegt ventral ein undeutliches Promontorium ossis sacri (38) und dorsal wird auf gleicher Transversalebene mit der Kaudalkontur des letzten Lendenwirbels das weite Spatium interarcuale lumbosacrale (23) gebildet. image (3, 4)

Schwanzwirbel (Vertebrae coccygeae s. caudales)

An den Schwanzwirbeln ist die Paarigkeit der Spinalfortsätze an den ersten beiden Wirbeln meist undeutlich erkennbar. Danach sind die Wirbelbögen etwa bis zum sechsten Schwanzwirbel dorsal offen und gehen allmählich ganz verloren, so dass die apikalen Schwanzwirbel stäbchenförmig erscheinen. Der erste Schwanzwirbel hat die mit dem Alter zunehmende Tendenz mit dem Kreuzbein zu verwachsen.

1.4.2 Brustkorb

Der Brustkorb (Thorax) wird von den Rippen, den Brustwirbeln und dem Brustbein gebildet. Entsprechend der Anzahl der (meist) 18 Rippen, reicht er besonders weit kaudal. Entsprechend der Rippenkrümmung ist er kranial bilateral abgeflacht und kaudal eher abgerundet. Von allen 18 Rippen (Costae) sind die ersten 8 (9) Costae sternales (verae —41) und die letzten 10 (9) Costae asternales (spuriae —42). Sofern überzählige Rippen vorkommen, ist die letzte als Fleischrippe ausgebildet. Die erste Rippe ist kurz und weitgehend unbeweglich, da sie für die nachfolgenden, mehr und mehr beweglichen Rippen eine relativ feste Verankerung bietet. Das Brustbein (Sternum) ist kranial im Bereich des Manubrium sterni (54) und der ersten 3 Sternebrae des fünfteiligen Corpus sterni (55) bilateral komprimiert und kaudal davon im Bereich der beiden letzten Sternebrae (56) sowie des Proc. xiphoideus (Schaufelknorpel) zunehmend dorsoventral abgeflacht. Abgesehen vom Kaudalende des Sternum ist der ventrale freie Knorpelrand (Crista sterni —55') ungegliedert. Er verbreitert sich kranial am Manubrium sterni zum Habichtsknorpel (Cartilago manubrii —54').

 

Tafel 1.3: Columna vertebralis, Skeleton thoracis et Ligamentum nuchae

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1.4.3 Elastisches Nackenband (Ligamentum nuchae)

Das elastische Nackenband (Ligamentum nuchae, s. Tafel 1.3) besteht aus zwei paarigen Anteilen, dem oberflächlich gelegenen Nackenstrang (Funiculus nuchae —9.A) und der tief gelegenen Nackenplatte (Lamina nuchae —9.B), die beim Hund nicht ausgebildet ist.

Der Nackenstrang reicht von der Protuberantia occipitalis externa bis zu den allmählich verknöchernden Knorpelkappen der längsten Spinalfortsätze (3., 4. oder 5. Brustwirbel), wo er sich kontinuierlich bei allmählichem Verlust der Elastizität in das Rückenband (Lig. supraspinale —9.C) fortsetzt, das bis zum Kreuzbein reicht. Der abgerundete Anfangsabschnitt des Nackenstrangs zieht ohne Anheftung über die ersten beiden Halswirbel hinweg und erhält etwa ab Halsmitte eine bilaterale flügelförmige Verbreiterung, die über den längsten Spinalfortsätzen zur Widerristkappe erweitert ist, die bilateral fast bis zum Schulterblattknorpel reicht. Am Rückenband verliert sich die Erweiterung bis zum zwölften Brustwirbel wieder.

Zwischen Widerristkappe und der Endigung der Nackenplatte liegt über den Spinalfortsätzen (vT 2, 3 und evtl. 4) der konstant ausgebildete Widerristschleimbeutel (Bursa subligamentosa supraspinalis —9.C'). Unter dem kranialen abgerundeten Teil des Nackenstrangs können sich auf dem 1. und 2. Halswirbel Genickschleimbeutel (Bursa subligamentosa nuchalis cranialis —9.A' resp. —caudalis —9.A") ausbilden. Die stellenweise faserig dünne und teilweise sehr dick-solide elastische Lamina nuchae kommt kaudal des Atlas von den nur angedeuteten Spinalfortsätzen des zweiten bis letzten Halswirbels. Sie strahlt kaudodorsal in den Nackenstrang ein und endigt außerdem unterhalb des Widerristschleimbeutels an den Spinalfortsätzen der ersten Brustwirbel. image (5, 6, 7)

1.4.4 Wirbelsäulenmuskeln

Siehe Kapitel 1.6.2, 1.7.2, 1.8.1 und Anhang zur Myologie.

image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____ Da die bei jungen Pferden an der Halswirbelsäule röntgenologisch darstellbaren Epiphysenfugen (Abb. 1.4–1) Frakturlinien vortäuschen können, ist es für den Kliniker wichtig, den Zeitpunkt des Epiphysenfugenschlusses zu kennen. Am Atlas lässt sich lediglich im dorsoventralen Strahlengang eine Epiphysenfuge darstellen, die mit 12 Monaten geschlossen ist. An den Halswirbeln vC2–7 sind hingegen im seitlichen Strahlengang je eine Epiphysenfuge kranial (Schluss mit 2 bis 5 Jahren) bzw. kaudal (Schluss mit 4 bis 6 Jahren) am Wirbelkörper nachweisbar. Der Axis besitzt außerdem eine Apophysenfuge zum Dens, die sich im Alter von 7 bis 12 Monaten schließt. Weitere Epiphysenfugen am Atlas und Axis sind nur mit Hilfe der Computertomographie darstellbar [1, 2].

Gelegentlich kann es aufgrund von Formveränderungen der Halswirbel zu einer Einengung (Stenose) des Wirbelkanals und infolgedessen zu einer Kompression des Rückenmarkes kommen (Cervical Vertebral Malformation/Malarticulation, Cervical Stenotic Myelopathy, Wobbler-Syndrom). Die damit einhergehenden neurologischen Ausfallserscheinungen äußern sich i. d. R. in einer Störung der Bewegungskoordination (spinale Ataxie). Typisch sind unter anderem ein schwankender oder stolpernder Gang, übertriebene oder verlangsamte Gliedmaßenbewegungen (Dysmetrie) und eine gestörte Tiefensensibilität. In Abhängigkeit vom Einfluss der Halshaltung auf die Rückenmarkskompression werden zwei Formen unterschieden. Die dynamische (funktionelle) Stenose tritt nur bei einer Beugung (gewöhnlich im Bereich vC2–6) oder Streckung der Halswirbelsäule (vorwiegend vC6–vT1) in Erscheinung, während die statische (absolute) Stenose unabhängig von der Halshaltung ist.

 

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Abb. 1.4-1: Latero-laterale (a) und ventro-dorsale (b) Röntgenaufnahme eines drei Wochen alten Fohlens mit Katheter in der linken Vena jugularis. Zwischen beiden Ossifikationszentren des Atlas (C1) ist in (b) eine sagittale Aufhellungslinie sichtbar. Im Axis sind in (a) und (b) Aufhellungslinien zwischen dem Ossifikationszentrum des Dens (in [b] mit dem Atlas überlagert), des Kopfes, des Körpers und der kaudalen Endplatte sichtbar. An den übrigen Halswirbeln sind die Wachstumsfugen zwischen Körper und kranialer und kaudaler Endplatte als Aufhellungslinien sichtbar. (Röntgenaufnahmen: Abteilung für Klinische Radiologie, Vetsuisse-Fakultät Bern.)

 

Eine weitere Unterscheidung ist anhand der verursachenden Faktoren möglich. Beim Typ I liegen entwicklungsbedingte (z. T. osteochondrotische) Veränderungen der Halswirbelsäule zugrunde, weshalb i. d. R. Fohlen bzw. Jungpferde im Alter von 6 Monaten bis 2 Jahren betroffen sind. Dabei können sowohl dynamische als auch statische Stenosen auftreten. Verursacht werden diese unter anderem durch eine Vergrößerung der kaudalen Epiphyse bzw. durch eine Vorwölbung im Bereich der kaudalen Epiphysenfuge in Richtung Rückenmark (intra-vertebrale Stenose). Möglich ist auch eine Deformation der Gelenkfortsätze (insbesondere an den Halswirbeln vC3–5), die zu einer Instabilität der Halswirbelsäule und somit zu Subluxationen (partielle Verrenkungen) der Halswirbel führen können. Darüber hinaus kann es außerdem zu einer kaudalen Verlängerung des dorsalen Wirbelbogens kommen, so dass dieser über die kraniale Epiphyse des nächsten Wirbelkörpers hinaus nach kaudal ragt. Die Folge ist eine dynamische (inter-vertebrale) Stenose, wobei insbesondere vC2–5 betroffen sind. Beim Typ II, bei dem keinerlei Hinweise auf entwicklungsbedingte Veränderungen im Bereich der Halswirbel vorliegen, handelt es sich vermutlich eher um die Spätfolgen von Traumata. Typisch sind degenerative Veränderungen an den Wirbelgelenken (insbesondere an vC5–7). Dabei kann es aufgrund von knöchernen Zubildungen oder infolge einer Proliferation von artikulärem bzw. periartikulärem Weichteilgewebe zu einer Druck-Schädigung des Rückenmarkes kommen. Sie tritt meist in einem Alter von 1 bis 3 Jahren erstmals in Erscheinung, wurde aber auch bei älteren (5- bis 10-jährigen) Pferden beobachtet. Die native Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule ergibt häufig nur eine Verdachtsdiagnose. Genaue Aussagen über das Ausmaß und die Lokalisation der Rückenmarkskompression sind mit Hilfe der Myelographie (Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule nach einer Injektion von Röntgenkontrastmittel in das Cavum subarachnoidale) möglich. Die Therapie kann bei Fohlen mit Typ-I-Veränderungen im Frühstadium konservativ erfolgen (restriktive Fütterung und Bewegungseinschränkung). Im fortgeschrittenen Stadium sowie bei Typ-II-Veränderungen ist in ausgewählten Fällen eine chirurgische Therapie möglich. Dabei kann sowohl bei dynamischer als auch bei statischer Stenose eine vertebrale Arthrodese (operative Versteifung des Zwischenwirbelgelenkes) in Streckstellung des Halses vorgenommen werden, wodurch eine Stabilisierung der Halswirbelsäule erreicht wird. Bei der statischen Stenose ist zur Druckentlastung des Rückenmarkes auch eine dorsale Laminektomie (Entfernung eines Teils des Wirbelbogens) möglich [3, 4].

 

 

 

Traumatisch bedingte Luxationen sowie Halswirbelfrakturen im Bereich von Wirbelkörper bzw. -bogen (z. B. infolge eines Sturzes, nach Hufschlagverletzungen oder durch Strangulation mit dem Halfter) können eine Rückenmarkskompression und somit klinische Erscheinungen wie spinale Ataxie (Wobbler-Syndrom) oder sogar Festliegen und Atemlähmung bedingen. Symptome können entweder sofort auftreten (z. B. infolge einer fokalen Blutung bzw. einer strukturellen Instabilität) oder sie sind erst nach einiger Zeit festzustellen, wenn es aufgrund einer Kallusbildung zur Stenose des Wirbelkanals kommt. Bei Frakturen der Fortsätze ist eher eine Verkrümmung oder ein seitliches Abbiegen des Halses (Tortikollis) zu beobachten. Eine Prädisponierende Lokalisation für Frakturen bzw. Luxationen ist der occipitoatlanto-axiale Bereich sowie die kaudale Halsregion (vC5–vT1; Abb. 1.4–2). Bei jungen Pferden stellen insbesondere die Epiphysenfugen eine Schwachstelle dar [4, 5].

Eine relativ seltene angeborene Abnormität der Halswirbelsäule ist die occipito-atlanto-axiale Fehlbildung (Occipitoatlantoaxial malformation), die autosomal rezessiv vererbt wird und am häufigsten bei Araberpferden vorkommt. Der Erkrankung können verschiedene Anomalien zugrunde liegen wie beispielsweise eine Fusion von Atlas und Hinterhauptbein, eine Hypoplasie des Dens axis oder die Ausbildung von zusätzlichen Wirbelanteilen. Sie äußert sich in einer gestreckten Kopf-Hals-Haltung, Dysmetrie sowie Inkoordination der Vorder- und Hintergliedmaßen (Ataxie). Diese Symptome sind entweder schon bei der Geburt vorhanden oder entwickeln sich innerhalb der ersten Lebensmonate [2, 4].

Zur Entnahme von Liquor cerebrospinalis bzw. zur Injektion von Röntgenkontrastmittel für die Myelographie kann das Cavum subarachnoideale über das Spatium atlantooccipitale punktiert werden. Dabei wird die Kanüle bei gebeugter Kopf-Hals-Haltung in der Medianen in Höhe der Kranialränder der beiden gut tastbaren Atlasflügel senkrecht zur Haut eingestochen. Die Punktion erfolgt i. d. R. am narkotisierten Pferd in Seitenlage [6].

 

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Abb. 1.4-4: Thorakolumbales interspinales Syndrom, Kissing-spines-Syndrom. (a) Präparat der hinteren Brustwirbelsäule eines Pferdes. Lokale Reaktionen sowie exostosenartige Formveränderungen (Knochenzubildungen). Zusätzlich arthrotische Veränderungen an den Wirbelgelenken (Spondylarthropathia deformans, Spondylarthrosis). (b) Kissing spines im Bereich der hinteren Sattellage mit Knochenzubildungen und osteolytischen Bereichen an der Kranialkontur der Dornfortsätze, rechts = kaudal, 5-jähriger Warmblut-Wallach. (Foto: Prof. Dr. C. Mülling; Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

(2)_____ Die Dornfortsätze der Brustwirbel vT3–9 bilden den Widerrist, dessen höchster Punkt im Bereich von vT4 bzw. vT5 lokalisiert ist. Die Sattellage befindet sich im Bereich der hinteren Brustwirbel (vT10–18). Bei jungen Pferden sind die Dornfortsätze von vT2–8(–9) mit Knorpelkappen bedeckt, die einen eigenen Ossifikationskern aufweisen (Abb. 1.4–3, Stern). Die entsprechenden Apophysenfugen schließen sich erst im Alter von 7 bis 15 Jahren und dürfen nicht mit Frakturen der Dornfortsätze (Abb. 1.4–2, Pfeil) verwechselt werden. Derartige Frakturen, die i. d. R. Folgen eines Traumas (z. B. nach Überschlagen des Pferdes) sind, heilen häufig ohne chirurgische Intervention innerhalb von vier bis sechs Monaten. Zurück bleibt meist eine deutliche Senkung des Widerristes, wodurch die Leistungsfähigkeit des Pferdes jedoch gewöhnlich nicht beeinflusst wird [7, 8].

Der Abstand zwischen den Dornfortsätzen der Brust- und Lendenwirbelsäule beträgt i. d. R. mehr als 4 mm. Sich nähernde (Abstand < 4 mm) und sich schließlich berührende oder sogar überlappende Dornfortsätze der Brust- und Lendenwirbelsäule sind eine häufige Ursache für „Rückenprobleme” beim Pferd (Thorakolumbales interspinales Syndrom, Kissing-spines-Syndrom, Abb. 1.4–4). Betroffen sind gewöhnlich die Dornfortsätze von vT10–vL4 (am häufigsten vT13–18), da in diesem Bereich die größte dorsoventrale Beweglichkeit der Wirbelsäule vorliegt. Allerdings ist die Verengung der Dornfortsatzabstände nicht immer als pathologisch zu werten, denn ca. ein Drittel der Pferde zeigen keinerlei klinische Symptome. Eine mögliche Erklärungsursache sind physiologische Umformungsvorgänge an den Dornfortsätzen, die als eine Anpassung an die biomechanische Belastung angesehen werden. Eine besondere Rolle spielt der Ansatz des Lig. supraspinale an den dorsokranialen Rand der Dornfortsätze, der bei älteren Pferden oft hakenartig nach kranial ausgezogen ist. [9, 10] Da die größten dynamischen Kräfte auf den Pferderücken bei hoher Geschwindigkeit und beim Springen einwirken, gelten Renn- und Springpferde als besonders anfällig. Bei Letzteren erfolgt beim Sprung über das Hindernis eine maximale Krümmung des Rückens, während der Rücken in der Landephase maximal gesenkt wird. Durch die wiederholte unphysiologische Absenkung des Rückens kommt es regelmäßig zu einem Aneinanderpressen der Dornfortsätze, was als auslösende Ursache für die Ausbildung von „Kissing spines“ bei Springpferden angesehen wird. Dressur-, Western- und Freizeitpferde können jedoch ebenso betroffen sein, wobei am häufigsten Pferde im Alter von 5 bis 9 Jahren erkranken [9, 11]. Bei der klinischen Untersuchung fallen typischerweise ein Druckschmerz bei der Palpation der Dornfortsätze sowie Schmerzreaktionen bei der reflektorisch ausgelösten Dorsoflexion (Senkung des Rückens) auf. Röntgenologisch sind neben dem Engstand der Dornfortsätze meist lokale Reaktionen in Form von Randsklerosierungen (Knochenverdichtungen), osteolytischen Bereichen (Auflösungserscheinungen im Knochen) sowie exostosenartigen Formveränderungen (Knochenzubildungen) zu beobachten (Abb. 1.4–4b). Der unphysiologische Kontakt der Dornfortsätze kann auch an anderen Lokalisationen zu röntgenologisch sichtbaren Veränderungen führen, so werden mitunter auch arthrotische Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken (Spondylarthropathia deformans, Spondylarthrosis) festgestellt [9, 10]. Neben der medikamentösen Therapie wird eine chirurgische Behandlung in Form der Teilresektion betroffener Dornfortsätze beschrieben [12].

 

 

Ventral an den Wirbelkörpern der Brustwirbelsäule (insbesondere zwischen vT11–16) sind röntgenologisch bei älteren Pferden mitunter knöcherne Zubildungen darstellbar (Spondylosis deformans), die teilweise sogar eine Brückenbildung (Ankylose) zwischen benachbarten Wirbeln bedingen können. Zugrunde liegt eine chronisch-degenerative Erkrankung des Lig. longitudinale ventrale, welches durch die in diesem Bereich der Wirbelsäule größtmögliche axiale Rotation und laterale Beweglichkeit besonders beansprucht wird. Die beschriebenen Veränderungen können mit „Rückenproblemen“ einhergehen, meist sind sie jedoch nur röntgenologische Zufallsbefunde ohne klinische Relevanz [7, 13].

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Abb. 1.4-6: Mögliche Zugänge für die periartikuläre Injektion des Iliosakralgelenkes. (1) kranialer Zugang, (2) kraniomedialer Zugang, (3) medialer Zugang, (4) kaudaler Zugang.

 

Bandscheibenprobleme im thorako-lumbalen Bereich (Diskopathien) spielen beim Pferd nur eine untergeordnete Rolle, da ein Nucleus pulposus unterentwickelt oder gar nicht vorhanden ist [13].

An der Brust- und Lendenwirbelsäule können verschiedene angeborene oder erworbene Deformationen beobachtet werden. Als Lordose (Senkrücken, Abb. 1.4–5) wird eine ventral konvexe Biegung der Wirbelsäule (meist zwischen vT5–10) bezeichnet. Betroffen sind häufig ältere Zuchtstuten nach einer größeren Anzahl von Trächtigkeiten. Die Kyphose (Karpfenrücken) ist eine dorsal konvexe Krümmung der Wirbelsäule (meist im Bereich von vL1–5), die am häufigsten bei Absatzfohlen beobachtet wird. Unter Skoliose versteht man eine seitliche Krümmung der Wirbelsäule (meist zwischen vT10–18), welche i. d. R. durch einen einseitig verstärkten Tonus der Rückenmuskulatur (insbesondere des M. longissimus thoracis, im klinischen Sprachgebrauch auch M. longissimus dorsi genannt) hervorgerufen wird [7].

(3)_____ Das Kreuzbein ist gelenkig mit dem Beckengürtel und somit mit der Hinterextremität verbunden (Kreuzdarmbein- oder Iliosakralgelenk). Um das Gelenk besteht ein straffer Bandapparat, der von den Ligg. sacroiliaca interossea, ventralia und dorsalia (Pars brevis und Pars longa) sowie dem Lig. sacrotuberale latum gebildet wird. Infolge eines Traumas kann es zur Schädigung des Bandapparates und somit zur Lockerung des Gelenkes kommen. Aufgrund der chronischen Instabilität treten häufig Knochenzubildungen im Bereich des Iliosakralgelenkes auf, während Subluxationen (partielle Verrenkungen) eher selten zu beobachten sind [14]. Besonders häufig sind Rennpferde sowie Spring- und Dressurpferde betroffen, wobei anscheinend insbesondere große Warmblutpferde eine Prädisposition für eine Erkrankung des Iliosakralgelenkes besitzen. Die Pferde zeigen meist eine gewisse Steifheit und eine geringe Schubentwicklung der Hinterhand [7]. Ist lediglich das Iliosakralgelenk betroffen, weisen die Pferde häufig eine einseitige Muskelatrophie, jedoch i. d. R. keine Asymmetrie im Bereich der Tubera sacralia auf. Ein einseitiges Hervorstehen des Tuber sacrale tritt eher bei Veränderungen der dorsalen Bandstrukturen oder einer Verdichtung des subkutanen Gewebes auf. Allerdings wird eine Asymmetrie der Tubera sacralia häufig auch bei klinisch gesunden Pferden beobachtet [14, 15]. Nützliche Informationen zur Diagnosefindung liefern die transkutane und rektale sonographische Untersuchung sowie die Szintigraphie. Zur Diagnosesicherung kann eine regionale Infiltration im Bereich des Iliosakralgelenkes erfolgen. Dabei wird eine 9–15 cm lange Kanüle axial vom Tuber sacrale in einem Winkel von ca. 20° in kaudaler Richtung eingestochen (auf das gegenüberliegende Iliosakralgelenk zu) und zwischen die divergierenden Dornfortsätze von vL6 und vS1 vorgeschoben (Abb. 1.4–6). Bei Knochenkontakt im kaudomedialen Gelenkbereich werden 20 ml eines 2 % Lokalanästhetikums injiziert und die Prozedur auf der anderen Seite wiederholt. Aufgrund einer möglichen Diffusion zu den Ligg. sacroiliaca interossea bzw. zum M. longissimus dorsi sowie zu den dorsalen Ästen der Sakralnerven ist diese Anästhesie nicht völlig spezifisch. Eine mögliche Komplikation besteht in der Parese des N. ischiadicus [14, 15]. Daneben wurden noch weitere Zugänge für die periartikuläre Injektion des Iliosakralgelenkes beschrieben, die teilweise unter Ultraschallkontrolle durchgeführt werden (Abb. 1.4–4) [16, 17].

 

(4)_____ Über das Spatium interarcuale lumbosacrale kann auch beim stehenden Pferd Liquor cerebrospinalis aus dem Subarachnoidalraum gewonnen werden. Der Zugang befindet sich zwischen dem tastbaren Dornfortsatz des letzten Lendenwirbels und dem Dornfortsatz des 1. Kreuzwirbels, welcher zwischen den beiden tastbaren Kreuzbeinhöckern des Beckens (Tubera sacralia) liegt. Dabei wird die Kanüle senkrecht durch die Haut etwa 10–12 cm tief eingestochen [18].

Über das Spatium interarcuale sacrococcygeale ist beim Pferd keine Liquorgewinnung möglich, da das Cavum subarachnoideale nicht über das Kreuzbein hinaus nach kaudal reicht. Eine Epiduralanästhesie (z. B. für eine Operation im Vulvabereich) ist jedoch möglich [18].

(5)_____ Bei einer Überbelastung des Nackenstranges (Abb. 1.4–7) an seiner Insertionsstelle (Protuberantia occipitalis ext.) kann es zu krankhaften Veränderungen des Weichteil- oder Knochengewebes (Insertionsdesmopathie) kommen. Bei der Röntgenuntersuchung sind mitunter Knochenzubildungen am Os occipitale (Abb. 1.4–8) oder Verkalkungen im Nackenstrang erkennbar. Die betroffenen Pferde zeigen häufig eine Widersetzlichkeit sowie Kopfschütteln beim Reiten [19].

(6)_____ Entzündungen und Infektionen des Widerristschleimbeutels (Bursa subligamentosa supraspinalis resp. Bursa cucullaris) können zur Ausbildung einer sog. Widerristfistel führen. Typisch ist ein chronischer Eiterausfluss am Widerrist, der häufig sehr therapieresistent ist. In fortgeschrittenen Fällen kann es zur Nekrose des umgebenen Gewebes (Faszie, Lig. supraspinale, Knorpelkappen) bis hin zu einer eitrigen Einschmelzung der Dornfortsätze kommen. Die chirurgische Sanierung umfasst eine Freilegung des Fistelgrundes und eine Entfernung des Schleimbeutels [20, 21].

 

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Abb. 1.4-8: Insertionsdesmopathie im Bereich des Ansatzes des Nackenstranges an der Protuberantia occipitalis ext. (Pfeil), rechts = kaudal, 9-jährige Warmblut-Stute. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinär-med. Univ. Wien.)

 

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Abb. 1.4-9: (a) Genickbeule, (b) Fistelbildung einer entzündeten Genickbeule. (Foto: Prof. Dr. H. Gerhards, PD Dr. B. Wollanke.)

 

(7)_____ Entzündungen des Genickschleimbeutels (Bursa subligamentosa nuchalis cranialis resp. caudalis) bedingen eine typische umschriebene Schwellung im Genick (Genickbeule, Talpa). Ist der Schleimbeutel eitrig infiziert, kann es zu einer Nekrose des Nackenstranges und zur Fistelbildung mit chronischem Eiterausfluss kommen (Abb. 1.4–9). In diesem Fall ist ein chirurgisches Vorgehen in Form einer partiellen Nackenstrangresektion inkl. des Schleimbeutels angezeigt [20, 21].

1.5 Hals und Spatium colli

1.5.1 Hautmuskulatur an Hals und Rumpf

Die Hautmuskulatur im Halsbereich repräsentiert der kaudoventral am Hals gelegene dünne M. cutaneus colli (5), der an der Halsfaszie und am Manubrium sterni entspringt und von hier V-förmig beiderseits über die Drosselrinne auf den M. sternocleidomastoideus tritt, mit dem er teilweise verschmilzt. Die Hautmuskulatur im Bereich der Schulter und des Rumpfes bilden der M. cutaneus omobrachialis, der Schulter und Oberarm bei annährend transversalem Faserverlauf subkutan aufliegt und als direkte Fortsetzung des mehr longitudinal ausgerichteten M. cutaneus trunci gilt.

1.5.2 Lange Zungenbeinmuskeln

Die Mm. sternohyoideus (19) und sternothyreoideus (20) beider Körperseiten bilden von ihrem Ursprung am Manubrium sterni bis zur ventralen Halsmitte ein einheitliches Muskelband, wo an einer transversalen Zwischensehne die Vierteilung in die jeweils paarigen Mm. sternohyoideus und sternothyreoideus erfolgt. Der M. omohyoideus (13) entspringt aponeurotisch dorsal vom Schultergelenk an der Fascia subscapularis, unterlagert als handbreiter Muskel die Drosselrinne und setzt nach Vereinigung mit seinem Konterpart sowie mit dem M. sternohyoideus am Basihyoideum samt Proc. lingualis des Zungenbeins an.

1.5.3 Spatium colli

Der Raum für die Halseingeweide und Leitungsstrukturen wird ventral durch die langen Zungenbeinmuskeln, bilateral durch den M. sternocleidomastoideus und dorsal durch die Muskeln der Wirbelsäule (Mm. longus colli und —capitis) begrenzt. Die dorsoventral abgeflachte Trachea (21) liegt bei ventraler Bedeckung durch den M. sternohyoideus inmitten des Spatium colli. Ihre Knorpelspangen überlappen sich dorsal und werden innen vom M. trachealis überspannt. Die A. carotis communis (16) liegt an der Kopf-Hals-Grenze dorsolateral der Trachea und an der Apertura thoracis cranialis eher ventrolateral. Die V. jugularis interna ist sehr schwach oder fehlend. Wie beim Hund liegt der Oesophagus (14) an der Kopf-Hals-Grenze dorsal, in Halsmitte links-dorsal und in der Apertura thoracis cranialis wieder dorsal der Trachea. Der Truncus vagosymphaticus (17) kann mit seinen beiden Anteilen getrennt verlaufen. Sonst verhalten sich der N. laryngeus recurrens (15) und der Tr. vagosympathicus prinzipiell wie beim Hund. image (1)

1.5.4 Venen der Drosselrinne und der seitlichen Brustfurche

Die Drosselrinne (Sulcus jugularis; im Querschnitt s. Textabb. 1.5–1) wird dorsal vom M. cleidomastoideus (Pars clavicularis m. trapezii), ventral vom M. sternomandibularis und medial (tief) vom M. omohyoideus begrenzt. Die daringelegene Drosselvene (V. jugularis externa —3) führt das Blut vom Kopf aus der dorsalgelegenen V. maxillaris (2) und aus der ventral liegenden V. linguofacialis (1) ab. Drosselrinne und Drosselvene werden, abgesehen vom kranialen Halsbereich, vom M. cutaneus colli bedeckt. Vor der Mündung in den venösen Truncus bijugularis entlässt die Drosselvene am Kaudalende der Drosselrinne kraniodorsal die V. cervicalis superficialis (22) und kaudoventral die V. cephalica (24), die in der seitlichen Brustfurche zur Schultergliedmaße zieht. image (2)

 

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Textabb. 1.5-1: Querschnitt durch den Hals in Höhe der oberen Drittelgrenze mit Darstellung der V. jugularis ext. und A. carotis communis samt Karotisscheide. I Oberflächliche Halsfaszie, II Tiefe Halsfaszie, die mit Spaltblättern die Halseingeweide umhüllt und als Karotisscheide die A. carotis communis (6) umhüllt. (1) Trachea; (2) Oesophagus; (3) Nackenstrang; (4) Nackenplatte; (5) V. jugularis ext. in der Drosselrinne; (6) A. carotis communis mit begleitendem Truncus vagosympathicus und N. laryngeus recurrens; (7) vierter Halswirbel. (a) epaxiale Stammund Gliedmaßenmuskulatur; (b) subaxiale Stamm- und Gliedmaßenmuskulatur; (c) M. omohyoideus; (d) M. sternomandibularis. (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin.)

 

image Zur Darstellung der Rumpfmuskulatur. Die Präparation, die zeichnerische Darstellung und das Vorgehen bei der anatomischen Beschreibung erfolgen in drei Schichten: oberflächliche, mittlere und tiefe Schicht der Rumpfmuskulatur. Dieses Vorgehen entspricht dem logischen Ablauf der Präparation und ist für das topgraphische und funktionelle Verständnis sinnvoll.
Innerhalb der drei Schichten finden wir Vertreter verschiedener üblicherweise nach ihrer Entstehung und/oder Funktion gegliederter Muskelgruppen: die dorsale und ventrale Stammgliedmaßenmuskulatur, die seitliche Rumpfmuskulatur, die dorsale (autochthone) Wirbelsäulenmuskulatur, Atmungsmuskeln (Hilfsin- und -exspiratoren), Bauchmuskeln. Die jeweiligen Vertreter dieser Gruppen werden innerhalb jeder Schicht entsprechend ihrer Zugehörigkeit vorgestellt.
Die Darstellung in Abbildungen und Text auf den nächsten drei Doppelseiten folgt dieser Einteilung.

 

Tafel 1.4: Regiones colli et pectoris

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1.6 Oberflächliche Schicht der Rumpfmuskulatur

1.6.1 Oberflächliche Stammgliedmaßenmuskeln (Schultergürtelmuskeln)

Der M. trapezius mit seinen Partes cervicalis (10) und thoracica (10') strahlt von der dorsalen Medianen fächerförmig zur Spina scapulae. Der M. omotransversarius (6), der am lateralen Faszienüberzug der Schulter entspringt und kaudal des Atlasflügels an den Querfortsätzen des zweiten bis vierten Halswirbels inseriert, ist mit seinem Ventralrand fast nahtlos mit dem Dorsalrand des M. cleidomastoideus verwachsen. Der M. cleidomastoideus (4') geht oberflächlich, wo kein Schlüsselbeinstreifen kenntlich ist, nahtlos in die Pars clavicularis m. deltoidei (7 – M. cleidobrachialis) über. Da die Muskelfaserbündel oberflächlich über den Schlüsselbeinstreifen hinwegziehen, wird die gesamte Muskelmasse auch M. brachiocephalicus genannt. Der M. cleidomastoideus (4') entspringt mit seinen tiefen Faserbündeln am schwach ausgebildeten Schlüsselbeinstreifen, begrenzt mit seinem Ventralrand die Drosselrinne und endet am Warzenfortsatz des Schläfenbeins.

Der M. sternomandibularis (4) grenzt mit seinem Dorsalrand an die Drosselrinne, die vom M. omohyoideus unterlagert wird. Die beiderseitigen Muskeln entspringen am Manubrium sterni, trennen sich erst in Halsmitte voneinander und streben V-förmig nach Unterquerung der Gl. parotis mit einer rundlichen Sehne zum Kaudalrand des Unterkieferastes. Der M. latissimus dorsi (11) geht von einem schrägen kranioventralen Faserverlauf bei Annäherung an das Schulterblatt in einen perpendikulären Faserverlauf über und endet gemeinsam mit dem M. tensor fasciae antebrachii medial an der Unterarmfaszie sowie gemeinsam mit dem M. teres major medial an der Tuberositas teres major. image(3)

Die Mm. pectorales superficiales strahlen mit ihren Mm. pectoralis descendens (26) und —transversus (15.26') medial über das Ellenbogengelenk hinaus in die Unterarmfaszie ein. Sie wölben die Haut zur „Vorderbrust“ vor, bilden mit der Pars clavicularis m. deltoidei die seitliche Brustfurche (Sulcus pectoralis lateralis —9) und gemeinsam mit dem Konterpart die mittlere Brustfurche. image (4)

1.6.2 Oberflächliche dorsale Wirbelsäulen-und Rumpfmuskeln

Der M. splenius (1) entspringt an den Dornfortsätzen des 3. bis 5. Brustwirbels sowie am Nackenband und an der Fascia thoracolumbalis. Als breiter kräftiger Muskel zieht er seitlich am Hals kopfwärts. Der M. splenius cervicis setzt an den Querfortsätzen des 3. bis 5. Halswirbels an, der M. splenius capitis zieht zur Crista nuchae zum Processus mastoideus des Schläfenbeins. Dieser kräftige Muskel zeichnet sich durch die Haut ab und ist ein funktionell bedeutender Strecker, Heber und Seitwärtsbieger von Hals und Kopf.

In der oberflächlichen Schicht des seitlichen Rumpfes (Rumpfwand) füllen die Mm. intercostales externi (2) bei kaudoventralem Faserverlauf die Räume zwischen den Rippen aus; funktionell sind sie Hilfsinspiratoren. Der M. obliquus externus abdominis (3) bildet die oberflächliche Schicht der Bauchmuskultur (siehe dort). Teile des M. serratus ventralis (15.27) werden kranial der Schultergliedmaße (Pars cervicis) und kaudal des M. triceps brachii (30) und des M. latissimus dorsi (Pars thoracis) (11) sichtbar. Die vollständige Ausdehnung des Muskels und sein Ursprung an Halswirbelquerfortsätzen und Rippen sowie sein Ansatz an der Scapula werden erst in der mittleren Schicht nach Absetzen der Schultergliedmaße sichtbar (s. Kap. 1.7).

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie
Klaus-Dieter Budras, Rolf Berg

(1)_____ Da der Oesophagus im linken mittleren Halsdrittel palpierbarist, kann hier die korrekte Lage der Nasenschlundsonde überprüft werden.

(2)_____ Die V. jugularis externa (s. Textabb. 1.5–1_5) ist im kranialen Drittel des Halses für eine Punktion zur Blutentnahme oder Injektion leicht zugänglich. Diese Verlaufsstrecke wird deshalb gewählt, weil die V. jugularis externa bei subkutaner Lage hier nicht oder von nur dünnen Muskelsträhnen des M. cutaneus colli bedeckt ist und in der Tiefe durch den M. omohyoideus von der A. carotis communis separiert ist. Paravenöse Injektionen sind unbedingt zu vermeiden. Zu tiefe Injektionen – durch den M. omohyoideus hindurch – können verhängnisvoll sein. Eine unbeabsichtigte Punktion in die A. carotis communis könnte bei Injektion bestimmter Medikamente tödliche Folgen haben. Anhand der Blutfarbe und des Blutdruckes wird überprüft, ob sich die Injektionsnadel korrekterweise in der V. jugularis externa oder unbeabsichtigt in der A. carotis communis befindet. Auch unbeabsichtigte Injektionen in die Karotisscheide können folgenschwer sein. Die Karotisscheide ist eine Abspaltung der tiefen Halsfaszie und umgibt die A. carotis communis samt Truncus vagosympaticus mit dem N. laryngeus recurrens. Ein hier injiziertes Medikament bewirkt in hoher Konzentration eine Schädigung der Nerven. Die Folgen könnten eine einseitige Rekurrenslähmung (Kehlkopfpfeifen) oder ein Ausfall des Kopf-Sympathikus sein (Horner-Syndrom).

(3)_____ Der M. sternomandibularis wird bei der Operation zur Verhinderung des Koppens mit verschiedenen Methoden außer Funktion gesetzt. Nach HUSKAMP et al. [22] wird das durch eine Neurektomie des Ventralastes des N. accessorius erreicht. Nach anderen Methoden wird darüber hinaus eine Muskelportion aus den Mm. omohyoideus, sternohyoideus und sternothyreoideus herausgeschnitten.

(4)_____ Der M. pectoralis descendens eignet sich gut für intramuskuläre Injektionen. Bei eventuell auftretenden Unverträglichkeiten können dann entstehende Versackungen leicht gespalten werden, da sich hier die tiefste Stelle des Halses befindet.

 

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Textabb. 1.6-1: Kranio-ventraler Brustbereich mit 26 M. pectoralis descendens zur intramuskulären Injektion.
(26') M. pectoralis transversus,
(4') M. cleidomastoideus,
(4) M. sternomandibularis,
(5) M cutaneus colli,
(6) M. omotransversarius,
(7) Pars clavicularis m. deltoidei,
(7') Pars scapularis m. deltoidei,
(8) M. brachialis,
(9) Caput laterale m. tricipitis,
(9') Caput longum m. tricipitis.

 

Tafel 1.5: Musculi colli et trunci superficiales

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1.7 Mittlere Schicht der Rumpfmuskulatur

1.7.1 Tiefe Stammgliedmaßenmuskeln

Der M. rhomboideus besteht bei Fehlen eines M. rhomboideus capitis aus den undeutlich voneinander getrennten Mm. rhomboideus cervicis (28) und —thoracis (28').

Der M. pectoralis profundus besteht aus der sehr kräftigen Hauptportion (Pars principalis —15.25'), die an beiden Rollhöckern des Humerus endet. Der M. subclavius (15.25), der beim Pferd als kräftiger Muskel ausgebildet ist, wird von einigen Autoren als Anteil des tiefen Brustmuskels betrachtet. Er entspringt an den ersten Rippenknorpeln samt Brustbein und zieht kraniomedial am Buggelenk vorbei zum Kranialrand der Scapula, wo er dem M. supraspinatus kranioparallel aufliegt. Durch diesen Muskel entsteht (anders als beim Rind, wo er fehlt) ein kontinuierlich fließender Übergang von der seitlichen Halspartie in die Schulter

Der M. serratus ventralis ist mit seinem M. serratus ventralis cervicis (27) bei kaudodorsalem Faserverlauf überwiegend fleischig. Der ebenfalls fächerförmige M. serratus ventralis thoracis (27') ist durch seinen kraniodorsalen Faserverlauf und einen auffälligen Sehnenspiegel gekennzeichnet. Der M. serratus ventralis setzt mit seinen beiden Teilen dorsomedial an der Sacpula in der Facies serrata sowie am ventralen Teil der Cartilago scapulae an. Er stellt die synsarkotische (fleischhafte) Verbindung zwischen der Schultergliedmaße und der Rumpfwand her und ist funktionell der Hauptrumpfträger. Die Drehachse des Gelenks liegt im zentralen Bereich der Facies serrata scapulae dorsal an der Scapula. image (1)

1.7.2 Oberflächliche dorsale Wirbelsäulenmuskeln

Der M. longissimus (auch longissimus dorsi genannt) (1) stellt ein langes durchgehendes Muskelsystem vom Kopf (Schläfenbein und Atlasflügel) bis zum Kreuzbein (Dornfortsätze) dar. Seine Abschnitte werden entsprechend der jeweiligen Region benannt: M. longissimus lumborum, —thoracis, —cervicis, —capitis et atlantis. Strukturell und funktionell sind jedoch alle Abschnitte miteinander verbunden, was bei der Diagnose und Behandlung von Rückenerkankungen zu berücksichtigen ist. Die übliche einheitliche Bezeichnung als M. longissimus dorsi – längster Rückenmuskel – trägt der Funktion als Muskelsystem Rechnung.

Der M. longissimus lumborum (1") entspringt an den Dornfortsätzen der Kreuz- und Lendenwirbel und an den Darmbeinflügeln und setzt an den Hilfs- und Querfortsätzen der Lendenwirbel an. Der M. longissimus thoracis (1') hat seinen Ursprung an den Dornfortsätzen der Brustwirbel und setzt an den Hilfs- und Querfortätzen der Brustwirbel sowie an den Rippenhöckerchen an. Im vorderen Brust- und Halsbereich entspringt der M. longissimus cervicis (1) an den Dornfortsätzen der Halswirbel und setzt an den Hilfs- und Querfortätzen der Halswirbel an. Der M. longissimus capitis (21.1") et —atlantis (21.1"'), dessen beide Anteile beim Pferd deutlich voneinander getrennt sind, setzt das System des M. longissimus bis zum Kopf fort. Seine Ursprünge sind an den Querfortsätzen der Halswirbel und er zieht zum Processus mastoideus des Schläfenbeins resp. zum Flügel das Atlas. Der M. longissimus stellt die Wirbelsäule fest und streckt sie. Er ist an der Aufrichtung des Oberkörpers maßgeblich beteiligt. Weiterhin ist er ein Heber von Hals und Kopf. Bei einseitiger Kontraktion biegt er die Wirbelsäule bzw. den Hals.

Lateral und partiell unter dem M. longissimus liegt der M. iliocostalis thoracis (2'), der ebenfalls zu den langen Rückenmuskeln gehört. Er hat seinen Ursprung an den Querfortsätzen der Lendenwirbel und ist im Lendenbereich lateral mit dem M. longissimus lumborum verwachsen; zusätzlich entspringt er im vorderen Teil fleischig an den Rippen. Er setzt mit kräftigen gut abgegrenzten Einzelsehnen jeweils am kaudalen Rand des Rippenwinkels der 1. bis 15. Rippe sowie am Querfortsatz der kaudalen Halswirbel an. Bei bilateraler Kontraktion stellt der M. iliocostalis Lendenwirbelsäule und Rippen fest. Er ist weiterhin ein Aufrichter der Wirbelsäule und biegt diese bei einseitiger Kontraktion seitwärts. Zusätzlich fungiert er durch seinen Ansatz an den Rippen als Hilfsexspirator, in dem er diese nach kaudal zieht. image (1)

Der M. iliocostalis cervicis (2) setzt diesem langen Rückenmuskel im Halsbereich fort, wo wer zwischen der Querfortsätzen des vierten Hals bis ersten Brustwirbels verkehrt.

Im dorsomedianen Bereich der Lenden- und Brustwirbelsäule sowie der kaudalen Halswirbelsäule direkt neben den Dornfortsätzen liegt der kräftige M. spinalis thoracis et cervicis (3). Dieser Muskel entspringt an den Dornfortsätzen der Lenden- und des 13.–18. Brustwirbels sowie aus dem Sehnenspiegel des M. longissimus lumborum und zieht zu den Dornfortsätzen der ersten sechs Brustwirbel und des 3. bis 7. Halswirbels. Er ist im Bereich der vorderen Brustwirbel besonders kräftig und bildet hier die Kontur des Widerristes. Er fixiert Rücken und Hals und ist am Heben und Seitwärtsbiegen des Halses wesentlich beteiligt. Dieser Muskel verläuft beim Pferd ausschließlich zwischen den Dornfortsätzen und wird daher nur als M. spinalis bezeichnet. image (1)

Im Halsbereich liegt beiderseits der Lamina nuchae (21.7) der große, einheitlich dicke, flächige M. semispinalis capitis (21.3). Er erstreckt sich von seinem Ursprung an den Querfortsätzen des 1. bis 6. Brustwirbels und den Gelenkfortsätzen des 3. bis 7. Halswirbels zum Hinterhauptsbein des Schädels (Squama occipitalis). Dieser Muskel ist ein kraftvoller Heber und Seitwärtsbieger von Hals und Kopf.

In der mittleren Schicht des seitlichen Rumpfes (Rumpfwand) füllen die Mm. intercostales interni (21.20) bei kranioventralem Faserverlauf die Räume zwischen den Rippen aus; funktionell sind sie Hilfsexspiratoren. Der M. obliquus internus abdominis (21.22) bildet die mittlere Schicht der Bauchmuskultur (siehe dort). Der dünne und kurze M. serratus dors. caud. (4') entspringt flächig aus der Fascia thoracolumbalis (17.31) und zieht mit klar abgegrenzten einzelnen dreieckigen Zacken zu den Kaudalrändern der hinteren Rippen (11–18) Er dient als Hilsexspirator. Der M. serratus dors. cran. (4) liegt ebenfalls dorsal an den Rippen. Er entspringt aus dem dorsomedianen Lig. supraspinale (21.9) und zieht zu den kranialen Rändern der Rippen (5.–11.). Damit zieht er die Rippen in kraniale Richtung und wirkt als Hilfsinspirator.

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Sven Reese

(1)_____ Die Kontraktion des M. serratus ventralis cervicis bewirkt einen Zug proximal am Schulterblatt und damit eine Schulterblattdrehung, die wesentlich mit für das kraftvolle Abdrücken der Vorhand und die Erzeugung eines Vorschubs insbesondere im Galopp verantwortlich ist. Seine höchste Leistung kann dieser Muskel nur bei ausreichender Vordehnung entfalten. Dies erreicht das Pferd durch ein Vorstrecken von Kopf und Hals. Verhindert ein Reiter mit dem Zügel dieses Strecken des Halses im Sprung über ein Hindernis kann der M. serratus ventralis cervicis keine ausreichende Kraft entfalten, um direkt nach dem Auffußen der Vorhand ein Abdrücken zum nächsten Galoppsprung zu ermöglichen. Es kommt zu einer Verzögerung im Bewegungsablauf, die sogar zum Sturz des Pferdes führen kann.

 

Tafel 1.6: Musculi colli et trunci medii

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1.8 Tiefe Schicht der Rumpfmuskulatur

1.8.1 Tiefe dorsale Wirbelsäulenmuskeln

Die tiefen dorsalen Wirbelsäulenmuskeln werden nach vollständiger Entfernung der langen Rückenmusken (M. longissiums und iliocostalis) und der zuvor beschriebenen mittleren Schicht der Rumpfmuskeln sichtbar. Diese Muskeln liegen direkt auf den Knochen der Wirbelsäule und sind überwiegend sehr kurze Muskeln, die zwischen zwei aufeinander folgenden Wirbeln verkehren oder nur einige wenige Wirbelsegmente überspannen. image (1)

Funktionell sind diese Muskeln Feststeller, Seitwärtsbeweger und Dreher der Wirbelsäule resp. der Wirbelsegmente. Sie sind insbesondere für die Stabilisierung der Wirbelsäule und die Feinabstimmung von Bewegungen zuständig. Zusätzlich befindet sich in ihnen eine große Zahl von Dehnungs-, Spannungs- und Zugrezeptoren (Propriozeptoren). Sie haben damit wichtige Aufgabe in der Propriozeption, indem sie Informationen über Dehnung und Spannung und damit über die räumliche Position der Wirbelsäule liefern.

Der M. multifidus zeichnet sich durch sein charakteristisches, vielfach gefiedertes Erscheinungsbild aus, das namensgebend war. Er besteht aus einem M. multifidus cervicis (6), —thoracis (13) und —lumborum (15) und reicht vom 2. Halswirbel bis zum Kreuzbein. Seine Ursprünge finden sich an den Gelenk- und Zitzenfortsätzen dieser Bereiche. Er setzt an den Dornfortsätzen der vorausgehenden Wirbel an. Im Halsbereich ist er beim Pferd segmental gegliedert, während er im Lendenbereich bis zu sechs Wirbelsegmente überspannt.

Anstelle der Mm. interspinales sind beim Pferd Ligg. interspinalia (11) ausgebildet. Diese liegen zwischen den Dornfortsätzen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und fixieren diese.

Zwischen den Procc. transversarii der Hals- und Schwanzwirbel sind die Mm. intertransversarii (16) ausgebildet. Sie fungieren als Feststeller und Seitwärtsbieger der Wirbelsäule.

1.8.2 Tiefe Muskeln der Rumpfwand

Die Mm. levatores costarum (10) verkehren zwischen den Querfortsätzen der Brustwirbel und setzen kranial an den Rippenwinkeln an. Sie zählen funktionell zu den Hilfsinspiratoren.

Der kurze dreieckige M. retractor costae (14) liegt kaudal der letzten Rippe und gehört zu den Hilfsexspiratoren. Er entspringt an der Fascia thoracolumbalis (17.31) und setzt dorsal am Kaudalrand der letzten Rippe an. Ebenfalls zu den Hilfsexspiratoren gehört der ventral auf dem Sternum gelegen M. transversus thoracis (19) der vom Brustbein medial zu dem Knie der 2.–8. Rippe zieht.

1.8.3 Bauchwandmuskeln

Die Bauchwandmuskeln werden in der tiefen Schicht vom M. transversus abdominis (21) repräsentiert.

1.8.4 Lymphsystem

Die Buglymphknoten (Lnn. cervicales superficiales —15.8), die dem M. subclavius kranial anliegen und vom M. cleidomastoideus weitgehend bedeckt sind, erhalten oberflächliche Zuflüsse von Hals, Brust und Schultergliedmaße. Der Lymphabfluss erfolgt zum Venenwinkel, entweder direkt oder indirekt nach Passage der Lnn. cervicales profundi caudales.

Die tiefen Halslymphknoten (Lnn. cervicales profundi craniales (15.12), —medii (15.18) und —caudales (15.23) (Hals-Brust-Grenze) sind beim Pferd als Lymphknotenpakete entlang dem Truncus jugularis gruppiert, der die Lymphe vom Kopf zum Venenwinkel transportiert.

Die Lnn. cervicales profundi craniales umlagern die Schilddrüse und sind nicht eindeutig von den Lnn. retropharyngei mediales abzugrenzen. Die besonders großen Lnn. cervicales profundi caudales sind nicht immer eindeutig von den Buglymphknoten (Lnn. cervicales superficiales) und den kranialen Mediastinallymphknoten abzugrenzen.

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Sven Reese

(1)_____ Die Gesamtheit der Wirbelsäulenmuskeln hat eine entscheidende funktionelle Bedeutung für den harmonischen und physiologischen Bewegungsablauf eines Pferdes. Sie muss erstens Kopf und Hals tragen, zweitens dem Gewicht des Rumpfes mit den schweren Bauchorganen und evtl. zusätzlich dem Reitergewicht entgegen wirken und drittens bei der Schubentwicklung aus der Hinterhand und der Aufrichtung des Pferdes im Galopp einen wichtigen Beitrag leisten. Das „Tragen“ von Hals und Rücken wird ganz wesentlich von den Muskeln übernommen, die sich zwischen den Halswirbeln und den Dornfortsätzen aufspannen. Ihr kranialer Zug an den langen hebelartigen Dornfortsätzen der Brustwirbelsäule bewirkt eine Aufwärtsbiegung der Brust- und Lendenwirbelsäule und wirkt damit dem Gewicht der schweren Bauchorgane entgegen.

Von besonderer funktioneller Bedeutung sind hier insbesondere der M. longissimus cervicis und der M. spinalis. Die sogenannten langen Rückenmuskeln (M. longissimus thoracis und lumborum, M. iliocostalis) sind dagegen von großer Bedeutung für eine dynamische und kraftvolle Vorwärtsbewegung eines Pferdes. Ihre Kontraktion unterstützt das gleichseitige Abfußen der Hinterhand und die Aufrichtung der Vorhand um ein raumgreifendes Vorschwingen der Vordergliedmaße zu ermöglichen. Die rhythmische Entspannung und Dehnung dieser Muskeln nach jeder Kontraktion ist dabei wesentlich, um ein weites Vorschwingen der Beckengliedmaße nach dem Abfußen zu ermöglichen. Eine fehlerhafte Übernahme von Tragarbeit durch diese Muskeln führt zur schmerzhaften Verkrampfung der langen Rückenmuskeln und verringert den Aktionsradius in der Beckengliedmaße. Sie sind ein häufiger Vorstellungsgrund bei Tierärzten. Wichtige Ursachen solcher Krankheitsbilder sind ein falsches Training mit fehlerhaftem Muskelaufbau beim jungem Pferd und Reitweisen, die die physiologische Muskelfunktion behindern oder sogar blockieren. Aber auch z. B. schlecht passende Sättel oder asymmetrische Belastungen durch den Sitz des Reiters können zu dem Krankheitsbild beitragen.

 

Tafel 1.7: Musculi colli et trunci profundi

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2 | Schultergliedmaße

2.1 Skelett der Schultergliedmaße

Bei idealer Gliedmaßenstellung erscheinen die Extremitäten gerade und parallel zueinander, wenn die Betrachtung von vorn erfolgt. Bei der Seitenansicht soll die Schultergliedmaße ebenfalls gerade stehen. Eine Lotlinie vom palpierbaren Tuber spinae scapulae (5') geht durch das Zentrum des Fesselgelenks und tangiert die Kaudalkontur des Hufes. Vom Schultergürtel (Schulterblatt, Rabenschnabelbein, Schlüsselbein) ist das Schlüsselbein am weitesten reduziert, denn es existiert nur noch als bindegewebiger Schlüsselbeinstreifen, eingelagert in den M. brachiocephalicus, ohne eigenen Knochenanteil. image (1)

2.1.1 Schulterblatt

Am Schulterblatt (Scapula) ist ein auffallend hoher halbmondförmiger Schulterblattknorpel (Cartilago scapulae —14) für das Pferd charakteristisch. Die Spina scapulae trägt etwa auf halber Höhe das palpierbare Tuber spinae scapulae und verstreicht distal am Collum scapulae (19) ohne Ausbildung eines Acromion. Ein Tuberculum infraglenoidale (20) kann fehlen. image (2)

2.1.2 Oberarmknochen

Am Oberarmknochen (Humerus) sind proximal die beiden Muskelhöcker, das lateral gelegene und palpierbare Tuberculum majus (25) und das medial gelegene Tuberculum minus (29) gleichermaßen gut ausgebildet, und beide sind deutlich in eine Pars cranialis (25' und 29') und eine Pars caudalis (25" und 29") geteilt. Beide Muskelhöcker mit ihren beiden Teilen sind sagittal durch einen Sulcus intertubercularis (28) getrennt, der durch die Ausbildung eines Tuberculum intermedium (28') eine besondere Fixiereinrichtung für die hier eingedellte Ursprungssehne des M. biceps brachii aufweist. Das Corpus humeri (31) weist medial die deutliche Tuberositas teres major (32') auf, die etwa auf gleicher Höhe wie die lateral befindliche, sehr deutliche Tuberositas deltoidea (32) liegt. Distal am Humerus ist die Unterteilung in Trochlea und Capitulum unangebracht. Der radiusgestützte walzenförmige Condylus humeri (35) weist lateral einen sagittal gestellten abgestumpften Führungskamm mit beiderseits flankierenden Führungsrinnen auf. Die beiderseitigen Bandhöcker (Epicondylus lateralis —38 und —medialis —39) und die Crista supracondylaris lateralis (38') sind palpierbar. Kraniodistal befindet sich die seichte Fossa radialis (41, ohne Foramen supratrochleare) und kaudodistal die tiefe Fossa olecrani (40). image (3)

2.1.3 Unterarmknochen

Von beiden Unterarmknochen Elle (Ulna) und Speiche (Radius) stützt lediglich der Radius den Oberarmknochen im Ellenbogengelenk.

Die Ulna bildet nur ein kaudales Widerlager. Ihr proximaler Teil ragt mit dem Tuber olecrani (52) bis zur fünften Rippe, und der distal schwächer werdende Teil ist mit dem Radius vollkommen verwachsen. Der Verwachsungsgrad ist maßgebend für die Größe des Spatium interosseum antebrachii (62), das in den meisten Fällen nur spaltförmig im proximalen Unterarmdrittel vorhanden ist. image (4, 5)

Der Radius besitzt proximomedial eine deutliche Tuberositas radii (46) als Insertionsareal für den M. biceps brachii. Distal am Unterarm liegt jederseits ein vom Radius gebildeter Knöchelfortsatz, und zwar medial der Processus styloideus medialis (50) und lateral der Processus styloideus lateralis (61), der auch einen Ulnarest enthält. image (6)

2.1.4 Handwurzelknochen

Die Handwurzelknochen (Ossa carpi) der proximalen Knochenreihe bestehen aus dem Os carpi radiale (63), dem selbständigen Os carpi intermedium (63') und den Ossa carpi ulnare (64) und —accessorium (65). Von den vier Karpalknochen CI–IV der distalen Knochenreihe ist C I in Lage und Ausbildung inkonstant. image (7, 8, 9, 10)

2.1.5 Mittelhandknochen

Die Mittelhandknochen (Ossa metacarpalia II–IV) sind mit der Aufrichtung der distalen Gliedmaße und der Reduktion der Zehen teils verschwunden (McI und V) und teils in der Größe reduziert (Mc II und IV), während Mc III als einziger Mittelhandknochen überaus gut entwickelt ist. Dieser körpertragende Mittelhandknochen heißt auch Röhrbein und ist im Querschnitt queroval. image (11) Die distal gelegene Trochlea wird durch einen sagittal gestellten Führungskamm unterteilt. Mc II und IV sind das mediale resp. laterale Griffelbein. Der mediale Knochen ist meistens etwas länger als das laterale Griffelbein. image (12) Die proximale Basis (67) artikuliert mit den jeweils überlagernden Ossa carpalia (C II mit Mc II; C III mit Mc III und C IV mit Mc IV). Der lange Körper (Corpus —68) der Griffelbeine geht an der distalen Drittelgrenze des Röhrbeins in das Caput (69) über, und ist mit dem Röhrbein bindegewebig und meist auch knöchern verbunden. (Im deutschen Sprachgebrauch haben sich die Begriffe Griffelbeinköpfchen für die proximal gelegene verdickte Basis und Griffelbeinknöpfchen für das distal gelegene Caput durchgesetzt.)

2.1.6 Fingerknochen

Zu den Fingerknochen (Ossa digitorum manus) gehören die Phalanges proximalis (70), media (71) und distalis (76) des allein ausgebildeten dritten Fingers (Strahl oder Zehe). Die Phalanx proximalis ist der längste Fingerknochen und heißt Fesselbein; image (13) sie weist ein proximopalmar gelegenes Fesselbeindreieck (Trigonum —70') auf. Die halb so lange Phalanx media heißt Kronbein image(14) und besitzt proximopalmar die Kronbeinlehne (Tuberositas flexoria —75) für die Insertion der oberflächlichen Beugesehne. Die Phalanx distalis ist das Hufbein, image(15) ein spongiöser Knochen mit Gefäßlöchern (Foramen soleare mediale resp. —laterale —76') und Gefäßrinnen (Sulcus parietalis medialis resp. — lateralis —76"). Der Hufknorpel (Cartilago ungularis medialis resp. —lateralis —76"", image(16)) sitzt proximopalmar auf dem Processus palmares medialis resp. —lateralis (76"') des Hufbeins und weist wie dieses eine entsprechende Krümmung auf. Nur der distale Teil des Hufknorpels liegt innerhalb der Hufkapsel auf dem Hufbeinast, während der proximale Teil darüber hinaus fast bis zur Kronbeinlehne ragt. Das Hufbein weist neben der proximopalmar gelegene Facies articularis (77) zum Kronbein auch eine Facies articularis sesamoidea zur gelenkigen Verbindung mit dem Strahlbein auf. Das Insertionsareal der tiefen Beugesehne ist höckerig und heißt Tuberositas (Facies flexoria, 79).

2.1.7 Sesambeine

Man unterscheidet die proximalen und die distalen Seambeine (Sesamoides, Ossa sesamoidea). Die Gleichbeine (Sesama bina oder Ossa sesamoidea proximalia —83) liegen palmar am Fesselgelenk und das Strahlbein (Os sesamoideum distale —84) befindet sich palmar am Hufgelenk. image (17, 18)

 

Tafel 2.1: Ossa membri thoracici

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image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____ Die Ossifikation der Gliedmaßenknochen erfolgt größtenteils von mehreren Ossifikationszentren aus, die durch knorpelige Wachstumsfugen voneinander getrennt sind. Einige dieser Apo- und Epiphysenfugen schließen sich erst nach der Geburt des Fohlens und sind daher noch eine gewisse Zeit röntgenologisch darstellbar (Abb. 2.1–1/–2) [1]. Kenntnisse über ihre Lokalisation und den Zeitpunkt des Fugenschlusses sind von enormer klinischer Bedeutung, da die Wachstumsfugen bei Jungtieren Frakturlinien vortäuschen können. Darüber hinaus stellen sie eine gewisse Schwachstelle dar, weshalb auch Frakturen der Epiphysenfugen (sog. Salter-Harris-Frakturen) nicht selten beobachtet werden. In Abhängigkeit von der Konfiguration der Frakturlinie bzw. der Mitbeteiligung von Epi- und/oder Metaphyse werden dabei sechs Typen unterschieden [2]. An der Vordergliedmaße sind die proximalen Wachstumsfugen von Ulna und Radius sowie die distalen Epiphysenfugen von Humerus, Scapula, Radius und Mc III am häufigsten betroffen [3]. Die Therapie und Prognose richtet sich nach der Art der Fraktur. In den meisten Fällen ist ein chirurgisches Vorgehen (interne Fixation der Frakturfragmente mittels Osteosynthese) indiziert. Liegt eine stabile Fraktur ohne Verlagerung der Knochenfragmente und ohne Gelenkbeteiligung vor, so ist auch eine konservative Therapie (versteifter Verband, Bewegungseinschränkung) möglich.

Ein ungleichmäßiges Wachstum im Bereich der Epiphysenfugen kann zu Gliedmaßenfehlstellungen (angular limb deformities, Abb. 2.1–3) führen. Dabei wird eine Achsenabweichung der distalen Gliedmaße nach lateral als Valgus-Stellung, eine Achsenabweichung nach medial als Varus-Stellung bezeichnet. Die distale Radiusepiphysenfuge ist am häufigsten betroffen, wobei aufgrund eines größeren Wachstumspotenziales auf der medialen Seite ein Carpus valgus resultiert. Neben dem asymmetrischen Wachstum des Epiphysenfugenknorpels kann die Achsenabweichung auch durch eine inkomplette Ossifikation und Deformierung der Karpalknochen hervorgerufen werden. Darüber hinaus kommt es bei neugeborenen Fohlen aufgrund von lockeren periartikulären Bändern sehr häufig zur Ausbildung eines geringgradigen Carpus valgus, der sich jedoch i. d. R. im Laufe der ersten Lebenswochen von selbst korrigiert. Mit Hilfe von Röntgenaufnahmen, in denen Hilfslinien durch die Längsachse von Radius und Mc III eingezeichnet werden, können Ursprung und Schweregrad der Achsenabweichung (Schnittpunkt bzw. Winkelabweichung der Hilfslinien) bestimmt werden (Abb. 2.1–3). Eine besondere Form der Achsenfehlstellung im Bereich des Karpus, die im englischen als offset (verschobenes) knee oder bench (Bank) knee bezeichnet wird, setzt sich aus einer Valgus-Abweichung am distalen Radius und einer Varus-Abweichung am proximalen Röhrbein (Mc III) zusammen. Dabei ist die Achse des Mc III zwar parallel zu der des Radius, jedoch nach lateral verschoben [4]. Zur Korrektur von Achsenfehlstellungen im Bereich der Wachstumsfuge sind neben konservativen Therapiemaßnahmen auch chirurgische Eingriffe, die das Knochenwachstum in der Epiphysenfuge beeinflussen, gebräuchlich. So kann das Knochenwachstum auf der konvexen Seite gehemmt werden, indem die Epiphysenfuge temporär durch geeignete Osteosyntheseverfahren überbrückt wird. Alternativ bzw. in Kombination dazu kann das Knochenwachstum auf der konkaven Seite mittels Durchtrennung und Anhebung des Periosts stimuliert werden. Der Nutzen dieses Vorgehens wird allerdings kontrovers diskutiert [5]. Bei beiden chirurgischen Verfahren ist der Zeitpunkt des Epiphysenfugenschlusses zu beachten.

(2)_____ Skapulafrakturen sind verhältnismäßig selten. Am häufigsten ist das Tuberculum supraglenoidale betroffen, wobei der Frakturspalt meist bis in das Schultergelenk reicht. Durch den Zug der ansetzenden Muskulatur (M. biceps brachii und M. coracobrachialis) kommt es i. d. R. zu einer Verlagerung des Fragmentes nach kranial und distal [6].

(3)_____ Frakturen des Humerus treten häufig als Schräg- oder Spiralfrakturen der Meta- bzw. Diaphyse in Erscheinung. Gelegentlich kommen auch Absprengungen im Bereich der Tuberositas deltoidea oder der Tuberkula vor. Darüber hinaus sind inkomplette Ermüdungs- bzw. Stressfrakturen (Fissuren) bei jungen, im Training befindlichen Vollblütern keine Seltenheit. Proximal ist mehrheitlich die kaudolaterale Kortikalis des Humerus betroffen, distal sind die Frakturen häufig kraniomedial oder kaudal lokalisiert. Zur Diagnosefindung ist die Szintigraphie* die Methode der Wahl, da die Frakturlinien mitunter röntgenologisch nicht erkennbar sind [7].

(4)_____ Der distale Anteil der Ulna ist bei den meisten Pferden zurückgebildet. Als Rudiment des distalen Endes der Ulna kann der Proc. styloideus lateralis des Radius angesehen werden, der bei Fohlen einen isolierten Verknöcherungskern besitzt (Abb. 2.1–3). Bei einigen Ponyrassen (insbesondere beim Shetlandpony) wird vereinzelt eine vollständig ausgebildete Ulna (Ulna completa/Ulna persistens) festgestellt, was als eine Form von Atavismus gewertet werden kann. Betroffene Ponys weisen i. d. R. eine Gliedmaßenfehlstellung in Form des Carpus valgus auf.

(5)_____ Olekranonfrakturen sind i. d. R. die Folge von direkten Traumata in der Ellenbogenregion. In Abhängigkeit von der Konfiguration werden fünf verschiedene Typen unterschieden, wobei artikuläre Frakturen im Bereich der Incisura semilunaris am häufigsten auftreten [8]. Eine konservative Therapie ist möglich, insbesondere bei verlagerten Frakturfragmenten bzw. Beteiligung des Ellenbogengelenkes ist jedoch ein chirurgisches Vorgehen in Form einer internen Fixation der Knochenfragmente mittels geeigneter Osteosyntheseverfahren empfehlenswert.

(6)_____ Frakturen des Radius können viele verschiedene Konfigurationen aufweisen, am häufigsten werden jedoch Schräg- oder Spiralfrakturen beobachtet [9]. Insbesondere bei zwei- bis dreijährigen, im Training befindlichen Vollblütern treten gelegentlich auch Stressfrakturen im Bereich der Radiusdiaphyse auf [10].

(7)_____ Synonyma für die Handwurzelknochen (Ossa carpi):
Os carpi radiale (Os scaphoideum) = Kahnbein
Os carpi intermedium (Os lunatum) = Mondbein
Os carpi ulnare (Os triquetrum) = Dreieckbein
Os carpi accessorium (Os pisiforme) = Erbsenbein
Os carpale I (Os trapezium) = großes Vieleckbein
Os carpale II (Os trapezoideum) = kleines Vieleckbein
Os carpale III (Os capitatum) = Kopfbein
Os carpale IV (Os hamatum) = Hakenbein

image Merkvers: Es fuhr ein Kahn im Mondenschein im Dreieck um das Erbsenbein. Vieleckig groß, vieleckig klein, das Köpfchen muss beim Haken sein.

Bei zu früh geborenen oder unreifen Fohlen sowie bei Zwillingen wird mitunter eine inkomplette Ossifikation der Karpalknochen beobachtet, wobei die lateral lokalisierten Karpalknochen (Os carpale III/IV sowie Os carpi ulnare/intermedium) am häufigsten betroffen sind [11]. Zur

 

 

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Abb. 2.1-2: Wachstumsfugen im Bereich des Ellenbogens (a) und an der distalen Gliedmaße (b) eines 2,5 Monate alten Warmblut-Stutfohlens. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

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Abb. 2.1-3: Karpus eines 17 Tage alten Warmblut-Hengstes, dorso-palmare Aufnahmerichtung: a) regelmäßige Gliedmaßenstellung, b) Carpus valgus mit einer Achsenabweichung im Bereich des Antebrachiokarpalgelenkes um 15°, Pfeilkopf: distale Epiphysenfuge des Radius, Pfeil: isolierter Verknöcherungskern des Proc. styloideus lateralis (entspricht dem distalen Ende der Ulna). (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

 

Diagnosefindung ist die röntgenologische Untersuchung das Mittel der Wahl, aber auch die sonographische Darstellung des Gelenkes kann wertvolle Informationen liefern. Geringgradige Ossifikationsverzögerungen sind radiologisch an der abgerundeten Form der jeweiligen Karpalknochen erkennbar, in schweren Fällen kann die Ossifikation der knorpeligen Vorläufer der Karpalknochen sogar vollständig fehlen. Derartig unzureichend ossifizierte Karpalknochen können allein durch das Körpergewicht der Fohlen zusammengedrückt und keilförmig deformiert werden. Infolgedessen treten häufig Gliedmaßenfehlstellungen (angular limb deformities) auf, wobei sich i. d. R. ein Carpus valgus entwickelt. Das Hauptziel der konservativen Therapiemaßnahmen liegt darin, Knochen- bzw. Knorpelschäden an den betroffenen Karpalknochen zu verhindern und die Achse der Gliedmaße bis zu ihrer vollständigen Ossifikation aufrechtzuerhalten.

(8)_____ Insbesondere bei Rennpferden kommt es verhältnismäßig häufig zu einer osteochondralen Fragmentation (in Form von Chip- oder Slab-Frakturen) am dorsalen* bzw. dorsomedialen Rand bestimmter Karpalknochen, die auf Knochenumbauprozesse infolge von wiederholten mechanischen Überbelastungen zurückzuführen ist. Bei Chip-Frakturen reicht das osteochondrale Fragment lediglich in ein Gelenk (meist in das Interkarpal- bzw. Radiokarpalgelenk), wobei die Fraktur am häufigsten proximal am Os carpale III oder distal am Os carpi radiale lokalisiert ist (Abb. 2.1–4a). Auch proximal am Os carpi radiale bzw. intermedium sowie distal am Radius werden Chip-Frakturen nicht selten beobachtet [12]. Bei einer Slab-Fraktur liegt eine komplette Absprengung der (meist) vorderen Fläche eines Karpalknochens vor, wobei der Frakturspalt durch den gesamten Knochen in beide benachbarte Gelenke reicht. Betroffen ist vor allem das Os carpale III, seltener auch das Os carpi radiale bzw. intermedium sowie das Os carpale IV [13, 14]. Bisweilen treten auch Frakturen an den palmaren Rändern der proximalen Karpalknochenreihe sowie kaudodistal am Radius auf, die vorwiegend durch einmalige Traumata verursacht werden [15]. Die Therapie ist abhängig von der Konfiguration der Fraktur sowie der Größe des Fragmentes. Meist ist ein chirurgisches Vorgehen (arthroskopische Entfernung bzw. interne Fixation des Fragmentes) indiziert. Bei kombinierten Slab-Frakturen, die mit einer Instabilität des Karpalgelenkes einhergehen, wird auch eine partielle bzw. vollständige Arthrodese (chirurgische Versteifung) der Karpalgelenke beschrieben [16].

 

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Abb. 2.1-5: Karpalgelenk eines adulten Pferdes (dorso-palmare Aufnahmerichtung) mit schematischer Darstellung der einzelnen Knochen. Mc II–IV: Os metacarpale II–IV, C I-IV: Os carpale I–IV, C acc.: Os carpi accessorium, C interm.: Os carpi intermedium, C rad.: Os carpi radiale, C uln.: Os carpi ulnare, Pfeilkopf: Rest der distalen Epiphysenfuge des Radius. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

(9)_____ Das palmarolateral gelegene Os carpi accessorium ist ein gut palpierbarer Knochenpunkt und kann insbesondere bei Rennpferden ebenfalls frakturieren. Am häufigsten werden Vertikalfrakturen beobachtet, während Horizontalfrakturen eher selten auftreten (Abb. 2.1-4b).

(10)_____ Gelegentlich ist ein Os carpale I, nur vereinzelt auch ein Os carpale V ausgebildet. Auf Röntgenaufnahmen des Karpalgelenkes dürfen diese nicht mit osteochondralen Frakturfragmenten verwechselt werden (Abb. 2.1–5).

(11)_____ Dorsal bzw. dorsomedial am Röhrbein (Mc III) können bei jungen Rennpferden (insbesondere bei zweijährigen Vollblütern im ersten Trainingsjahr) Umfangsvermehrungen auftreten, die durch einen belastungsbedingten Umbau des unreifen Knochens verursacht werden („Schienbeinerkrankung“ der Vollblüter, bucked shins). Radiologisch sind vor allem periostale, aber auch endostale Knochenzubildungen erkennbar. Ein derartig vorgeschädigter Knochen ist mechanisch weniger belastbar, weshalb die betroffenen Pferde im Alter von drei Jahren relativ häufig Ermüdungsfrakturen der dorsolateralen Kortikalis im Bereich der mittleren oder distalen Diaphyse aufweisen. Beide Erscheinungen werden unter dem Begriff dorsal metacarpal disease zusammengefasst [17]. Bei der Pathogenese dieser Erkrankung spielt das Trainingsregime der Pferde eine wichtige Rolle, wobei die Belastungsdauer sowie Gangart und Geschwindigkeit besondere Risikofaktoren darstellen.

Auch am distalen Mc III kommt es bei jungen Vollblütern gelegentlich zu Stressfrakturen. Mehrheitlich liegt eine einfache, komplette oder inkomplette Schrägfraktur im Bereich des lateralen Kondylus vor. Frakturen des medialen Kondylus sind seltener und weisen eher eine spiralige Konfiguration auf. Proximal am Mc III kommen im Bereich der palmaren Kortikalis ebenfalls relativ häufig longitudinale Ermüdungsfrakturen vor. Auch artikuläre Chip-Frakturen des proximalen Mc III, die vorwiegend dorsomedial lokalisiert sind, werden nicht selten beobachtet [18, 19, 20, 21].

Von großer Bedeutung ist auch der Ursprungsbereich des M. interosseus medius proximopalmar am Mc III. Dort kann es bei Sportpferden infolge von Überbelastungen des Fesselträgers zu Veränderungen in Form von Knochenverdichtungen bzw. -zubildungen oder Abrissfrakturen kommen. Der dorsale Sagittalkamm von Mc III ist insbesondere bei Trabrennpferden eine häufige Lokalisation von Störungen der enchondralen Ossifikation im Bereich des Gelenkknorpels (Osteochondrosis dissecans, Abb. 2.1–6a). Mehrheitlich ist die Beckengliedmaße betroffen, aber auch an der Schultergliedmaße werden häufig osteochondrotische Läsionen am distalen Röhrbein festgestellt.

(12)_____ Die Griffelbeine lassen sich auf Röntgenbildern gut unterscheiden, da das mediale Griffelbein (Mc II) drei, das laterale Griffelbein (Mc IV) jedoch nur zwei Gelenkflächen zu den Karpalknochen aufweist. Häufig ist Mc II auch länger als Mc IV.

Frakturen der Griffelbeine werden beim Pferd sehr häufig diagnostiziert, sind allerdings nicht in jedem Fall mit einer Lahmheit verbunden. Proximale Frakturen sind meist traumatisch bedingt (häufig Schlagverletzungen durch andere Pferde), während die distal lokalisierten i. d. R. Ermüdungsfrakturen darstellen. Letztere sind meist mit einer Entzündung des M. interosseus medius assoziiert und werden hauptsächlich durch die permanent auf das frei bewegliche Griffelbeinende einwirkenden Kräfte verursacht. Eine besondere Rolle spielen dabei die rudimentären Mm. interossei lateralis bzw. medialis, die jeweils am distalen Griffelbein entspringen, in Richtung Gleichbeine ziehen und in die Faszie am Fesselgelenk einstrahlen. Diese Strukturen sind insbesondere bei der Hyperextension des Fesselgelenkes stark angespannt und üben eine Zugwirkung auf das Griffelbeinende aus. Da der proximale Anteil der Griffelbeine durch die Ligg. metacarpea interossea relativ fest mit dem Mc III verbunden ist, stellt der Übergang zum frei beweglichen distalen Griffelbeinende eine Prädispositionsstelle für die Fraktur dar [22]. Viele Ermüdungsfrakturen heilen spontan, wobei meist nur ein gering ausgeprägter Kallus (Knochenzubildung im Frakturbereich) zu beobachten ist. Bei größeren Kallusformationen kann es durch mechanische Irritationen zu einer Entzündung des M. interosseus medius kommen. In diesem Fall ist eine chirurgische Entfernung des distalen Anteils des Griffelbeines inkl. der Knochenzubildung indiziert. Dabei sollte das proximale Drittel des Griffelbeines zur Aufrechterhaltung der Stabilität des Karpus erhalten bleiben. Müssen mehr als zwei Drittel des Griffelbeines entfernt werden, ist mitunter eine Fixierung des proximalen Griffelbeinrestes an das Röhrbein nötig.

Als Überbeine (splints) werden lokal umschriebene periostale Knochenzubildungen im Bereich der Metakarpalknochen bezeichnet, wobei mehrheitlich der proximale Anteil der Griffelbeine (insbesondere des Mc II) betroffen ist. Überbeine können grundsätzlich in jedem Alter auftreten, werden jedoch gehäuft bei jungen Pferden beobachtet. Sie entstehen meist infolge einer traumatisch bedingten Entzündung der Knochenhaut. Als weitere Ursache wird eine Überbelastung der Ligg. metacarpea interossea mit sekundärer Knochenzubildung am Ansatz derselben diskutiert [23]. Sie sind i. d. R. ohne klinische Bedeutung, bei größeren Knochenzubildungen kann es jedoch ebenfalls zu einer Entzündung des M. interosseus medius kommen. Tritt eine Lahmheit auf, können das Überbein und gegebenenfalls das distal davon gelegene Griffelbeinende entfernt werden. Darüber hinaus wird eine Neurektomie (Durchtrennung und partielle Entfernung) des N. metacarpeus palmaris medialis bzw. lateralis beschrieben [24].

(13)_____ Am Fesselbein treten insbesondere bei Rennpferden verhältnismäßig häufig Frakturen auf, die plötzlich während eines Rennens oder im Training entstehen und zu einer deutlichen Lahmheit führen. Je nach Konfiguration der Fraktur werden verschiedene Typen unterschieden, wobei am häufigsten eine vom Fesselgelenk ausgehende Midsagittalfraktur zu beobachten ist. Mehrheitlich handelt es sich um inkomplette Frakturen (Fissuren), aber auch komplette, mitunter bis ins Krongelenk reichende Frakturen sind nicht selten. Therapie und Prognose sind abhängig von der Konfiguration der Fraktur, häufig ist ein chirurgisches Vorgehen (interne Fixation der Frakturfragmente mittels Osteosynthese) angezeigt.

 

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Abb. 2.1-6: (a) Fesselgelenk-Chip (Pfeil): Osteochondrosis dissecans im Bereich des dorsalen Sagittalkammes von Mc III, achtjährige Warmblut-Stute, (b) Fraktur im Bereich der Eminentia palmaris lateralis des Fesselbeines (Birkeland-Fraktur, Pfeilkopf), zehnjährige Traber-Stute. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

Darüber hinaus treten proximopalmar am Fesselbein gelegentlich kleine osteochondrale Fragmente auf (sog. Birkeland-Frakturen, Abb. 2.1–6b), die allerdings nicht in jedem Fall mit einer Lahmheit verbunden sind. Grundsätzlich können sie auch an der Schultergliedmaße vorkommen, mehrheitlich sind jedoch die Beckengliedmaßen (mitunter auch bilateral) betroffen. Derartige Knochenfragmente sind vor allem bei Trabrennpferden sehr häufig, werden aber auch bei Warmblütern beobachtet. Sie sind vornehmlich medial lokalisiert und entstehen i. d. R. in den ersten Lebensmonaten aufgrund von Abrissfrakturen im Bereich des Ansatzes der kurzen Gleichbeinbänder. Mitunter ossifizieren die ausgerissenen Gewebefragmente auch erst sekundär [25]. Wesentlich seltener sind intra- oder extraartikuläre Frakturen im Bereich der proximalen Bandhöcker des Fesselbeines. Diese kommen fast ausschließlich lateral vor [26]. Die Therapie ist abhängig von der Lage und der Größe des Knochenfragmentes, meist ist ein chirurgisches Vorgehen (arthroskopische Entfernung bzw. interne Fixation des Fragmentes) indiziert.

Auch proximodorsal am Fesselbein werden verhältnismäßig häufig osteochondrale Fragmente (Chip-Frakturen) beobachtet. Sie sind mehrheitlich im Fesselgelenk der Schultergliedmaße lokalisiert, werden jedoch auch an der Beckengliedmaße nicht selten festgestellt. Derartige Fragmente sind nicht immer mit einer Lahmheit assoziiert, sondern können auch röntgenologische Zufallsbefunde darstellen. Eine arthroskopische Entfernung der Chips wird i. d. R. in Vollnarkose durchgeführt, ist allerdings auch am stehenden Pferd möglich.

Knochenzubildungen an der Seiten- und Palmarkontur des Fesselbeines im Bereich des Ansatzes verschiedener Bänder (sog. Entheseophyten) werden unter dem Begriff „Leist“ zusammengefasst (Abb. 2.1–7b). Ursache ist eine chronische ossifizierende Knochenhautentzündung aufgrund von wiederholten Zerrungen an den Bandansatzstellen. Bei Turnier- und Rennpferden ist insbesondere der Ansatzbereich der Ligg.sesamoidea obliqua palmar am Fesselbein betroffen, derartige Insertionsdesmopathien können jedoch auch am Ansatz anderer Bänder auftreten. In der Regel handelt es sich dabei um röntgenologische Zufallsbefunde ohne klinische Relevanz.

 

 

(14)_____ Frakturen des Kronbeins können entstehen, wenn vom Fesselund Hufbein Druckkräfte auf das Kronbein einwirken und gleichzeitig das Krongelenk Torsionskräften ausgesetzt ist. Dabei konzentrieren sich die Kräfte auf das Zentrum der proximalen Gelenkfläche des Kronbeins, wo meist multiple, radiär verlaufende Frakturen ihren Ausgang nehmen (Abb. 2.1–7a). Einige der Frakturlinien reichen häufig auch in das Hufgelenk. Die Prognose ist abhängig von der Anzahl der entstandenen Fragmente und dem Ausmaß der Gelenkbeteiligung. Auch die Therapiemaßnahmen richten sich hauptsächlich nach der Anzahl und der Größe der Frakturfragmente. Eine interne Fixation ist aufgrund der starken Zertrümmerung des Knochens häufig nicht möglich. Neben der konservativen Therapie (klassischer Cast-Verband) kann zur Gewichtsentlastung der distalen Gliedmaße auch ein sog. transfixation cast angebracht werden. Dabei werden mehrere parallel ausgerichtete Steinmann-Nägel durch das Röhrbein geschraubt und die herausstehenden Enden in einem Cast fixiert. Das Körpergewicht wird dadurch vom Röhrbein auf den Cast und von dort auf den Boden übertragen, ohne dass die Zehenknochen Last aufnehmen müssen. Ein ähnliches Prinzip liegt dem sog. walking cast zugrunde, bei dem die Steinmann-Nägel nicht nur mit dem Cast, sondern auch direkt mit einem U-förmigen Metallgestell verbunden sind. In diesem Gestell ist die Gliedmaße regelrecht aufgehängt, so dass ebenfalls eine Kraftübertragung auf den Boden möglich ist, ohne die distale Gliedmaße zu belasten.

(15)_____ Hufbeinfrakturen sind insbesondere bei Rennpferden keine Seltenheit, wobei mehrheitlich die Schultergliedmaße betroffen ist. In Abhängigkeit von der Konfiguration der Fraktur werden sechs verschiedene Typen unterschieden [27]. Am häufigsten kommen Schrägfrakturen des Hufbeinkörpers mit Beteiligung des Hufgelenkes vor. Auch Sagittalfrakturen sowie Frakturen im Bereich des Margo solearis, der Hufbeinäste oder des Processus extensorius werden verhältnismäßig oft beobachtet, während Trümmerfrakturen eher selten sind. Therapie und Prognose sind abhängig von der Lokalisation und der Konfiguration der Fraktur. Konservative Therapiemaßnahmen (externe Fixation mittels geeignetem orthopädischen Hufbeschlag und fixierendem Hufverband) haben das Ziel, den Hufmechanismus auszuschalten und dadurch eine Immobilisation der Fraktur zu erreichen. Eine Kompression des Frakturspaltes, die insbesondere bei Sagittalfrakturen mit Gelenkbeteiligung wünschenswert wäre, ist allerdings nur chirurgisch (durch interne Fixation mit Hilfe einer Kompressionsschraube) möglich. Da der operative Zugang dabei durch die seitliche Hufwand erfolgt, ist die chirurgische Frakturversorgung jedoch mit einem hohen Infektionsrisiko verbunden.

 

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Abb. 2.1-8: (a) Hufgelenk-Chip (Pfeil), 16-jähriger Warmblut-Wallach, (b) Fraktur des verknöcherten Hufknorpels (Pfeilkopf), 18-jähriger Warmblut-Wallach. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

Differenzialdiagnostisch ist zu beachten, dass palmar am Hufbeinast bzw. im Bereich des Processus extensorius separate Ossifikationszentren vorkommen können, die nicht mit Frakturen verwechselt werden dürfen. Isolierte knochendichte Fragmente proximal am Processus extensorius können außerdem durch eine dystrophische Mineralisation in der Strecksehne bzw. der Gelenkkapsel oder durch eine Entwicklungsstörung im Bereich des Gelenkknorpels (Osteochondrosis dissecans) verursacht werden (siehe auch Abb. 2.1–8a). Die klinische Bedeutung derartiger Fragmente im Bereich des Proc. extensorius ist unterschiedlich. Beim Vorliegen einer Lahmheit ist die Therapie abhängig von der Lokalisation und der Größe des Fragmentes. Liegt das Fragment intraartikulär, ist i. d. R. ein chirurgisches Vorgehen in Form einer arthroskopischen bzw. arthrotomischen Entfernung desselben indiziert. Bei größeren Frakturfragmenten ist mitunter auch eine interne Fixation möglich.

Am dorsalen Margo solearis des Hufbeines wird bei vielen Pferden als anatomische Variante eine konkave Einziehung (Crena marginis solearis) als Äquivalent des Sohlensporns beobachtet. Ähnliche Konturveränderungen des Hufbeines können allerdings auch aufgrund einer druckbedingten Knochenatrophie beim Vorliegen einer Hornsäule entstehen (Abb. 4.2–3).

Die Achse von Fessel-, Kron- und Hufbein (Zehenachse) sollte bei Betrachtung von vorn und von der Seite eine gerade Linie ergeben (Abb. 2.1–9a). Eine Brechung der Zehenachse nach lateral oder medial (bei Betrachtung von vorn) bzw. nach dorsal oder palmar (bei Betrachtung von der Seite; Abb. 2.1–9b bis c) kann zu ungleichmäßiger Belastung von Gelenken, Bändern und Sehnen führen und stellt somit ein Risiko für pathologische Veränderungen der betroffenen Strukturen und daraus resultierende Lahmheiten dar. Insbesondere eine Brechung der Zehenachse nach palmar (Abb. 2.1–9b) kann langfristig eine übermäßige Belastung der tiefen Beugesehne und des Hufrollenbereiches bedingen, weshalb Pferde mit einer derartig gebrochenen Zehenachse ein hohes Risiko für pathologische Veränderungen im Sinne der Podotrochlose (s. Kap. 2.4 image (15)) aufweisen.

 

 

(16)_____ Der proximale Rand der Hufknorpel lässt sich gut unter der Haut als elastische Struktur palpieren. Mitunter geht die Elastizität jedoch aufgrund einer allmählichen Ossifikation des Knorpelgewebes verloren, was in fortgeschrittenen Stadien ebenfalls palpiert werden kann. Hufknorpelverknöcherungen (siehe auch Abb. 4.2–4) kommen insbesondere bei schweren Zugpferden sowohl am medialen als auch am lateralen Hufknorpel der Schultergliedmaßen vor. Auch bei Warmblütern (insbesondere bei Pferden, die auf hartem Boden arbeiten) werden derartige Veränderungen nicht selten beobachtet, wobei allerdings eher der laterale Hufknorpel betroffen ist. Die Verknöcherung der Hufknorpel beginnt meist an der Basis und reicht bei starker Ossifikation fast bis zur Höhe des Krongelenkes. Häufig sind separate Ossifikationszentren ausgebildet, die Frakturlinien vortäuschen können (siehe auch Abb. 2.1–8b). In der Regel handelt es sich um röntgenologische Zufallsbefunde ohne klinische Relevanz.

Wunden im Bereich des Hufknorpels können zur Nekrose des Knorpelgewebes und zur Bildung einer Hufknorpelfistel führen. Typisch ist ein chronischer Eiterausfluss aus einer nicht heilenden Wunde direkt proximal vom seitlichen oder palmaren Kronrand, wobei meist auch eine Lahmheit vorhanden ist. Die Therapie besteht i. d. R. in einer chirurgischen Entfernung des veränderten Knorpelgewebes.

(17)_____ Die Gleichbeine stellen zusammen mit dem M. interosseus medius und den distalen Gleichbeinbändern wichtige Elemente des Fesseltrageapparates dar. Verliert der M. interosseus medius durch eine Fraktur dieser Sesambeine seine distale Verankerung, kann es zu einer übermäßigen Hyperextension im Fesselgelenk kommen (Niederbruch, s. Kap. 2.4 > (10)). Gleichbeinfrakturen werden primär bei jungen Rennpferden (Traber und Vollblüter) beobachtet, sind jedoch auch bei allen anderen Pferden möglich. Mehrheitlich sind die Gleichbeine der Schultergliedmaße betroffen, bei Trabern kommen Gleichbeinfrakturen allerdings häufig auch an der Beckengliedmaße vor. Je nach Lokalisation und Konfiguration der Frakturlinie werden sechs verschiedene Typen unterschieden [28]. Am häufigsten kommen Apexfrakturen vor, aber auch Basis-, Midbody-, und Trümmerfrakturen werden nicht selten beobachtet. Abaxiale Frakturen betreffen meistens den Ansatz des M. interosseus medius am abaxialen Gleichbeinrand und sind i. d. R. nicht artikulär. Wesentlich seltener sind Sagittalfrakturen, die meist am axialen Gleichbeinrand lokalisiert sind und häufig mit einer Fraktur des lateralen Kondylus von Mc III einhergehen. Auch bei Fohlen unter zwei Monaten können Gleichbeinfrakturen vorkommen, wobei häufig Basisfrakturen am medialen Gleichbein der Schultergliedmaße auftreten. Die Frakturen entstehen meist auf der Weide, wenn das Fohlen versucht, der Mutter mit hoher [29]. Therapie und Prognose sind abhängig von der Konfiguration der Fraktur und der Größe des Frakturfragmentes sowie vom Alter des Pferdes. Häufig ist ein chirurgisches Vorgehen (arthroskopische bzw. arthrotomische Entfernung des Fragmentes oder interne Fixation der Fraktur) indiziert.

Als Sesamoiditis bzw. Sesamoidose wird eine chronisch degenerative Gleichbeinerkrankung bezeichnet, die mit einer Veränderung der arteriellen Blutversorgung der Gleichbeine einhergeht und zu einer chronisch rezidivierenden Lahmheit führt. Betroffen sind insbesondere Rennpferde (Vollblüter und Traber), aber auch andere Sportpferde können derartige Gleichbeinveränderungen aufweisen. Die wichtigsten röntgenologischen Zeichen sind vergrößerte und formveränderte Gefäßkanäle im abaxialen Gleichbeinbereich, die mitunter schon bei Jährlingen zu beobachten sind. Darüber hinaus können mitunter auch Knochenzubildungen im Ansatzbereich des M. interosseus medius bzw. der distalen Gleichbeinbänder (proximoabaxial bzw. distal am Gleichbein) oder osteolytische Bereiche (lokale Auflösungserscheinungen im Knochen) festgestellt werden [30].

(18)_____ Das Strahlbein ist Bestandteil der Hufrolle und kann röntgenologisch sichtbare Kontur- und Strukturveränderungen aufweisen (siehe Podotrochlose, Kap. 2.4 image (15)).

Die typische radiologische Form des Strahlbeines entsteht innerhalb des ersten Lebensjahres und ist genetisch bedingt. Unterschiede sind möglich hinsichtlich der Gestalt des proximalen Strahlbeinrandes, der beim adulten Pferd konkav, unduliert, gerade oder konvex sein kann. Die Strahlbeinform stellt einen prädisponierenden Faktor in der Pathogenese der Podotrochlose dar, wobei möglicherweise eine unterschiedliche formabhängige Verteilung der auf das Strahlbein einwirkenden Kräfte eine Rolle spielt [31].

Frakturen des Strahlbeins sind i. d. R. traumatisch bedingt und betreffen mehrheitlich die Schultergliedmaße. Am häufigsten kommen Parasagittalfrakturen vor, wobei die Frakturfragmente meist nur wenig verlagert sind. Konservative und chirurgische Therapiemaßnahmen (externe bzw. interne Fixation) entsprechen dem Vorgehen bei der Hufbeinfraktur. Bei persistierender Lahmheit kann als ultima ratio eine Neurektomie der Nn. digitalis palmaris medialis und lateralis durchgeführt werden.

2.2 Synoviale Einrichtungen (Synovialstrukturen) der Schultergliedmaße

2.2.1 Gelenke der Schultergliedmaße image(1)

 

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Zu den Zehen(Finger)gelenken gehören das Fessel-, Kron-, und Hufgelenk. Die Gleichbeine (Sesama bina) sind Teile des Fesselgelenkes, und das Strahlbein beteiligt sich am Hufgelenk, weshalb diese Gelenke zusammengesetzte Gelenke sind. Die genannten Sesambeine übernehmen bei der Belastung einen Teil des Körpergewichtes. Die Bänder der Gleichbeine (s. Kap. 2.4) gehören zu den Fesselgelenkbändern. Die Gelenkkapsel aller drei Finger(Zehen)gelenke hat dorsale und palmare Aussackungen (Recessus dorsales et palmares), die sich proximal ausdehnen.

 

Tafel 2.2: Juncturae (Articulationes), Bursae et Vaginae synoviales

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2.2.2 Wichtige Schleimbeutel (Bursae synoviales)

Die Bursa subtendinea m. infraspinati liegt zwischen der Endsehne des Muskels und dem Tuberculum majus humeri. Die Bursa intertubercularis image (8) befindet sich unter der Ursprungssehne des M. biceps brachii und entspricht der Kapselsehnenscheide des Hundes. Eine Entzündung kann eine Schulterlahmheit verursachen. Die Bursa subtendinea m. tricipitis brachii liegt unter der Insertion des Muskels am Olecranon. Ein Hygrom, besonders durch Quetschungen beim Liegen, kann Ellenbogenlahmheit verursachen. Die Bursa subcutanea olecrani liegt inkonstant über dem Olecranon. Ein Hygrom verursacht eine Stollbeule. image(9) Die Bursa subcutanea praecarpalis image(10) ist erworben, z. B. durch Stöße bei zu engen Boxen.

Die Bursa subtendinea m. extensor. dig. com. und Bursa subtendinea m. extensor. dig. lat. liegen unter der Sehne der betreffenden Muskeln am Fesselbein. Die Bursa podotrochlearis image (11) liegt zwischen der tiefen Beugesehne und dem Strahlbein.

2.2.3 Sehnenscheiden

Sehnenscheiden (Vaginae synoviales) sind dünnwandige, mit einem Gekröse (Mesotendineum) versehene Umhüllungen der Sehne, die an exponierten Stellen die Gleitfähigkeit der Sehne erhöhen. An der Streckseite des Karpalgelenkes werden die Strecksehnen von einer Sehnenscheide umgeben, die jedoch an der kurzen, am Os carpi accessorium inserierenden Endsehne des M. extensor carpi ulnaris fehlt. image(12) An der Beugeseite fehlt lediglich dem M. flexor carpi ulnaris eine Sehnenscheide. Die oberflächliche und tiefe Beugesehne besitzen eine gemeinsame Beugesehnenscheide (Vagina synovialis communis m. flexorum), die in die proximale Karpalbeugesehnenscheide image(13) und die Fesselbeugesehnenscheide image(14) gegliedert ist. Die gemeinsame Beugesehnenscheide umgibt vornehmlich die tiefe Beugesehne und bildet mit ihrer oberflächlichen Wand ein Gleitlager zur oberflächlichen Beugesehne. Lediglich proximal am Fesselgelenk umgreift die gemeinsame Beugesehnenscheide fast vollständig die oberflächliche Beugesehne. Palmar wird die gemeinsame Fesselbeugesehnenscheide mit Ausnahme ihrer neun Blindsäcke von der Zehenbinde oberflächlich abgedeckt (s. Kap. 2.6).

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____ Synoviale Strukturen an der Schultergliedmaße
Neben den diagnostischen Leitungsanästhesien werden bei der Lahmheitsuntersuchung häufig auch intrasynoviale Anästhesien von Gelenken bzw. bestimmten Sehnenscheiden oder Schleimbeuteln durchgeführt, weshalb die gebräuchlichsten Punktionsstellen dieser synovialen Strukturen für die Lahmheitsdiagnostik von Bedeutung sind. Auch für die Durchführung einer endoskopischen Untersuchung (Arthroskopie, Tendovaginoskopie bzw. Bursoskopie) sind Kenntnisse über die Anatomie der betroffenen Struktur eine Grundvoraussetzung. Darüber hinaus besitzen die synovialen Gebilde eine besondere klinische Bedeutung, da Wunden im Bereich dieser Strukturen immer mit dem Risiko einer Infektion derselben und somit mit der Notwendigkeit einer sofortigen adäquaten Therapie verbunden sind. Ein fundiertes Wissen über die genaue Lokalisation und Ausdehnung der synovialen Räume ist daher auch für die Beurteilung von Verletzungen unverzichtbar.

(2)_____ Das Schultergelenk ist von relativ starken Muskelmassen bedeckt, daher ist die Gefahr einer verletzungsbedingten Infektion dieses Gelenkes eher gering. Auch nichtinfektiöse Entzündungen des Schultergelenkes werden verhältnismäßig selten beobachtet. Eine gelegentliche Lahmheitsursache sind Läsionen des Gelenkknorpels bzw. des subchondralen Knochens, die durch Störungen der enchondralen Ossifikation bedingt sind (Osteochondrose). Röntgenologisch zeigt sich eine Abflachung oder Eindellung der Knochenkontur bzw. eine Isolierung einer Knorpel-Knochen-Schuppe. Derartige Veränderungen können sowohl im Bereich der Cavitas glenoidalis der Scapula als auch am Humeruskopf beobachtet werden, wobei meist die kaudale Hälfte des Gelenkes betroffen ist. Außerdem können zystenähnliche Defekte im subchondralen Knochen auftreten, die i. d. R. am Übergang zwischen mittlerem und kaudalem Drittel der Cavitas glenoidalis der Scapula lokalisiert sind. Die Therapie kann konservativ oder chirurgisch (arthroskopische Kürettage des veränderten Gelenkknorpels bzw. Entfernung des osteochondralen Fragmentes) erfolgen.

Insbesondere bei Shetland-Ponys tritt gelegentlich auch eine Dysplasie (Fehlentwicklung) des Schultergelenkes auf, die mit einer Subluxation (partiellen Verrenkung) und einer sekundär degenerativen Gelenkerkrankung einhergehen kann. Da Kollateralbänder im Bereich des Schultergelenkes fehlen, sind die Endsehnen der Mm. subscapularis, infra- und supraspinatus für die seitliche Stabilität des Gelenkes verantwortlich (kontraktile Spannbänder). Durch eine Schädigung der Nerven des Plexus brachialis und dem damit einhergehenden Funktionsverlust der als Ersatz des Kollateralbandes fungierenden Muskulatur kann eine seitliche Instabilität des Schultergelenkes verursacht werden.

Die Punktion des Schultergelenkes zur intraartikulären Anästhesie bzw. zur lokalen Behandlung erfolgt kranial von der gut palpierbaren Sehne des M. infraspinatus. Dazu wird die Kanüle in die Vertiefung zwischen der Pars cranialis und der Pars caudalis des Tuberculum majus humeri eingestochen und ca. 6–8 cm weit in kaudomedialer sowie leicht distaler Richtung (auf den Ellenbogen der gegenüberliegenden Seite zu) vorgeschoben (Abb. 2.2–1). Ist zur Gelenkspülung ein zweiter Zugang nötig, so kann das Schultergelenk zusätzlich ca. 10 cm kaudal und 4 cm distal von der eben beschriebenen Punktionsstelle bei ca. 20° nach dorsal gerichteter Kanüle in einer Tiefe von 8 cm punktiert werden. Die Anästhesie des Schultergelenkes erfolgt mit 25–30 ml eines 2 % Lokalanästhetikums, wobei die Injektion eines größeren Volumens (mehr als 10 ml) allerdings aufgrund von Diffusionsvorgängen zu einer Parese (Lähmung) des benachbarten N. suprascapularis führen kann [32, 33].

Zur Arthroskopie des Schultergelenkes erfolgt der Zugang i. d. R. ebenfalls kranial der Sehne des M. infraspinatus und direkt proximal von der Vertiefung zwischen dem kranialen und kaudalen Anteil des Tuberculum majus humeri, wobei in einem Winkel von ca. 25° in kaudodistaler Richtung eingegangen wird. Der zweite Zugang für die Instrumente wird je nach Lokalisation der Läsion gewählt. Meistens wird ein kaudolaterales Instrumentenportal (ca. 6 cm kaudal und 4 cm distal des Arthroskopieportals) angelegt, mitunter kann auch ein kranialer Instrumentenzugang direkt distal vom Arthroskopieportal erfolgen. Ein alternativer Arthroskopiezugang befindet sich ca. 1 cm kaudal von der Sehne des M. infraspinatus (zwischen M. infraspinatus und M. teres minor). Der Instrumentenzugang erfolgt hierbei ca. 2–4 cm kaudal vom Arthroskopieportal [34]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

(3)_____ Pathologische Veränderungen im Bereich des Ellenbogengelenkes sind ebenfalls verhältnismäßig selten die Ursache für eine Lahmheit. Gelegentlich treten zystenähnliche subchondrale Defekte auf, die meist medial in der proximalen Radiusepiphyse lokalisiert sind. Als Ursache werden osteochondrotische Veränderungen bzw. Traumata angenommen. Neben der konservativen Therapie ist auch ein chirurgisches Vorgehen in Form einer extraartikulären Kürettage der subchondralen Läsion möglich.

Im Gegensatz zum Schultergelenk ist der laterale Teil des Ellenbogengelenkes nur durch wenig Weichteilgewebe bedeckt, weshalb es bei Verletzungen in der Ellenbogenregion verhältnismäßig leicht zur Eröffnung und infolgedessen zur Infektion des Gelenkes kommen kann. Dabei muss auch eine mögliche Kommunikation des Gelenkes mit der bis zu 5 cm langen Bursa subtendinea des M. extensor carpi ulnaris sowie eine Verschiebung der Haut über der Gelenkregion bei der Bewegung der Gliedmaße berücksichtigt werden, so dass auch eine vermeintlich gelenkferne Wunde eine Verbindung zum Ellenbogengelenk aufweisen kann. Zur Überprüfung einer möglichen Gelenkinfektion ist das Gelenk zu punktieren und die Synovia zytologisch zu untersuchen.

 

 

Die Punktion des Ellenbogengelenkes erfolgt traditionell kranial vom lateralen Kollateralband, welches zwischen dem lateralen Epikondylus des Humerus und dem Bandhöcker des Radius verläuft (beide Knochenpunkte lassen sich gut palpieren). Dabei wird die Kanüle ca. 2,5 cm kranial vom Kollateralband und etwa 3,5 cm proximal von seinem Ansatz am Radius horizontal durch die Haut eingestochen und in leicht kaudaler Richtung bis zu einer Tiefe von 5–6 cm vorgeschoben (Abb. 2.2–2_1). Alternativ kann das Gelenk auch über den proximolateralen Abschnitt des kaudalen Rezessus im Bereich der Fossa olecrani punktiert werden. Dazu wird die Kanüle in die gut palpierbare Vertiefung zwischen dem Olekranon und der Crista supracondylaris lateralis des Humerus in einem Winkel von ca. 45° mediodistal eingestochen und in leicht kranialer Richtung ca. 4–7,5 cm weit vorgeschoben (Abb. 2.2–2_2). Zur intraartikulären Anästhesie des Ellenbogengelenkes werden 20–25 ml eines 2 % Lokalanästhetikums injiziert [32]. Die früher mitunter durchgeführte Anästhesie des Ellenbogengelenkes über die Bursa subtendinea des M. extensor carpi ulnaris ist sehr unsicher, da die beiden synovialen Strukturen nur bei etwa einem Drittel der Pferde kommunizieren [35].

Zur Arthroskopie des Ellenbogengelenkes kann der Zugang kaudomedial zwischen den Mm. flexor carpi radialis und ulnaris erfolgen, wobei ein großer Teil der kaudalen Gelenkflächen von Humerus, Radius und Ulna darstellbar sind. Ein zweiter Zugang für die Instrumente ist kaudal und leicht proximal vom Arthroskopieportal möglich. Um Schäden des N. ulnaris sowie der A./V. collateralis ulnaris zu vermeiden, sollte dabei nicht proximal vom Gelenkspalt der Art. humeroradialis eingegangen werden. Alternativ ist ein Zugang zum kaudalen Bereich des Ellenbogengelenkes auch von lateral über die große synoviale Aussackung in der Fossa olecrani möglich. Zur Darstellung der kranialen Gelenkoberfläche der Humeruskondylen kann der arthroskopische Zugang direkt kranial vom lateralen Kollateralband erfolgen. Der Instrumentenzugang befindet sich hierbei im Bereich vom Muskelbauch des M. extensor carpi radialis oder des M. extensor digitalis communis [34, 36]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

 

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Abb 2.2-2: Punktion des Ellenbogengelenkes: (1) kranialer Zugang, (2) proximolateraler Zugang. (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin, modifiziert.)

 

(4)_____ Das Karpalgelenk ist aus drei horizontal ausgerichteten Gelenken zusammengesetzt. Das proximale Gelenk (Antebrachiokarpal- bzw. Radiokarpalgelenk) befindet sich zwischen dem Radius und der proximalen Karpalknochenreihe und lässt eine Beugung von ca. 95° zu. Das mittlere Gelenk (Mediokarpalgelenk – im klinischen Sprachgebrauch auch als Interkarpalgelenk bezeichnet) ist zwischen der proximalen und distalen Karpalknochenreihe ausgebildet und kann etwa 45° gebeugt werden. Es kommuniziert immer mit dem distalen Gelenk (Karpometakarpalgelenk), wobei die Synovialräume unter anderem zwischen Os carpale III und IV in Verbindung stehen. Eine Kommunikation des Interkarpalgelenkes mit dem Antebrachiokarpalgelenk ist selten. Das Karpometakarpalgelenk besitzt palmarodistale Aussackungen, die lateral und medial zwischen dem jeweiligen Griffelbein und dem M. interosseus medius ausgebildet sind und sich ca. 2,5 cm nach distal ausdehnen.

Degenerative Veränderungen der Karpalgelenke sind neben Chip- und Slabfrakturen die häufigsten Probleme im Bereich des Karpus. Sie sind i. d. R. mit einer vermehrten Gelenkfüllung verbunden, die sich am besten bei gebeugter Gliedmaßenhaltung medial und lateral neben der Sehne des M. extensor carpi radialis palpieren lässt.

Im Bereich des Karpalgelenkes sind außerdem eine große Anzahl von Sehnenscheiden und Schleimbeuteln ausgebildet (siehe auch Abb. 2.2–6). Diese können ebenfalls aufgrund von entzündlichen Vorgängen eine vermehrte Füllung aufweisen und müssen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden. Auch bei Verletzungen im Karpalbereich, die mit einem Austritt von Synovia einhergehen, muss differenzialdiagnostisch eine Eröffnung des Karpalgelenkes, der Sehnenscheiden oder der Schleimbeutel in Erwägung gezogen werden.

Zur Punktion des Antebrachiokarpal- und des Interkarpalgelenkes werden die genannten Gelenke gebeugt, wodurch sie sich dorsal öffnen. Medial von der Endsehne des M. extensor carpi radialis bzw. zwischen dieser und der Sehne des M. extensor digitalis communis sind beide Gelenke als Vertiefung palpierbar. In diese Vertiefung wird die Kanüle senkrecht durch die Haut eingestochen und in das jeweilige Gelenk vorgeschoben (Abb. 2.2–3_1/_2), wobei die Sehnen und ihre Sehnenscheiden zu schonen sind. Ein weiterer Zugang zu den beiden Gelenken ist über den jeweiligen palmarolateralen Rezessus möglich [32, 37]. Die entsprechende Gelenkaussackung des Antebrachiokarpalgelenkes reicht bis proximal des Os carpi accessorium und liegt direkt kranial der Karpalbeugesehnenscheide, was bei vermehrter Füllung dieser synovialen Strukturen leicht zu Verwechslungen führen kann. Die Punktion des Gelenkes erfolgt zwischen der gut palpierbaren Sehne des M. extensor digitalis lateralis und der Sehne des M. extensor carpi ulnaris direkt proximal vom Os carpi accessorium (Abb. 2.2–3_3). Alternativ kann die Punktion auch weiter distal, ungefähr in Höhe der Mitte des Os carpi accessorium durchgeführt werden. An dieser Stelle ist zwischen dem distalen Radius und dem Os carpi ulnare eine leichte Vertiefung zu spüren, in welche die Kanüle senkrecht zur Haut eingestochen wird (Abb. 2.2–3_4). Dabei sind ebenfalls die benachbarten Sehnen und Sehnenscheiden zu schonen. Der palmarolaterale Rezessus des Interkarpalgelenkes befindet sich ca. 2–2,5 cm weiter distal zwischen dem Palmarrand vom Os carpi ulnare und dem Os carpale IV (Abb. 2.2–3_5). Zur Anästhesie werden in das entsprechende Gelenk jeweils 5–10 ml 2%iges Lokalanästhetikum injiziert [32]. Das Karpometakarpalgelenk muss nicht einzeln punktiert werden, da es bei einer Anästhesie des Interkarpalgelenkes aufgrund der Kommunikation der Synovialräume ebenfalls desensibilisiert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass von den palmarodistalen Aussackungen des Karpometakarpalgelenkes eine Diffusion des Anästhetikums zum Ursprung des M. interosseus medius sowie zu den Nn. metacarpei palmares möglich ist, was zu Fehlinterpretationen führen kann. Darüber hinaus sind auch Diffusionsvorgänge zwischen dem Interkarpal- und dem Antebrachiokarpalgelenk möglich.

 

 

Zur Arthroskopie des Antebrachiokarpal- und des Interkarpalgelenkes erfolgt der Zugang ebenfalls medial von der Endsehne des M. extensor carpi radialis bzw. zwischen dieser und der Sehne des M. extensor digitalis communis. Der palmare Anteil der Gelenke ist über den jeweiligen palmarolateralen Gelenkrezessus zugänglich, wobei nach Füllung der Gelenke im Zentrum der Aussackung eingegangen wird [34]. Daneben wird auch ein Zugang in das Antebrachiokarpalgelenk von kaudomedial beschrieben [38]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

 

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Abb. 2.2-4: Punktion der Zehengelenke: (1) proximaler Zugang in den palmaren Rezessus des Fesselgelenkes, (2) Punktion des dorsalen Fesselgelenkrezessus, (3) distaler Zugang in den palmaren Rezessus des Fesselgelenkes bei gebeugter Gliedmaße, (4) Punktion des dorsalen Krongelenkrezessus, (5) palmarer Zugang in das Krongelenk, (6/7) Punktion des dorsalen Hufgelenkrezessus, (8) Punktion des palmaroproximalen Hufgelenkrezessus. (a) Bursa subtendinea m. ext. dig. com., (b) Bursa subtendinea m. ext. dig. lat., (c) Bursa unter dem Lig. accessorium (M. interosseus medius). (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin, modifiziert.)

 

(5)_____ Das Fesselgelenk ist ein zusammengesetztes Scharniergelenk, das nur in extremer Beugestellung eine geringe Seitwärtsbewegung zulässt. Bei belasteter Gliedmaße befindet sich das Gelenk in einer Hyperextensionsstellung, wobei der dorsal gelegene Streckwinkel ca. 140° beträgt. Um eine übermäßige Hyperextension des Gelenkes zu verhindern, wird das Fesselgelenk palmar von verschiedenen Band- und Sehnenstrukturen (sog. Fesselträger) gestützt.

Die Kollateralbänder des Fesselgelenkes bestehen jeweils aus zwei Anteilen, die sich gut sonographisch darstellen lassen. Der etwas mehr dorsal gelegene oberflächliche Part ist verhältnismäßig dünn und verläuft in vertikaler Richtung. Der tiefe Anteil ist dagegen schräg nach distopalmar orientiert und endet nicht nur am Fesselbein, sondern auch am entsprechenden Gleichbein. Läsionen an den Kollateralbändern, die mit Ausrissfrakturen am Fesselbein einhergehen können, sind meist traumatisch bedingt und führen zu einer Instabilität bzw. Luxation des Fesselgelenkes. Die Gelenkkapsel bildet einen dorsalen und einen palmaren Gelenkrezessus, wobei der Rec. dorsalis ca. 2 cm und der Rec. palmaris ca. 4–5 cm nach proximal reicht. Letzterer ist bei einer vermehrten Gelenkfüllung zwischen dem Röhrbein (Mc III) und dem Insertionsschenkel des M. interosseus medius palpier- oder sogar sichtbar (sog. Fesselgelenkgalle) und darf nicht mit dem palmar vom M. interosseus medius gelegenen proximalen Anteil der Fesselbeugesehnenscheide verwechselt werden.

Da die Gelenkrezessus durch verhältnismäßig wenig Weichteilgewebe geschützt sind, kann es relativ leicht zu einer verletzungsbedingten Infektion des Fesselgelenkes kommen. Bei Wunden am Fesselkopf muss differenzialdiagnostisch allerdings auch eine Eröffnung der Fesselbeugesehnenscheide bzw. der im Bereich des Fesselgelenkes lokalisierten Schleimbeutel (Abb. 2.2–4) abgegrenzt werden.

Die diagnostische bzw. therapeutische Punktion des Fesselgelenkes kann im Bereich beider Gelenkaussackungen erfolgen, wobei der Zugang über den palmaren Rezessus leichter ist. Die traditionelle proximale Punktionsstelle liegt zwischen Röhrbein (Mc III) und M. interosseus medius distal vom Griffelbeinknöpfchen und proximal vom Kollateralband des Gleichbeines, wobei die Kanüle in leicht distaler Richtung vorgeschoben wird (Abb. 2.2–4_1). Da an dieser Stelle prominente Zotten der Gelenkkapsel ausgebildet sind, die häufig zur Verstopfung der Kanüle führen und außerdem die Gefahr von Blutungen in das Gelenk verhältnismäßig hoch ist, sollte das Gelenk besser etwas weiter distal punktiert werden. Dazu wird das Fesselgelenk leicht gebeugt. Die Kanüle wird dorsal vom Gefäßnervenbündel in die palpierbare Vertiefung zwischen Mc III und dem lateralen Gleichbein senkrecht durch die Haut eingestochen und durch das Kollateralband des Gleichbeines in den Gelenkrezessus vorgeschoben (Abb. 2.2–4_3) [39]. Die Punktion in die dorsale Gelenkaussackung kann lateral oder medial der gemeinsamen Strecksehne in Höhe des Gelenkspaltes erfolgen, wobei die Kanüle horizontal unter die Strecksehne vorgeschoben wird (Abb. 2.2–4_2). Zur Anästhesie des Fesselgelenkes werden 10 ml eines 2%igen Lokalanästhetikums injiziert [32].

Für die Arthroskopie des Fesselgelenkes im Bereich der dorsalen Gelenkaussackung wird ebenfalls medial und lateral neben der Sehne des M. extensor digitalis com. eingegangen, wobei der laterale Zugang direkt durch die Sehne des M. extensor digitalis lat. erfolgt. Zur Darstellung der palmaren Anteile des Gelenkes ist außerdem ein Zugang im Zentrum des palmaroproximalen Gelenkrezessus von lateral oder medial möglich. Das Instrumentenportal wird dabei je nach zugrunde liegender Läsion entweder distal oder proximal vom Arthroskopieportal angelegt [40]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

Entzündliche Veränderungen im Fesselgelenk sind beim Sportpferd verhältnismäßig häufig mit einer Lahmheit verbunden. Eine mögliche Ursache sind osteochondrotische Läsionen im Bereich des Gelenkknorpels bzw. des subchondralen Knochens, die sich röntgenologisch als Konturunregelmäßigkeiten oder Fragmentationen darstellen lassen und meist dorsal am Sagittalkamm des Röhrbeines lokalisiert sind. Gelegentlich kommen auch intraartikulär lokalisierte osteochondrale Fragmente dorsoproximal bzw. palmaroproximal am Fesselbein vor (Chip-/Birkeland-Frakturen, s. Kap. 2.1 image(13) Beim Vorliegen einer Lahmheit ist i. d. R. eine chirurgische Therapie (arthroskopische Kürettage des veränderten Gelenkknorpels bzw. Entfernung der Fragmente) indiziert. Eine weitere mögliche Lahmheitsursache sind subchondrale zystoide Defekte, die sich meist an der gewichtstragenden Oberfläche des medialen Kondylus des Röhrbeines befinden. Die Therapie kann arthroskopisch oder mittels extraartikulärer Kürettage (ggf. mit Anbohrung des subchondralen Knochens bzw. einer zusätzlichen Transplantation von Knochenmaterial aus dem Tuber coxae erfolgen) [41, 42].

Eine besondere Form der Fesselgelenkentzündung stellt die chronisch-proliferative Synovitis (villonoduläre Synovitis) dar, die durch eine Größenzunahme der synovial pads (medial und lateral im Bereich der dorsoproximalen Verankerung der Gelenkkapsel am Knochen lokalisierte Duplikaturen der Synovialmembran) charakterisiert ist. Als Ursache werden wiederholte Traumata und Irritationen des Gewebes infolge Hyperextension des Fesselgelenkes bei hoher Geschwindigkeit angesehen. Auffällig sind eine chronische Gelenkfüllung sowie typische röntgenologische Veränderungen in Form einer Eindellung im Bereich des dorsodistalen Röhrbeines (direkt proximal vom Sagittalkamm). Die Therapie kann konservativ bzw. chirurgisch (arthroskopische Entfernung des veränderten Gewebes) erfolgen.

(6)_____ Das Krongelenk ist ein Sattelgelenk, das neben der Bewegung in der Sagittalebene (beugen und strecken) auch eine geringe passive Seitwärts- und Torsionsbewegung (ca. 4°) zulässt. Die Gelenkkapsel bildet einen palmaren und einen dorsalen Rezessus nach proximal. Die Punktion des Krongelenkes in die dorsale Gelenkaussackung erfolgt lateral oder medial neben der gemeinsamen Strecksehne ca. 1 cm distal vom Ansatz der Kollateralbänder an den gut palpierbaren distalen Bandhöckern des Fesselbeines, wobei die Kanüle in horizontaler bzw. leicht distaler Richtung unter die Strecksehne geschoben wird (Abb. 2.2–4_4). Alternativ kann eine Punktion in den palmaren Krongelenkrezessus von lateral durchgeführt werden (Abb. 2.2–4_5). Dazu wird dorsal vom Gefäßnervenbündel die Vertiefung zwischen dem palmaren Fesselbeinrand und dem lateralen Ast der oberflächlichen Beugesehne (proximal von seiner Insertion an der Kronbeinlehne) palpiert. In diese Vertiefung wird die Kanüle oberhalb vom distalen Bandhöcker des Fesselbeines eingestochen und in leicht distaler Richtung in die Gelenkaussackung vorgeschoben [43]. Ein weiterer Zugang ist am palmaroproximalen Kronbeinrand (direkt oberhalb vom proximalen Bandhöcker des Kronbeines) bei nahezu horizontaler Stichrichtung möglich [37]. Zur Anästhesie des Krongelenkes werden 5–10 ml 2%iges Anästhetikum injiziert [32].

Eine Arthroskopie des Krongelenkes ist selten notwendig. Der Zugang erfolgt dabei im Bereich der dorsalen Gelenkaussackung medial und lateral neben der Sehne des M. extensor digitalis communis [34].

Arthrotische Veränderungen des Krongelenkes (Krongelenkschale, high ringbone), die meist bilateral zu beobachten sind, stellen eine verhältnismäßig häufige Lahmheitsursache bei Sportpferden dar. Typisch sind röntgenologisch sichtbare Knochenzubildungen dorsal am proximalen Ende des Kronbeins und distalen Ende des Fesselbeins (s. Abb. 2.1–7b), die in fortgeschrittenen Fällen zur Brückenbildung und Ankylose (Versteifung des Gelenkes) führen können und dann meist auch palpier- oder sogar sichtbar sind. Die Behandlung ist abhängig vom Grad der Erkrankung. Im fortgeschrittenen Stadium ist eine konservative Therapie meist unzureichend. In diesem Fall ist eine Arthrodese (chirurgische Versteifung des Gelenkes durch verschiedene Osteosyntheseverfahren) möglich, wobei für die Krongelenkarthrodese an der Hintergliedmaße eine bessere Erfolgsrate beschrieben wird als an der Vorderextremität [44]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

(7)_____ Das Hufgelenk ist ein zusammengesetztes Sattelgelenk, das neben der Beugung und Streckung auch eine gewisse passive Seitwärts- und Torsionsbewegung (Schultergliedmaße bis 15°, Beckengliedmaße bis 18°) zum Ausgleich von Bodenunregelmäßigkeiten zulässt. Die Gelenkkapsel bildet eine palmare und eine dorsale Gelenkaussackung, wobei der unter der Sehne des M. extensor digitalis com. gelegene dorsale Rezessus die Hufkapsel um 1–2 cm nach proximal überragt und bei einer vermehrten Füllung des Hufgelenkes direkt über dem dorsalen Kronrand als fluktuierende Vorwölbung palpierbar ist.

Insbesondere bei Verletzungen im dorsalen Bereich des Kronsaumes kann es zur Eröffnung des dorsalen Gelenkrezessus und somit zur Infektion des Hufgelenkes kommen. Darüber hinaus können auch Fremdkörper, die über die Fußungsfläche der Hufkapsel eingedrungen sind (Nageltritt), zu einer Eröffnung des Gelenkes im palmarodistalen Rezessus führen. Dabei werden i. d. R. die tiefe Beugesehne und das zwischen dem distalen Strahlbeinrand und dem Hufbein verlaufende Lig. sesamoideum distale impar (Strahlbein-Hufbein-Band) penetriert.

Die Punktion des Hufgelenkes zur lokalen Behandlung bzw. zur intraartikulären Anästhesie erfolgt i. d. R. im Bereich der dorsalen Gelenkaussackung. Dabei wird die Haut ca. 1,5 cm proximal des Kronrandes und 1,5–2 cm neben der Mittellinie durchstochen und die Kanüle in palmarodistaler und axialer Richtung bis in den Gelenkrezessus vorgeschoben (Abb. 2.2–4_6). Alternativ kann das Gelenk auch direkt in der Medianen bei leicht nach distal gerichteter Kanüle punktiert werden (Abb. 2.2–4_7). Ein weiterer Zugang ist über den palmaroproximalen Rezessus möglich, wobei die Kanüle in der Vertiefung zwischen dem proximalen Rand des Hufknorpels und dem palmarodistalen Rand des Kronbeins in dorsodistaler und axialer Richtung eingestochen wird (Abb. 2.2–4_8) [37]. Zur Anästhesie werden maximal 6 ml eines 2 %igen Lokalanästhetikums injiziert [32]. Aufgrund der direkten Nachbarschaft zur Bursa podotrochlearis und zum Strahlbein inkl. Strahlbeinbänder ist eine Diffusion des Anästhetikums zu diesen Strukturen möglich, weshalb die Hufgelenkanästhesie nicht völlig spezifisch ist. Auch eine Diffusion zu den benachbarten Nn. digitales palmares wird diskutiert, was die nach der Hufgelenkanästhesie ebenfalls festgestellte Desensibilisierung der gesamten Sohle erklären würde [45].

Im Bereich der dorsalen Gelenkaussackung ist auch eine Arthroskopie des Hufgelenkes möglich, wobei sich der Zugang 2–3 cm proximal vom Kronrand direkt neben der Strecksehne (ca. 2 cm lateral bzw. medial von der Mittellinie entfernt) befindet. Aufgrund der enormen biomechanischen Belastung des Hufgelenkes (insbesondere beim Fußen auf unebenem Boden oder bei Wendungen), weist das Gelenk verhältnismäßig häufig pathologische Veränderungen auf. Neben Entzündungen des Hufgelenkes führen nicht selten auch arthrotische Veränderungen (Hufgelenkschale) zu einer Lahmheit des Pferdes. Typisch sind röntgenologisch darstellbare artikuläre bzw. periartikuläre Knochenzubildungen, die in fortgeschrittenen Fällen als Auftreibung oberhalb des Kronrandes fühlbar bzw. mitunter sogar sichtbar sind. Gelegentlich treten im Hufbein auch zystoide Defekte auf, die i. d. R. mit dem Hufgelenk kommunizieren und häufig mit einer Lahmheit verbunden sind. Derartige Läsionen sind meist zentral im proximalen Hufbeinanteil lokalisiert und lassen sich meist gut röntgenologisch darstellen. Neben der konservativen Therapie wird ein chirurgisches Vorgehen in Form einer Kürettage der Läsion (arthroskopisch oder extraartikulär über einen Defekt in der Hufwand) beschrieben [46]. Siehe auch Kap. 3.2 image(10)

(8)___ Die Bursa intertubercularis (B. bicipitalis) befindet sich zwischen dem Tuberculum intermedium des Humerus und der darüber hinwegziehenden Sehne des M. biceps brachii. Entzündungen des Schleimbeutels können eine typische Schulterlahmheit verursachen. Die Punktion erfolgt von lateral, wobei die Kanüle ca. 4 cm proximal vom distalen Rand der Tuberositas deltoidea humeri zwischen dem M. biceps brachii und dem Humerus in proximomedialer sowie leicht kranialer Richtung eingestochen und am Kranialrand des Knochens entlang vorgeschoben wird (Abb. 2.2–1_2). Alternativ kann die Pars cranialis des Tuberculum majus humeri als Orientierungspunkt dienen, die Punktionsstelle liegt dabei ca. 3–5 cm distal und 6–7 cm kaudal von diesem ebenfalls gut palpierbaren Knochenpunkt. Zur Anästhesie des Schleimbeutels werden 10–20 ml eines 2%igen Lokalanästhetikums injiziert [32].

Zur Endoskopie der B. intertubercularis erfolgt der Zugang 2–3 cm proximal der Tuberositas deltoidea humeri. Ein zweiter Zugang ist 2–3 cm proximal der Pars cranialis des Tuberculum majus humeri nahe der Ursprungssehne des M. biceps brachii möglich, wobei in distomedialer Richtung eingegangen werden muss [47].

(9)_____ Über dem Ellenbogenhöcker kann infolge häufiger Quetschungen (z. B. durch mangelnde Einstreu oder Druck des Hufeisens beim Liegen) eine Bursa subcutanea olecrani enstehen, die bei Entzündung i. d. R. sichtbar vergrößert ist (sog. Stollbeule).

(10)_____ Auch die Bursa subcutanea praecarpalis kann aufgrund einer Entzündung vermehrt gefüllt sein (Hygrom), was i. d. R. auf ein Trauma im Bereich des dorsalen Karpus zurückzuführen ist. Dies ist differenzialdiagnostisch von einer vermehrten Füllung der Sehnenscheiden der Extensoren bzw. einer eher seltenen Synovialhernie des Interkarpal- oder Antebrachiokarpalgelenkes abzugrenzen.

(11)_____ Der Hufrollenschleimbeutel (Bursa podotrochlearis) befindet sich zwischen dem Strahlbein und der darüber hinwegziehenden tiefen Beugesehne (Abb. 2.2–5a) und gehört zum Komplex der Hufrolle (siehe Podotrochlose, Kap. 2.4 image(15) Als Orientierungshilfe für die Punktion des Hufrollenschleimbeutels dient die auf die seitliche Hufwand projizierte Lage des Strahlbeines, die sich 1 cm unterhalb des Haaransatzes in der Mitte zwischen dem dorsalen und palmaren Rand der Hufkapsel befindet. Die Kanüle wird in der palmaren Mittellinie ca. 1 cm proximal vom Haaransatz eingestochen und in Richtung Strahlbein bis zum Knochenkontakt (meist in ca. 4–5 cm Tiefe) vorgeschoben (Abb. 2.2–5b) [48]. Dies erfolgt am besten unter Röntgenkontrolle, um eine versehentliche Punktion des benachbarten Hufgelenkes zu vermeiden. Alternativ kann die Kanüle an der tiefsten Stelle zwischen den Ballen eingestochen und nach dorsodistal in Richtung Strahlbein vorgeschoben werden. Zur Anästhesie werden 3–5 ml 2%iges Anästhetikum in die Bursa injiziert [32]. Aufgrund von Diffusionsvorgängen ist nach 20 Minuten Wartezeit allerdings auch eine Desensibilisierung des Hufgelenkes möglich [49].

 

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Abb. 2.2-5: (a) Längsschnitt durch die distale Gliedmaße zur Darstellung der Hufrolle. Zu beachten ist die enge Nachbarschaft der Bursa podotrochlearis zu den palmaren Rezessus des Hufgelenkes und zur distalen Aussackung der gemeinsamen Fesselbeugesehnenscheide, (b) Röntgenaufnahme zur Kontrolle der Kanülenposition bei der Punktion der Bursa podotrochlearis. a: Hufgelenk (a': dorsaler Rezessus, a": palmaroproximaler Rezessus, a"': palmarodistaler Rezessus), b: Krongelenk (b': dorsaler Rezessus, b": palmarer Rezessus), c) Fesselbeugesehnenscheide.

 

Zur Endoskopie des Hufrollenschleimbeutels erfolgt der Zugang proximal vom Hufknorpel zwischen dem Rand der tiefen Beugesehne und dem Gefäß-Nerven-Bündel, wobei dorsal von der tiefen Beugesehne in distoaxialer Richtung eingegangen wird. Auf diese Weise lassen sich die Synovialmembran des Schleimbeutels, die Insertion der Strahlbeinbänder, die palmare bzw. plantare Oberfläche des Strahlbeines sowie die dorsale Oberfläche der tiefen Beugesehne darstellen [50].

(12)_____ Eine vermehrte Füllung der Sehnenscheide des M. extensor digitalis communis bzw. lateralis im Bereich des Karpus tritt gelegentlich bei neugeborenen oder wenige Tage alten Fohlen auf, wobei besonders häufig unreife Fohlen betroffen sind. Zugrunde liegt i. d. R. eine Ruptur (Zerreißung) der entsprechenden Strecksehne. Neben der typischen Schwellung wird meist ein Überköten (unphysiologische Beugung im Fesselgelenk) beim Vorwärtsgehen beobachtet.

(13)_____ Die Karpalbeugesehnenscheide umhüllt die oberflächliche und tiefe Beugesehne im Karpalkanal und ist bei einer vermehrten Füllung proximal und distal vom Retinaculum flexorum sichtbar. Die Punktion der Sehnenscheide ist kaudolateral ca. 5 cm proximal vom Os carpi accessorium zwischen den Sehnen vom M. extensor digitalis lateralis und M. extensor carpi ulnaris möglich (Abb. 2.2–6_1). Aufgrund der direkten Nachbarschaft mit dem palmarolateralen Rezessus des Antebrachiokarpalgelenkes besteht an dieser Stelle jedoch immer die Gefahr einer versehentlichen Gelenkpunktion. Alternativ kann die Sehnenscheide direkt distal vom Retinaculum flexorum punktiert werden, wobei die Kanüle zwischen dem lateralen Griffelbein und der tiefen Beugesehne in leicht proximaler Richtung eingestochen wird (Abb. 2.2–6_2). Zur Anästhesie der Karpalbeugesehnenscheide sind 10–15 ml eines 2%igen Lokalanästhetikums nötig [32]. Aufgrund von Diffusionsvorgängen ist dabei auch eine Desensibilisierung der Nn. palmares bzw. Nn. metacarpei palmares möglich, was zu Fehlinterpretationen führen kann [51].

 

 

Die Endoskopie der Karpalbeugesehnenscheide erfolgt bei leicht gebeugtem Karpus im lateralen Bereich des Unterarmes. Das Arthroskopieportal befindet sich ca. 3 cm proximal der distalen Radiusepiphyse und ca. 2,5 cm kaudal vom Radius zwischen den Sehnen vom M. extensor digitalis lateralis und M. extensor carpi ulnaris. Der Instrumentenzugang erfolgt distal davon. Darstellbar sind u. a. das Caput radiale des M. flexor digitalis prof., das Lig. accessorium des M. flexor digitalis supf., die distale Radiusepiphyse, die Sehnen der Mm. flexores digitales prof. und supf., das Os carpi accessorium sowie die benachbarten Gelenkaussackungen vom Antebrachiokarpal- und Interkarpalgelenk [52]. Die weiteren im Bereich des Karpus lokalisierten Sehnenscheiden, die bei Verletzungen im Karpalbereich differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden müssen, sind in Abb. 2.2–6 dargestellt.

(14)_____ Die ca. 14–20 cm lange Fesselbeugesehnenscheide umgibt hauptsächlich die tiefe Beugesehne und nur partiell die oberflächliche Beugesehne. Sie beginnt proximal in Höhe der Griffelbeinknöpfchen und reicht distal bis zur Mitte des Kronbeines. An dieser Stelle grenzt sie direkt an den Hufrollenschleimbeutel und das Hufgelenk (Abb. 2.2–5a). Bei einer vermehrten Füllung ist die Sehnenscheide proximal des Fesselringbandes zwischen dem M. interosseus medius und der tiefen Beugesehne bzw. distal unterhalb und seitlich der vierzipfeligen Fesselplatte sichtbar. Da eine Ausdehnung der Sehnenscheide im Bereich des Fesselringbandes nicht möglich ist, kann an dieser Stelle bei seitlicher Betrachtung eine Einziehung beobachtet werden (siehe Fesselringband-Syndrom, Kap. 2.6 image (6)). Proximal vom Fesselgelenk bildet die oberflächliche Beugesehne innerhalb der Sehnenscheide eine ringförmige Manschette um die tiefe Beugesehne (Manica flexoria), die sich gut sonographisch darstellen lässt. Insbesondere bei einer Füllung der Sehnenscheide ist proximal der Manica flexoria auch die laterale und mediale Befestigung der tiefen Beugesehne an der Sehnenscheidenwand (sog. Mesotendineum) gut sonographisch zu erkennen. Im Bereich der Fesselbeuge ist die tiefe Beugesehne im dorsalen Bereich mit der Sehnenscheidenwand verbunden (Vinculum tendinis), was sich ebenfalls bei vermehrter Füllung der Sehnenscheide gut sonographisch darstellen lässt.

 

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Abb. 2.2-7: Punktion der Fesselbeugesehnenscheide: (1) proximaler Zugang, (2) Zugang in den distalen Blindsack, (3) Punktion in Höhe der Gleichbeinmitte. (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin, modifiziert.)

Die Punktion der Fesselbeugesehnenscheide ist in der proximolateralen Aussackung ca. 2 cm oberhalb der Gleichbeine zwischen dem M. interosseus medius und der tiefen Beugesehne bzw. zwischen der tiefen und der oberflächlichen Beugesehne möglich (Abb. 2.2–7_1). Da an dieser Stelle eine ausgeprägte Zottenhypertrophie der Synovialmembran vorliegen kann, ist die Synoviagewinnung mitunter schwierig. Eine alternative Punktionsstelle befindet sich in der Mittellinie der Fesselbeuge im Bereich des distalen Blindsackes, der von der vierzipfeligen Fesselplatte und der Sohlenbinde begrenzt wird (Abb. 2.2–7_2). Bei geringer Füllung der Sehnenscheide ist auch diese Punktion schwierig, weshalb ein weiterer Zugang beschrieben wurde. Dabei wird die Kanüle bei leicht gebeugtem Fesselgelenk in Höhe der Gleichbeinmitte palmar vom Gefäßnervenbündel zwischen dem Gleichbein und den Beugesehnen nahezu senkrecht durch die Haut eingestochen und durch das Fesselringband in Richtung der intersesamoidalen Region bis zu einer Tiefe von 1,5–2 cm vorgeschoben (Abb. 2.2–7_3) [53]. Zur Anästhesie der Fesselbeugesehnenscheide werden 10–15 ml 2%iges Anästhetikum injiziert [32]. Aufgrund von Diffusionsvorgängen ist dabei auch eine Desensibilisierung der Nn. digitales palmares medialis und lateralis möglich, was zu Fehlinterpretationen führen kann.

Für die Endoskopie der Fesselbeugesehnenscheide erfolgt der Zugang am proximalen Rand des Fesselringbandes, ein zweiter Zugang ist direkt distal des Fesselringbandes möglich. Dabei wird jeweils am Rand der oberflächlichen Beugesehne ca. 1–2 cm palmar vom Gefäßnervenbündel in die Sehnenscheide eingegangen. Auf diese Weise kann sowohl der Bereich zwischen Fesselringband und oberflächlicher Beugesehne als auch der Bereich zwischen oberflächlicher und tiefer Beugesehne eingesehen werden.

2.3 Nerven und Muskeln der Schultergliedmaße

2.3.1 Schulter und Oberarm

Plexus brachialis

Zum Plexus brachialis image (1) ziehen die Radices plexus (4), die meistens von den Ventralästen des 6. Hals- bis 2. Thorakalnerven stammen. In diesem Plexus des somatischen Nervensystems durchflechten sich die Nervenfasern der Radices plexus und formieren sich neu zu den Plexusnerven, die dadurch Zuflüsse aus mehreren Rückenmarkssegmenten erhalten. Der somatische Plexus brachialis enthält keine Nervenzellleiber (Somata), die jedoch in den autonomen, Ganglien enthaltenen Nervengeflechten vorkommen. Der somatische Plexus brachialis bekommt sympathische marklose Nervenfaserzuflüsse aus dem sympathischen Brustgrenzstrang, besonders aus dem Ganglion stellatum (Ggl. cervicothoracicum, s. Kap. 5.1, 103.a), so dass mit Einschränkung von somatischen Plexus auszugehen ist, weil sie auch zusätzlich autonome (sympathische) Anteile erhalten. Sympathische marklose Axone ziehen auch in Form verzweigter Nervenäste aus dem sympathischen Grenzstrang direkt an die Peripherie der großen Blutgefäße der Schultergliedmaße und beteiligen sich an der Bildung der perivaskulären Geflechte. Die einzelnen verzweigten Nervenfaserelemente enden bereits nach kurzer Distanz. Zum Ausgleich der nur kurzen Verlaufstrecke treten sukzessive weitere sympathische Axonbündel aus den Plexusnerven heraus und an die Blutgefäße heran, zur Auffüllung der perivaskulären Geflechte. Diese innervieren mit ihren tiefen Anteilen die Wand der Blutgefäße und mit ihren oberflächlichen Anteilen innervieren sie wichtige Zielgebiete wie die Sesama bina und die Hufrolle. image (2)

Plexusnerven

Von den Plexusnerven innerviert der N. axillaris (14) den M. teres major (1) und den Kaudalrand des M. subscapularis (3) und, lateral an der Schulter, den M. deltoideus mit seiner Pars scapularis (6) und seiner Pars clavicularis (22 —M. cleidobrachialis in manchen Lehrbüchern) und den beim Pferd sehnig durchsetzten M. teres minor (13). Der N. axillaris endet mit seinem sensiblen N. cutaneus antebrachii cranialis (26) auf der Kranialfläche des Unterarms. Die Nn. subscapulares (3) sind die Hauptnerven für den M. subscapularis. Der N. suprascapularis (9) image (3) zieht über den Kranialrand der Scapula zu den Mm. supraspinatus (5) und infraspinatus (10). Er ist am scharfen Kranialrand der Scapula und lateral an der Schulter wegen Fehlens eines Acromion vor mechanischen Insulten relativ ungeschützt. Der N. thoracodorsalis (2) zieht zum M. latissimus dorsi (2). Die Nn. medianus (8) und musculocutaneus (7) bilden durch ihre Verbindung die Ansa axillaris, die die A. axillaris umschlingt. Der N. musculocutaneus image (4) versorgt mit dem R. muscularis proximalis die Mm. coracobrachialis (19) und biceps brachii (25) und danach mit dem R. muscularis distalis den M. brachialis (20), bevor er als N. cutaneus antebrachii medialis (30) endet. Der R. muscularis proximalis unterkreuzt den starken M. coracobrachialis auf dem Weg zum Hilus des M. biceps brachii. Der N. radialis (11) entlässt noch medial am Oberarm einen Muskelast zum M. tensor fasciae antebrachii (21), bevor er kaudodistal der Endsehne des M. teres major zur Lateralseite des Oberarms wechselt. Der N. radialis innerviert hier den M. anconaeus (24) und die drei Köpfe des M. triceps brachii: Caput longum (15), Caput mediale (17), Caput laterale (16), ein Caput accessorium fehlt beim Pferd. Der fortlaufende N. radialis zieht über die Crista supracondylaris lateralis und teilt sich in den R. superficialis (27) und den R. profundus (18).

2.3.2 Nerven und Muskeln kraniolateral am Unterarm

Der N. radialis image (5) endet mit seinem R. superficialis, der die Nn. cutanei antebrachii laterales (29) abgibt, noch vor Erreichen des Karpus. (Der Handrücken wird von den Nn. medianus und ulnaris sensibel versorgt). Der R. profundus n. radialis versorgt die kraniolaterale Muskulatur am Unterarm. Die Zehen- und Karpalgelenkstrecker entspringen am Streckknorren des Oberarms und am hier beginnenden Lig. collaterale laterale des Ellenbogengelenks.

Der M. extensor digitalis communis besitzt außer einem starken Caput humerale (33) noch ein schwaches, tiefliegendes Caput ulnare und ein schwaches Caput radiale (34), dessen Endsehne sich mit der des lateralen Zehenstreckers vereinigt, die proximal am Fesselbein endet. Bevor die Strecksehne des gemeinsamen Zehenstreckers am Processus extensorius des Hufbeins endet, gibt sie noch einen Endschenkel zum Kronbein ab und nimmt eine mediale und laterale Unterstützungssehne vom überwiegend sehnigen M. interosseus medius (s. Kap. 2.4) auf.

Der M. extensor digitalis lateralis (36) weist unter seiner Insertion proximal am Fesselbein einen Schleimbeutel auf.

Der M. extensor carpi radialis (31) nimmt den Lacertus fibrosus auf (s. Kap. 2.4) und endet mit seiner Endsehne proximal am Röhrbein.

Der M. extensor carpi ulnaris (38 – M. ulnaris lateralis) endet mit einer kurzen Sehne am Os carpi accessorium und mit einer langen Sehne nach Unterquerung des Lig. collaterale laterale proximal am lateralen Griffelbein. Nur diese lange Sehne ist von einer Sehnenscheide umgeben.

Der M. abductor pollicis longus (42) endet proximal am medialen Griffelbein und besitzt eine Sehnenscheide und außerdem eine unterlagernde Bursa synovialis.

2.3.3 Nerven und Muskeln kaudomedial am Unterarm

Der N. medianus image (6) zieht in kranialer Begleitung der A. und V. brachialis medial über das Ellenbogengelenk und entlässt danach Rami musculares zum M. flexor carpi radialis (28) sowie zum Caput radiale und Caput humerale des M. flexor digitalis profundus (35). Der beim Hund zum Versorgungsgebiet des N. medianus gehörende M. pronator teres hat sich zum langen Schenkel des medialen Ellenbogenkollateralbandes fibrös umgewandelt. Der M. pronator quadratus fehlt. Der fortlaufende N. medianus teilt sich in der distalen Unterarmhälfte in den N. palmaris medialis (37) und den N. palmaris lateralis (39). Der N. palmaris medialis zieht oberflächlich am Medialrand der tiefen Beugesehne durch den Karpalkanal. Der N. palmaris lateralis überquert die Muskel-Sehnen-Verbindung des oberflächlichen Zehenbeugers, vereinigt sich palmar am Karpus mit dem R. palmaris n. ulnaris und zieht am Lateralrand der tiefen Beugesehne durch den Karpalkanal. Sie gehen hier in die Nn. digitalis palmaris communis II und —III über.

Der N. ulnaris (12) image(7) begleitet die A. und V. brachialis kaudal, entlässt im distalen Oberarmdrittel den N. cutaneus antebrachii caudalis (23) und nach Passieren des Ellenbogenscheitels die Rr. musculares zu den Mm. flexor carpi ulnaris (41), flexor digitalis superficialis (32) und zum Caput ulnare (s. Kap. 2.4) und Caput humerale des tiefen Zehenbeugers. Der fortlaufende N. ulnaris liegt in der am Lebenden palpierbaren Ulnarisrinne zwischen den Mm. extensor – und flexor carpi ulnaris und teilt sich wenig proximal des Karpus in den R. dorsalis (43), der über den Bandansatz des Os carpi accessorium (palpierbar) zur Dorsolateralfläche der Hand zieht und den obengenannten R. palmaris (40), der im Karpalkanal dem N. digitalis palmaris communis III zufließt.

 

Tafel 2.3: Membrum thoracicum

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2.4 Muskulatur mit passiver Stehvorrichtung und Fesselträger

Mit Hilfe der passiven Stehvorrichtung an der Schulter- und Beckengliedmaße können die Pferde viel länger stehen als die übrigen Haussäugetiere. Bei Hauspferden ist ein erholsamer Schlaf im Stehen nicht möglich. Pferde legen sich mit ungeschickt anmutenden Bewegungsabläufen nieder und tun dies eher nachts und unbeobachtet. Das Fluchttier Pferd hält sich durch dauerhaftes Stehen gewissermaßen in ständiger Fluchtbereitschaft. image (8) Der Tierkörper aller Haustierspezies wird von gewinkelten Säulen, den Gliedmaßen, getragen, die ohne Einsatz der passiven Stehvorrichtung bei Belastung zusammenknicken würden. Das verhindert der Körper durch den Einsatz seiner ermüdbaren Muskeln. Beim Pferd werden die Muskeln durch unermüdbare Sehnen und Spannbänder entlastet. Diese können eine zum Stehen geeignete Gelenkstellung stabilisieren, indem auf den Scheitel des Gelenkes ein Druck (z. B. M. biceps brachii am Scheitel des Schultergelenkes, s. Tafel 2.4 image), oder/und aus der Gelenkkehle heraus ein Zug ausgeübt wird (z. B. M. biceps brachii mit abstrahlendem Lacertus fibrosus am Ellenbogengelenk, s. Tafel 2.4 image.

Verbindung zwischen Rumpf und Schulterblatt

Für die Synsarkose zwischen Rumpf und Schulterblatt liegen insofern besondere Verhältnisse vor, weil der beide Körperteile verbindende M. serratus ventralis mit seiner Pars thoracis ein sehr großes Volumen hat, stark sehnig durchsetzt ist und so offenbar ohne schnelle Ermüdung als Träger des Rumpfes fungieren kann.

Buggelenk

Auf das Buggelenk wird durch die Ursprungs- und anschließende Zentralsehne des M. biceps brachii image (9) im Sulcus intertubercularis ossis humeri ein Scheiteldruck ausgeübt. Die „Manschettenmuskeln“, die lateral gelegenen Mm. supra- und infraspinatus und der medial gelegene M. subscapularis, stabilisieren durch ihre Endsehnen das Gelenk und schränken die Bewegungsfreiheit auf Wechselgelenkbewegungen in Sagittalrichtung ein. Durch den Tonus des sehr kräftigen M. triceps brachii wird auch in der Gelenkkehle ein Zug ausgeübt. Das Tuberculum intermedium des Sulcus intertubercularis rastet in eine entsprechend geformte Delle an der Unterseite der Ursprungssehne des M. biceps brachii ein, wodurch eine gewisse passive Blockierung bei bestimmter Gelenkstellung erreicht wird.

Ellenbogengelenk

Das Ellenbogengelenk wird ebenfalls durch Scheiteldruck und Kehlzug stabilisiert. Der Scheiteldruck wird proximal durch den Tonus des M. triceps brachii und distal durch eine „Klammer“ sehnig durchsetzter Muskeln ausgeübt. Der Lateralschenkel dieser Klammer wird vom M. extensor carpi ulnaris (M. ulnaris lateralis) und der mediale Schenkel durch den oberflächlichen und tiefen Zehenbeugemuskel sowie den M. flexor carpi ulnaris vertreten. In der Ellenbogenbeuge wird durch die Zweiteilung der Zentralsehne des M. biceps brachii (image) ein Kehlzug ausgeübt, da der oberflächliche Teilungsschenkel als Lacertus fibrosus auf den M. extensor carpi radialis und mit diesem auf das Röhrbein übertritt, während der tiefe Teilungsschenkel proximal am Radius inseriert.

Die passive Aufrechterhaltung der Streckstellung des Ellenbogengelenks im Stand erfolgt insbesondere über die beiden Zehenbeugemuskeln, die sehnig durchsetzt und damit kaum passiv dehnbar sind. Der erhebliche Zug, der durch die Hyperextension des Fesselgelenkes unter dem Standgewicht des Pferdes auf die Beugesehnen ausgeübt wird, kann so auf das Ellenbogengelenk übertragen werden und verhindert dessen passive Beugung. Die Streckstellung des Ellenbogengelenkes führt gleichzeitig zur Spannung des Lacertus fibrosus in der Ellenbogenbeuge, wodurch über die Sehnenzüge im M. biceps brachii und im M. extensor carpi radialis ein Scheiteldruck auf das Schultergelenk und das Karpalgelenk ausgeübt wird und auch diese in Streckstellung fixiert werden.

Karpalgelenk

Das Karpalgelenk wird durch einen Scheiteldruck, der von der ebengenannten, am Röhrbein inserierenden Endsehne des M. extensor carpi radialis ausgeht, und durch einen Kehlzug stabilisiert. Der Kehlzug wird durch beide Beugesehnen und vom M. interosseus medius bewirkt, der sehnig durchsetzt zwischen Karpus samt Proximalende des Röhrbeins und den Gleichbeinen verkehrt und eine Unterstützungssehne (Lig. accessorium) zur gemeinsamen Strecksehne abgibt. Das distal vom Radius kommende Unterstützungsband des oberflächlichen Zehenbeugers (Lig. accessorium) und das palmar vom Karpus kommende Unterstützungsband des tiefen Zehenbeugers (Lig. accessorium) vermitteln nicht nur den Kehlzug, sondern entlasten auch ihre ermüdbaren Muskelbäuche. Ein dorsales Einknicken im Karpalgelenk wird durch die bewegungseinschränkende Kongruenz im Karpalgelenk und durch die straffen Gelenkbänder an der Palmarseite des Karpalgelenkes verhindert.

Fesselgelenk

Das Fesselgelenk befindet sich bei Belastung im Zustand einer Hyperextension (Dorsalflexion) und dadurch werden der Gelenkscheitel auf die Beugeseite und – umgekehrt – die Gelenkkehle auf die Streckseite verlagert. So wird das Fesselgelenk allein durch den Scheiteldruck des Fesselträgers und beider Beugesehnen hängemattenartig in einer Tragestellung gehalten und so eine übermäßige Hyperextension verhindert. image (10)

Fesselträger

Zum Fesselträger gehören proximale, mittlere und distale Tragestrukturen, die – alle aus entsprechender Richtung kommend – Verbindung zu den Gleichbeinen (Ossa sesamoidea proximalia s. Sesama bina) als zentrale Verankerungsstelle aufnehmen, die mit den verbindenden Bändern als Gleitlager für die tiefe Beugesehne fungieren.

Proximale Tragestruktur

Der M. interosseus medius image (11) entspringt proximopalmar am Röhrbein und zusätzlich an der distalen Reihe der Karpalknochen sowie am hier gelegenen Bandapparat (Lig. carpi radiatum). Abgesehen von den Ursprungs- und Endsehnen enthält der Muskelbauch nach jüngsten Untersuchungen in Abhängigkeit von Rasse und Alter stellenweise bis zu 50 % quergestreifte Muskelanteile und damit viel mehr als bisher angenommen. Allerdings verbergen sich diese zentral unter einer dicken Sehnenummantelung. Es handelt sich um paarige Muskelfaserbündel, die rinnenförmig angeordnet sind. Auf dem Querschnitt erscheinen die muskulösen Anteile mondsichelförmig. Der M. interosseus medius tritt mit seiner sehnigen Aufgabelung an die Gleichbeine heran, vorher noch beiderseits eine Unterstützungssehne (Lig. accessorium) zur gemeinsamen Strecksehne entlassend. Diese Unterstützungssehne wirkt der Beugung im Hufgelenk durch den Zug der tiefen Beugesehne entgegen und bedingt nach der Hangbeinphase das Aufsetzen des Hufes mit der Sohlenfläche. (Vermeidung des Aufsetzens mit der Hufspitze oder gar der Dorsalwand.). Die Mm. interossei lateralis und –medialis sind winzig und liegen dem jeweiligen Griffelbein an, um am Fesselringband mit einer langen grashalmstarken Sehne zu enden.

 

Tafel 2.4: Myologia membri thoracici

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Mittlere Tragestrukturen

Die mittleren Tragestrukturen sind die Ligg. sesamoidea collateralia und das Lig. palmare, die seitlich der Sesama bina resp. zwischen den Gleichbeinen verkehren. Das Lig. palmare ist ein verknorpeltes Gleitlager für die tiefe Beugesehne.

Distale Tragestrukturen

Distal von den Gleichbeinen ziehen (tief gelegene) Ligg. sesamoidea brevia et Ligg. sesamoidea cruciata proximal zum Fesselbein, die Ligg. sesamoidea obliqua etwa zur halben Länge des Fesselbeins und das lange unpaare Lig. sesamoideum rectum zur Kronbeinlehne. image (12) Die oberflächliche Beugesehne unterstützt den Fesselträger durch ihr sehniges Unterstützungsband (Lig. accessorium) vom Radius und die Insertion beider Schenkel der Manica flexoria am Kronbein und nebenbei am Fesselbein. image(13) Entsprechendes gilt für die tiefe Beugesehne, die ein sehniges Unterstützungsband (Lig. accessorium) vom Karpus erhält und nach Passage durch die Manica flexoria am Hufbein endet. image (14)

Krongelenk

Das Krongelenk wird bei der Hyperextension, die durch einen Scheiteldruck in Grenzen gehalten wird, durch einen „Krongelenkträger“ gehalten, zu dem die elastischen palmaren Gelenkbänder und das Lig. sesamoideum rectum gehören, das als einziger Anteil des Fesselträgers über das Krongelenk hinwegzieht und an der Phalanx media endet. Beide Beugesehnen unterstützen den „Krongelenkträger“.

Hufgelenk

Das Hufgelenk wird im Stand durch die in Hyperextensionsstellung des Fesselgelenks stark gespannten Unterstützungsbänder des M. interosseus med. zur gemeinsamen Strecksehne vor einer passiven Beugung bewahrt. Beim Abfußen wird auf das Hufgelenk ein erheblicher Kehldruck von der Hufrolle ausgeübt, zu der das Strahlbein mit proximalen und distalen Bändern, die Bursa podotrochlearis und die darüber hinwegziehende tiefe Beugesehne gehören (s. Kap. 2.2, Abbildungstafel, unten rechts). image (15)

 

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Abb. 2.4-1: Sehnen und Bänder im palmaren Bereich der distalen Gliedmaße (die rechteckigen Rahmen geben die Lokalisation der sonographischen Darstellungen in Abb. 13.3.2. an). (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin.)

 

image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____ Läsionen des Plexus brachialis können zum totalen Funktionsausfall von Sensorik und Motorik der Schultergliedmaße führen. Je nach Lokalisation der Nervenläsion unterscheidet man eine periphere Lähmung, bei der eine Schädigung außerhalb des Wirbelkanals vorliegt (z. B. bei Skapulafrakturen bzw. anderen Traumata oder durch raumfordernde Prozesse), und eine zentrale Lähmung, bei der die Schädigung innerhalb des Wirbelkanals erfolgt (z. B. infolge von Wirbelfrakturen oder raumfordernden Prozessen). Dabei kann sich eine Läsion in einem bestimmten Rückenmarkssegment funktionsbeeinträchtigend auf mehrere Plexusnerven auswirken. Andererseits kann sich eine periphere Schädigung eines Plexusnerven auf solche Rückenmarkssegmente auswirken, die Nervenfasern für diese Plexusnerven beisteuern.

(2)_____ Eine chirurgische Entfernung der perivaskulären Geflechte bewirkt in der Endstrombahn eine Gefäßerweiterung mit positivem Effekt auf die Durchblutung und wird von einigen Kliniken bei der Behandlung chronischer Erkrankungen wie der Podotrochlose (Hufrollenerkrankung, s. image (15)) zur erhofften Ausheilung angewandt.

(3)_____ Eine Schädigung der Nn. sub- und suprascapularis kann aufgrund des Funktionsverlustes der Schultermuskulatur (insbesondere der Mm. subscapularis sowie supra- und infraspinatus) zur Instabilität im Schultergelenk und somit zu Gangunregelmäßigkeiten führen. Der N.suprascapularis ist außerdem an seiner Umschlagstelle am Kranialrand des Collum scapulae leicht verletzbar, was zu einem temporären oder permanenten Funktionsverlust und daher zu einer Atrophie der Mm. supra- und infraspinatus führen kann (sog. Sweeny-Syndrom). Da diese beiden Muskeln die Funktion des lateralen Seitenbandes des Schultergelenkes übernehmen, sind bei einer Schädigung des N. suprascapularis typischerweise eine Stützbeinlahmheit und eine Auswärtsbewegung der Schulter während der Gewichtsbelastung der Gliedmaße (sog. Abblatten) zu beobachten. Neben der konservativen Therapie wird bei einem persistierenden Schaden auch eine chirurgische Dekompression des Nerven (durch partielle Osteotomie der Scapula unterhalb des Nerven bzw. Anhebung und Polsterung des Nerven an seiner Umschlagstelle) beschrieben [54].

(4)_____ Die Anästhesie des N. musculocutaneus, der neben den Nn.ulnaris und medianus für die Hautsensibilität der distalen Gliedmaße verantwortlich ist, wird bei den Leitungsanästhesien der Schultergliedmaße beschrieben (s. Kap. 2.6 image(41)).

(5)_____ Gelegentlich kommt es zu Läsionen des N. radialis, die zum Funktionsverlust der Extensoren der Schultergliedmaße führen können. Bei der distalen Radialislähmung ist nur die Streckmuskulatur des Karpus und der Zehe betroffen. Die Ursache ist häufig ein Trauma im Bereich der Umschlagstelle des N. radialis oberhalb der Humeruskondylen. Bei der proximalen (totalen) Radialislähmung ist zusätzlich der M. triceps brachii gelähmt. Die Folge ist eine typische Gliedmaßenhaltung mit hängendem Ellenbogen und gebeugten Karpal- und Zehengelenken (sog. Kusshandstellung). Verursacht werden kann die proximale Radialislähmung u. a. durch ein Trauma bzw. durch eine druckbedingte Schädigung des N. radialis aufgrund einer ungünstigen Lagerung während der Narkose. Daneben wird als Ursache für die beschriebene Symptomatik auch eine Ischämie der Muskulatur durch eine Kompression der Gefäße (insbesondere der A. axillaris) während der Narkose in Seitenlage diskutiert [55].

(6)_____ Die im Rahmen der Lahmheitsuntersuchung mögliche Anästhesie des N. medianus wird zusammen mit den übrigen Leitungsanästhesien der Schultergliedmaße beschrieben (s. Kap. 2.6 image (4k)).

 

 

(7)_____ Zur Anästhesie des N. ulnaris: s. Kap. 2.6 image (4i).

(8)_____ Die Schulter- und Beckenextremitäten des Pferdes sind weitgehend an die ausgeprägte Fähigkeit zum schnellen und ausdauernden Lauf angepasst. Im Vergleich mit einem Sohlengänger (Welpe) und einem Zehengänger (adulter Hund) ist beim Pferd die Winkelung in der Handwurzel verlorengegangen. Das Pferd ist ein Zehenspitzengänger und durch die Streckung des Skeletts zu einem besonders raumgreifenden Schritt befähigt. Auch der Verlust der ersten und fünften Zehe und die Reduktion der zweiten und vierten Zehe sowie die Ausbildung der überaus gut entwickelten dritten Zehe als alleinige Stützzehe sind als Anpassung an die Lauffähigkeit zu deuten. Die Schulterextremität wird bei normaler Haltung überwiegend belastet. Sie trägt etwa 55–60 % des Körpergewichts.

(9)_____ Die Sehne des M. biceps brachii verläuft im Bereich des Schultergelenkes kranial des Tuberculum intermedium und des Sulcus intertubercularis und ist an dieser Stelle von einem Schleimbeutel (Bursa intertubercularis resp. bicipitalis) unterlagert. Die Bursa ist gelegentlich zusammen mit der Sehne entzündet, was eine typische Schulterlahmheit bedingen kann. Bizepssehne, Schleimbeutel und die Oberfläche der Knochenunterlage können sonographisch gut dargestellt werden.

(10)_____ Bei Vollblutrennpferden und Fohlen tritt gelegentlich ein vollständiger Funktionsverlust des Fesselträgers auf, wobei fast ausschließlich die Vorderextremität betroffen ist. Aufgrund der fehlenden palmaren Unterstützung kommt es zu einer hochgradigen Hyperextension im Fesselgelenk, die zum Bodenkontakt des Fesselkopfes führen kann (Niederbruch). Als Hauptursache wird eine belastungsbedingte starke Überstreckung des Fesselgelenkes bei hoher Geschwindigkeit im Zusammenspiel mit einer Ermüdung der Mm. flexores digitales superficialis und profundus (deren Sehnen den Fesseltrageapparat unterstützen) angesehen. Betroffen sind daher vor allem Galopprennpferde beim intensiven Training oder im Rennen [56] sowie Fohlen, die ihrer Mutter auf der Weide eine lange Strecke in hoher Geschwindigkeit folgen [29]. Am häufigsten liegt dem Funktionsverlust des Fesselträgers eine Fraktur beider Gleichbeine zugrunde, aber auch eine Ruptur der distalen Gleichbeinbänder wird verhältnismäßig häufig beobachtet. Typisches röntgenologisches Zeichen dabei ist eine Verlagerung der Gleichbeine nach proximal. Eine Ruptur des M. interosseus medius ist dagegen relativ selten und tritt eher bei untrainierten Rennpferden in Erscheinung [57]. Röntgenologisch kann eine Verlagerung der Gleichbeine in distale Richtung beobachtet werden. Neben der konservativen Therapie (externe Unterstützung durch versteifte Verbände) sind in bestimmten Fällen auch verschiedene chirurgische Behandlungsmethoden wie die Entfernung bzw. interne Fixation der Frakturfragmente vom Gleichbein, die Arthrodese (chirurgische Versteifung) des Fesselgelenkes mittels geeigneter Osteosyntheseverfahren oder das Anbringen eines transfixation cast möglich (s. Kap. 2.1 image(14)).

 

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Abb. 2.4-3: Querschnitt in Höhe der proximalen Fesselbeuge mit sonographischer Darstellung des palmaren Bereiches (transversal, Linearschallkopf 7,5 MHz mit Vorlaufstrecke). Fb: Fesselbein, H: Haut, LSO: Lig. sesamoideum obliquum, LSR: Lig. sesamoideum rectum, OBS: oberflächliche Beugesehne, TBS: tiefe Beugesehne.

 

(11)_____ Der M. interosseus medius, der eine funktionell sehr wichtige Komponente des Fesselträgers darstellt, wird an der Schultergliedmaße von Ästen des N. medianus und des N. ulnaris versorgt [58]. Er entspringt proximopalmar am Mc III sowie mit einem kleineren Anteil auch am Lig. carpi radiatum (einem Anteil des Lig. carpi palmare prof., siehe auch Abb. 2.4–1/–2a). Distal teilt er sich in zwei rundliche Schenkel, die jeweils abaxial an der Apex des Gleichbeins ansetzen (Abb. 2.4–1/–2b) und an der belasteten Gliedmaße als verhältnismäßig feste Strukturen palpierbar sind.

Entzündliche Veränderungen im proximalen Anteil des M. interosseus medius (Fesselträgerursprung) sind bei Sportpferden (insbesondere bei Rennpferden, aber auch bei Dressur- und Springpferden) eine verhältnismäßig häufige Lahmheitsursache, wobei allerdings die Hintergliedmaßen etwas häufiger betroffen sind (s. Kap. 3.4 image(3)).

Im engl. Sprachgebrauch wird der M. interosseus medius als suspensory ligament und eine entzündliche Veränderung desselben als desmitis bezeichnet. Beide Begriffe sind jedoch irreführend, da es sich nicht um eine Bandstruktur, sondern um eine Sehne mit einem geringen zentralen Muskelanteil, handelt.

(12)_____ Auch die distalen Gleichbeinbänder (insbesondere die Ligg. sesamoidea obliqua, aber auch das Lig. sesamoideum rectum) haben eine klinische Bedeutung, da es insbesondere bei Sportpferden gelegentlich zu einer gering- bis mittelgradigen Lahmheit aufgrund einer Desmitis dieser Bänder kommt. Zur Diagnosesicherung ist die sonographische Untersuchung in der Fesselbeuge das Mittel der Wahl (Abb. 2.4–3).

(13)_____ Die Tendinitis der oberflächlichen Beugesehne stellt die häufigste Sehnenerkrankung bei Sportpferden dar, wobei der Sehnenschaden meist im mittleren bis distalen Drittel des Metakarpus lokalisiert ist. In diesem Bereich weist die oberflächliche Beugesehne im physiologischen Zustand einen sichelförmigen Querschnitt auf und ist an der aufgehobenen Gliedmaße palpatorisch gut von der im Querschnitt eher ovalen tiefen Beugesehne abzugrenzen (siehe auch Abb. 2.6–4). Bei entzündlich bedingten Sehnenveränderungen ist diese Abgrenzung häufig schwierig. Typisch für die akute Entzündung ist außerdem eine schmerzhafte warme Umfangsvermehrung der Sehne. Als Hauptursache für die Tendinitis der oberflächlichen Beugesehne wird eine Überbelastung der Sehne angesehen, die zur Ruptur von Sehnenfasern führt. Aufgrund der sehr beschränkten Anpassungsfähigkeit der Sehnen kommt es zur Akkumulation von belastungsbedingten Mikrotraumata und somit zur Degeneration von Sehnengewebe. Daneben können auch direkte Traumata sekundär eine Tendinitis auslösen. Die Heilung des Sehnenschadens erfolgt unter Bildung von Narbengewebe, wodurch die Elastizität der Sehne in diesem Bereich vermindert wird. Infolgedessen kommt es insbesondere bei Galopprennpferden, bei denen die oberflächliche Beugesehne einer hohen Belastung ausgesetzt ist, relativ häufig zu Rezidiven. Das Ausmaß des Sehnenschadens lässt sich am besten sonographisch beurteilen. Auch zur Kontrolle des Heilungsverlaufes ist die sonographische Untersuchung das Mittel der Wahl, problematisch ist allerdings die Darstellung von chronischem Narbengewebe. In diesem Fall ist insbesondere die MRI (magnetic resonance imaging; Kernspintomographie)* gut geeignet. Als Therapie werden verschiedene physikalische, medikamentelle und chirurgische Maßnahmen angewandt, wobei einem kontrollierten, an den Heilungsverlauf angepassten Bewegungsprogramm eine besondere Bedeutung zukommt. In den letzten Jahren kommen vermehrt auch sog. regenerative Therapieformen zum Einsatz (z. B. lokale Injektionen von körpereigenen Stammzellen bzw. von autologem Blutplasma bzw. -serum, das mit entzündungshemmenden Molekülen und Wachstumsfaktoren angereichert wurde).

 

 

Das Lig. accessorium der oberflächlichen Beugesehne, das ca. 7–14 cm proximal des Antebrachiokarpalgelenkes kaudomedial am Radius entspringt, kann insbesondere bei Sport- und Rennpferden gelegentlich spontane Verletzungen aufweisen. Die Veränderungen lassen sich i. d. R. gut sonographisch darstellen und treten häufig zusammen mit einer Tendinitis der oberflächlichen Beugesehne bzw. mit dem Karpalkanalsyndrom auf. Auch chirurgisch ist das Unterstützungsband von Bedeutung, da beispielsweise bei einer schweren Tendinitis der oberflächlichen Beugesehne oder bei bestimmten Formen des Sehnenstelzfußes therapeutisch eine Desmotomie (Durchtrennung) des Bandes im Bereich seines Ursprunges am Radius durchgeführt werden kann. Dies kann endoskopisch erfolgen, wobei der Zugang entweder von lateral über die Karpalbeugesehnenscheide [59] oder von medial über die Sehnenscheide des M. flexor carpi radialis [60] möglich ist. Alternativ ist auch ein direkter Zugang zum Unterstützungsband von medial in Höhe der Kastanie kranial der V. cephalica möglich [61].

(14)_____ Im Gegensatz zur oberflächlichen Beugesehne ist eine Tendinitis der tiefen Beugesehne im Bereich des Röhrbeins eher selten. Läsionen dieser Sehne sind häufiger im distalen Teil (d. h. in der Fesselbeuge bzw. im Bereich der Hufrolle) lokalisiert, wobei mehrheitlich eine primäre Sehnenerkrankung vorliegt. Sekundäre Sehnenschäden im Zusammenhang mit Strahlbeinveränderungen sind wesentlich seltener, weshalb es mitunter keine röntgenologischen Hinweise auf das Podotrochlose-Syndrom gibt. Da die Läsionen in diesem Bereich sehr häufig auch sonographisch nicht nachgewiesen werden können, ist eine zusätzliche MRI von großem diagnostischem Nutzen.

Das Lig. accessorium der tiefen Beugesehne entspringt palmar am Karpus aus dem Lig. carpi radiatum (einem Anteil des Lig. carpi palmare prof.) und geht im mittleren Drittel des Metakarpus in die tiefe Beugesehne über. Auch dieses Unterstützungsband, das an der Schultergliedmaße im proximalen Metakarpalbereich fast die gleiche Stärke besitzt wie die tiefe Beugesehne selbst (Abb. 2.4–4) ist klinisch relevant. Aufgrund einer Überbelastung kann es insbesondere bei Sportpferden zu Läsionen dieses Bandes kommen, die i. d. R. sonographisch gut darstellbar sind. Außerdem wird bei bestimmten Formen des Sehnenstelzfußes (siehe unten) eine Desmotomie des Unterstützungsbandes der tiefen Beugesehne im proximalen Drittel des Metakarpus durchgeführt. Dabei erfolgt der Zugang (zur Schonung der Hauptmittelfußarterie) meist von lateral, ist aber auch von medial möglich.

Durch Verkürzungen im Beugesehnenbereich kann es zu Bewegungseinschränkungen verschiedener Gelenke kommen, so dass die Gliedmaße nicht voll gestreckt werden kann (Stelzfuß, flexural limb deformities). Betroffen sind insbesondere neugeborene Fohlen oder Jungpferde, grundsätzlich können jedoch auch ältere Pferde einen Stelzfuß entwickeln. Beim angeborenen Stelzfuß des Fohlens liegt häufig ein Missverhältnis von Muskel-Sehnen-Länge zu Knochenlänge vor, gelegentlich sind jedoch auch Deformationen der gelenkbildenden Knochen verantwortlich. In der Regel können die Zehengelenke nicht gestreckt werden, mitunter sind jedoch auch die Karpalgelenke und eher selten die Tarsalgelenke betroffen. Beim erworbenen Stelzfuß des Fohlens, der sich meist in einem Alter von sechs Wochen bis acht Monaten entwickelt, kann insbesondere das Hufgelenk infolge einer Kontraktur der tiefen Beugesehne nicht gestreckt werden. Bei längerem Bestehen der Erkrankung bildet sich i. d. R. ein Bockhuf aus (Vorderwandwinkel beträgt bis zu 90° oder sogar mehr. Bei der selteneren Form mit Beteiligung des Karpalgelenkes sind vornehmlich Fohlen im Alter von ein bis sechs Monaten betroffen. Der erworbene Stelzfuß des Jungpferdes tritt i. d. R. in einem Alter von 9–24 Monaten in Erscheinung. Typisch ist eine unphysiologische Beugung im Fesselgelenk (sog. Überböten), wobei der dorsale Fesselgelenkwinkel 180° und mehr beträgt (physiologisch ist ein Winkel von etwa 140°). Die Erkrankung entsteht primär durch eine Verkürzung der oberflächlichen Beugesehne im Verhältnis zum Knochenskelett, die tiefe Beugesehne und der M. interosseus medius können jedoch sekundär mitbetroffen sein. Als Ursache werden insbesondere verschiedene schmerzhafte Zustände im Gliedmaßenbereich diskutiert. Die Therapie des Stelzfußes ist abhängig von der Lokalisation und dem Schweregrad der Erkrankung. In milden Fällen ist meist eine konservative Therapie erfolgreich, während bei schweren Fällen verschiedene chirurgische Therapiemaßnahmen gebräuchlich sind. Beim erworbenen Sehnenstelzfuß des Fohlens kann eine Desmotomie des Unterstützungsbandes der tiefen Beugesehne und/oder eine Tenotomie der tiefen Beugesehne im mittleren Metakarpalbereich nötig sein. Beim erworbenen Stelzfuß des Jungpferdes ist häufig eine Desmotomie des Unterstützungsbandes der tiefen und/oder oberflächlichen Beugesehne, mitunter auch eine Tenotomie der tiefen und/oder oberflächlichen Beugesehne indiziert. Eine Durchtrennung des M. interosseus medius wird nur in Ausnahmefällen durchgeführt. Bei neugeborenen Fohlen mit unphysiologischer Beugehaltung im Karpalgelenk ist als ultima ratio eine Tenotomie der Sehnen der Mm. flexor und extensor carpi ulnaris ca. 2 cm proximal vom Os carpi accessorium möglich [63, 64].

 

(15)___ Die Hufrolle (Podotrochlea) besteht aus der Sehnengleitfläche (Facies flexoria) des Strahlbeines, der Bursa podotrochlearis und dem darüberliegenden Teil der tiefen Beugesehne. Im weiteren Sinne gehören auch das gesamte Strahlbein inkl. Strahlbeinbänder sowie der palmare Anteil des Hufgelenkes dazu. Die Erkrankung der Hufrolle (Podotrochlose, Strahlbein-Syndrom, navicular disease) stellt eine der häufigsten Lahmheitsursachen bei Reitpferden dar. In der Regel sind beide Vordergliedmaßen betroffen, und die Pferde zeigen einen klammen, stolpernden Gang. Die Pathogenese ist vermutlich multifaktoriell, wobei als Hauptursache eine Minderdurchblutung (Ischämie) im distalen Bereich der Hufrolle sowie statisch-mechanische Überbelastungen diskutiert werden. Häufigstes radiologisches Zeichen sind Konturveränderungen am distalen Strahlbeinrand in Form der Canales sesamoidales (von Gefäßen und Nerven umgebene Aussackungen des Hufgelenkes). Dabei sind kolbig deformierte oder verzweigte Kanäle in jedem Fall als pathologisch zu werten, während schmale, unterschiedlich tiefe Canales sesamoidales auch bei klinisch unauffälligen Pferden zu beobachten sind. Die pathologische Erweiterung der Kanälchen entsteht vermutlich entweder durch einen erhöhten intraartikulären Druck im Zusammenhang mit einer Entzündung des Hufgelenkes oder durch einen erhöhten intraarteriellen Druck aufgrund von arteriosklerotischen Veränderungen der Gefäße in den Canales sesamoidales. Darüber hinaus sind auch Knorpel-und Knochendefekte an der Sehnengleitfläche des Strahlbeines, Entzündungen des Hufrollenschleimbeutels sowie Sehnenschäden am distalen Teil der tiefen Beugesehne möglich. Eine weitere Erscheinungsform ist die Insertionsdesmopathie der verschiedenen Strahlbeinbänder. Als Ursache wird eine Überbelastung des Bandapparates angesehen, die zu reaktiven Knochenzubildungen führt. Die Folge ist eine Deformierung der Strahlbeinkontur in Form von spitzzackigen Ausziehungen an den Seitenenden oder Zubildungen am proximalen bzw. distalen Strahlbeinrand. Mitunter treten auch Chipfrakturen dieser Knochenzubildungen auf.

 

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Abb. 2.4-6: (a) Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie): distale Gliedmaße im paramedianen Längsschnitt, (b) Computertomographie: Querschnitt in Höhe des Strahlbeines.
EDC: Sehne des M. ext. dig. com., Hb: Hufbeinast, LSO: Lig. sesamoideum obliquum, LSR: Lig. sesamoideum rectum, OBS: oberflächliche Beugesehne, TBS: tiefe Beugesehne. (Aufnahme: Prof. Dr. W. Henninger, Universitätsklinik für Radiologie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

Die Veränderungen am Strahlbein lassen sich i. d. R. gut röntgenologisch darstellen, wobei der sog. Oxspring-Aufnahme eine besondere Bedeutung zukommt. Bei dieser Aufnahmetechnik wird das Strahlbein durch Beugung des Hufgelenkes bei dorso-palmarem Strahlengang auf das Kronbein projiziert (Abb. 2.4–5a). Eine Beurteilung der Sehnengleitfläche sowie der Knochenstruktur des Strahlbeines kann anhand von seitlichen (latero-medialen, Abb. 2.4–5c) bzw. tangentialen (palmaroproximal-palmarodistalen, Abb. 2.4–5b) Röntgenaufnahmen erfolgen. Um zusätzliche Informationen über die Sehnengleitfläche des Strahlbeines sowie die darüber hinwegziehende tiefe Beugesehne zu erhalten, kann über dem palmaren Strahlbereich (nach einer Hufkorrektur) eine sonographische Untersuchung versucht werden. Ein weiteres Diagnosehilfsmittel ist die Szintigraphie der Strahlbeinregion, die allerdings auch bei klinisch gesunden Pferden positiv ausfallen kann. Gute Darstellungsmöglichkeiten des Strahlbeines bzw. der umgebenden Weichteilgewebe sind auch beim CT bzw. MRI gegeben (Abb. 2.4–6). Zu den konservativen Therapiemöglichkeiten gehören ein orthopädischer Hufbeschlag einschließlich Hufkorrektur, eine systemische und lokale Medikamentation sowie ein adäquates Bewegungsregime. Auch die Anwendung der Stoßwellenbehandlung (extracorporeal shock wave therapy) kann versucht werden. Darüber hinaus sind auch verschiedene chirurgische Maßnahmen möglich. So wird zur Förderung der Zehendurchblutung eine perivaskuläre Sympathektomie (Durchtrennung von sympathischen Nervenfasern) im Bereich der A./V. digitalis palmaris medialis bzw. lateralis in Kombination mit einer Fasziotomie vorgeschlagen [65]. Als weitere Möglichkeit wird die Desmotomie der Fesselbein-Strahlbein-Bänder beschrieben [66]. Bei positivem Ausfall der TPA 2 kann als ultima ratio auch eine Neurektomie der Nn. digitales palmares medialis und lateralis in der Fesselbeuge durchgeführt werden.

2.5 Hautinnervation, Blutgefäße und Lymphsystem der Schultergliedmaße

2.5.1 Hautinnervation

Die Haut der Schultergliedmaße wird proximolateral im Bereich des Schulterblattknorpels von Rami dorsales der Thorakalnerven versorgt. Den kleinen Kranialbereich des Schulterblattes innerviert der N. supraclavicularis (nC 6v) und den größeren Kaudalbereich der N. intercostobrachialis (vl-Äste von T2 und T3 —1), der auch motorische Anteile für den M. cutaneus omobrachialis enthält. Den Kranialbereich des Ober-und Unterarms erreicht der N. cutaneus antebrachii cranialis n. axillaris (24), den Lateralbereich der N. cutaneus antebrachii lateralis n. radialis (27), den Kaudalbereich der N. cutaneus antebrachii caudalis n. ulnaris (9) image (1) und den Medialbereich der N. cutaneus antebrachii medialis n. musculocutanei (29). Die Hand wird proximal des Fesselbeinkopfes dorsomedial vom N. cutaneus antebrachii medialis n. musculocutanei (29), dorsolateral vom R. dorsalis n. ulnaris (14) und palmar von den Nn. digitalis palmaris communis II (16) und —III (15) versorgt. Distal des Fesselbeinkopfes innerviert der N. digitalis palmaris medialis (17) als Fortsetzung des N. digitalis palmaris communis II (16, vom N. medianus) die Medialfläche, und auf der Lateralfläche befinden sich die überschneidenden Innervationsfelder des N. digitalis palmaris lateralis (vom N. medianus und N. ulnaris) und des R. dorsalis n. ulnaris (14) (Doppelinnervation durch Äste der Nn. medianus und ulnaris, s. Tafel 2.3, Tafel 2.6).

2.5.2 Blutgefäße

Die A. subclavia (19) entlässt als letztes Gefäß vor ihrem Übergang in die A. axillaris (20) die A. cervicalis superficialis mit abzweigendem R. deltoideus, der in der seitlichen Brustfurche die V. cephalica (23) begleitet, die wie beim Hund aus der V. jugularis externa entspringt, aber keine Anastomose (V. axillobrachialis) zur V. circumflexa humeri caudalis aufweist. Die A. und V. axillaris entsenden direkt oder indirekt die A. und V. thoracica externa (21) zu den Brustmuskeln, die A. und V. suprascapularis (18) zur lateralen Schulterblattmuskulatur, die A. und V. subscapularis (2) zum Kaudalrand des gleichnamigen Muskels, die A. und V. thoracodorsalis (4) zum M. latissimus dorsi und ursprungsnah die A. und V. circumflexa humeri caudalis (3), die mit der A. und V. circumflexa humeri cranialis anastomosieren, den letzten Gefäßen der A. und V. axillaris vor deren Übergang in die A. und V. brachialis. (Die Aa. thoracodorsalis und circumflexa humeri caudalis entspringen nur indirekt aus der A. axillaris und direkt aus der A. subscapularis). Die A. circumflexa humeri cranialis (22) zieht in Begleitung des proximalen Muskelastes des N. musculocutaneus unter dem M. coracobrachialis und die gleichnamige, oft doppelte Vene teils über und teils unter diesem Muskel zum Hilusgebiet des M. biceps brachii. Eine V. thoracica lateralis fehlt. Ihr funktionell entsprechendes Gefäß ist die V. thoracica superficialis (5). Sie entspringt aus dem Anfangsabschnitt der V. thoracodorsalis und geht in die V. epigastrica cranialis superficialis (V. subcutanea abdominis = Sporader) über, die sich in die V. epigastrica caudalis superficialis zur Regio inguinalis und zum Euter resp. Präputium fortsetzt.

Die A. und V. brachialis (7) entlassen in der Oberarmmitte die A. und V. profunda brachii (6) zum M. triceps brachii und im distalen Oberarmdrittel kranial die A.und V. bicipitalis (25) zum M. biceps brachii und, diesen Muskel unterquerend, die A. und V. transversa cubiti (26) sowie nach kaudal die A. und V. collateralis ulnaris (8) zur Begleitung des N. ulnaris und als letztes Gefäß die A. interossea communis. Die A. und V. interossea communis (28) setzen sich meistens direkt in die A. und V. interossea cranialis fort, da die A. und V. ulnaris stets, und die A. und V. interossea caudalis oft fehlen.

Die V. brachialis entlässt in Ellenbogenhöhe die oft doppelte V. mediana cubiti (10) – eine Anastomose zur V. cephalica. Die V. cephalica (23) zieht nach Verlassen der seitlichen Brustfurche medial am Unterarm distal. Sie entlässt bereits in der Ellenbogenbeuge die kranioparallel ziehende V. cephalica accessoria (30), die noch proximal am Karpus versiegt.

In Fortsetzung der A. und V. brachialis ziehen die A. und die oft doppelte V. mediana (11) medial am Radius entlang. Sie entlassen die mehrfach ausgebildeten A. und V. profunda antebrachii (12) zur kaudomedialen Unterarmmuskulatur und proximal am Karpus die A. radialis proximalis und die A. und V. radialis (31). Die V. radialis nimmt die V. cephalica auf und zieht subfaszial als V. digitalis palmaris communis II (16) mediopalmar über den Karpus zur Mittelhand. Der beim Pferd fortlaufende R. palmaris (13) der V. mediana nimmt die V. collateralis ulnaris auf und zieht als V. digitalis palmaris communis III (15) lateropalmar über den Karpus zur Mittelhand.

Die A. mediana zieht nach Abgabe des R. palmaris durch den Karpalkanal, vereinigt sich danach wieder mit einem Ast der A. radialis und geht in die A. digitalis palmaris communis II (16), die größte Arterie der Hand, über.

Die A. digitalis palmaris communis III (15) geht aus dem R. palmaris der A. mediana hervor, nachdem er proximal des Karpus die A. collateralis ulnaris aufnimmt.

Die tiefen Arterien und Venen (Aa. und Vv. metacarpeae palmares II und —III) gehen aus dem arteriellen und venösen Arcus palmaris profundus hervor, der von den Aa. und Vv. mediana und radialis gespeist wird.

2.5.3 Lymphsystem

Aus dem Kapillarquellgebiet des Hufes gehen oberhalb des Saumsegmentes lateral und medial in dorsopalmar gleichmäßigen Abständen spiegelbildlich ähnlich ausgerichtete Lymphtransportgefäße hervor. Die Lymphgefäße fließen beiderseits konvergierend zu einem bis drei Lymphgefäßen zusammen. Die Lymphgefäße der Lateralseite wechseln überwiegend in Höhe des Distalendes des Griffelbeines zur Medialseite über, indem sie die Ventromediane entweder tief zwischen M. interosseus medius und tiefer Beugesehne oder oberflächlich (subkutan) passieren. Auf der Medialseite begleiten die Lymphgefäße im Röhrbeinbereich die V., A. und N. digitalis palmaris communis II und ziehen überwiegend durch den Karpalkanal zur Medialseite des Unterarms und schließlich zu den Lnn. cubitales (s. 39.C), die proximomedial am Ellenbogengelenk liegen. Der Lymphabfluss erfolgt von hier zu den Lnn. axillares proprii (s. 39.B), die der Endsehne des M. teres major aufliegen. (Lnn. axillares accessorii fehlen dem Pferd.) Von den Lnn. axillares proprii fließt die Lymphe über Lnn. cervicales profundi caudales zum Venenwinkel. Besonders Proximolateralteile der Schultergliedmaße sind nicht den Lnn. axillares proprii, sondern den Buglymphknoten (Lnn. cervicales superficiales, s. 39.A) tributär. image(2, 3)

 

Tafel 2.5: Arteriae, Venae et Nervi membri thoracici

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image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Direk Berens von Rautenfeld, Dora Bernigau, Sven Reese

(1)_____ Die ersten Untersuchungen zu Dermatomen beim Tier wurden ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchgeführt. Als Dermatom wird ein Hautareal bezeichnet, das von einem Spinalnerven sensibel versorgt wird (Abb. 2.5–1). Die einzelnen Dermatome überlappen sich dabei gegenseitig, besonders stark zeigt sich dies am Rumpf (Abb. 2.5–2). Durch diese Überlappung sind die Dermatome klinisch eher von untergeordneter Bedeutung, da bei Ausfall eines einzelnen Spinalnerven kein Hautareal völlig anästhetisch wird und somit einer Diagnose nicht zugänglich ist. Im Gegensatz dazu sind Head’sche Zonen sehr gut klinisch nutzbar. Der Begriff der Head’schen Zone beschreibt ein viszerokutanes Phänomen (Head 1893)*. Dieses beruht auf der Grundlage, dass viszerale (vegetative) Afferenzen in dasselbe Rückenmarkssegment projizieren wie kutane (sensible) Afferenzen eines bestimmten Hautareals. Bei einer Erkrankung eines inneren Organs werden nun die eintreffenden Afferenzen dieses Organs auf Rückenmarksebene fehlinterpretiert und in die Peripherie projiziert. So reagieren die entsprechenden Hautareale mit einer Hypersensibilität meist noch bevor das betreffende Organ zugeordnet werden kann. Der im englischen Sprachgebrauch verwendete Begriff des referred pain (übertragener Schmerz) beschreibt dieselbe Symptomatik und wird mittlerweile auch im Deutschen zunehmend an Stelle des Begriffs der Head’schen Zone eingesetzt.

Im Gegensatz zu den Dermatomen überlappen sich die Head’schen Zonen nicht. Innerhalb der kutanen Hyperalgesie-Zonen nach Head existiert stets ein Maximalpunkt, an dem der Patient einen erhöhten und manchmal innerhalb der Head’schen Zone auch einzigen Schmerz wahrnimmt. Da gerade diese Maximalpunkte vom Untersucher sehr gut aufgefunden werden können, werden sie bei einer Vielzahl von zur Schulmedizin komplementären Methoden therapeutisch genutzt. Als Beispiele seien die Akupunktur, Akupressur oder das Quaddeln, also das Setzen intradermaler Flüssigkeitsdepots, genannt. Beim Pferd werden hyperalgetische Areale bevorzugt im gesamten Rückenbereich häufig erfolgreich durch eine der beschriebenen Methoden therapiert.

(2)_____ Zur Diagnosestellung einer Radialislähmung wird beim Kleintier u. a. der Verlust der Hautsensibilität in den entsprechenden Innervationsfeldern des N. radialis herangezogen. Dies funktioniert beim Pferd nicht. Der N. radialis innerviert über den N. cutaneus antebrachii lateralis zwar ein erhebliches Hautareal am Unterarm, das proximal bis in die Schultergegend zieht. Hier kommt es aber durch die Doppelinnervation über die Hautäste des N. medianus, des N. intercostobrachialis und z. T. auch des N. ulnaris kaum zu einem Sensibiltätsverlust (Abb. 2.5–1). Für Hund und Katze typisch ist auch ein kompletter Sensibiltätsverlust dorsal an der Pfote nach Schädigung des N. radialis. Beim Pferd wird die Zehe dagegen dorsal vom N. medianus sensibel innerviert, da das Innervationsgebiet des N. radialis beim Pferd distal nur bis zum Karpalgelenk zieht. Kommt es beim Pferd in Folge einer Radialislähmung zum Überköten mit Fußung auf dem Zehenrücken und damit verbunden zu Hautverletzungen, so sind diese für das Pferd schmerzhaft.

(3)_____ Das Blut- und Lymphsystem der Sehne ist im Rahmen physiotherapeutischer Anwendungen bei Sehnenerkrankungen von Bedeutung. Sehnen weisen zwar im Vergleich zu anderen Organen wenige Blutgefäße, jedoch einen dichten Besatz von Lymphgefäßen auf. Im Bereich der Primärbündel fehlen Blutgefäße sogar gänzlich, nicht dagegen Lymphgefäße. An der Oberfläche eines Sehnenabschnittes (Abb. 2.5–3/–4) sind vier bis fünf Kollektoren (Lymphsammelgefäße), eine Arterie und zwei Venen vorhanden. Grundsätzlich besitzt jedes Pferd jedoch eine unterschiedliche Anzahl von Lymphgefäßen (man unterscheidet den „lymphgefäßreichen Typ“ vom „lymphgefäßarmen Typ“) sowohl in der Sehne, als auch in der Haut. So entwickeln lymphgefäßarme Pferde eher angelaufene Beine oder chronische Lymphödeme (Elefantenbeine) als Pferde vom lymphgefäßreichen Typ. Ob dies auch für die Bereitschaft von Sehnenerkrankungen zutrifft, ist statistisch noch nicht nachgewiesen worden.

 

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Abb. 2.5-1: Nervi cutanei membri thoracici.

 

Die positive Wirkung der Manuellen Lymphdrainage (MLD) bei Tendopathien ist quantitativ lymphangiographisch statistisch evaluiert worden. Die MLD bewirkt eine Beschleunigung der Entleerung efferenter Sehnenkollektoren außerhalb der Sehne um den Faktor 1,7 im Vergleich zu nicht mit MLD behandelten Sehnen in der kontralateralen Extremität. Besonders im akuten Stadium der Sehnenerkrankung bewirkt die MLD die Bewältigung des interstitiellen Wundödems, wodurch der Gefährdung der Zellen innerhalb der Sehne durch eine Gewebedrucksteigerung (Kompartmentsyndrom) entgegen gewirkt wird.

Die hohe Lymphbildungsrate bei nicht erkrankten Sehnen wird als lymphvaskuläre Sehnenpumpe für die Lymphdynamik der efferenten, außerhalb der Sehne gelegenen Kollektoren gedeutet, weil deren wandständige glatte Muskelzellen zur Kontraktion angeregt werden.

(4)_____ Umfangsvermehrungen in Form von Ödemen der Haut treten beim Pferd häufig nach Verletzungen (posttraumatisch), nach Operationen (postoperativ, z. B. nach Laparotomien), nach Verlegungen von Blutund Lymphgefäßen (in Folge einer bösartigen Tumorerkrankung, z. B. beim Lymphosarkom), nach einer Rechtsherzinsuffizienz oder Venenthrombose als venöses Stauungsödem und aufgrund einer erhöhten Durchlässigkeit von Blutkapillaren z. B. beim Morbus maculosus (allergische Reaktion auf ein Bakterientoxin) auf, um nur einige Ursachen der Entstehung von Ödemen zu nennen. Grundsätzlich sind „eiweißarme“ (z. B. venöses Stauungsödem) und „eiweißreiche“ (Lymphödeme) zu unterscheiden. Während sich venöse Stauungsödeme sowohl am Rumpf als auch im Bereich der Extremitäten entwickeln können, treten Lymphödeme besonders häufig im Bereich der Extremitäten auf.

 

 

 

 

Lymphödeme entwickeln sich i. d. R. verletzungsbedingt und besonders bei Pferden, bei denen zu wenige Lymphgefäße (Lymphgefäßhypoplasie) angelegt sind. Dazu gehören die „angelaufenen Beine“ (subakutes Stadium des Lymphödems), der „Einschuss“ bzw. die akute Phlegmone (akutes Stadium des Lymphödems) und das „Elefantenbein“ (chronisches Stadium des Lymphödems) (Abb. 2.5–5). Sowohl eiweißarme als auch eiweißreiche Ödeme können mit Manueller Lymphdrainage behandelt werden, sofern keine bakterielle Allgemeininfektion, die Gefahr der Absiedlung von Tumorzellen oder Gefäßgerinnsel (Embolus bei Thrombose) besteht.

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Abb. 2.5-5: Chronische Form der Elephantiasis an der linken Hintergliedmaße einer Friesenstute. Das letzte Fohlen dieser Stute entwickelte nach einer Phlegmone ebenfalls eine Elephantiasis.

 

2.6 Leitungsstrukturen und Faszienverhältnisse an der Hand

2.6.1 Blutgefäß- und Nervenversorgung der Hand

Die V., A. und N. digitalis palmaris communis II (2) liegen am Karpus image (1) in dieser Reihenfolge (VAN-Regel) dorsopalmar nebeneinander, wobei die Vene außerhalb und die Arterie samt Nerv innerhalb des Karpalkanals (oberflächlich resp. tief im Retinaculum flexorum) zur Mittelhand ziehen, wo sie bei gleicher Reihenfolge zwischen den Beugesehnen und dem M. interosseus medius (III) liegen. (Dorsale gemeinsame Zehennerven, -arterien und -venen existieren nicht.)

Am Fesselkopf gehen die Leitungsstrukturen in die V., A. und N. digitalis palmaris medialis (7) image (2, 3) über. Diese Gefäße und der Nerv geben mehrere Rami dorsales (9) und etwa in Krongelenkhöhe einen R. tori (pulvinus —10) ab (Textabb. 2.6–1). Die V., A. und N. digitalis palmaris communis III (3) ziehen allesamt lateral durch den Karpalkanal. Die Leitungsstrukturen sind wesentlich schwächer als medial, was besonders für die Arterie gilt. Die Vene und der Nerv liegen oberflächlich dorsopalmar nebeneinander, während die Arterie diesen tief anliegt. Das gilt auch für die Distalfortsetzungen (V., A. und N. digitalis palmaris lateralis —8). Sonst bestehen keine prinzipiellen Abweichungen zu den medialen gleichnamigen Leitungsstrukturen. Bedeutsam für die Leitungsanästhesie image (4) ist ein nervöser R. communicans (4) zwischen den Nn. digitalis palmaris communis II und —III.

Der N. ulnaris entlässt wenig proximolateral des Karpus den R. dorsalis (N. dorsalis manus —1) zur Dorsolateralfläche der Hand. Der R. palmaris fließt mit oberflächlichen Anteilen dem N. digitalis palmaris communis III zu, und seine tiefen Anteile innervieren den M. interosseus medius und gehen in die tiefgelegenen Nn. metacarpeus palmaris II (medialis —5) und —III (lateralis —6) über, die beiderseits zwischen Röhrbein und M. interosseus medius liegen und von gleichnamigen Arterien begleitet werden. Sie erreichen am Distalende des Griffelbeines die Haut.

 

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Textabb. 2.6-1: Arteriae et venae manus.

 

2.6.2 Fascia manus

Die Fascia manus ist dorsal nur schwach ausgebildet, mit Ausnahme ihrer Verstärkung dorsal am Karpus, die als Retinaculum extensorum (s. 41.f) einen Führungstunnel für die Strecksehnen bildet. Palmar am Karpus überspannt eine weitere Faszienverstärkung, das Retinaculum flexorum (s. 41.e), den Karpalkanal image (5) vom medialen Knöchel zum Os carpi accessorium. Zwischen Fessel- und Hufgelenk ist die dreiteilige Zehenbinde ausgebildet. Ihr Fesselringband (Lig. anulare palmare —A) ist die Faszienverstärkung am Fesselkopf. image (6) Distal steht sie mit der vierzipfeligen Fesselplatte (Pars cruciformis fasciae manus —B,) in Verbindung, die teilweise mit der fibrösen Wand der gemeinsamen Fesselbeugesehnenscheiden verschmilzt. Die proximalen Zipfel der X-förmigen Fesselplatte befestigen sich proximal am Fesselbein, und die distalen Zipfel verschmelzen mit beiden Endschenkeln der oberflächlichen Beugesehne, die an der Kronbeinlehne enden. Sie stehen mit dem dritten Anteil der Zehenbinde, der Sohlenbinde (Lig. anulare digiti —C), in Verbindung, die zwischen tiefer Beugesehne und Hufknorpel bis zum Hufbein zieht. Der seitliche Anteil wird von der „Sehne“ des Sporn (Tendo calcis) überlagert.

Neun Blindsäcke der gemeinsamen digitalen Beugesehnenscheiden I–IX (Fesselbeugesehnenscheiden) ragen zwischen den Anteilen der Zehenbinde aus der Tiefe hervor: Vier proximale Blindsäcke liegen proximal vom Fesselringband beiderseits der oberflächlichen Beugesehne (I + II) und beiderseits des M. interosseus medius (III + IV). Zwei obere Seitenblindsäcke liegen beiderseits zwischen Fesselringband und den proximalen Zipfeln (V + VI), und zwei untere Seitenblindsäcke (VII + VIII) befinden sich zwischen den proximalen und distalen Zipfeln der vierzipfeligen Fesselplatte, der IX. unpaare Blindsack liegt zwischen den distalen Zipfeln der vierzipfeligen Fesselplatte und der Sohlenbinde.

 

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Textabb. 2.6-2: Fascia manus mit den neun Blindsäcken der gemeinsamen Fesselbeugesehnenscheide (I–IX: Blindsäcke).

 

Tafel 2.6: Arteriae, Venae et Nervi manus

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image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____ Die A. digitalis palmaris communis II ist die Hauptmittelfußarterie der Schultergliedmaße. Sie kann proximomedial am Röhrbein neben der tiefen Beugesehne bzw. deren Unterstützungsband palpiert werden. Bei entzündlichen Prozessen in der distalen Gliedmaße (z. B. bei Hufrehe oder einem Hufabszess) ist an dieser Stelle eine verstärkte Pulsation der Arterie zu spüren. Eine Kontrolle der Pulsation ist außerdem an den Aa. digitalis palmaris medialis und lateralis in Höhe des Fesselkopfes möglich.

(2)_____ Die V. digitalis palmaris lateralis bzw. medialis kann bei Infektionen in der distalen Gliedmaße zur intravenösen Stauungsantibiose genutzt werden. Dabei wird die distale Gliedmaße temporär durch eine Staubinde vom systemischen Blutkreislauf isoliert und das Antibiotikum in die gestaute Vene verabreicht. Infolgedessen kann eine hohe therapeutische Wirkstoffkonzentration in der distalen Gliedmaße bei gleichzeitiger Minimierung des Risikos von systemischen Nebenwirkungen erreicht werden.

(3)_____ Bei chronisch degenerativen Erkrankungen im Bereich der palmaren Hälfte des Hufes (z. B. bei persistierender Lahmheit aufgrund von Podotrochlose oder nach Hufbein- bzw. Strahlbeinfrakturen) kann als Ultima ratio eine Neurektomie der Nn. digitales palmares medialis und lateralis im Bereich der Fesselbeuge durchgeführt werden.

(4)_____ Leitungsanästhesien an der Schultergliedmaße. Die im Rahmen der Lahmheitsuntersuchung durchgeführten diagnostischen Leitungsanästhesien bedingen eine gezielte Nervenblockade, wodurch genau definierte Bereiche einer Gliedmaße desensibilisiert werden. Dabei wird gewöhnlich ein 2%iges Lokalanästhetikum in die Nähe eines bestimmten Nerven injiziert, wobei i. d. R. distal begonnen und schrittweise bis zur Lokalisation der Lahmheit nach proximal fortgefahren wird. Um Rückschlüsse auf die Lahmheitsursache ziehen zu können, sind Kenntnisse über das Versorgungsgebiet der desensibilisierten Nerven unerlässlich. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit der Leitungsanästhesien besteht in der lokalen Schmerzausschaltung zur Vorbereitung bzw. Ermöglichung bestimmter chirurgischer Eingriffe (z. B. Wundversorgung an der distalen Gliedmaße). Kontraindiziert sind Leitungsanästhesien bei Fissur- oder Frakturverdacht sowie bei subtotalem Sehnenriss, da die Schmerzausschaltung zu einer Belastung der betroffenen Gliedmaße und damit zu einer Verschlechterung des Zustandes führen könnte.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Anästhesiestellen beschrieben werden, wobei wie bei einer Lahmheitsuntersuchung von distal nach proximal vorgegangen wird (siehe auch Abb. 2.6–1/–2).

a) Zur Anästhesie der Rr. tori des N. digitalis palmaris medialis resp. lateralis (R. pulvinus-Anästhesie, tiefe distale Palmarnervenanästhesie, TPA 1) wird am aufgehobenen Fuß jederseits axial der Hufknorpel parallel zur tiefen Beugesehne 3–4 cm tief in Richtung Hufsohle eingestochen und 2 ml des Lokalanästhetikums injiziert. Dabei werden außerdem die anderen Endäste des N. digitalis palmaris medialis bzw. lateralis anästhesiert, so dass neben dem Ballen auch die Hufrolle (Strahlbein inkl. Strahlbeinbänder, distaler Teil der tiefen Beugesehne und Bursa podotrochlearis), die palmaren und seitlichen Anteile des Hufgelenkes, der palmare Anteil des Hufbeines und der Hufknorpel sowie die Sohlen-, Strahl- und Teile der Wandlederhaut desensibilisiert werden. Eine Komplikationsmöglichkeit dieser nicht sehr gebräuchlichen Anästhesie besteht in der unbeabsichtigten Punktion des Hufgelenkes oder der Bursa podotrochlearis [51].

b) Eine Alternative besteht in der Anästhesie des N. digitalis palmaris medialis resp. lateralis (TPA 2, palmar digital block), der in der Fesselbeuge zusammen mit den gleichnamigen Gefäßen (von dorsal nach palmar liegen Vene, Arterie und Nerv hintereinander) am Rand der tiefen bzw. der abaxial davon gelegenen Ansatzschenkel der oberflächlichen Beugesehne palpiert werden kann (Abb. 2.6–2_Q 6). Grundsätzlich kann der N. digitalis palmaris in seiner gesamten Ausdehnung zwischen Hufknorpel und distalem Gleichbeinrand anästhesiert werden, indem direkt palmar des Gefäßnervenbündels ein subkutanes Depot von 1–2 ml Anästhetikum injiziert wird. Eine möglichst weit distal in der Fesselbeuge durchgeführte Anästhesie hat jedoch den Vorteil, dass sie eine geringe Gefahr der Mitanästhesie der Rr. dorsales in sich birgt und somit spezifischer ist. Desensibilisiert werden die gleichen Strukturen wie bei der TPA 1, also 70–80 % des Hufes einschließlich des palmaren und seitlichen Anteils des Hufgelenkes sowie der gesamten Sohle [32]. Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass sogar das gesamten Hufgelenk desensibilisiert wird [67]. Bei der Anästhesie im proximalen Drittel der Fesselbeuge werden zusätzlich auch der palmare Anteil des Krongelenkes, der distale Anteil der Beugesehnen inkl. Fesselbeugesehnenscheide sowie des Lig. sesamoideum rectum und der Ligg. sesamoidea obliqua erfasst [32, 51].

c) Zusätzlich zur TPA 2 können die Rr. dorsales des N. digitalis palmaris medialis resp. lateralis anästhesiert werden, wobei in der Mitte der Fessel ausgehend vom Gefäßnervenbündel in dorsaler Richtung eingestochen wird und subkutan 2–4 ml des Lokalanästhetikums injiziert werden. Dadurch wird auch der restliche dorsale Teil des Hufes (inkl. dorsaler Anteil des Hufgelenkes) desensibilisiert. Eine Schmerzausschaltung des dorsalen Krongelenkes bleibt fraglich [32, 68].

d) Zur Anästhesie der Nn. digitales palmares medialis und lateralis in Höhe der Gleichbeinbasis (abaxial sesamoid block) wird das Gefäßnervenbündel (bestehend aus V., A. und N. dig. palm. med. bzw. lat.) über der abaxialen Oberfläche des entsprechenden Gleichbeines palpiert und direkt palmar davon ein subkutanes Depot von 2–3 ml Anästhetikum injiziert. Desensibilisiert wird die distale Zehe einschließlich Huf- und Krongelenk sowie der palmare Anteil des Fesselgelenkes. Fehlinterpretationen sind möglich, wenn es durch Diffusion des Anästhetikums nach proximal zur Schmerzausschaltung im Bereich des gesamten Fesselgelenkes und der Gleichbeine kommt [51, 69].

e) Proximal vom Fesselgelenk geht aus dem N. palmaris medialis bzw. lateralis* der N. sesamoideus medialis bzw. lateralis hervor. Zur Anästhesie desselben wird die Kanüle zwischen die Insertion des M. interosseus medius und dem dorsalen, abaxialen Gleichbeinrand in Richtung Gleichbeinapex eingestochen und ein Depot von 0,5 ml Lokalanästhetikum injiziert. Desensibilisiert werden die Gleichbeine sowie der distale Teil des M. interosseus medius [70].

f) Der N. palmaris medialis bzw. lateralis kann in Höhe der distalen Griffelbeinenden direkt proximal der Fesselbeugesehnenscheide anästhesiert werden (mittlere Palmarnervenanästhesie [MPA], low palmar block), indem die Kanüle zwischen tiefer Beugesehne und M. interosseus medius eingestochen und subkutan 1,5–5 ml Anästhetikum injiziert werden. Eine Anästhesie der Nn. palmares medialis et lateralis in Kombination mit einer Desensibilisierung der Nn. metacarpei palmares medialis et lateralis wird als tiefe Vierpunktanästhesie (low four-point block, Abb. 2.6–2_Q 5) bezeichnet. Zur Anästhesie der palmaren Metakarpalnerven (die parallel und axial der Griffelbeine verlaufen) wird die Kanüle direkt distal des Griffelbeinknöpfchens senkrecht durch die Haut ca. 1–2 cm tief eingestochen, und 1–3 ml Anästhetikum injiziert, wobei eine Punktion der palmaren Fesselgelenkaussackung zu vermeiden ist. Durch die tiefe Vierpunktanästhesie werden das gesamte Fesselgelenk einschließlich der Gleichbeine sowie alle distal davon gelegenen Strukturen desensibilisiert. Die Hautsensibilität bleibt dorsal am Fesselgelenk allerdings durch Hautäste der Nn. ulnaris und musculocutaneus erhalten [32, 51, 69].

 

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Abb 2.6-1: Für die Lahmheitsdiagnostik relevante Nerven an der Schultergliedmaße und ihre gebräuchlichsten Anästhesiestellen. Q1–Q6 geben die Lokalisationen der in Abb. 2.6–2 dargestellten Querschnitte an. Im rechten Teil der Abb. sind der N. ulnaris mit seinen Ästen gelb und der N. medianus einschl. seiner distalen Fortsetzung dunkelgrün dargestellt. Die hellgrün eingezeichneten Nerven vermitteln eine Doppelinnervation vom N. ulnaris und N. medianus (nach Muylle et al., 1998 [58]). HPA: hohe Palmarnervenanästhesie, MPA: mittlere Palmarnervenanästhesie, TPA 1 u. 2: tiefe (distale und proximale) Palmarnervenanästhesie.

 

g) Im proximalen Drittel des Röhrbeins können die subfaszial am dorsalen Rand der tiefen Beugesehne verlaufenden Nn. palmares medialis und lateralis entweder einzeln (hohe Palmarnervenanästhesie [HPA], high palmar block) oder zusammen mit den parallel und axial an den Griffelbeinen gelegenen Nn. metacarpei palmares medialis und lateralis (hohe Vierpunktanästhesie, high four-point block, Abb. 2.6–2_Q 4) anästhesiert werden. Zur Anästhesie der Nn. palmares med. und lat. erfolgt die Punktion proximal vom R. communicans zwischen der tiefen Beugesehne und dem M. interosseus medius. An dieser Stelle werden medial und lateral jeweils 6 ml Anästhetikum subfaszial und weitere 2 ml subkutan injiziert, wodurch der distale Teil des M. interosseus medius, der mittlere und distale Anteil der tiefen und oberflächlichen Beugesehne sowie die distale Gliedmaße bis einschließlich Fesselgelenk desensibilisiert werden [51, 71]. Die Desensibilisierung des Unterstützungsbandes der tiefen Beugesehne bleibt fraglich. Der proximale Anteil des M. interosseus medius wird bei dieser Anästhesie nicht miterfasst [58]. Für die hohe Vierpunktanästhesie wird die Kanüle proximal vom R. communicans medial bzw. lateral neben der tiefen Beugesehne eingestochen, zwischen M. interosseus medius und Griffelbein bis zum Mc III vorgeschoben und an den N. metacarpeus palmaris medialis bzw. lateralis ein Depot von ca. 5 ml Lokalanästhetikum injiziert [32]. Falls die HPA nicht schon vorher durchgeführt wurde, können die Nn. palmares medialis und lateralis jeweils beim Zurückziehen der Kanüle anästhesiert werden. Desensibilisiert werden die bei der HPA erfassten Strukturen, der größte Teil des M. interosseus medius sowie der palmare Anteil des Metacarpus. Der Ursprung des M. interosseus medius wird allerdings auch bei der hohen Vierpunktanästhesie nicht miterfasst [51, 58]. Fehlinterpretationen sind möglich, wenn unbeabsichtigt die Karpalbeugesehnenscheide oder das Karpometakarpalgelenk (bzw. seine zwischen proximalem Griffelbein und M. interosseus medius gelegene distopalmare Gelenkaussackung) punktiert wurde.

h) Der proximale Anteil des M. interosseus medius wird vom R. profundus innerviert, der aus dem R. palmaris n. ulnaris hervorgeht. Durch eine Kommunikation des R. palmaris n. ulnaris mit dem N. palmaris lateralis erhält der R. profundus allerdings auch Anteile des N. medianus. Diese Doppelinnervation aus N. ulnaris und N. medianus ist auch beim N. metacarpeus palmaris lateralis sowie bei der distalen Fortsetzung des N. palmaris lateralis gegeben (s. Abb. 2.6–1) [58]. Zur Anästhesie des R. profundus (lateral palmar block) wird die Kanüle bei leicht gebeugtem Karpus zwischen Os carpi accessorium und lateralem Griffelbein senkrecht zur Haut in dorsomedialer Richtung unter das Retinaculum flexorum eingestochen und während des Zurückziehens der Kanüle werden ca. 5 ml Anästhetikum injiziert. Dabei wird gleichzeitig auch der N. palmaris lateralis desensibilisiert [51]. Eine Anästhesie des N. palmaris lateralis ist außerdem auch direkt proximal vom Ursprung des R. profundus auf der medialen Seite des Os carpi accessorium möglich [72]. Durch eine zusätzliche Anästhesie des N. palmaris medialis (high two-point block) werden neben dem Fesselträgerursprung die gleichen Strukturen desensibilisiert wie bei der hohen Vierpunktanästhesie [32].

i) Zur Anästhesie des N. ulnaris wird kaudal am Unterarm ca. 10 cm proximal vom Os carpi accessorium die Ulnarisrinne (eine Vertiefung zwischen den Mm. flexor und extensor carpi ulnaris*) palpiert, wo der Nerv direkt unterhalb der Unterarmfaszie verläuft. An dieser Stelle wird die Kanüle senkrecht durch die Haut eingestochen und ca. 0,5–1 cm weit vorgeschoben (Abb. 2.6–2_Q 3). Durch die Injektion von mindestens 10 ml Lokalanästhetikum werden die proximale Metakarpalregion, Teile des Karpalkanales und der Karpalbeugesehnenscheide sowie die kaudalen Anteile des Karpalgelenkes desensibilisiert [51, 69]. Im Bereich des Fesselträgerursprunges erfolgt aufgrund der Doppelinnervation durch Äste des N. ulnaris und des N. medianus nur eine partielle Schmerzausschaltung [58].

 

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Abb. 2.6-2: Querschnitte der rechten Schultergliedmaße eines Pferdes zur Darstellung der gebräuchlichsten Leitungsanästhesiestellen (Lokalisation der Querschnitte: siehe Abb. 2.6–1).
(i) A./V. mediana, (2) V. cephalica, (3) A./V. collateralis ulnaris, (4/4') A./V. dig. palm. com. II/III, (5/5') A./V. metacarp. palm. II/III, (6/6') A./V. dig. palm. med./lat., APL:
M. abductor pollicis longus, CR: Caput radiale des M. flexor dig. prof., CU: Caput ulnare des M. flexor dig. prof., ECR: M. extensor carpi radialis, EDC: M. extensor dig. com., EDL: M. extensor dig. lat., FCR: M. flexor carpi radialis, K: Kastanie, L: Lig. accessorium (M. interosseus medius), LA-OBS: Lig. accessorium (M. flex. dig. supf.), LA-TBS: Lig. accessorium (M. flex. dig. prof.), LSO: Lig. sesamoideum obliquum, LSR: Lig. sesamoideum rectum, MIO: M. interosseus medius, OBS: oberflächliche Beugesehne, TBS: tiefe Beugesehne.

 

k) Die Anästhesie des N. medianus kann mediokaudal am Unterarm an zwei Lokalisationen erfolgen. Die proximale Punktionsstelle befindet sich am distalen Rand der Mm. pectorales superficiales. Die Kanüle wird direkt kaudal von der gut sichtbaren V. cephalica zwischen Radius und M. flexor carpi radialis senkrecht durch die Haut eingestochen und ca. 2,5–4 cm weit in lateraler Richtung vorgeschoben. Der N. medianus wird von der V. und A. mediana begleitet und liegt an dieser Stelle medial von der Arterie (Abb. 2.6–2_Q 1). Die distale Punktionsstelle befindet sich ca. 10 cm proximal der Kastanie am kaudalen Rand des M. flexor carpi radialis. Die Kanüle wird geringgradig nach kranial in Richtung kaudaler Kontur des Radius eingestochen und in einer Tiefe von ca. 3–4 cm werden mindestens 10 ml Anästhetikum injiziert [69]. An dieser Stelle liegt der N. medianus zwischen den Mm. flexor carpi radialis und flexor digitalis profundus etwas kaudal von den Blutgefäßen (Abb. 2.6–2_Q 2). In der Regel erfolgt die Anästhesie des N. medianus in Kombination mit der N. ulnaris-Anästhesie, wobei das gesamte Karpalgelenk sowie der Karpalkanal inkl. Beugesehnen und Karpalbeugesehnenscheide sowie alle distal gelegenen Strukturen desensibilisiert werden [51].

l) Zur Hautanästhesie der medialen distalen Gliedmaße (z. B. für die chirurgische Wundversorgung) kann zusätzlich der Hautast des N. musculocutaneus (N. cutaneus antebrachii medialis) anästhesiert werden. Dazu wird medial am Unterarm 10 cm proximal der Kastanie am kranialen und kaudalen Rand der V. cephalica und V. cephalica accessoria ein subkutanes Depot von je 3–5 ml Lokalanästhetikum injiziert [69].

 

 

(5)_____ Der Karpalkanal wird palmaromedial vom Retinaculum flexorum, lateral vom Os carpi accessorium und dorsal vom Lig. carpi palmare prof. bzw. von knöchernen Strukturen (distaler Teil des Radius, Karpal- und proximale Teile des Metakarpalknochen) begrenzt. Innerhalb des Karpalkanales verlaufen die oberflächliche und tiefe Beugesehne inkl. Karpalbeugesehnenscheide sowie die A. mediana und der N. palmaris medialis (Abb. 2.6–3). Ein erhöhter Druck innerhalb des Karpalkanales (ausgelöst durch eine primäre oder sekundäre Entzündung der Beugesehnen bzw. der Sehnenscheide, eine Fraktur des Os carpi accessorium oder durch sonstige raumfordernde Prozesse) kann insbesondere bei der Beugung des Karpus zur schmerzhaften Kompression der Beugesehnen bzw. des N. palm. med. und der A. mediana führen (Karpalkanaloder Karpaltunnel-Syndrom). Die Knochen- bzw. Weichteilveränderungen, die die Druckerhöhung innerhalb des Kapalkanals bedingen, lassen sich meist entweder röntgenologisch oder sonographisch gut darstellen. Die Therapie besteht in einer Durchtrennung des Retinaculum flexorum, wobei der konventionelle Zugang von medial erfolgt. Alternativ ist ein endoskopisches Vorgehen durch die Wand der Karpalbeugesehnenscheide möglich [73].

(6)_____ Das Fesselringband (Lig. anulare palmare) setzt jeweils an der abaxialen Oberfläche der Gleichbeine an und bildet zusammen mit dem Lig. intersesamoideum (Lig. palmare) einen Kanal, durch den die Beugesehnen inkl. Fesselbeugesehnenscheide ziehen (Abb. 2.6–4). Eine durch das Fesselringband verursachte Striktur der Beugesehnen kann zu einer persistierenden Lahmheit führen (Fesseltunnel- oder Fesselringband-Syndrom), wobei Schulter- und Beckengliedmaße gleichermaßen betroffen sind. In der Regel liegt eine primäre oder sekundäre Entzündung und Verdickung der Beugesehnen bzw. des Fesselringbandes oder eine Entzündung und vermehrte Füllung der Fesselbeugesehnenscheide zugrunde. Bei der Betrachtung von der Seite fällt meist eine Einziehung im Bereich des Fesselringbandes bzw. proximal vom Ringband eine Vorwölbung der Fesselbeugesehnenscheide auf. Im Bereich des Ansatzes des Fesselringbandes am Gleichbein kommt es häufig zu Knochenzubildungen im Sinne einer Insertionsdesmopathie. Um das Ausmaß der Veränderungen darstellen zu können, sind röntgenologische und insbesondere sonographische Untersuchungen gut geeignet. Häufig ist eine chirurgische Therapie in Form der Durchtrennung des Fesselringbandes indiziert, die ebenfalls endoskopisch über die Fesselbeugesehnenscheide erfolgen kann.


* Head H. (1893): On disturbances of sensation with especial reference to the pain of visceral disease. Brain 16(1):1–133.

* Bildgebendes Verfahren unter Verwendung einer radioaktiven Substanz (i. d. R. Technetium 99m), die sich nach intravenöser Injektion selektiv in einem bestimmten Gewebe anreichert. Für die Knochenszintigraphie wird das radioaktive Isotop an einen Knochenmarker (Polyphosphonat) gekoppelt, der sich beim aktiven Knochenumbau an Hydroxyapatitkristalle anlagert. Die beim radioaktiven Zerfall abgegebene Strahlung kann mit Hilfe einer sog. Gamma-Kamera aufgenommen werden, wobei eine lokal erhöhte Strahlungsintensität eine vermehrte metabolische Aktivität in einem bestimmten Knochen anzeigt.

* nach der Nomina Anatomica Veterinaria (2012) synonyme Bezeichnung für den N. digitalis palmaris com. II bzw. III

* nach der Nomina Anatomica Veterinaria (2012) synonyme Bezeichnung: M. ulnaris lateralis

* Anmerkungen zur Richtungsbezeichnung an der Schultergliedmaße: Im Bereich der distalen Gliedmaße (bis einschließlich Karpus) wird anstelle von „kranial“ der Begriff „dorsal“ (handrückenwärts) und anstelle von „kaudal“ die Bezeichnung „palmar“ (hand-flächenwärts) verwendet.

* Computergestütztes Schnittbildverfahren zur Differenzierung verschiedener Weichteilgewebe. Das zugrunde liegende Phänomen ist die Eigendrehung (sog. spin) von Wasserstoffkernen (Protonen), die somit über ein eigenes magnetisches Moment verfügen und sich in einem äußeren Magnetfeld in dessen Richtung ausrichten. Durch die Einstrahlung von kurzen Impulsen elektromagnetischer Wellen, welche die gleiche Frequenz aufweisen wie die Eigendrehung der Protonen (Resonanz), wird diese Ausrichtung kurzzeitig gestört. Beim Zurückkehren in die Ausgangsverteilung werden von den Protonen elektromagnetische Wellen freigesetzt, die mit entsprechenden Registriergeräten aufgenommen werden können. Die Intensität der Signale ist dabei aufgrund der unterschiedlichen Protonendichte gewebespezifisch.

3 | Beckengliedmaße

3.1 Skelett der Beckengliedmaße

3.1.1 Oberschenkelbein (Os femoris)

Das Oberschenkelbein besitzt am Oberschenkelkopf (Caput ossis femoris —1) eine vergleichsweise große dreieckige Fovea capitis (2), die als gelenkknorpelfreie Vertiefung zentral auf dem Oberschenkelkopf spitz beginnt und peripher an der Medialkontur mit breiter Basis endet. Ihr zentraler Anteil nimmt das Lig. capitis ossis femoris und ihr peripherer Basisanteil das Lig. accessorium ossis femoris auf, das hauptsächlich aus der Endsehne des M. rectus abdominis hervorgeht. Der lediglich angedeutete Oberschenkelhals (Collum ossis femoris —3) geht lateral in den Trochanter major (4, „größerer Umdreher“) über, der in eine Pars cranialis (4') und eine auffällige Pars caudalis (4") gegliedert ist. Der kaudale Anteil überragt den Oberschenkelkopf beträchtlich, und seine Basis grenzt lateral die Fossa trochanterica (5) ab, die medial vom kammförmigen Trochanter minor (6) begrenzt wird. Der sehr deutliche Trochanter tertius (7) liegt lateral an der proximalen Drittelgrenze des Oberschenkelbeins, unterhalb des größeren Umdrehers. Die Fossa supracondylaris lateralis (13) ist das grubenförmige (bei anderen Haussäugetieren erhabene – daher Tuberositas supracondylaris lateralis) Ursprungsareal für den oberflächlichen Zehenbeuger. Der Condylus medialis (14) und Condylus lateralis (17) sind durch die Fossa intercondylaris (20) deutlich getrennt. Beide Kondylen gehen kranial in die Trochlea ossis femoris (21) über, deren medialer Rollkamm (Tuberculum trochleae ossis femoris (21') deutlich größer als der laterale ist und das Widerlager für die Patellaschlaufe (s. Kap. 3.4) bildet. Die Trochlea ossis femoris bildet das Gleitlager für die Kniescheibe (Patella —69). Die Kniescheibe ist annähernd rhomben- bis faustkeilförmig mit proximaler Basis (69') und distalem Apex (69"). An der Medialseite ist auf dem Processus cartilagineus (69"') der Patellaknorpel (Fibrocartilago parapatellaris medialis —69"") befestigt. Die mit Gelenkknorpel überzogene Facies articularis (69""') ist durch eine sagittale Leiste zweigeteilt. image (1, 2, 3)

3.1.2 Unterschenkelknochen (Ossa cruris)

Tibia (Schienenbein)

Als Artikulationsfläche mit der Patella weist die Tibia eine dreieckige Facies articularis proximalis (22) auf, die von der sehr deutlichen Eminentia intercondylaris (24) überragt wird. Die Dreieckspitze geht in die Tuberositas tibiae (29) über, die die Ligamenta patellae und somit auch die Endsehne des M. quadriceps femoris aufnimmt. Die kraniolaterale Dreiecksseite der proximalen Gelenkfläche ist durch den deutlichen Sulcus extensorius (27) halbmondförmig eingezogen, und die kaudal gelegene Basis des Dreiecks geht in die deutliche Linea m. poplitei (27') über, die den M. popliteus unterlagert und auf der halben Höhe der Tibia an deren Medialkontur endet. Das Corpus tibiae (28) liegt nur kraniomedial der Haut direkt an (Planum cutaneum —28'), während die übrige Oberfläche von Muskeln bedeckt ist. An der distal gelegenen Cochlea tibiae (30) sind der Gelenkkamm und die beiderseits flankierenden Gelenkrinnen schräg kraniolateral ausgerichtet. image (4, 5, 6)

Fibula (Wadenbein)

Die schmale Fibula ist in ihrem Distalteil weitgehend zurückgebildet. Sie artikuliert mit ihrem Caput fibulae (32) mit dem Condylus lateralis tibiae (25), und das Corpus fibulae (34) verliert sich in Höhe des proximalen Drittels der Tibia. Ein selbständiges Mittelstück fehlt, das Distalende bildet den Malleolus lateralis (35), der mit dem lateralen Tibiaende verschmolzen ist. image (7)

3.1.3 Fußwurzelknochen

Die Fußwurzelknochen (Ossa tarsi) formieren sich zu einer proximalen, einer mittleren und einer distalen Reihe. In der proximalen Reihe trägt das Rollbein (Talus —37) eine wuchtige Trochlea tali (39), deren Gelenkkämme ebenso schräg kraniolateral ausgerichtet sind wie die der anliegenden Cochlea tibiae. image (8, 9)

Das Fersenbein (Calcaneus —42) besitzt proximal das aufgetriebene Tuber calcanei (43), in der Mitte das deutliche Sustentaculum tali (44) mit einer Rinne für die Sehne der Mm. flexor digitalis lateralis samt tibialis caudalis und artikuliert distal mit dem Os tarsale IV. Die mittlere Reihe wird vom Os tarsi centrale (45) gebildet. Von den Ossa tarsalia (46) der distalen Reihe sind die ersten beiden meistens miteinander verwachsen, der dritte Tarsalknochen liegt über dem Röhrbein, und der vierte ragt in das Niveau der mittleren Reihe hinein und vervollständigt diese. image(10, 11)

Für die Fußwurzelknochen (Ossa tarsi) sind folgende Synonyma bekannt:

Talus = Rollbein; Kalkaneus = Fersenbein

Os tarsi centrale sive Os naviculare = Kahnbein

Ossa tarsalia I–III sive Os cuneiforme med., -intermed., -lat. = mediales-, mittleres-, laterales Keilbein

Os tarsale IV = Würfelbein

image Merkvers (vgl. Kap. 2.1): Das Rollbein und das Fersenbein wollten in den Kahn hinein und bekamen dreimal Keile vom Würfelbein. (Das Würfelbein wurde im klassischen Altertum zum Würfelspiel verwendet.)

3.1.4 Mittelfußknochen, Zehenknochen und Sesambeine

Die Mittelfußknochen (Ossa metatarsalia), Zehenknochen (Ossa digitorum pedis) und Sesambeine (Ossa sesamoidea) weisen gegenüber den entsprechenden Verhältnissen an der Schultergliedmaße nur geringfügige Abweichungen auf (s. Kap. 2.1). Das Röhrbein (Mt III) ist auf dem Querschnitt rund, das Mc III ist queroval.

 

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Textabb. 3.1-1: Kaudale Ansicht der Gelenkfläche der Patella mit Fibrocartilago parapatellaris medialis.

 

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Textabb. 3.1-2: Kaudale Ansicht des Oberschenkelkopfes und der Trochanteren proximal am Os femoris.

 

Tafel 3.1: Ossa membri pelvini

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image image image Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj

(1)_____Für die Epi- und Apophysenfugen an der Beckengliedmaße gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die der Vordergliedmaße. Der Schluss der Wachstumsfugen an der Hinterextremität ist der Abb. 3.1–1 zu entnehmen. Epiphysenfrakturen sind am häufigsten im Bereich der proximalen und distalen Wachstumsfugen von Os femoris und Tibia, sowie distal am Röhrbein (Mt III) lokalisiert [1, 2].

Eine der häufigsten Stellungsanomalien (angular limb deformities) der Hintergliedmaße ist der Tarsus valgus, der jedoch insgesamt seltener als der Carpus valgus zu beobachten ist (Ursache und Therapie siehe Carpus valgus, Kap. 2.1 image (1)). Tarsus-varus-Deformationen sind dagegen eher selten. Eine Sonderform stellt das sog. windswept foal dar, bei dem an der einen Hinterextremität ein Tarsus valgus und an der anderen ein Tarsus varus vorliegt. Eine weitere relativ häufige Achsenabweichung an der Beckengliedmaße ist die Varusstellung im Fesselgelenk, wobei i. d. R. die distale Epiphysenfuge des Mt III, seltener die proximale des Fesselbeines betroffen ist. Valgus-Abweichungen im Fesselgelenk sind eher selten. Bei der chirurgischen Korrektur der Stellungsanomalien im Fesselgelenk ist zu beachten, dass sich die Epiphysen in diesem Bereich viel früher schließen als die distale Wachstumsfuge des Radius bzw. der Tibia [3].

(2)_____Am Os femoris werden gelegentlich Frakturen des Trochanter tertius, seltener des Trochanter major beobachtet, wobei die Bruchfragmente i. d. R. durch den Zug der ansetzenden Muskulatur verlagert sind. Mitunter sind derartige Frakturen sonographisch darstellbar, daneben liefert die szintigraphische Untersuchung wertvolle Hinweise zur Diagnosefindung [4].

Insbesondere bei Fohlen kommen gelegentlich auch Diaphysenfrakturen vor, die häufig mehrere Frakturlinien aufweisen. Die Erfolgsrate der chirurgischen Therapie mittels geeigneter Osteosyntheseverfahren ist abhängig vom Alter bzw. dem Gewicht des Fohlens [5].

Darüber hinaus kommt es mitunter zu Ausrissfrakturen im Bereich des Ursprunges der Mm. fibularis tertius und extensor digitalis longus am lateralen Femur-Kondylus. Betroffen sind vor allem junge Pferde, bei denen das Knochengewebe noch schwach ausgebildet ist. Bei älteren Tieren wird dagegen eher eine Ruptur des M. fibularis tertius in seinem mittleren Bereich beobachtet. Die Therapie erfolgt i. d. R. chirurgisch, wobei das Frakturfragment in Abhängigkeit von seiner Größe arthroskopisch entfernt bzw. mittels interner Fixation befestigt wird [6].

(3)_____Der mediale Rollkamm des Os femoris ist deutlich größer als der laterale und besitzt einen nasenartigen Wulst, auf dem die Patella aufliegen kann (s. Kap 3.4 image (1)).

(4)_____Neben traumatisch bedingten Frakturen der Tibia kommen insbesondere bei zweijährigen, im Training befindlichen Vollblütern sowie bei Trabrennpferden auch inkomplette Stress- bzw. Ermüdungsfrakturen (Fissuren) vor. Bei den jungen Vollblütern ist häufig die kaudolaterale Kortikalis der mittleren oder distalen Diaphyse betroffen, aber auch proximolateral bzw. proximokaudal werden nicht selten derartige Frakturen beobachtet [7]. Dagegen sind die Stressfrakturen bei den Trabrennpferden fast ausschließlich im mittleren Bereich der Diaphyse lokalisiert [8]. Da sich die Fissurlinien häufig röntgenologisch nicht darstellen lassen, ist die szintigraphische Untersuchung das Mittel der Wahl zur Diagnosefindung [4].

Gelegentlich werden auch traumatisch bedingte, intraartikuläre Frakturen im Bereich des lateralen Malleolus der Tibia beobachtet. Die Therapie erfolgt chirurgisch, wobei das Frakturfragment i. d. R. arthroskopisch entfernt wird [9.]

(5)_____Die Eminentia intercondylaris tibiae besitzt zwei Erhebungen, die sich auf Röntgenbildern gut darstellen lassen. Das mediale Tuberkulum ist prominenter und eher von Frakturen betroffen als das laterale (Abb. 3.1–2b). Derartige Frakturen sind mitunter kombiniert mit Läsionen des kranialen Kreuzbandes, welches kranial von der Eminentia intercondylaris ansetzt. Die Therapie richtet sich nach der Größe des Frakturfragmentes (arthroskopische Entfernung bzw. interne Fixation) [10, 11].

(6)_____Aufgrund der exponierten Lage der Tuberositas tibiae kann ein Trauma in diesem Bereich (z. B. durch Anschlagen an ein Hindernis beim Springen) leicht zu einer Fraktur führen, wobei das Frakturfragment durch den Zug des ansetzenden mittleren Kniescheibenbandes (Endsehne des M. quadriceps femoris) häufig nach proximokranial verlagert ist. Eine Beteiligung des Femoropatellargelenkes liegt meist nicht vor. Bei jungen Pferden (unter drei Jahren) muss differenzialdiagnostisch die noch nicht geschlossene Wachstumsfuge der Tuberositas tibiae berücksichtigt werden (Abb. 3.1–2a). Bei Frakturen ohne Gelenkbeteiligung kann die Therapie konservativ erfolgen, andernfalls ist ein chirurgisches Vorgehen (interne Fixation bzw. Entfernung kleinerer Frakturfragmente) indiziert [12, 13].

(7)_____Die Fibula besitzt häufig mehrere Ossifikationszentren, zwischen denen ein röntgenologisch sichtbarer Spalt persistieren kann (Abb. 3.1–2b). Derartige Aufhellungslinien dürfen nicht mit einer eher seltenen Fibulafraktur verwechselt werden. Der distale Teil der Fibula ist bei den meisten Pferden zurückgebildet. Ihre distale Epiphyse entspricht dem lateralen Malleolus der Tibia, der somit ein eigenes Ossifikationszentrum besitzt [14]. Bei einigen Ponyrassen wird vereinzelt eine vollständige Fibula ausgebildet (Fibula completa). Eine derartige Fehlbildung tritt häufig kombiniert mit flexural limb deformities oder angular limb deformities (insbesondere Tarsus valgus) auf [15].

(8)_____Für die inkomplette Ossifikation der Tarsalknochen gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die der Karpalknochen, wobei an der Beckengliedmaße insbesondere das Os tarsi centrale und das Os tarsale III betroffen sind (Abb. 3.1–3). Bei Belastung der unzureichend ossifizierten Tarsalknochen kann es im dorsalen* Bereich zu einem Kollaps und infolgedessen zu einer keilförmigen Deformierung kommen. Mitunter treten auch Fragmentationen der betroffenen Knochen auf. Derartige Formveränderungen der Tarsalknochen sind i. d. R. mit Gliedmaßenfehlstellungen (Tarsus valgus bzw. Säbelbeinigkeit) verbunden [16, 17].

(9)_____Frakturen der Tarsalknochen sind aufgrund der komplexen röntgenologischen Anatomie mitunter schwierig darzustellen (siehe auch Abb. 3.1–4). Am häufigsten kommen Slab-Frakturen vor (allerdings deutlich seltener als am Karpus), die meist dorsolateral am Os tarsale III und Os tarsi centrale lokalisiert sind. Betroffen sind vornehmlich Vollblut- und Trabrennpferde, gelegentlich auch Quarter Horses [18]. Als ein prädisponierender Faktor wird eine keilförmige Formveränderung des Knochens (wedge-shaped conformation) angesehen, die bei jungen Vollblütern verhältnismäßig häufig im dorsolateralen Bereich des Os tarsale III zu beobachten ist [19]. Da bei der konservativen Therapie mit sekundären degenerativen Veränderungen in den benachbarten Gelenken (Tarsometatarsal-, distales bzw. proximales Intertarsalgelenk) gerechnet werden muss, wird insbesondere bei Rennpferden eine chirurgische Therapie (interne Fixation) empfohlen [20].

 

 

(10)_____Frakturen des Talus und des Kalkaneus sind insgesamt eher selten und meist traumatisch bedingt. Bei Vollblut- und Trabrennpferden kommen gelegentlich allerdings inkomplette Sagittalfrakturen des Talus vor, die i. d. R. von der proximalen Gelenkfläche ausgehen und im Bereich zwischen den Rollkämmen lokalisiert sind [21].

Gelegentlich kommen rundliche, akzessorische Knochenstücke plantar am proximalen Rollkammende des Talus (Os trigonum tarsi) bzw. distal am medialen Talusrollkamm vor, die als seltene anatomische Variationen angesehen werden [22].

(11)_____Os tarsale I und II sind gewöhnlich bei der Geburt des Fohlens fusioniert [14], bei einigen Pferden ist die Fusion jedoch unvollständig, oder es werden sogar zwei selbstständige Knochen ausgebildet [22].

 

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Abb. 3.1-2: (a) Wachstumsfugen im Bereich des Kniegelenkes eines 6,5 Monate alten Warmblutfohlens, (b) Fraktur der Eminentia intercondylaris tibiae (Pfeilkopf), Fibula mit Aufhellungslinien (Pfeil) zwischen den separaten Ossifikationszentren, 13-jähriges Shetlandpony. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

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Abb. 3.1-3: (a) Physiologische Ausprägung der Tarsalknochen eines 13 Tage alten Warmblutfohlens, (b) inkomplette Ossifikation des Os tarsale III (Pfeilkopf) eines 14 Tage alten Warmblutfohlens. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

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Abb. 3.1-4: Tarsalgelenk eines adulten Pferdes (dorso-plantare Aufnahmerichtung) mit schematischer Darstellung der einzelnen Knochen. Mt II-IV: Os metatarsale II—IV, T I+II,III-IV: Os tarsale I+II,III-IV, T centr.: Os tarsi centrale. (Röntgenaufnahme: Klinik für Pferde, Abteilung Pferdechirurgie, Veterinärmed. Univ. Wien.)

 

3.2 Synoviale Einrichtungen (Synovialstrukturen) der Beckengliedmaße

3.2.1 Gelenke der Beckengliedmaße

 

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* In der Nomenklatur werden statt Art. intertarsea prox. die Begriffe Art. talocalcaneocentralis und Art. calcaneoquartalis verwendet und statt Art. intertarsea dist. der Begriff Art. centrodistalis. image (3)

Hüftgelenk

Am Hüftgelenk wird die Gelenkpfanne durch ein Labrum acetabulare vertieft. Das Lig. capitis ossis femoris zieht vom Grund des Azetabulums zum zentralen Teil der Fovea capitis ossis femoris. Das Lig. accessorium ossis femoris, eine Besonderheit des Pferdes, setzt sich aus den Endsehnen des M. rectus abdominis (Hauptanteil), des M. obliquus ext. abdominis und der Fascia flava zusammen und inseriert am peripheren Teil der Fovea capitis ossis femoris. Beide Bänder ziehen durch die Incisura acetabuli und werden hier durch das Lig. transversum acetabuli überbrückt. image (1)

Kniekehlgelenk

Das Kniekehlgelenk wird von zwei apfelsinenscheibenförmigen Menisken nur unvollständig proximodistal unterteilt, da die Gelenkkapsel zwar an der äußeren (dicken) Konvexität, aber nicht an der (dünnen) Konkavität befestigt ist. Menisken sind faserknorpelige Strukturen zum Ausgleich der Inkongruenz der Gelenkflächen und zur Stoßbrechung. Sie sind hauptsächlich an der Tibia, aber auch untereinander und am Os femoris ligamentös verankert. Die Kniekehlgelenkshöhle ist in einen lateralen und einen medialen Kniekehlgelenksack unterteilt. Die Angaben über die Vollständigkeit der Trennung durch das Stratum synoviale der Kniegelenkskapsel sind in der Literatur uneinheitlich und reichen von „fast immer getrennt“ bis „fast immer offen“. In unterschiedlicher Häufigkeit kommunizieren der mediale und laterale oder beide Kniekehlgelenksäcke mit dem mehr oder weniger deutlich separierten Gelenksack des Kniescheibengelenkes; auch hierüber existieren widersprüchliche Angaben. Für Gelenkinjektionen dienen die palpierbaren Kollateralbänder zur Orientierung. Die nicht palpierbaren Kreuzbänder sind für die kraniokaudale Stabilisierung des Gelenkes von großer Bedeutung. Die vereinigten Ursprungssehnen des langen Zehenstreckers und des M. fibularis tertius sind von einer Kapselsehnenscheide umgeben. image (2)

 

 

Kniescheibengelenk

Das Kniescheibengelenk bewegt sich synchron zum Kniekehlgelenk. Die Patella wird durch die Ligg. (Retinacula) femoropatellaria horizontal, und durch die drei Ligg. patellae distal verankert. Diese Bänder setzen sich aus faszialen und sehnigen Anteilen zusammen. Das Lig. patellae mediale enthält sehnige Anteile der Mm. sartorius und gracilis, das Lig. patellae intermedium ist im Wesentlichen die Endsehne des M. rectus femoris (daher auch Tendo quadricipitis), und das Lig. patellae laterale erhält sehnige Anteile von den Mm. biceps femoris und tensor fasciae latae. (Patellaschlaufe, s. Kap. 3.4.)

Art. tibiofibularis proximalis

Die Articulatio tibiofibularis proximalis ist ein straffes Gelenk zwischen Tibia und Fibula, dessen Gelenkhöhle mit dem lateralen Gelenksack des Kniekehlgelenkes in Verbindung steht. (Eine Articulatio tibiofibularis distalis fehlt dem Pferd.)

Tarsalgelenk

Das Tarsalgelenk weist vier horizontale Gelenkspalten auf. Die drei distalen Gelenke sind als straffe Gelenke kaum beweglich. Die Ligg. collaterale tarsi mediale, longum und —laterale longum kommen vom betreffenden Knöchel der Tibia und ziehen zur jeweiligen Griffelbeinbasis; dazwischen nehmen sie Verbindung zu den anliegenden Fußwurzelknochen auf. Das Lig. plantare longum reicht distoplantar vom Fersenbein bis proximoplantar zu den Mittelfußknochen und ist auf dieser Länge an den Fußwurzelknochen verankert. Die Sprunggelenkskapsel überspannt mit ihrem Stratum fibrosum den Bereich zwischen Tibia und Mittelfuß, und ihr Stratum synoviale unterteilt drei, meist unvollständig getrennte Gelenksäcke (vgl. Tabelle S. 60: 1. für a und b; 2. für c und 3. für d). Die Gelenkkapsel des Talokruralgelenkes weist zwei dorsale und zwei plantare Aussackungen auf. image (3)

3.2.2 Wichtige Schleimbeutel (Bursae synoviales)

Die Bursa trochanterica m. glutaei medii liegt unter der Endsehne des mittleren Glutaealmuskels am Trochanter major.

Die Bursa subtendinea calcanea m. flexoris dig. superficialis liegt unter, die inkonstante kleinere Bursa subcutanea calcanea liegt über der Fersenbeinkappe der oberflächlichen Beugesehne.

Die Bursa subtendinea m. tibialis cranialis liegt unter der „Spatsehne“, der medialen Endsehne des M. tibialis cran., medial am Sprunggelenk. image (4, 5, 6)

3.2.3 Sehnenscheiden (Vaginae synoviales)

In Höhe des Sprunggelenkes werden die passierenden Sehnen von Sehnenscheiden umgeben mit Ausnahme der oberflächlichen Beugesehne, die durch die Bursa subtendinea (und evtl. subcutanea) calcanea unterlagert wird.

Die Fesselbeugesehnenscheiden verhalten sich ebenso wie an der Schultergliedmaße (s. Kap. 2.2 und 2.6). image (7, 8, 9)

imageimageimage Klinisch-funktionelle Anatomie
Bianca Patan-Zugaj, Dirk Berens von Rautenfeld

(1)_____Bei Hinterhandlahmheiten ist die Lahmheitsursache verhältnismäßig selten im Bereich des Hüftgelenkes lokalisiert. Gelegentlich werden bei Kleinpferden und Ponies traumatisch bedingte Luxationen bzw. Subluxationen im Hüftgelenk beobachtet, wobei der Femurkopf i. d. R. nach kraniodorsal verlagert ist [4]. Eine Dysplasie des Hüftgelenkes, die beim Menschen und beim Hund relativ häufig vorkommt, wird beim Fohlen ebenfalls nur vereinzelt beschrieben [23]. Auch degenerative Veränderungen sind eher selten und treten meist sekundär nach Azetabulumfrakturen, Schäden am Lig. capitis ossis femoris oder infolge von Hüftgelenksdysplasien auf. Die röntgenologische Darstellung des Hüftgelenkes erfolgt i. d. R. unter Vollnarkose in Rückenlage, kann jedoch auch im Stehen versucht werden. Zusätzliche Informationen liefert die sonographische bzw. szintigraphische Untersuchung [4].

Als Orientierungspunkt für die Punktion des Hüftgelenkes dient der Trochanter major ossis femoris, der bei gut bemuskelten Pferden mitunter schwierig zu palpieren ist. Die Kanüle wird zwischen der Pars cranialis und der etwas weiter nach proximal ragenden Pars caudalis in leicht kraniodistaler Richtung eingestochen und am Femurhals entlang bis zu einer Tiefe von ca. 13–14 cm vorgeschoben (Abb. 3.2–1). Zur Anästhesie des Hüftgelenkes sind 25–30 ml eines 2 %igen Lokalanästhetikums erforderlich [24].

Zur Arthroskopie des Hüftgelenkes kann der Zugang ebenfalls zwischen der Pars cranialis und der Pars caudalis des Trochanter major ossis femoris in kraniodistaler Richtung erfolgen (s. image (10)). Auf diese Weise ist ein großer Teil des Femurkopfes und des Azetabulums einschließlich des Lig. capitis ossis femoris darstellbar. Ein weiterer Zugang für die Instrumente ist 4–6 cm kranial vom Arthroskopieportal möglich [25].

(2)_____Das Kniegelenk setzt sich aus drei synovialen Räumen (Femoropatellargelenk sowie lateralem und medialem Femorotibialgelenk) zusammen, die in unterschiedlichem Ausmaß miteinander in Verbindung stehen. Am häufigsten ist eine Kommunikation zwischen dem Femoro-patellar- und dem medialen Femorotibialgelenk (60–80 %) gegeben, während das laterale Femorotibialgelenk verhältnismäßig selten (ca. 3 %) mit dem Femoropatellargelenk kommuniziert [26].

Die Gelenkkapsel des Femoropatellargelenkes umschließt eine geräumige Gelenkhöhle, die sich nach proximal unter den M. quadriceps femoris ausbuchtet (Recessus suprapatellaris). Vom lateralen Femorotibialgelenk wird der Recessus subextensorius (auch Kapselsehnenscheide genannt) gebildet, der ca. 4–7 cm über die knöcherne Gelenksebene hinaus nach distal reicht und die gemeinsame Ursprungssehne der Mm. extensor digitalis longus und fibularis tertius im Sulcus extensorius der Tibia umschließt. Diese verhältnismäßig große Gelenksaussackung ist insbesondere bei Verletzungen im Bereich des Kniegelenkes zu beachten. Eine weitere Aussackung des lateralen Femorotibialgelenkes befindet sich unter der Ursprungssehne des M. popliteus [27].

Eine vermehrte Füllung des Femoropatellargelenkes ist i. d. R. als fluktuierende Umfangsvermehrung zwischen den Kniescheibenbändern palpierbar. Diese stellen sich bei der belasteten Gliedmaße als derbe, strangförmige Strukturen zwischen der Patella und der proximalen Tibia dar (siehe auch Abb. 3.2–2). Das mittlere Kniescheibenband, das der Endsehne des M. quadriceps femoris entspricht, wird in seinem Ursprungsbereich an der Patella sowie an seinem Ansatz an der Tuberositas tibiae von einem Schleimbeutel (Bursa infrapatellaris proximalis bzw. distalis) unterlagert (Abb. 3.2–4). Eine entzündungsbedingte Umfangsvermehrung der Schleimbeutel kann ebenso wie der zwischen medialem bzw. mittlerem Kniescheibenband und Gelenkkapsel liegende infrapatelläre Fettkörper eine vermehrte Füllung des Femoropatellargelenkes vortäuschen.

Das Kniegelenk besitzt eine große klinische Bedeutung, denn ca. 15 % der Hinterhandlahmheiten werden durch Veränderungen im Bereich des Kniegelenkes verursacht [4]. Eine besondere Rolle spielen Knochenläsionen durch Osteochondrose sowie subchondrale Knochenzysten bzw. zystenähnliche Defekte. Das häufigste Weichteilproblem ist die proximale Kniescheibenfixation, während Schäden an den Menisken bzw. den verschiedenen Bandstrukturen (Kreuzbänder, Kollateralbänder, Kniescheibenbänder, Meniskenhaltebänder) beim Pferd seltener diagnostiziert werden.

 

 

Als Osteochondrose wird eine Entwicklungsstörung im Bereich des Gelenkknorpels bezeichnet, wobei an der Beckengliedmaße am häufigsten das Talokrural- und das Kniegelenk betroffen sind. Die osteochondrotischen Veränderungen im Kniegelenk entstehen meist im Fohlenalter zwischen zweitem und elftem Lebensmonat, sind jedoch größtenteils temporär und können sich spontan zurückbilden. Läsionen, die sich im achten Lebensmonat noch nachweisen lassen, sind dagegen i. d. R. permanent [28]. Klinisch relevant werden die osteochondrotischen Veränderungen allerdings häufig erst deutlich später, wenn mit dem Training bzw. der schwereren Arbeit begonnen wird. Die Ursache für derartige Defekte ist multifaktoriell, wobei u. a. alimentäre, haltungsbedingte und genetische Faktoren sowie endokrinologische Dysfunktionen, Mineralstoffimbalancen, biomechanische Traumen und eine schnelle Wachstumsrate diskutiert werden [29, 30]. Am häufigsten sind die osteochondrotischen Veränderungen im mittleren Bereich des lateralen Rollkammes lokalisiert, seltener treten die Veränderungen auch an der distalen Gelenkfläche der Patella, am medialen Rollkamm oder zwischen den beiden Rollkämmen auf [31]. Typische röntgenologische Veränderungen sind oft großflächige Konturunregelmäßigkeiten bzw. eine Abflachung der Knochenoberfläche sowie Fragmentationen einer Knorpel-Knochen-Schuppe. Die sonographische Untersuchung liefert zusätzliche Informationen über die Knorpeloberfläche. Die Therapie der betroffenen Fohlen kann konservativ erfolgen, bei älteren Pferden mit klinischen Symptomen ist ein chirurgisches Vorgehen (arthroskopische Kürettage des veränderten Knorpels bzw. Entfernung des Fragmentes) indiziert [4].

Subchondrale Knochenzysten bzw. zystenähnliche Defekte im Kniegelenk sind am häufigsten im medialen Femurkondylus, seltener distolateral am Os femoris in der Nähe der Fossa intercondylaris bzw. proximal in der Tibia lokalisiert. Die genaue Ursache für derartige Läsionen ist nicht bekannt, als auslösende Faktoren werden u. a. traumatische Defekte von Knorpel und subchondralem Knochen, Kniegelenksentzündungen sowie osteochondrotische Veränderungen diskutiert. Neben der konservativen Therapie wird ein chirurgisches Vorgehen in Form einer arthroskopischen Kürettage des Defektes beschrieben [32].

 

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Abb. 3.2-2: Kniegelenk einer rechten Beckengliedmaße. a) mediales Kollateralband, b) laterales Kollateralband. (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin.)

 

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Abb. 3.2-3: (a) Röntgenaufnahme eines Kniegelenkes im kranio-kaudalen Strahlengang. Der rechteckige Rahmen zeigt die Lokalisation des nebenstehenden Ultraschallbildes an. (b) Sonographische Darstellung des medialen Meniskus (longitudinal, Linearschallkopf 7,5 MHz). H: Haut, MK: mediales Kollateralband. (Ultraschallbild: Dr. J. Edinger; Chirurgische Tierklinik, Universität Leipzig.)

 

Die beiden Menisken des Kniegelenkes sind durch kraniale und relativ kurze kaudale Haltebänder an der Tibia verankert. Der laterale Meniskus ist zusätzlich durch das Lig. meniscofemorale mit dem kaudomedialen Teil des Os femoris verbunden, während der mediale Meniskus mit dem medialen Kollateralband assoziiert ist (Abb. 3.2–2/–3). Meniskenschäden in Form von vertikalen oder longitudinalen Rissen betreffen vorwiegend den medialen Meniskus, wobei die Läsionen meist an seinem kranialen Pol lokalisiert sind. Häufig treten gleichzeitig Läsionen des Gelenkknorpels sowie Schäden am kranialen, seltener am kaudalen Meniskenband auf, was zu einer Instabiltät des Meniskus führen kann [4, 33].

Die Kollateralbänder entspringen am medialen bzw. lateralen Bandhöcker des Os femoris. Der Ansatz des medialen Kollateralbandes befindet sich am medialen Kondylus der Tibia mit einer Zwischeninsertion am medialen Meniskus, während das laterale Kollateralband lediglich am Fibulakopf ansetzt (siehe auch Abb. 3.2–2). Traumatisch bedingte Läsionen der Kollateralbänder werden insbesondere bei Springpferden beobachtet, wobei das mediale Band häufiger betroffen ist und zusammen mit dem medialen Meniskus geschädigt sein kann [31].

Darüber hinaus treten besonders bei Springpferden gelegentlich auch Läsionen des mittleren, seltener des lateralen Kniescheibenbandes auf [4].

Die Kreuzbänder verbinden das Os femoris und die Tibia im Zentrum des Kniegelenkes und verleihen dem Gelenk seine kranio-kaudale Stabilität. Das kraniale Kreuzband entspringt kraniomedial der Eminentia intercondylaris tibiae und inseriert kaudolateral in der Fossa intercondylaris ossis femoris. Der Ursprung des kaudalen Kreuzbandes befindet sich kaudomedial an der Tibia, der Ansatz kraniomedial in der Fossa intercondylaris ossis femoris. Traumatisch bedingte Läsionen betreffen vorwiegend das kraniale und nur selten das kaudale Kreuzband. Häufig entstehen partielle Risse entweder in der Mitte des Bandes oder nahe seiner kranialen Verankerung an der Tibia, wobei gelegentlich auch Ausrissfrakturen eines Knochenfragmentes vorkommen können. Defekte im Bereich der kaudalen Insertion am Femur sind eher selten. Mitunter treten die Kreuzbandläsionen zusammen mit anderen Weichteilveränderungen (z. B. Meniskenschäden) bzw. Frakturen im Bereich der Eminentia intercondylaris tibiae auf. Das sog. Schubladenphänomen (abnorme Verschieblichkeit von Ober- und Unterschenkel gegeneinander), das bei Mensch und Hund zur Demonstration der kranio-kaudalen Instabilität bei Kreuzbandrupturen manuell ausgelöst werden kann, lässt sich i. d. R. beim stehenden Pferd mit Kreuzbandruptur nicht nachweisen [4, 31].

Die genannten Weichteilveränderungen sind größtenteils mittels Sonographie darstellbar (siehe auch Abb. 3.2–3). Dabei wird das Kniegelenk von kranial und kaudal untersucht, wodurch sich die Kollateralbänder, die Kniescheibenbänder, die Gelenkkapsel vom Femoropatellar-und Femorotibialgelenk, Teile der Knorpel- bzw. Knochenoberfläche der Gelenke (insbesondere das kraniale und kaudale Drittel der Femurrollkämme), die Meniskenbänder (allerdings nicht das kaudale Halteband des medialen Meniskus), Teile der Menisken, die gemeinsame Ursprungssehne der Mm. extensor digitalis longus und fibularis tertius sowie die Ursprungssehne des M. popliteus darstellen lassen. Auch die Kreuzbänder sind zwar identifizierbar, der diagnostische Wert der sonographischen Darstellung ist jedoch fraglich [4]. Zusätzliche Informationen liefert die diagnostische Arthroskopie des Kniegelenkes (s. Kap. 3.2. image (10)). Sind die Läsionen des Weichteilgewebes mit Ausrissfrakturen oder Knochenzubildungen verbunden, lassen sich mitunter auch röntgenologische Veränderungen feststellen.

Auch Frakturen im Bereich des Kniegelenkes, die i. d. R. traumatisch bedingt sind, können eine Ursache für eine Lahmheit sein. So werden z. B. Patellafrakturen besonders häufig bei Springpferden beobachtet, die sich im Kniebereich an ein Hindernis angeschlagen haben. Am häufigsten treten Sagittalfrakturen im medialen Teil der Patella mit Beteiligung des Patellaknorpels und somit des Ansatzes des medialen Kniescheibenbandes auf, wobei meist auch eine Beteiligung des Femoropatellargelenkes vorliegt. Darüber hinaus können auch Transversal-, Basis- oder Trümmerfrakturen vorkommen [34, 35]. Insbesondere Apexfrakturen werden auch häufig im Zusammenhang mit einer Desmotomie des medialen Kniescheibenbandes (siehe proximale Kniescheibenfixation, Kap. 3.4 image (1)) beschrieben [4]. Bei einer Fraktur ohne Gelenkbeteiligung und kleineren, nicht verlagerten Fragmenten ist eine konservative Therapie möglich. Andernfalls ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert, wobei Fragmente bis zu einer Größe von einem Viertel der Patella arthroskopisch oder arthrotomisch entfernt werden können. Bei größeren Frakturfragmenten ist eine interne Fixation nötig [35, 36].

 

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Abb. 3.2-4: Punktion des lateralen Femorotibialgelenkes: zwischen M. ext. dig. longus und lat. Kollateralband (1) bzw. in den Rec. subextensorius (2), Punktion des Femoropatellargelenkes: (3/4) kranialer Zugang, (5) lateraler Zugang. (Abb.: Archiv, Institut f. Veterinär-Anatomie, Berlin, modifiziert.)

 

Aufgrund der unterschiedlich ausgeprägten Kommunikation zwischen den drei synovialen Kompartimenten des Kniegelenkes müssen die synovialen Räume bei der intraartikulären Anästhesie einzeln punktiert werden. Das mediale Femorotibialgelenk ist zwischen dem medialen Kniescheibenband und dem medialen Kollateralband zugänglich. Zur Gelenkspunktion wird die Kanüle ca. 1–2 cm proximal des palpierbaren Tibiarandes senkrecht durch die Haut gestochen und nahezu horizontal bis ins Gelenk vorgeschoben. Die Punktion des lateralen Femorotibialgelenkes ist zwischen der Sehne des M. extensor digitalis longus und dem lateralen Kollateralband direkt proximal vom lateralen Tibiarand möglich. Die Kanüle wird dabei in horizontaler und leicht kaudaler Richtung eingestochen (Abb. 3.2–4_1). Alternativ kann das Gelenk in gleicher Höhe zwischen der Sehne des M. extensor digitalis longus und dem lateralen Kniescheibenband punktiert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Gelenkspunktion ist über den Recessus subextensorius gegeben. Dabei wird die Kanüle direkt vor der gemeinsamen Ursprungssehne der Mm. extensor digitalis longus und fibularis tertius etwa in Höhe der Tuberositas tibiae in proximomedialer Richtung eingestochen (Abb. 3.2–4_2). Die Punktion des Femoropatellargelenkes erfolgt lateral oder medial vom mittleren Kniescheibenband 2–4 cm proximal der Tuberositas tibiae bzw. direkt unterhalb der Patella, wobei die Kanüle senkrecht durch die Haut bzw. leicht nach proximal gerichtet eingestochen wird (Abb. 3.2–4_3/_4). Alternativ ist die Punktion des Femoropatellargelenkes von lateral möglich. Dazu wird die Kanüle kaudal vom lateralen Kniescheibenband ca. 5 cm proximal vom lateralen Kondylus der Tibia senkrecht zur Längsachse des Os femoris eingestochen und zwischen dem lateralen Kniescheibenband und dem lateralen Rollkamm in das Gelenk (ca. 1,5–2 cm) vorgeschoben (Abb. 3.2–4_5) [37]. Zur Anästhesie werden in das entsprechende Gelenk jeweils 20–30 ml 2%iges Anästhetikum injiziert [24]. Bei der Interpretation der Gelenksanästhesie ist zu berücksichtigen, dass die drei Gelenksäcke teilweise kommunizieren können. Außerdem muss auch mit einer Diffusion des Anästhetikums in die benachbarten Gelenkskompartimente gerechnet werden [38].

Zur Arthroskopie des Kniegelenkes siehe Kap. 3.2 image (10).

 

 

(3)_____Das Sprunggelenk (Tarsalgelenk) ist aus verschiedenen Gelenken zusammengesetzt, die zum Teil eigene Synovialhöhlen besitzen. Das Tarsokruralgelenk (Talokruralgelenk), das sich zwischen der Tibia und dem Talus befindet, ist hauptsächlich für die Beweglichkeit im Sprunggelenk verantwortlich. Es weist vier Rezessus auf, die sich bei vermehrter Füllung des Gelenkes nach außen vorwölben (sog. Kreuzgalle). Die beiden dorsalen Gelenksaussackungen liegen medial und lateral von den Sehnen der Extensoren (Mm. extensor digitalis longus, fibularis tertius und tibialis cranialis), die beiden plantaren Aussackungen befinden sich proximoplantar des medialen bzw. lateralen Malleolus tibiae. Es besteht immer eine Kommunikation mit dem proximalen Intertarsalgelenk (im englischen Sprachgebrauch auch als talocalcanealcentroquatral joint bezeichnet)*, einem straffen Gelenk zwischen der proximalen und der mittleren Tarsalknochenreihe. Ein weiteres straffes Gelenk mit einer gewissen klinischen Bedeutung ist das Talokalkanealgelenk, das sich zwischen dem Talus und dem Kalkaneus befindet und ebenfalls mit dem Tarsokruralgelenk kommuniziert. Auch das zwischen mittlerer und distaler Tarsalknochenreihe ausgebildete distale Intertarsalgelenk** sowie das Tarsometatarsalgelenk (zwischen distaler Tarsalknochenreihe und Mt II–IV) sind straffe Gelenke, die kaum Beweglichkeit zulassen.

Bei etwa einem Drittel der Pferde kommuniziert das Tarsometatarsalgelenk mit dem distalen Intertarsalgelenk, wobei die Synovialräume insbesondere im Bereich des Tarsalkanales*** sowie zwischen Ostarsale III und dem fusionierten Os tarsale I+II in Verbindung stehen. Sehr selten wurde sogar eine Kommunikation des Tarsometatarsalgelenkes mit dem proximalen Intertarsal- und dem Tarsokruralgelenk beobachtet [39, 40].

Erkrankungen im Sprunggelenk sind eine der häufigsten Lahmheitsursachen beim Sportpferd. Eine besondere Rolle spielen degenerative Gelenkveränderungen (Spat), die meist bilateral auftreten. Am häufigsten sind das distale Intertarsal- und das Tarsometatarsalgelenk, seltener das proximale Intertarsal- oder das Talokalkanealgelenk betroffen. Gewöhnlich tritt die Erkrankung bei älteren Sportpferden in Erscheinung, sie kann jedoch auch bei Jungtieren vorkommen (juveniler Spat). Eine besondere Prädisposition scheinen Islandpferde zu besitzen. Häufiges klinisches Zeichen dieser Erkrankung ist eine Hinterhandlahmheit bzw. -steifheit, die sich in der Bewegung bessert. Die Beugeprobe des Sprunggelenkes (sog. Spatprobe) verstärkt i. d. R. die Lahmheit und auch die Druckpalpation im medialen Bereich des distalen Tarsus (Churchill-Test) ist oft schmerzhaft [41]. Röntgenologisch lassen sich u. a. eine Verengung des Gelenkspaltes, subchondrale Bereiche mit Sklerosierungen (Knochenverdichtungen) bzw. Osteolyse (Knochenauflösungen) sowie periartikuläre Knochenzubildungen darstellen (Abb. 3.2–5a). Die röntgenologischen Veränderungen sind typischerweise zunächst dorsomedial (beim Islandpferd allerding eher dorsolateral) in Höhe der distalen Sprunggelenke ausgebildet und können in fortgeschrittenen Fällen auch fühl- oder sogar sichtbar sein. Insbesondere beim Traber können mitunter auch entzündliche Veränderungen im Bereich der medialen Endsehne des M. tibialis cranialis (Spatsehne) bzw. des daruntergelegenen Schleimbeutels vorliegen [42]. Die beschriebenen Knochenzubildungen bzw. Weichteilveränderungen können zu einer Umfangsvermehrung im medialen Bereich der distalen Sprunggelenke führen (sog. Spatknoten). Zu den konservativen Therapiemöglichkeiten gehören ein orthopädischer Hufbeschlag einschließlich Hufkorrektur, eine systemische und lokale Medikamentation sowie ein adaptatives Bewegungsprogramm. Neuerdings wird auch die Anwendung der Stoßwelle empfohlen [43]. Ist die konservative Behandlung unzureichend, können verschiedene chirurgische Therapiemaßnahmen angewendet werden. Beschrieben werden u. a. eine partielle Entfernung des Gelenkknorpels des distalen Intertarsal- bzw. Tarsometatarsalgelenkes zur Förderung der Ankylose (Versteifung) des entsprechenden Gelenkes, eine Tenektomie (Durchtrennung mit partieller Entfernung) der Spatsehne, ein Anbohren des subchondralen Knochens von Os tarsale III, Os tarsi centrale und Mt III zur Reduktion des intraossären Druckes sowie eine Neurektomie des N. fibularis profundus und partiell des N. tibialis [44, 45].

Eine weitere wichtige Erkrankung des Sprunggelenkes ist die Osteochondrose im Talokruralgelenk, die insbesondere bei Trabern und Warmblutpferden verhältnismäßig häufig vorkommt. Typische Lokalisationen der osteochondrotischen Veränderungen sind der kraniale Sagittalkamm der Tibia (86–95 %) und der distale Bereich des lateralen Talusrollkammes (5–11 %) [28, 39], gelegentlich ist auch der mediale Malleolus der Tibia oder der mediale Rollkamm des Talus betroffen. Röntgenologisch ist eine unregelmäßige Kontur bzw. Abflachung der subchondralen Knochenoberfläche oder eine Fragmentation einer Knorpel-Knochen-Schuppe festzustellen (Abb. 3.2–5b), wobei die Veränderungen oft bilateral auftreten. Zusätzliche Informationen über die Knorpel-Knochenoberfläche lassen sich mittels einer sonographischen Untersuchung erheben. Die osteochondrotischen Läsionen entstehen häufig schon im ersten Lebensmonat, sind größtenteils jedoch nur temporär und können sich spontan zurückbilden. Veränderungen, die sich mit fünf Monaten noch nachweisen lassen, sind dagegen i. d. R. permanent [28]. Klinische Symptome (vermehrte Gelenkfüllung/Lahmheit) treten allerdings häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, wenn mit der schwereren Arbeit begonnen wird. Liegen derartige klinische Erscheinungen vor, so ist eine chirurgische Therapie (arthroskopische Kürettage des Knorpels bzw. Entfernung des Fragmentes) indiziert.

Die Punktion des Tarsometatarsalgelenkes erfolgt plantarolateral direkt proximal vom lateralen Griffelbein, wo eine leichte Vertiefung palpiert werden kann. In diese Vertiefung wird die Kanüle zwischen dem Griffelbein und dem Os tarsale IV in dorsomedialer und leicht distaler Richtung eingestochen (Abb. 3.2–6_5). Zur Anästhesie des Tarsometatarsalgelenkes werden 4–8 ml eines 2 %igen Lokalanästhetikums injiziert [24]. Bei der Interpretation der Gelenksanästhesie ist die relativ häufige Kommunikation des Tarsometatarsalgelenkes mit dem distalen Intertarsalgelenk zu beachten. Auch diffusionsbedingte Desensibilisierungen benachbarter Strukturen (proximale Gelenksabteilungen des Tarsalgelenkes, Tarsalbeugesehnenscheide, Insertion des M. fibularis tertius und des M. tibialis cranialis sowie Nn. metatarsei plantares und dorsales) sind möglich [38, 46].

 

 

 

Die Punktion des distalen Intertarsalgelenkes erfolgt von medial im Bereich einer Vertiefung zwischen dem fusionierten Os tarsale I+II, dem Os tarsale III und dem Os tarsi centrale. Dabei wird die Kanüle durch bzw. direkt distal der medialen Endsehne des M. tibialis cranialis (Spatsehne) senkrecht zur Haut eingestochen (Abb. 3.2–6_3). Alternativ kann das distale Intertarsalgelenk auch von dorsolateral punktiert werden, wobei die Kanüle in Höhe des Gelenkspaltes direkt lateral von der Sehne des M. extensor digitalis longus eingestochen wird (Abb. 3.2–6_4) [47]. Zur Anästhesie des Gelenkes ist die Injektion von 4–5 ml 2%igem Anästhetikum nötig [24].

Die Punktion des Talokruralgelenkes erfolgt i. d. R. in der dorsomedialen Gelenksaussackung, wobei die Kanüle ca. 2,5–4 cm distal vom gut palpierbaren Malleolus medialis der Tibia entweder kranial oder kaudal vom R. cranialis der V. saphena medialis senkrecht durch Haut gestochen wird (Abb. 3.2–6_1). Bei stärkerer Gelenkfüllung kann alternativ auch der plantarolaterale Rezessus punktiert werden (Abb. 3.2–6_2). Zur Anästhesie des Talokruralgelenkes werden 20–30 ml 2%iges Anästhetikum in das Gelenk injiziert, wobei immer auch das proximale Intertarsalgelenk desensibilisiert wird, da beide Synovialräume miteinander kommunizieren [24].

Zur Arthroskopie des Talokruralgelenkes siehe Kap. 3.2 image (10). Die Gegebenheiten an den Zehengelenken der Hintergliedmaße entsprechen den Verhältnissen an der Vorderextremität.

Das Lig. plantare longum entspringt proximoplantar am Fersenbeinhöcker, verläuft plantarolateral nach distal und setzt am lateralen Griffelbein (Mt IV) sowie am Os tarsale IV und distal am Kalkaneus an. Eine entzündungsbedingte Verdickung dieses Bandes ist bei seitlicher Betrachtung im plantarodistalen Bereich des Tarsus als Vorwölbung sichtbar (sog. Hasenhacke, s. auch Abb. 3.3–2).

(4)_____Die Bursa trochanterica, die unter der Ansatzsehne des M. gluteus medius am Trochanter major ossis femoris liegt (Abb. 3.2–1), kann gelegentlich entzündlich verändert sein. Zur Punktion dieses Schleimbeutels wird die Kanüle direkt in Höhe der Pars cranialis des Trochanter major horizontal durch die Haut eingestochen und bis zum Knochenkontakt vorgeschoben [48].

(5)_____Eine vermehrte Füllung der Bursa subtendinea calcanea m. flexoris dig. superficialis wird als Eiergalle bezeichnet. Typisch ist eine i. d. R. fluktuierende Umfangsvermehrung medial und lateral unterhalb der oberflächlichen Beugesehne im Bereich des Fersenbeinhöckers (Sehnenscheide der Achillessehne). Ist dagegen die Bursa subcutanea calcanea vermehrt gefüllt, kann eine lokal umschriebene Umfangsvermehrung über dem Fersenbeinhöcker zwischen der oberflächlichen Beugesehne und der Haut festgestellt werden (sog. Piephacke, siehe auch Abb. 3.2–7).

(6)_____Die Bursa subtendinea m. tibialis cranialis (B. dieckerhoffi/B. cunealis, Spatschleimbeutel) liegt unterhalb der Spatsehne im Bereich ihres Ansatzes am fusionierten Os tarsale I+II (Abb. 3.2–7). Die Entzündung von Spatschleimbeutel bzw. Spatsehne kann gelegentlich eine Rolle beim Spat spielen. Zur Punktion der Bursa wird die Kanüle durch die Spatsehne eingestochen und bis auf den Knochen vorgeschoben. Alternativ kann der Einstich auch direkt distal der Spatsehne erfolgen, wobei anschließend die Kanüle unter der Sehne nach proximal geschoben wird. Für die Anästhesie des Spatschleimbeutels sind 3–5 ml eines 2%igen Lokalanästhetikums nötig [24].

(7)_____Die Tarsalbeugesehnenscheide umgibt die gemeinsame Endsehne der Mm. flexor digitalis lateralis und tibialis caudalis (die beide Anteile der tiefen Beugesehne sind). Sie beginnt proximal in Höhe des Fersenbeinhöckers und reicht distal bis zu 7 cm unterhalb des Tarsometatarsalgelenkes. Im Falle einer vermehrten Füllung der Tarsalbeugesehnenscheide ist diese insbesondere medial, mitunter jedoch auch lateral des Kalkaneus als Vorwölbung sichtbar (Kurbengalle), wobei im mittleren Bereich eine Einziehung durch das verhältnismäßig straffe Retinaculum flexorum gegeben ist. Da der proximale Anteil der Tarsalbeugesehnenscheide in direkter Nachbarschaft der plantaren Rezessus des Tarsokruralgelenkes liegt (Abb. 3.2–7), muss bei Verletzungen im plantaren Tarsalbereich differenzialdiagnostisch eine Eröffnung beider synovialer Strukturen in Erwägung gezogen werden. Die Punktion der Sehnenscheide kann in ihrer proximalen oder distalen Aussackung erfolgen, wobei zur Anästhesie 10–15 ml 2%iges Lokalanästhetikum notwendig sind [24]. Die Sehne des M. flexor digitalis medialis vereinigt sich am Proximalende des Metatarsus mit den Sehnen der Mm. flexor digitalis lateralis und tibialis caudalis zur tiefen Beugesehne und an dieser Stelle fusionieren in den meisten Fällen auch die zugehörigen Sehnenscheiden (Abb. 3.2–7)

 

 

 

Die weiteren synovialen Strukturen im Bereich des Tarsus, die bei Verletzungen im Tarsalbereich differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden müssen, sind in Abb. 3.2–7 dargestellt.

(8)_____Die Wand synovialer Einrichtungen, wozu die echten Gelenke (Diarthrosen), Sehnenscheiden (Vaginae tendinis) und Schleimbeutel (Bursae synoviales) gehören, besteht aus der Synovialis (Stratum synoviale) aus lockerem Bindegewebe, welche sich in eine Intima und Subintima untergliedern lässt und der Fibrosa (Stratum fibrosum) aus straffem Bindegewebe. Die „Synovialis“ sollte nicht mit der „Synovia“, der Gelenkschmiere im Gelenkraum verwechselt werden. Die Intima der Synovialis weist zwei besondere Zellen auf: Phagozytoseaktive A-Zellen, die einen lückenhaften epithelähnlichen Zellverband zur Gelenkhöhle bilden und B-Zellen, die für die Bildung der perizellulären Matrix (besonders von Hyaluronsäure) verantwortlich sind. In der Subintima der Synovialis liegen zahlreiche Blut- und Lymphgefäße, mechanoaktive Endorgane (Pacinische und Ruffinsche Körperchen) und freie Nervenendigungen.

Erkrankungen der echten Gelenke und Sehnenscheiden treten beim Pferd häufig auf und werden im reiterlichen Sprachgebrauch als „Gallen“ bezeichnet. Darüber hinaus existieren für einige Entzündungen der Gelenke (Synovialitiden) bzw. Sehnenscheiden (Tendovaginitiden) aufgrund ihrer Lokalisation spezielle Eigennamen: z. B. „Kreuzgalle“ für Umfangsvermehrungen im oberen Sprunggelenk (Tarsokruralgelenk), „Windgallen“ im Bereich des Fesselgelenkes u. s. w.

Man unterscheidet angeborene und erworbene Gallen, die auf eine Schwäche der Gelenkkapsel (i. d. R. angeboren) oder im Fall erworbener Gelenkgallen auf Fehlstellungen des Gelenkes, Traumata oder Lageveränderungen von Sehnen zurückzuführen sind. Auch eitrige und nichteitrige Umfangsvermehrungen synovialer Einrichtungen als Folge einer bakteriellen Allgemeininfektion treten auf. Aufgrund des dichten Besatzes von initialen Lymphgefäßen in der Kapsel synovialer Einrichtungen kann therapeutisch auch die Manuelle Lymphdrainage (MLD) zur Anwendung kommen (siehe unten), sofern keine Allgemeininfektion vorliegt (Gefahr der Keimverschleppung).

(9)_____Die Lymphgefäße in der Wand der Gelenke (oder auch Sehnenscheiden) sind bisher wenig beachted worden. Das initiale Lymphgefäßnetz (Abb. 3.2–8) liegt in der Subintima der Capsula synovialis assoziiert mit fenestrierten Blutkapillaren. Die Gelenkflüssigkeit (Synovia) ist zwar weitgehend ein Dialysat der Blutkapillaren, jedoch steuern auch die B-Zellen (spezialisierte Fibroblasten) Hyaluronsäure (2–3 mg/ml) der Gelenkschmiere bei. Die Funktion der initialen Lymphgefäße besteht im Wesentlichen darin, die Hyaluronsäure und die aus den Blutgefäßen transudierten Proteine (immerhin 15–25 mg/ml) im Rahmen der Erneuerung der Synovia zu reabsorbieren, da Hyaluronsäure und Proteine auch in anderen Organen (z. B. in der Haut und in den Sehnen) nicht durch Blutgefäße absorbiert werden können. Grundsätzlich können Gelenkergüsse punktiert, aber auch durch Manuelle Lymphdrainage drainiert werden. Die Bewältigung von Synovia durch Lymphgefäße ist dadurch erleichtert, dass die A-Zellen keine geschlossene Zellbarriere zum Synovialraum bilden und auch der Endothelüberzug der initialen Lymphgefäße Öffnungen aufweist. So ist es möglich, den Passageweg der Gelenkflüssigkeit bis zu den efferenten Lymphgefäßen durch Applikation eines Röntgenkontrastmittels in den Gelenkraum radiologisch nachzuweisen (Abb. 3.2–9).

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  • BUDRAS ANATOMIE (Autor:in)

Die Herausgeber der 7. Auflage repräsentieren die Veterinäranatomie an den Standorten in Berlin, Hannover, Leipzig und München. Zu den Mitautoren gehören Anatomen und Kliniker aus zahlreichen nationalen und internationalen Einrichtungen.
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Titel: Atlas der Anatomie des Pferdes