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Management in der ambulanten Pflege

Besser organisieren – sicherer führen – kundenorientierter pflegen

von Karla Kämmer (Autor:in) Jürgen Link (Autor:in)
208 Seiten

Zusammenfassung

Auf die rund 12.000 ambulanten Dienste in Deutschland kommen neue Anforderungen zu. Wirtschaftlichkeit, Fachlichkeit, Kundenorientierung – das sind die entscheidenden Faktoren für Erfolg oder Misserfolg von ambulanten Diensten.
Dieses Buch ist das erste Grundlagenwerk für Pflegedienstleitungen in ambulanten Diensten. Es behandelt alle Aspekte der täglichen Arbeit, zeigt Wirkungen und Wechselwirkungen – kurzum: Es bietet das verlässliche Basiswissen für Neueinsteiger und Profis. Denn wirtschaftlicher Erfolg ist keine Hexerei, sondern eine Frage der soliden Kenntnisse. Mit diesem Standardwerk
ist der gute Rat immer nur eine Seite entfernt. Im Fokus
stehen die Anforderungen durch das erste und zweite Pflegestärkungsgesetz, die sogenannte Pflegereform.

auf den Punkt gebracht:
Von der Personalakquise bis zum Marketing - alles was eine PDL wissen muss
Die praktische Arbeitshilfe für die ambulante PDL.
Das wichtigste Wissen in kompakter Form.
Mit vielen Tipps für Neueinsteiger und Profis.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Der gesellschaftliche Wandel fordert und ermöglicht es: Der ambulante Pflegemanagementmarkt mausert sich zur der Wettbewerbsbranche der Pflege! Und Sie als ambulante Pflegemanagerin sind mit Ihrem Team mittendrin. Die strikte Trennung der Versorgungsformen wird aufgehoben. Eine breite gesellschaftliche Debatte zu der Frage der Sektorenüberwindung ambulant und stationär hat begonnen. Und auch wenn es nicht darum geht, ambulante Ansätze zu verklären und stationäre zu diskriminieren – Eines ist klar: Der Bürger der Gegenwart möchte bei Hilfe und Pflegebedürftigkeit in seiner Häuslichkeit bleiben! Und die kommende Generation der Hilfebedürftigen? Die »Alt- 68er« der alten Bundesrepublik werden sich sowieso im ambulanten Segment tummeln und an ihre Erfahrungen aus selbstorganisierten Projekten und Wohngemeinschaftstagen anknüpfen.

Die Gleichaltrigen der ehemaligen DDR werden sich angesichts wachsender Landflucht und strukturellen Versorgungsmängeln pragmatisch auf ihr gutes Training der Solidarität besinnen und gemeinsam brauchbare Lösungen finden. Gilt doch: »So vielfältig und unterschiedlich wie die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen sind, müssen auch die Versorgungsangebote sein.« Das Barbara Steffens (Bündnis 90/Die Grünen), NRW-Gesundheitsministerin im November 2015. Das Schöne ist: Alle Pflegebedürftigen brauchen irgendwann … Sie und Ihre Dienstleistungen!

Und Sie? Was brauchen Sie?

Sie brauchen Top-Kompetenzen in Management und Organisation, um den Wandel in Ihrem Pflegedienst zu schaffen. Hier setzt dieses Buch an. Es soll Ihr praxistaugliches, rundum nützliches Management-Standardwerk für Ihr ambulantes Managementhandeln sein.

Praxistipp

Jedes Kapitel ist thematisch abgeschlossen. Sie müssen das Buch also nicht von vorn nach hinten lesen. Picken Sie sich einfach immer das Kapitel heraus, das Sie gerade interessiert. Wir erleichtern Ihnen die Orientierung mit vielen Querverweisen.

Wir wünschen Ihnen beim Lesen genauso viel Freude, wie wir sie beim Schreiben hatten! Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldungen:

http://kaemmer-beratung.de/

http://juliberatung.de/

EINFÜHRUNG: MANAGER IN DER AMBULANTEN
PFLEGE – ZUM ERFOLG VERDAMMT/BERUFEN

Bundesweit sind aktuell 13 000 ambulante Dienste tätig, 7,5 Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.1 Die Konkurrenz wächst – und der Markt ändert sich: Der Verdrängungswettbewerb ist in vollen Gange, leider zum Nachteil von kleinen Diensten mit weniger als 20 Mitarbeitern. Und manchmal kommt es zu solch bemerkenswerten Vorstößen wie kürzlich in Hessen. So berichtete die Frankfurter Rundschau am 26. August 2015, dass man der Landkreis Darmstadt-Dieburg einen »sektorenübergreifenden Gesundheitskonzern« gründen wolle, in dem ambulante Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen miteinander vernetzt« werden. Zugleich wurde in dem Artikel der bpa Hessen zitiert, der unumwunden von einem »absoluten Irrsinn« sprach – vor allem, wenn der Landkreis noch eigene ambulante Pflegedienste gründen wolle.2

Ambulante Pflege – ein Wachstumsmarkt

Wer heute in der ambulanten Pflege tätig ist oder tätig werden möchte, muss sich gut aufstellen. Nur differenzierte Angebote, die auf die örtliche Klientel ausgerichtet sind, werden erfolgreich sein. Der »alte« ambulante Dienst, der lediglich die normale Pflege anbietet, hat bald ausgedient. Dies ist eine Chance für alle Manager von ambulanten Diensten, aber auch eine große Herausforderung.

Bestehen kann nur, wer mit Flexibilität und Qualität wirtschaftliche Vorteile für seinen Dienst schaffen kann. Diese Vorteile haben Grundlagen, etwa eine intensive Gemeinwesenarbeit und die Vernetzung im Quartier. Nutzen Sie die »Schlüsselpersonen« im Quartier (Bürgermeister, Gemeinderäte, Pfarrer, Ehrenamtliche, etc.) als Lobby für Ihren Dienst. Sie sind die zentralen Werbeträger und nutzen mehr als jede Hochglanzbroschüre. Pflegen Sie Kontakte, bahnen Sie neue an und stellen Sie Ihre Leistungen und die Qualität überzeugend dar. Dafür brauchen Sie allerdings vor allem eines: Zeit. Die bekommen Sie nur, wenn Sie sich nicht als »Mutter vom Ganzen« sehen, sondern eindeutig als Leitung: Ihre Tür steht nicht immer offen, Sie delegieren Verantwortung und widmen sich klar auch der Arbeit in Ihrer Kommune.

Das muss Ihr Ziel sein

Für die Bürgerinnen und Bürger im Gemeinwesen sollte Ihr ambulanter Dienst der wichtigste Anbieter von ambulanten Dienstleistungen werden. Kundenorientiert, flexibel, wirtschaftlich klar strukturiert und offen für Neues.

Die Erwartungen Ihrer Kunden unterliegen einem ständigen Wandel. Professionalität und die Berücksichtigung individueller Wünsche sind gefragt! Nehmen Sie sensibel diese Entwicklungen auf und versuchen Sie, diesen gerecht zu werden. Nur so sichern Sie den Erfolg Ihres Dienstes. Passen Sie Ihr Portfolio den Veränderungen an, seien Sie einen Schritt voraus!

Der »Fachkräftemangel in der Pflege« ist fast täglich eine Schlagzeile wert. Für Sie nichts Neues, doch was können Sie tun? Auf die Gesamtsituation können Sie selbst mit verstärkten Ausbildungsaktivitäten nur marginal Einfluss nehmen. Sie müssen einfach attraktiv für Ihre Mitarbeiter sein (oder werden) – und das geht nur durch ein vorbildhaftes Führungsverhalten und die ausgewogene Beteiligung Ihrer Mitarbeiter.

Ihre Mitarbeiter – Ihr Potenzial

Setzen Sie sich von Ihren Mitbewerbern ab. Entwickeln Sie eine gezielte Personalakquise, eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und eine erfolgreiche Personalentwicklung.

Die Zufriedenheit mit dem/der Vorgesetzten ist zentrales Kriterium. Mit Ihrem Führungsverhalten und der Beteiligung Ihrer Mitarbeiter haben Sie es selbst in der Hand!

Ihr Dienst hat nur dann eine Zukunft, wenn Sie zukünftige Entwicklungen frühzeitig erkennen und sich auf die veränderten Wünsche einstellen. Die Schere zwischen erzielbaren Erlösen und Kosten eines ambulanten Dienstes geht immer weiter auseinander. Personal- und Sachkosten steigen schneller als die Anpassung der Vergütungsätze für die erbrachten Leistungen. Nur durch ein umsichtiges Management ist es möglich, diese Schere zu schließen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Wirtschaftlicher Erfolg ist eine Frage der Organisation

Schlüsselthemen sind dabei die Dienst- und Tourenplanung sowie die optimale Ausschöpfung der Leistungsansprüche der Klienten.

Qualität ist nach wie vor Erfolgsfaktor Nr. 1, mittel- und langfristiger Erfolg kann nur über eine hohe Qualität der Leistungserbringung erreicht werden. Dabei geht es nicht nur um eine Pflege unter Beachtung aller Expertenstandards, sondern auch um die »emotionale« Qualität der Dienstleistung. Klienten haben in der Regel hohe Erwartungen an die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Aber Ihr Personal ist nicht per se freundlich und hilfsbereit. Es verfügt aber in den meisten Fällen über die emotionale Intelligenz3 zur positiven Gestaltung der Kundenbeziehung. Hier setzt die gezielte Personalentwicklung an.

Gutes Personal fällt nicht vom Himmel

Nur durch eine gezielte Personalentwicklung in fachlicher und emotionaler Sicht wird Ihr ambulanter Dienst langfristig erfolgreich sein können.

Sie müssen eine klare Entscheidung für Ihre Leitungsfunktion treffen. Gerade Neueinsteiger sind oft überwältigt damit, die überbordenden Anforderungen an ihre Leitungsfunktion zu bewältigen: Da stürzen die Mitarbeiter herein, das Telefon klingelt, ein Klient meldet sich, weil er früher als erwartet aus dem Krankenhaus kam, Dienstpläne sind zu schreiben, Personalausfälle aufzufangen …

Eine gute Möglichkeit ist es hier, sich einen Coach zu nehmen und mit dessen Begleitung die Pflegedienstleitung so zu strukturieren, dass sie zu den eigenen Erwartungen, den Herausforderungen des Dienstes und den Erwartungen des Personals und der Kunden passt – und stets flexibel auf Veränderungen reagiert werden kann.

Ein Coaching ist übrigens kein Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil: Oder kennen Sie einen Profisportler, der keinen Trainer hat?

 

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1 Vgl. Meißner, S. (2015). Konkurrenzanalyse der ambulanten Pflegedienste in den 10 größten Städten Deutschlands. Im Internet: www.pflegemarkt.com [Zugriff am 28.08.2015]

2 Bebenburg, P. von (2015). Pflegedienste schlagen Alarm. In: Frankfurter Rundschau vom 26. August 2015. Im Internet: http://www.fr-online.de/rhein-main/pflege-in-hessen-pflegedienste-schlagen-alarm,1472796,31601316.xhtml [Zugriff 14.09.2015]

3 Vgl. Goleman, D. (1997). Emotionale Intelligenz. Frankfurt/Main: dtv

1 DIE ERFOLGSKRITERIEN IM MANAGEMENT – UND DER MENSCH ZÄHLT DOCH!

Managen heißt Organisieren, Planen, Entscheiden, Kontrollieren und Führen. Dabei ist es völlig egal, ob Sie in einem international agierenden Automobilkonzern arbeiten oder in einem ambulanten Pflegedienst mit 20 Mitarbeitern. Als Inhaber einer Leitungsposition gehört das Management zu Ihren Aufgaben. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dass Sie u. a.

Personal führen,

Arbeitsabläufe steuern,

Qualität sichern und weiterentwickeln (u. a. durch Pflegevisiten),

Konzepte entwickeln und evaluieren,

Dokumentations- und Planungsinstrumente bereitstellen,

eine geeignete und effiziente Kommunikation (intern und extern) sicherstellen.

Sie wissen das vermutlich schon und Sie wissen auch, dass der Teufel immer im Detail steckt. Deshalb beginnt unsere Reise ins Management ganz vorn, bei den Erfolgskriterien, den Grundlagen eines klugen Managements. Schauen wir sie uns also einmal an.

1.1 Erfolgskriterium Nr. 1: die emotionale Intelligenz

Kann man Führung eigentlich lernen? Im Prinzip ja. Doch jede Führungskraft braucht auch ein Quäntchen Talent, ein gewisses Händchen für die Führung. Sie braucht, neudeutsch ausgedrückt: emotionale Intelligenz. Ist die emotionale Intelligenz nicht da, nutzen auch die besten Personalführungsseminare nicht wirklich. Warum das so ist? Schauen Sie sich einmal an, wie Daniel Goleman4 den Begriff »Emotionale Intelligenz«, in Anlehnung an Salovey und Gardner, definiert. Nach Goleman müssen Führungskräfte Folgendes können:

»Die eigenen Emotionen kennen. Die eigenen Gefühle erkennen und akzeptieren, während sie auftreten. Diese Fähigkeit ist entscheidend für das Verstehen des eigenen Verhaltens und der eigenen Antriebe. Viele Menschen fühlen sich gegenüber ihren Gefühlen nicht verantwortlich, lehnen einige Gefühle ab und bekämpfen oder vermeiden sie.

Emotionen beeinflussen. Statt Gefühle zu verdrängen, zu dramatisieren oder zu verharmlosen, können Gefühle so beeinflusst werden, dass sie der Situation angemessen sind. Selbstberuhigung, Perspektivenwechsel und Selbstempathie sind Möglichkeiten dazu.

Emotionen in die Tat umsetzen. Emotionen helfen, um Ziele zu erreichen oder auch zu verhindern. Dies ist der Kern der Selbstmotivation und fördert die Kreativität sowie die Häufigkeit von Erfolgserlebnissen.

Empathie. Auf Empathie beruht eine gesunde Menschenkenntnis und bildet das Fundament zwischenmenschlicher Beziehungen. Empathie ist die Basis erfolgreicher humaner Gesellschaften, es entsteht eine emergente Ordnung (spontane Herausbildung von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems infolge des Zusammenspiels seiner Elemente).

Umgang mit Beziehungen. Die Kunst der Gestaltung von Beziehungen besteht im Wesentlichen im Umgang mit den Gefühlen anderer Menschen. Es ist die Grundlage für eine reibungslose Zusammenarbeit in nahezu allen (beruflichen) Umfeldern.«

Ihr persönliches Fitness-Programm

Im Internet gibt es eine Reihe von Tests5, mit denen Sie herausfinden können, wie groß Ihre emotionale Intelligenz ist. An Büchern und Seminaren, die Sie bei diesem Training unterstützen können, herrscht ebenfalls kein Mangel.

1.2 Erfolgskriterium Nr. 2: das gemeinsame Ziel

Ja, er wird oft zitiert. Und, ja, Sie kennen ihn bestimmt auch. Trotzdem wollen wir ihn noch einmal sprechen lassen – ihn, Antoine de St. Exupéry: »Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer.«

Exupéry war mehr Literat als Führungspersönlichkeit. Aber mal abgesehen vom romantischen Beiklang ist an seinen Worten eben doch etwas dran: Es geht um ein gemeinsames Ziel, das alle teilen. Haben Sie ein gemeinsames Ziel? Und, wenn ja: Teilen Ihre Mitarbeiter dieses Ziel? Kennen sie es überhaupt?

Das Ziel jedes ambulanten Dienstes ist so alt wie die Branche der Dienstleistung: Allen Mitarbeitern sollte daran gelegen sein, dass es ihrem Unternehmen gut geht, dass die Zahlen stimmen, dass Kunden und Mitarbeiter zufrieden sind.

Sie kennen den Spruch vom »selben Boot, in dem alle sitzen«. Er wird gern ergänzt mit einem murrenden »aber die einen rudern und die anderen angeln«. Womit normalerweise gemeint ist, dass einige nichts tun, während die anderen die ganze Arbeit machen. Doch selbst wenn einige rudern und die anderen angeln, muss das noch nicht schlecht sein. Wenn das Ziel dieser Bootsreise heißt: »Wir haben eine weite Fahrt vor uns und es gibt nur wenig Platz für Proviant«, wäre ein abwechselndes Angeln und Rudern genau die richtige Strategie. Während die einen fürs Vorankommen sorgen, kümmern sich die anderen um die Nahrung. Jeder an seinem Platz.

Für das Management eines ambulanten Dienstes heißt das: Sie müssen jeden Mitarbeiter in die Gesamtaufgabe einbeziehen und ihm Verantwortung zugestehen. Niemand sollte sich nur als »kleines Rädchen in einem großen und unüberschaubaren Getriebe« fühlen. Um im Bild zu bleiben: Der Angler ist nicht mehr wert als der Ruderer, sofern beiden klar ist, dass das Ziel nur durch beide gemeinsam erreicht werden kann.

Alle im selben Boot, unterwegs zum selben Ziel

1.3 Erfolgskriterium Nr. 3: der richtige Führungsstil

In der Führungslehre werden traditionell zwei extreme Ausprägungen des Führungsstils unterschieden: autoritär und laissez-faire.

 

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Abb. 1: Die beiden Extreme des Führungsstils.

Beim autoritären Führungsstil gibt die Führungskraft Aufgaben und Anordnungen weiter, ohne die Mitarbeiter in die Entscheidung einzubeziehen. Widerspruch oder Kritik der Mitarbeiter sind nicht erwünscht, werden im Extremfall sogar bestraft. Beim Laissez-faire-Führungsstil lässt die Führungskraft den Mitarbeitern viele Freiheiten. Sie können über ihre Arbeit relativ weit selbst bestimmen. Andererseits greift die Führungskraft auch nicht helfend ein. Sie lässt einfach laufen. Es ist nicht verwunderlich, dass angesichts einer solchen Führung die Frage auftaucht, ob es sich überhaupt um eine ausgeübte Führung und damit einen Führungsstil handelt.

Zwischen diesen Extremen finden sich viele andere Führungsstile, unter anderem der patriarchalische und der kooperative Führungsstil. Welcher Führungsstil ist aber nun der richtige? Welcher Führungsstil verheißt den größten Erfolg? Um diese Frage zu beantworten, muss ein weiterer Führungsstil beleuchtet werden, der individuelle Führungsstil. Er hängt von drei Faktoren ab:

1. der Persönlichkeit der Führungskraft,

2. dem Team der Mitarbeiter und

3. der jeweiligen Situation und den daraus folgenden Notwendigkeiten

Die Persönlichkeit einer Führungskraft hat den größten Einfluss auf ihren Führungsstil. Die Art der Führung muss zu den Charaktereigenschaften der Person passen, muss authentisch sein. Nur wer authentisch ist, kann Vertrauen gewinnen. Daneben bestimmen die Zusammensetzung des Teams und die persönlichen Eigenschaften der Teammitglieder das Führungsverhalten. Je selbstständiger und kompetenter das Team ist, umso weniger direktive Führung benötigt es. Wichtig ist auch, das Führungsverhalten an jeden einzelnen Mitarbeiter anzupassen, getreu dem Grundsatz: »So wenig Führung wie möglich, so viel Führung wie nötig.«

Unterschiedliche Situationen erfordern ein flexibles Verhalten der Führungskraft. In einer akuten Notsituation muss sie unter Umständen autoritär führen, um schwerwiegende Konsequenzen zu vermeiden. In Projektgruppen oder Qualitätszirkeln hingegen ist Kreativität gefragt – und die kann nur durch ein kooperatives oder gar demokratisches Führungsverhalten gefördert werden.

Welchen Führungsstil wir Ihnen empfehlen? Wir raten zum kooperativ-situativen Führungsstil mit den Merkmalen:

Führung durch Zielvereinbarungen

Transparenz des Führungshandelns für die Mitarbeiter

Weitgehende Delegation und Selbstständigkeit der Mitarbeiter

Vertrauensvolle Zusammenarbeit

Respektvoller Umgang

Partizipation der Mitarbeiter an Entscheidungen

Einbeziehung in die Weiterentwicklung des ambulanten Dienstes

»Mitverantwortung« ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um Führung geht. Verteilen Sie die Last der täglichen Arbeit auf mehrere Schultern, etwa indem Sie die Position einer Bezugspflegekraft einführen, die für ein oder mehrere Touren verantwortlich ist.

Fazit

1.4 Erfolgskriterium Nr. 4: Wertschätzung

Wenn Mitarbeiter gefragt werden, was sie für die wichtigsten Eigenschaften einer guten Führungskraft halten, geben sie zumeist folgende Antworten:

Eine gute Führungskraft muss

Vorbild sein,

gerecht sein,

offen und ehrlich sein,

authentisch sein,

Möglichkeiten der Partizipation anbieten.

Diese Eigenschaften »ihrer« Führungskraft haben für Mitarbeiter wesentlich größere Bedeutung als zum Beispiel die fachliche Kompetenz. Diese Eigenschaften sind auch die Garanten für eine wertschätzende Haltung der Führungskraft. »Wertschätzung und Anerkennung sind wichtige Führungsinstrumente. … dort, wo der Mitarbeiter keine Wertschätzung erfährt, wird er sein Potenzial auch nicht aktivieren. Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter bei ihren Führungskräften oft die »basics« vermissen. Sie sagen nicht »Bitte« und »Danke«, sondern behandeln Menschen als Instrumente.«6

Es geht daher nicht darum, dass Sie nie autoritär führen. Das dürfen Sie, wenn es die Situation verlangt. Aber manchmal müssen Sie auch sozusagen unsichtbar sein, damit Ihre Mitarbeiter in einem gegebenen Rahmen selber gestalten können.7

Führung – eine Quadratur des Kreises

1.5 Erfolgskriterium Nr. 5: Vertrauen

Vertrauen können Sie nicht verordnen oder befehlen. Vertrauen wächst durch Ihr vorhersehbares Verhalten als Führungskraft. Verlässlichkeit ist der Nährboden für wachsendes Vertrauen! Hand aufs Herz: Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern? Vertrauen diese Ihnen? Bevor Sie jetzt klar und deutlich »Ja« sagen, möchten wir Ihnen kurz skizzieren, wie sich dieses Vertrauen, um das es hier geht, überhaupt feststellen lässt.

Als Führungskraft können Sie an bestimmten Kriterien feststellen, ob zwischen Ihrem Team und Ihnen wirkliches Vertrauen vorhanden ist. Wird Ihr ambulanter Dienst durch die folgenden Merkmale geprägt?

Informationen fließen.

Es besteht Offenheit – auch in schwierigen Situationen.

Vereinbarungen werden eingehalten.

Fehler werden als Chance zur Verbesserung verstanden.

Oder sieht es bei Ihnen eher so aus?

Es wird Dienst nach Vorschrift geleistet.

Niemand übernimmt Verantwortung für sein Tun.

Neuerungen werden argwöhnisch betrachtet.

Es gibt eine hohe Fluktuation bei Mitarbeitern (und Kunden).

Die Stimmung im Team ist destruktiv.

Die Basisressource: Vertrauen

Vertrauen ist wichtig, so wichtig, dass es auch als »Basisressource im Team« bezeichnet wird.* Wo Vertrauen herrscht, werden Missstände angesprochen, Fehler kommuniziert und mögliche Lösungen offen diskutiert.

 

* Vgl. Weidlich, M. (1995). Vertrauen: Die Basisressource im Team. In: Buchner, D. (Hrsg.) (1995)Team-Coaching: Gemeinsam zum Erfolg. Wiesbaden: Gabler, S. 132

1.6 Erfolgskriterium Nr. 6: Kommunikation

Eine offene und von Vertrauen geprägte Kommunikation ist zwingende Voraussetzung für ein gutes Arbeitsklima im Team. Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern! Suchen Sie sie auf, bleiben Sie im Dialog. Das klingt einfach und ist doch sehr schwer. Gerade in ambulanten Diensten stammen die Führungskräfte häufig aus den eigenen Reihen. Das ist einerseits gut, denn so kennen sie die tägliche Arbeit aus dem Effeff. Das ist aber auch sehr schwer, denn aus einer Mitarbeiterin muss zunächst eine Führungskraft werden. Sie muss also ihr Denken und Handeln ändern und auch von außen aufs Team gucken können.

In der Kommunikation wird besonders schnell deutlich, wie gut jemand den Schritt in die Führung geschafft hat. Eine gute Kommunikation ist mehr als ein Gespräch unter Gleichen. Eine gute Kommunikation folgt ihren eigenen Regeln:

Reden Sie per »Ich« und nicht per »Du«.

Unterscheiden Sie zwischen Tatsache und Interpretation.

Sorgen Sie für eine angenehme und störungsfreie Gesprächsatmosphäre.

Bringen Sie Ihrem Gesprächspartner auch in kritischen Situationen Wertschätzung entgegen.

Machen Sie Ihre Gedanken transparent.

Hören Sie zu und lassen Sie Ihren Gesprächspartner ausreden.

Fragen Sie mit offenen Fragen (sog. »W-Fragen«).

Kritisieren Sie Mitarbeiter nur unter vier Augen.

Bleiben Sie ruhig, auch wenn es in Ihnen »brodelt«.

Kommunikation: Training ist alles

Sie werden erleben, dass Sie eine gute Kommunikation üben müssen. Es ist wie im Sport: Je mehr Sie trainieren, desto besser werden Sie. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, klar, offen und transparent zu kommunizieren. So schaffen Sie Orientierung und Halt im täglichen Miteinander.

Zu einer klaren Kommunikation gehört auch eine effiziente Dokumentation. In Gesprächsnotizen halten Sie Wichtiges fest, können ggf. daran erinnern und bei Unklarheiten für Klarheit sorgen.

Ihre Gesprächsnotizen sollten ein einheitliches Raster haben, damit Sie einerseits alle relevanten Informationen festhalten und andererseits einen schnellen Überblick haben (vgl. Abbildung 2).

 

1.6.1 Übergabegespräche und Übergabebuch

In ambulanten Diensten treffen sich die Mitarbeiter in der Regel nicht persönlich. Für die Informationsweitergabe gibt es zumeist ein Übergabebuch. Mitarbeitende sind verpflichtet, alle wichtigen Informationen aus ihrer Schicht in dieses Übergabebuch einzutragen bzw. sind verpflichtet, vor Antritt ihrer Schicht die Eintragungen im Übergabebuch zu lesen.

Als Pflegedienstleitung können Sie dieses Übergabebuch auch für Hinweise an alle Mitarbeitenden nutzen, indem Sie etwa auf Aushänge an der Plantafel verweisen (Fortbildungen, Änderungen des Dienstplans etc.).

1.6.2 Dienstbesprechungen

Regelmäßige Besprechungen mit dem Team eignen sich gut für eine effektive und effiziente Kommunikation und die Weitergabe von Informationen an die Mitarbeiter. Auch der MDK überprüft die regelmäßige Durchführung von Dienstbesprechungen im Rahmen seiner Qualitätsprüfungen. »Die Informationsvermittlung ist ein Instrument für die Mitarbeiter der verschiedenen Dienstschichten mit dem Zweck, eine sachgerechte und kontinuierliche Versorgung zu gewährleisten. Der Träger der Einrichtung und dessen ausführende Organe haben Sorge zu tragen, dass die Informationsvermittlung zwischen den verschiedenen Schichten und Dienstzeitmodellen reibungslos sowie in einem ausreichenden zeitlichen Rahmen sichergestellt werden kann.«8

Dienstbesprechung: Nicht ohne Memo!

Damit Themen für die nächste Dienstbesprechung nicht im Alltag untergehen, empfehlen wir Ihnen ein Memo. Hierin halten Sie alle vorgesehenen Themen fest. Es dient zugleich als Grundlage für die Tagesordnung.

Bereiten Sie alle Dienstbesprechungen nach demselben Muster vor:

Planen Sie die Termine im Dienstplan ein.

Laden Sie Ihre Mitarbeiter rechtzeitig ein.

Erstellen Sie eine Tagesordnung und leiten Sie sie den Mitarbeitern rechtzeitig zu, damit sie sich vorbereiten können.

Legen Sie fest, wer die Protokollführung übernimmt.

Bereiten Sie eine Teilnehmerliste vor.

Bei Dienstbesprechungen sollten Sie als Leitung die Moderation möglichst selbst übernehmen. Achten Sie darauf, dass alle Mitarbeiter zu Wort kommen und sorgen Sie dafür, dass Diskussionen zielorientiert geführt werden.

Das Protokoll wird von der Protokollführung und der Führungskraft unterschrieben und allen Mitarbeitern zugänglich gemacht. Mitarbeiter, die nicht teilnehmen konnten, müssen auf dem Protokoll unterschreiben, dass sie von den Inhalten Kenntnis genommen haben.

1.6.3 Arbeitsgruppen und Qualitätszirkel – gelebte Teilnahme

Arbeitsgruppen und Qualitätszirkel sind gute Möglichkeiten, um Ihre Mitarbeiter an Entwicklungen und Entscheidungen teilhaben zu lassen. So fördern Sie die Motivation und nutzen die Ressourcen und die Kreativität im Team. Ein weiterer positiver Effekt: Entscheidungen, die als Ergebnis von Arbeitsgruppen oder Zirkeln getroffen werden, werden in der Regel schneller akzeptiert.

Ob Sie solche Gruppen selbst moderieren oder eine externe Moderation in Anspruch nehmen, ist abhängig vom Thema, der Zahl der Teilnehmer und der Frage, wie viele inhaltliche Beiträge Sie selbst in die Sitzungen einbringen wollen oder müssen. Denn: Der Moderator sollte selbst keine inhaltlichen Beiträge bringen, sondern den Prozess gestalten und sich selbst neutral verhalten.

Die Moderation sollte durch eine Person erfolgen, die über Wissen und Erfahrung in der Steuerung von Gruppenprozessen sowie über ein großes Spektrum von Methoden und Medieneinsatz verfügt. Die Teilnehmer von Arbeitsgruppen sollten sich möglichst freiwillig beteiligen und über fachliche Kenntnisse zum Thema verfügen.

 

Wie wäre es z. B. mit einer Arbeitsgruppe, die alle Prozesse in ihrem ambulanten Dienst auf den Prüfstand stellt, die Abläufe klar definiert und Arbeitsplatzbeschreibungen eindeutig formuliert? Wenn jeder weiß, was der andere tut, muss im Notfall nicht immer derselbe einspringen.

 

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4 Mühlisch, S. (2014). Das Prinzip KörperSprache im Unternehmen: Inspirationen für eine lebendige Ausgestaltung. Paderborn: Junfermann, S. 103

5 Schauen Sie doch mal auf die Seite http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article13532689/Emotionale-Intelligenz-laesst-sich-erlernen.xhtml

6 Frey, D. & Schmalzried, L. (2013). Philosophie der Führung. Gute Führung lernen von Kant, Aristoteles, Popper & Co. Berlin: Springer, S. 48

7 Vgl. Grote, S. (Hrsg.) (2012). Die Zukunft der Führung. Berlin: Springer-Gabler, S. 249

8 MDS (2014). Grundlagen der Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 SGB XI in der ambulanten Pflege. Essen, S. 97

2 DIE BASIS DER AMBULANTEN PFLEGE –MITARBEITER FINDEN & BINDEN

Der viel diskutierte »Pflegenotstand« hat alle Bereiche der Pflege erfasst und damit auch die ambulanten Dienste. Einrichtungen und ambulante Dienste werden zunehmend Konkurrenten bei der Akquise qualifizierter Pflegekräfte. Insofern werden ambulante Dienste in Zukunft nicht umhin kommen, ihre bislang eher geringen Ausbildungsquoten zu steigern.

In den uns bekannten Kursen für Altenpfleger absolviert nur jeder 10. seine Ausbildung im ambulanten Bereich. Inwieweit eine generalistische Pflegeausbildung dieses Bild nachhaltig verändern wird, ist eine ebenso unbekannte wie langfristige Perspektive.

Kurzfristig hilft bei der Personalakquise nur der Blick auf die Zielgruppe der Pflegekräfte im reiferen Alter, die ihr berufliches Engagement reduzieren wollen, bzw. auf Berufsrückkehrerinnen nach der Familienphase, die eine Teilzeitbeschäftigung oder eine geringfügige Tätigkeit anstreben. Mitarbeitende, die eine Vollzeitbeschäftigung anstreben, finden die Arbeit in ambulanten Diensten mit den vielen geteilten Diensten eher unattraktiv, zumindest sind dies die sicher subjektiven Erfahrungen der Pflegedienstleitungen von ambulanten Diensten. Letzten Untersuchungen zufolge machen Vollzeitkräfte nur ein Viertel (26,4 %) der Beschäftigten aus.9

Und: Der Personalakquise sind Grenzen gesetzt. So bestehen viele Klientinnen darauf, von Frauen gepflegt zu werden. Das beschränkt die Einsatzmöglichkeiten für männliche Pflegekräfte und minimiert die Möglichkeiten der Personalgewinnung.

Ein weiterer, oft beklagter Nachteil in der ambulanten Pflege ist die beschränkte Zeit, die die Mitarbeiter bei den Klienten verbringen. So beschweren sich manche Mitarbeiter in ambulanten Diensten, dass sie im Vergleich mit der stationären Pflege die Klienten täglich nur kurze Zeit pflegen und betreuen und somit nur schwer eine emotionale Beziehung aufbauen können. Hinzu kommen enge Zeittakte, hohes Arbeitsaufkommen und üppige Aufwendungen für Dokumentationen. Das hat Folgen: »Die Attraktivität des Pflegeberufes hat in den letzten Jahren gelitten. … Die hohe Verdichtung in der ambulanten Pflege ist der Gesundheit und Motivation des Pflegepersonals abträglich.10 Dennoch sind ambulante Pflegedienste ein unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens. Und sie sind allen schwierigen Rahmenbedingungen zum Trotz ein gesuchtes Arbeitsfeld: »Allein in Baden-Württemberg schnellte die Zahl der Pflegedienste in der ambulanten Pflege von 845 im Jahr 1999 auf 1110 im Jahr 2011. Ein zweiter eindrucksvoller Indikator ist der Personalanstieg. Arbeiteten im Jahr 1999 insgesamt 19 216 Beschäftigte in der ambulanten Pflege, so wuchs die Zahl zum Berichtsjahr 2011 um circa 50 Prozent auf 28 895.«11

Schließlich hat eine Tätigkeit im ambulanten Bereich auch Vorteile: Die Selbstständigkeit der einzelnen Pflegekraft ist größer. Sie kann mehr und größere Verantwortung übernehmen. Flexiblere Arbeitszeitmodelle sorgen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dies sind Chancen für Ihren ambulanten Pflegedienst, mit denen Sie am immer knapper werdenden Angebot qualifizierter Arbeitskräfte partizipieren können.

Nicht in allen Fällen sind es examinierte Pflegekräfte, die in ambulanten Diensten arbeiten. Vielfach sind es Pflegehilfskräfte, die hier ein attraktives Arbeitsfeld sehen. Das hat Folgen auch für Sie als Leitungskraft. Modelle von speziellen Pflegetouren für angelernte Pflegekräfte, die nur die Grundpflege bzw. die erlaubten behandlungspflegerischen Maßnahmen ausführen, werden, trotz aller administrativen Probleme in der Praxis, an Bedeutung gewinnen. Im Umkehrschluss heißt das: Sie müssen viel Zeit aufbringen, um aus den unterschiedlichsten Gruppen von Mitarbeitenden wirkliche Teams zu formen. Denn: »Es mangelt nicht nur an der ausreichenden Anzahl von Mitarbeitenden, sondern auch an solchen, die belastbar, intrinsisch motiviert und leistungsstabil sind.«12

Personal – Immer nur so gut wie seine Entwicklung

Personalentwicklung ist »eine absolut wichtige Führungsaufgabe: Erkennen Sie Potenziale von Mitarbeitenden und nutzen Sie sie. Schaffen Sie Strukturen, damit jede(r) möglichst seine Stärken leben kann.«*

 

* Kämmer 2014:121

Sie werden die Personalnot in der Pflege nicht im Alleingang ändern. Als Führungskraft in einem ambulanten Dienst müssen Sie aber in der Lage sein, das Beste aus der Situation zu machen. Das heißt: Betreiben Sie eine intensive Personalakquise, strukturieren und qualifizieren Sie den Prozess der Einarbeitung und schmieden Sie aus Ihren Mitarbeitern Teams, die belastbar, flexibel und kompetent sind.

Denn Teamgeist ist offensichtlich eine erfolgreiche Formel, um für neue Mitarbeiter interessant zu sein (und die alten zu halten). Die Frankfurter Rotkreuzkliniken haben mit dem Schlagwort »Teamgeist« sogar eine erfolgreiche Werbung für sich bzw. für ihre Pflegekräfte gemacht13. Unterstützt durch Fachleute einer Agentur wurde eine sog. »Employer Branding-Kampagne« ins Leben gerufen. Auf den Plakaten warben Pflegekräfte um neue Kollegen. Man stellte sich selbstbewusst vor, etwa mit dem Slogan: »Qualifizierte Kollegen muss ich hier nicht suchen. Sie sind da.« Per Plakataktion, Youtube-Videos, Facebook und einer eigenen Website werben die Pflegekräfte um neue Kollegen.

2.1 Personalgewinnung und Einarbeitung

Nur mit qualifizierten und motivierten Mitarbeitern kann ein Dienst langfristig erfolgreich arbeiten und sich am Markt behaupten. Leider ist das Fehlerpotenzial bei der Personalgewinnung und Einarbeitung hoch. Erstere erfolgt oft kurzfristig, überstürzt und unstrukturiert. Letztere erfolgt – schlimmstenfalls – gar nicht. Die Folge: Die Fluktuation im Dienst bleibt hoch, die Unzufriedenheit auch.

Personalgewinnung ist kein Zufallsprodukt, sondern Ergebnis eines strukturierten Prozesses, der keinesfalls nur dann stattfindet, wenn Sie gerade jemanden brauchen. Personalgewinnung fängt viel früher an: Sie geschieht bereits, wenn sich ein Praktikant meldet. Sie findet schon dort statt, wo sich Ihr ambulanter Dienst im Straßenbild zeigt (sauberes Auto, gelassener Fahrstil). Sie erstreckt sich über Öffentlichkeitsarbeit (Reden Sie doch mal über das Gute, das Sie in Ihrem Dienst tun – vor allem mit der Presse!). Sie geschieht in den sozialen Netzwerken (Hat Ihr Dienst eine gepflegte Homepage, einen Facebook-Auftritt?). Personalakquise ist auch Mundpropaganda (Wie reden Ihre Mitarbeiter wohl mit anderen Kollegen über ihren Dienst?) Schauen Sie sich einfach mal gut an, was wir Ihnen gerade von den Frankfurter Rotkreuzkliniken erzählt haben – das funktioniert nicht nur für Kliniken!

Natürlich können Sie die Akquise auch klassisch angehen: Die gute alte Zeitungsanzeige ist noch nicht ganz tot und findet vor allem in der Fachpresse auch interessierte Leser. Gelegentlich kommt auch mal die ein oder andere Initiativbewerbung. Solche sollten Sie zur Seite legen, um im Falle eines Falles darauf zurückgreifen zu können.

2.1.1 Die Auswahl

Da liegen sie, die Bewerbungsmappen! Schätzen Sie sich glücklich, wenn Sie einige interessante Bewerber zur Auswahl haben. Blättern Sie die Mappen durch und reagieren Sie zügig, freundlich und zielorientiert (vgl. Abbildung 4).

 

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Abb. 4: Personalauswahl mit System.

Achten Sie bei der Sichtung der Bewerbungsunterlagen auf:

Vollständigkeit der Unterlagen

Gestaltung der Bewerbung (Orthografie, Schreibstil, Übersichtlichkeit)

Bewerbungsfoto (ansprechend und geeignet)

Erfüllung der Stellenvoraussetzungen (Schulabschluss, Ausbildung, Berufserfahrung, speziell geforderte Qualifikationen)

Führungserfahrung (nur bei Einstellung als Führungskraft)

Lücken im Lebenslauf, die nicht erklärt sind

fehlende Unterlagen

Wichtige Informationen verrät Ihnen auch das Anschreiben. Wie ist der Schreibstil, wie gut die Rechtschreibung? Gelingt es der Bewerberin, in wenigen Sätzen sich und ihre Eignung für die Stelle zu beschreiben? Gewinnen Sie den Eindruck, dass sich die Bewerberin mit der ausgeschriebenen Stelle und Ihrem Dienst beschäftigt hat?

Der Lebenslauf gibt Aufschluss über die bisherige berufliche und persönliche Entwicklung der Bewerberin. Sie können einen solchen Lebenslauf auf zwei Arten prüfen: nach der Zeitfolgenanalyse oder der Positionsanalyse. Bei der Zeitfolgenanalyse betrachten Sie die zeitliche Dauer und die Zahl der bisherigen Tätigkeiten. Besonders Wechsel von Arbeitsstellen in kurzen Abständen oder stets am Ende der Probezeit sollten Sie im Vorstellungsgespräch kritisch hinterfragen. Bei der Positionsanalyse prüfen Sie den beruflichen Auf- oder Abstieg. So erhalten Sie Anhaltspunkte für Brüche in der beruflichen Entwicklung, die Sie im Vorstellungsgespräch auf die Hintergründe (z. B. Krankheit oder private Veränderungen) abklopfen.

Zeugnisse spiegeln die Leistungen und das Verhalten eines Bewerbers wider. Je länger ein Zeugnis zurückliegt, umso weniger bedeutsam ist es. Besonders aufmerksam sollten Sie die Arbeitszeugnisse prüfen. Ein einfaches Arbeitszeugnis enthält lediglich die persönlichen Daten des Arbeitnehmers sowie eine Beschreibung von Art und Dauer der Beschäftigung. Sollte der Bewerber nur solche Zeugnisse vorlegen können, sollten Sie sehr vorsichtig sein. Er wird wohl nicht der richtige Mitarbeiter für Ihr Team sein. Schließlich hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, in dem seine Leistungen möglichst konkret gewürdigt werden. Aber Achtung: Ein einziges einfaches Arbeitszeugnis unter vielen anderen qualifizierten in der Bewerbermappe ist kein Grund für eine Ablehnung. Es dient evtl. nur dem Nachweis einer Tätigkeit in dem Arbeitsfeld. Aber auch das lässt sich im Vorstellungsgespräch besprechen.

Die gängigen Umschreibungen (von »vollster Zufriedenheit« bis zu »hat sich bemüht«) sollten Ihnen vertraut sein, wenn Sie Zeugnisse lesen. Nur so können Sie entschlüsseln, wie gut der Bewerber von seinem früheren Arbeitgeber eingeschätzt wurde. Doch auch diese Beschreibungen sind immer nur die halbe Wahrheit. Laden Sie also durchaus auch Bewerber ein, deren Noten nicht ganz so schillernd sind.

Haben Sie das Glück, eine größere Zahl von Bewerbungen sichten zu können, bietet es sich an, für jede Bewerbung ein Übersichtsblatt zu erstellen (vgl. Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Übersichtsblatt für Bewerbungen

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Nach der Qual der Wahl

2.1.2 Das Vorstellungsgespräch

Sorgen Sie im Vorstellungsgespräch für eine angenehme und störungsfreie Atmosphäre. Lassen Sie sich und dem potenziellen neuen Mitarbeiter genügend Zeit. Steigen Sie locker ins Gespräch ein, machen Sie ein bisschen Smalltalk (»Haben Sie gut hergefunden?«), erzählen Sie erst einmal über Ihren Dienst und die Inhalte der Stelle. Aber halten Sie bitte keine langen Vorträge! Notieren Sie sich einige Stichpunkte auf einem Blatt Papier und reden Sie nicht länger als fünf Minuten.

Dann geben Sie dem Bewerber die Möglichkeit, seine Motivation für die Bewerbung und seine Vorstellungen hinsichtlich der Arbeitsstelle zu formulieren. Verzichten Sie darauf, ihn die Daten aus seinem Lebenslauf »herunterbeten« zu lassen – diese sollten Sie kennen und Sie sollten auch gezielte Fragen dazu stellen können.

Hinweis

Ein Vorstellungsgespräch ist dann erfolgreich, wenn beide Seiten ihre Vorstellungen geklärt und alle wichtigen Fragen erörtert haben. Sagen Sie dem Bewerber, wie sich das weitere Verfahren gestaltet und wann er mit einer Reaktion Ihrerseits rechnen kann.

Um ein Bild über die Bewerber und ihre Eignung für die zu Stelle auch in einer Rangfolge zu erhalten, eignet sich eine Entscheidungsmatrix. Sie stellt die Erfüllung der Anforderungen durch die Bewerber dar (vgl. Tabelle 2).

 

Tabelle 2: Beispiel einer Entscheidungsmatrix für eine Stelle als Pflegefachkraft (hier mit Schulnoten, aber auch eine Punktesystem ist möglich)

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Probearbeitstag – eine sinnvolle Entscheidungshilfe

2.1.3 Die Einarbeitung

Die gezielte Einarbeitung neuer Mitarbeiter ist sehr wichtig, wird aber in der Praxis aufgrund von Personalengpässen oft vernachlässigt. In vielen ambulanten Diensten muss der neue Mitarbeiter vom ersten Tag an allein zusehen, wie er zurechtkommt. Dabei ist eine gute und gezielte Einarbeitung ein Garant dafür, dass sich der neue Mitarbeiter im ambulanten Dienst und im Team willkommen fühlt und schnell mit den Besonderheiten seines Arbeitsplatzes vertraut wird. Schauen wir uns einmal an, wie es im Idealfall ablaufen könnte:

Die Einarbeitung beginnt mit der Begrüßung des neuen Mitarbeiters. Alle im Team sollten wissen, dass und welcher neue Mitarbeiter heute seine Arbeit beginnt. Der erste Arbeitstag ist für den/die »Neue« ein aufregender, aber auch entscheidender Tag, denn der erste Eindruck prägt! Ein kleiner Blumengruß erfreut und sorgt für einen guten Arbeitsbeginn. Ermöglichen Sie dem neuen Mitarbeiter, ihren Dienst und das Team kennenzulernen. Notwendige Unterlagen, Dienstkleidung und erforderliche Schlüssel sollten bereitliegen.

Hilfreich ist für den/die »Neue«, wenn ihm/ihr ein Pate zur Seite gestellt wird, der ihn in den ersten Tagen auf seinen Touren begleitet.

Mit einem Einarbeitungsplan wird sichergestellt, dass der neue Mitarbeiter alle wichtigen Informationen und Einweisungen erhält – zeitlich gegliedert und strukturiert. Sinnvoll ist es, die Einarbeitung neuer Mitarbeiter im Qualitätsmanagement verbindlich zu regeln. Dazu gehören auch Zwischengespräche, die zur Reflexion und zur weiteren Planung der Einarbeitung dienen.

Einarbeitung ist zusätzlicher Aufwand, der sich aber auszahlt, denn

neue Mitarbeiter finden sich schneller zurecht;

die Sicherheit und Motivation der »Neuen« steigt;

die Verbundenheit mit dem neuen Arbeitgeber wird gefördert;

der neue Mitarbeiter ist schneller in der Lage, gute Arbeit zu leisten.

Einarbeitung – nur echt mit Dokumentation

2.2 Teamentwicklung

Ein Team ist mehr als die Zusammenfassung mehrerer Mitarbeiter in einer Organisationseinheit. Team sein heißt:

vertrauensvoll zusammenzuarbeiten,

eine gute Kommunikation der Teammitglieder untereinander,

gegenseitige Anerkennung und Respekt,

füreinander einstehen und sich gegenseitig unterstützen.

Das dies funktioniert, ist nicht selbstverständlich und geschieht in den seltensten Fällen von selbst. Man unterscheidet in der Entwicklung von Teams unterschiedliche Phasen (vgl. Abbildung 5)

 

Es Ihre Aufgabe als Leitung, aktiv darauf hinzuwirken, dass Ihr Team möglichst unbeschadet und schnell aus der Orientierungs- und Kampfphase in die konstruktiven Phasen der Organisation und Integration eintreten kann. Hilfreiche Unterstützung bieten dabei regelmäßige und strukturierte Teamsitzungen, in denen verschiedene Facetten der Arbeit beleuchtet werden (vgl. Abbildung 6).

 

Nochmal zu den Frankfurter Rotkreuzkliniken, die wir jetzt schon mehrfach erwähnt haben. Aber tatsächlich kann man diese Form der Personalakquise nicht hoch genug schätzen. Sie weist einige wichtige Parameter einer erfolgreichen Organisation auf:

Gezielte Personalauswahl

Hohe Qualitätsstandards

Klar definierte Mitarbeiterbeteiligung

Fortlaufende Personalentwicklung

Wertschätzung des Personals

2.3 Beteiligung der Mitarbeiter an strategischen Entscheidungen

Wenn Sie Ihre Mitarbeiter motivieren und ihre fachlichen Ressourcen optimal nutzen möchten, sollten Sie sie auch an strategischen Entscheidungen beteiligen. Team-Entscheidungen werden in höherem Maße akzeptiert. Das Team wird alles versuchen, damit die getroffene Entscheidung auch zum Erfolg führt, z. B. bei:

Veränderung des Versorgungsgebiets des ambulanten Dienstes

Ausweitung oder Einschränkung der Angebotspalette

Entscheidung für ein Qualitätsmanagementsystem

Fusionen mit anderen Diensten

Eingehen von Kooperationen

Einsatz oder Wechsel eines EDV-Programms

Holen Sie aktiv, in Dienstbesprechungen oder Arbeitsgruppen, die Meinungen Ihrer Mitarbeiter ein. Wägen Sie mit ihnen gemeinsam Vor- und Nachteile der Alternativen ab. So gewinnen Sie eine größere Basis für eine sachgerechte Entscheidung, die auch von allen mitgetragen wird.

2.4 Mitarbeitergespräche

Mitarbeitergespräche sind gelebte Personalführung und ein Instrument der Personalentwicklung. Sie sollten einmal jährlich stattfinden, die Ergebnisse werden protokolliert. Mitarbeitergespräche ermöglichen:

einen offenen, vertrauensvollen Dialog zwischen Mitarbeiter und Führungskraft;

eine Verbesserung der Arbeitszufriedenheit und damit der Motivation des Mitarbeiters;

eine bessere Nutzung der Ressourcen des Mitarbeiters;

eine Transparenz von Leistungen und Verhalten;

eine zielgerichtete Karriereplanung und

die Vereinbarung von Zielen.

Damit ein solches Gespräch erfolgreich verläuft, müssen Sie es vorbereiten und strukturieren. Machen Sie sich mit den wichtigen Aspekten des Gesprächs vertraut und teilen Sie dem Mitarbeiter die wesentlichen Gesprächsinhalte mit, damit er sich ebenfalls vorbereiten kann.

Jedes Mitarbeitergespräch verdient diese sorgfältige Vorbereitung (vgl. Abbildung 7). Dass Sie sich für ein solches Gespräch Zeit nehmen und einen passenden, störungsfreien Rahmen dafür haben, versteht sich fast von selbst.

 

Sie können dieses Gespräch auch noch durch eine Beurteilung und/oder eine Zielvereinbarung ergänzen. Im Gespräch selbst gilt es, für eine entspannte Atmosphäre zu sorgen, mit einem guten Gesprächseinstieg die Nervosität des Mitarbeiters zu reduzieren, Gesprächsziele und Zeitrahmen klar zu definieren und die Ergebnisse möglichst einvernehmlich zu dokumentieren. Geben Sie dem Mitarbeiter genügend Gelegenheit, seine eigene Sichtweise darzustellen, und motivieren Sie ihn dazu.

Mitarbeitergespräche – die Themen gehen nicht aus

2.4.1 Beurteilen und bewerten

Beurteilungen und Bewertungen geben dem Mitarbeitenden Anhaltspunkte, wie Sie seine Arbeit sehen, und ermöglichen eine gezielte Förderung. Sie können auch Grundlage für eine leistungsorientierte Bezahlung sein. Die Beurteilungen sollten auf der Grundlage eines trägerweiten Beurteilungssystems erfolgen, das von der Mitarbeitervertretung im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung anerkannt wurde.

Die Vorteile eines einheitlichen Beurteilungs- und Bewertungssystem:

Vergleichbarkeit von Beurteilungen innerhalb des Mitarbeiterteams

Transparenz der Beurteilungskriterien und der Bewertungsmaßstäbe

Gewinnung von Erkenntnissen für die gezielte Personalentwicklung

 

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Abb. 8: Beispielhafte Inhalte einer umfassenden Beurteilung.

Beurteilungen können periodisch oder aus bestimmten Anlässen erfolgen:

Ende der Probezeit

Wechsel eines Arbeitsplatzes innerhalb des Trägers

Auswahl für eine spezifische Fort- oder Weiterbildung

Geplanter Wechsel auf eine höherwertige Stelle

Wunsch des Mitarbeiters

Umsetzung einer disziplinarischen Maßnahme

Es empfiehlt sich, wenn Sie einen Beurteilungsbogen nutzen, der auf einem analytischen Verfahren beruht. Die Punkte- oder Notenvergabe ermöglicht Ihnen eine Vergleichbarkeit zwischen Mitarbeitern und die Bildung von Rangfolgen. Freie Formulierungen sollten Sie nur als Ergänzung und Erläuterung der Punkteverteilung benutzen.

 

Sie sollten die Beurteilung im Gespräch mit dem Mitarbeiter ausführlich besprechen. Der Mitarbeiter darf auf dem Beurteilungsbogen auch seine abweichende Sichtweise festhalten.

Das Ziel jeder Beurteilung ist die höchstmögliche Objektivität, aber – seien wir ehrlich – es gibt immer nur subjektive Beurteilungen und Bewertungen. Als Beurteilender müssen Sie sich dieser Tatsache bewusst sein und die typischen Beurteilungsfehler kennen (vgl. Tabelle 3).

 

 

Tabelle 3: Typische Beurteilungsfehler
Projektionsfehler Auf den Mitarbeiter werden Fähigkeiten und Eigenschaften der Person des Beurteilers projiziert, wenn vermeintliche Ähnlichkeiten mit der Person des Beurteilers festgestellt werden
Vorurteile verzerren die Wahrnehmung des Beurteilers entweder zu Gunsten oder zu Ungunsten des Mitarbeiters
Sympathie und Antipathie beeinflussen unbewusst den Leistungswillen des Beurteilten und das Urteilsvermögen des Beurteilers
Der erste Eindruck kann zu vorschnellen Urteilen führen und sehr lange erhalten bleiben

Außerdem kann Ihre Wahrnehmung durch Wahrnehmungsverzerrungen beeinflusst sein. D. h., Sie über- oder unterbewerten bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen (vgl. Tabelle 4).

 

 

Tabelle 4: Typische Wahrnehmungsverzerrungen
Halo-Effekt Eine einzelne Eigenschaft des zu Beurteilenden überstrahlt andere Eigenschaften und Merkmale, besonders diejenigen, die nur schwer zu beobachten sind (halo = engl. Heiligenschein)
Nikolaus-Effekt Kürzlich festgestellte Leistungen wiegen schwerer als Leistungen, die schon länger zurückliegen
Hierarchie-Effekt Mitarbeiter höherer Hierarchiestufen werden bei gleicher Leistung oft besser beurteilt als Mitarbeiter der unteren Hierarchiestufen
Einzelvorfälle positiver oder negativer Art können die Gesamtbeurteilung nachhaltig beeinflussen

Führungskräfte sind auch nur Menschen – doch manchmal müssen sie mehr sein

2.4.2 Zielvereinbarungen mit Mitarbeitern

Wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern Ziele vereinbaren, beteiligen Sie sie an der Unternehmensführung. Gemeinsam vereinbarte Ziele führen in der Regel zu einer höheren Identifikation des Mitarbeiters mit seiner Arbeit und dem Unternehmen. Außerdem geben die Ziele dem Mitarbeiter Handlungssicherheit in seiner Arbeit und fördern sein eigenverantwortliches Handeln. Mal ganz abgesehen davon, dass auch Ihre Mitarbeiter durchaus in der Lage sind, gute Ziele zu erkennen – verzichten Sie nicht auf diesen kreativen Input!

Ziele gesucht? Fragen Sie Ihre Mitarbeiter!

Es ist sinnvoll, Ihre Mitarbeiter zu motivieren, Ziele selbst vorzuschlagen. Schließlich kennen sie ihren Arbeitsplatz am besten. Zudem motiviert ein selbst gestecktes Ziel mehr als ein »verordnetes«. Zielvereinbarungen können auch mit einem Prämiensystem verbunden werden.

Als Führungskraft müssen Sie allerdings darauf achten, dass die Ziele auch realistisch und konkret sind. Hierbei hilft Ihnen die SMART-Regel:

Spezifisch:Ziele müssen eindeutig definiert sein (so präzise wie möglich).

Messbar:Ziele müssen messbar sein (Messbarkeitskriterien).

Akzeptiert:Ziele müssen von den Empfängern akzeptiert werden/sein.

Realistisch:Ziele müssen realisierbar sein.

Terminiert:Zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel erreicht sein muss.

2.4.3 Unterstützung durch Coaching und Supervision

Coaching und Supervision haben ihren Weg in die Pflege längst gefunden. Klären wir aber zunächst mal die Definition – dann wird auch klar, dass nicht jede Leitungskraft ein Coach oder gar ein Supervisor sein kann.

»Coaching ist eine absichtsvoll herbeigeführte Arbeitsbeziehung, deren Qualität durch Freiwilligkeit, gegenseitige Akzeptanz, Vertrauen und Diskretion zwischen den beteiligten Personen bestimmt wird. Diese tragfähige Beziehung ermöglicht es, Anliegen zu klären, die ansonsten unausgesprochen bleiben. Oftmals handelt es sich hierbei um die »wunden Punkte«, deren Bearbeitung einem »Gesichtsverlust« gleichkäme.«14

»Supervision ist eine Methode der beruflichen Reflexion und Stabilisation, die für alle Berufsgruppen im Gesundheits- und Krankenpflegebereich zu empfehlen ist. Aktuelle Probleme können zeitnah bearbeitet werden und die notwendigen Kompetenzen erworben werden. Supervision kann die Sicherheit im sozialen und beruflichen Handeln verbessern. Eine Entlastung durch das Erzählen von schwierigen oder belastenden beruflichen Anforderungen und auch Herausforderungen findet statt. … Supervision kann eine Möglichkeit sein, sich auf sich selbst zu besinnen und ein gesundes Selbstmanagement zu entwickeln.«15

Die Führungskraft als Coach ist eine enorme Herausforderung. »Sie ist nicht mehr Vorgesetzter, sondern Dienstleister. Und zwar einer, den sich die Mitarbeiter nicht unbedingt freiwillig aussuchen.«16 Schon die mangelnde Freiwilligkeit widerspricht also der eigentlichen Definition des Coachings durch die Führungskraft. Doch es muss ja nicht die eigene Führungskraft sein, die coacht. Es kann die Führungskraft einer befreundeten Einrichtung sein. Es kann eine vollkommen andere Person sein, die sich Ihr Mitarbeiter aussucht.

Betrachten Sie Coaching und Supervision bitte nicht als »Psycho-Spiele«, deren Anwendung eher eine Prämie für »verdiente Mitarbeiter« ist. Coaching und Supervision sind geeignete Instrumente, um

Mitarbeitende für die täglichen Herausforderungen in der Pflege »fit« zu halten;

Mitarbeitende in Krisensituationen zu stützen;

Teams zu stabilisieren und zu entwickeln;

Ressourcen von Mitarbeitenden optimal zu nutzen.

Erfahrungsgemäß werden bessere Ergebnisse erzielt und Mitarbeitende können sich besser öffnen, wenn Coaching und Supervision durch externe Personen mit entsprechender Qualifikation durchgeführt werden.

Coaching & Supervision – auch etwas für Sie!

Pflegedienstleitungen sind als (einsame) Leitungskräfte auf Reflexion und externe Beratung besonders angewiesen. Gerade beim Coaching liegt der Schwerpunkt auf der Persönlichkeitsentwicklung – vor dem Hintergrund der realen Arbeitswelt. Eine Supervision kann Ihnen bei konkreten Problemen Lösungswege eröffnen.

2.4.4 Ethische Fallbesprechungen zur Entscheidungsfindung

Pflegekräfte sind in ihrem Arbeitsalltag mit schwierigen ethischen Fragestellungen konfrontiert, die psychisch sehr belastend sein können. So raten Experten dazu, ethische Fallbesprechungen in die Struktur des Unternehmens einzubinden. »Die beste Voraussetzung für das Gelingen einer Ethischen Fallbesprechung ist, wenn die am Gespräch Beteiligten vom allgemeinen Nutzen des Instruments und der sinnvollen Anwendung im konkreten Fall überzeugt sind.«17 Wenn Ihren Mitarbeitern klar ist, dass Fallbesprechungen keineswegs nur im »Ausnahmefall« erfolgen, sondern regelhaft, haben Sie dieses Ziel erreicht. Dann werden ethische Fallbesprechungen Belastungen vermindern und zu guten Entscheidungen im Interesse der Klienten führen.

Pflegerisches Handeln ist immer mit Werteorientierung verbunden. Zentrale Werte in einer professionellen Pflege sind:

Menschenwürde

Selbstbestimmung/Autonomie

Fürsorge

Gerechtigkeit

Empathie

Wahrhaftigkeit

Vertrauen

Verantwortung

Die daraus abgeleiteten Grundwerte

Nutzen fördern

Schaden vermeiden

Würde sichern

Lebensqualität ermöglichen

Selbstbestimmung fördern

Fürsorge verantwortlich praktizieren

Gerechtigkeit herstellen und ausbalancieren

Mitverantwortung übernehmen

führen in Pflegesituationen oft zu ethischen Konfliktsituationen, die bewusst gemacht und gelöst werden müssen.

Die Begriffe »Nutzen/Schaden« stammen aus der Medizinethik und spielen in Pflegesituationen eine eher untergeordnete Rolle. Beide sind im Begriff der Fürsorge enthalten, welcher wiederum einen zentralen Wert im Pflegealltag darstellt mit der Fragestellung: »Was ist Fürsorge für den zu pflegenden/zu betreuenden Menschen?« Im Umgang mit unterstützungs- und pflegebedürftigen Menschen steht aber eine Ethik der Achtsamkeit im Mittelpunkt. Deshalb können die Begriffe »Nutzen/Schaden« als Werte in einer ethischen Fallbesprechung vernachlässigt werden. Sie spielen eher in haftungsrechtlichen Fragen eine Rolle.

Die ethische Reflexion gewinnt in dem immer komplexer werdenden Pflegealltag zunehmend an Bedeutung. Ethische Fallbesprechungen können helfen:

im Umgang mit herausforderndem Verhalten von Klienten

bei unterschiedlichen Meinungen und Erwartungen aller Beteiligten

bei der Begleitung am Lebensende

Ethische Fragen sind immer schwer zu beantworten. Umso wichtiger ist es, über ein strukturiertes Verfahren zu verfügen. Und das stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

2.4.4.1 Ziele einer ethischen Fallbesprechung

Das Ziel einer ethischen Fallbesprechung besteht darin, im Rahmen eines strukturierten und moderierten Gesprächs innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens zu der ethisch am besten begründeten Entscheidung zu gelangen. Es geht also letztlich immer um eine ethisch begründete Antwort auf die Frage: »Was sollen wir tun?« Ziele für die Umsetzung ethischer Fallbesprechungen:

im Blick auf den pflegebedürftigen Menschen:

Lebensqualität verbessern

seine Selbstbestimmung achten

Verlässlichkeit bieten

Vertrauen schaffen

würdevolles Leben und Sterben ermöglichen

im Blick auf die professionell Pflegenden:

Mitverantwortung tragen

Verbindlichkeit des Handelns sichern

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842687349
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (März)
Schlagworte
Altenpflege Ambulante Pflege Business Gerontopsychiatrie Personaleinsatzplanung Pflegemanagement & -planung Pflegestärkungsgesetz Recht Tagespflege Teamentwicklung

Autoren

  • Karla Kämmer (Autor:in)

  • Jürgen Link (Autor:in)

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Titel: Management in der ambulanten Pflege