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Aktiv leben - trotz Rheuma

Mit der modernen Rheuma-Therapie Schmerzen lindern und Gelenkschäden stoppen. Zertifiziert von der STIFTUNG GESUNDHEIT

von Iris Ottinger (Autor:in) Dr. med. Monika Ronneberger (Autor:in) Dr. med. Florian Schuch (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Endlich Schmerzen lindern und Gelenkschäden stoppen!
Neue Diagnosemöglichkeiten und zielgerichtete Medikamente haben die Rheumatherapie revolutioniert. Viele Menschen mit Rheuma können heute ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. In diesem Ratgeber erklären ausgewiesene Rheumaexperten, wie eine individuell auf den einzelnen Patienten abgestimmte Therapie gelingt und was jeder Patient dazu beitragen kann, um seine Lebensqualität erheblich zu steigern. Dazu gehören Physio- und Ergotherapie, das richtige Gewicht, Bewegung und Möglichkeiten der Stressbewältigung sowie eine
ergänzende alternative Behandlung.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

von Renate Schmidt

Liebe Leserin, lieber Leser,

1987 bin ich mit 44 Jahren an einer entzündlichen Polyarthritis erkrankt, die – damals nicht selbstverständlich – ein Jahr lang richtig behandelt wurde und seither nicht mehr aufgetreten ist. Seither weiß ich, was rheumatische Schmerzen bedeuten. Meine Mutter ist mit 77 Jahren an den Folgewirkungen einer 14 Jahre währenden Rheumaerkrankung viel zu früh gestorben.

Nicht zuletzt aus diesen Erfahrungen heraus engagiere ich mich für mehr Lehrstühle in der internistischen Rheumatologie, für eine bessere Ausbildung auch der Hausärzte in puncto Rheuma sowie im Kuratorium der Rheumastiftung dafür, Forschung voranzutreiben und die Lebenssituation von an Rheuma erkrankten Menschen zu verbessern. Denn immer noch gibt es mangels internistischer Rheumatologen viel zu lange Wartezeiten für Rheumapatientinnen und -patienten und immer noch wird die Volkskrankheit „Rheuma“ als angebliche Alte-Leute-Krankheit auf die leichte Schulter genommen. Dabei können Kinder, junge und alte Menschen an Rheuma erkranken und sie alle wollen ein aktives Leben führen.

Rheuma ist heute noch nicht heilbar. Doch ist die Rheumatologie eines der dynamischsten und innovativsten Fächer der gesamten Medizin geworden. Die enormen Fortschritte dieses Fachgebietes suchen ihresgleichen. Durch die Entwicklungen in den letzten knapp 20 Jahren sind Ärzte heute in der Lage, die rheumatischen Erkrankungen so gut wie noch nie und so früh wie noch nie zu diagnostizieren und zu behandeln. So können die meisten Menschen mit Rheuma ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. Trotz der Diagnose einer chronischen Erkrankung darf man heutzutage mit viel Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen. Aktiv am Leben teilzuhaben trotz Rheuma, das war vor 20 Jahren ein Wunschtraum. Heute kann das gelingen, und dieser Ratgeber kann dabei helfen!

Mit der Journalistin Iris Ottinger und den internistischen Rheumatologen Dr. Monika Ronneberger und Dr. Florian Schuch haben drei ausgewiesene Experten ihr Wissen allen Interessierten zugänglich gemacht. Dieses Buch soll Ihnen helfen, mit Ihrer Rheumaerkrankung besser umzugehen, sich selbst zu helfen und trotz der Beschwerden ein weitgehend normales Leben zu führen. Es kann darüber hinaus eine wichtige Informationsquelle für Angehörige und Freunde sein, die verstehen wollen, womit Sie es tagtäglich zu tun haben, und die wissen möchten, wie sie Ihnen am besten helfen können.

Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung. Und Ihnen wünsche ich, dass die vielen wertvollen Informationen zur modernen Rheumatherapie und auch Tipps, die die Autorinnen und der Autor in der täglichen Praxis von ihren Patienten bekommen haben, Ihnen dabei helfen, das Leben mit Ihrer Erkrankung gut zu bewältigen und aktiv zu gestalten.

Ihre

Renate Schmidt

Bundesfamilienministerin a. D.

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RHEUMA –
DAS MUSS ICH
WISSEN

Was passiert eigentlich in meinem Körper, wenn ich Rheuma habe? In diesem Kapitel informieren wir Sie darüber, was Rheuma für die Gelenke und Wirbelsäule bedeutet und welche Risikofaktoren es für die Krankheit gibt. Sie lernen außerdem die wichtigsten rheumatischen Erkrankungen und ihre Symptome kennen, wobei unser Schwerpunkt auf der rheumatoiden Arthritis liegt, und erfahren, mit welchen Methoden man Rheuma medizinisch feststellen kann.

Was ist Rheuma?

Rheumatische Beschwerden sind in der Bevölkerung sehr häufig. Dahinter verbergen sich beispielsweise Schmerzen an Knochen, Muskeln und Gelenken oder auch Rückenschmerzen. Rheuma ist der Überbegriff für Verschleißerkrankungen am Bewegungsapparat, Weichteilrheuma und entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen.

Dieser Patientenratgeber wendet sich in erster Linie an Menschen mit rheumatoider Arthritis, Psoriasis-Arthritis, entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule, sogenannte Spondarthropathien, und anderen Formen von entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen, wie etwa Kollagenosen. Hier sind besonders Sjögren- und SLE-Patienten zu nennen. Der Begriff „Rheuma“ wird in diesem Ratgeber daher für entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie den oben aufgeführten, verwendet.

 

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Gleich zu Beginn die gute Nachricht: Durch die Entwicklungen in den letzten knapp 20 Jahren sind wir heute in der Lage, die erwähnten Erkrankungen so gut wie noch nie und so früh wie noch nie zu diagnostizieren und zu behandeln. So können die meisten Menschen mit Rheuma ein beschwerdefreies oder wenigstens ein beschwerdearmes Leben führen. Trotz der Diagnose einer chronischen Erkrankung darf man heutzutage mit viel Hoffnung und Zuversicht in die Zukunft schauen.

Solange man keine Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates hat, denkt man gar nicht darüber nach, wie wunderbar das Zusammenspiel von Knochen, Knorpeln, Gelenken, Sehnen und Muskeln, Nerven und vielen Strukturen funktioniert, die uns durch den Alltag bewegen. Treten allerdings Schmerzen auf, so ist dies für viele Betroffene zunächst eine böse Überraschung. Am Anfang hofft man, dass die Beschwerden von allein aufhören, was ja auch meistens der Fall ist. Generell gilt aber, dass Schmerzzustände und andere Probleme des Bewegungsapparates durch den Arzt abgeklärt werden sollten, wenn sie

mehr als sechs Wochen andauern,

zusammen mit Allgemeinsymptomen auftreten. Dazu gehören Fieber, also eine Temperatur über 38,5 °C, Nachtschweiß und auch auf Anhieb nicht erklärbarer Gewichtsverlust.

Das Bewegungssystem

Wer Funktionsstörungen des Bewegungssystems verstehen will, sollte sich zunächst damit vertraut machen, wie es im gesunden Zustand arbeitet und aufgebaut ist. Viele Bestandteile sind daran beteiligt, dass der Mensch sich aufrecht halten und bewegen kann. Für die Beweglichkeit sind in erster Linie die Gelenke zuständig. Da diese bei rheumatischen Erkrankungen häufig befallen sind, ist eines der typischen Symptome eine Steifheit, die zu einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit führt.

Der typische Gelenkaufbau

Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen. Sie werden von Gelenken zusammengehalten. Gelenke gehören zum passiven Teil des Skeletts, sie werden also bewegt. Aktive Bestandteile des Bewegungssystems sind die Muskeln. Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Nervensystem, das überhaupt erst Koordination und Feinmotorik möglich macht.

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Das menschliche Stützgerüst besteht aus etwas mehr als 200 Knochen, die von Gelenken zusammengehalten werden.

Den Aufbau eines Gelenks kann man sich etwa so vorstellen: Ein Gelenkkopf und eine Gelenkpfanne liegen einander gegenüber. Sie passen ineinander wie zwei Puzzleteile, schließen aber nicht fest ab. Stattdessen liegt ein Gelenkspalt zwischen den beiden zu verbindenden Knochen. Der Gelenkkopf ist die nach außen, die Gelenkpfanne die nach innen gewölbte Gelenkfläche. Beide sind mit Knorpel überzogen, der u. a. aus Wasser und Kollagen besteht und die Aufgabe eines Stoßdämpfers übernimmt. Umgeben ist das Gelenk von der sogenannten Kapsel. Sie besteht aus der Verlängerung des Bindegewebes, das auch alle Knochen umschließt und folgerichtig Knochenhaut genannt wird.

In der Gelenkkapsel besteht die Knochenhaut aus zwei Schichten. Die obere ist eine feste Schicht aus Kollagenfasern. Darunter befindet sich eine lockere Schicht, in der sich Blutgefäße, Nerven und Immunzellen befinden. Diese Schicht wird Synovia genannt. Hier wird die Gelenkflüssigkeit, ebenfalls Synovia genannt, produziert, die zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen hat: Einerseits dient sie als Schmierstoff, der die Abreibung der Gelenkflächen verhindern oder zumindest minimieren soll, andererseits wird damit der Knorpel ernährt.

Bei Entzündungen, z. B. bei Rheumaschüben, wird die Flüssigkeit von der entzündeten Gelenkinnenhaut häufig in übermäßiger Menge produziert. Man nennt diese Entzündung Synovialitis. Besteht sie über einen längeren Zeitraum, breitet sich die Gelenkinnenhaut aus, kann Sehnen oder Bänder beschädigen und sogar in Knochengewebe eindringen. Es entsteht ein verdicktes, chronisch entzündliches „wucherndes“ Gewebe, das sogenannte Pannusgewebe. Würde man nicht einschreiten, stünde am Ende die Zerstörung von Knochen und Knorpel. Mit den modernen Therapien lässt sich dieses fortgeschrittene Stadium von Rheuma inzwischen jedoch glücklicherweise zuverlässig verhindern.

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Mit den modernen Therapien lässt sich die Synovialitis zuverlässig verhindern.

Vereinfachte Darstellung des Gelenkaufbaus

Bänder, Sehnen, Scheiben und Schleimbeutel

Je nach Gelenktyp kann es neben dem beschriebenen Aufbau eines Gelenks weitere Bestandteile geben. Dazu gehören beispielsweise Gelenkbänder, die aus Bindegewebe bestehen und dem Gelenk Festigkeit und Bewegungsführung geben. Sie können festlegen, in welche Richtung oder wie weit das Gelenk bewegt werden kann. Sehnen sind Verbindungsstücke zwischen den Knochen und den Muskeln. Sie geben die Muskelkraft quasi an das Knochengerüst weiter. Sehnen bestehen aus festen Kollagensträngen und Elastin, das, wie der Name ahnen lässt, für die Elastizität sorgt. Ebenso wie in den Knorpeln finden sich in Sehnen keine Blutgefäße, entsprechend können sie nicht durch Blut, sondern nur durch Gewebsflüssigkeit ernährt werden.

Auch Gelenkscheiben sind in einigen Gelenken zu finden. Der Meniskus, eine halbmondförmige Scheibe im Knie, ist eines der bekanntesten Exemplare. Er besteht aus Faserknorpel, also der härtesten Knorpelart. Gelenkscheiben dienen in der Gelenkhöhle zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung. Schließlich sollen noch Schleimbeutel erwähnt werden, die wie Kissen zur Polsterung dienen. Sie befinden sich zwischen Knochen und Sehnen oder Muskeln und schützen beide Seiten vor Reibung und Druck.

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Gelenkscheiben wie der Meniskus dienen zur Pufferung von Druck und zur Stabilisierung.

Rheuma betrifft nicht nur die Gelenkstrukturen, sondern auch Sehnen, Sehnenansätze und manchmal den gesamten Bewegungsapparat. Des Weiteren können aber auch Organe, wie z. B. das Auge, die Lunge oder die Niere, betroffen sein. Dies ist jedoch selten und kann durch frühe Diagnosen und Therapie verhindert werden.

Der Aufbau der Wirbelsäule

Unter den rheumatischen Erkrankungen betreffen viele die Wirbelsäule. An dieser Stelle folgt daher eine kurze Übersicht, die ihren Aufbau verdeutlicht. Die Wirbelsäule besteht aus 24 Wirbeln. Zählt man das Kreuz- und das Steißbein dazu, die jeweils aus fünf miteinander verwachsenen Wirbeln bestehen, kommt man auf insgesamt 34 Wirbel. Sie werden von oben nach unten nummeriert und teilen sich – ebenfalls von oben nach unten – in Hals-, Brust- und Lendenwirbel sowie Kreuz- und Steißbein.

Der Aufbau der menschlichen Wirbelsäule

Von der Halswirbelsäule bis hinunter in den Lendenwirbelbereich nehmen die einzelnen Wirbel an Masse deutlich zu. Jeder Wirbelknochen hat ein Loch, die Gesamtheit der Löcher wird als Wirbelkanal bezeichnet. In diesem befindet sich das Rückenmark, das Nervenfasern und Nervenzellen beherbergt. Aus dem Wirbelkanal laufen Rückenmarksnerven in die Extremitäten. Die einzelnen Wirbel sind miteinander durch Gelenke verbunden. An Dorn- und Querfortsätzen, geweihartigen Knochengebilden, setzen Muskeln und Bänder an.

Wenn das Bewegungssystem aus dem Lot ist

Der Begriff Rheumatismus kommt aus dem Altgriechischen und lässt sich mit „Fließen“ oder „Strömen“ übersetzen. Dahinter steckt die in der Antike verbreitete Vorstellung, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von Schleimen entstehen, die durch den Körper fließen. Der Begriff bleibt passend, denn er charakterisiert den fließenden oder ziehenden Schmerz, der stark ausstrahlt und typisch für viele rheumatische Erkrankungen ist. Dennoch ist die Bezeichnung Rheumatismus inzwischen veraltet, weil sie einfach zu ungenau erscheint. Man spricht heutzutage von rheumatischen Erkrankungen. So wird man der Vielschichtigkeit der über 400 Krankheitsbilder gerecht, die hier zusammengefasst sind.

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Um der Vielschichtigkeit der über 400 Krankheitsbilder gerecht zu werden, spricht man heute von rheumatischen Erkrankungen.

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage dieses Kapitels: Was ist Rheuma? Entzündliche Systemerkrankungen, die wir in diesem Buch vorrangig betrachten, entstehen aufgrund einer Fehlleitung des Immunsystems. Unsere körpereigene Abwehr ist ein Wunderwerk, ein Zusammenspiel von „Bollwerken“ wie den Schleimhäuten und speziellen Abwehrzellen, die im Knochenmark gebildet werden. Alle Mitspieler sorgen gemeinsam dafür, dass wir den täglichen Angriffen durch Bakterien, Viren, Umwelteinflüsse oder körpereigenen „Zellmüll“ in der Regel gut und unbeschadet überstehen.

Betrachten wir als Beispiel Infektionen: Immunzellen können nach erfolgreichem Kampf gegen die Erreger überschießen und zu lange oder auf falsche Art und Weise aktiv bleiben. Leider kann es passieren, dass diese überaktiven Immunzellen irrtümlich körpereigenes Gewebe als fremd einstufen. Diesen Vorgang, bei dem körpereigene Zellen körpereigene Strukturen angreifen, nennt man Autoimmunität. In einem solchen Fall werden vermehrt Entzündungsstoffe produziert, und an der Gelenkinnenhaut wird die Erkrankung ausgelöst. Die Folge: Das Gelenk entzündet sich und schwillt schmerzhaft an.

Wieso habe ich Rheuma?

Hin und wieder hört man Dinge wie: „Ich bin als Jugendliche oft in sehr kaltem Wasser geschwommen. Deshalb habe ich Rheuma. Außerdem hatte meine Großmutter auch Rheuma.“ So einfach ist es jedoch nicht. Sehr viele Faktoren können auf ganz unterschiedliche Weise zur Entwicklung einer gestörten Immunsystemregulation führen, die für Entzündungen und den Angriff auf körpereigene Strukturen verantwortlich ist. Hierbei kann sowohl ein „Zuviel“ als auch ein „Zuwenig“ des Immunsystems zur Fehlsteuerung der Immunzellen führen.

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Frühe Diagnose und Therapie können eventuell einen chronischen, aggressiven Verlauf verhindern.

Infekte, Veranlagung, das Geschlecht – Frauen sind deutlich häufiger betroffen –, aber auch Zufälle und einfach Schicksal können zur Entwicklung eines Entzündungsprozesses führen, der von einem gegen den eigenen Körper gerichteten Immunsystem ausgelöst ist. Im Lauf der Zeit kann sich die Antwort des Immunsystems verändern, frühe Diagnose und Therapie können aber eventuell einen chronischen, aggressiven Verlauf verhindern.

Die Entzündung im Körper läuft uniform ab, unser Abwehrsystem reagiert nach einem festen Schema. Das heißt, es spielt keine Rolle, ob ein Gelenk oder ein Pickel entzündet ist. Schmerz, Schwellung, Rötung, Überwärmung und gestörte Funktion sind die Kardinalzeichen von Entzündungen, auch von Gelenkentzündungen, Arthritiden genannt. Der individuelle Verlauf ist schwankend und kann im Einzelfall Beginn einer entzündlichen rheumatischen Erkrankung sein.

Risikofaktoren

Alles Zufall oder Schicksal? Das würde bedeuten, dass es nichts gibt, womit man sich vor der Erkrankung schützen kann. Das stimmt jedoch nicht. Zwar gibt es keinen Königsweg, der einen Menschen sicher vor einer rheumatischen Erkrankung schützt, aber es gibt Aspekte, die das Risiko erhöhen. Nikotinkonsum etwa konnte in den letzten Jahren als eigenständiger Risikofaktor für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis gesichert werden. Aber nicht nur das Auftreten der Erkrankung ist gehäuft, sondern die Patienten sprechen außerdem schlechter auf Therapien an und haben mehr Komplikationen. Zusätzlich gilt: Sowohl Rauchen als auch die rheumatoide Arthritis, kurz RA, erhöhen das Risiko von Schäden am Herz-Kreislauf-System. Für einen Rheumatiker lohnt es sich also in mehrfacher Hinsicht, auf Nikotin zu verzichten.

Auch eine ständige Stimulierung des Immunsystems, etwa durch schlechte Zahnhygiene, verstärkt die Aktivität der RA. Bestimmte Bakterien wie Porphyromonas gingivalis, ein Keim aus den Zahnfleischtaschen, der Parodontose verursacht, reizen „Entzündungszellen“. Gleichzeitig verändern sie körpereigene Eiweiße so, dass sie eine Autoimmunreaktion, also einen Angriff der Immunabwehrzellen gegen körpereigene Strukturen auslösen können.

Genetische Einflüsse spielen ebenfalls eine Rolle. Aus Studien mit eineiigen Zwillingen, also Menschen, die genetisch identisch sind, ist bekannt, dass bei der rheumatoiden Arthritis die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls eine RA zu entwickeln, unter 30 Prozent liegt. Bei Spondylitis ankylosans, früher Morbus Bechterew genannt, und anderen entzündlichen Rückenleiden dagegen liegt für männliche eineiige Zwillinge eine über 90-prozentige Wahrscheinlichkeit zu erkranken vor, wenn der Bruder bereits erkrankt ist. Hier wird die unterschiedliche Bedeutung von Vererbungseinflüssen offensichtlich. Der noch immer verbreitete Gedanke, Rheuma sei generell erblich, stimmt nicht. Lassen Sie sich daher nicht von der Angst quälen, dass Sie die Erkrankung an Ihre Nachkommen weitergeben könnten.

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Die Ansicht, Rheuma sei generell erblich, ist falsch.

Entzündlich-rheumatische
Systemerkrankungen

Die entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen umfassen eine ganze Gruppe von Krankheitsbildern, bei denen durch fehlregulierte Prozesse des Immunsystems Entzündungen am Bewegungsapparat und auch an Organen die Folge sein können. Etwa zwei Prozent der Bevölkerung sind hiervon betroffen. Die häufigste Erkrankung ist die rheumatoide Arthritis. Des Weiteren gehören zu dieser Gruppe Gelenkentzündungen, die mit der Schuppenflechte, der Psoriasis, vergesellschaftet sind. Man spricht von Psoriasis-Arthritis. Auch entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule, z. B. die Spondylitis ankylosans, gehören in diesen Komplex. Ebenso sind eher seltene Erkrankungen aus dem Bereich der Kollagenosen sowie systemische Gefäßentzündungserkrankungen zu nennen. Erstere, die Kollagenosen, umfassen ein buntes Bild und können teilweise auch mit Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis in Zusammenhang stehen.

Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über die wichtigsten entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen.

Rheumatoide Arthritis

Am häufigsten ist unter den entzündlichen Gelenkerkrankungen die chronische Polyarthritis anzutreffen. Die offizielle internationale Bezeichnung lautet rheumatoide Arthritis (RA). Es muss davon ausgegangen werden, dass auf der ganzen Welt zwischen 0,5 und ein Prozent der Menschen davon betroffen sind. Es handelt sich nicht um eine Erkrankung alter Menschen, wie noch immer angenommen wird, sondern sie befällt alle Altersgruppen, auch schon Kinder und Jugendliche. Häufig tritt die rheumatoide Arthritis bei 40- bis 50-Jährigen auf. Im Erwachsenenalter sind unter den Patienten dreimal mehr Frauen als Männer.

Das Krankheitsbild

Zu Beginn treten oft unklare Symptome auf, die vom Betroffenen entweder nicht ernst genommen oder nicht richtig eingeschätzt werden. Solche Anzeichen sind beispielsweise Müdigkeit, Gewichtsverlust, häufig leicht erhöhte Temperatur oder Appetitlosigkeit. Auch eine Morgensteifigkeit in den Fingern, die sich im Laufe des Vormittags zurückbildet, ist typisch. Das gilt auch für Anlaufbeschwerden und Steifigkeit nach dem Aufstehen in den Füßen. Später, wenn die Krankheit sich deutlicher zu erkennen gibt, bekommt der Patient Schmerzen in einigen Gelenken. Am häufigsten sind es die Gelenke der Finger und Zehen. Auch Schulter, Hüften und Knie sind oft betroffen. Neben den Schmerzen machen sich Schwellungen und nicht selten ein Hitzegefühl in den Gelenken bemerkbar. Die Beweglichkeit ist eingeschränkt. Schreitet die RA fort, greift sie auf immer mehr Gelenke über. Die Steifigkeit am Morgen kann sich länger hinziehen. Jede Bewegung schmerzt, es fehlt die Kraft. Manchmal zeigen sich auch Rheumaknoten. Gerade am Anfang können die Beschwerden sehr wechselnd sein.

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Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der RA verhindert werden.

Mit einem spontanen Stillstand der Erkrankung ohne Behandlung ist nur bei maximal zehn Prozent der Patienten zu rechnen. Da die Folgen ausgesprochen schwerwiegend sein können, sind eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie sehr wichtig. Deshalb sollte man bei den genannten Symptomen rasch den Hausarzt und dann den Rheumatologen aufsuchen. Durch eine frühe Therapie können die Folgen und Auswirkungen der Erkrankung verhindert werden.

Wie schnell die Entwicklung voranschreitet, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Deshalb ist nicht vorauszusagen, wann und ob die Erkrankung voll ausgeprägt sein wird. Eine volle Ausprägung bedeutet, dass Verformungen und massive Einschränkungen in der Belastbarkeit der befallenen Gelenke bis hin zu Gelenkzerstörungen auftreten können. Außer den Gelenken entzünden sich möglicherweise auch Schleimbeutel und Sehnenscheiden. Als Folge können Sehnen abreißen. Schließlich kann sich die Entzündung auch auf innere Organe, beispielsweise Herzbeutel, Rippenfell, Lunge oder auf die Augen ausweiten. Dennoch können wir es nicht oft genug sagen: Eine solche Entwicklung ist heutzutage recht sicher zu verhindern!

Weitere Formen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen
Reaktive Arthritis

Wie der Name schon sagt, tritt die Gelenkentzündung als Reaktion auf eine Infektion auf. Die Infektion hat zunächst nichts mit den Gelenken zu tun. Sie befällt meist den Darm oder den Urogenitaltrakt, also beispielsweise die Harnröhre. Auch der Rachen kann betroffen sein. Bekannte Erreger für infektreaktive Arthritiden sind beispielsweise Salmonellen oder auch Chlamydien.

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Die reaktive Arthritis tritt als Reaktion auf eine Infektion auf.

Die Symptome der Infektionserkrankung müssen gar nicht stark sein. Manchmal klingen sie vollständig ab, ohne wahrgenommen worden zu sein. Einige Tage oder Wochen später treten dann Entzündungsanzeichen an Gelenken auf. Der Infekt ist meistens bereits ausgeheilt und kann nicht mehr diagnostiziert werden. Für gewöhnlich ist eine antibiotische Therapie nicht notwendig. Neben Schmerzen machen sich Schwellungen und eine Überwärmung bemerkbar. Sie sind meist in der unteren Körperhälfte angesiedelt, etwa am Fuß-, Knie- oder Sprunggelenk.

Bei der reaktiven Arthritis erkrankt manchmal nur ein Gelenk auf einmal. Allerdings können die Beschwerden springen, also von einer zur anderen Stelle wechseln. Warum bei manchen Menschen aus einer Infektion eine Gelenkentzündung entsteht, ist nicht klar. Fest steht inzwischen, dass Menschen, bei denen das sogenannte Merkmal HLA-B27 im Blut nachgewiesen wird, fünfmal stärker gefährdet sind, reaktive Arthritis zu bekommen, als Menschen ohne diesen Faktor. Es handelt sich dabei um ein angeborenes Merkmal, sozusagen das „Gesicht“ der weißen Blutkörperchen (Humanes Leukozyten-Antigen), das Bakterienbestandteilen ähnelt. Die Therapie hat die Linderung der Schmerzen und den Rückgang der Entzündung zum Ziel. Ist HLA-B27 nachweisbar, ist das Risiko eines chronischen Verlaufs größer. Hier wird öfter eine Basistherapie benötigt. Nach spätestens einem halben Jahr sollte alles überstanden sein.

Spondylarthropathien

Neben der rheumatoiden Arthritis ist die zweite große Gruppe der entzündlichen Rheumaerkrankungen die der Spondylarthropathien. Hierunter versteht man eine Erkrankungsgruppe, bei der Wirbelkörpergelenke betroffen sind. Zu den Unterformen gehören neben Spondylitis ankylosans und enteropathischer Arthritis auch die Psoriasis-Arthritis, also die Gelenkentzündung, die mit Schuppenflechte vergesellschaftet ist, sowie Rheuma in Verbindung mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und auch die reaktiven Arthritiden, die Gelenkentzündungen nach Infekten.

Psoriasis-Arthritis: Hier hat man es mit einer entzündlichen Gelenkerkrankung zu tun, die im Zusammenhang mit einer Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) auftritt. Sie wird Ihnen möglicherweise auch unter dem Begriff Arthritis psoriatica begegnen. Die Gelenkbeschwerden können gleichzeitig mit den typischen scharf begrenzten schuppenden Entzündungsherden der Haut oder auch später auftreten. Sehr selten beginnt es mit der Gelenkentzündung. Man muss davon ausgehen, dass zehn Prozent der Psoriasis-Patienten an Gelenkentzündungen leiden werden. Typisch ist ein angeschwollener einzelner Zeh oder Finger. Frauen und Männer sind dabei gleichermaßen betroffen. Wen es trifft, kann nicht vorausgesagt werden, da die Ursachen nicht bekannt sind. Jedenfalls hängt es nicht von der Intensität der Schuppenflechte ab. Vielmehr spielt eine gewisse erbliche Veranlagung eine Rolle. Auffällig: Menschen mit Schuppenflechtenbefall der Nägel sind besonders häufig in der Gruppe derer vertreten, die eine Arthritis bekommen.

Im günstigsten Fall löst die Hautkrankheit nur Gelenkschmerzen (Psoriasis-Arthralgie) aus, die in Schüben auftauchen, aber auch für lange Phasen wieder verschwinden. Kommt es tatsächlich zu Entzündungen, sind diese meist am Knie- oder Sprunggelenk sowie an den Finger- und Zehengelenken zu beobachten. Ganze Finger oder Zehen können in dieser Weise anschwellen. Man spricht dann von „Wurstzehen“. Manchmal sind aber nur einzelne Endgelenke entzündet. So leicht die Beschwerden bei einigen Patienten ausfallen, so schwer sind sie bei anderen.

Um Linderung zu erreichen, behandelt man am besten beide Krankheitsbilder. Das ist mit modernen systemischen Therapien heute sehr gut möglich. Die Arthritis wird mit entzündungshemmenden und schmerzstillenden Medikamenten therapiert. Besonders wichtig ist es, medikamentös die Gelenkzerstörung aufzuhalten. Dazu sind Präparate auf dem Markt, die gut funktionieren und auch den Hautbefund verbessern. Schwere Verläufe sind gut zu verhindern. Im nächsten Kapitel zur Rheumatherapie erfahren Sie mehr darüber.

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Schwere Verläufe der Psoriasis-Arthritis sind gut zu verhindern.
Kollagenosen

Kollagenosen sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die sich durch ein vielfältiges klinisches Bild auszeichnen. Gerade in frühen Phasen der Erkrankung ist die eindeutige Diagnosestellung oft sehr schwierig. Hierbei handelt es sich um Erkrankungen, bei denen neben Gelenkschmerzen, teils Gelenkentzündungen, oft auch eine Beteiligung des Bindegewebes, der Muskeln und inneren Organe zu beobachten ist. Am häufigsten ist das Sjögren-Syndrom. Der Verlauf dieser Erkrankung ist sehr unterschiedlich, manche Patienten brauchen wegen des milden Verlaufs keine immunmodulierende Therapie und kommen mit einer Behandlung der Symptome nach Bedarf aus. Für andere Patienten ist eine kontinuierliche Therapie sinnvoll. Neben Schmerzen und leichten Entzündungen an Gelenken können Lymphknotenvergrößerungen, Hautausschläge und meist einseitige Entzündungen der Speicheldrüsen auftreten. Insbesondere trockene Schleimhäute im Bereich der Augen, am Mund und an den Genitalien sind für manchen sehr belastend. Hier kann man meist mit lokal eingesetzten Maßnahmen gut helfen.

Auch im Fall von genitaler Trockenheit kann der Frauenarzt mit einer Lokaltherapie für Linderung sorgen. Dafür muss ihm das Problem allerdings bekannt sein. Leider schweigen viele Betroffene aus falscher Scham. Ein Tipp: Überwinden Sie sich und lassen Sie sich helfen. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen!

Häufig berichten Patienten über Phasen mit ausgeprägter Erschöpfung, Abgeschlagenheit, Müdigkeit. All dies zusammen wird als Fatigue-Syndrom (engl. fatigue = Müdigkeit) bezeichnet. Oft ist die Differenzierung schwierig, ob es sich wirklich um einen Ausdruck von Erkrankungsaktivität des Sjögren-Syndroms handelt oder schlicht um die übliche Abgeschlagenheit und Erschöpfung, von der wir alle im Alltag mehr oder weniger betroffen sind. Auch bei anderen Kollagenosen ist Fatigue häufig ausgeprägt. Hier sind insbesondere auch nichtmedikamentöse Therapiebausteine ein wichtiger Bestandteil. Ganz einfach und wissenschaftlich nachgewiesen ist übrigens, dass ausreichend Schlaf für eine gute Krankheitskontrolle bei Systemischem Lupus Erythematodes wichtig ist. Tipps zum besseren Schlafen finden Sie ab Seite 95.

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Nachgewiesen ist, dass ausreichend Schlaf für eine gute Krankheitskontrolle bei SLE wichtig ist.

Auch der eben erwähnte Systemische Lupus Erythematodes, kurz Lupus oder SLE, gehört zu den Kollagenosen, die das Bindegewebe angreifen. Hier löst er die unterschiedlichsten Entzündungen aus, vor allem an Muskeln und Gelenken. Laut der Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V. ist etwa einer von tausend Menschen weißer Hautfarbe betroffen, Asiaten und dunkelhäutige Menschen erkranken etwas häufiger. Frauen erkranken erheblich öfter an SLE als Männer, vor allem im Alter zwischen 16 und 40 Jahren, wenn die Produktion weiblicher Geschlechtshormone auf Hochtouren läuft. Es ist offensichtlich, dass die weiblichen Hormone das Entstehen der Krankheit begünstigen, verursachen tun sie es nicht.

Bemerkbar macht die Krankheit sich mit Symptomen wie Abgeschlagenheit und Fieber. Hinzu kommen die unterschiedlichsten Anzeichen: Gelenkschmerzen und -schwellungen, schmetterlingsförmige Rötungen im Gesicht um die Nase herum, Herzbeutel-, Lungen- oder Nierenentzündungen oder Störungen des Nervensystems. Das Bild kann sehr bunt sein, mal relativ leicht, mal sehr schwer. Da viele junge Frauen betroffen sind, ist das Thema der Familienplanung bei SLE-Patienten wichtig, aber durch eine konsequente gute Einstellung ist heute eine Schwangerschaft meistens möglich.

Eine Besonderheit stellt die Entwicklung von Thrombosen und Embolien dar, also Komplikationen durch Blutgerinnsel. Daher ist eine spezialisierte interdisziplinäre Betreuung ganz wichtig. Heilbar ist der Lupus nicht, weshalb die regelmäßige Betreuung durch Ärzte umso bedeutender ist. Darüber hinaus sollte der Patient mit seinen Kräften haushalten und für ausreichend Schlaf sorgen, was für alle rheumatischen Autoimmunerkrankungen gilt. Mehr zu einer gesunden Lebensweise finden Sie ab Seite 85.

Des Weiteren gibt es in dieser Gruppe Entzündungen von Blutgefäßen, sogenannte Vaskulitiden. Dies sind oft schwerwiegende Erkrankungen, die zudem noch sehr schwer zu diagnostizieren sind. Da sie sehr selten sind, werden sie hier nicht näher behandelt.

Arthrosen

Arthrosen werden auch als Verschleißrheuma bezeichnet, da es sich um nichtentzündliche Formen des Rheumas handelt. Vor allem Hüft- und Kniegelenke sind von der Arthrose betroffen. Nicht so häufig treten die Beschwerden an den Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fußgelenken auf. Frauen leiden häufig unter Arthrose der Fingergelenke.

Das Krankheitsbild

Ein leichtes Knirschen oder Reiben, das in den Gelenken wahrgenommen wird, kann ein Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht stimmt. Es können leichte Schwellungen und Schmerzen in Gelenken auftreten, möglicherweise der Ausdruck einer aktivierten Arthrose. Sollten Sie kurzzeitige Gelenkschwellungen nach körperlicher Anstrengung sowie vorübergehende Schmerzen nach dem Aufstehen (aus dem Bett und nach längerem Sitzen), beim Hinabsteigen von Treppen oder Bergen oder beim Herumdrehen im Bett bemerken, kann dies Arthrose sein.

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Ein leichtes Knirschen oder Reiben in den Gelenken kann ein Anzeichen für Arthrose sein.

Wenn sich erste Einschränkungen in der Bewegungsfähigkeit bemerkbar machen, ist sowohl die medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Therapie, z. B. Krankengymnastik, hilfreich. Ohne Therapie nehmen die Symptome weiter zu, bis der Schmerz ständig zu spüren ist und die Bewegungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind. Jetzt kommen oft auch Entzündungen hinzu, die aus einer permanenten mechanischen Reizung der Gelenkinnenhaut entstehen. Im Endstadium ist die Knochenstruktur so stark beschädigt, dass die betroffenen Knorpel komplett zerstört sind. Eine Operation, etwa eine Gelenkspiegelung, kann notwendig werden; als letzte Möglichkeit besteht das Einsetzen eines künstlichen Gelenks.

Spondylose

Bei diesem Krankheitsbild handelt es sich um eine Arthrose, die die Wirbelgelenke, meist im Hals- und Lendenwirbelbereich, betrifft. Ursache und Verlauf der Erkrankung entsprechen weitgehend der eben beschriebenen Arthrose. Zusätzlich ist hierbei allerdings zu sagen, dass Fehlhaltungen Auslöser sein können. So sorgen beispielsweise Hohlkreuz oder zu starke Krümmungen der Wirbelsäule unter Umständen für eine vorzeitige Abnutzung der Bandscheiben. Das sind die knorpeligen Verbindungen zwischen den Wirbeln. Sie haben die gleiche Stoßdämpfer- bzw. Pufferfunktion wie die Knorpel in anderen Gelenken. Nutzen die Bandscheiben nun ab, wird die Rückenstreckmuskulatur versuchen, die Wirbelsäule gegen den Verlust der benötigten Puffersubstanzen aufzurichten. Das belastet die Wirbelgelenke, die ihrerseits abgenutzt und nach und nach fehlbelastet werden.

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Hohlkreuz oder eine zu starke Krümmung der Wirbelsäule können eine vorzeitige Abnutzung der Bandscheiben verursachen.

Kreuz- oder Rückenschmerzen am Morgen und eine gewisse Steifigkeit sind klassische Symptome, vor allem, wenn sie bei Bewegung rasch nachlassen. Später bleiben die Schmerzen den ganzen Tag aktiv. Sie werden stärker, die Bewegungsfähigkeit dagegen schlechter. Im Endstadium können betroffene Wirbelpartien vollständig versteifen. Langjährige Wirbelsäulenschmerzen können mit einer zunehmenden Ausbreitung im ganzen Körper einhergehen. Diese Rückenschmerzen müssen von entzündlichen Rückenleiden, etwa Spondylitis, Osteoporose und anderen Ursachen abgegrenzt werden.

Sonstige rheumatische Erkrankungen

Zum Schluss seien Erkrankungen erwähnt, die gerade in der Differentialdiagnostik wichtig sind, also gegen Erkrankungen mit ähnlicher oder übereinstimmender Symptomatik abgegrenzt werden müssen.

Gicht

Die Gicht, in der Fachsprache Arthritis urica, betrifft vor allem Männer. Tritt sie auf, besteht häufig eine familiäre Veranlagung. Oft sind Gichtanfälle schon in jungen Jahren zu beobachten, ganz typisch ist der Gichtanfall der Großzehe, aber auch jedes andere Gelenk kann betroffen sein.

Es ist zu beobachten, dass Entzündungsschübe teilweise nach intensivem Feiern mit Alkohol auftreten. Typischerweise dauern Gichtschübe, die extrem schmerzhaft und hochakut sind, nicht allzu lange an, sondern klingen nach einigen Tagen ab. Medikamente können das deutlich beschleunigen. Bei einer chronischen Gicht können immer wieder leichtere Entzündungsschübe auftreten.

Im fortgeschrittenen Lebensalter tritt häufig die Chondrokalzinose auf, auch Pseudogicht genannt. Bei Menschen ab dem 60. Lebensjahr ist sie die häufigste Ursache einer Monarthritis, also der Entzündung eines einzelnen Gelenks. Meistens ist das Knie oder ein Handgelenk betroffen. Hier kann eine Röntgenaufnahme sehr hilfreich sein, insbesondere da diese Form der Gelenkentzündung im Kernspin nicht zu sehen ist.

Immer wieder wird diese recht häufige und gut behandelbare Erkrankung übersehen, da konventionelles Röntgen kaum noch durchgeführt wird. Sind Sie über 60 und leiden unter Gichtsyndromen, sollten Sie Ihren Arzt bitten, eine Röntgenaufnahme zu veranlassen. Im nächsten Abschnitt erfahren Sie mehr über Diagnosemöglichkeiten. Es muss aber gesagt werden, dass es manchmal nicht einfach ist, zwischen dem Schub einer eigentlich gut behandelten entzündlich-rheumatischen Erkrankung und einem Schub der Gicht oder Pseudogicht zu unterscheiden.

Borreliose

Auch auf die Borreliose soll kurz eingegangen werden. Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung, die durch bestimmte Bakterien ausgelöst wird, die in der Regel durch Zecken übertragen werden. Wichtig ist auch hier wieder die Anamnese: Kann ein Zeckenbiss stattgefunden haben? Wie lange befindet sich der Schädling bereits auf Ihrem Körper? Dauert der Kontakt mit der Zecke weniger als 24 Stunden, werden die Borrelienbakterien in der Regel nicht übertragen. Liegt der Kontaktzeitraum im Bereich von mehreren Tagen, muss von einer Übertragung ausgegangen werden.

Zu beachten ist, dass das FSME-Virus, also der Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis, auch bei kurzer Kontaktzeit übertragen werden kann. Daher wird in Endemie-Gebieten unbedingt eine FSME-Impfung, häufig „Zeckenimpfung“ genannt, dringend empfohlen. Diese Impfung hilft allerdings nicht gegen die Borreliose. Gut, wenn Sie informiert sind, Grund zur Panik besteht jedoch nicht. Nach einem Zeckenbiss bekommen weniger als zehn Prozent der Betroffenen eine chronische Erkrankung, selbst wenn keine Therapie stattgefunden hat. Das liegt daran, dass zum einen nicht jede Zecke mit den Borrelienbakterien befallen ist. Die Zahlen schwanken von Region zu Region zwischen zehn und 50 Prozent. Zum anderen tritt bei raschem Entfernen gar keine Infektion auf. Drittens ist zu sagen, dass ein Großteil der infizierten Menschen die Infektion ohne Therapie überwindet. Dies erklärt auch die hohe Rate an positiven Bluttests, die oft für Verunsicherung und Verwirrung sorgen. Nach einer durchgemachten Infektion bleibt nämlich lange die Immunantwort im Blut nachweisbar. Unklar ist dann, ob der Patient aktuell eine Infektion hat, ob sie bereits eine geraume Zeit zurückliegt oder ob er nach durchgemachter Infektion vor längerem Zeitraum womöglich erneut infiziert ist. Das zeigt, wie schwierig die diagnostische Einordnung ist.

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Nach einem Zeckenbiss bekommen weniger als zehn Prozent der Betroffenen eine behandlungsbedürftige Erkrankung.

Das häufigste erste Anzeichen ist die sogenannte Wanderröte, das Erythema chronicum migrans. Dieses typische klinische Bild wird antibiotisch behandelt und damit geheilt. Eine Blutuntersuchung ist hier meist entbehrlich, da die Wanderröte eine sehr deutliche Sprache spricht.

Für die Rheumatologie sind die Spätformen der Borrelieninfektion von Bedeutung. Typisch sind die relativ schmerzarme Schwellung eines Knies oder auch anderer Gelenke sowie Sehnenscheidenentzündungen. Aufgrund solcher Beschwerden eine Borrelieninfektion zu diagnostizieren, ist nicht ganz einfach. Auch die verschiedenen Bluttests, ELISA-Test und BLOT-Verfahren, führen aus bereits genanntem Grund nicht leicht zu einer zweifelsfreien Diagnose. Der Direktnachweis von Borrelien aus der Zecke, wie manche Apotheken ihn anbieten, oder aus Gelenkflüssigkeit, ist keine Standardmethode und im Alltag nicht sinnvoll.

Weitere Formen der Borreliose, die Haut, Herz und Nervensystem betreffen können, machen deutlich, wie vielfältig das klinische Bild sein kann und wie wichtig es ist, die ganze Geschichte des Patienten zu kennen. Chronische Veränderungen der Haut, die sogenannte Akrodermatitis atrophicans, bei der sich das Bindegewebe verändert und verhärtet, und auch Herzrhythmusstörungen können Monate oder Jahre später auftreten. Auch vermeintliche Bandscheibenvorfälle mit Missempfindungen im Bein oder anderen Versorgungsbereichen von Nerven können durch eine Infektion hervorgerufen werden. Eine rechtzeitige antibiotische Therapie kann diese Formen verhindern. Verunsicherung wird oft durch sogenannte, meist selbsternannte „Borreliose-Päpste“ erzeugt, die sich mit verschiedensten nicht überprüfbaren Diagnose- und Therapiemethoden um vermeintliche chronische Borreliosen kümmern. Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen, denn die Borreliose-Erkrankung ist gar nicht so häufig, wie man befürchtet, sie ist aber in jedem Fall sehr gut behandelbar.

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In jedem Stadium der Borreliose ist in der Regel eine Heilung erreichbar.
Fibromyalgie

Erst seit 1990 ist das Fibromyalgie-Syndrom, eine Anhäufung weichteilrheumatischer Beschwerden, als Krankheit definiert. Fibromyalgie lässt sich als Muskelfaserschmerz übersetzen: fibra (lat. = Faser) + myos (griech. = Muskel) + algos (griech. = Schmerz).

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Von Fibromyalgie sind Frauen ungefähr achtmal so häufig betroffen wie Männer.

Der klassische Verlauf geht oft über viele Jahre, begleitet in den meisten Fällen von einer langen und nervenaufreibenden Kette von Untersuchungen bei den verschiedensten Fachärzten. Das liegt daran, dass die auftretenden Symptome so vielfältig sind, dass sie nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Die Erkrankung wird über Jahre hinweg chronisch. Schmerzen in Gelenknähe und Muskelverspannungen kommen am ganzen Körper vor. Sie verstärken sich, wenn der Betroffene lange Zeit in einer Haltung bleibt. Bewegt er sich wieder, ist oft eine Besserung zu beobachten. Besonders schmerzempfindlich reagieren die Übergänge zwischen Muskeln und Sehnen. Diese Punkte sind es nicht selten, die bei der Diagnose den entscheidenden Hinweis geben.

Hinzu kommen vegetative Störungen wie kalte Hände, ein trockener Mund, Schluckbeschwerden mit dem Gefühl, einen Kloß im Hals zu haben, Kreislaufbeschwerden mit Schwindelgefühlen, schwitzende oder zitternde Hände, Wassereinlagerungen. Diese sogenannten funktionellen Störungen gehören zum Krankheitsbild, ebenso Atembeschwerden, Kribbeln auf der Haut, Herzbeschwerden, Schmerzen beim Wasserlassen oder während der Regelblutung, Schlafstörungen sowie Unregelmäßigkeiten im Bereich des Verdauungstraktes wie den Wechsel von Verstopfung und Durchfall. Ein klassisches Symptom ist lähmende Müdigkeit, verstärkt durch Ein- und Durchschlafstörungen.

Die Diagnose ist das ganz große Problem dieser Erkrankung. Mithilfe von Labor- oder Röntgenbefunden kann man das Leiden nicht nachweisen. Weder Blutbild noch die gezielte Suche nach Rheumafaktoren bringt ein positives Ergebnis. Wie aber kommt es nun zur Diagnose der Fibromyalgie?

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Die Fibromyalgie ist sehr schwer zu diagnostizieren.

Wichtig für Betroffene ist, dass verschiedene Rheumaformen nebeneinander bestehen können. So kann ein Patient mit entzündlich-rheumatischen Beschwerden gleichzeitig eine Fibromyalgie, sprich chronische Schmerzen am Bewegungsapparat, entwickeln. Meist ist es nicht einfach, die Ursache für die Symptome und Beschwerden auseinanderzuhalten.

Habe ich wirklich Rheuma?

Ein unter Ärzten bekannter Spruch lautet: „Wenn man es nicht erklären kann, sieht man es als rheumatisch an!“ Steht nach einer mehr oder weniger langen Leidenszeit die Diagnose Rheuma im Raum, stellt sich der Patient daher zu Recht häufig die Frage, ob sie denn überhaupt stimmt. Kein Wunder, denn an obigem Zitat ist viel Wahres dran. Heißt es nicht oft genug, wenn Beschwerden nicht zu erklären sind, handle es sich um Rheuma? Es ist leider so: Die Diagnosestellung bei rheumatischen Erkrankungen ist kompliziert. Brechen Sie sich das Sprunggelenk, weil Sie auf den nassen Fliesen ausgerutscht sind, ist die Sache klar. Sie wissen genau, wann was wo und wie passiert ist. Zudem ist die Verletzung beim Röntgen eindeutig zu sehen. Bei rheumatischen Erkrankungen ist das oft ganz anders. Sie haben, wie die meisten Krankheitsbilder, die vom Immunsystem verursacht werden, meist einen wellenförmigen Verlauf. Mal sind die Symptome also ausgeprägt und machen dem Betroffenen schwer zu schaffen, dann wieder sind sie kaum zu spüren. Das trägt dazu bei, dass die Diagnosestellung viel Zeit beansprucht.

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Die Diagnosestellung bei rheumatischen Erkrankungen ist leider kompliziert.

Ist ein Patient enttäuscht, dass wir ihm für seine Beschwerden keinen eindeutigen Befund nennen können, sagen wir manchmal: „Seien Sie froh! Je kränker der Patient ist, desto einfacher ist die Diagnose zu stellen.“ Im Umkehrschluss heißt das: Tut sich Ihr Rheumatologe mit der Diagnose schwer, sind Sie eigentlich noch ganz gut dran. Typisch für Rheumaerkrankungen ist, dass am Anfang das Vollbild der Erkrankung oft nicht nachzuweisen ist. Durch früh einsetzende und sehr gute Therapien wird das Vollbild auch nie auftreten. Insofern ist die genaue rheumatologische Untersuchung, zu der eine ausführliche Anamnese und Ganzkörperuntersuchung gehören, ein ganz wichtiger Baustein. Ergänzt wird dies durch Labordiagnostik und Bildgebung. Sie sollten wissen: Man kann Rheuma haben, ohne dass sich Auffälligkeiten im Blut zeigen. Umgekehrt können Auffälligkeiten im Blut sein, wie etwa ein positiver Rheumafaktor, dennoch kann Rheuma nicht zweifelsfrei diagnostiziert werden.

Ebenso schwierig wie die Diagnose selbst ist die Einordnung der unterschiedlichen Beschwerdeursachen. Das gilt sowohl für den Betroffenen als auch für den Arzt. Häufig bestehen Mischbilder. Arthrose, also Verschleißrheuma, wie auch Arthritis, also entzündliches Rheuma, können parallel bestehen. Eine genaue Abgrenzung der Beschwerden ist aber notwendig, da dies für die Therapie enorm wichtig ist. Klinische Diagnostik, Bildgebung und Labor können hier hilfreich sein. Trotzdem kann es vorkommen, dass die genaue Diagnose (noch) nicht sicher zu stellen ist. Betrachten Sie sich und Ihren Arzt als Team und entscheiden Sie gemeinsam, ob eine Basistherapie sinnvoll ist oder ob eine rein symptomatische Therapie ausreicht.

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Eine genaue Abgrenzung der Beschwerden ist notwendig, da dies für die Therapie enorm wichtig ist.
Elemente der Rheuma-Diagnostik
Die Untersuchung

Bringen Sie zur Untersuchung Notizen über alle aufgetretenen Symptome mit, besonders über die Art Ihrer Schmerzen, wo und wann genau sie auftreten. Je mehr Sie Ihrem Rheumatologen erzählen können, desto mehr tragen Sie zu einem besseren Ergebnis bei. Sind die Schmerzen beispielsweise zu einer bestimmten Tageszeit schlimmer oder treten sie nach dem Genuss spezieller Lebensmittel auf? Wirken Kälte oder Wärme lindernd oder wird der Schmerz noch stärker? Auch die Art des Schmerzes – klopfend, ziehend oder eher stechend – kann dem Arzt wichtige Hinweise liefern. So ist der Entzündungsschmerz beispielsweise pochend dumpf und nimmt bei Ruhe zu. Bei Arthrose dagegen werden die Beschwerden bei Belastung schlimmer. Der Rheumatologe wird Ihnen weitere Fragen stellen, die häufig weit in die Vergangenheit zurückreichen können. Aus der Krankengeschichte lassen sich nicht selten Rückschlüsse auf mögliche Auslöser ziehen. Erkrankungen, die bereits im Vorfeld der entzündlichen Beschwerden vorgelegen haben, geben oft wertvolle Hinweise.

Neben dem ausführlichen Gespräch ist natürlich die körperliche Untersuchung wichtig. Der Arzt wird einen umfassenden Körperstatus erheben und schmerzhafte geschwollene Gelenke dokumentieren. Er wird dabei feststellen, wie viele Gelenke geschwollen und wie viele bei leichtem Druck schmerzhaft sind. Es wird nach Schwellungen, Rötungen und sonstigen Veränderungen gesucht. Aber auch die Funktionsprüfung der Gelenke gehört dazu. Dabei werden auch solche Gelenke überprüft, an denen Ihnen bisher keine Beschwerden aufgefallen sind. Der Rheumatologe muss herausfinden, ob es sich um entzündliche oder verschleißbedingte Probleme handelt und ob nur eines oder gleich mehrere Gelenke betroffen sind.

Labor

Eine Blutentnahme wird der nächste Schritt sein. Sie soll weitere Informationen ans Licht bringen oder auch andere Erkrankungen ausschließen. So kann sie etwa das Ausmaß der Entzündung oder bestimmte sogenannte Rheumafaktoren zeigen. Ein Hinweis auf Entzündungen kann die Zahl der weißen Blutkörperchen sein.

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Eine Blutentnahme bringt weitere Informationen ans Licht und kann andere Erkrankungen ausschließen.

Auch die Blutsenkungsgeschwindigkeit gibt Auskunft. Je rascher bestimmte Blutbestandteile in einem Messglas zu Boden sinken, desto aktiver ist die Entzündung. Noch ein sogenannter Entzündungsmarker ist das CRP, das C-reaktive Protein, das sich gerade bei beginnenden Entzündungsphasen gut nachweisen lässt.

Leider kann aufgrund erhöhter Werte oder einer erhöhten Blutsenkungsgeschwindigkeit noch keine Diagnose gestellt werden: Es gibt zu viele entzündliche Erkrankungen, die noch in Frage kommen. Auch sogenannte Rheumafaktoren führen nicht zur absoluten Sicherheit. Sie sind zwar bei vielen Patienten mit entzündlichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises nachweisbar, aber eben nicht bei allen. Gerade bei frühen Fällen von rheumatoider Arthritis können oft noch keine Rheumafaktoren nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite können diese Antikörper auch bei bis zu zehn Prozent der gesunden Menschen, abhängig vom Lebensalter, festgestellt werden, Tendenz mit zunehmendem Alter steigend.

Mehr Sicherheit bringt der sogenannte CCP-Antikörper. Er reagiert auf die Aminosäure Citrullin, die in Fibrin enthalten ist. Fibrin spielt im Gerinnungsprozess eine Rolle, wird aber auch bei Entzündungen in Gelenken freigesetzt. Wo der CCP-Antikörper gefunden wird, liegt mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Entzündungsprozess vor, der auf eine RA hinweist. Diese vor noch nicht sehr langer Zeit entdeckte Substanz hat den unschlagbaren Vorteil, bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung nachweisbar zu sein. Eine zwingende Voraussetzung, um möglichst rasch mit der Therapie beginnen zu können. Erhöhte Werte können allerdings dem Ausbruch der Erkrankung Jahre vorausgehen.

Eine weitere Laboruntersuchung betrifft weitere Auto-Antikörper, die bei einigen rheumatischen Erkrankungen eine Rolle spielen. Auto-Antikörper sind Eiweißstoffe, mit denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen bekämpft. Bei einigen Vaskulitisarten, also bestimmten rheumatischen Gefäßerkrankungen, ist das der Fall. Stößt der Arzt auf ANCA (Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper), die sich gegen weiße Blutkörper richten, dürfte die Diagnose einer rheumatischen Gefäßentzündung so gut wie feststehen. Andere Antikörper im Blut, die ANA (antinukleären Antikörper) oder auch ANF (antinukleäre Faktoren) genannt, sind typische Marker bei Kollagenosen wie dem SLE oder dem Sjögren-Syndrom. Bei letzterer Krankheit werden Speichel- und Tränendrüsen befallen. Neben einer Untersuchung der Speichel- und Tränenproduktion wird darum gelegentlich auch etwas Drüsengewebe entnommen und mikroskopisch untersucht. Das Ergebnis führt zur sicheren Diagnose oder natürlich zu einem Ausschluss.

Ebenfalls zur Labordiagnostik gehört die Synoviaanalyse, eine labormedizinische Untersuchung von Gelenkflüssigkeit, die durch eine Gelenkpunktion gewonnen wird. Sie ermöglicht es, zwischen einem Erguss durch Verschleiß und durch verschiedene Entzündungsursachen, wie z. B. bei Gicht, sicher zu unterscheiden. Mehr über die Gelenkpunktion erfahren Sie auf Seite 71.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842686694
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Alternativ-Medizin Chronische Schmerzen Entzündungen Ernährungs-Ratgeber Gesunde Ernährung Gesundheits-Ratgeber Moderne Therapie Patienten-Ratgeber

Autoren

  • Iris Ottinger (Autor:in)

  • Dr. med. Monika Ronneberger (Autor:in)

  • Dr. med. Florian Schuch (Autor:in)

Dr. med. Florian Schuch ist Facharzt für Rheumatologie und Innere Medizin in einer großen rheumatologischen Schwerpunktpraxis in Erlangen. Er war u. a. Koordinator des Jahresmottos 2008/2009 der Rheumazentren „Der informierte Patient als Partner“. Florian Schuch ist außerdem Mitglied des Vorstandes des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen e. V. sowie Mitglied im Beirat der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Dr. med. Monika Ronneberger ist Diplom-Biologin und Fachärztin für Rheumatologie und Innere Medizin. Davor hat sie an der Universität Erlangen Nürnberg gearbeitet und die Studienabteilung mitgeleitet. Als Autorin und Beraterin für Projekte, die sich mit der Einhaltung der von Patient und Arzt gesetzten Therapieziele beschäftigen, hat sie seit vielen Jahren Erfahrung in der Patientenkommunikation. Monika Ronneberger arbeitet ebenfalls in der rheumatologischen Schwerpunktpraxis in Erlangen. Die freie Journalistin und Buchautorin Iris Ottinger ist Leiterin eines Redaktionsbüros und Autorin zahlreicher Ratgeber zu heilkundlichen und sportlichen Themen.
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Titel: Aktiv leben - trotz Rheuma