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100 Fragen zur hygienischen Händedesinfektion

Infektionen vermeiden. Patientensicherheit erhöhen. Qualität verbessern. In Kooperation mit der nationalen Kampagne "AKTION Saubere Hände"

von Karin Bunte-Schönberger (Autor:in) Christiane Reichardt (Autor:in) Patricia van der Linden (Autor:in)
80 Seiten

Zusammenfassung

80.000 bis 180.000 der in Deutschland jährlich auftretenden Krankenhausinfektionen könnten vermieden werden – so Schätzungen des Instituts für Hygiene. Die korrekte Händehygiene des Pflegepersonals trägt dazu bei und ist Bestandteil jeder qualitativ guten Patientenversorgung.
Die „AKTION Saubere Hände“ – eine Kooperation von Partnern aus Gesundheitswesen,
Politik und Gesellschaft – fördert die Händehygiene.
Das vorliegende Buch beantwortet – inzwischen in der 2., aktualisierten Auflage – kompakt die 100 wichtigsten Fragen rund um die Händedesinfektion.
Es sollte auf keiner Station fehlen.

kurz und knapp:
Die wichtigsten Fragen rund um die Händesdesinfektion - auf Basis neuer wissenschaftlicher Hygienestandards kompakt beantwortet.
Inklusive den Bereichen der Alten- und Pflegeheime sowie der ambulanten Einrichtungen.
Ideal für Unterricht, Weiterbildung und tägliche Praxis.
Entwickelt in Zusammenarbeit mit Hygienefachkräften und Medizinern der „AKTION Saubere Hände“.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT ZUR 2., AKTUALISIERTEN AUFLAGE

Liebe Leserin, lieber Leser,

die hygienische Händedesinfektion als die entscheidende Maßnahme zur Prävention von im Gesundheitswesen erworbenen Infektionen ist weiter hochaktuell. Den Patienten bzw. Bewohner vor einer Übertragung von Erregern zu schützen ist nicht nur im Krankenhaus wichtig. Auch in Alten-und Pflegeheimen und ambulanten Einrichtungen muss die Händedesinfektion ein fester Bestandteil der Patientensicherheit sein. Darauf aufbauend wurde die »AKTION Saubere Hände« 2011 auf diese Bereiche ausgeweitet und wurden die Materialen den entsprechenden Gegebenheiten angepasst.

In der vorliegenden zweiten Auflage dieses Buches haben wir neue oder veränderte Fragestellungen zur hygienischen Händedesinfektion aufgenommen. Der Blickwinkel wurde um die Gebiete der Alten- und Pflegeheime und der ambulanten Einrichtungen erweitert. Wir möchten Ihnen so eine umfängliche, hilfreiche Unterstützung bei allen Fragen zur hygienischen Händedesinfektion zur Verfügung stellen.

Berlin, Januar 2014

Christiane Reichardt
Karin Bunte-Schönberger

VORWORT ZUR 1. AUFLAGE

Liebe Leserin, lieber Leser,

seit nunmehr über 160 Jahren ist bekannt, dass die konsequente Händedesinfektion eine der einfachsten und wirkungsvollsten Maßnahmen ist, um Krankenhaus assoziierte Infektionen bei unseren Patienten zu vermeiden.

Leider erfährt diese Infektionskontrollmaßnahme nach wie vor nur relativ geringe Aufmerksamkeit und Wertschätzung in der täglichen Patientenversorgung.

Die nationale Kampagne »AKTION Saubere Hände« ist eine WHO- basierte Kampagne zur Verbesserung des Händedesinfektionsverhaltens in deutschen Gesundheitseinrichtungen. In dieser Aktion vereinen sich nach zwei Jahren Laufzeit etwa 650 Gesundheitseinrichtungen. In vielen flankierenden Kursen und Diskussionen mit Mitarbeitern aus den verschiedensten Gesundheitseinrichtungen haben wir festgestellt, dass es in der Praxis sehr schwierig ist, alle Aspekte der Händedesinfektion zu überblicken.

Um diesen Überblick zu erleichtern, sammelten wir immer wiederkehrende Fragen aus der Praxis und beantworten sie in diesem Buch. Das Buch erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Abhandlung über das Thema Händedesinfektion zu sein. Vielmehr stellt es ein handliches Nachschlagewerk für die tägliche Praxis dar.

Wir möchten uns ganz besonders bei Herrn Günter Kampf, Frau Anne Neuwöhner, Herrn Andreas Conrad und Frau Petra Gastmeier für die kritische Durchsicht des Manuskripts bedanken.

Berlin, Februar 2010

Christiane Reichardt
Karin Bunte-Schönberger
Patricia van der Linden

1 ALLGEMEINES ZUR HÄNDEDESINFEKTION
UND ZU HÄNDEDESINFEKTIONSMITTELN

1. Frage: Was ist eine hygienische Händedesinfektion?

Die hygienische Händedesinfektion ist die Abtötung von potenziellen Krankheitserregern auf der Haut der Hände durch Desinfektionsmittel. Dabei wird vor allem die sogenannte transiente Hautflora abgetötet, also die zeitweilig auf der Hand befindlichen Erreger, die nicht zur normalen Hautflora gehören. Im Gegensatz dazu soll bei der chirurgischen Händedesinfektion zusätzlich die residente Hautflora, also die normal auf der Haut befindlichen Erreger, auf ein Minimum reduziert werden.

2. Frage: Wer hat die hygienische Händedesinfektion erfunden?

Ignaz Semmelweis (1818–1865), später Retter der Mütter genannt, war Assistenzarzt in der Klinik für Geburtshilfe in Wien. Es war bekannt, dass in der Abteilung, in der Ärzte und Medizinstudenten arbeiteten, die Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber wesentlich höher war als in der Abteilung, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden. Semmelweis wollte den Grund dafür finden und untersuchte die Mütter noch gründlicher. Doch gerade dadurch stiegen die Todesfälle in seiner Abteilung noch weiter an. Nach seinen Tagebuchaufzeichnungen starben im Jahr 1847 in der gesamten Klinik 36 von 208 Müttern an Kindbettfieber. Es war demnach genauso gefährlich, ein Kind auf die Welt zu bringen wie an Lungenentzündung zu erkranken.

Erst als der mit ihm befreundete Gerichtsmediziner Jakob Kolletschka (1803–1847) während einer Leichensektion von einem Studenten mit dem Skalpell verletzt wurde und wenige Tage später an einer Blutvergiftung verstarb, einer Krankheit mit ähnlichem Verlauf wie der des Kindbettfiebers, glaubte Semmelweis die Ursache der Erkrankung benennen zu können: Die Medizinstudenten führten täglich klinische Sektionen an Leichen der Patientinnen durch, die zuvor an Kindbettfieber verstorben waren. Mit ungewaschenen und nicht desinfizierten Händen untersuchten sie zwischendurch Frauen während der Entbindung und übertrugen dabei Spuren von infektiösem Material.

Die eigentliche Ursache der Infektionen, die auf den Händen vorhandenen Bakterien, war damals noch nicht bekannt. Die Hebammenschülerinnen aus der zweiten Abteilung hingegen kamen nicht mit Leichen in Kontakt und führten auch keine vaginalen Untersuchungen durch. Semmelweis wies seine Studenten daher an, sich nach Leichensektionen die Hände mit Chlorkalk zu desinfizieren, was die Sterblichkeitsrate von 12,3 % auf 2–3 % senkte. Als trotzdem noch einmal 12 Wöchnerinnen auf einen Schlag am Kindbettfieber erkrankten und als dessen Ursache das infizierte, jauchige Uteruskarzinom einer Mitpatientin vermutet wurde, erkannte er, dass die Ansteckung nicht nur von Leichen sondern auch von lebenden Personen ausgehen kann. So verschärfte er die Vorschriften dahingehend, dass die Hände vor jeder Untersuchung desinfiziert werden mussten. Dadurch gelang es ihm, im Jahr 1848 die Sterblichkeitsrate auf 1,3 % zu senken.

Trotz dieses Erfolgs wurden seine Arbeiten lange Zeit nicht anerkannt. Seine Studenten hielten Sauberkeit schlicht für unnötig und viele Ärzte wollten immer noch nicht wahrhaben, dass sie selbst jene Krankheit verursachten, die sie heilen wollten.1

3. Frage: Wie wirken Händedesinfektionsmittel?

Die auf der Haut befindlichen Erreger werden durch Händedesinfektionsmittel abgetötet oder inaktiviert. Dabei zerstören die Wirkstoffe (z. B. Alkohole) die Zellmembranen oder die DNA-Struktur der Erreger und führen so zu einer Abtötung bzw. Inaktivierung.

Es ist deshalb wichtig, die für die jeweilige Anwendung angegebenen Zeiten einzuhalten und das Händedesinfektionsmittel immer in ausreichender Menge und auf die trockene Haut zu geben.

Für die hygienische Händedesinfektion beträgt die übliche erforderliche Einwirkzeit 30 Sekunden.

4. Frage: Welche unterschiedlichen Wirkstoffe werden in Händedesinfektionsmitteln verwendet?

Die meisten modernen Händedesinfektionsmittel basieren auf Alkoholen, welche zum Teil mit anderen Wirkstoffen kombiniert sind. Folgende Wirkstoffe werden als Einzelsubstanz oder in Kombination eingesetzt:

Ethanol (60–96 %)

1-Propanol (60–80 %)

2-Propanol (60–85 %)

Chlorhexidin (bis zu 4 %)

Iod (1–1,3 %)

Mecetronium Etilsulfat (0,2 %)

Damit sind nur die Häufigsten genannt. Zur Wirkung gegenüber den unterschiedlichen Erregern siehe Tabelle 1.

 

Tabelle 1: Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe aus Präparaten zur Händehygiene gegenüber verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen (außer Viren)2

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+++ umfassend und sehr schnell wirksam (15–30 Sekunden)

++ umfassend und sehr schnell wirksam (bis 2 Minuten)

+ umfassend und langsam wirksam(>2 Minuten)

(+) nicht umfassend wirksam

- nicht wirksam

n. b. nicht bekannt

5. Frage: Wie werden Händedesinfektionsmittel auf ihre Wirksamkeit hin geprüft?

Händedesinfektionsmittel zählen in Deutschland zu den Arzneimitteln. Sie werden vor Ihrer Zulassung zur breiten Anwendung in der klinischen Praxis nach einem festgelegten Prüfverfahren auf verschiedene Eigenschaften hin geprüft: das Spektrum der antimikrobiellen Wirksamkeit in Suspensionsversuchen (z. B. gegen Bakterien, Mykobakterien, Bakteriensporen, Pilze oder Viren) sowie die Wirksamkeit für die jeweilige Indikation in praxisnahen Untersuchungen.

Für die hygienische Händedesinfektion werden die Hände von Probanden mit dem Bakterium Escherichia coli künstlich kontaminiert und anschließend entweder mit dem Händedesinfektionsmittel oder mit einem Referenzalkohol behandelt. Neben der Wirksamkeit werden sie auch auf ihre Verträglichkeit hin geprüft.

Die Wirksamkeitsprüfungen erfolgen standardisiert nach europäischen und nationalen Richtlinien und sind vom Hersteller im Rahmen eines Zulassungsverfahrens beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachzuweisen. Die Prüfungen erfolgen dabei in zwei Stufen:

1. Suspensionstest, der eine grundlegende abtötende Wirkung gegenüber den Bakterien, Viren und Pilzen bestimmt.

2. Tests unter Bedingungen, die den praktischen Anforderungen entsprechen (z. B. Abtöten von Testerregern auf der Haut nach Verreiben des Präparats in einer bestimmten Zeit und Reduktion der Erregerzahl um eine definierte Menge).

6. Frage: Warum werden Händedesinfektionsmitteln Farb- und Parfümstoffe beigesetzt?

Die Industrie hat viele Jahre die alkoholischen Händedesinfektionsmittel mit Parfüm und Farbstoffen versetzt, um die Akzeptanz der Produkte bei den Verbrauchern zu erhöhen. Allerdings setzen sich in den letzten Jahren immer mehr parfüm- und farbstofffreie Produkte durch, um das ohnehin schon sehr geringe sensibilisierende Potenzial von alkoholischen Händedesinfektionsmitteln noch weiter zu senken.

7. Frage: Warum müssen bei manchen viralen Infektionen andere Händedesinfektionsmittel eingesetzt werden?

Bei den Viren unterscheiden wir sogenannte behüllte Viren (z. B. Hepatitis-B-Virus, HIV, Herpes simplex-Virus) und unbehüllte Viren (z. B. Norovirus, Adenoviren, Hepatitis-A-Virus, Rotavirus). Die meisten Wirkstoffe, die in Händedesinfektionsmitteln zum Einsatz kommen, sind gegenüber allen in der Medizin relevanten behüllten Viren wirksam, nicht jedoch gegen unbehüllte Viren. Deshalb muss im Falle des Ausbruchs mit etwa Noroviren das Händedesinfektionsmittel durch ein gegenüber unbehüllten Viren getestetes und wirksames (z. B. auf Basis von Ethanol 95 %) ersetzt werden (siehe Tabelle 2). Geeignete viruswirksame Händedesinfektionsmittel sind der Liste des Robert Koch-Instituts, Wirkungsbereich AB, zu entnehmen.

 

Tabelle 2: Bewertung der viruziden Wirksamkeit verschiedener Wirkstoffe aus Präparaten der Händehygiene3

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* Surrogatvirus für HCV

** Antigentest

*** Prüfviren nach dem europäischen Normentwurf Viruzidie (prEN 14467) 14476!

+++ umfassend und sehr schnell wirksam (15–30 Sekunden)

++ umfassend und sehr schnell wirksam (bis 2 Minuten)

+ umfassend und langsam wirksam(>2 Minuten)

(+) nicht umfassend wirksam

- nicht wirksam

n.b. nicht bekannt

8. Frage: Was ist der Unterschied zwischen chirurgischer und hygienischer Händedesinfektion?

Ziel der chirurgischen Händedesinfektion ist es, die transiente – die zeitweilig auf der Haut befindliche – Hautflora abzutöten und die residente Hautflora – also die normal auf der Haut befindlichen Erreger – auf ein Minimum zu reduzieren. Dabei werden die Hände und Unterarme über die Dauer der Einwirkzeit mit einem der alkoholischen Händedesinfektionsmittel desinfiziert, für die eine Zulassung beim BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) zur chirurgischen Händedesinfektion vorliegt. Das können – je nach Mittel – 1,5 oder 3 oder 5 Minuten sein.

Neue Untersuchungen auf der Basis von Standardtestverfahren belegen, dass manche Rezepturen in 1,5 Minuten gleich gut wirken wie andere in 3 Minuten. Es gelten dabei die Angaben des Herstellers. Vom Bürsten der Unterarme und Hände mit Wasser und Seife wird grundsätzlich abgeraten. Denn dabei werden Mikroläsionen an der Haut gesetzt und die in den Haarfollikeln und Poren sitzenden Bakterien ausgeschwemmt, was zu einer höheren Keimzahl führen kann. Darüber hinaus wird die Gefahr von Hautschäden deutlich erhöht. Bei sichtbar verschmutzten Händen und bei Dienstbeginn sollte vorab das Waschen mit Wasser und Seife für max. 1 Minute erfolgen.

Bei der hygienischen Händedesinfektion ist das Ziel, die sogenannte transiente Hautflora abzutöten – also die zeitweilig auf der Hand befindlichen Erreger, wie sie etwa nach dem Kontakt mit Patienten oder infektiösem Material auftreten. Die hygienische Händedesinfektion erfolgt in der Regel mit einem alkoholischen Händedesinfektionsmittel über 30 Sekunden. Das Waschen mit Wasser und Seife ist nur bei sichtbaren Verschmutzungen empfohlen bzw. nach Kontamination mit Bakteriensporen wie Clostridium difficile.

9. Frage: Ist ein Händedesinfektionsmittel mit einer verkürzten Einwirkzeit von 1,5 Minuten für die chirurgische Händedesinfektion aggressiver als ein Mittel mit einer Einwirkzeit von 3 Minuten?

Nein. Einzelne Desinfektionsmittel wurden lediglich auf ihre Wirksamkeit von unter 3 Minuten untersucht. Dabei stellte man fest, dass einige Händedesinfektionsmittel auch bei kürzeren Zeiten die gleiche Wirksamkeit aufwiesen wie bei den langjährig durchgeführten 3 Minuten.

Die chirurgische Händedesinfektion wird, unabhängig von der Einwirkzeit, mit den gleichen Händedesinfektionsmitteln durchgeführt. Die für die einzelnen Händedesinfektionsmittel angegebene Zeit ist abhängig davon, ob das jeweilige Händedesinfektionsmittel bereits für die Dauer von 1,5 Minuten zugelassen ist. Dies muss in Untersuchungen im Vorfeld geprüft und die geänderte Einwirkzeit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf der Grundlage der Ergebnisse beantragt werden.

10. Frage: Stimmt es, dass alkoholische Händedesinfektionsmittel eine Feuergefahr darstellen?

Es wird immer wieder diskutiert, inwieweit der breite Einsatz von alkoholischen Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern ein erhöhtes Risiko für Brände darstellt.

In einer Studie aus dem Jahr 2007 wurden desinfektionsmittelassoziierte Brände an deutschen Krankenhäusern untersucht. Insgesamt wurden sieben Fälle berichtet, die entweder durch mutwilliges in Brand setzen oder durch unsachgemäße Handhabung (etwa die Trocknung der Hand nicht abgewartet) verursacht wurden. Insgesamt muss man sagen, dass die breite Nutzung alkoholischer Desinfektionsmittel in Gesundheitseinrichtungen kein erhöhtes Brandrisiko darstellt.

11. Frage: Was bedeuten viruzid und begrenzt viruzid?

Als ein Viruzid (virusinaktivierend) wird eine Substanz oder ein Desinfektionsmittel bezeichnet, das durch Schädigung der Virusnukleinsäure die Steuerung einer Zelle durch die Viren verhindert und damit auch ihre Infektiosität. Die viruzide Wirkung umfasst je nach Substanz sowohl die behüllten Viren (wie z. B. Influenza A-Virus) als auch die unbehüllten Viren (wie z. B. Noroviren), welche schwerer zu inaktivieren sind.

Unter der begrenzt viruziden Wirkung wird verstanden, wenn das Desinfektionsmittel nur gegenüber behüllten Viren wirksam ist. Das schließt Hepatitis-B-Viren (HBV), Hepatitis-C-Viren (HCV) und HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) ein. Um eine sichere Desinfektionswirkung gegenüber Viren zu erzielen, muss ihre Infektiosität um mindestens 4 log10-Stufen reduziert werden. Zur Info: Eine Reduzierung um 3 log10-Stufen bedeutet eine Keimreduzierung um ≥ 99,9 %.

12. Frage: Eignen sich viruzide Händedesinfektionsmittel als Standardpräparate?

Die im Alltag verwendeten alkoholischen Händedesinfektionsmittel sind begrenzt viruzid. Bei Ausbrüchen durch unbehüllte Viren (z. B. Noroviren, Adenoviren) muss für die Dauer des Ausbruchs die Umstellung auf ein zugelassenes viruzides Händedesinfektionsmitteln erfolgen.

In viruziden Händedesinfektionsmitteln ist der Anteil von bestimmten Wirksubstanzen, z. B. an Alkoholen, deutlich erhöht – oder sie enthalten zusätzliche Hilfsstoffe wie Phosphorsäure, die zu einer Verbesserung der Viruswirksamkeit führen. Damit geht unter Umständen eine schlechtere Hautverträglichkeit mit der erhöhten Gefahr von Hautschäden einher. Deshalb sollten viruzide Händedesinfektionsmittel immer indikationsgerecht und bei hohem Expositions- bzw., Gefährdungsrisikos, eingesetzt werden. Das kann etwa auf Stationen mit besonderem Risiko für Virusinfektionen wie der Pädiatrie oder im virologischen Labor der Fall sein.

13. Frage: Warum ist die hygienische Händedesinfektion bei Sporen von Clostridium difficile nicht die beste Lösung?

Clostridium difficile kommt in zwei Zellformen vor: als vegetative Zelle und als Bakterienspore. Die vegetative Zelle ist mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln einfach abzutöten. Die in den Händedesinfektionsmitteln eingesetzten Wirkstoffe sind jedoch nicht gegen bakterielle Sporen wirksam.

Sporen von Clostridium difficile besitzen eine hohe Umweltresistenz – das heißt, sie sind unempfindlich gegen Hitze, Feuchtigkeit sowie eine Reihe chemischer Substanzen. Bei Patienten mit Clostridium difficile assoziierter Diarrhö (CDAD) kommt es nachweislich zu einer massiven Kontamination der Umgebung mit Clostridium difficile-Sporen. In aktuellen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass CDAD daher sehr einfach von einem Patienten auf den anderen übertragbar ist. Im Falle von CDAD sollte daher ausnahmsweise eine hygienische Händedesinfektion in Kombination mit Händewaschen durchgeführt werden. Sinnvollerweise werden dabei zuerst die vegetativen Clostridium difficile-Zellen sowie eventuelle weitere Erreger abgetötet, während durch das Händewaschen die Sporen mechanisch abgespült werden. Eine wichtige zusätzliche Maßnahme ist darüber hinaus der korrekte Einsatz von Handschuhen.

14. Frage: Kann ich alkoholische Händedesinfektionsmittel auch als allgemeines Hautdesinfektionsmittel einsetzen?

Sowohl Hände- als auch Hautdesinfektionsmittel sind in Deutschland Arzneimittel. Diese dürfen nur gemäß der vom BfArM zugelassenen Indikation eingesetzt werden. Wenn ein Händedesinfektionsmittel nicht auch zur Hautdesinfektion zugelassen ist, darf es auch nicht zur Hautdesinfektion verwendet werden. Außerdem sind den Händedesinfektionsmitteln Hautpflegesubstanzen zugesetzt, welche bei der Hautdesinfektion nicht benötigt oder desgleichen nicht erwünscht sind. Auch deshalb sollten Händedesinfektionsmittel nicht als Hautdesinfektionsmittel eingesetzt werden.

15. Frage: Kann ich alkoholisches Hautdesinfektionsmittel als Händedesinfektionsmittel einsetzen?

Sowohl Haut- als auch Händedesinfektionsmittel sind in Deutschland Arzneimittel. Diese dürfen nur gemäß der vom BfArM zugelassenen Indikation eingesetzt werden. Wenn ein Hautdesinfektionsmittel nicht auch zur Händedesinfektion zugelassen ist, darf es auch nicht zur Händedesinfektion verwendet werden.

Alkoholische Hautdesinfektionsmittel haben eine vergleichbare Effektivität hinsichtlich der Abtötung von Erregern wie alkoholische Händedesinfektionsmittel. Darüber hinaus enthalten Hautdesinfektionsmittel aber keine Hautpflegesubstanzen. Sollten sie dennoch zur Händedesinfektion verwendet werden, kann es zu einer Austrocknung der Haut mit einer erhöhten Gefahr von Hautirritationen bei häufiger Anwendung kommen.

16. Frage: Warum sollte man ein alkoholisches Händedesinfektionsmittel nicht als Flächendesinfektionsmittel verwenden?

Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind Arzneimittel, für die eine sachgemäße Anwendung auf Wirksamkeit und Verträglichkeit untersucht und vom BfArM bestätigt wurde. Zur sachgemäßen Anwendung zählt nicht die Desinfektion unbelebter Flächen. Darüber hinaus enthalten die meisten alkoholischen Händedesinfektionsmittel Alkohole in einer Gesamtkonzentrationen von 75–95 %. Alle drei häufig verwendeten Alkohole (Ethanol, 1-Propanol, 2-Propanol) sind in dieser Konzentration flüchtige, leicht entzündliche Stoffe.

17. Frage: Ein alkoholisches Händedesinfektionsmittel kann doch gar nicht verkeimt sein, oder?

Alkoholische Händedesinfektionsmittel können im Rahmen der Nutzung mit Bakteriensporen kontaminiert sein, die beispielsweise beim unsachgemäßen Umfüllen in das Präparat gelangen können. Andere Erreger wie Bakterien oder Pilze, die versehentlich in das Händedesinfektionsmittel gelangen, werden innerhalb von wenigen Sekunden abgetötet.

Eine Kontamination mit Bakteriensporen ist allerdings sehr selten, die Anzahl der nachgewiesenen Sporen pro Milliliter ist sehr niedrig (< 1 pro 10 ml). Darüber hinaus handelt es sich in der Regel um apathogene Sporenbildner. Deshalb geht davon grundsätzlich keine Gefahr für den Patienten aus.

18. Frage: Werden multiresistente Erreger (MRE) durch die hygienische Händedesinfektion genauso leicht abgetötet wie normal sensible Erreger?

Alkoholische Handelspräparate mit der Zulassung zur hygienischen Händedesinfektion sind in der Regel auch gegen antibiotikaresistente Bakterien ausreichend wirksam (siehe auch Tabelle 1, S. 13).

So sind zum Beispiel Alkohole innerhalb von 15–30 Sekunden auch gegen antibiotikaresistente Bakterien wirksam. Polyhexanid, Iod, Mecetronium Etilsulfat hingegen sind erst ab einer Einwirkzeit von 2 Minuten gegen antibiotikaresistente und antibiotikasensible Bakterien wirksam.

19. Frage: Darf ich auch in den OP, wenn ich eine Infektion an den Händen habe, z. B. eine Nagelbettentzündung?

Bei Vorliegen infektiöser Hautprozesse des Personals ist jede mit einem Infektionsrisiko verbundene Tätigkeit, z. B. operieren, die Pflege und Behandlung von protektiv isolierten Patienten (bei Immunsuppression) oder die Speisenzubereitung, bis zur erfolgreichen Behandlung der Infektion zu unterlassen.

20. Frage: Was sind sogenannte mobile Spender?

In den meisten Krankenhäusern werden fest an der Wand montierte Spender verwendet. Sie sind häufig für das Personal während einer Sequenz in der Patientenversorgung nicht unmittelbar zugänglich und ihre Nutzung mit zusätzlichen Wegen für das Personal verbunden. Üblicherweise sind die meisten fest montierten Spender am Waschbecken bzw. in der Nasszelle sowie in der Nähe der Türen oder auf den Gängen angebracht. Die überwiegende Anzahl der Händedesinfektionsgelegenheiten ergibt sich jedoch direkt am Patienten. Um einen unmittelbaren Zugang ohne zusätzliche Wege zum Händedesinfektionsmittel zu gewährleisten, gibt es daher zusätzliche, sogenannte mobile Spender. Das sind zum Beispiel 500 ml Desinfektionsmittelflaschen, die mit einem Pumpsystem versehen sind. Sie können sehr variabel auf Nachtschränken oder Ablagen gestellt werden.

Darüber hinaus gibt es Metallkörbe, in denen diese Flaschen an Betten oder an Verbandswagen hängen können. Auch Kitteltaschenflaschen werden zu den mobilen Spendern gezählt.

21. Frage: Was sind Kitteltaschenflaschen?

Kitteltaschenflaschen sind kleine, 100–150 ml fassende Flaschen mit Händedesinfektionsmittel. Sie können in den Kitteltaschen oder mithilfe von Clips an der Arbeitskleidung getragen werden. Sie haben somit den Vorteil, dass sie immer unmittelbar verfügbar sind.

Im Rahmen einer Fortbildung sollte die korrekte Anwendung von Kitteltaschenflaschen geschult werden, um die einwandfreie Desinfektion der Hände sicherzustellen.

22. Frage: Sind Kitteltaschenflaschen wirklich eine Option für die hygienische Händedesinfektion?

Kitteltaschenflaschen sind eine sinnvolle Ergänzung zu fest montierten Wandspendern, vor allem in den Bereichen, in denen aufgrund von Sicherheitsbedenken oder architektonischen Schwierigkeiten gegenüber fest montierten Spendern keine unmittelbare Verfügbarkeit gewährleistet werden kann (z. B. in Kinderkliniken oder psychiatrischen Einrichtungen). Auch in der ambulanten Patientenversorgung und im Rettungsdienst können sie sehr sinnvoll eingesetzt werden.

Die Befürchtung, keine ausreichende Desinfektionsleistung zu erzielen, weil die Flasche von außen kontaminiert sein könnte, ist unbegründet. Nach dem Auftragen des Desinfektionsmittels in die Hand, wird die Flasche wieder verschlossen und in die Kitteltasche zurückgelegt. Erst dann wird das Desinfektionsmittel, mit der entsprechenden Einwirkzeit auf den Händen verteilt. Somit sind alle Erreger, auch die der potenziell kontaminierten Kitteltaschenflasche, abgetötet, bevor die Hände den Patienten berühren.

Problematisch beim Einsatz von Kitteltaschenflaschen sind momentan noch die höheren Kosten und das vergleichsweise hohe Müllaufkommen.

23. Frage: Kann man Kitteltaschenflaschen wieder auffüllen?

Händedesinfektionsmittel fallen unter das Arzneimittelgesetz (AMG). Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ist zum jetzigen Zeitpunkt das erneute Auffüllen von Kitteltaschenflaschen nur unter aseptischen Bedingungen in einer Krankenhausapotheke möglich.

24. Frage: Warum sind in vielen Patientenzimmern die Händedesinfektionsmittel-Spender an den Waschbecken angebracht?

Die Kommission der Krankenhaushygiene des RKI hat in ihren Richtlinien zur Händedesinfektion die Ausstattung von Waschplätzen für Mitarbeiter mit direktem Patientenkontakt und Kontakt zu infektiösen Materialien (z. B. auch Labor) festgelegt. In dieser Richtlinie ist die Installation eines festen Händedesinfektionsmittelspenders vorgeschrieben. Auch die sogenannte BGR oder TRBA 250 (Berufsgenossenschaftliche Regeln oder Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe) schreiben einen Händedesinfektionsmittelspender für das Personal an Waschplätzen vor. Diese Regelungen sind für den Arbeitgeber bindend.

In der alltäglichen Praxis steht jedoch die Händedesinfektion im Vordergrund, da das Waschen mit Wasser und Seife nur bei sichtbar verschmutzten Händen erfolgen sollte. Somit werden diese Spender vom Krankenhauspersonal eher wenig genutzt, da sie meist zu weit vom Patienten entfernt sind.

25. Frage: Ist es vorgeschrieben, wo und wie viele Spender im Krankenhaus vorhanden sein sollen?

Nein. Wie beschrieben, sollen Händedesinfektionsmittelspender an den vom Personal genutzten Waschbecken angebracht sein. Darüber hinaus gibt es keine Festlegungen. Prinzipiell sollten die Spender in Patientennähe und gut für das Personal erreichbar sein. Die überwiegende Zahl der Händedesinfektionen geschieht direkt am Patienten. Die »AKTION Saubere Hände« hat einen Spender pro Patientenbett auf Intensivstationen und einen Spender auf zwei Patientenbetten auf Nicht-Intensivstationen vorgegeben.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842686540
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2015 (Januar)
Schlagworte
Altenpflege Altenpflege /Unterrichtsmaterial Händehygiene /Händedesinfektion Hygiene Hygieneanforderungen Hygieneplan Krankenpflege Krankenpflege /Unterrichtsmaterial

Autoren

  • Karin Bunte-Schönberger (Autor:in)

  • Christiane Reichardt (Autor:in)

  • Patricia van der Linden (Autor:in)

Dr. med. Christiane Reichardt ist verantwortliche Ansprechpartnerin der „AKTION Saubere Hände“. Sie arbeitet am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité in Berlin. Karin Bunte-Schöneberger ist Hygienefachkraft am Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité und arbeitet ebenfalls für die „AKTION Saubere Hände“. Patricia van der Linden war bis zu ihrem Ruhestand ebenfalls dort beschäftigt.
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Titel: 100 Fragen zur hygienischen Händedesinfektion