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Aktiv trotz Demenz

Handbuch für die Aktivierung und Betreuung von Demenzerkrankten

von Johanna Radenbach (Autor:in)
208 Seiten

Zusammenfassung

Demenzerkrankte aktivieren – aber wie? Welche Spiele, welche Beschäftigungen, welche Bewegungsübungen eignen sich eigentlich für diesen Personenkreis?

Dieses Buch ist eine Fundgrube für die Aktivierung und Betreuung von Demenzerkrankten. Professionellen Pflegekräfte und Laien bietet es Fachwissen und viele Ideen zur einfachen, kreativen und sinnvollen Aktivierung. Die meisten Aktivitäten lassen sich zeitlich flexibel einsetzen und sind deshalb auch gut für kurze Aktivierungen geeignet.

In gewohnt kompakter Weise greift die 3., aktualisierte und ergänzte Neuauflage die ganze Bandbreite an Beschäftigungsmöglichkeiten auf.
Sie enthält zudem ausführliche Materiallisten, sodass jede Aktivierung schnell vorbereitet und umgesetzt werden kann.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


DANKSAGUNG

Zahlreiche Personen unterstützten mich beim Schreiben dieses Buches, die an dieser Stelle unbedingt Erwähnung verdienen. Bedanken möchte ich mich bei meiner Familie, insbesondere bei meinen Eltern, für das stete Erinnern an Entspannungspausen und das Korrekturlesen. Dr. Katrin Radenbach hat mir mit den medizinischen Informationen über die Demenzerkrankung sehr geholfen. Michael Lange danke ich für das konstante Bereitstehen zur Reflexion des Buchinhalts. Das Fachlektorat führte Corina Mohr durch. Sie hat den Text auf Inhalt und Form überprüft, dafür danke ich ihr sehr. Nadja Nowotzin danke ich für Ergänzungen im Kapitel »Themenorientierte Gruppenstunden« und ihre Ideen für das Kapitel »Demenzbetroffenen erfolgreich vorlesen«. Ganz besonders bedanke ich mich bei allen Mitgliedern der Website über Ergotherapie bei Demenz – EbeDe.net (www.EbeDe.net). Ihre vielen Betätigungsideen für Demenzerkrankte bereichern dieses Buch. Den Mitgliedern des Fachkreises Ergotherapie und Demenz unter der Leitung der Demenzexpertin Gudrun Schaade danke ich für den inspirierenden Austausch.

Johanna Radenbach

1 EINLEITUNG

Betätigung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Menschen mit fortgeschrittener Demenz haben jedoch durch kognitive Einschränkungen meist die Fähigkeit verloren, aus eigenem Antrieb heraus eine Tätigkeit zu beginnen und den eigenen Wünschen entsprechend aktiv zu werden – das ist ein typisches Merkmal ihrer Erkrankung. Betreuende Personen wie Ergotherapeuten, Altenpfleger, ehrenamtliche Helfer oder Angehörige sollen die nötige Unterstützung bieten. Ihnen hilft dieses Buch mit Fachwissen und vielen Ideen zur einfachen, kreativen und sinnvollen Aktivierung ihres Patienten, ihres kranken Familienmitglieds oder Freunds. Sie können seine Lebensqualität wieder steigern.

Die vorgestellten Tätigkeiten dienen aber auch dazu, verbliebene Fähigkeiten möglichst lange Zeit zu erhalten. Außerdem stabilisieren gelungene Aktivitäten das Selbstbewusstsein der oft verunsicherten Kranken und lenken ihren Antrieb in geordnete Bahnen. Gemeinsam erlebte Tätigkeiten fördern zudem die guten Beziehungen zwischen allen teilnehmenden Personen. Nicht zuletzt verhindern überlegt durchgeführte Aktivitäten, dass sich Betreuer im Umgang mit Demenzerkrankten hilflos fühlen. Gut abgestimmte Aktivierungen verleihen solchen Begegnungen die nötige Struktur. Zwar lassen sich krankheitsbedingte Einschränkungen dadurch nicht mehr aufheben. Aber bei allem gilt: Nicht das perfekte Resultat einer Tätigkeit zählt, sondern ein befriedigendes Tun.

Die Umsetzung der im Buch beschriebenen Aktivitäten kann und soll keine professionelle Behandlung vom Ergotherapeuten ersetzen. Nicht die »Therapie« sondern die »Aktivierung« des Demenzerkrankten steht im Mittelpunkt. Obgleich diesem Buch ein ergotherapeutischer Ansatz zugrunde liegt, können alle anderen Berufsgruppen, die mit Demenzerkrankten zu tun haben, die beschriebenen Aktivitäten problemlos anpassen. Damit das Buch nicht nur die beruflich in der Altenpflege tätigen Personen anspricht, erleichtert der Verzicht von Fachvokabular die Lektüre.

Oft wird die fehlende Zeit für Aktivitäten beklagt. Die meisten im Buch beschriebenen Aktivitäten sind jedoch zeitlich flexibel einsetzbar und deshalb auch gut für kurze Aktivierungen geeignet. Die Nutzung von Alltagsgegenständen oder selbst hergestellte Therapiematerialien ermöglicht die Aktivierung zu geringen Kosten.

Als Mitgründerin und Redakteurin der Online-Community »EbeDe.net – Ergotherapie bei Demenz« (www.EbeDe.net), konnte ich aus den vielen dort abgehaltenen Fachdiskussionen erkennen, welche Aktivitäten besonders erfolgreich sind. Das vorliegende Buch stützt sich auf meine Erfahrung als Ergotherapeutin in Seniorenheimen, auf die vielfältigen Beiträge dieser Website wie auch auf gängige Behandlungsverfahren für Demenzerkrankte.

Die eine Aktivität für Demenzerkrankte schlechthin gibt es nicht. Angesichts der Vielzahl an Konzepten und Modellen zur Betreuung und Therapie von Demenzerkrankten ist dieses Buch daher nicht auf ein bestimmtes Konzept festgelegt. Die Erfahrung vieler Experten zeigt, dass die Therapie und Betreuung von Demenzerkrankten am besten verläuft, wenn nicht ausschließlich nach einem bestimmten Schema gearbeitet wurde. Jeder Demenzerkrankte ist anders, was nicht alle Konzepte berücksichtigen. Der Therapeut oder Betreuer sollte den unterschiedlichen Methoden die Teile entnehmen, die am hilfreichsten sind. Doch trotz der Einzigartigkeit jedes Demenzerkrankten gibt es bei der Aktivierung einige Prinzipien, die immer gelten. Sie werden in diesem Buch aufgezeigt. Die Betreuungsperson muss den demenziell Erkrankten stets gut beobachten und gegebenenfalls einiges versuchen, bis sie die passenden Aktivitäten gefunden hat. Dabei hilft dieses Buch als Nachschlagwerk. Es bietet Anregungen, die den Erkrankten erfahrungsgemäß gut tun. Manche individuelle Tätigkeiten, die der Patient früher mit Freude ausgeübt hat, sind mittlerweile zu schwierig geworden. Oft lassen sie sich aber vereinfachen und an den Gesundheitszustand anpassen.

Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Aktivieren von Demenzerkrankten werden aber auch oft unterschätzt. Die Betreuungskräfte sollten nicht ohne Fachwissen und Vorüberlegungen den Erkrankten gegenübertreten und unbedacht mit ihnen eine Tätigkeit ausführen, die auf den ersten Blick sinnvoll erscheint. Hier ein Beispiel:

Eine Pflegekraft liest einer Gruppe von Demenzerkrankten im Seniorenheim das Märchen Schneewittchen vor. Ziel ist, dass die Bewohner interessiert zuhören und sich im Idealfall an das Märchen erinnern. Nach wenigen Sätzen schlafen fast alle Teilnehmer ein. Warum kam es zu diesem Fehlschlag? Die Pflegekraft wusste nicht, dass sich viele demenziell erkrankte Personen nicht allein durch Vorlesen angesprochen fühlen. Das Verstehen von Erzählungen erfordert begrifflich-logisches Denken und die Erfassung räumlich-zeitlicher Zusammenhänge. Diese Vermögen sind bei Menschen mit einer mittelschweren Demenz bereits erheblich eingeschränkt. Zusätzlich wirkt eine im ungünstigen Fall monoton klingende Vorlesestimme einschläfernd. Nachdem sich die Pflegekraft mit Hilfe von Fachliteratur mit der Aktivierung von Demenzerkrankten beschäftigt hat, setzt der Erfolg ein: Sie rekonstruiert das Märchen mit der Gruppe, indem die Teilnehmer bekannte Märchenzitate, wie etwa »Spieglein, Spieglein, an der Wand …« ergänzen und rhythmisch mitklatschen. Beim Satz »Weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz« suchen die Teilnehmer die entsprechenden Farbkarten auf dem Tisch. Zur Sinnesstimulation reicht die Pflegekraft den Gruppenteilnehmern Materialien, die zum Märchen passen: Schneewittchen als Handpuppe, einen Gartenzwerg, einen Spiegel, einen Apfel, einen Kamm und einen Gürtel. Verglichen mit der ersten Situation wirken die Teilnehmer deutlich wacher. Manche Personen, die noch sprechen können, erzählen das Märchen mit und erproben die mitgebrachten Gegenstände. Andere, die wegen ihrer schweren Demenz nur noch wenig Kontakt zur Umwelt aufnehmen können, betasten interessiert die Materialien. Die Pflegekraft hilft ihnen dabei. Einige Teilnehmer kommunizieren sogar durch einfache Worte miteinander, was sie vorher kaum getan haben: Die Aktivierung ist also ein voller Erfolg.

Das Beispiel zeigt, wie die vorhandenen Fähigkeiten der Erkrankten geweckt werden können. Die Personen fühlen sich positiv angesprochen und herausgefordert. Gleichzeitig spüren sie, dass sie selbst noch aktiv am Leben teilnehmen. Eine umfangreiche Aktivierung Demenzerkrankter besteht aus vielfältigen Tätigkeiten. Ausführliche Anleitungen liefert das vierte Kapitel.

Nichts ist so gut, als dass es nicht noch verbessert werden könnte. Das gilt auch für dieses Buch. Anmerkungen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge sind sehr willkommen, um sie in künftige Auflagen aufzunehmen. Bitte schicken Sie diese per E-Mail an die Adresse j.radenbach@ebede.net.

2 DEMENZ

Betreuer von demenziell erkrankten Menschen müssen kein Expertenwissen über Demenzerkrankungen besitzen. Sie sollten aber über die Krankheit in ihren Grundzügen Bescheid wissen, um das oft befremdliche Verhalten der Patienten zu verstehen und typische Schwierigkeiten zu erkennen, die den Demenzerkrankten hindern, an Aktivitäten teilzunehmen. Es gibt zahlreiche Bücher über die Grundlagen von Demenz. Das folgende Kapitel ist speziell auf das erforderliche Wissen von Aktivitätsbegleitern ausgerichtet.

2.1 Was ist Demenz?

2.1.1 Begriff

Der Begriff »Demenz« stammt aus dem Lateinischen von »mens/mentis« und bedeutet übersetzt »Verstand« oder »Geist«. Wörtlich bedeutet Demenz somit »weg vom Geist« oder »ohne Geist«.

2.1.2 Diagnostik

Nach der aktuell gültigen Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) ist für die Diagnose einer Demenz die Beeinträchtigung des Kurz- und Langzeitgedächtnisses sowie des abstrakten Denkens erforderlich. Hinzu kommen Sprachstörungen (Aphasie), Unfähigkeit zum zweckmäßigen Handeln trotz intakter Fähigkeiten zu Einzelbewegungen (Apraxie), Wahrnehmungsstörungen trotz intakter Sinnesorgane (Agnosie) und Persönlichkeitsveränderungen. Die kognitiven Störungen werden in der Regel von einer Verminderung der Affektkontrolle sowie einer Störung des Antriebs und des Sozialverhaltens begleitet. Damit die Diagnosekriterien für eine Demenz erfüllt sind, muss der Erkrankte mindestens sechs Monate lang die aufgezählten Symptome aufweisen.

Die Demenz vom Alzheimertyp ist eine von vielen Demenzerkrankungen und mit 60 % die häufigste Demenzform. Letztlich kann erst nach umfangreichen Tests und Beratungsgesprächen eine Demenz festgestellt und anschließend Empfehlungen für Behandlungen mit den besten Erfolgsaussichten gegeben werden.

2.2 Entdeckung und Erforschung von Demenz

2.2.1 18. Jahrhundert

Gemäß der Deutschen Alzheimergesellschaft e.V. wurde der Begriff »Demenz« im 18. Jahrhundert in der Juristen- und Umgangssprache für jede Form geistiger Störung verwendet. Ende des 18. Jahrhunderts benutzten Ärzten den Begriff zur Bezeichnung eines Nachlassens der intellektuellen Kräfte und der Unfähigkeit zu logischem Denken. Lange Zeit wurde in der deutschsprachigen Psychiatrie nur das Endstadium des intellektuellen Abbaus als »Demenz« bezeichnet.

2.2.2 19. Jahrhundert

Demenz wurde erstmals von Alois Alzheimer (1864–1915), Psychiater und Gehirnpathologe, genauer erforscht. Er beobachtete die Erkrankung, beschrieb die neurologischen Veränderungen und untersuchte das Gehirn von Erkrankten nach ihrem Tod. Alzheimer begegnete 1901 der Patientin Auguste Deter, die ihn berühmt machte. Augustes Ehemann brachte sie in eine Frankfurter Anstalt, nachdem sie sich plötzlich stark verändert hatte: Auguste konnte die einfachsten Dinge im Haushalt nicht mehr verrichten. Sie versteckte alle möglichen Haushaltsgeräte. Sie sprach davon, verfolgt und belästigt zu werden und belästigte selbst in aufdringlicher Weise die Nachbarschaft. Alzheimer stellte fest, dass die Patientin keine Orientierung hinsichtlich Zeit und zu ihrem Aufenthaltsort hatte. Sie erinnerte sich kaum an Einzelheiten aus ihrem Leben und gab oft Antworten, die in keinem Bezug zur Frage standen. Augustes Stimmungen wechselten schnell zwischen Euphorie, Argwohn, Furcht und Weinerlichkeit. Man konnte sie nicht allein durch die Anstalt gehen lassen, da sie den anderen Patienten ins Gesicht fasste. Alzheimer war schon vor dem Zusammentreffen mit Auguste geistig verwirrten Menschen begegnet. Er nahm den Zustand dieser Menschen aber als eine natürliche Gegebenheit an, weil die Patienten oft über 70 Jahre alt waren. Augustes Zustand interessierte ihn, denn zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme in die Anstalt war sie erst 51 Jahre alt. Nach ihrem Tod untersuchte Alzheimer ihr Gehirn. Die Obduktion ergab eine Reihe von Anormalitäten: Die Hirnrinde war dünner als gewöhnlich. Außerdem waren Ablagerungen eigentümlicher Stoffwechselprodukte in Form von Plaques zu finden. Er gab dem Krankheitsbild einen Namen: »Die Krankheit des Vergessens«.

2.2.3 20. Jahrhundert

Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts rückte die Erkrankung in das Interesse der Öffentlichkeit. Die Demenzerkrankungen berühmter Persönlichkeiten, wie zum Beispiel die der Schauspielerin Rita Hayworth, spielten dabei eine wichtige Rolle. Seitdem wurden unterschiedliche Medikamente zur Demenzbehandlung entwickelt. Keines davon kann bislang die primäre Demenz (siehe Kapitel 2.4.1) heilen. Sie tragen jedoch zur Verzögerung des Krankheitsverlaufs bei (Schaade 2008).

2.3 Aktuelle Zahlen und Krankheitslehre

2.3.1 Häufigkeit

Laut der Deutschen Alzheimergesellschaft e. V. leben gegenwärtig etwa 1 Million demenzerkrankte Menschen in Deutschland. In der Literatur wird Demenz als eine der häufigsten Alterserkrankungen beschrieben. Jährlich treten mehr als 250.000 Neuerkrankungen auf. Sofern kein Durchbruch in der Therapie gelingt, wird sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln. Mit zunehmendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, an Demenz zu erkranken. Etwa bei jedem dritten 65 Jahre alten Menschen tritt im weiteren Altersverlauf eine Demenz auf.

2.3.2 Ursachen

Eine primäre Demenz (siehe Kapitel 2.4.1) wird durch pathologische Eiweißablagerungen (degenerative Demenz) oder durch Verengungen von Gefäßen im Gehirn (vaskuläre Demenz) hervorgerufen. Noch immer ist die Ursache dieser Veränderungen im Gehirn nicht sicher bekannt, daher gibt es noch keine Möglichkeiten, die Erkrankung zu stoppen. Die Symptome können durch eine frühzeitige Diagnose, durch geeignete Medikation sowie durch vielfältige Formen der nicht-medikamentösen Therapie und auch durch neue Wohn- und Lebensformen gelindert, aber nicht beseitigt werden. Da die Zahl der Demenzerkrankten steigt, richtet sich die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zunehmend auf diese Erkrankung. Dies bedeutet, dass jetzt die Forschung ein größeres Gewicht erhält, um Ursachen weiter aufzuklären und geeignete Therapieformen zu entwickeln.

2.3.3 Risikofaktoren

Ein hohes Lebensalter ist das größte Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, was in der höheren Lebenserwartung begründet ist. Die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken ist größer, wenn ein Familienmitglied die Erkrankung bereits hatte. Erbliche Faktoren spielen bei der Demenz insgesamt aber eine geringe Rolle. Außerdem können folgende Faktoren das Risiko für eine vaskuläre Demenz und eine degenerative Demenz leicht erhöhen: hoher Blutdruck, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Adipositas, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen (zum Beispiel Herzinsuffizienz, Herzinfarkt).

2.3.4 Vorbeugung

Bislang gibt es keinen absoluten Schutz davor, an Demenz zu erkranken. Doch nicht jeder Mensch, bei dem sich typische demenzielle Veränderungen (Eiweißablagerungen) im Gehirn finden, leidet unter einer Demenz. Das liegt laut vieler Demenzexperten vermutlich daran, dass bei manchen Personen das Gehirn leistungsfähiger ist. Aber auch körperliche Bewegung kann in einem geringen Maße einer Demenz entgegenwirken. Bereits leichte körperliche Betätigung – wie etwa Spazierengehen – verringert das Risiko einer Demenzerkrankung im Alter. Experten begründen die positive Wirkung regelmäßiger und leichter Bewegung mit der dadurch verbesserten Durchblutung des Gehirns. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass eine ausgewogene, fett- und cholesterinarme Ernährung mit viel Obst und Gemüse einer Demenz vorbeugen kann.

2.4 Demenzarten

Demenzerkrankungen können je nach Ursache (siehe 2.3.2) in primäre und sekundäre Demenzen eingeteilt werden.

2.4.1 Primäre Demenz

Primäre Demenzen machen den größten Anteil der Demenzen aus und sind nach heutigem Kenntnisstand unheilbar. Primäre Demenzen werden in degenerative und vaskuläre Demenzen unterteilt. Von einer gemischten Demenz wird gesprochen, wenn sich eine degenerative mit einer vaskulären Demenz verbindet. Zu den degenerativen Demenzen gehört in erster Linie die Demenzerkrankung vom Alzheimer-Typ. Vaskuläre Demenzen – hervorgerufen durch Veränderungen kleiner Blutgefäße im Gehirn – werden häufig als »Multi-Infarkt-Demenzen« bezeichnet.

2.4.2 Sekundäre Demenz

Sekundäre Demenzen machen einen geringen Teil der Demenzen aus. Zu dieser Kategorie gehören Demenzen, die Folge einer anderen Grunderkrankung sind, das heißt deren auslösende Ursache im Gegensatz zu den primären Demenzen außerhalb des Gehirns liegt. Beispiele für solche auslösenden Ursachen sind zum Beispiel Tumore, Stoffwechselerkrankungen, Depression, Schädelhirntraumata, entzündliche Erkrankungen des zentralen Nervensystems und Vergiftungserscheinungen durch Alkohol-, Drogen-, oder Medikamentenmissbrauch. In vielen Fällen sind die Grunderkrankungen zumindest teilweise behandelbar, was möglicherweise auch einen Rückgang der speziellen Demenzsymptomatik zur Folge haben kann. Das vorliegende Buch richtet sich überwiegend an Betreuer von Patienten mit einer primären Demenz.

2.5 Krankheitsverlauf

Abhängig vom Ausprägungsgrad der Krankheitssymptome werden Demenzen in leichte, mittelschwere und schwere Formen unterschieden. Die Krankheitsdauer liegt zwischen drei und fünfzehn Jahren. Während eine vaskuläre Demenz in der Regel abrupt beginnt, entwickelt sich die Alzheimer-Krankheit schleichend. Die Übergänge von einem in das nächste Stadium sind fließend und schwer voneinander abgrenzbar.

2.5.1 Leichte Demenz

Eine leichte Demenz beginnt mit leicht verminderten Gedächtnisleistungen. Zusätzlich können Störungen des zeitlichen und räumlichen Orientierungsvermögens und der Wortfindung auftreten. Zeitliche Orientierungsstörungen treten tendenziell vor den räumlichen auf. Bei der täglichen Lebensführung treten häufiger Fehler oder Irrtümer auf: So werden kürzlich mitgeteilte Informationen, wie beispielsweise Termine, vergessen oder Gegenstände verlegt. Die Erkrankten nehmen wahr, dass sie sich nicht mehr auf ihre Fähigkeit zu denken verlassen können. Das stürzt sie häufig in eine Depression. Nach außen hin können die Betroffenen zu dieser Zeit meistens noch eine Fassade durch kleine Notlügen oder Ausreden aufrechterhalten. Mitmenschen, die mit den Betroffenen nicht ständig unmittelbaren Kontakt haben, stellen deshalb oft noch keine Auffälligkeiten fest. Durch Vermeidung einer Reizüberflutung mittels Rückzug in die eigene Wohnung versucht der Erkrankte häufig die Defizite zu kompensieren. Obwohl schon in dieser Phase Beeinträchtigungen in der Arbeit und im Freizeitverhalten auftreten, kann die Selbstständigkeit im täglichen Leben weitgehend bewahrt werden.

2.5.2 Mittelschwere Demenz

Bei einer mittelschweren Demenz kommen die Betroffenen nicht mehr ohne fremde Hilfe zurecht. Sie sind zeitlich, örtlich und meistens auch situativ desorientiert. Die Unfähigkeit zum zweckmäßigen Handeln verhindert das Ausführen alltäglicher Verrichtungen (Wojnar 2007) wie beispielsweise Körperpflege oder Freizeitaktivitäten. Die Patienten vergessen, wie Sätze formuliert werden; sie sprechen unzusammenhängende Satzteile und einzelne Worte. Es kann zu wiederholten Fragen und ständigem Rufen (Schaade 2008) kommen. Gegenstände, wie zum Beispiel eine Kaffeemaschine, werden nicht mehr erkannt und können deshalb nicht mehr zweckgerichtet benutzt werden (Apraxie). Die Erkrankten bemerken, dass etwas mit ihnen nicht stimmt, sind aber nicht mehr zum kritischen Reflektieren im Stande. Das macht sie aggressiv. Persönlichkeitsveränderungen treten auf. So wird beispielsweise aus einem sehr ruhigen Menschen eine aggressive Person. Es entstehen Gefahrenquellen wie zum Beispiel das Verwechseln eines offenen Fensters mit einer Tür oder von Putzmitteln mit Getränken. Bereits bei einer mittelschweren Demenz erkennen die Erkrankten unter Umständen ihre Familienmitglieder nicht mehr.

2.5.3 Schwere Demenz

Im schweren Stadium einer Demenz ist das Ausführen einfachster alltäglicher Handlungen in allen Lebensbereichen nicht mehr möglich. Die Körperwahrnehmung ist stark beeinträchtigt, Betroffene verlieren die Kontrolle über ihre Körperausscheidungen. Sie vergessen wie sie sich hinlegen, gehen, stehen oder essen können. Sie geben nur noch einzelne Laute von sich oder verstummen ganz. Häufig ist die Muskelspannung (Muskeltonus) im ganzen Körper erhöht, und es werden keine gezielten und dosierten Bewegungen mehr vollzogen. Durch das Verlieren der Bewegungsfähigkeit können die Gelenke versteifen (Kontrakturenbildung). Hiervon sind meistens die Arme und Beine im Ellenbogen- und Kniegelenk zuerst betroffen. Die Erkrankten leben in einer Art »Traumwelt« (Wojnar 2007). Sie wirken abwesend, nehmen kaum Kontakt zu ihrer Umwelt auf und reagieren nur gering auf Reize. Es kommt zu einem allgemeinen körperlichen und geistigen Verfall. Die Betroffenen sterben häufig an Lungenentzündung, Herzversagen oder Niereninsuffizienz.

3 GRUNDLAGEN ZUR AKTIVIERUNG VON DEMENZERKRANKTEN

3.1 Verbliebene Fähigkeiten ermitteln

Egal ob Sie als Ergotherapeut, Altenpfleger, als ehrenamtliche Hilfe arbeiten oder es sich um einen Familienangehörigen handelt: Bevor Sie sich mit dem Demenzerkrankten betätigen, sollten Sie in Erfahrung bringen, wie gut seine Fähigkeiten in unterschiedlichen Bereichen noch ausgeprägt sind. Nur dadurch können Sie der Person Aktivitäten anbieten, bei denen sie weder über- noch unterfordert ist. Durch das Ermitteln von Fähigkeiten und Kompetenzbereichen werden auch Ziele für die Aktivitäten definiert. Optimalerweise führen Sie Aktivitäten nicht nur mit dem Ziel durch, dass der Demenzerkrankte in irgendeiner Weise beschäftigt ist. Er soll auch aktiv sein, um Fertigkeiten wie zum Beispiel Konzentration, Kommunikation oder Motorik möglichst lange zu erhalten. Eine Verbesserung der Fähigkeiten ist allerdings nicht möglich, da die Demenzerkrankung unaufhörlich fortschreitet.

Ergotherapeuten dokumentieren nach jeder Behandlungseinheit das Verhalten des Patienten und führen zur Ermittlung der Fähigkeiten eine schriftliche Befunderhebung anhand eines Befundbogens oder ergotherapeutischen Modells durch. Bei dieser Befunderhebung werden Fähigkeiten beobachtet oder getestet, wie zum Beispiel Motorik, Verhalten und Kognition.

Literaturtipp: »Ergotherapie bei Demenzerkrankungen« von Gudrun Schaade, 4. Auflage, Springer 2009. Das Buch vermittelt ein fundiertes, praxisorientiertes Förderkonzept für die Arbeit mit Demenzpatienten und enthält einen Bogen zur ergotherapeutischen Befunderhebung.

Eine ergotherapeutische Befunderhebung gehört nicht in den Arbeitsbereich von Altenpflegern, ehrenamtlichen Helfern oder Familienangehörigen. Diese Gruppen ermitteln deshalb durch Beobachten die Fähigkeiten der Personen.

Folgende Bereiche sollten beobachtet, beurteilt und am besten mit Kollegen oder Angehörigen des Erkrankten thematisiert werden:

Äußeres Erscheinungsbild (beispielsweise Körperpflege, Kleidung, Gesichtsfarbe)

Ausdruck (beispielsweise Stimme, Blick, Mimik, Körperhaltung)

Mobilität (Hypermobilität, Hypomobilität)

Grobmotorik (beispielsweise Beweglichkeit, Spasmus, Muskeltonus)

Feinmotorik (beispielsweise Beweglichkeit der Finger, Hand-Hand-Koordination, Hand-Auge-Koordination)

Kognition (beispielsweise Konzentration, Merkfähigkeit, Orientierung, Auffassungsvermögen)

Sprache (beispielsweise Lautstärke, Formulierung der Sätze)

Wahrnehmung (Sehen, Hören, Tasten, Fühlen, Riechen, Schmecken)

Selbstständigkeit (beispielsweise Essen, Trinken, Anziehen, Waschen)

Verhalten gegenüber Personal

Verhalten gegenüber Mitpatienten

Verhalten außerhalb der Häuslichkeit

Nach dem Erfassen der Fähigkeiten setzt der Betreuer Ziele für den Demenzerkrankten und wählt passende Aktivitäten für ihn aus.

3.2 Auswahl und Ziele der Aktivitäten

Die angebotenen Aktivitäten sollten unbedingt bestimmte Ziele verfolgen. Den Demenzerkrankten lediglich in irgendeiner Weise zu beschäftigen, wäre kein ausreichend adäquates Ziel. Welche Aktivität die Betreuungsperson auswählt und welches Ziel dadurch erreicht werden soll, hängt vorrangig vom Interesse des Demenzerkrankten, vom Schweregrad seiner Erkrankung und den bereitstehenden Medien ab. Dem Betreuer muss bewusst sein, dass der Demenzerkrankte keine Fähigkeiten wiedererlangen oder verbessern kann. Durch eine regelmäßige und gute Aktivierung schreiten die Auswirkungen der Demenzerkrankung aber langsamer fort als ohne Aktivierung. Hauptziel ist immer das Fördern der Fähigkeiten oder Kompetenzen des Erkrankten und das Sicherstellen einer möglichst hohen Lebensqualität und Lebensfreude.

3.2.1 Leichte Demenz

Bei leichter bis mittelschwerer Demenz sind Gruppenaktivitäten beispielsweise zu jahreszeitlichen Themen gut geeignet (siehe Kapitel 5). Bei einer leichten Demenz versucht der Betreuer die Orientierung zur Person, Situation, Zeit und zum Ort zu stützen. Des Weiteren stabilisiert er das Langzeitgedächtnis durch Biografiearbeit (siehe Kapitel 4.1). Die Stabilisierung des Kurzzeitgedächtnisses ist bei der Aktivierung von Demenzerkrankten kein Schwerpunkt, da das Kurzzeitgedächtnis schnell an Leistung verliert. Die Kommunikation regt der Betreuer durch Gesprächsangebote an. Sinnvoll sind in diesem Demenzstadium auch Aktivitäten aus dem Alltag (siehe Kapitel 4.7). Tätigkeiten, die der Demenzerkrankte vorschlägt, können vom Betreuer aufgegriffen und unterstützt werden. Kochen, Backen oder Zusammenlegen von Wäsche ist möglich. Des Weiteren sollte der Betreuer Hobbies unterstützen, damit der Erkrankte seinen Interessen weiter nachgehen kann (siehe Kapitel 4.6 und 4.8). Viele Demenzerkrankte greifen nach der Diagnosestellung alte Hobbies wieder auf, um aktiv zu bleiben. Malen, Gartenarbeit oder die Pflege von Haustieren ist hier denkbar. Dabei sollte der Betreuer den Demenzerkrankten so viel wie möglich selbst tun lassen. Er muss aber gleichzeitig aufpassen, den Erkrankten nicht zu überfordern. Da bei einer leichten Demenz die kognitiven Einschränkungen häufig nicht gleich ersichtlich sind, besteht die zunehmende Gefahr der Überforderung.

3.2.2 Mittelschwere Demenz

Vor dem Betätigungsangebot sollten sich Betreuende unbedingt über die Biografie des Betroffenen informieren, um Aktivitäten auszuwählen, die den Erkrankten interessieren und bei der Ausführung bestenfalls Erinnerungen wecken (siehe Kapitel 4.1). Dadurch können noch gespeicherte Denk- und Bewegungsprozesse abgerufen werden. Eine Hausfrau hat beispielsweise mit einer großen Wahrscheinlichkeit Freude am Zusammenlegen von Kleidung, während ein Büroangestellter vermutlich kein Interesse an dieser Tätigkeit hegt. Er durchlöchert stattdessen gern Papierblätter mit einem Locher oder heftet sie mit Büroklammern zusammen. Dabei wird vor allem die Konzentration und Aufmerksamkeit gefördert. Tätigkeiten mit mehreren Arbeitsschritten – egal ob biografieorientiert oder nicht – werden für den Patienten jedoch immer schwieriger, da die Planung aufeinander folgender Handlungen nicht mehr möglich ist. Der Erkrankte darf in keiner Weise auf Fehler hingewiesen werden, das beeinträchtigt sein Selbstvertrauen. Es spielt keine Rolle, ob Außenstehende die Tätigkeit als sinnvoll beurteilen. Es geht bei der Betreuung von Demenzerkrankten auch nicht um »falsch« und »richtig«, sondern um die Befriedigung durch die gerade ausgeführte Tätigkeit und ihre Förderung.

Des Weiteren nehmen Rituale bei mittelschwerer Demenz einen großen Stellenwert ein. Unter Ritualen sind in diesem Zusammenhang sich ständig wiederholende Aktivitäten zu verstehen, die Lebensbereiche strukturieren, Orientierung sowie den sozialen Zusammenhalt und die Kommunikation stärken. So ist das Begrüßen und Verabschieden per Handschlag ein schönes Ritual, das auch bei weit fortgeschrittener Demenz häufig noch abrufbar ist. Ein Abschlusslied am Ende einer Gruppenstunde kann als Ritual Sicherheit schaffen (siehe Kapitel 4.1). Durch Sprichwörter und Reime (siehe Kapitel 4.2) regt der Betreuer die Sprache der demenziell erkrankten Person an, die immer stärker in Mitleidenschaft gezogen wird. Bewegungsaktivitäten (siehe Kapitel 4.3), wie zum Beispiel Ball- oder Luftballonspiele, fördern die Körperwahrnehmung und bauen körperliche Unruhe ab.

3.2.3 Schwere Demenz

Da sich Demenzpatienten im fortgeschrittenen Stadium nicht mehr zu ihrer Biografie äußern können, muss sich der Betreuer bei Angehörigen oder Freunden informieren (siehe Kapitel 4.1.1). Je weiter die Demenz fortschreitet, desto stärker stößt die Biografiearbeit an ihre Grenzen. Der Erkrankte verliert sein Langzeitgedächtnis. Die Mitmenschen müssen andere Wege finden, um sich Zugang zum Demenzerkrankten zu verschaffen, damit er nicht in die Isolation gerät. Hierfür ist die Sinnesstimulation gut geeignet (siehe Kapitel 4.5). Angebote dieser Art können sprachunabhängig sein und führen dann mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit zur Überforderung. Maßnahmen zur Sinnesstimulation sind beispielsweise das Befühlen von Alltagsgegenständen oder ein Schunkeln zur Lieblingsmusik. Ziele sind die Förderung der Körperwahrnehmung, das Abbauen von Unruhe und Ängsten sowie die Minderung der Körperanspannung (Tonus). Bei einer schweren Demenz muss oder kann die betroffene Person nicht augenscheinlich aktiv sein, um ein Wohlgefühl zu erfahren. Auch wenn Schwerstbetroffene nicht tätig sind, genießen sie eventuell eine Tätigkeit einer anderen Person an ihnen. Sie mögen zum Beispiel das Streichen über die Arme mit einem Waschlappen oder einer weichen Bürste. Wenn die kognitiven Fähigkeiten des Demenzerkrankten fast erloschen sind, bleibt ihm bis zum Ende die Kompetenz, über Empfindungen und auf Außenreize zu reagieren. Der Betreuer merkt etwa durch einen entspannten Gesichtsausdruck oder eine ruhige Atmung, ob die Maßnahme gefällt.

Kann die erkrankte Person nicht mehr selbst essen, ist aber in einem Arm beweglich, führt der Betreuer die Hand, die das Besteck hält, anstatt zu füttern (siehe Kapitel 4.7.2). So werden in dieser Alltagstätigkeit mehr Informationen über den eigenen Körper wahrgenommen.

3.3 Umgang mit Demenzerkrankten

Eine wichtige Basis jeglicher Unterstützungsangebote in der Dementenbetreuung ist der richtige Umgang mit den Erkrankten. Dafür gibt es kein Patentrezept, weil jeder Demenzerkrankte anders ist und individuell behandelt werden muss. Allerdings existieren einige Grundregeln für einen adäquaten Umgang, die in diesem Kapitel aufgezeigt werden. Betreuer müssen demenzgerecht motivieren und kommunizieren können. Die Motivation des Erkrankten soll aufrechterhalten werden. Gleichzeitig muss der Betreuer erspüren, wenn die Person gerade keiner Aktivität nachgehen möchte. Des Weiteren sollen Betreuer bestimmte Kommunikationsprinzipien einhalten, um eine vertrauensvolle Beziehung mit dem Demenzerkrankten zu führen und Missverständnissen vorzubeugen. Im folgenden Kapitel sind Motivations- und Kommunikationstipps aufgeführt, zusammengefasst aus der Demenzliteratur (siehe Literaturverzeichnis am Ende des Buchs) und meiner eigenen Erfahrung mit Demenzerkrankten.

3.3.1 Motivation

Wertschätzende Grundhaltung: Dem Demenzerkrankten Empathie entgegenbringen. Er muss das Gefühl haben, so akzeptiert zu werden, wie er ist.

  1. Ressourcenorientiert arbeiten: Auf das konzentrieren, was der Demenzerkrankte noch tun kann, statt auf das, was ihm nicht mehr möglich ist. Eine Aktivität sofort abbrechen, wenn der Demenzerkrankte sie nicht mehr ausführen kann.

  2. Nicht das Ergebnis, sondern der Weg zählt: Es kommt nicht darauf an, was getan wird und wie das Endprodukt aussieht (zum Beispiel ein gemaltes Bild), sondern auf den Aktivierungsprozess selbst. Die Freude an der Aktivität steht im Vordergrund.

  3. Aktivitäten sind freiwillig: Personen freundlich zu Aktivitäten auffordern, aber keinesfalls dazu drängen, sonst entsteht nur Widerstand.

  4. Auch Nichtstun befriedigt: Durch vegetative Zeichen, wie zum Beispiel eine erhöhte Muskelspannung oder schnelleres Atmen, wird einem Betreuer deutlich, ob der Schwersterkrankte seine Ruhe haben möchte.

  5. Aktivitäten können kurz sein: Aufgrund einer geringen Aufmerksamkeitsspanne fällt es manchen Kranken schwer, längere Zeit eine Tätigkeit auszuführen. Ein Betreuer kann dann ein Repertoire von mehreren kurzen Aktivitäten entwickeln, die im Tagesverlauf effektiv angewandt werden.

  6. Mitarbeiter haben Spaß an ihrer Arbeit: Bei allen Aktivitäten ist es wesentlich, dass der Betreuer selbst Lust auf diese hat. Demenzerkrankte haben ein sicheres Gespür dafür, ob etwas lustlos dargeboten wird oder ob ein echtes Engagement dahinter steckt.

  7. Immer das Gleiche tut gut: Das gilt sowohl für die Umgebung wie auch für den täglichen Ablauf. Rituale – sofern sie tatsächlich langfristig eingehalten werden können – bewirken ein Gefühl der Sicherheit.

  8. Komplimente machen: Die demenzerkrankte Person loben, um ihre Motivation aufrechtzuerhalten und das Selbstvertrauen zu stärken. Versteht der Erkrankte nicht mehr den ausgesprochenen Inhalt, bemerkt er aber wahrscheinlich den positiven Ton.

  9. Meinungen und Ansichten erfragen: Auch wenn die Person nicht mehr verbal kommunizieren kann, versteht sie eventuell die gestellten Fragen. Durch das Erfragen der eigenen Meinung fühlt sich der Demenzerkrankte respektiert. Schließlich geht es bei der gesamten Aktivierung um sein persönliches Wohlbefinden und ohne dieses geht kaum etwas.

10. Berücksichtigen der Lebensgeschichte: Informationen über die Biografie, Gewohnheiten und Wertvorstellung einholen. Mit diesem Wissen ausgestattet, kann der Betreuer sinnvolle Aktivitäten auswählen oder eine Aktivität individualisieren.

11. Möglichst viele Sinne einbeziehen: Durch die Stimulation der Sinne (Fühlen, Sehen, Hören, Riechen, Schmecken) nimmt sich der Demenzerkrankte intensiver wahr.

12. Generationsübergreifende Arbeit: Senioren und Kinder profitieren oftmals davon, eine Tätigkeit gemeinsam auszuführen. Viele demenziell erkrankte Personen freuen sich darüber, wenn sie jüngeren Menschen bei der Erledigung einer Aufgabe helfen können.

3.3.2 Kommunikation

  1. Begrüßung per Handschlag: Das »Handgeben« ist im Langzeitgedächtnis als eine positive Geste fest abgespeichert.

  2. Demenzgerecht formulieren: Kurze Sätze, einfacher Satzbau, immer nur eine Mitteilung pro Satz, keine Fremdwörter, langsames und deutliches Sprechen (viele ältere Menschen sind schwerhörig).

  3. Frontal ansprechen: Die Person von vorne oder von der Seite ansprechen. Nie von hinten, um ein Erschrecken zu vermeiden.

  4. Mit Namen ansprechen: Das häufige Nennen des Namens der erkrankten Person stärkt ihr Identitätsgefühl und lässt eine persönlichere Beziehung zwischen den Gesprächspartnern entstehen.

  5. Nicht zu viele Wahlmöglichkeiten geben: Mehr als zwei Wahlmöglichkeiten überfordern in der Regel Personen mit einer mittelschweren Demenz.

  6. Hilfe bei Wortfindungsstörungen: Fehlendes Wort anbieten, das Gemeinte umschreiben oder zeigen lassen, bei Aufregung das Thema wechseln oder die Person ablenken.

  7. Blickkontakt aufnehmen: Blickkontakt in der Gruppe und im Einzelgespräch ist wichtig, um Verunsicherung vorzubeugen.

  8. Vertrauen durch Dialekt: Eine Unterhaltung im Dialekt aus der Heimat des Erkrankten kann Vertrauen vermitteln.

  9. Zeit mitbringen: Demenzerkrankte benötigen ausreichend Zeit zur Kommunikation. Lieber mit Geduld auf Reaktionen warten ohne gleich nachzufragen.

10. Auf Aktualität achten: Wünsche und Bitten erst kurz vor dem Zeitpunkt, zu dem sie ausgeführt werden sollen, äußern.

11. Keine Negationen und Warum-Fragen: Zurückweisungen und ein »Nein« vermeiden. Fragen mit »warum« und »weshalb« unterlassen. Somit setzt man den Demenzerkrankten nicht der Peinlichkeit aus, auf Fragen keine Antwort zu wissen.

12. Gefühlsbetonte Kommunikation: Gerade demenzerkrankte Menschen, die den Sinn von Sätzen manchmal nicht mehr begreifen, spüren die dahinter liegenden Gefühle umso deutlicher.

13. Auf emotionale Bedürfnisse reagieren: Sich auf die ständig wechselnden emotionalen Befindlichkeiten einlassen und die hinter den verwirrten Äußerungsformen liegenden Gefühle erspüren. Wenn ein Demenzerkrankter sich zu freuen scheint, beispielsweise sagen »da freuen Sie sich sehr«.

14. Gefühle spiegeln: Trauer oder Freude durch das Einnehmen derselben Mimik oder Körperhaltung als Echo zurückgeben. Der Demenzerkrankte erlebt dadurch, dass seine Gefühle ernst genommen werden.

15. Berühren: Der Demenzerkrankte fühlt sich durch Berühren des Arms manchmal stärker angesprochen, als nur durch die Sprache. Leichte und gut dosierte Berührungen (nicht von hinten) schaffen auch Zuneigung und Vertrauen.

16. Optimistisch kommunizieren: Traurige und bedrohliche Botschaften des Demenzerkrankten abschwächen und ihn gleichzeitig ernst nehmen. Humor in die Kommunikation mit einfließen lassen. Eine positive Sprache verwenden: Lieber sagen »Wir laufen in diese Richtung« anstatt »Laufen Sie nicht in jene Richtung«.

17. Aggressionen akzeptieren: Kleine Aggressionen sind nicht immer negativ zu deuten, sie sind ein Ausdruck von Lebendigkeit und erlauben eventuell einen Rückschluss auf das Erleben und Empfinden des Erkrankten. Ständiges Aggressionspotenzial ist dagegen zu hinterfragen. Überforderung und Schmerzen können die Gründe sein.

18. Respektvoller Umgang: Nicht in Anwesenheit der erkrankten Person über sie sprechen.

3.4 Organisatorische Bedingungen

Die Gestaltung einer angenehmen Atmosphäre nimmt bei der Betreuung von Demenzerkrankten viel Bedeutung ein. Demenzerkrankte verfügen über ein feines Gespür für die Atmosphäre, die in einem Raum oder einer Gruppe herrscht (Trilling et al. 2001).

3.4.1 Gründe für die Einzel- oder Gruppenaktivierung

Die meisten in diesem Buch beschriebenen Aktivitäten können sowohl für Einzelals auch für Gruppenaktivierungen eingesetzt werden. Bevor Sie mit der demenziell erkrankten Person tätig werden, sollten Sie sich genau überlegen, ob für diese eine Betätigung eher in der Gruppe oder in der Einzelsituation geeignet ist. Bei einer schweren Demenz ist eine Einzelaktivierung vorzuziehen, da intensive Betreuung und körperliche Berührungen wichtig sind, um einen effektiven Kontakt herstellen zu können. Auch für Personen mit sowohl starkem Bewegungsdrang, die ständig umherlaufen (Akatisie), als auch für Personen mit ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten ist eine Einzelaktivierung besser geeignet. Sie würden eine Gruppe sprengen, denn die gesamte Aufmerksamkeit der Betreuer müsste sich auf diese Personen richten. Der Vorteil bei Aktivitäten in Gruppen besteht darin, dass soziale Kompetenzen stärker gefördert werden und mehrere Personen gleichzeitig von Ihrem Angebot profitieren. Personen mit Demenz ziehen sich besonders im Anfangsstadium von ihren Mitmenschen zurück. Eine Gruppe wirkt dem entgegen. In manchen Fällen ist es sinnvoll, demenziell Erkrankten sowohl Einzel- als auch Gruppenaktivierungen anzubieten (Schaade 2008).

Egal ob Einzel- oder Gruppenaktivität: Versuchen Sie, interessierte Angehörige oder Besucher des Erkrankten immer einzubeziehen. Die Personen sind meistens darüber erstaunt, was ihr Angehöriger oder Freund noch kann und machen motiviert mit.

3.4.2 Gruppenzusammensetzung und -größe

Bei Überlegungen zur Gruppenzusammensetzung im Hinblick auf den Schweregrad der Demenz scheiden sich die Geister. Einige Demenzexperten sind der Meinung, dass man Patienten mit leicht ausgeprägter Demenz und Patienten mit schwerer Demenz mischen soll, damit die schwer Betroffenen von den verbliebenen Fähigkeiten der weniger Betroffenen profitieren. Andere Experten sind wiederum der Ansicht, dass bei unterschiedlicher Krankheitsausprägung immer bestimmte Personen unter- oder überfordert sind. Häufig schauen die weniger von der Krankheit betroffenen mitleidig auf die Personen herab, die eine schwere Demenz haben, und lassen sich kaum auf Kontakte ein. Ursache ist möglicherweise die Angst, in absehbarer Zeit auch zur »anderen Seite« zu gehören. Vielleicht ist es aber auch nur die im Alter wachsende Ungeduld, mit den Schwächen anderer umzugehen oder das Verlangen, auf gleichem Niveau mit anderen Teilnehmern verkehren zu können (Beckstein 2007). Nach meinen Erfahrungen kommen homogene Gruppen den Wünschen der Personen am ehesten entgegen. Deshalb sollte nicht absichtlich eine gemischte Gruppe gebildet werden. Allerdings ist es auch nicht möglich, eine Gruppe zu bilden, deren Teilnehmer an einer im gleichen Maß ausgeprägten Demenz leiden und auch exakt die gleichen Interessen haben. Es ist die Aufgabe der Betreuungskraft, das Angebot so zu gestalten, dass möglichst alle Personen gefordert, aber nicht überfordert sind. Wenn Sie zum Beispiel stärker von der Krankheit Betroffene zusammen mit weniger stark Dementen an den Tisch setzen, können die leichter Erkrankten die stärker Betroffenen unterstützen.

In Altenpflegeeinrichtungen, in denen ehrenamtliche Helfer oder Honorarkräfte nur stundenweise arbeiten, dauert es lange, bis diese alle Bewohner kennen. Sie sind dann im besonderen Maße auf die Hilfe des Pflegepersonals angewiesen, das am besten die Auswahl trifft. Vor der Aktivierung sollte die Betreuungskraft das Pflegepersonal informieren, welche Ziele das Gruppenangebot hat und welche Aktivitäten durchgeführt werden (Eisenburger 2008).

Die Gruppengröße wird auch von der Art der Aktivität bestimmt. Da die Teilnehmer beispielsweise Sitztänze oder Singen mit einem gesellschaftlichen Beisammensein verbinden, kann bei solchen Aktivitäten die Gruppe aus bis zu acht dementen Teilnehmern bestehen. Eine größere Teilnehmerzahl ist hinderlich, da Störungen immer zahlreicher werden und die einzelnen Personen dann zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Je stärker die Teilnehmer von der Erkrankung betroffen sind, desto weniger Personen sollten in die Gruppe aufgenommen werden. Für eine Gruppe mit Betroffenen, die an einer mittelschweren Demenz leiden, sind bis zu acht Teilnehmer angemessen. Eine neue Gruppe sollte von maximal sechs Teilnehmern besucht werden, da Demenzerkrankte es häufig nicht gewohnt sind, in einer Runde zusammenzusitzen und miteinander zu agieren. Manche Teilnehmer sind unruhig und wollen ständig aufstehen, andere fühlen sich nicht angesprochen und schlafen ein.

Am besten ist es, immer zwei Betreuungskräfte vorzusehen, da es zu keiner Unterbrechung des Gruppengeschehens kommt, wenn ein Teilnehmer auf die Toilette oder in sein Zimmer begleitet werden muss (Gatz und Schäfer 2002). Eine Betreuungskraft führt das Programm der Stunde durch, während die andere im Hintergrund handelt und schwächeren Gruppenmitgliedern hilft oder organisatorische Aufgaben übernimmt.

3.4.3 Zeitplanung

Personen mit Demenz sollten so oft wie möglich das Angebot erhalten, sich ihren Wünschen entsprechend zu betätigen, allein, zusammen mit anderen Personen und mit oder ohne Unterstützung eines Betreuers. Ablehnung der Betätigung müssen Sie akzeptieren. Eine Gruppenaktivität pro Tag genügt, da demenziell erkrankte Personen sonst zu stark beansprucht würden.

In Einrichtungen ist ein Wochenplan sinnvoll, den Sie an zentralen Orten (zum Beispiel im Aufenthaltsraum und an der Rezeption) aufhängen. Personen mit einer leichten Demenz, Angehörige oder Kollegen informieren sich dadurch über die Art, den Beginn und den Ort des Angebots. Bieten Sie möglichst immer die gleichen Aktivitäten, an einem bestimmten Wochentag, zur selben Zeit und im gleichen Raum an, um den Demenzerkrankten einen Wochenrhythmus und eine feste Tagesstruktur zu ermöglichen. Das begründet ein Sicherheitsgefühl bei den Personen. Donnerstags findet beispielsweise immer um 10.30 Uhr eine Ballrunde statt.

Die Dauer einer Einheit kann in der Gruppe länger sein als bei der Einzelaktivierung, da in der Gruppe die einzelne Person nicht so stark gefordert wird und unter Beobachtung ist. Die Gruppeneinheit sollte 45 Minuten nicht überschreiten, obwohl es oft einige Zeit braucht, bis die Gruppe reagiert und deutlich wird, dass alle bei der Sache sind. Manchmal dauert es aber bis zu 20 Minuten, bis ein richtiger Beginn möglich ist. In diesem Fall kann die Aktivierung ruhig etwas länger dauern. Bei der Einzelaktivierung ist nach 30 Minuten die Konzentration einer schwerkranken Person ausgeschöpft, sodass sie spätestens dann beendet werden sollte. Auch kurze Aktivierungen von etwa zehn Minuten mehrmals am Tag können für die Betroffenen befriedigend sein und die Betreuungskraft erreicht auch so die erhofften Ziele. Eine Aktivität – egal ob in der Gruppen- oder Einzelsituation – sollte mindestens 20 Minuten vor einer Mahlzeit beendet werden. Die Betroffenen benötigen zwischen der Betätigung und dem Essen eine Pause, da beides anstrengend für sie ist. Außerdem richten viele Personen mit Demenz, besonders die in Altenpflegeeinrichtung lebenden, ihren Tagesablauf stark an den Mahlzeiten aus. Sie werden oft vor den gewöhnlichen Essenszeiten unruhig und fragen ständig, wann denn nun endlich gegessen wird.

3.4.4 Gruppenraum

Bei der Wahl geeigneter Räumlichkeiten hat die Betreuungskraft meistens nicht viel Spielraum. Ein gemütlich eingerichteter und abgeschlossener Raum mit Wohnzimmercharakter ist ideal. Eine separate Sitzecke ermöglicht den Demenzerkrankten einen Rückzug vom Gruppengeschehen. Bei Gruppenaktivitäten ist ein Schild mit der Aufschrift »Bitte nicht stören« an der Tür nicht übertrieben. Eine Flurecke oder ein Durchgangszimmer erweisen sich nur für kurze Aktivierungen als sinnvoll, da Demenzerkrankte in der Regel schnell abgelenkt sind. Auch das Gefühl, beobachtet zu werden, hemmt oft die Bereitschaft von Personen mit einer leichten oder mittelschweren Demenz, sich auf eine Aktivität einzulassen. Die Raumgröße sollte der Gruppengröße angepasst sein: Wenn sich zu viele Menschen auf zu kleinem Raum befinden, entsteht schnell das Gefühl des »Eingesperrtseins« mit den entsprechenden Stresssymptomen. Dagegen hinterlässt ein zu großer Raum oft ein Gefühl der Leere und des Verlorenseins, sodass eine geborgene und wohlige Stimmung nicht aufkommen kann (Eisenburger 1998). Das Platzangebot sollten Sie so gestalten, dass die Senioren gut mit ihren Gehhilfen zu ihren Plätzen gelangen. Für die Gehhilfen muss ausreichend Stellplatz vorhanden sein. Sie müssen einen freien Weg zur Toilette gewährleisten, ohne dass die Senioren über Gehhilfen oder andere Hindernisse stolpern.

Erforderlich ist ein heller Raum mit mehreren Fenstern, im Winter ausreichend geheizt und im Sommer gut gelüftet. Vorhänge schirmen zu aufdringliche Sonnenstrahlen ab. Gut erreichbare elektrische Anschlüsse sind wichtig, wenn ein CD-Player benutzt werden soll. Da ältere Menschen schnell frieren, sollten Sie den Raum lieber ein paar Grade über ihrem Normalempfinden heizen. Achten Sie auf ausreichende Beleuchtung. Was für junge Menschen noch gut sichtbar ist, bereitet Senioren oft Probleme (Beckstein 2007).

Ein wichtiges Ausstattungselement ist der Tisch. Er gibt den Personen Rauminformationen, dient als harter Widerstand beim rhythmischen Klopfen mit den Handflächen und es lassen sich Hilfsmittel wie Bilder und Gegenstände für alle sichtbar ausbreiten. Durch körperliche und räumliche Wahrnehmungsstörungen kommt es beim Werfen eines Balls in den freien Raum oft zu Angstgefühlen. Der Tisch gibt Hilfestellung, denn die Person kann sich an diesem orientieren und den Ball über ihn rollen lassen (Schaade 2008). Nur bei wenigen Aktivitäten, wie zum Beispiel einem Sitztanz, würde der Tisch stören. Die Teilnehmer benötigen dann ausreichend Zeit, um sich an die neue Situation ohne einen Tisch zu gewöhnen.

Gehen Sie bei schönem Wetter mit der Gruppe ins Freie, falls Ihre Einrichtung über einen Garten oder eine Terrasse verfügt. Die Teilnehmer haben dann die Möglichkeit, die Wärme der Sonne zu genießen, die Gerüche der Blumen wahrzunehmen und das Vogelgezwitscher zu hören.

4 AKTIVITÄTEN

 

4.1 Biografiearbeit

 

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Auf die Bedeutung der Biografie in der Arbeit mit Demenzerkrankten wurde schon in den vorangegangenen Kapiteln hingewiesen. Bei der Biografiearbeit geht es nicht um das bloße Rekonstruieren der Vergangenheit, sondern um eine Verbindung der Vergangenheit mit der Gegenwart. Dem Erkrankten soll die Gegenwart durch das Bewusstwerden seiner einzigartigen Vergangenheit angenehmer werden. Die Biografie stellt eine große Ressource für die Arbeit mit Demenzerkrankten dar, weil sie fest im Langzeitgedächtnis gespeichert ist und deshalb – im Gegensatz zu Inhalten des Kurzzeitgedächtnisses – lange in der Erinnerung des Demenzerkrankten erhalten bleibt. Je weiter die Erkrankung fortschreitet, desto mehr stößt die Biografiearbeit allerdings an ihre Grenzen. Im letzten Krankheitsstadium ist es dem Patienten trotz Unterstützung nicht mehr möglich, Angaben über seine Biografie zu machen oder in der Vergangenheit oft ausgeführten Tätigkeiten nachzugehen. In diesem Stadium kann der Patient möglicherweise nur noch durch die Stimulation der Sinne (siehe Kapitel 4.5) erreicht werden.

Biografieorientiertes Arbeiten ist ein essentieller Bestandteil der meisten Betreuungskonzepte für demenzerkrankte Menschen und zielt darauf ab, das Identitätsgefühl der Person möglichst lange zu erhalten. Gerade bei einer demenziellen Erkrankung gewinnt die Identität zusätzlich an Bedeutung, da der Mensch im Laufe der Demenz immer mehr vergisst, wer er ist und was seine individuelle Persönlichkeit ausmacht. In der stationären Betreuung spielt die Biografiearbeit eine besonders große Rolle, weil durch den Einzug in die Einrichtung die Zahl wichtiger Repräsentanzen des vergangenen Lebens, die zur Identitätsbildung beitragen, stark reduziert wird. Es besteht dann die Gefahr, dass der demenzerkrankte Heimbewohner mit seinen Erinnerungen allein bleibt und sein Identitätsgefühl besonders schnell abnimmt (Staak 2004).

In der Literatur wird häufig zwischen gesprächsorientierter und aktivitätsorientierter Biografiearbeit unterschieden. Zur gesprächsorientierten Biografiearbeit zählen Einzel- und Gruppengespräche zu vorgegeben Themen wie etwa zur Schulzeit oder zu Weihnachten. Der Betreuer stellt Fragen, die sowohl zur Erinnerung an früher als auch zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit und dem Stärken des sozialen Miteinanders dienen sollen. Die aktivitätsorientierte Biografiearbeit zeichnet sich durch die Integration der Biografie in eine Tätigkeit aus, beispielsweise einen Ausflug zu einem Ort, der häufig in der Kindheit besucht wurde. Da durch aktivitätsorientierte Biografiearbeit mehr Sinne angesprochen werden und viele Demenzpatienten nicht mehr in der Lage sind, sich verbal mitzuteilen, ist diese Variante der Biografiearbeit oder eine Mischung beider Varianten besonders sinnvoll.

Bei der Biografiearbeit geht es nicht – wie manchmal irrtümlicherweise angenommen – um das Aufarbeiten der Lebensgeschichte. Dies ist durch die kognitiven Einbußen nicht mehr möglich. Es handelt sich um ein Instrument, das sehr sensibel gehandhabt werden muss, denn nicht jede Person beschäftigt sich gern mit der eigenen Vergangenheit.

4.1.1 Herstellung und Verwendung eines Biografiebogens

Durch biografische Daten finden Betreuende leichteren Zugang zum Demenzerkrankten, dessen Sprache eingeschränkt ist, und es entwickelt sich schneller eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung. Häufig wissen Pflege- oder Betreuungskräfte allerdings nur wenig über die Biografie des Bewohners. Die Einrichtungen lassen sich zwar von neuen Bewohnern biografische Informationen geben, die Angaben sind aber meistens oberflächlich und werden nicht von allen Mitarbeitern gelesen. Ausführliche Hinweise über die Vergangenheit, Vorlieben und Abneigungen des Erkrankten sind aber wichtig, um in Erfahrung zu bringen, welche Aktivitäten Freude bereiten, welche Werte, Eigenschaften und Gewohnheiten der Kranke hat. Dabei kommt den Angehörigen eine große Bedeutung zu: Weil die Betroffenen häufig nicht mehr in der Lage dazu sind, Auskunft über ihr eigenes Leben zu geben, ist ohne die Zusammenarbeit mit Angehörigen kaum eine bedürfnisgerechte Aktivierung möglich. Es gibt zwar zufällige Zugänge zu biografischen Daten, etwa die vielen Stoffhunde im Zimmer eines Bewohners. Diese Informationen sind aber meist nicht ausreichend, um genügend bedürfnisorientiert arbeiten zu können. Im optimalen Fall erstellt jede Altenpflegeeinrichtung einen Biografiebogen, der Fragen zur Kindheit, Jugend, dem Erwachsenenalter und aktuellen Lebensweisen des Bewohners beinhaltet. Es gibt keinen standardisierten Biografiebogen für die Altenpflege. Jede Einrichtung sollte einen eigenen Bogen erstellen, da je nach Konzept der Institution unterschiedliche Daten wichtig sein können.

Je nach der Schwere der Erkrankung füllt die betroffene Person den Fragebogen selbst aus, alternativ gemeinsam mit einem Angehörigen oder – falls die Person nicht mehr sprechen kann – der Angehörige allein. Ein Mitarbeiter steht gleichzeitig für Fragen zur Verfügung und schafft eine angenehme Atmosphäre. Es wird immer Lücken in der Lebensgeschichte des Bewohners geben, weil die Angehörigen vielleicht nicht zur Verfügung stehen und die Berichte des Betroffenen unzuverlässig sind. In diesem Fall sollten die Mitarbeiter besonders wachsam sein, da sich während der Betreuung biografische Hinweise auftun können.

Fragen zu folgenden Themen sollten in einem Biografiebogen nicht fehlen:

Familie (Eltern, Geschwister, Familienstand, Kinder)

Bildung (Schulzeit, Ausbildung, Studium)

Beruf (Tätigkeit, Arbeitsort, Auszeichnungen)

Freizeit (Urlaub, Freundeskreis, Hobbies, Vereinszugehörigkeit, Aufbau der Bundesrepublik Deutschland)

Kulturgeschichtliche Ereignisse (Kriegserlebnisse)

Religion (Ausübung des Glaubens)

Gewohnheiten (Tagesablauf, Essen, Schlafen)

Aber es gilt immer: Das Beantworten von biografischen Fragen ist freiwillig. Kein Demenzerkrankter oder Angehöriger darf dazu gedrängt werden. Betreuer müssen mit dem neu gewonnenen Wissen vertraulich umgehen und den Datenschutz beachten. Der Fragebogen stellt lediglich ein Gerüst dar, das helfen soll, interessante Fragestellungen oder Gesprächsthemen zu finden. Es geht nicht um ein systematisches, schnelles Abfragen.

4.1.2 Verwendung von Elementen aus der Biografie

Neben der Möglichkeit, spezielle Materialien zur biografischen Aktivierung einzusetzen (siehe Kapitel 4.1.5), können Sie Biografiearbeit auch in alltägliche Handlungen einfließen lassen. Dafür gibt es folgende Möglichkeiten:

Vertrauen durch Kenntnis der Biografie

Machen Sie der demenziell erkrankten Person deutlich, dass Sie ihre Lebensgeschichte kennen. Das schafft Vertrauen und stärkt das Identitätsgefühl. Begrüßen Sie eine demenzerkrankte Frau beispielsweise folgendermaßen: »Hallo Frau B.! Ich habe gestern einen Fernsehbericht über Ihre Heimatstadt Weimar gesehen, eine wunderschöne Stadt.« Auch wenn Frau B. nicht mehr spricht, versteht Sie möglicherweise Ihre Aussage.

Demenzerkrankte einander vorstellen

Stellen Sie Personen, die an einem Tisch sitzen oder gemeinsam an einer Gruppenaktivität teilnehmen, einander vor. Das stärkt das Identitäts- und Selbstwertgefühl der vorgestellten Person und erregt Interesse bei den anderen. Beispiel: »Die Dame neben Ihnen heißt Frau K. Frau K. liebt Gartenarbeit.« Stellen Sie die Personen auch dann vor, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob der Inhalt ihrer Aussage verstanden wird.

Tägliche Rituale einfließen lassen

Hat die demenzerkrankte Dame früher Make-up getragen? Las der demenzerkrankte Herr jeden Morgen die Tageszeitung? Gewohnheiten sollten beibehalten werden, indem die Dame sich – eventuell mit Hilfestellung – schminken kann und dem Herrn, auch wenn er nicht mehr lesen kann, jeden Morgen eine Zeitung zum Blättern auf den Frühstückstisch gelegt wird.

Den Zeitfaktor beachten

Eine Person, die immer um sieben Uhr morgens aufgestanden ist, wird diese Gewohnheit auch im Alter beibehalten wollen.

Bekannte Kommunikationsmuster verwenden

Vertraute Redewendungen, das Lieblingslied, Lieblingsgedicht oder der heimische Dialekt erleichtern den Zugang zum Demenzerkrankten. Wenn eine demenziell erkrankte Person ihr Lieblingssprichwort »Eile mit Weile« hört, lässt sie pflegerische Tätigkeiten eher zu.

Bedeutsame Gegenstände einbeziehen

Die psychosoziale Eingliederung in die Altenpflegeeinrichtung wird für den Demenzerkrankten leichter, wenn sich vertraute Utensilien aus der alten Wohnung wie etwa Möbel, Kissen oder Bilder im Bewohnerzimmer und im Gemeinschaftsbereich befinden.

Von beruflichen Fähigkeiten Gebrauch machen

Der früher ausgeübte Beruf spielt auch in der Demenz noch eine wesentliche Rolle. So wird sich ein ehemaliger Buchhalter geehrt fühlen, wenn er eine einfache Rechenaufgabe von Ihnen erhält.

Frühere Lebensweisen beachten

Bei den jetzigen Hochaltrigen war die traditionelle Rollenverteilung vorherrschend: Die Frau war mit Kindererziehung und Haushalt beschäftigt, das Leben der Männer spielte sich vorwiegend in der Berufswelt ab. Für die praktische Biografiearbeit bedeutet dies, die hauswirtschaftlichen Kompetenzen der Frau in den Mittelpunkt zu stellen und sie dafür zu loben, während beim Mann das ehemalige Berufsleben in den Vordergrund tritt.

Beruhigungs- und Kompensationsstrategien entwickeln

Oft verschwimmen in den Gedanken und im Erleben der Demenzerkrankten Vergangenheit und Gegenwart miteinander. Erinnerungen an früher nimmt der Erkrankte als Wirklichkeit wahr, die sein augenblickliches Wollen und Handeln beeinflusst: Wenn sich ein demenzerkrankter Heimbewohner an seine verstorbene Katze erinnert, macht er sich auf die Suche nach ihr, um sie zu füttern. Zugleich weiß er aber auch, dass er sich in einem Altenheim befindet. Durch Beruhigungs- und Kompensationsstrategien lassen sich solche Zeitverschränkungen meistens beheben. Es wäre beispielsweise möglich, den Bewohner aufzufordern, Blumen zu gießen. Dadurch erhält er das Gefühl, eine dringende Aufgabe erledigt zu haben und das Füttern der Katze wird wahrscheinlich vergessen.

4.1.3 Persönliche Fotografien betrachten

Wer schaut sich nicht gern alte Fotos von Familienfeiern, dem Urlaub oder Kindergeburtstagen an? Fotos nehmen mit dem Alter häufig an Bedeutung zu, da sie verstärkt als Erinnerungshilfen dienen. Der visuelle Sinn bleibt im Gegensatz beispielsweise zum Geschmackssinn noch lange erhalten. Alte Fotos bieten einen Anreiz in die Vergangenheit einzutauchen, über schöne Lebensereignisse zu sinnieren und Bezugspersonen ins Gedächtnis zu rufen. Das Anschauen von Fotos ist sprachunabhängig und ist deshalb für Menschen sehr befriedigend, die nicht mehr verbal kommunizieren können.

Voraussetzungen

Fotoalbum oder einzelne Fotos

Sitzgelegenheit

Ruhiger Ort

Durchführung

Erkundigen Sie sich bei der demenzerkrankten Person über den Besitz eines Fotoalbums oder nehmen Sie die im Zimmer vorzufindenden Fotos zur Hand. Bei stationärer Versorgung können auch die Angehörigen aufgefordert werden, ein Fotoalbum des Bewohners mitzubringen. Machen Sie es sich mit der Person in einem ruhigen Raum auf einem Sofa oder an einem Tisch mit Stühlen bequem. Auch Bettlägerige können Fotos betrachten, wenn das Kopfteil ihres Bettes hochgestellt wird. Bitten Sie die Person, Ihnen die Fotografien zu zeigen und stellen Sie Fragen zu den Fotos, sofern die Person noch in der Lage zur verbalen Kommunikation ist. Die demenzerkrankte Person wird sich gewürdigt fühlen, da Sie sich für ihr Leben interessieren. Kann der Erkrankte nicht mehr sprechen, so erzählen Sie, was sie auf den Bildern sehen und was Ihnen besonders gut darauf gefällt. Das kann auf einem Foto eine schöne Landschaft sein oder auf einem anderen Foto die kunstvolle Frisur eines Mädchens.

Personen mit einer fortgeschrittenen Demenz blättern gern in Fotoalben, Büchern und Zeitungen. Lassen Sie sich von wildem Umherblättern nicht verunsichern und unterbinden Sie diese Tätigkeit nicht, sie dient der Befriedigung von Spürinformationen. Möglicherweise erkennt die Person die Fotos auch nicht mehr, aber das macht nichts.

Bringen Sie gelegentlich auch eigene Fotos mit, um den kranken Menschen an Ihrem Leben teilhaben zu lassen. Das darf aber keinesfalls Überhand nehmen, denn im Vordergrund steht der zu betreuende Mensch.

4.1.4 Herstellen und Anwenden einer Biografiekiste

Ältere Menschen verfügen meist über Gegenstände, die eine große Bedeutung in ihrem Leben hatten und die der Erinnerung an frühere Zeiten dienen. Sobald die Erinnerungsstücke ausgepackt werden, fühlen sie sich in die alte Zeit zurückversetzt, als etwa die Mutter mit der alten Kaffeemühle am Küchentisch saß.

Erinnerungsstücke können in einer Biografiekiste gesammelt werden, um alle wichtigen Materialien an einem Ort beisammen zu haben. Die Biografiekiste eignet sich besonders gut für Heimbewohner, da diese aus ihrer gewohnten Umgebung herausgerissen wurden und im Heim kaum über einen selbst gestalteten Raum und nur wenige eigene Habseligkeiten verfügen. Der Verlust der Identität wird dann durch die Erinnerungsstücke erträglicher. Allerdings erkennen bei einer schweren Demenz die Betroffenen die Erinnerungsstücke möglicherweise nicht mehr. Sie genießen aber dennoch deren Auspacken, Befühlen und Anschauen.

Vorbereitung

Besorgen Sie eine Holzkiste oder einen alten Schuhkarton. Kleben Sie ein Foto der erkrankten Person darauf und beschriften Sie das Behältnis mit dem Namen. Dekorieren Sie das Behältnis nach Belieben. Bei Heimbewohnern ist die Zusammenarbeit mit den Angehörigen von großer Bedeutung: Bitten Sie die Angehörigen, Erinnerungsstücke mitzubringen und möglichst ausführlich über die Biografie zu informieren. Eine Biografiekiste zur Ansicht erleichtert den Angehörigen die Vorstellung dieser Aktivierungsmöglichkeit. Materialien für das Ansichtsexemplar können Sie zum Beispiel auf dem Flohmarkt erwerben. Meine Erfahrung ist, dass Angehörige sehr engagiert im Sammeln der Erinnerungsstücke sind. Sie freuen sich, wenn einige Gegenstände des Bewohners noch sinnvolle Verwendung finden und nach der Wohnungsauflösung nicht vernichtet werden müssen. Beispiele für den Inhalt einer Biografiekiste:

Reiseandenken (Postkarten und Souvenirs)

Flakon mit Parfum

Urkunden

Sammelgegenstände (Briefmarken, Münzen, Glanzbilder)

Gebetbuch, Gesangbuch

Briefe und Fotos

Alte Eintrittskarten

Schmuck

Selbst hergestellte Handarbeiten

Kleidungsstücke aus der Jugend

Alte Haushaltsgeräte

Schallplatten

Kinderspielzeug

Durchführung

Bringen Sie die Biografiekiste im Zimmer des Demenzerkrankten oder bei Heimunterbringung auch im Gemeinschaftsraum in einem Schrank unter. Bei Bedarf bietet der Betreuer die Erinnerungsstücke an. Falls sich der Demenzerkrankte verbal äußern kann, freut er sich, wenn jemand durch das Stellen von Fragen Interesse an den Erinnerungsstücken zeigt. Für Demenzerkrankte im fortgeschrittenen Stadium ist die Biografiekiste besonders gut geeignet, da sie auch ohne Worte eingesetzt werden kann: Durch Anschauen, Berühren und Riechen der Erinnerungsstücke werden viele Sinne angesprochen. Da eventuell das Greifen und auch das Loslassen der Gegenstände wegen der nachlassenden Körperwahrnehmung und schwindenden Motorik erschwert sind, wird gegebenenfalls Ihre Unterstützung benötigt.

4.1.5 Poesiealbum anschauen

Seine Blütezeit hatte das Poesiealbum im 19. Jahrhundert, als sich Mitglieder von literarischen Zirkeln gegenseitig mit Versen und künstlerischen Beiträgen in eigens angeschafften Heften verewigten. Die Beliebtheit von Poesiealben ist einem Modetrend unterworfen. Moderne Poesiealben heißen heutzutage »Freundschaftsbuch« oder »Meine Freunde« und lassen Platz für ein Foto, Angabe der Hobbies, des Lieblingssongs und einen Sinnspruch, wie er ursprünglich üblich war. Viele ältere Damen besitzen noch ein Poesiealbum. Das Vorlesen der Verse und Anschauen der Zeichnungen, Glanzbilder oder Scherenschnitte kann zu einer wunderbaren Reise in die Vergangenheit werden (Joppig 2004). Da die Verse im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, können sie von den Demenzerkrankten noch lange mitgesprochen werden. Der Verlust des Sprachverständnisses wird bei Demenzerkrankten von einer zunehmenden Neigung zu Klangassoziationen (»Scherz-Schmerz«, »Futter-Mutter«) begleitet. Dies erleichtert die Reproduktion von Reimen und verleiht dem Gehirn eine – bei allen anderen Aktivitäten verlorengegangene – Fähigkeit zur Vorwegnahme der Ereignisse (Wojnar 2007). Falls eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist, erfreuen sich die Personen an der künstlerischen Gestaltung der Seiten und über die Erinnerung an Mitmenschen, die sich im Poesiealbum verewigt haben. Möglicherweise haben Personen mit fortgeschrittener Demenz aber auch einfach Spaß am Blättern.

Voraussetzungen

Poesiealbum

Sitzgelegenheit

Ruhiger Ort

Durchführung

Lesen Sie die Verse laut vor. Häufig spricht die Person dann unaufgefordert mit, hingerissen von den schönen und bekannten Versen. Das Vorlesen ist ein guter Anknüpfungspunkt für Gespräche mit leicht demenziell erkrankten Personen: Welche Bedeutung hatte das Poesiealbum? Ist ihr ein bestimmter Vers besonders wichtig? Welche Freundinnen haben einen Vers ins Poesiealbum geschrieben?

Sprechen Sie die Verse rhythmisch und begleiten Sie die Verse gemeinsam mit der Person durch Klatschen in die Hände oder ein Klopfen mit flachen Händen auf die Tischplatte. Rhythmik ist tief im Menschen verwurzelt und das Klatschen fördert die Körperwahrnehmung sowie die Hand-Hand-Koordination. Bei immobilen Menschen können die Hände beim Klatschen auch zunächst geführt werden. Meistens klappt das Klatschen dann nach kurzer Zeit ohne Hilfestellung.

Viele ältere Damen haben ihr Poesiealbum wegen Wohnungsumzügen verloren. Bringen Sie dann Ihr eigenes Poesiealbum mit und stellen es den Seniorinnen vor – es gibt auch geläufige Verse, die sich in verschiedenen Büchern finden.

Hier einige bekannte Beispiele:

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. (Johann Wolfgang von Goethe, 1749–1832)

Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort. (Joseph Freiherr von Eichendorff, 1788–1857)

Rosen Tulpen Nelken, alle Blumen welken, aber nur die eine nicht, diese heißt Vergissmeinnicht. (Verfasser unbekannt)

In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken. (Verfasser unbekannt)

Liebe das Mutterherz solange es schlägt, denn wenn es aufhört, ist es zu spät. (Verfasser unbekannt)

Willst du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück, denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück. (Verfasser unbekannt)

Blaue Augen, roter Mund, liebe XX (Name der Demenzerkrankten Person), bleib’ gesund. (Verfasser unbekannt)

Hab’ im Herzen Sonnenschein und trag’ ihn überall hinein. (Verfasser unbekannt)

4.1.6 »Eine Handtasche hat viel zu bieten«

Die eigene Handtasche ist ein unverzichtbarer Gegenstand im Leben vieler alter Frauen. Sie ist angefüllt mit dem, was das Leben ihrer Besitzerin zu bieten hat und ihr »lieb und teuer« ist. Als Betreuer erkennen Sie die Qualität des Inhalts nicht unbedingt auf den ersten Blick. Beim Hinsehen stellen Sie fest, dass es oft Taschentücher oder Servietten sind. Dazu kommen Brillen mit oder ohne Etui, vielleicht eine Geldbörse, Teelöffel, Krümel, eine Brotrinde. Es kann sein, dass noch eine Creme, Nylonstrumpfhose oder ein Foto in dieser Tasche stecken.

Für eine alte Dame, die sich wenig in der realen Welt orientieren kann, erfüllt die Handtasche eine Aufgabe: Sie gibt Sicherheit und vermittelt unter Umständen das Gefühl, alles Wichtige beisammen zu haben – auf »alles« vorbereitet zu sein. Sie kann unter Umständen die gesamte Identität der Frau ausmachen. Die Handtasche darf nicht verlorengehen. Sie muss immer dabei sein, auch im Bett, und seien auch noch so viele Krümel darin.

Aufgeräumt werden sollte die Handtasche nur im Beisein der Besitzerin, um ihre Privatsphäre nicht anzufechten. Meist hilft es, für alles, was ggf. ausgeräumt wird/werden muss, etwas Neues zum Einräumen anzubieten. Dies ist besonders wichtig, wenn sich verderbliche/verdorbene Lebensmittel in der Tasche befinden, die entsorgt werden müssen (vgl. Messer 2009).

Material

Kleine Handtasche

Hübsche Stofftaschentücher

Geldbörse mit Münzen

Parfum – eins, was die Frau mag und kennt

Creme – eine, die die Frau mag und kennt

Handspiegel

Ausgedienter Schlüsselbund

Notizbuch mit Bleistift

Büchlein mit Gedichten

Visitenkarten

Hustenpastillen

Stadtplan

Durchführung

Nicht jede alte, demenzkranke Frau trägt eine Handtasche bei sich. Die meisten Damen erkennen aber noch Handtaschen und messen diesem Utensil viel Wert bei. Sie freuen sich, wenn ihnen eine Person mit einer eleganten, altmodischen Handtasche begegnet, sie die Tasche ausräumen können und die Gegenstände nach Herzenslust anschauen und befühlen dürfen. Eine Handtasche mit vielen Utensilien – mit allem, was so unterwegs gebraucht werden könnte – eignet sich gut für eine biografieorientierte Einzelaktivierung: Während die Gegenstände ausgepackt und auf den Tisch gelegt werden, erzählt die demenzkranke Dame, was sie so früher alles in ihrer Handtasche herumgetragen hat, welche Erinnerungen sie damit verbindet und welche Orte sie mit der Tasche aufgesucht hat. Personen, die wegen einer Demenz im dritten Stadium nicht mehr verständlich sprechen können, haben auch einfach nur Freude am Anschauen und Betasten der Gegenstände.

4.1.7 Ein Erinnerungszimmer einrichten

Verblasste Fotos in dunklen Rahmen, vergilbte Blümchentapete, hellgrüne Ohrensessel, eine Glasvitrine mit Sammeltassen, Häkeldeckchen auf einem Beistelltisch: Der Raum weckt Erinnerungen an alte Zeiten. Immer mehr Altenheime und gerontopsychiatrische Krankenhäuser richten einen sogenannten Erinnerungsraum, Retro-Raum oder eine »gute Stube« für demenzkranke Menschen ein. In diesem Zimmer sollen sich Demenzkranke wohl und sicher fühlen, sich an alte Zeiten erinnern und zurechtfinden können.

Besonders in Kliniken profitieren Personen mit Demenz von einem Erinnerungszimmer, denn ein Krankenhausaufenthalt bedeutet für sie eine Ausnahmesituation: Veränderte Tagesabläufe, eine unbekannte Umgebung und fremde Menschen verunsichern und führen zu Ängsten oder Abwehrverhalten. Um Menschen mit Demenz den Krankenhausaufenthalt zu erleichtern und Unsicherheiten zu nehmen, ist ein Erinnerungszimmer gut geeignet. Das Zimmer sollte ausschließlich mit Möbeln, Gegenständen, einer Tapete und Vorhängen aus der Jugendzeit der betroffenen Personen bestückt werden. Für Betreuungskräfte oder Angehörige ist das Erinnerungszimmer ebenfalls spannend. Sie werden sich möglicherweise beim Betreten des Zimmers an eigene Besuche bei ihren Großeltern erinnert fühlen.

Die Idee für ein Erinnerungszimmer entspringt der Milieutherapie. Allgemein kann Milieutherapie als Sammelbegriff für Verfahren bezeichnet werden, die das räumliche und soziale Milieu innerhalb Institutionen diesen möglichst unähnlich (etwa im Krankenhaus) und dafür aber kommunikationsfördernd gestaltet: vom Wohncharakter der Zimmer bis über Dienstleistungsangebote, Gruppenaktivitäten und Kleidung. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Psychiatrie.

In der Altenhilfe hat die Milieutherapie das Ziel, die Fähigkeiten der Bewohner zu erhalten, vor Überforderung zu schützen, Symptome wie Angst, Unruhe und Aggressivität zu lindern, zwischenmenschliche Beziehungen zu fördern, sich besser in Zeit, Ort und Situation zu orientieren und das Selbstwertgefühl, die Zufriedenheit und das Wohlbefinden zu steigern. Dabei sind die Wohnraumgestaltung (etwa die Orientierung durch die Raumstruktur, barrierefreies Wohnen, Raumgestaltung durch biografisch orientierte Gegenstände und Schaffung von gemütlichen und praktischen Sitzgelegenheiten, Beleuchtung, Farbgebung von Wänden), die Gestaltung des sozialen Umfelds (etwa das Einbeziehen der Angehörigen, Bezugspflegesystem, Kontakte zu Mitbewohnern ermöglichen, Biografiearbeit) und die Tagesstrukturierung (Ruhepausen, Konstanz, Rituale) einbegriffen (vgl. Graber-Dünow 2003).

Das Erinnerungszimmer sollte für jede Person gut erreichbar sein. Wenn Institutionen keine finanziellen Mittel für die Anschaffung antiquarische Möbel haben, ist eine Anzeige in der Heim- oder Tageszeitung ein Versuch wert: Bestimmt gibt es Menschen, die sich freuen, alte Möbel für eine Einrichtung zu spenden. Die Möbel müssen sich aber für alte Menschen eignen: Ein Sofa taugt zum Beispiel nichts, wenn es so flach ist, dass die Bewohner nur mit Schwierigkeiten allein aufstehen können. Utensilien zum Einrichten und fürs tägliche Leben – alte Zeitschriften, altes Geschirr und jahreszeitliche Dekoration – findet man auch auf Flohmärkten. Verfügt eine Einrichtung nicht über ein ganzes Zimmer, können auch Erinnerungsplätze eingerichtet werden, beispielsweise am Ende eines Flurs. So ist eine Küchenecke mit einem alten Herd, Kochgeschirr, einer Eckbank und einem Küchentisch möglich oder ein Nähplatz mit einer alten Nähmaschine, Schemel, Stoffresten und Nähzubehör. Ganz wichtig ist, dass alle Möbel und Gegenstände wirklich aus einer früheren Zeit stammen und nicht etwa aus modernen Kaffeetassen getrunken wird. Die Betroffenen sollen sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt fühlen. Während des Plauderns können Mitarbeiter leise nostalgische Musik von einem alten Plattenspieler abspielen lassen, vielleicht besteht auch die Möglichkeit, einen alten Film vorzuführen.

Im Erinnerungszimmer können sich Betreuungskräfte und Angehörige mit den Menschen mit Demenz einfach zum Kaffeetrinken treffen. Durch die besondere Atmosphäre des Raumes kommt man schnell ins Gespräch. Sicher gibt es Personen, die von sich aus Erinnerungen abrufen und jene, bei denen man nachfragen muss: »Hatten Sie auch Sammeltassen zu Hause?«, »Was gab es im Fernsehen?«, »Haben Sie früher gestrickt oder genäht?« – solche und andere Fragen regen die Gespräche an. Ein Fenster zu einer vergangenen Welt öffnet sich. Personen, die sich wegen einer stark ausgeprägten Demenz nicht mehr am Gespräch beteiligen, sollten sich trotzdem im Raum aufhalten. Wer weiß, vielleicht erinnern sie sich in diesem Zimmer auch, können es nur nicht verbal äußern.

4.2 Gedächtnistraining durch Sprichworte und Wortspiele

Das Wort »Gedächtnistraining« ist bei der Aktivierung von Demenzpatienten umstritten. Ein Training setzt voraus, dass Leistungen verbessert oder wiederhergestellt werden. Bei demenziell erkrankten Menschen ist dies nicht mehr möglich. Klassisches Hirn-Leistungs-Training oder Gehirnjogging, worunter beispielsweise das Abfragen von Wissen oder das Vervollständigen von Zahlenreihen fällt, führt gegebenenfalls nur bei beginnender Demenz zu Erfolgserlebnissen und muss bei Verunsicherung oder Negativerlebnissen sofort eingestellt werden. Setzt der Betreuer oder Therapeut das Wort »Gedächtnistraining« aber mit dem Schulen noch vorhandener Fähigkeiten gleich, dann ist es eine sinnvolle Aktivierung für Demenzerkrankte. Ziel ist dann, den krankheitsbedingten Abbauprozess zu verlangsamen und somit noch vorhandene Hirnleistungen möglichst lange aufrechtzuerhalten. Jede verfügbare Hirnleistung bedeutet ein Stück mehr Handlungsfähigkeit. Dies schafft und erhält die Möglichkeit gesellschaftlicher Teilhabe.

 

Die Leistungen des Langzeitgedächtnisses bleiben bei Demenzpatienten oft noch lange erhalten, während das Ultrakurzzeitgedächtnis (Speicherungszeit: wenige Sekunden) und das Kurzzeitgedächtnis (Speicherungszeit: wenige Stunden oder Tage) schnell nachlässt. Das Langzeitgedächtnis stellt deshalb eine Ressource für die Aktivierung Demenzerkrankter dar. Beim Gedächtnistraining mit Demenzerkrankten geht es darum, das Langzeitgedächtnis auf spielerische und stressfreie Weise arbeiten zu lassen. Dafür sind Sprichwörter, Redewendungen oder Zitate aus Märchen gut geeignet, da sie fast automatisch mitgesprochen werden. Wenn eine Person mit mittelschwerer Demenz »Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich …« hört, kann sie das Märchenzitat fast immer mit »dass ich Rumpelstielzchen heiß« vervollständigen. Genauso verhält es sich bei bekannten Sprichwörtern, wie beispielsweise »Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«. Wenn der Betreuer bei Sprüchen die ersten Worte aufsagt, folgen die passenden Worte oft sehr schnell. Dem Betreuer muss allerdings bei allen Erfolgserlebnissen bewusst sein, dass Floskeln abgerufen werden können, die selbstständige Sprachfähigkeit der demenzkranken Person dadurch aber nicht unbedingt erhalten werden kann.

Auch bestimmte Folgen wie zum Beispiel Wochentage, Monate, Zahlen oder das Alphabet fallen dem Demenzerkrankten in der richtigen Reihenfolge ein, wenn ihm der Impuls dazu gegeben wird. In vielen Fällen hilft es schon, den ersten Buchstaben eines Wortes zu hören. Da solche Automatismen relativ leicht abgerufen werden können, erzeugt dies ein Erfolgserlebnis und schafft Motivation, weiterzumachen. Außerdem kann der Betreuer auf diese Weise oft noch Zugang zum Gedächtnis des Demenzerkrankten erlangen, wenn dies über den Intellekt nicht mehr möglich ist. Verbindet man gesprochene Folgen, wie etwa das Aufsagen der Wochentage, mit einfachen rhythmischen Bewegungen, wie zum Beispiel Klatschen oder auf den Tisch klopfen, kommen die Begriffe meist noch schneller in Erinnerung. Das erklärt sich dadurch, dass Wörter rhythmisch abgespeichert werden und durch Bewegung auch das Gehirn besser durchblutet wird.

Personen mit einer mittelschweren Demenz können meistens noch einzelne Wörter oder kurze Sätze lesen. Die Bedeutung und das Zusammenbringen von Buchstaben sind fest im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Im Gegensatz zur Rechenfähigkeit bleibt die Lesefähigkeit noch lange erhalten. Diese sollte der Betreuer nutzen, indem er den Demenzerkrankten Sprichwörter, Begriffe oder Sprüche ablesen lässt (Schaade 2008). Dass der Inhalt des abgelesenen Wortes oder Satzes verstanden wird, ist allerdings nicht selbstverständlich und auch nicht das Ziel.

4.2.1 Gegensätze oder Entsprechungen erraten

Bei dieser Einzel- oder Gruppenaktivierung rät der Teilnehmer gegensätzliche Begriffe, die vom Betreuer auf Pappkarten geschrieben wurden. Die Antwort auf »heiß« lautet zum Beispiel »kalt« oder auf »dünn« »dick«.

Material und Vorbereitung

1. Verschiedenfarbige Papierblätter in der Größe DIN-A4.

2. Die Blätter auf der Vorderseite mit einem Begriff und auf der Rückseite mit dem gegensätzlichen Begriff in Blockbuchstaben beschriften (Beispiele siehe unten).

3. Die Papiere laminieren, damit sie stabiler werden und sich nicht so schnell abnutzen.

Durchführung

Halten Sie eine Karte für alle gut sichtbar in die Höhe. Die Teilnehmer lesen den Begriff laut vor und erraten den gegensätzlichen Begriff. Anschließend drehen Sie die Karte um und die Senioren lesen, ob er richtig erraten wurde. Geben Sie die Karte in der Runde herum. Personen mit einer schweren Demenz haben oft Interesse am Befühlen und Drehen der Karten. Dabei werden ihre Greiffunktionen gefördert. Wenn die Karten unterschiedliche Farben haben, können Sie Sprichwörter, wie zum Beispiel »Rot ist die Liebe« oder »Grün wie Klee«, ergänzen lassen. Das Zählen der richtig erratenen Karten am Ende des Spiels führt den Senioren ihren Erfolg vor Augen und gibt Ihnen einen Anhalt für Unter- oder Überforderung.

 

Beispiele für gegensätzliche Begriffe:
Glück Pech
Gesund Krank
Weiß Schwarz
Freude Trauer
Schmal Breit
Links Rechts
Tag Nacht
Leben Tod
Nass Trocken
Schlafen Wachen
Wahrheit Lüge
Alt Neu
Jung Alt
Flach Tief
Weich Hart
Hell Dunkel
Spitz Stumpf
Nah Fern
Hoch Tief

Der Schweregrad des Spiels wird erheblich gesteigert, wenn berühmte Paare gesucht werden sollen.

 

Beispiele für berühmte Paare:
Hänsel Gretel
Maria Josef
Romeo Julia
Gretchen Faust
Kain Abel
Mozart Konstanze
Goldmarie Pechmarie
Tarzan Jane
Asterix Obelix
Dick Doof
Max Moritz
Sissi Franz
Susi Strolch
Pünktchen Anton
Schneeweißchen Rosenrot
Adam Eva

Bringen Sie als Anschauungsmaterial Bilder von den Paaren und typische Materialien mit (bei Adam und Eva zum Beispiel einen Apfel). Fragen Sie die Teilnehmer je nach Ausprägung ihrer Demenz, was sie über die Paare wissen oder erzählen Sie selbst etwas über sie.

4.2.2 Begriffe assoziieren

Bei dieser Einzel- oder Gruppenaktivierung wird die Wortfindung gefördert. Die Demenzerkrankten ordnen einem Überbegriff, der auf einer Karte steht, Unterbegriffe zu. Steht auf der Karte etwa »Kleidungsstücke für den Winter«, lautet die Antwort zum Beispiel »Mütze, Handschuhe, Schaal«.

Material und Vorbereitung

1. Verschiedenfarbige Papierblätter in der Größe DIN-A4.

2. Die Papiere mit einem Überbegriff in Blockbuchstaben beschriften (Beispiele siehe unten).

3. Die Papiere laminieren, damit sie stabiler werden und sich nicht so schnell abnutzen.

Durchführung

Halten Sie eine Karte für alle gut sichtbar in die Höhe. Die Teilnehmer lesen den Begriff laut vor und suchen Unterbegriffe. Verhindern Sie auch bei dieser Aktivität nicht das ausführliche Befühlen der Spielkarten und lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn die Demenzerkrankten die Karten knicken. Bringen Sie zu den unterschiedlichen Begriffen Material mit, das die Demenzerkrankten ausführlich anschauen und befühlen können. Bei »Kleidungsstücke für den Winter« können Sie eine Mütze, Handschuhe und einen Schaal vorzeigen und von den Demenzerkrankten anprobieren lassen. Dies fördert diverse Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Motorik und Sensorik. Einige Beispiele für Oberbegriffe:

Tiere

Gemüsesorten

Blumenarten

Berühmte Männer

Farben

Länder

Getränke

Frauennamen

Berufe

Früchte

Möbelstücke

Nahrungsmittel

Erheblich schwieriger wird das Spiel, wenn die Teilnehmer Unterbegriffe suchen, die mit einem bestimmten Buchstaben beginnen sollen. Fangen Sie dabei am besten mit dem Buchstaben »A« an und gehen Sie das Alphabet der Reihe nach durch. Diese Spielvariante ist nur für Personen mit einer leichten Demenz geeignet.

Sie steigern den Schwierigkeitsgrad des Spiels ebenfalls, indem die Teilnehmer Objekte mit bestimmten Eigenschaften suchen sollen.

Einige Beispiele:

Dinge, die abfärben

Dinge, die gut riechen

Dinge, die sich weich anfühlen

Dinge, die kleben

Dinge, die spitz sind

Dinge, die kalt sind

Dinge, die rot sind

Dinge, die süß schmecken

Dinge, die klappern

Dinge, die sich schnell bewegen

Dinge, die sich rau anfühlen

Dinge, die schwer sind

4.2.3 Sprichwörter und Redewendungen ergänzen

Das Ergänzen von Sprichwörtern und Redewendungen ist eine altbewährte Aktivität. Sie ist bei den Senioren stets beliebt, für Personen im fortgeschrittenen Demenzstadium noch gut möglich und ohne viel Vorbereitung für den Betreuer durchführbar. Sprichwörter und Redewendungen – früher mehr benutzt als heute – sind den heute hochbetagten Menschen seit ihrer Kindheit bekannt und fest in ihrem Langzeitgedächtnis verankert. Sie dienen dazu, Situationen zu verdeutlichen oder Sachverhalte und Einsichten bildhaft auszudrücken.

Material und Vorbereitung

1. Verschiedenfarbige Papierblätter in der Größe DIN-A4.

2. Den Anfang eines Sprichworts in Blockbuchstaben auf eine Papierseite schreiben und auf der anderen Seite beenden (Beispiele siehe unten).

3. Die Papiere laminieren, damit sie stabiler werden und sich nicht so schnell abnutzen.

Durchführung

Halten Sie die Karte mit der Vorderseite für alle gut sichtbar in die Höhe und lassen Sie den Anfang des Sprichwortes von den Teilnehmern ablesen. Anschließend ergänzen die Teilnehmer das Sprichwort. Sie drehen die Karte um und die Teilnehmer sehen, ob der Spruch richtig ergänzt wurde. Nun wird das Sprichwort im Chor gesprochen. Wiederholen Sie das Sprichwort mehrmals, wenn nicht alle Personen mitsprechen. Schwieriger wird die Übung, wenn die Sprichwörter zusätzlich gedeutet werden sollen. Dies ist nur Personen mit leichter Demenz möglich. Mit begleitendem Klatschen lassen sich die Sprichwörter auch rhythmisch sprechen. Das schult die Körperwahrnehmung und die Hand-Hand-Koordination.

 

Sprichwörter
Anfang Ende
Abwarten und Tee trinken
Aller guten Dinge sind drei
Alle Wege führen nach Rom
Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei
Alte Liebe rostet nicht
Alter schützt vor Torheit nicht
Andere Länder andere Sitten
Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn
Aus einer Mücke einen Elefanten machen
Auf jeden Topf passt ein Deckel
Auge um Auge Zahn um Zahn
Bescheidenheit ist eine Zier doch weiter kommt man ohne ihr
Da wird ja der Hund in der Pfanne verrückt
Das Handwerk hat goldenen Boden
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Der Glaube kann Berge versetzen
Der Klügere gibt nach
Der Ton macht die Musik
Der Weg ist das Ziel
Der Zweck heiligt die Mittel
Die Axt im Haus erspart/ersetzt den Zimmermann
Die dümmsten Bauern haben/ernten die dicksten Kartoffeln
Die Katze lässt das Mausen nicht
Die Rechnung ohne den Wirt machen
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern
Die Zeit heilt alle Wunden
Eigener Herd ist Goldes wert
Eile mit Weile
Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen
Ein voller Bauch studiert nicht gern
Eine Hand wäscht die andere
Eine Krähe hackt der anderen nicht die Augen aus
Eine Schwalbe macht noch lange keinen Sommer
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul
Einer für alle alle für einen
Ende gut alles gut
Erst die Arbeit dann das Vergnügen
Es ist nicht alles Gold was glänzt
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Es wird nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird
Frisch gewagt ist halb gewonnen
Gebranntes Kind scheut das Feuer
Geld regiert die Welt
Geteiltes Leid ist halbes Leid
Gleich und Gleich gesellt sich gern
Gute Miene zum bösen Spiel machen
Herein wenn’s kein Schneider ist
Hochmut kommt vor dem Fall
Hunde die bellen beißen nicht
In der Kürze liegt die Würze
In der Not frisst der Teufel Fliegen
In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot
In der Ruhe liegt die Kraft
Irren ist menschlich
Ist der Ruf erst ruiniert lebt es sich ganz ungeniert
Ist die Katze aus dem Haus tanzen die Mäuse auf den Tischen
Je später der Abend desto schöner die Gäste
Jeder ist seines Glückes Schmied
Jemandem einen Floh ins Ohr setzen
Keine Rose ohne Dornen
Kindermund tut Wahrheit kund
Kleider machen Leute
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft
Kommt Zeit kommt Rat
Lange Rede kurzer Sinn
Liebe macht blind
Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach
Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende
Lügen haben kurze Beine
Man ist so alt wie man sich fühlt
Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen
Man soll das Eisen schmieden so lange es heiß ist
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben
Man soll die Feste feiern wie sie fallen
Man soll nicht sofort die Flinte ins Korn werfen
Mit Kanonen auf Spatzen schießen
Mit Speck fängt man Mäuse
Morgen, morgen nur nicht heute sagen alle faulen Leute
Morgenstund’ hat Gold im Mund
Müßiggang ist aller Laster Anfang
Nach dem Essen sollst du ruh’n oder tausend Schritte tun
Neue Besen kehren gut
Not macht erfinderisch
Ohne Fleiß keinen Preis
Ordnung ist das halbe Leben
Quäle nie ein Tier zum Scherz denn es fühlt wie du den Schmerz
Pech im Spiel Glück in der Liebe
Reden ist Silber Schweigen ist Gold
Schadenfreude ist die schönste Freude
Sauer macht lustig
Scherben bringen Glück
Sich regen bringt Segen
Steter Tropfen höhlt den Stein
Stille Wasser sind/gründen tief
Übung macht den Meister
Viele Köche verderben den Brei
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Was du heute kannst besorgen das verschiebe nicht auf morgen
Was Hänschen nicht lernt lernt Hans nimmermehr
Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß
Wenn zwei sich streiten freut sich der dritte
Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst herein
Wer A sagt muss auch B sagen
Wer den Pfennig nicht ehrt ist des Talers nicht wert
Wer die Wahl hat hat die Qual
Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen
Wer nicht hören will muss fühlen
Wer rastet der rostet
Wer schön sein will muss leiden
Wer zuerst kommt mahlt zuerst
Wer zu spät kommt den bestraft das Leben
Wer zuletzt lacht lacht am besten
Wie die Katze um den heißen Brei herumlaufen
Wie du mir so ich dir
Wie ein Elefant im Porzellanladen
Wie gewonnen so zerronnen
Wie man in den Wald hineinruft so schallt es heraus
Wie man sich bettet so liegt man
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen

 

Redewendungen
Anfang Ende
Auf Schritt und Tritt
Außer Rand und Band
Drehen und wenden
Fix und fertig
Feuer und Flamme
In Grund und Boden
In Hülle und Fülle
In Samt und Seide
In Nacht und Nebel
Kopf und Kragen
Klipp und klar
Kreuz und quer
Land und Leute
Lug und Trug
Mit Sang und Klang
Mit Haut und Haar
Mit Sack und Pack
Mit Pauken und Trompeten
Mit Mann und Maus
Mit Kind und Kegel
Mit List und Tücke
Mit Rat und Tat
Nach und nach
Schalten und walten
Unter Dach und Fach
Wie Kraut und Rüben

Das Vervollständigen der Sprichwörter und Redewendungen ist schwieriger, wenn der Betreuer das Ende vorgibt. Diese Übung ist nur für Personen mit einer leichten Demenz geeignet.

4.2.4 Verballhornte Sprichwörter

Unter verballhornten Sprichwörtern versteht man Aussagen, die falsch wiedergegeben werden. Die Bezeichnung »verballhornen« geht auf den Lübecker Buchdrucker Jürgen Ballhorn zurück, der 1586 eine Ausgabe des Lübecker Stadtrechts verlegte, die sinnentstellende Fehler enthielt. Der Historie zufolge soll er eine ältere Ausgabe überarbeitet haben, wonach jedoch mehr Fehler enthalten waren als vorher, weshalb »verballhornen« ursprünglich so viel wie »verschlimmbessern« bedeutet.

Menschen mit einer leichten bis mittelschweren Demenz mögen diese Übung, denn verballhornte Sprichwörter reizen zum Lachen und sorgen für eine entspannte Atmosphäre. Oft lösen sie auch leichte Entrüstung aus und fördern damit über die Emotion das Engagement wie etwa: »Da stimmt aber etwas nicht, das muss schleunigst wieder in Ordnung gebracht werden« (Joppig 2004). Diese Übung ist schwieriger als das einfache Ergänzen der Sprichwörter (siehe vorherige Übung).

Material und Vorbereitung

1. Verschiedenfarbige Papierblätter in der Größe DIN-A4

2. Das verballhornte Sprichwort in Blockbuchstaben auf eine Seite schreiben und auf die andere Seite das korrekte Sprichwort (Beispiele siehe unten)

3. Die Papiere laminieren, damit sie stabiler werden und sich nicht so schnell abnutzen

Durchführung

Halten Sie die Vorderseite der Karte für alle gut sichtbar in die Höhe und lassen Sie das verballhornte Sprichwort von den Teilnehmern ablesen und richtigstellen. Sie drehen anschließend die Karte um und die Teilnehmer sehen, ob der Spruch richtig erraten wurde.

Einige Beispiele für verballhornte Sprichwörter:

1. falsches Sprichwort 2. falsches Sprichwort Lösung
Wer rudert, der rostet Wer rostet, der rastet Wer rastet, der rostet
Wie gewonnen so verloren Wie verloren so zergoren Wie gewonnen so zerronnen
Splitter bringen Pech Scherben bringen Freude Scherben bringen Glück
Wer Y sagt, muss auch Z sagen Wer O sagt, muss auch U sagen Wer A sagt, muss auch B sagen
Süß macht matt Salzig macht albern Sauer macht lustig
Alte Schrubber schrubben schlecht Neue Lappen wischen gut Neue Besen kehren gut
Mit Pfeilen auf Käfer schießen Mit der Knallpistole auf Fliegen schießen Mit Kanonen auf Spatzen schießen
Was Paula nicht lernt, lernt Paulinchen nimmermehr Was Karl nicht lernt, lernt Karlchen nimmermehr Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
Schweigen ist Silber, Reden ist Gold Reden ist Gold, Schweigen ist Silber Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Morgenstund’ frisst den Hund Abendstund’ hat Silber im Schlund Morgenstund’ hat Gold im Mund
Man soll das Wachs formen solange es weich ist Man soll das Blech schmieden solange es kalt ist Man soll das Eisen schmieden solange es heiß
Zwei Wespen mit einem Beil schlagen Zwei Insekten mit einer Klatsche schlagen Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Reißende Flüsse sind schnell Laute Seen sind flach Stille Wasser sind tief
Wenn fünf sich freuen, streitet sich der sechste Wenn drei sich lieben, ärgert sich der vierte Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte
Wer zuerst lächelt, lächelt am stärksten Wer zuletzt weint, weint am schlechtesten Wer zuletzt lacht, lacht am besten

Schwieriger wird das Erraten der Sprichwörter, wenn Teile von zwei Sprichwörtern miteinander verbunden werden. Diese Übung ist nur für Personen mit einer leichten Demenz geeignet. Wenn Sie die beiden Sprichwörter geschickt kombinieren, werden amüsante Situationen beschrieben. Das löst Heiterkeit bei den Teilnehmern aus. Den zweiten Teil eines verballhornten Sprichwortes zu ergänzen, fällt den meisten Menschen relativ leicht, während das Vervollständigen des ersten Teils schwieriger ist (Joppig 2004).

 

Verballhorntes Sprichwort Die Teilnehmer korrigieren
Wer rastet, findet mal ein Korn Wer rastet, der rostet
Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn
Wie ein Elefant freut sich der dritte Wie ein Elefant im Porzellanladen
Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte
Wer A sagt, ist des Talers nicht wert Wer A sagt, muss auch B sagen
Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert
Abwarten und den Wirt machen Abwarten und Tee trinken
Die Rechnung ohne den Wirt machen
Wer zuletzt lacht, den bestraft das Leben Wer zuletzt lacht, lacht am besten
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben
Wer schön sein will, höhlt den Stein Wer schön sein will, muss leiden
Steter Tropfen höhlt den Stein
Viele Köche kehren gut Viele Köche verderben den Brei
Neue Besen kehren gut
Alle guten Dinge führen nach Rom Alle guten Dinge sind drei
Alle Wege führen nach Rom
Gebranntes Kind ersetzt den Zimmermann Gebranntes Kind scheut das Feuer
Eine Axt im Haus ersetzt den Zimmermann
Kommt Zeit von den Dächern Kommt Zeit, kommt Rat
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern
Eigener Herd vom Himmel gefallen Eigener Herd ist Goldes Wert
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen
Lange Rede regiert die Welt Lange Rede, kurzer Sinn
Geld regiert die Welt
Wer im Glashaus sitzt rostet nicht Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen
Alte Liebe rostet nicht
Ohne Fleiß schmeckt die Wurst auch ohne Brot Ohne Fleiß keinen Preis
In der Not, schmeckt die Wurst auch ohne Brot
Wie man sich bettet so schallt es heraus Wie man sich bettet so liegt man
Wie man in den Wald hineinruft so schallt es heraus
Ordnung ist dann das Vergnügen Ordnung ist das halbe Leben
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

4.2.5 4.2.5 Gemeinsames Rekonstruieren von Märchen

Märchen sind fest im Langzeitgedächtnis gespeichert, da betagte Menschen sie bereits aus ihrer Kindheit kennen und sie wahrscheinlich ihren eigenen Kindern weitererzählt haben. Märchen sollten mit der erkrankten Person gemeinsam rekonstruiert, statt nur vom Betreuer vorgelesen werden. Zum Zuhören und Verstehen eines Märchens muss das abstrakte und logische Denken eingesetzt werden, das bei Menschen mit einer mittelschweren Demenz bereits erheblich eingeschränkt ist. Die Person wird durch das gemeinsame Rekonstruieren des Märchens selbst aktiv. Durch das Ergänzen von Märchenzitaten, das Singen von passenden Liedern und Befühlen von entsprechenden Materialien werden die unterschiedlichen Sinne stimuliert und die Kognition angeregt. Es kommt nicht darauf an, ob das Märchen richtig wiedergegeben wird, sondern darauf, dass die Menschen aktiv sind und sich angesprochen fühlen.

Vorbereitung und Durchführung

Suchen Sie Sprichwörter, Materialien und Lieder zum Märchen, das Sie mit den Teilnehmern rekonstruieren möchten. Setzen Sie an den entsprechenden Stellen des Märchens die Medien ein.

Einige Beispiele:

Rapunzel

Zitat: »Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter.«

Materialien: Rapunzelsalat (Feldsalat).

Werktätigkeit: Aus alten Strumpfhosen geflochtene Zöpfe vorzeigen oder die Teilnehmer selbst einen Zopf daraus flechten lassen.

Hänsel und Gretel

Zitat: »Knusper, knusper knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?« »Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.«

Lied: »Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald«.

Materialien: Karton mit Blättern, Pflanzen und kleinen Steinen (Wald) für die Tischdekoration. Einige der Naturmaterialien im Karton lassen, damit die Teilnehmer darin herumwühlen können. Weitere Utensilien: Pfefferkuchenhäuschen oder einzelne Pfefferkuchen (zum gemeinsamen Verzehr).

Rumpelstilzchen

Zitat: »Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind; ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß.«

Materialien: Spinnrad, Stroh, Lametta (dient als Stroh, dass zu Gold gesponnen wurde), kleine Zwergenfigur.

Schneewittchen

Zitate: »Rot wie Blut, weiß wie Schnee und schwarz wie Ebenholz«. Farbige Karten auf den Tisch legen. Die Teilnehmer sollen dann beim Zitat die entsprechenden Karten heraussuchen.

Frage: »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«

Antwort 1: »Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als ihr.«

Antwort 2: Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber Schneewittchen über den Bergen, bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner als ihr.«

Antwort 3: Frau Königin, ihr seid die Schönste hier, aber die junge Königin ist tausendmal schöner als ihr«.

Materialien: Gartenzwerge, Handspiegel, Gürtel, Kamm, Äpfel, Kohle.

Werktätigkeit: Das Märchen »Schneewittchen« lässt sich zur Förderung des Zahlenverständnisses nutzen: Lassen Sie die Teilnehmer nach Möglichkeit sieben kleine Teller oder Bettchen zeichnen (Schaade 2008).

Aschenputtel

Zitate: »Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.«

»Bäumchen rüttel’ dich und schüttel dich, wirf Gold und Silber über mich.«

»Ruckeldigu, Ruckeldiguh, Blut ist im Schuh. Der Schuh ist zu klein, die rechte Braut sitzt noch daheim.«

»Der Schuh ist nicht zu klein, die rechte Braut, die führt er heim«.

Materialien: künstliche Taube, Linsen in einer Schüssel, goldener Pantoffel (herkömmlichen Pantoffel mit goldener Farbe besprühen), Abendkleid.

Rotkäppchen

Zitate: Frage: »Ei Großmutter, was hast du für große Ohren?«

Antwort: »Damit ich dich besser hören kann.«

Frage: »Ei Großmutter, was hast du für große Augen?«

Antwort: »Damit ich dich besser sehen kann.«

Frage: »Aber Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul?«

Antwort: »Damit ich dich besser fressen kann.«

Materialien: rote Kappe, Korb mit Kuchen und Wein zum gemeinsamen Verzehren (als Ersatz eventuell Traubensaft verwenden), Naturmaterialien als Wald (siehe Beschreibung »Hänsel und Gretel«), Eimer mit Steinen.

4.2.6 Spiele mit Farben

Demenzerkrankte können Farben gut erkennen, solange sie nicht unter Sehstörungen leiden. Ihnen fällt es nur manchmal schwer, aufgrund von Wortfindungsstörungen die Farben zu benennen. Bei diesem Spiel werden die Farben von Karteikarten abgelesen.

Material und Vorbereitung

1. Fünf verschiedenfarbige Blätter im DIN-A4-Format auf dem Tisch verteilen. Die Farben müssen eindeutig sein und dürfen sich nicht wiederholen.

2. Mit einem schwarzen Filzstift und in Blockbuchstaben die fünf Farben der Papiere auf einzelne weiße Karteikarten schreiben.

Durchführung

Halten Sie eine Karteikarte, auf der eine Farbe in Blockbuchstaben geschrieben steht, für alle gut sichtbar in die Höhe. Die Teilnehmer lesen die Farbe vor und zeigen das entsprechende farbige Papier, auf das die Karteikarte durch Sie oder einen Teilnehmer gelegt wird.

Variante (1): Sammeln Sie Gegenstände mit typischen Farben in einem Karton, die auf die entsprechenden farbigen DIN-A4-Blätter gelegt werden. Beispiele: Banane (gelb), Naturholz (braun), Ei (weiß), Gras (grün), Tomate (rot).

Variante (2): Benutzen Sie statt der Farbbezeichnungen auf den Karteikarten Zeichnungen von Gegenständen, die eine typische Farbe haben. Die Gegenstände werden mit schwarzem Filzstift auf die Karteikarten gezeichnet. Folgende Gegenstände sind möglich: Sonne (gelb), Herz (rot), Wolke (weiß), Kleeblatt (grün), Karotte (orange). Diese Variante ist erheblich schwieriger als die erste, da sich der Demenzerkrankte die typischen Farben bestimmter Gegenstände in Erinnerung rufen muss.

Farb-Domino: Das Farb-Domino ist eines der wenigen Gesellschaftsspiele, das Personen mit einer mittelschweren Demenz spielen können. Voraussetzung ist die Fähigkeit, die Dominokarten greifen und anlegen zu können – was für Demenzerkrankte manchmal schwierig ist – sowie das Erkennen der Farben. Sie können ein Farb-Domino ohne großen Aufwand selbst herstellen:

1. Mit einem dicken schwarzen Filzstift in der Mitte von 30 Karteikarten eine Linie zur Unterteilung ziehen.

2. Jeweils eine Hälfte der Karten mit einer Farbe anmalen, mit farbigem Papier, Moosgummi oder Stoffresten bekleben. Die Farben müssen mehrere Male vorkommen.

Ziel des Spiels ist es, aus dem Vorrat der Karten die entsprechende Karte mit einer bestimmten Farbe einem der Enden anzulegen, die bereits vom Mitspieler ausgelegt wurden. Rot wird beispielsweise an rot gelegt oder blau an blau. Personen mit fortgeschrittener Demenz wollen die Karten eventuell nicht aus der Hand geben und haben nur am Betasten und Anschauen der Karten Interesse. In diesem Fall wird die Person ausgelassen und der nächste Mitspieler kommt an die Reihe.

4.2.7 Reimrätsel

Rätsel raten mit Demenzerkrankten ist eigentlich widersinnig. Bei Rätseln wird Wissen abgefragt und die Teilnehmer würden normalerweise sofort an ihre kognitiven Grenzen stoßen. Deshalb sind insbesondere Scherzfragen oder Teekesselchen (Doppelbedeutungen erraten) für Demenzerkrankte ungeeignet. Eine Ausnahme stellen Reimrätsel dar. Reimrätsel sind bei mittelschwerer Demenz meistens noch gut zu bewältigen, da sie nicht durch Wissen gelöst werden, sondern durch Erkennen eines Wortklangs, wozu die Betroffenen oft noch gut in der Lage sind.

Durchführung

Sie lesen die Reimrätsel vor und die Teilnehmer erraten die Lösung gemeinsam. Reimrätsel können Sie sich auch selbst ausdenken. Die erste Rätselzeile muss besonders leicht sein, da vorher kein Begriff genannt wird, auf den sich das gesuchte Wort reimt. Zur Erleichterung können Sie auch die ersten beiden Buchstaben des gesuchten Begriffs vorsagen.

Zum Ausprobieren sind hier einige Beispiele:

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842685352
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Aktivierung Altenhilfe Altenpflege Ambulante Pflege Angehörige Betreuung Biografiearbeit Demenz Ehrenamtliche Begleiter Soziale Betreuung

Autor

  • Johanna Radenbach (Autor:in)

Johanna Radenbach ist examinierte Ergotherapeutin und Bachelor of Health. Sie arbeitet seit mehreren Jahren in Senioreneinrichtungen sowie als freie Redakteurin und Dozentin.
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Titel: Aktiv trotz Demenz