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Konfliktgespräche in der Pflege

So meistern Sie schwierige Situationen in der Praxis

von Christian Loffing (Herausgeber:in) Dina Loffing (Herausgeber:in) Tanja Bodden (Autor:in) Christian Dierichs (Autor:in)
152 Seiten

Zusammenfassung

Leitungskräfte werden in ihrem Berufsalltag häufig mit konfliktreichen Gesprächen konfrontiert. Doch oft fehlt es an einer entsprechenden Vorbereitung auf solche kritische Situationen. So kommt es zu Problemen, die das gesamte Team stören. Eine gute Gesprächsvorbereitung ist also essenziell.

In diesem Buch wird anhand von konkreten Konfliktfeldern und vielen Fallbeispielen aufgezeigt, wie auch problematische Gespräche erfolgreich geführt werden können. Dazu zählen Gespräche mit Mitarbeitern, Patienten, Angehörigen, Mitarbeitern der Krankenkassen und des MDK sowie weiteren im Alltag relevanten Personengruppen.

Dieses Buch schildert aber nicht nur konkrete Fälle, sondern stellt sie in einen didaktischen Rahmen und identifiziert Erfolgsfaktoren. So hilft es bei der Reflexion des bisherigen Verhaltens, optimiert die eigene Gesprächsführung und schildert passende Alternativen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Pflegeberufe zeichnen sich durch vielfältige Aspekte aus. Ein besonders Element ist dabei der ständige Kontakt zu unterschiedlichen Personen. So werden täglich zahlreiche Gespräche mit Klienten geführt. Kollegen, Vorgesetzte, Krankenkassenmitarbeiter und viele weitere Personen stehen ebenfalls im direkten Austausch mit Pflegenden. Gerade dies ist eine Besonderheit, die bei vielen Pflegefachpersonen den Beruf zu einer echten Berufung gemacht hat. Sie wollten keinen Job ohne zwischenmenschliche Interaktion.

Sie kennen das: Nicht immer läuft die Kommunikation rund und manchmal mündet ein Gespräch sogar in einem Streit. Schweigen ist dabei jedoch keine gute Strategie. Gerade Konflikte müssen thematisiert werden, wenn sie konstruktiv gelöst werden sollen. Wie aber gelingt Ihnen das? Hierzu ein erster Tipp: Betrachten Sie Konflikte nicht grundsätzlich negativ. Konflikte bieten ganz im Gegenteil Chancen. Sie verdeutlichen unterschiedliche Meinungen und gerade das kann ein außerordentlicher Gewinn sein. Wenn Sie sich auf andere Meinungen einlassen, erfahren Sie nicht nur etwas über die Bedürfnisse Ihres Gesprächspartners, sondern können seinen Argumenten vielleicht sogar folgen und sie nachvollziehen. Manchmal erreichen Sie auf diesem Wege einen Kompromiss oder sogar eine Win-Win-Situation. Das wäre doch was!

Wir hoffen, dass Sie Konflikten mit der Hilfe dieses praxisnahen Buches zukünftig eine größere Chance geben können. Auf der Grundlage der Darstellung theoretischer Aspekte werden Ihnen unsere Beispiele helfen, geeignete Lösungen zu entwickeln. Sie werden damit in Zukunft ein erfolgreicher Konfliktlöser.

Eckernförde, im Mai 2014

Dina und Christian Loffing
(stellvertretend für alle Autoren)

Hinweis

Danksagung

Wir bedanken uns bei allen Gesprächspartnern sowie insbesondere bei der WEIGANG AG und der Steinbeis Samba-Methoden GmbH für die zur Verfügung gestellten Diagnoseblätter.

1 GESPRÄCHE MIT BRISANTEM INHALT MEISTERN

Der Begriff »Konflikt« stammt aus dem Lateinischen (»confligere« = »zusammenstoßen« oder »kämpfen«). In der Kommunikation von Pflegefachpersonen bieten sich viele Möglichkeiten für Konflikte, deren Ursachen unter anderem in unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen liegen können. Schließlich kommt es im Pflegeberuf nicht nur quantitativ betrachtet zu vielen Gesprächen, sondern häufig auch qualitativ zu Meinungsverschiedenheiten, die eine Ursache für einen Konflikt bilden können.

In diesem Buch legen wir besonderen Wert auf die Qualität der Worte. Bei Gesprächen mit brisantem Inhalt werden schon einmal Worte auf die Goldwaage gelegt und es kommt zu einem Konflikt. Einen solchen Konflikt frühzeitig zu erkennen und die Entwicklung adäquater Lösungsstrategien muss das Anliegen des professionellen Gesprächsführers sein.

1.1 Gespräche im Alltag von Fach- und Führungskräften

Fach- und Führungskräfte im Gesundheitswesen sind den gesamten Tag und zum Teil (je nach Dienst) auch in der Nacht dazu aufgefordert, Gespräche zu führen. Zum einen sind dies sehr kurze Gespräche zwischen Tür und Angel, zum anderen können es aber auch sehr ausführliche Gespräche sein. Zur professionellen Führung aller Gespräche ist eine ausgeprägte Kommunikationskompetenz notwendig.1

Zunächst beschreiben wir in Kapitel 2 Grundlagen, die Ihnen helfen können, brisante Gespräche zu meistern. Dabei haben wir sowohl bekanntere als auch etwas unbekanntere, aber ausschließlich für die Praxis hilfreiche Modelle beschrieben. Im Fokus der praxisnahen Ausführungen in Kapitel 3 stehen schließlich konkrete Gespräche mit unterschiedlichen Personengruppen.

1.2 Reden ist Silber – Schweigen ist Gold?

Schweigen ist keine gute Option, wenn es darum geht, einen Konflikt aufzulösen. Denn nur wenn wir über einen bestehenden Konflikt reden, kann die Zusammenarbeit mit ausgewählten Personengruppen ohne tief sitzende Konflikte erfolgreich fortgesetzt werden. Dementsprechend lautet unsere Botschaft, sich auch konfliktreichen Gesprächen zu stellen und diese zu führen. Natürlich mit dem Ziel, den Konflikt aufzulösen. Dass dies nicht immer möglich ist, ist uns auch klar. Aber in vielen selbst erlebten Konflikten konnten wir feststellen, dass unter Berücksichtigung ausgewählter Erfolgsfaktoren eine Lösung entwickelt werden kann. Dabei ist wiederum wichtig, dass Sie immer bei sich selbst mit der konstruktiven Konfliktlösung beginnen. Dies können Sie nämlich am besten beeinflussen und senden dabei bereits ein positives Signal in Richtung Konfliktlösung. Darüber hinaus zeichnet dieses Verhalten Sie als einen professionellen Gesprächspartner aus.

 

_______________

1 Vgl. Loffing, C. & Budnik, S. (2006). Gespräche in der Pflegepraxis. So meistern Sie das Mitarbeitergespräch. Stuttgart: Kohlhammer

2 GRUNDLAGEN ERFOLGREICHER GESPRÄCHSFÜHRUNG BEI KONFLIKTEN

In diesem Kapitel legen wir ein Fundament für konstruktive Konfliktgespräche. Sie lernen wichtige Modelle und Instrumente kennen, werden mit der Analyse von Konflikten vertraut gemacht und natürlich mit dem professionellen Aufbau und der Führung eines Konfliktgesprächs als solches. Abschließend werden die Person des Gesprächsführers und ihre Kompetenzen beleuchtet.

2.1 Personenzentrierte Gesprächsführung als Basis
erfolgreicher Gespräche

Die personenzentrierte Gesprächsführung ist ein zentrales Instrument erfolgreicher Gesprächsführung. Wir stellen Ihnen kurz und prägnant die Grundlagen dieser hilfreichen Methode vor.

2.1.1 Grundlagen

Die personenzentrierte Gesprächsführung – im Original klientenzentrierte Gesprächsführung – wurde in den 1940er Jahren von Carl Ransom Rogers (1902–1987) in den USA entwickelt. Rogers war Schüler des Freud-Schülers Otto Rank. Er lehrte an der Ohio State University und der University of Chicago als Professor für Psychologie.2 Als Mit-Begründer der Humanistischen Psychologie beschrieb Rogers eine dem Menschen innewohnende Tendenz zur Entwicklung all seiner Möglichkeiten und zur Förderung des Organismus. Rogers behauptete, jeder Mensch wisse selbst genau, wo seine Probleme liegen, welche Erfahrungen eine Rolle spielen und welcher Weg zur Lösung eingeschlagen werden müsste. In seiner Forschung wollte Rogers der Frage auf den Grund gehen, welche Bedingungen dazu führen, dass eine Person von sich aus über ihr Erleben spricht und wie eine Einstellungs- und Verhaltensänderung möglich ist. Auch die Selbstreflexion und die Fähigkeit, sich selbst besser zu verstehen, sollten angeregt werden.3

Das von Rogers vorwiegend für psychotherapeutische Zwecke entwickelte Konzept wurde in Deutschland von Annemarie und Reinhard Tausch weiterentwickelt. Auch ein Mitarbeiter Rogers, Thomas Gordon, sorgte dafür, den Ansatz der nondirektiven Beratung auf Gesprächssituationen außerhalb des therapeutischen Kontextes zu übertragen. So erhielt das Konzept nach und nach immer mehr Einfluss in (familien-)pädagogischen Gesprächssituationen, in der Beratungspraxis und in der professionellen Gesprächsführung im beruflichen Kontext.

In seiner Persönlichkeitstheorie skizzierte Rogers das »Selbstkonzept« eines Menschen als Schlüsselbegriff. Davon ausgehend, dass Werthaltungen und Wahrnehmungen der Schlüssel zum Selbstkonzept seien, wollte er seine Klienten unterstützen, sich selbst näher zu kommen. So definierte er drei Grundhaltungen, die aus seiner Sicht für eine therapeutische Beziehung, aber auch diverse andere Gespräche, in denen Vertrauen eine Grundvoraussetzung darstellt, notwendig, ja sogar unerlässlich sind.4

Die drei Grundhaltungen personenzentrierter Gesprächsführung nach Rogers

1. Kongruenz

2. Empathie

3. Akzeptanz bzw. unbegrenzte Wertschätzung

Die erste Grundhaltung: Kongruenz

Unter Kongruenz verstand Rogers Echtheit, Aufrichtigkeit und ein Agieren und Reagieren ohne vorgespielte Fassade. Eine grundlegende Ehrlichkeit in erster Linie sich selbst gegenüber kann hierfür als Grundvoraussetzung angesehen werden. Als Person wahrnehmbar zu sein, beginnt im Zuge dieser Theorie bereits damit, sich mit seinem Namen vorzustellen und sich nicht hinter einer Rolle zu verstecken.

Beziehen Sie klar Position

Seien Sie offen und ehrlich gegenüber Ihren Klienten, den Angehörigen, Mitarbeitern und Kollegen sowie anderen Gesprächspartnern. Sagen Sie konkret, wer Sie sind.

Beispiel: »Ich bin Maja Müller, examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und hier auf der Station für Sie zuständig« anstatt: »Ich bin hier Schwester.«

Das heißt nicht, dass Sie alles von sich preisgeben sollen. Jedoch ist es für den Erfolg eines Gesprächs förderlich, wenn Ihre verbalen und nonverbalen Äußerungen mit Ihrer Gefühlswelt übereinstimmen (Einklang von Eindruck und Ausdruck). Inkongruente Signale in Ihrer Gestik, Mimik und Körperhaltung fallen schnell auf und führen dazu, dass sich Ihr Gegenüber unverstanden fühlt, sich verschließt und kein konstruktives Gespräch mehr möglich ist. Sie dürfen und sollen Ihre Emotionen explizit äußern.

Eine Beziehung zwischen zwei Gesprächspartnern kann nur wachsen, wenn jeder so auftritt, wie er wirklich ist. Gelingt es Ihnen, im Gespräch ein kongruentes Verhalten vorzuleben, können Sie von einer positiven Beeinflussung Ihres Gesprächspartners in folgenden Bereichen ausgehen:

Ihr Gesprächspartner weiß bei Ihnen, woran er ist. Er baut Vertrauen auf.

Auf der Grundlage von kongruentem Verhalten können Sie Akzeptanz vermitteln.

Die Bereitschaft zur Selbstreflexion und Ehrlichkeit Ihres Gesprächspartners steigt ebenfalls.

Ihr Gegenüber wird auch Ihnen Achtung entgegenbringen (Auslösung reziproker Affekte).

Ein derart ehrliches und offenes Verhalten im Gespräch setzt jedoch eine gute Kenntnis über sich selbst voraus.

Die zweite Grundhaltung: Empathie

Umgangssprachlich wird unter Empathie das einfühlsame Verstehen eines Gegenübers verstanden. Eine empathische Persönlichkeit ist in der Lage, sich in die Gefühlswelt eines Anderen hineinzuversetzen und Emotionen in Worte zu fassen. Die Kunst dabei ist, die Empfindungen des Gesprächspartners wahrzunehmen, sich in seine Position zu versetzen und dies in eigenen Worten richtig beschreiben zu können (spiegeln zu können).

Hinweis

Oftmals hat schon das Gefühl Ihres Gesprächspartners, dass Sie sich um Verständnis auch seiner Sichtweise bemühen und wirklich zuhören, eine vertrauensbildende und versöhnende Wirkung. Zur Verdeutlichung ein Beispiel, wie ein Dialog zwischen einer Pflegefachperson und einem Klienten mit zwei Antwort-Varianten der Pflegefachperson ausfallen könnte:

Klient: »Ach, Schwester, ich war die halbe Nacht wach und konnte kein Auge zumachen.« Pflegefachperson, Antwort A: »Ich werde dafür sorgen, dass Sie heute eine Schlaftablette zur Nacht bekommen.«

Pflegefachperson, Antwort B: »Mir scheint es, als würden Sie sich viele Gedanken machen. Was geht Ihnen denn durch den Kopf?«

Antwort B zeigt, dass die Pflegefachperson versucht, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt des Klienten einzufühlen. Sie signalisiert ihr Interesse und schafft so eine offene Kommunikationsbasis.

Nutzen Sie die Empathie bei Konflikten als »Wunderwaffe«

Wichtig ist hierbei, dass Sie sich in die Sichtweise des Gesprächspartners einfühlen und diese auch so akzeptieren. Keinesfalls sollte die Sichtweise des Gegenübers durch Ihre eigene Sichtweise oder vorschnelle Interpretationen bagatellisiert werden.

Die dritte Grundhaltung: Akzeptanz bzw. unbegrenzte Wertschätzung

Die dritte Forderung von Rogers ist die Akzeptanz bzw. positive, unbegrenzte Wertschätzung. Im Fokus steht die Annahme, dass wir unseren Gesprächspartner mit all seinen Empfindungen, Gefühlen und Äußerungen so akzeptieren, wie er ist. Wir sollen uns im Gespräch fernhalten von Wertungen, Interpretationen oder gar Herabwürdigung von Dingen, die uns verbal und nonverbal zugetragen werden. Mit Sicherheit ist dies einfacher gesagt als getan. Doch mit ein wenig Übung ist es möglich, sich zu disziplinieren und eine unmittelbare Wertung zu vermeiden. Durch Ihre offene Zuwendung, Respekt und Teilnahme erfährt der Gesprächspartner Akzeptanz und Wertschätzung. Dies sind in jedem Kommunikationskontext wünschenswerte Konstrukte. Doch gerade in Konfliktgesprächen ist diese Grundhaltung wesentlich für eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Konflikt-Thema.

Akzeptieren Sie Ihren Konfliktpartner

Ein positiver Nebeneffekt der Ihnen entgegengebrachten Akzeptanz sind eine Zunahme Ihrer Selbstwertschätzung und der Akzeptanzerweiterung Ihrer Person. So schaffen Sie neben dem Vertrauensverhältnis im Gespräch auch eine Erweiterung Ihrer eigenen persönlichen und sozialen Kompetenzen.

2.1.2 Umsetzung in der Praxis

Das Modell der partnerzentrierten Gesprächsführung zeigt, in welcher Art und Weise es zu kommunizieren gilt, damit ein Gespräch – ob »normal« oder konflikthaft – vertrauensvoll und konstruktiv abläuft.

Eine der häufigsten Fragen ist hierbei die nach der Anwendbarkeit und Umsetzung in die Praxis. Um diesen Transfer so einfach wie möglich zu machen, beleuchten wir in Kapitel 3 spezielle Praxisfelder. Zunächst jedoch folgt die Vertiefung ausgewählter Grundlagen.

2.1.2.1 Kommunikative Türöffner

Wir sprechen mit anderen Menschen, um etwas von Ihnen zu erfahren, Informationen auszutauschen oder ein Problem aus der Welt zu schaffen. Doch bevor wir dies tun, müssen wir zunächst die »Tür öffnen«, damit ein Gespräch funktionieren kann. Häufig hört man davon, zunächst einmal »das Eis zu brechen« und nicht gleich »mit der Tür ins Haus zu fallen«. Gemeint sind einfache, umgangssprachliche Höflichkeiten, die auf einer zunächst sehr oberflächlich erscheinenden Ebene ausgetauscht werden. Klassiker zur Eröffnung eines solchen »Small Talks« sind beispielsweise die folgenden Fragen:

»Haben Sie einen schönen Tag gehabt?«

»Haben Sie gut geschlafen?«

»Sind Sie gut hergekommen?«

»Finden Sie das Wetter nicht auch herrlich?«

»Kommen Sie auch aus Bochum?«

»Haben Sie das Länderspiel gestern gesehen?«

etc.

So banal dies klingen mag: Fragen dieser Art können eine Brücke für ein Gespräch bauen – immer vorausgesetzt, sie sind ernst gemeint. Die Antwort muss den Fragesteller ehrlich interessieren.

Öffnen Sie Türen, statt mit ihnen ins Haus zu fallen

Vor allem dann, wenn Sie noch keine tragfähige Beziehung zu Ihrem Gesprächspartner haben, sollten Sie mit unverfänglichen Alltagsfragen den ersten Schritt machen. So signalisieren Sie Interesse am Gesprächspartner und eröffnen die Kommunikation.

Nach allgemeinen, häufig geschlossenen Fragen, bei denen zunächst nur ein »Ja« oder »Nein« als Antwort möglich ist, sollten tiefer gehende Fragen gestellt werden. Diese sind dann idealerweise offene Frage; also solche, bei denen der Gesprächspartner in eigenen Worten eine Antwort formuliert. Auch hierzu ein paar Beispiele:

»Wie geht es Ihnen heute?«

»Wie war denn Ihre Nacht?«

»Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Was kann ich Ihnen Gutes tun?«

»Was wünschen Sie sich heute?«

»Was erwarten Sie von unserem Gespräch?«

Mit Fragen dieser Art zeigen Sie ein tiefer gehendes Interesse an Ihrem Gesprächspartner und seiner individuellen Sichtweise.

2.1.2.2 Effektives passives Zuhören

Die größte Herausforderung bei Gesprächen ist, dass Sie die Aussage Ihres Gesprächspartners vollständig und richtig verstehen. Natürlich liegt die Verstehbarkeit auch in den Händen des Gegenübers, jedoch können Sie als zunächst passiv erscheinender Zuhörer mindestens genauso viel für das gegenseitige Verstehen tun.

Allein die Bereitschaft: »Ich habe jetzt Zeit für Sie.« – »Ich höre Ihnen zu«, ermutigt Ihr Gegenüber, über ein persönliches Thema zu sprechen. Nur wenn Sie sich konzentrieren, wirklich zuzuhören und nicht dazwischen zu reden, kann ein konstruktives Gespräch funktionieren. Dabei sind die folgenden »Kleinigkeiten« eine wirksame Unterstützung:

Blickkontakt halten

Der direkte Blick in die Augen signalisiert sehr deutlich: »Ich habe Sie im Blick.« – »Aktuell sind Sie und nichts anderes in meinem Fokus.« Die ausschließliche Konzentration auf Ihr Gegenüber vermittelt Wertschätzung und fördert die Offenheit im Gespräch.

Nonverbale Aufmerksamkeitsbekundungen

Aufmerksamkeit und volle Konzentration auf Ihren Gesprächspartner können Sie auch durch Mimik, Gestik und Ihre Körperhaltung signalisieren. Beispiele hierfür sind die Hinwendung zum Gesprächspartner, ein zustimmendes Lächeln oder ein freundliches Nicken.

Verbale Aufmerksamkeitsbekundungen

Um kongruent zu bleiben, sollten alle sprachlichen Aufmerksamkeitsbekundungen selbstverständlich mit den nonverbalen im Einklang stehen. Ergänzend können Sie mit Äußerungen wie »Aha«, »Interessant«, »Verstehe«, »Ja?!« Ihre Aufmerksamkeit kundtun.

Rückmeldungen geben

Mit kurzen Rückmeldungen im Gesprächsverlauf signalisieren Sie, dass Sie zuhören und konzentriert bei Ihrem Gegenüber sind.

Auch passives Zuhören ist wichtig

2.1.2.3 Aktives Zuhören – Paraphrasieren und Verbalisieren

Neben den Methoden des passiven Zuhörens ist das aktive Zuhören in der praktischen Gesprächsführung ebenso wichtig. Aktives Zuhören erfordert bestimmte Voraussetzungen:5

Die volle Aufmerksamkeit der zuhörenden Person.

Die Fähigkeit, die inneren Zusammenhänge des Gegenübers zu erfassen.

Eine kritische Überprüfung der Wahrnehmung.

Eine (über-)vorsichtige Interpretation des Gehörten.

Die Fähigkeit, keine Ergänzungen beizufügen, d. h. sich selbst zurückzunehmen.

Nach Möglichkeit sollten diese Voraussetzungen erfüllt sein. Mit Hilfe kommunikativer Türöffner und bedachter Aufmerksamkeitsbekundungen bringen Sie in einem nächsten Schritt Ihren Gesprächspartner idealerweise in den Redefluss. Aber um ein Gespräch auf Augenhöhe führen zu können, müssen Sie sicher sein, dass Sie auch jede Aussage Ihres Gegenübers so verstanden haben, wie er sie gemeint hat. Um dies in der Praxis zu kontrollieren, geben Sie nach einer Aussage bzw. nach jedem inhaltlich zusammengehörigen Aussagen-Bündel eine Rückmeldung darüber, was Sie verstanden haben. Ihr Gesprächspartner kann dadurch sicher sein, dass Sie mit voller Aufmerksamkeit bei ihm sind (wird ermutigt, weiterzureden) und Missverständnissen kann vorgebeugt werden.

Bezüglich der Art und Weise können Rückfragen

als zusammenfassende Aussage formuliert werden, z. B.: »Sie meinen also, dass Frau Meier in dieser Situation von Herrn Dr. Ludwig behandelt worden ist?«;

als wirkliche Fragen gestellt werden, z. B.: »Ich habe Sie also richtig verstanden, dass Sie keine weitere Behandlung wünschen?«

Inhaltlich gibt es wiederum zwei Arten, das Verstandene zurückzumelden:

1. Das Paraphrasieren, d. h. Sie wiederholen den sachlichen Gehalt einer Aussage Ihres Gegenübers mit eigenen Worten.

2. Das Verbalisieren, d. h. Sie wiederholen den emotionalen Gehalt einer Aussage Ihres Gegenübers mit eigenen Worten.

Mag diese Methode zunächst etwas ungewohnt erscheinen – alle gehörten Sätze Ihres Gesprächspartners zu wiederholen – zeigt die praktische Erfahrung doch äußerst positive Effekte. Denn nur nach eigener Wiederholung dessen, was Sie verstanden haben, und der Zustimmung der Richtigkeit darüber von Ihrem Gesprächspartner, können Sie sicher sein, dass Sie über die gleichen Dinge sprechen. In der Praxis bedeutet dies nicht, dass Sie jeden einzelnen Satz wiederholen sollen. Aber nach einem kleineren Sachverhalt – und immer, wenn Ihnen etwas unklar erscheint – lohnt es sich, das Verstandene noch einmal zu hinterfragen.

Fragen Sie nach

Trauen Sie sich auch an die emotionalen Aussagen heran

2.1.3 Erfolgsfaktoren

Die personenzentrierte Gesprächsführung von Rogers kann hervorragend als Grundlage erfolgreicher Gespräche genutzt werden. Die Basis geben dabei die drei Grundhaltungen

1. Kongruenz,

2. Empathie und

3. Akzeptanz bzw. unbegrenzte Wertschätzung.6

Zudem sind in diesem Ansatz vor allem die kleinen Dinge wichtig: Kommunikative Türöffner, ein herzlicher Empfang, ein langsamer Beziehungsaufbau, um zunächst eine Basis herzustellen. Wir alle merken binnen Sekunden, ob uns zugehört wird oder nicht und ob sich unser Gesprächspartner voll auf uns konzentriert. Seien Sie fokussiert, klar und konzentriert im Gespräch. Gemeinsam mit einer wohlwollenden Grundhaltung im Sinne Rogers werden Sie so auch in konfliktbehafteten Gesprächen souverän auftreten und diese professionell führen können.

Die Erfolgsfaktoren der personenzentrierten Gesprächsführung

2.2 Dem Konflikt auf den Grund gehen

Im Arbeitsalltag in der Pflege stehen Tag für Tag Herausforderungen an. Ungeplante Situationen sind zu bewältigen, auch im größten Stress wollen Klienten, Bewohner und Angehörige – zu Recht – freundlich und zuvorkommend behandelt werden. Und auch Kollegen und Vorgesetzte stellen Wünsche und Anforderungen. Fachlich, inhaltlich und organisatorisch warten also eine Menge Herausforderungen auf Sie. Doch oftmals sind es gerade die Kleinigkeiten, die in jeder Kommunikation eine große Rolle spielen, und die für einen kleinen oder auch größeren Konflikt sorgen. Das folgende Kapitel zeigt Ihnen, warum es eigentlich zu Konflikten kommt und welche Arten und Phasen von Konflikten Sie kennen sollten. Auch die Bedeutung der Analyse eines Konflikts wird herausgestellt, bevor es dann um die praktische Durchführung eines Konfliktgesprächs geht.

2.2.1 Entstehung und Hintergründe von Konflikten

Nach Montada und Kals treffen bei einem Konflikt mindestens zwei unterschiedliche oder entgegengesetzte Interessen, Ziele, Gefühle oder Bedürfnisse aufeinander.7 Unterschiedliche Meinungen bezüglich Wahrnehmungen oder Gefühlen allein bedingen jedoch noch keinen Konflikt. Dieser entsteht erst durch konkretes Handeln bzw. die Absicht, zu handeln.

Beispiel: Betreuung der (Schwieger-)Eltern

Die Eheleute Müller sind seit Jahren unterschiedlicher Meinung darüber, welche Form der Betreuung der (Schwieger-)Eltern im Alter die richtige sein wird. Hierüber tauschen sie sich aus und diskutieren – ganz ohne einen Konflikt. Doch nun steht eine Entscheidung unmittelbar bevor, die (Schwieger-)Eltern sind immer weniger in der Lage, ihren Alltag selbst zu gestalten. Eine Entscheidung muss her, die Zeit drängt. Ein Konflikt entsteht: Frau Müller möchte ihre Eltern zu Hause pflegen; Herr Müller fürchtet, dadurch in seiner Freiheit eingeschränkt zu werden. Wer von den beiden setzt seine Interessen und Wertvorstellungen letztendlich durch? Werden Müllers diesen Konflikt lösen können?

Agieren Sie vorausschauend

Es kommt stets erst dann zu einem Konflikt, wenn eine konkrete Entscheidung bzw. eine konkrete Handlung ansteht. Wenn Sie das wissen, können Sie es in Ihrer Kommunikation nutzen. So können Sie auch, bevor ein Konflikt überhaupt entstehen kann, lösungsorientiert vermitteln und gemeinsam nach möglichen Lösungen suchen.

2.2.1.1 Unterschiedliche Konfliktarten

Konflikte können sich sowohl zwischen einzelnen Personen (Interpersonaler Konflikt) als auch zwischen Gruppen (Intergruppenkonflikt) oder aber zwischen einer Person und einer Gruppe (Person-Gruppe-Konflikt) ereignen. Die »Hierarchie-Ebene« ist hierbei irrelevant. Unterschiedlich und von großer Wichtigkeit sind jedoch die Inhalte, um die es bei dem Konflikt geht. Für das Verstehen eines Konflikts und auch für eine eventuelle Schlichtung ist es unabdingbar, sich ein genaues Bild vom Konfliktgegenstand zu machen. Nur dann ist auch eine Lösung möglich.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der wichtigsten Konflikte, die auch im pflegerischen Alltag immer wieder vorkommen und die Sie dem entsprechend kennen sollten.

Ziel- und Wertkonflikt

Um einen Zielkonflikt handelt es sich, wenn zwei (voneinander abhängige) Parteien unterschiedliche Ziele verfolgen. Oftmals lassen sich hierbei im Nachhinein Ursachen wie ungenügende Koordination oder mangelnde Absprachen feststellen. Unter Umständen kann sich hinter einem Zielkonflikt auch ein Wertkonflikt verbergen. So hat jede Person eigene moralische Vorstellungen und Weltanschauungen, die sie für wichtig hält. Die andere Partei hat evtl. nicht die gleichen Vorstellungen und kann damit die andere Perspektive auch nicht nachvollziehen.

Beispiel: Begrenztes Budget

Für das nächste Jahr steht Ihrem Pflegedienst ein begrenztes Budget für Fort- und Weiterbildungen zur Verfügung. Ihre Leitung möchte gern in Fortbildungen für die Expertenstandards investieren. Sie sieht dort die größte Notwendigkeit und Relevanz. Ihre Kollegen möchten aber etwas zum Thema Stressmanagement machen und halten das für viel wichtiger.

Methodenkonflikt

Wenn Einigkeit über das Ziel besteht, gilt es noch zu klären, auf welchem Wege bzw. mit welchen Methoden dieses Ziel am besten erreicht wird. Hierbei sollte beachtet werden, dass jede Person natürlich einen unterschiedlichen Kenntnisstand über mögliche Methoden und Wege mitbringt und unterschiedliche Erfahrungen gesammelt hat. Es ist menschlich, dass derjenige, der mit einer bestimmten Methode gute Erfahrungen gesammelt hat, diese nun auch wieder anwenden möchte.

Beispiel: Unterschiedliche Ideen

Der Pflegeexperte und auch die Ärzte auf der Station sind sich einig: Herr Meier muss abnehmen. Der Pflegeexperte möchte, dass die Ernährungsberaterin mit Herrn Meier über alternative Ernährung spricht. Die Ärzte möchten, dass der Physiotherapeut über passende Bewegungsangebote mit Herrn Meier nachdenkt. Herr Meier selbst möchte einfach fasten, um abzunehmen.

Verteilungskonflikt

Gerade in der Pflege sind Ressourcen wie Zeit und Personal äußerst knapp. So entstehen bei der Verteilung dieser Ressourcen, wie Gelder, Kontakte, Räume oder auch Positionen, Konflikte. Schnell kann sich eine Partei »zu kurz gekommen« und ungerecht behandelt fühlen.

Beispiel: Unterschiedliche Vorstellungen

Da in der Urlaubszeit auch noch mehrere Mitarbeiter krank geworden sind, wurde für zwei Wochen eine Aushilfe engagiert. Für die Leitung ist klar, dass sich diese vor allem um die verwaltungsorganisatorischen Aufgaben kümmert. Für das Team jedoch ist klar, dass die Aushilfe so schnell wie möglich die Klienten kennenlernt und sie bei der Versorgung unterstützt.

Beziehungskonflikt

Es ist nicht einfach, sich im Alltag auf viele verschiedene Menschen innerhalb von kurzer Zeit einzustellen. Kein Wunder, dass sich Konflikte auch aufgrund von Verstimmungen oder Antipathien ergeben. Die Sache tritt in den Hintergrund, die Persönlichkeiten und die individuellen Befindlichkeiten stehen im Vordergrund. Ein solcher Konflikt ist anspruchsvoll, da die unterschiedliche Wahrnehmung und Deutung des Verhaltens eines Gegenübers höchst individuell ist und für einen anderen (auch eine dritte Person) oftmals nicht direkt nachzuvollziehen ist. Nehmen Sie solche Konflikte sehr ernst, wenn sich eine Person verletzt, missachtet oder gedemütigt fühlt.

Beispiel: Befindlichkeiten

Ihre Klientin Frau Luhmann macht bei der Visite gerne einmal eine ironische Bemerkung über ihre Kollegen. Sie ist der Meinung, der Krankenhausalltag wäre ernst genug, deshalb können alle auch einmal ein wenig Humor vertragen. Ihre davon vorwiegend betroffene Kollegin Ellen betrachtet die Ironie von Frau Luhmann als persönlichen Angriff und Beleidigung. Ellen beklagt sich bei der Übergabe bitter über die Angriffe der Klientin. Niemand geht darauf ein. Wenige Stunden später meldet Ellen sich für den nächsten Tag krank.

2.2.1.2 Verschiedene Konfliktursachen

Als Ursache für Konflikte steht typischerweise eine unzureichende Kommunikation an allererster Stelle. Weitere häufige Ursachen sind zudem gegenseitige Abhängigkeit, das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, unzureichende Kritik- und Feedbackkultur sowie Kämpfe um Macht und Einfluss.8 Das indirekte Empfinden und Erleben der Umstände sowie das Verhalten von Personen spielen also eine entscheidende Rolle – nur selten ist es die Sache an sich, die bei einem Konflikt im Mittelpunkt steht.

Oft steht die Beziehungsebene im Fokus

Denken Sie stets daran, wenn Sie an einem Konflikt beteiligt sind oder wenn Sie als Schlichter hinzugeholt werden: Bei den meisten Konflikten stehen die Beziehung und das Verhalten der Personen im Vordergrund. Um den Konflikt zu lösen, muss hierauf ein spezifisches Augenmerk gerichtet werden. Oftmals befindet sich auf der Beziehungsebene der Schlüssel für die Lösung eines Konflikts!

Gerade weil Beziehungen und Verhalten im Rahmen der Entstehung von Konflikten und auch bei der Kommunikation so wichtig sind, ist auch die Rolle, in der Sie sich in der Situation jeweils befinden, bedeutsam. Sie alle übernehmen unterschiedliche Rollen, als Kollegin, als Pflegefachperson, als Freundin etc. Mit jeder Rolle werden unterschiedliche Erwartungen an Sie gestellt. Dies sollten Sie sich bewusst machen. Denn der Anspruch an die verschiedenen Rollen ist hoch und wenn Sie sich dessen nicht bewusst sind, ist es für Ihr Gegenüber noch schwieriger, in der Kommunikation »zu Ihnen passend« und adäquat zu reagieren.

Reflektieren Sie auch die Erwartungen anderer Personen an Sie

Exkurs: Beziehungs- vs. Sachebene

Nach Watzlawick kann man nicht nicht kommunizieren.9 Das heißt, man kann sich nicht »nicht verhalten« – irgendwie verhält man sich immer und irgendetwas kommuniziert man immer, sobald man mit (mindestens) einer weiteren Person zusammen ist. Zudem sagt Watzlawick, dass Kommunikation stets auf einer Inhalts- bzw. Sachebene und auf einer Beziehungsebene stattfindet. Hierbei dominiert die Beziehungsebene jedoch so stark, dass sie laut Watzlawick ca. 80 % einer jeden Kommunikation einnimmt. Die Sache an sich macht nur ca. 20 % einer Kommunikation aus.

Ist also die Beziehungsebene gestört, hilft auch die beste sachliche Argumentation unter Umständen nicht. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich klar vor Augen führen, wie Ihre Beziehung zum Gegenüber bzw. den Konfliktparteien geartet ist.

2.2.1.3 Unterschiedliche Konfliktverläufe

Konflikte können auf sehr unterschiedliche Arten verlaufen und doch sind bei den meisten Konflikten viele Anteile immer wiederkehrend sichtbar. Glasl unterscheidet zunächst zwischen »heißen« und »kalten« Konflikten.10 Eine hitzige Debatte, in der eine direkte Auseinandersetzung der Parteien gesucht wird, ist beispielsweise ein

»heißer« Konflikt. Ein »kalter« Konflikt ist dagegen auf den ersten Blick nicht immer gleich erkennbar, aber mindestens genauso wichtig. Ein Beispiel hierfür ist unterschwelliges Schikanieren über einen längeren Zeitraum. Da enthält etwa eine Gruppe von Mitarbeitern anderen Mitarbeitern bewusst Informationen vor oder kommuniziert nicht offen mit ihnen. Die Gefahr der Eskalation ist hier sehr viel geringer, doch durch die oftmals lange Dauer und die Auseinandersetzung im Verborgenen ist ein solcher Konflikt für die Beteiligten unter Umständen noch sehr viel anstrengender. Und die Chance einer Auflösung durch Dritte kann erst sehr viel später erfolgen, als bei einem »heißen« Konflikt, da lange Zeit niemand – außer den Beteiligten – etwas davon mitbekommen muss.

Darüber hinaus läuft ein Konflikt in unterschiedlichen Phasen ab. Für die Lösung eines Konflikts kann es wichtig sein, zu erkennen, in welcher Phase sich der Konflikt befindet, um dementsprechend passgenau einzugreifen. Nach Glasl weist ein Konflikt die folgenden typischen fünf Phasen auf:11

1. Erste Phase: Latenter Konflikt

Für die Beteiligten ist der Konflikt kaum sichtbar. Er besteht nur unterschwellig.

2. Zweite Phase: Manifester Konflikt

Oft wird der manifeste Konflikt durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst, beispielsweise akuten Stress, Anordnungen, enttäuschte Erwartungen, o. ä.

3. Dritte Phase: Bewusster Konflikt mit bestimmten Verhaltensweisen und Handlungen

Die Parteien reagieren in dieser Phase auf den Konflikt mit bestimmten (abnormalen) Verhaltensweisen. Hier muss eine Entscheidung gefällt werden, ob es einen Kompromiss geben kann, eine Seite nachgibt oder sich alle Parteien auf jeden Fall durchsetzen wollen.

4. Vierte Phase: Auseinandersetzung

Die Konfliktparteien setzen sich intensiv auseinander. Die Kommunikation spielt dabei die entscheidende Rolle, ob es zur Eskalation kommt oder nicht.

5. Fünfte Phase: Regelung/Abschluss

Der Konflikt wird zum Abschluss gebracht (entweder durch die Parteien allein oder durch Einsatz einer dritten Person). Wichtig ist ein abschließendes Ergebnis, das alle Beteiligten als gerecht empfinden. Ist dies nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße der Fall, so ist das Risiko, dass der Konflikt später erneut aufflammt, extrem hoch.

Wird bei einem Konflikt weder von einer der beteiligten Personen, noch von einer außenstehenden Person eingegriffen, so kann er Stück für Stück näher in Richtung Eskalation rücken. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es nicht gelingt, einen konstruktiven Dialog miteinander zu führen. Hier sollten Sie erhöhte Aufmerksamkeit zeigen und unter Umständen auch ungefragt eingreifen. Merkmale einer erhöhten und sich steigernden Konfliktdynamik sind beispielsweise folgende:

Die Standpunkte verhärten sich.

Die Wahrnehmung wird stark eingeschränkt.

Es kommt zu einer »Zerrissenheit« zwischen Stärke und Ohnmacht.

Nur noch der Konflikt ist wichtig.

Die eigene Position wird gestärkt, es werden Koalitionen gebildet.

Das Denken wird blockiert.

Für die Beteiligten gibt es keine Alternativen.

Um einen »Sieg« zu erlangen, wächst die eigene Opferbereitschaft.

2.2.2 Konfliktanalyse

Wer einen Konflikt nicht versteht, kann auch nicht bei dessen Lösung unterstützen. Im Alltag wird oft vorschnell eingegriffen und den Konfliktparteien eine Lösung nahegebracht. Doch so einfach ist es nicht. An erster Stelle steht eine genaue Analyse der Situation. Hierbei geht es primär darum, zu erkunden, um was es inhaltlich geht, welche Parteien beteiligt sind und was bislang passiert ist (im Verlauf und an Lösungsansätzen). Manchmal hilft der Einsatz von sogenannten Diagnosebildern (vgl. Abbildungen 13) bei der Analyse von Konflikten.

Anleitung zum Einsatz der Diagnosebilder:

1. Setzen Sie sich mit dem Konfliktpartner zusammen und legen Sie das Diagnoseblatt vor sich auf den Tisch.

2. Beschreiben Sie die Probleme, die sich häufig ergeben. Vielleicht animiert Sie dazu das Bild.

3. Notieren Sie rechts oben, was Sie ändern wollen.

4. Tragen Sie in dem Feld der Zusammenfassung ein, wann Sie die Änderungen konkret umsetzen wollen.

Das Diagnosebild in Abbildung 1 bietet sich unter anderem zur Analyse von Konfliktsituationen in Besprechungen an. Einem kreativen Einsatz in anderen Bereichen sind aber kaum Grenzen gesetzt.

 

Das Diagnosebild in Abbildung 2 bietet sich unter anderem zur Analyse von Konflikten in der Hierarchie an.

 

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Abb. 2: Diagnosebild zur Analyse von Konflikten.13

Das Diagnosebild in Abbildung 3 bietet sich unter anderem zur Analyse von Verteilungskonflikten an.

 

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Abb. 3: Diagnosebild zur Analyse von Konflikten.14

Zu welchem Ergebnis man im Rahmen der Konfliktanalyse und -bearbeitung mithilfe eines Diagnosebildes kommen kann, verdeutlicht Abbildung 4. Bei diesem realen Beispiel aus der Praxis ging es in einem Einzelgespräch um die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen neuen Rolle als Teamleitung. Das Diagnosebild wurde ergänzend zum Gesprächsverlauf als Gedankenstütze und zur Verdeutlichung besonderer Aspekte benutzt. Der Gesprächspartner durfte das Diagnosebild am Ende behalten. Auf dem mittleren Weg des Diagnosebildes sind auf der einen Seite deutlich erkennbar der geplante berufliche Weg und die Festigung der eigenen Leitungsrolle als Ziel (dargestellt im Baum) und auf der anderen Seite die etwaige Problematik des eigenen, hohen Anspruchs (betont durch die 150 %) dargestellt. Dem Gesprächspartner war es gerade vor dem anstehenden Besuch einer Qualifizierung zur Pflegedienstleitung (PDL) wichtig zu prüfen, wie Familie, Freunde, Job und der PDL-Kurs »unter einen Hut« gebracht werden können. Hierzu wurden unterschiedliche Ideen entwickelt. Der rechte Weg verdeutlicht, dass auch das Thema der Familienplanung langfristig nicht aus dem Blick geraten soll. Der linke Weg zeigt auf, dass eine persönliche Entwicklung ergänzend anzustreben ist. Hier geht es um die notwendige Balance zwischen persönlicher Dynamik und Besonnenheit. Beides sind wichtige Fähigkeiten, die jedoch immer nur in ausgewählten Situationen ihre Berechtigung haben. Links oben erkennt man schließlich die besondere Hierarchie im Unternehmen. Hier wird deutlich, dass es Konflikte zwischen der Ebene der Pflegedienstleitung und den Teamleitungen gibt. Abgeleitet ist diese Grafik aus dem kleinen Haus auf dem linken Weg.

Es wird deutlich, dass die Grafik im Gesprächsverlauf zum einen sehr gut zu unterschiedlichen Gedanken animiert (Welche Wege spielen für Sie noch eine Rolle?). Zum anderen ist die Grafik jedoch auch eine wichtige Gedankenstütze. Hier notierte Aspekte gehen nicht so leicht verloren wie in einem normalen Gespräch. Ergänzend kann man mit korrekt eingesetzten Farben einzelne Aspekte gut hervorheben.

Farben und Symbole richtig einsetzen

Eine genaue Analyse eines Konflikts kann darin bestehen, die folgenden Fragen gemeinsam zu beantworten:

Worum geht es?

Was sind die inhaltlichen Punkte, um die sich der Streit dreht?

Worauf beziehen sich die Punkte – auf sachliche Inhalte oder persönliche Meinungen?

Inwiefern kennen die Parteien die Argumente und Interessen der Gegenseite(n)?

Inwiefern sehen und bewerten die Parteien den Konflikt gleich bzw. unterschiedlich?

Wer steht sich gegenüber?

Handelt es sich um einen Konflikt einzelner Personen oder um einen Gruppenkonflikt?

Gibt es Hauptbeteiligte? Wen? Wie viele?

Inwiefern bestehen wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Parteien bzw. innerhalb einer Gruppe?

Inwiefern sind weitere Personen (»Dritte«) an dem Konflikt beteiligt?

Was ist bislang passiert?

Wann und wodurch hat der Konflikt begonnen?

Welche entscheidenden bzw. verändernden Momente gab es während des Konfliktverlaufs?

Inwiefern hat sich der Konflikt inhaltlich verändert? Ist etwas hinzugekommen bzw. weggefallen?

Was versprechen sich die Konfliktparteien von einer Fortsetzung ihrer Auseinandersetzung?

Welche Lösungsversuche wurden bisher unternommen?

Auf welches Ergebnis hofften die Parteien?

Was haben die Parteien bislang versucht, um den Konflikt zu mildern bzw. zu lösen?

Welche Ergebnisse hatten diese Versuche?

Ganz kreativ gedacht: Was könnte die Lösung des Konflikts ein Stück näher bringen?

Spätestens wenn Sie mit den Konfliktparteien an einem Tisch sitzen, sollten Sie die Konfliktsituation gemeinsam analysieren. Nicht selten kann der Kern des Konflikts in dieser ersten Phase ausfindig gemacht werden und so die Lösungsfindung vereinfachen.

Betrachten Sie die Situation einzeln und gemeinsam. Lassen Sie sich hierbei Zeit und versuchen Sie, keine vorschnellen Bewertungen oder Lösungen zu generieren. Die Offenheit aller Parteien über die Ziele und Absichten jedes Einzelnen ist wünschenswert. Hier spielt eine vertrauensvolle Atmosphäre eine große Rolle, um sich offen und ehrlich austauschen zu können und evtl. gemeinsame Ziele und Optionen zur Lösung aufdecken zu können. Eine dritte, unbeteiligte Person kann einen Austausch und eine solche Atmosphäre oftmals am besten fördern.

In der gemeinsamen Kommunikation sollten Regeln festgelegt werden, wie beispielsweise die Schilderung der Situation aus der Ich-Perspektive (Feedback).

Feedback richtig geben und annehmen

Feedback geben:

Zeitnah, unmittelbar an die Situation anschließend

Konkret (direkt)

Beschreibend (nicht wertend!)

Wünsche benennen bzw. konkrete Vorschläge machen

Feedback (an)nehmen:

Ausreden lassen, zuhören

Nicht rechtfertigen, sondern bedanken (Feedback ist Vertrauenssache und nicht selbstverständlich)

Dies verstärkt die Bedeutung der eigenen Gefühle und verhindert unter Umständen eine direkte Anschuldigung der »Gegenparteien«. So kann im Idealfall eine entgegenkommende, zumindest jedoch eine stabile Kommunikationsbeziehung zwischen den Parteien gewährleistet werden.

Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die Analyse

2.2.3 Konfliktstile

In den seltensten Fällen werden Sie erleben, dass die Parteien zügig eine Lösung finden. Wenn man sich die unterschiedlichen Motive anschaut, die den Konflikt begründen, ist dies auch nachvollziehbar. Je nachdem, wie stark die jeweiligen Bedürfnisse, Interessen etc. ausgeprägt sind, können fünf unterschiedliche Stile in der Findung von Lösungen beobachtet werden (vgl. Abbildung 5).

1. Kompromiss: Bei einem Kompromiss machen beide Parteien Zugeständnisse. Es kommt also keiner von beiden zu seinem vollen Recht (nach seiner Überzeugung), sondern muss auf einen Teil verzichten – mitunter auf bis zu 50 %.

2. »Win-Win«: Bei einer Win-Win-Strategie werden die Interessen beider Parteien so integriert, dass sich alle zu 100 % integriert fühlen. Diese Lösung ist nicht immer möglich, jedoch sehr wünschenswert.

3. Unterwerfung: Aus Sicht einer Partei gibt diese in einem Konflikt nach und unterwirft sich so der anderen Seite, ohne dass ihre Interessen Berücksichtigung gefunden haben.

4. Durchsetzung: Aus Sicht einer Partei setzt diese ihre vollen Bedürfnisse durch. Die Interessen der anderen Seite werden nicht beachtet. Oftmals kommt bei einer solchen Konfliktlösung eine große Menge an Macht zum Einsatz.

5. Vermeidung: Bei einer Vermeidung des Konflikts mag der Konflikt auch zu einem Ende kommen. Beide Parteien flüchten vor einer Auseinandersetzung. Bei einer solchen »Konfliktlösungsstrategie« ist die Gefahr jedoch groß, dass der Konflikt einige Zeit später erneut entflammt, da er noch nicht wirklich ausgetragen ist.

Natürlich sind die Konfliktstile »Kompromiss« und »Win-Win« am vorteilhaftesten. Hier kann am ehesten von einer Gleichberechtigung gesprochen werden. Dies ist vor allem für die zukünftige Zusammenarbeit wichtig. Denn nicht selten kommt ein neuer Konflikt zustande (vielleicht auch erst einige Zeit später), weil sich eine Partei in einem alten Konflikt ungerecht behandelt gefühlt hat – und dieses Gefühl lange Zeit mit sich getragen hat.

 

2.3 Das Konfliktgespräch

Nachdem wir uns mit Hintergründen, Arten und Phasen von Konflikten theoretisch auseinandergesetzt haben, geht es in diesem Kapitel um das praktische Führen eines Konfliktgesprächs und darum, wie Sie handeln können bzw. sollten, um einen bestehenden Konflikt zu klären und aufzulösen. Denn unter Beachtung einiger Faktoren ist es möglich, der Eskalation von Konflikten vorzubeugen und – sowohl als Beteiligter als auch als außenstehende Person – wirksam zu schlichten.

Berkel unterscheidet drei grundlegende Formen des Konfliktmanagements:15

1. Konfliktintervention: Das Konfliktpotenzial soll strukturell beseitigt werden.

2. Konfliktaustragung: Die beteiligten Personen sollen den Konflikt in Gesprächen direkt austragen.

3. Dritte Partei: Eine unbeteiligte, schlichtende Person soll eingebunden werden.

2.3.1 Grundlagen

Ist es zu einem Konflikt gekommen, sollte stets ein Gespräch geführt werden. Egal ob Sie selbst an dem Konflikt beteiligt sind oder ob Sie gefragt werden, als dritte Person (Mediator) hinzuzukommen; in jedem Fall sollten Sie ein Gespräch initiieren, an dem alle Beteiligten teilnehmen. Achten Sie darauf, den richtigen Rahmen zu gestalten.

Sorgen Sie für ungestörte Rahmenbedingungen

Geben Sie jedem Konfliktgespräch den passenden Rahmen. Dazu gehört ein ungestörter, geschlossener Raum, in dem alle Beteiligten gleichermaßen gut Platz finden und sich wohl fühlen können. Außerdem müssen Sie zur Sicherheit immer genügend Zeit (ca. 60 bis 90 Minuten) einplanen.

Unterschätzen Sie die Notwendigkeit der Schaffung eines angemessenen Rahmens nicht. In störungsreicher Umgebung wird sich kaum ein vertrauensvolles, offenes Gespräch entwickeln. Je persönlicher und weitreichender sich der Konflikt darstellt, umso wichtiger ist auch der Rahmen.

Sorgen Sie außerdem dafür, dass Sie adäquate, möglichst gleichwertige Sitzmöbel für alle Beteiligten bereitstellen. »Thront« beispielsweise der eine in seinem ledernen Chefsessel, während der andere auf einem Holzhocker sitzt, wird es Ihnen bei einem Konfliktgespräch nicht gelingen, eine akzeptable Atmosphäre auf Augenhöhe herzustellen.

Grundregeln für konfliktbehaftete Gespräche

2.3.2 Umsetzung in die Praxis

Die erfolgreiche Durchführung von Konfliktgesprächen setzt eine gute Vorbereitung voraus. Dabei sollten Sie sich zur Vorbereitung auf ein Gespräch mit mehreren Aspekten beschäftigen:

Rechtzeitige Einladung aller beteiligten Personen

Vorbereitung der Räumlichkeiten (Schild »Bitte nicht stören«, Wasser etc.)

Zeitplanung

Struktur/Leitfaden

Persönliche Vorbereitung (Emotionskontrolle)

Vorbereitung von Material (Karten, Stifte, Flipchart o. ä.)

Evtl. notwendige Informationen beschaffen (Pflegedokumentation o. ä.)

Natürlich werden Sie vielfach auch spontan Konfliktgespräche führen müssen. Wann immer Sie Gesprächsführer sind, nehmen Sie sich jedoch die Zeit für eine kurze eigene Vorbereitung. Ein paar Stichpunkte zu Hintergrund, Beteiligten und Struktur bieten bereits eine gute Stütze für ein professionelles Gespräch.

Bereiten Sie sich vor

Checkliste für die Durchführung eines Konfliktgesprächs

Das Gespräch könnte nun in folgender Struktur geführt werden:

Begrüßung

»Eisbrecher« verwenden und dem Klienten (und Berater) die Beziehungsaufnahme erleichtern

(Er-)Klärung der eigenen Person, Rolle und Funktion

Wer bin ich? Welche Rolle bzw. Funktion habe ich hier? Schweigepflicht?

Anliegenklärung

Was ist das Anliegen? Gibt es schon Ansätze von Veränderungen?

Gemeinsame Problemanalyse

Sichtweise des Gegenübers, Sichtweise weiterer Beteiligter, auslösende Situationen, verschiedene Verhaltensebenen: Gedanken, Gefühle, Handeln, Nichthandeln, nachfolgende Konsequenzen, Beziehungsstrukturen

Gemeinsame Zielanalyse

Erarbeitung und Festlegung von Zielen, Konkretisierung, Machbarkeit (realistische Ziele)

Erarbeitung und Festlegung von Methoden zur Zielerreichung

Wie kann das Ziel erreicht werden? Was kann der Beteiligte ggf. selber unternehmen? An welcher Stelle ist Hilfe durch andere Personen nötig?

Die Sachverhalte

Zusammenfassung

Lösungsoptionen

Mit welcher Alternative können beide/alle gut leben?

Vereinbarung über weiteres Vorgehen

Was macht wer bis wann? Evtl. Einbeziehung anderer Personen, nächster Termin (Rücksprache), Verbindlichkeit

Verabschiedung

Klärung evtl. Unklarheiten, Dank, Verabschiedung

1. Begrüßung und ankommen lassen

Nehmen Sie sich die Zeit für eine (wohlwollende) Begrüßung. Sollten sich alle Personen noch nicht so gut kennen, so stellen Sie diese vor oder nutzen Sie eine kurze Vorstellungsrunde. Als Nächstes sollten Sie sich gemeinsam über den Anlass austauschen, weshalb Sie zusammengekommen sind.

2. Ein gemeinsames Ziel definieren

Wichtig ist, auf ein gemeinsames Ziel des Gesprächs hinzuarbeiten. Geht es um die endgültige Lösung des Konflikts oder zunächst vielleicht nur um die Darstellung und Gegenüberstellung der verschiedenen Sichtweisen? Besprechen Sie nach einer kurzen Begrüßung gemeinsam, was Sie in der Zeit, für die Sie sich verabredet haben, erreichen wollen. Einigen Sie sich auf ein gemeinsames Ziel und beachten Sie, dass dieses realistisch und positiv formuliert ist.

3. Sachverhalte schildern lassen

In dieser Phase geht es primär darum, die Sichtweisen aller Parteien anzuhören. Wichtig ist, dass jeder die Möglichkeit hat, alles zu sagen, was ihm bezüglich des Konflikts auf dem Herzen liegt. Die anderen hören zunächst nur zu. Es darf nur inhaltlich nachgefragt werden. Bei einem sehr »heißen« Konflikt können Sie vorher gemeinsam Regeln für die Kommunikation untereinander festlegen. Beispielsweise, den anderen ausreden zu lassen und selbst nur aus der eigenen (Ich-)Perspektive zu schildern und somit das Gegenüber nicht persönlich anzugreifen. Sind solche Punkte vorher gemeinsam abgesprochen worden (und evtl. auch für alle sichtbar notiert worden), können Sie sich stets darauf berufen.

4. Erste Zusammenfassung – Eine gemeinsame Basis schaffen

Nachdem alle Meinungen genannt worden sind, sollten Sie als Mediator (bzw. eine andere Person bei einem kleineren Konflikt) die Offenheit, dass nun alles »auf dem Tisch« ist, großzügig anerkennen. Fassen Sie dann das Gesagte (wertfrei!) zusammen. Sammeln Sie gemeinsam mit den Beteiligten die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten, die Sie bislang erfahren haben. Hierbei ist es wichtig, besonders die Gemeinsamkeiten als einen ersten erfolgreichen Schritt wertzuschätzen. Auch hier können Sie gut mit Karten oder einem Flipchart arbeiten. Dies dient sowohl der Konkretisierung als auch der Versachlichung der einzelnen Inhalte.

Nehmen Sie dann eine erste Strukturierung des Sachverhalts vor. Hierbei sollten Gemeinsamkeiten, die beide Parteien haben, herausgestellt werden. Ebenso das Ziel und das Bedürfnis, das jeweils dahinter steht – soweit dies genannt worden ist. Keiner sollte Interpretationen für sein Gegenüber vornehmen! Vorbildlich ist es, in dieser Phase auch Ressourcen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die Emotionen zu verbalisieren und erste Prioritäten zu setzen. Achten Sie jedoch stets darauf, gemeinsam über die inhaltliche Sache zu sprechen und nicht über die Personen (bzw. auf der persönlichen Ebene).

Versachlichen Sie durch Verschriftlichen

5. Lösungsoptionen sammeln und verhandeln

Erarbeiten Sie gemeinsam Möglichkeiten, wie Lösungen aussehen könnten. Wie realistisch einzelne Ideen sind, ist dabei zunächst irrelevant. Honorieren Sie jede Idee und unterbinden Sie (abfällige) Bemerkungen der Teilnehmer. Die Bewertung bzw. Verhandlung der Vorschläge folgt erst in einem nächsten Schritt. So geht es anschließend darum, dass jede Partei beschreibt, was sie sich idealerweise vorstellen könnte, was für sie unbefriedigend wäre und in welchen Punkten sie (mehr oder weniger) zurückstecken könnte.

Auch an diesem Punkt kann es hilfreich sein, mögliche Optionen und Bedürfnisse auf einem Flipchart o. ä. zu visualisieren. Dies unterstützt, auch in der Verhandlungsphase bei der Sache an sich (die dann auch dort auf dem Papier steht) zu bleiben. Jede Verhandlung sollte zumindest mit einem vorläufigen Ergebnis abschließen. Dies kann auch sein, dass sich alle Beteiligten in einer Woche wieder sehen und bis dahin beispielsweise aufgeschrieben haben, was sie sich bei Option eins und zwei jeweils idealerweise vorstellen könnten und was sie minimal erreichen möchten.

In jedem Fall sollte das Gespräch mit einem positiven Ausblick abgeschlossen werden. Vereinbaren Sie auch Regeln und Umgangsformen für die Zeit, bis Sie sich wieder sehen, vor allem, wenn der Konflikt noch nicht abschließend geklärt ist. Auch auf die Vertraulichkeit, dass alles Besprochene unter den Beteiligten bleibt, sollten Sie sich gemeinsam verständigen.

Nehmen Sie sich selbst zurück

2.3.3 Erfolgsfaktoren

Stellen Sie Regeln auf

Auch wenn es sich nur um einen scheinbar »kleinen« Konflikt handelt, tun Sie gut daran, zu Anfang des Gesprächs ein paar Grundregeln aufzustellen, die jeder beachten muss (z. B.: ausreden lassen, keine persönlichen Angriffe). Wenn die Emotionen hoch kochen, können Sie sich auf diese gemeinsam aufgestellten Regeln berufen. Zudem definieren Sie durch gemeinsame Regeln gleich zu Beginn, dass es trotz des Konflikts durchaus Gemeinsamkeiten gibt.

1. Eine gute Vorbereitung

Eine ausführliche Vorbereitung – räumlich, persönlich und strukturell – ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Führen von Konfliktgesprächen. Im Gespräch ruhig und überzeugend zu agieren, allen Parteien Wertschätzung entgegenzubringen, kann nur funktionieren, wenn Sie sich hierfür ausreichend Zeit genommen haben.

2. Eine sichere, strukturierte Durchführung

Es ist durchaus normal, dass Sie sich unsicher fühlen, weil Sie sich in einem Konflikt befinden. Sie konnten den Konflikt mit eigenen Mitteln nicht lösen und holen sich nun Unterstützung. Um sich in einem Konfliktgespräch öffnen zu können, brauchen Sie die Sicherheit, dass der Gesprächsführer das Gespräch steuert, Sie schützt, kurzum: alles im Griff hat. Dass Sie wissen, in welcher Reihenfolge Sie inhaltlich und methodisch vorgehen wollen, gibt Ihnen als Konfliktpartei die Sicherheit, die Sie brauchen. Es hat sich als sehr positiv herausgestellt, wenn nach einem ersten Ankommen ein gemeinsames Ziel für das Gespräch definiert wird. Bei der Schilderung beider Perspektiven ist das aktive und passive Zuhören wichtig. Zu strukturieren, zusammenzufassen und wertzuschätzen ist wiederum in der vierten Phase das Wichtigste. Und auch zum Abschluss, wenn es darum geht, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und Alternativen abzuwägen, sollten Sie Ruhe und Sicherheit vermitteln. Sich mit dem Konflikt auseinandergesetzt zu haben, ist bereits ein großer Erfolg. Zeigen Sie dies auf und machen Sie den Beteiligten klar, dass sie – egal, wie die Lösung nach dem Gespräch aussieht – bereits einen großen Schritt gemeinsam gemacht haben.

3. Professionelles Verhalten im Gespräch

Wenn Sie es schaffen, neben der guten Vorbereitung ein strukturiertes Gespräch zu führen, müssen Sie sich »nur noch« professionell verhalten, und dem Erfolg des Gesprächs steht nichts mehr im Wege. Hier kommt die Grundhaltung wieder ins Spiel, die eine nicht zu unterschätzende Wirkung entfalten kann: Hören Sie zu, fragen Sie nach, hinterfragen Sie das Gesagte und seien Sie Vorbild, indem Sie selbst mit Ich-Botschaften sprechen, den anderen ausreden lassen und sich ruhig und sachlich verhalten. Geben Sie konstruktive Rückmeldungen und konfrontieren Sie die Teilnehmer ruhig mit dem Gesagten – stets jedoch konkret, sachlich und bespielhaft, ohne Ihr Gegenüber anzugreifen.

Beobachten Sie Ihre Gesprächspartner gut und geben Sie Ihnen das Gefühl, dass Sie zu 100 % bei Ihnen sind. Ein Gespräch wird gut verlaufen, wenn alle das Gefühl haben, sie sind gut aufgehoben und werden geschützt und geleitet.

Fördernde und hemmende Faktoren im Konfliktgespräch

Abbildung 6 veranschaulicht noch einmal drei Elemente, die in einer konstruktiven Konflikt-Gesprächsführung wichtig sind.

 

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Abb. 6: Drei Elemente von konstruktiven Konfliktgesprächen.

Checkliste »Verhaltensregeln in Konfliktgesprächen«

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842686502
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Altenpflege Ambulante Pflege Konfliktgespräche Konfliktmanagement Krankenpflege Pflege Pflegedienstleitung

Autoren

  • Christian Loffing (Herausgeber:in)

  • Dina Loffing (Herausgeber:in)

  • Tanja Bodden (Autor:in)

  • Christian Dierichs (Autor:in)

Professor Dr. Christian Loffing und Dina Loffing arbeiten seit vielen Jahren als Berater, Autoren und Coaches im Sozial- und Gesundheitswesen. Sie sind Herausgeber und Autoren vieler Fachbücher und -artikel.
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Titel: Konfliktgespräche in der Pflege