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100 Tipps zur Mund- und Zahnpflege bei Pflegebedürftigen

Bedürfnisse erkennen. Qualitativ hochwertig pflegen. Effektiv vorbeugen.

von Monika Hammerla (Autor:in)
96 Seiten

Zusammenfassung

Mund- und Zahnpflege gehören zur täglichen Grundpflege. Dennoch werden sie in der Pflegepraxis oft „nebenbei“ und nach Gutdünken erledigt – sind vielfach „Stiefkinder“ der Körperpflege. Genau das ist ein Risiko: Schlechte Mundpflege kann der Beginn von Mangelernährung sein und Entzündungsprozesse im Körper bedingen, mit teils lebensgefährdenden Konsequenzen für die Pflegebedürftigen. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Dieses Buch hilft – gefüllt mit praktischen, schnell umzusetzenden Hinweisen und Anleitungen für den Alltag –, eine gute, gesunde Zahnpflege in Pflegeeinrichtungen und auch zu Hause zu gewährleisten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


DANKSAGUNG

Ein herzlicher Dank gebührt Annette Berghoff, die das Projekt von Anfang an wohlwollend und kritisch begleitet hat. Dr. Dusan Bogojevic danke ich für die zahnmedizinischen Beiträge und meiner Nichte Annette Löhnert für die Beiträge im Bereich der zahnmedizinischen Prophylaxen. Meinen Kolleginnen Edith Hermann und Kathrin Prediger herzlichen Dank für die fachlichen Anregungen.

Meinem Mann Prof. Dr. Dr. Horst Claassen danke ich für die fundierten, gestrafften Anatomiekenntnisse zu Beginn des Buches.

Ahorn, Mai 2014

Monika Hammerla

VORWORT

Die Zahngesundheit der deutschen Bevölkerung hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Teil erheblich verbessert. Die Karieshäufigkeit bei Kindern und Jugendlichen ist durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen in Kindergärten und Schulen um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Aber auch die Eltern legen heutzutage viel mehr Wert auf gründliche Zahnpflege ihrer Kinder. Vor allem die Sensibilisierung der Erwachsenen für ihre eigene Gesundheit durch verschiedene Kampagnen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Bonusprogramme der Krankenkassen haben viel zu dieser positiven Bewusstseinsveränderung beigetragen.

Für den älteren Bevölkerungsteil hingegen, insbesondere die über 60-Jährigen, kam dieser Wandel leider zu spät. Da die tägliche und gründliche Mundhygiene in ihrer Jugendzeit, natürlich oft bedingt durch Armut oder die Kriegs- und Nachkriegszeit, keine große Rolle spielte, kommen nun viele mit den unweigerlichen Folgeschäden in Alten- und Pflegeheime. Dies bedeutet: oft schlechter Gebisszustand und die notwendigen Automatismen von klein auf nicht verinnerlicht. Verstärkt wird das Problem noch durch die höhere Lebenserwartung und die dadurch bedingte Zunahme von schwierigen »Fällen« wie Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Demenzpatienten. Was früher in Großfamilien meist belächelt oder gar nicht beachtet wurde (»Oma hat halt keine Zähne mehr«), tritt heutzutage ans grelle Licht einer Öffentlichkeit, die Perfektion in allen Lebenslagen erwartet, aber das erforderliche Engagement und materielle Hilfeleistung nur von anderen einfordert.

Dass Angehörige ein Recht auf bestmögliche Versorgung ihrer Nächsten haben, vor allem dann, wenn sie selbst materiell ziemlich gefordert werden, sieht jedermann ein. Jedoch werden diese Mittel oft zweckentfremdet oder nicht sinnvoll eingesetzt.

Daraus ergibt sich das größte Problem, nämlich die oft katastrophale Situation im Altenpflegebereich. Wenn die finanziellen Mittel nicht ausreichen bzw. zweckentfremdet werden, fehlt es automatisch sowohl an der notwendigen Ausstattung als auch an ausreichend Personal für immer mehr Patienten. Wenn man an die demografische Entwicklung der nächsten 20 Jahre denkt, kann einem angst und bange werden. Es müsste viel mehr Personal eingestellt und speziell geschult werden, denn eine qualifizierte Kraft ist ungleich effektiver als eine ungelernte. Für den Mundpflegebereich sollten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KZV) diese Schulungen übernehmen, am besten zweimal pro Jahr. Das Engagement der Pflegekräfte könnte ebenfalls – durch eigene regelmäßige Zahnarztbesuche – wesentlich gesteigert werden, denn wer selbst ausreichend motiviert ist, kann dies viel leichter an seine Patienten weitergeben!

Dies alles kann aber nur gelingen, wenn die Pflegekräfte nicht durch zu viele Aufgaben – auch bürokratischer Art – überlastet werden, denn die wichtigsten Faktoren bei der Altenpflege sind fachliche Kompetenz, ausreichend Zeit und geeignete Räumlichkeiten. Erst dann kann Pflege funktionieren. Wenn man bedenkt, dass einem Zahnarzt bei seinem oft aufwendigen, schwierigen und zeitraubenden Besuch im Pflegeheim nur ein Bruchteil dessen erstattet wird, was er in seiner Praxis bei ungleich leichteren Bedingungen bekommt, muss man sich schon sehr wundern. An dieser Stelle möchte ich meinen Kolleginnen und Kollegen, die sich mit Idealismus und Hingabe dieser schwierigen Aufgabe widmen, meinen höchsten Respekt bezeugen.

Abschließend möchte ich diesem vor allem für das pflegende Personal geschriebenen Handbuch viel Erfolg und eine möglichst weite Verbreitung wünschen. Allein die Tatsache, dass dieses doch recht umfangreiche Buch gerade jetzt erscheint, zeigt mir, dass sich allmählich ein Bewusstseinswandel hinsichtlich einer ganzheitlichen Altenpflege vollzieht, der sich in den nächsten Jahren hoffentlich noch verstärken wird.

Bamberg, im Mai 2014

Dr. med. dent. Dusan Bogojevic

1 BASISWISSEN ZAHNGESUNDHEIT

1. Tipp: Gönnen Sie sich einen Grundkurs in Anatomie – Aufbau der Mundhöhle und ihre Organe

(Text Tipp 1: Professor Dr. med. Dr. rer. nat. Horst Claassen, Institut für Anatomie und Zellbiologie der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Große Steinstraße 52, 06097 Halle/Saale, Tel: 0345-557-1708, Fax: 0345-557-1700, E-Mail: horst.claassen@medizin.unihalle.de)

Mundhöhle

Die Mundhöhle reicht von der Mundspalte mit den Lippen bis zur Schlundenge. Die Vorder- und Seitenwände der Mundhöhle werden von Lippen und Wangen begrenzt. Das Dach wird vom harten und weichen Gaumen, der Boden vom muskulären Mundboden gebildet. Die beiden Zahnreihen und die von Zahnfleisch überzogenen knöchernen Fortsätze des Ober- und Unterkiefers unterteilen die Mundhöhle in einen Vorhof – zwischen Lippen und Wangen einerseits und Zahnreihen andererseits – sowie in eine Mundhöhle im engeren Sinn innerhalb der Zahnreihen. Der weiche Gaumen, der bei Betrachtung im Spiegel sichtbar ist, trennt die Mundhöhle vom Rachen.

Zähne

Die Entstehung der Zähne beginnt schon im Mutterleib. Beim Menschen entstehen zwei Generationen von Zähnen: das Milchzahngebiss und das Dauergebiss. Aus der Milchzahnleiste entstehen 4 x 5 verschiedenartig geformte Zähne, wobei in einer Kieferhälfte 5 Zähne untergebracht sind. In jeder Kieferhälfte entstehen jeweils 2 Milchschneidezähne, 1 Milcheckzahn und 2 Milchmahlzähne.

Die bleibenden Zähne des Erwachsenengebisses entstehen aus der Ersatzzahnleiste und aus der Milchzahnleiste. Es handelt sich um 4 x 8 Zähne. In jeder Kieferhälfte sind folgende Zahntypen vorhanden: 2 Schneidezähne, 1 Eckzahn, 2 Backenzähne und 3 Mahlzähne. Schneidezähne, Eckzähne und Backenzähne des bleibenden Gebisses gehen aus der Ersatzzahnleiste hervor. Die Mahlzähne, auch als Zuwachszähne bezeichnet, stammen von der Milchzahnleiste ab. Der Durchbruch dieser dauerhaften Zähne reicht vom 6. bis zum 20. Lebensjahr und beginnt mit dem ersten Dauermolaren, der auch als Sechsjahresmolar bezeichnet wird. Der Weisheitszahn kommt heutzutage oft nur unvollständig zum Durchbruch, was zum Teil auf Platzmangel in den jeweiligen Kieferhälften zurückgeht.

Der Aufbau eines Zahnes kann in Zahnkrone, Zahnhals und Zahnwurzel gegliedert werden. Die Zahnkrone ist vom Schmelz, der härtesten Substanz des Körpers, überzogen. Sie ragt in die freie Mundhöhle und hat je nach Zahntyp eine Schneidefläche oder eine Kaufläche. Als Zahnhals wird der Teil des Zahnes bezeichnet, an dem Schmelz und Zement aneinandergrenzen; hier ist das Zahnfleisch befestigt. Schmelz und Zement werden in allen Bereich des Zahnes vom Zahnbein unterfüttert, das einen inneren Körper des Zahnes bildet und die Hauptmasse des Zahnes ausmacht.

Innerhalb des knöchernen Zahnfachs ist der Zahn durch ein spezielles Gelenk befestigt, das eine federnde Aufhängung des Zahnes gewährleistet. Die Aufhängung des Zahnes erfolgt über die kollagenfaserige Wurzelhaut, deren Fasern in dem die Zahnwurzel umgebenden Raum vom Zement zum Kieferknochen ziehen. Zusätzlich ziehen noch Kollagenfasern zum Zahnfleisch.

Das Zahnfleisch ist durch eine spezielle Schleimhaut (Saumepithel), die während der Zahnentwicklung entsteht, mit dem Zahnhals verbunden. Dadurch ist der die Wurzel umgebende periodontale Raum gegen Keime aus der Mundhöhle abgeschirmt. Zu Lippen und Wangen sowie zu Zunge und Gaumen hingewandt, beginnt das zum Teil bei Selbstbetrachtung im Spiegel sichtbare Zahnfleisch. Es kann in ein frei bewegliches und ein am Kieferknochen befestigtes Zahnfleisch untergliedert werden. An der sogenannten mukogingivalen Grenzlinie, die an der Basis des Unterkieferknochens liegt, geht das Zahnfleisch vorne in die Schleimhaut des Kieferknochens und hinten in die Mundbodenschleimhaut über. Auf der zum Gaumen gewandten Seite des Oberkiefers trifft man eine andere topographische Situation des Zahnfleisches an. Hier fehlt das am Kieferknochen befestigte Zahnfleisch. Stattdessen reicht die unverschiebliche Gaumenschleimhaut bis zum freibeweglichen Zahnfleisch.

Zunge

An der Zunge werden ein Zungenkörper und eine Zungenwurzel unterschieden. Die Schleimhaut der Zunge besteht aus einem mehrschichtig unverhornten Plattenepithel. Im Epithel der vorderen zwei Drittel der Zunge sind verschiedene Papillen ausgebildet, die zum Teil Geschmacksknospen tragen. Die fadenförmigen Papillen sind am zahlreichsten und verleihen der Zunge eine samtartige Oberfläche. Sie tragen keine Geschmacksknospen. Durch abschilferndes Epithel entsteht der weißliche Zungenbelag, der bei Erkrankungen ständig vorhanden sein kann. Die pilzförmigen Papillen sind besonders an der Spitze und den Rändern der Zunge ausgeprägt. Diese Papillen verhornen nicht und sind aufgrund ihrer rötlichen Farbe und der kreisrunden Oberfläche leicht zu erkennen. Etwa 20 Prozent tragen Geschmacksknospen. Die Blätterpapillen treten nur an den hinteren Seitenrändern der Zunge auf. Es handelt sich um quergestellte blattartige Schleimhautfalten.

Die von einem Wall umgebenen Papillen sind an der Grenze des mittleren zum hinteren Zungendrittel angeordnet. Sie werden von einem ringförmigen Graben umgeben, in dessen Epithel zahlreiche Geschmacksknospen auftreten.

Als ein sehr bewegliches Organ weist die Zunge eine Binnenmuskulatur und eine Außenmuskulatur auf. Die Binnenmuskulatur ist im Zungenkörper in Form von Muskelbündeln angeordnet, die der Länge, Breite und Höhe nach verlaufen und so eine Art Geflecht bilden. Mithilfe dieser Muskeln kann die Zunge verschiedene Formen annehmen und zum Beispiel gerollt werden. Zu den Außenmuskeln gehören auf jeder Seite vier Muskeln, die ihren Ursprung an der Innenseite des Unterkiefers, am Zungenbein, am Gaumen sowie an der Schädelbasis haben. Mithilfe dieser Muskeln kann die Zunge vor und zurück sowie nach oben und unten bewegt werden. Diese Lageveränderungen sind unter anderem für den Schluckakt und für das Sprechen von Bedeutung.

Schluckvorgang

Der Schluckakt wird in drei Phasen eingeteilt: die orale, pharyngeale und ösophageale Phase. Die Koordination dieses wichtigen Reflexes erfolgt im Schluckzentrum, das im verlängerten Mark untergebracht ist. Die einen Teile des Schluckakts verlaufen willkürlich, die anderen unwillkürlich (reflektorisch). Am Beginn des Schluckaktes wird in der sogenannten Vorbereitungsphase (orale Phase) willkürlich die Mundbodenmuskulatur kontrahiert und die auf ihr liegende Zunge nach oben an den harten Gaumen gedrückt. Die Zunge wirkt wie ein Spritzenstempel, der die Nahrung nach hinten, in Richtung auf die Schlundenge drückt. Für einen Augenblick öffnet sich die Schlundenge, sodass der Bissen in den Schlund befördert wird. Damit ist die orale Phase des Schluckaktes beendet. Sobald der Bissen die Rachenwand berührt, beginnt die pharyngeale Phase des Schluckaktes, die unwillkürlich abläuft. Beim Schlucken kommt es reflektorisch zum Kieferschluss und zum Kontakt der Zahnkauflächen. Es muss gewährleistet sein, dass die Nahrung weder nach oben in die Nasenhöhle noch nach unten in den Kehlkopf gelangt. Zunächst wölbt sich die Rachenwand in Form eines Wulstes (Passavant’scher Ringwulst) gegen die hinteren Öffnungen der beiden Nasenhöhlen vor; dadurch werden Luft- und Speisewege getrennt. Weiterhin werden Kehlkopf und Zungenbein durch entsprechende Muskeln nach oben gezogen, wobei der Kehldeckel unter die Zungenwurzel schlüpft. Hierdurch ist auch der Kehlkopfeingang verschlossen. Nun wird der Schlund durch Muskeln, die an der Schädelbasis entspringen, gehoben. Dadurch wird der Bissen in den tiefen Pharynx befördert, ähnlich wie »ein Sack beim Einsammeln von Kartoffeln über diese Bodenfrüchte gestülpt wird«. Der Schluckakt dauert bei fester Nahrung nicht länger als 1–1,5 Sekunden. Danach ist der Bissen in der Speiseröhre (Oesophagus) angelangt. Es beginnt die oesophageale Phase des Schluckaktes, die ebenfalls unwillkürlich abläuft. Am Ende des Schluckaktes kehren die Halseingeweide in ihre ursprüngliche Lage zurück und der Kieferschluss löst sich.

Speicheldrüsen

In der Mundhöhle sind kleine und große Speicheldrüsen vorhanden. Zu den kleinen Speicheldrüsen, die in der Schleimhaut der Mundhöhle liegen, rechnet man die Lippen-, Wangen-, Zungen- und Gaumendrüsen. Zu den großen Speicheldrüsen werden die Ohrspeicheldrüse, die Unterkieferspeicheldrüse und die Unterzungenspeicheldrüse gezählt. Alle Speicheldrüsen sondern pro Tag ungefähr 1 bis 1,5 Liter Speichel ab.

Altersveränderungen der Zähne und des Zahnhalteapparates

Der Zahnschmelz wird im Altersverlauf spröder und transparenter. Die Zähne wirken grauer als in der Jugend. Häufig treten Schmelzsprünge auf, die auf eine Kalzifikation der organischen interprismatischen Kittsubstanz zurückgehen. Zahnverfärbungen entstehen durch Einlagerung exogener Stoffe. Die zunehmende Abnutzung des Schmelzes lässt immer mehr das gelbe Zahnbein zum Vorschein kommen, womit die Zähne eine gelbliche Farbe bekommen. Zu einem Verlust von Zahnhartsubstanz, insbesondere von Zahnschmelz, kann es durch saure Bestandteile in der Nahrung, durch einen Reflux sauren Magensafts sowie durch einen nach Anwendung von Röntgenstrahlung reduzierten Speichelfluss kommen.

Die zum Zahnhalteapparat gehörigen zahntragenden Teile des Ober- und Unterkiefers unterliegen im Altersverlauf einem Verlust von Knochen. Der Knochen des Oberkiefers atrophiert in Richtung auf sein Zentrum (zentripetal). Dieses Phänomen ist an der Entstehung der Nasolabialfalten beteiligt – jener Weichteilvertiefung, die beidseits vom oberen Ende der Nasenflügel neben die Mundwinkel zieht und zur besonderen Kennzeichnung des Gesichts führt, insbesondere mit fortgeschrittenem Alter. Der Knochen des Unterkiefers hingegen atrophiert von seinem Zentrum weg (zentrifugal). Im Laufe dieser Altersveränderung wird das Kinn prominenter.

Krankheiten

Eine häufige Erkrankung des Zahnschmelzes und des Zahnbeins ist die Zahnkaries, auch als Zahnfäule bezeichnet. Die Karies wird durch Bakterien verursacht, deren Ausscheidungsprodukte Schmelz und Dentin angreifen. Im Schmelz wird die organische Kittsubstanz zerstört, von der die Schmelzprismen zusammengehalten werden. In der Folgezeit verlieren die Schmelzprismen ihren Halt, brechen heraus und werden mit dem Speichel fortgespült. Im Zahnbein vollziehen sich dann weitere eiweißspaltende Vorgänge. Bleiben die pathologischen Vorgänge unbehandelt, erreicht der Abbauprozess des Dentins die Pulpahöhle. Bei einer Entzündung der Pulpahöhle (Pulpitis) droht ein Verlust des Zahnes. Zur Entstehung von Karies tragen verschiedenen Einflüsse bei: Ernährungsfehler, Umwelteinflüsse, Veranlagung, Erbeinflüsse, mangelnde Zahnpflege und ungenügende Kautätigkeit. Wesentliche Einflüsse dürften auf die moderne Ernährung mit Zucker und Feinmehlprodukten zurückgehen, die arm an Mineralsalzen und Vitaminen sind. Eine derartige Nahrung verlangt den Zähnen zu wenig Kautätigkeit ab. Die Speisereste bleiben leicht zwischen den Zähnen (Interdentalräume) hängen und gehen dort in Gärung über.

Vorgeschichtliche und geschichtliche Skelettfunde an keltischen Skeletten ergaben, dass dort der Kariesbefall der Zähne nur bei fünf Prozent lag. Die Zähne waren bei den Kelten im Vergleich zu heute stärker abgeschliffen, oftmals lag an den Backenzähnen das Zahnbein zum Teil frei. Diese Tatsache lässt auf eine härtere, die Zähne stärker beanspruchende Nahrung schließen. Bei den Römern, von denen schon eine verfeinerte Nahrung bekannt ist, lag der Anteil an kariösen Zähnen schon bei 20 Prozent. Eine weitere prozentuale Zunahme kariöser Zähne wurde bei mittelalterlichen Skeletten mit 10–30 Prozent beobachtet. Basierend auf Beobachtungen in Zahnarztpraxen betrug der Prozentsatz kariöser Zähne im 20. Jahrhundert durchschnittlich 50 Prozent.

Die Erkrankung des Zahnhalteapparates wird Parodontitis genannt. Diese Erkrankung beginnt bevorzugt am Zahnhals, wo das Saumepithel den periodontalen, um die Zahnwurzel herum gelegenen Spaltraum gegen die Außenwelt abdichtet. In diesem Bereich, der durch die Zahnfleischtaschen charakterisiert ist, können zeitlebens Entzündungen auftreten. Sie gehen oft auf mangelnde Zahnreinigung zurück. Im späteren Erwachsenenalter begünstigt die Ablagerung von Zahnstein die Entstehung dieser Erkrankung. Bei der randständigen (marginalen) Parodontitis sind alle Teile des marginalen Parodontiums (Zahnfleisch, Wurzelhaut, Zahnzement und Alveolarknochen) erkrankt. Die Erkrankung ist durch Rötung, Schwellung und Blutungsneigung des randständigen Zahnfleisches (marginale Gingiva) gekennzeichnet. Als Spätsymptome können erhöhte Zahnbeweglichkeit, Zahnwanderung, Fisteln und Abszesse auftreten. Bei der apikalen Parodontitis spielt sich der entzündliche Prozess nur im Bereich der Wurzelspitze eines Zahnes ab und greift auf die Wurzelhaut sowie den umgebenden Knochen über. Im weiteren Verlauf kann es zur Abszessbildung, zu einem Zahngranulom oder zu einer Kieferzyste kommen.

2. Tipp: Informieren Sie sich über verschiedene Arten von Prothesen bzw. Implantaten – wann ist was möglich bzw. sinnvoll?

Auch für hochbetagte Menschen gibt es viele Möglichkeiten, einen geeigneten Zahnersatz zu finden. Der zuständige Zahnarzt ist der beste Ansprechpartner: Er berät jeden Versicherten einer gesetzlichen Krankenversicherung, um die individuell geeignete Lösung zu finden. Der Zahnarzt wird vor der Behandlung alles erklären und die beste Lösung für den Patienten wählen.

Festsitzender Zahnersatz: Kronen, Brücken, Implantate

Kronen und Brücken werden einzementiert und können nicht herausgenommen werden. Empfohlen werden diese Lösungen, wenn eine Lücke geschlossen werden soll, um ein gutes Zahnbild und/oder einen guten physiologischen Zahnbiss zu ermöglichen. Bei Brücken müssen z. T. gesunde Zähne abgeschliffen werden, um den Halt der Brücke zu ermöglichen. Die Brücke überspannt dann die Zahnlücke, während eine Krone auf einen teilerhaltenen Zahn aufgesetzt wird.

Die Möglichkeit, ein Implantat aus Titan oder Keramik einzusetzen, besteht nur bei einer ausreichenden und gesunden Knochensubstanz und einer sehr guten Mundhygiene. Das Bewusstsein für gesunde Zähne und einen guten Biss hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert. Auch Patienten um die 80 Jahre lassen diese Lösung zu. Ohne die Kooperation des Patienten geht allerdings gar nichts, d. h. eine gute Zahnpflege muss weiterhin stattfinden.

Schwierig sind Implantate bei zuwenig Knochensubstanz einzusetzen. In manchen Fällen ist es aber möglich, diese aufzubauen, auch wenn durch eine starke Atrophie der Knochen geschrumpft ist. Der Aufbau wird nach einer Röntgenaufnahme genau und individuell erwogen.

Krankheiten wie Zahnfleischentzündungen (Parodontitis) oder Diabetes sind für Implantate sehr ungünstig. Auch Raucher haben eine schlechtere Prognose (siehe Tipp 32, S. 35 und Tipp 42, S. 41) für Implantate infrage zu kommen.

Herausnehmbarer Zahnersatz: Teilprothese

Teilprothese bedeutet, dass einzelne Zähne zu ersetzen sind. Die Teilprothese wird mittels Klammern an den Restzähnen vorne und hinten befestigt. Sie ist sinnvoll, wenn mehrere Zähne fehlen oder auf einer Seite mehrere Backenzähne fehlen. Um ein gutes Kauen zu ermöglichen, sollte die Teilprothese zeitnah nach der Zahnextraktion erfolgen, damit die verbleibenden Zähne im Mund nicht wandern und der Kaudruck ausgeglichen ist.

Prothesen mit Restzahnbestand

Befinden sich in der Mundhöhle noch zwei verbleibende gesunde Restzähne, besteht die Möglichkeit, diese mit Teleskopprothesen, d. h. Doppelkronen zu versorgen. Hier wird eine Innenkrone auf den geschliffenen Restzahn gesetzt, die Außenkrone wird in die Prothese integriert. Gehalten wird das Konstrukt durch eine Metallfixation. Die Teleskopprothese ist der Totalprothese ähnlich. Diese Variante ist sehr teuer.

Klammerprothesen werden an den Pfeilerzähnen angebracht, diese müssen sehr fest sitzen. Die Klammerprothese ist nicht so stabil wie eine Teleskopprothese.

Totalprothesen

Totalprothesen aus Kunststoff für Ober- und Unterkiefer werden angefertigt, wenn keine Zähne mehr im Mund sind. Im Oberkiefer hält die Prothese wegen der Saugkraft mit Speichel am Gaumen sehr gut. Im Unterkiefer kann es problematisch sein, wenn der Kieferkamm nicht gut ausgebildet oder bereits zurückgebildet ist. Liegt genügend Knochensubstanz vor, kann ein Implantat sinnvoll sein. Damit hat die Prothese im Unterkiefer festen Halt. Zahnärzte raten, die Pfeilerzähne so lange wie möglich zu erhalten, um Teleskop- oder Klammerprothesen Halt zu geben.

Ein Gewichts- oder Schleimhautverlust stellt ein großes Problem dar, denn die Prothese sitzt dadurch locker und drückt. Folglich wird oft vermieden, diese einzusetzen. Hier muss eine Unterfütterung stattfinden. Funktioniert diese aber nicht, sollte eine Neuanfertigung erfolgen.

Zahnärzte teilen mit, dass viele Prothesen bei Kontrolluntersuchungen in einem schlechten bis sehr schlechten Zustand sind, d. h. die Prothesen weisen deutliche Beläge auf. Im Durchschnitt ist eine Prothese 15–20 Jahre alt – dabei wäre die maximale Haltbarkeit eigentlich nur 4–5 Jahre. Oft sind Prothesen reparaturbedürftig und sitzen schlecht. Diese Tatsache führt zu einem Vermeidungsverhalten beim Essen, weil die Prothese dabei drückt, scheuert oder reibt. Fleisch oder andere zähere Nahrungsmittel werden lieber beiseite gelegt, sodass eine schleichende Mangelernährung einsetzen kann.

3. Tipp: Klären Sie die finanziellen Belastungen für Zahnersatz vorab

Krankenkassen übernehmen einen Teil der Kosten für Zahnersatz und Prothesen, ca. 50 Prozent plus ggf. einen Bonus.

Im Härtefall übernimmt die Kasse alles bei Regelversorgung (sogenannter doppelter Zuschuss).

Prothesen bzw. Teilprothesen haben eine Garantie von zwei Jahren. Bestehen keine Probleme, sollte die Prothese 4–5 Jahre verwendet werden. Bei Problemen und Nachbesserungsbedarf muss eine Begründung an die Krankenkasse mit eingereicht werden.

Verliert ein demenzerkrankter Mensch seine Prothese öfter, sind in den meisten Fällen der Ersatz und die Abwicklung mit der Krankenkasse unproblematisch.

Die Regelversorgung besagt, dass die Kasse alle Kosten übernimmt, auch bei Teleskopprothesen. Allerdings müssen pro Kiefer drei funktionsfähige Zähne übrig sein (siehe Tipp 34, S. 35, Altersarmut).

2 PROPHYLAXEN DER MUNDHYGIENE

4. Tipp: Verwenden Sie die richtige Putzmethode bei eigenen Zähnen

Alter und/oder Pflegebedürftigkeit muss nicht Zahnlosigkeit bedeuten. Immer mehr Senioren pflegen bewusst Zahn- und Mundbereich. Durch gezielte Maßnahmen der Prophylaxe bei hochbetagten Menschen oder Pflegebedürftigen können viele Defizite der Mundhygiene oder Zahnkrankheiten vermieden werden.

Auf die richtige Methode kommt es an: Von den neun gelehrten und verbreiteten Putztechniken wird die Fones-Technik am häufigsten angeraten. Diese ist am einfachsten zu lernen und bietet eine gute Reinigung. Die Umsetzung sieht folgendermaßen aus:

1. Die Zahnbürste wird am Zahnfleisch und Zahn angesetzt, dann mit kleinen Kreisen zur Kaufläche gebürstet.

2. Von Rot nach Weiß, kein Hin-und-Her-Schrubben, sondern sanftes Rütteln am Zahnfleisch und ein kreisendes Abstreifen zum Zahnkamm hin.

3. Jeder Zahn kommt dran.

4. Es wird wenig Druck auf die Außenflächen gegeben; auf den Kauflächen kann hin und her gebürstet werden.

5. Setzt die Pflegekraft die Reinigung der Zähne um, sollte auch diese die kreisenden Bewegungen verwenden.

Das Putzen muss täglich und gründlich erfolgen. Die Zahnbürste sollte nicht zu hart sein und immer nur leichter Druck ausgeübt werden. Auch jahrzehntelange Putzgewohnheiten können und sollten, falls nötig, noch geändert werden. Beim parallel zum Kiefer durchgeführten, häufig beobachteten Hin-und-Her-Bürsten beispielsweise besteht die Gefahr einer Läsion am Zahnhals. Bei eigenen Zähnen sollten auch die Zahnzwischenräume mit einem kleinen Bürstchen gereinigt werden. In der Arbeit mit hochbetagten Menschen erfordert dies oft viel Geduld und regelmäßiges Aufklären. Die Zähne sollten dreimal täglich, mindestens aber zweimal täglich geputzt werden.

Zahnseide und Zwischenraumbürstchen sind bei demenzbetroffenen und hochbetagten Menschen nicht mehr geeignet.

5. Tipp: Pflegen Sie die Prothese richtig

Tägliches, gründliches Reinigen – auch nach Mahlzeiten – ist wichtig. Das Reinigen einer Prothese sollte mit Flüssigseife erfolgen, die danach gründlich abgespült wird, so werden Kratzspuren durch Zahncreme vermieden. (Insbesondere Zahncreme »für weißere Zähne« darf keinesfalls für Prothesen benutzt werden!)

Um Druckstellen zu vermeiden, ist es bei Prothesenträgern wichtig, die Mundhöhle nach den Mahlzeiten auszuspülen (vgl. Psychogeriatrie Basel 2001).

Wird Haftcreme verwendet, sollte diese mechanisch mit einer Zahnbürste entfernt und die Prothese dann gründlich gespült werden. Die Reinigung mit einer Reinigungstablette über Nacht macht die mechanische Reinigung nicht überflüssig! Neueste Erkenntnisse der Prothesenpflege beschreiben diese Methode sogar als veraltet. Die Prothese sollte vor dem Einsetzen in den Mund immer gründlich abgespült werden. Lassen Sie beim mechanischen Reinigen und Abspülen etwas Wasser ein und/oder ein kleines Gästetuch im Waschbecken liegen: Sollte die Prothese in das Becken fallen, können Sie damit das Zerbrechen verhindern.

6. Tipp: Verwenden Sie Haftcreme optimal

Bei einer gut angepassten Prothese kann auf Haftcreme verzichtet werden, da bei einer normalen Speichelproduktion die Haftung der Prothese am Gaumen kein Problem darstellt.

Ausnahmen: Beim »Eintragen« einer neuen Prothese nach deren Anpassung, empfiehlt sich etwas Haftcreme zu benutzen. Außerdem gibt Haftcreme Sicherheit und Halt für Menschen, die beruflich laut und deutlich sprechen müssen.

Dauerhafte Benutzung von Haftcreme kann indiziert sein bei Krankheiten wie: Morbus Parkinson, Hemiplegie und bei Einnahme bestimmter Medikamente, die den Speichelfluss hemmen.

Bei der Benutzung von Haftcreme müssen die Patienten, die pflegenden Angehörigen oder die Pflegekraft auf eine regelmäßige Kontrolle der Mundschleimhaut achten. Reste der Haftcreme, die im Mund verbleiben, können Herde für die Besiedlung von Bakterien werden. Die Prothese ist vor dem Einsetzen immer gründlich zu reinigen.

7. Tipp: Nachts rein … oder besser raus?

Teilprothesen sollten nach der Reinigung nachts im Mund bleiben.

Beim zahnlosen Patienten sollte die Totalprothese nachts entnommen werden, da durch das nächtliche Tragen die Kieferkämme nicht gut durchblutet werden können.

Ist der Patient gewöhnt, die Prothese herauszunehmen, reicht nach dem gründlichen Reinigen ein Behältnis mit klarem Wasser, das die komplette Prothese bedeckt.

8. Tipp: Kennzeichnen Sie die Prothese

Im Pflegeheim oder bei Krankenhausaufenthalten ist das Kennzeichnen der Prothesen mit wasserfesten Stiften sinnvoll, um einem Vertauschen vorzubeugen. Bei Menschen mit Demenz ist hierbei die Übernahme durch die Pflegekraft wichtig, da die Betroffenen irgendwann nicht mehr lesen können.

9. Tipp: Tragen Sie Handschuhe und Mundschutz

Bei allen Pflegehandlungen sind Handschuhe und auch Mundschutz zu tragen, zum Eigenschutz und zum Schutz der Bewohner. Hygiene ist Pflicht.

Hochbetagte Menschen haben ihre langjährigen Gewohnheiten, aber mit zusätzlichen Einschränkungen physischer oder psychischer Art wird der Zahnpflegeakt sehr oft vernachlässigt, d. h. die Pflegetätigkeit wird immer weniger gründlich wahrgenommen. Hier greift die Qualifikation der Pflegekraft: sensibel und doch zielorientiert sollte diese die Zahnpflege forcieren (siehe Tipp 27, S. 32, nachlassende Sinneswahrnehmungen und Tipp 81, S. 69, mittlere Demenz).

Ziel ist, zu Hause oder im Pflegeheim die größtmögliche Selbständigkeit zu fördern.

10. Tipp: Sorgen Sie für geeignete Nahrungsmittel

Um Karies zu vermeiden ist es höchst wirksam, auf zuckerhaltige Lebensmittel zu verzichten. Ältere Menschen mit eigenen Zähnen wissen oft sehr gut Bescheid über die Wirkung von Zucker. Früher wurde Zucker noch nicht in dem hohen Maß konsumiert, wie es heute der Fall ist.

Frisches, knackiges Obst und Gemüse sind optimal für die Zähne. Brotrinde oder Brotkanten regen die Kautätigkeit an und beugen der Ohrspeicheldrüsenentzündung vor. So manche ältere Menschen genießen das harte Brot sogar als Leckerbissen. Auch können hochbetagten Menschen kleingeschnittene Obststücke noch gut angeboten werden.

Säurehaltige Getränke und Essen sollten Sie jedoch vermeiden, z. B. Obstsäfte oder Wein, saure Drops, Zitronen oder Kiwis. Stehen sie doch auf dem Speiseplan, sollten sie mit Wasser oder Quark (zudem eine gute Eiweiß- und Calziumquelle, gibt es auch laktosefrei) neutralisiert werden.

Nach jedem Essen das Zähneputzen nicht vergessen. Zusätzlich kann Mundwasser bis maximal 3-mal täglich verwendet werden. Allerdings: Mundwasser nicht zu stark dosieren oder zu oft verwenden – sonst besteht die Gefahr der Bakterienreduktion und eine Pilzinfektion kann entstehen.

11. Tipp: Nutzen Sie die Möglichkeiten
der Vorsorgeuntersuchungen

Wenn die Mobilität nachlässt, sind hochbetagte Menschen auf Hilfe angewiesen. Regelmäßige Untersuchungen sind wichtig, um den Zahnstatus zu prüfen. Im häuslichen Bereich können Angehörige dafür sorgen, dass der Besuch beim Zahnarzt stattfindet. Sind Einschränkungen der Mobilität vorhanden, sollte man versierte Fahrdienste einschalten, um Patienten zu befördern. Bei Problemen kann ein Transportschein bei der Krankenkasse geltend gemacht werden. Ist der Patient kognitiv eingeschränkt, ist es ratsam, eine Bezugsperson mitzuschicken.

Als Patient sollte man alle Vorsorgetermine nutzen. Ein Bonusheft bringt zudem Vorteile.

12. Tipp: Zahngesundheit setzt regelmäßige Kontrolle beim Zahnarzt voraus

Seit den 1980er-Jahren hat sich in Deutschland der Gesundheitszustand im Mund- und Zahnbereich deutlich verbessert, Präventionen haben sich bewährt. Leider sieht es bei Pflegebedürftigen nicht so gut aus. Hier herrschen noch große Defizite, die sich nur mit viel Aufklärung und Geduld beseitigen lassen. Die Angehörigen und die Pflegekräfte müssen sensibilisiert werden für die enorme Wichtigkeit der Zahn- und Mundgesundheit. Schulungen sollten in den Ausbildungen intensiviert werden und eine Vernetzung der verschiedenen Professionen ist anzustreben.

Zahnärzte empfehlen mindestens 2-mal jährlich professionelle Zahnpflege, auf jeden Fall sollte ein Kontrollbesuch beim Zahnarzt durchgeführt werden.

Für Pflegebedürftige im häuslichen Umfeld sollten regelmäßige Untersuchungen keine Probleme darstellen, selbst eine eingeschränkte Mobilität ist kein Grund, die Vorsorgeuntersuchungen ausfallen zu lassen. Mit Fahrdiensten der Wohlfahrtsverbände oder geeigneten Taxiunternehmen kann der hochbetagte Mensch noch in die Praxis gebracht werden. Zahnärztliches Personal ist geschult, auch mit hochbetagten Menschen mit Handicaps (z. B. Schwerhörigkeit) umzugehen. Transportscheine werden in der Praxis ausgestellt. Zuzahlungen können bei der Steuer geltend gemacht werden.

13. Tipp: Nutzen Sie das Bonusheft

Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen seit 2005 Zuschüsse für Zahnersatz, wenn regelmäßig die Termine für die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden. Wer regelmäßig zum Zahnarzt geht, erhält einen Festzuschuss, dieser kann 20–30 Prozent betragen.

Lassen Sie mindestens einmal jährlich, besser zweimal jährlich den Zahnarztbesuch im Bonusheft eintragen – es lohnt sich! Fünf Jahre dokumentierte Zahnarztbesuche vor dem Jahr, in dem der Antrag auf Zahnersatz gestellt wird, bedeuten, dass zusätzlich 20 Prozent zum Festzuschuss erstattet werden. Das richtet sich natürlich nach dem Kostenvoranschlag. Hat man zehn Jahre voll, werden 30 Prozent erstattet (Auskunft Barmer Ersatzkasse/Coburg, 11/2013)

14. Tipp: Richten Sie im Heim ein festes Behandlungszimmer ein – haben Sie Visionen!

In Pflegeheimen gibt es seit etwa sieben Jahren regelmäßig zahnärztliche Visiten – leider nur bei Patienten, die Probleme mit der Prothese haben, gelegentlich wird auch mal ein Zahn gezogen. Hier ist noch viel Handlungsbedarf in Form von regelmäßigen Visiten angezeigt, denn Vorbeugen spart Mühe: Gerade bei mangelnder Mundgesundheit können sich schwerwiegende Krankheiten wie z. B. Herzkrankheiten, Schlaganfall oder Lungenkrankheiten entwickeln. Mögliche Lösung wäre eine regelmäßige Sprechstunde, im Idealfall einmal im Monat. In den Altenheimen werden Frisiersalons vorgehalten, warum nicht Zeit und Platz für den Zahnarzt reservieren, der die Gesundheit und das Wohlbefinden viel mehr fördert? Die Bewohner, die zur Visite beim Zahnarzt gemeldet sind, sollten – je nach Grad ihrer Selbständigkeit – begleitet werden.

Zahnärzte könnten in einem Behandlungsraum mit einer geeigneten Lichtquelle und evtl. einem gebrauchten Behandlungsstuhl kleine Eingriffe, zumindest aber die routinemäßigen Untersuchungen durchführen. Für die Bewohner wäre es nur von Vorteil.

3 REINIGUNG UND PFLEGE

15. Tipp: Wählen Sie die passende Zahnbürste aus

Die moderne Palette der Zahnbürsten ist riesig: Farben, Formen, Material und der Preis variieren sehr. Für die Zahnreinigung wird von Zahnärzten eine Zahnbürste mit weichem oder mittlerem, abgerundetem Borstenkopf am meisten empfohlen. Hochbetagte Menschen kennen elektrische Zahnbürsten kaum und bevorzugen meist Altbewährtes, die Handzahnbürste. Auch Ultraschallzahnbürsten sind nur für einen kleinen Kreis hochbetagter Mensch gut benutzbar. Der alte Mensch muss in der Lage sein, moderne Pflegemittel zu verstehen, und muss die motorischen Voraussetzungen mitbringen.

Bewohner benutzen in den Seniorenheimen »normale Zahnbürsten« teilweise über einen sehr (viel zu) langen Zeitraum. Nach Infektionen im Mundbereich, z. B. Mundsoor, sollten die Zahnbürsten unbedingt gewechselt werden, spätestens aber alle zwei Monate – wenn sich die Borsten schon zur Seite neigen, ist es definitiv längst an der Zeit, die Bürste zu erneuern. Und ein weicher Borstenkopf ist empfehlenswert, denn häufig wird mit zu hohem Druck geputzt.

Für Bewohner mit motorischer Einschränkung wird eine Doppel- bzw. Dreikopfzahnbürste angeboten. Die Reinigung umfasst alle Flächen der Zähne gleichzeitig. Eine zusätzliche Griffverstärkung wird empfohlen – allerdings bitte nicht »Marke Eigenbau«. Apotheken und Sanitätshäuser geben Auskunft und beraten.

16. Tipp: Bei MRSA: Einmalzahnbürsten verwenden

Bei einer Besiedelung der zu Pflegenden mit dem Keim MRSA (Bakterieninfektion; der Multiresistente Staphylokokkus Aureus ist ein Problemkeim im Krankenhausbereich) sollten Einmalzahnbürsten benutzt werden, die dann nach Benutzung verworfen werden.

Bei multimorbiden Bewohnern ist die Anfälligkeit für bestimmte Keime wesentlich erhöht (siehe Tipp 23, S. 30, Hygiene)

17. Tipp: Bei Schluckstörungen Bürsten mit Absaugfunktion verwenden

Diese Bürsten haben einen integrierten Absaugschlauch, der mit einem kleinen Absauggerät verbunden ist. Die Absaugleistung ist regulierbar. Bürste und Schlauch können gegebenenfalls desinfiziert werden. Diese Geräte haben sich bei allen Bewohnern bewährt, bei denen Schluckstörungen diagnostiziert wurden (siehe Kap. 9.1, S. 61). Bei Schluckstörungen ist der Zahnputzvorgang ein großer Stressfaktor für die Betroffenen. Mit mobilen Absauggeräten hat die Pflegekraft eine sanftere Methode, die Zähne zu reinigen.

Die Pflegekraft wird im Sanitätshaus zur Finanzierung beraten und im Umgang mit der Absaugbüste eingewiesen und kann so den Pflegevorgang für den Bewohner angenehm gestalten. Zahnärzte geben weitere Auskunft.

Für bettlägerige Patienten gibt es auch mobile Absauggeräte, die zusätzlich zur handelsüblichen Bürste verwendet werden. Diese Geräte sind allerdings größer als die vorher erwähnte Bürste mit Absaugfunktion. Im gegenwärtigen Alltag im Pflegeheim sind solche Geräte kaum vorhanden, denn auch wenn dieses Gerät für mehrere Bewohner genutzt werden kann, ist es dennoch teuer.

18. Tipp: Reinigen Sie die Zahnzwischenräume

Verwenden Sie dazu am besten Zahnzwischenraumbürsten, sogenannte Interdentalbürsten. Bei nicht zu engem Zahnstand sind diese Bürsten unbedingt zu empfehlen. Die Reinigung muss entweder selbst durchgeführt werden können oder toleriert werden, wenn sie von einer anderen Person vorgenommen wird. Interdentalbürsten sind bei hochbetagten Menschen selten zu finden, im Altenheim sind sie noch die Ausnahme. Eine versierte Fachkraft kann die Benutzung anregen. Die Anleitung und die Überwachung der Umsetzung müssen dabei gewährleistet sein. Bei zu engem Zahnstand helfen nur gründliches Putzen und Spülen.

Vermeiden Sie Zahnseide und Zahnstocher! Alte Menschen benutzen kaum Zahnseide, sie kennen das Produkt oft nicht und das Verwenden ist für sie unter Umständen schwierig (eingeschränkte Mobilität der Arme oder Hände). Wenn Pflegekräfte die Reinigung damit vornehmen, kann das zu Verletzungen führen. Zähne im Frontbereich lassen sich noch relativ leicht reinigen, im Backenzahnbereich ist es schon schwieriger, auch wegen der anatomischen Gegebenheiten bei älteren Menschen: Der Mund kann meist nicht mehr weit genug geöffnet werden.

Zahnhölzchen (Zahnstocher) zum Reinigen der Zahnzwischenräume sind zwar altbekannt, aber höchstens zu empfehlen, wenn diese noch vom Patienten selbst ausreichend geschickt benutzt werden können – oder er es toleriert, wenn eine Pflegekraft diese benutzt. Es besteht allerdings durch die scharfe Spitze oder mögliche Splitterbildung immer eine deutlich höhere Verletzungsgefahr als bei Zahnseide.

19. Tipp: Setzen Sie Zungenbürsten ein

Die Mundhygiene sollte auf jeden Fall die Zungenreinigung mit beinhalten, da Beläge auf der Zunge ein idealer Nährboden für Bakterien sind. Zungenreiniger gibt es kombiniert mit Zahnbürsten oder als Einzelgerät. Zungenreiniger sind wie die elektrische Zahnbürste bei hochbetagten Menschen oft unbekannt. Angehörige und Pflegekräfte sollten die Zungenbürste aber mehr zum Einsatz bringen, da Zungenbeläge bei sehr vielen Altenheimbewohnern feststellbar sind (siehe Tipp 1, S. 10, Krankheiten, siehe Prüfberichte der Pflegeheime in Bayern im Internet 2013 unter: http://www.stmas.bayern.de/pflege/pruefung/index.htm).

20. Tipp: Stellen Sie das richtige Mundpflegeset zusammen

Für Patienten, die überwiegend bettlägerig, aber mit eigenen Zähnen und noch guten kognitiven Fähigkeiten ausgestattet sind, sollte das Mundpflegeset Folgendes beinhalten: ein Tablett mit Zahnbürste, Nierenschale, Interdentalbürste, Spüllösung, Lippenpflege und ein großes Handtuch zur Vorlage auf der Brust.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842685819
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2014 (November)
Schlagworte
Altenpflege Grundpflege Mundhygiene Mundpflege Zahnpflege Zahnreinigung

Autor

  • Monika Hammerla (Autor:in)

Monika Hammerla ist Fachpflegekraft für Gerontopsychiatrie und Geriatrische Rehabilitation sowie Fachtherapeutin für Gedächtnistraining (Stengel Akademie Stuttgart) und Fachbuchautorin.
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Titel: 100 Tipps zur Mund- und Zahnpflege bei Pflegebedürftigen