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Gut leben mit COPD

Endlich wieder durchatmen, Der Patientenratgeber. Mit einem Vorwort von Dr. med. Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen und Vizepräsidentin der Bundesärztekammer.

von Peter Hannemann (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Lange als „Raucherlunge“ verharmlost ist die Diagnose COPD für die Betroffenen im ersten Moment ein Schock und wirft existenzielle Fragen auf. Tatsächlich gibt es heute gute Behandlungsmöglichkeiten, die helfen können, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen
und die Lebensqualität zu erhalten. Der Lungenexperte Dr. med. Peter Hannemann erklärt genau und verständlich, welche Optionen zur Therapie von COPD aktuell zur Verfügung stehen und was Patienten aktiv zu ihrem Wohlbefinden beitragen können. Ziel ist, dass Patienten auf Augenhöhe mit den behandelnden Ärzten am eigenen Therapieerfolg mitarbeiten können.

Auf den Punkt gebracht:
In Deutschland leidet jeder vierte Mensch über 70 Jahren
an einer COPD.
Ausgewiesener Experte: Autor ist Chefarzt der Klinik
für Pneumologie und Beatmungsmedizin.
Top aktuell: Erster Ratgeber, der die enormen Veränderungen bei der COPD-Therapie bündelt.
Mit ausführlichen Ernährungs-, Bewegung- und Alltagstipps
für eine bessere Atmung.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

dem Autor gebührt große Anerkennung für diese Erstauflage eines überaus informativen und lesenswerten Patientenratgebers über eine der wichtigsten Volkskrankheiten – der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung.

Trotz aller Fortschritte in der Medizin leidet in der Bundesrepublik Deutschland jeder vierte Mensch über 70 Jahren an einer COPD. Die Zahl der Todesfälle aufgrund dieser Erkrankung nimmt stetig zu, sie ist weltweit inzwischen auf Platz 4 der Todesursachenstatistik gerückt.

Besondere Bedeutung hat eine möglichst frühzeitige und fachgerechte Diagnosesicherung einer COPD, denn einmal zerstörtes Lungengewebe lässt sich nicht mehr reparieren. Die COPD entsteht auf dem Boden einer chronischen Entzündung der Bronchien und des Lungengewebes. Hauptursache dieses chronischen Entzündungsprozesses ist das Rauchen. So entwickelt sich bei 9 von 10 COPD-Patienten die Erkrankung durch Tabakrauch, nur bei jedem zehnten COPD-Patienten ist eine anderweitige Ursache für die Entstehung der Krankheit verantwortlich.

Dem Autor dieses Ratgebers ist es in hervorragender Weise gelungen, durch gut verständliche Informationen den Patienten von Beginn an in die erforderliche Therapie seiner Erkrankung mit einzubinden. Dieses setzt voraus, dass der Patient umfänglich über die Entstehung der COPD, die weiterführende Diagnostik und die krankheitsstadiengerechten Behandlungsmöglichkeiten informiert ist.

Dr. Peter Hannemann beginnt mit einer klaren und verständlichen Präsentation der verschiedenen Ursachen der COPD, gefolgt von der Darstellung der typischen Beschwerden und der ergänzenden Diagnoseverfahren. Besonders breiten Raum nehmen die verschiedenen Bausteine der Therapie und die Therapieziele ein – Luftnot lindern, Verschlimmerungen verhindern und das Fortschreiten der Erkrankung aufhalten. In gut verständlicher Weise werden die Wirkung bronchialerweiternder Medikamente und die Inhalationstherapie erläutert. Ergänzend werden die wichtigsten Notfallmaßnahmen bei akuten Verschlechterungen und unterstützende präventive Maßnahmen wie die Impfungen dargestellt. Abgerundet wird das Kapitel durch die nichtmedikamentösen Verfahren wie Sauerstofflangzeittherapie und Maskenbeatmung.

Besonders lesenswert ist zum Abschluss das Kapitel über die Maßnahmen, welche jeder betroffene Patient selbst ergreifen kann und sollte. Neben dem Erlernen spezieller Atemtechniken, der konsequenten Raucherentwöhnung, Sport und Ernährung wird auch eingegangen auf die Fragen der Berufs- und Reisefähigkeit.

Mit fundiertem Wissen, in dem sich die jahrelange klinische Erfahrung als Chefarzt einer renommierten Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin in einem großen norddeutschen Krankenhaus widerspiegelt, gelingt es dem Autor, an die Erfolge seiner vorangegangenen Patientenratgeber zum Asthma bronchiale und zum Schlaf-Apnoe-Syndrom anzuknüpfen.

Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung und dass es zum persönlichen Besitz möglichst vieler betroffener COPD-Patienten wird.

Dr. med. Martina Wenker

Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen

Vizepräsidentin der Bundesärztekammer

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ALLES WICHTIGE ZUR COPD

Die COPD ist eine häufige, dennoch weitgehend unbekannte Krankheit. Wie sie entsteht, welche Ursachen sie haben kann und welche Rolle dabei das Rauchen spielt, erfahren Sie in diesem Kapitel. Ausführliche Beschreibungen der verschiedenen Methoden, wie eine COPD festgestellt wird, ergänzen die Erläuterungen zur Erkrankung.

COPD: Was ist das?

Im Gegensatz zu Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird die Lungenkrankheit COPD selten in der Öffentlichkeit thematisiert, dabei ist das Bedürfnis nach seriöser Information und Aufklärung größer denn je. Fangen wir deshalb ganz von vorne an: Was bedeutet die Abkürzung COPD überhaupt? COPD steht für Chronic Obstructive Pulmonary Disease, was frei übersetzt so viel heißt wie „chronische Lungenkrankheit mit verengten Atemwegen“. Andere Bezeichnungen sind COLD (Chronic Obstructive Lung Disease) oder chronisch obstruktive Bronchitis. Das Wort „obstruktiv“ taucht in allen Bezeichnungen auf, denn es charakterisiert die Erkrankung: Obstruktion heißt Verengung. Gemeint ist die Verengung der Bronchien, und durch diese Bronchialverengung kommt die Luftnot zustande.

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Obstruktion heißt Verengung.

Die COPD ist nicht die einzige Erkrankung mit verengten Bronchien. Auch das Asthma bronchiale zeichnet sich durch eine Bronchialverengung aus. Dass Asthma und COPD zwei verschiedene Erkrankungen sind, obwohl sie beide zu einer Verengung der Bronchien führen und sich in diesem Punkt ähnlich zu sein scheinen, war nicht immer klar. Heute verstehen wir unter COPD eine Erkrankung, die durch vier Merkmale charakterisiert ist:

Hauptmerkmal sind die verengten Bronchien. Die Verengung bildet sich niemals vollständig zurück (im Gegensatz zum Asthma).

Neben der Bronchialverengung ist eine chronische Entzündung der Bronchien typisch für die COPD.

Durch die Entzündung ändert sich die Architektur der Bronchien: Die Bronchialwand wird dicker, der Innendurchmesser der Bronchien kleiner. Außerdem verlieren die Schleimhautzellen, die die Bronchien auskleiden, durch die Entzündung einen Teil ihrer Flimmerhärchen, die für den Schleimtransport zuständig sind, und die Anzahl schleimproduzierender Zellen nimmt zu.

Dieser Umbau der Schleimhaut hat zur Folge, dass sie ihre Funktion bei der Abwehr von Krankheitserregern nur noch unzureichend wahrnehmen kann.

Zahlen, Daten, Fakten

Die Erforschung der COPD stand lange Zeit im Schatten der Asthmaforschung. Dabei entstand manchmal der Eindruck, als sei Asthma die bedeutendere Erkrankung – obwohl bekannt war, dass die COPD die viel häufigere und viel gefährlichere Krankheit war. Die Häufigkeit der COPD in Deutschland wurde 2003 durch die sogenannte „Krankheitskostenstudie“ ermittelt: Diese Untersuchung schätzte die Zahl der COPD-Kranken in Deutschland auf drei Millionen Menschen, also etwa 7–8 % der über 40-Jährigen.

Leider mussten diese Zahlen fünf Jahre später noch einmal nach oben korrigiert werden: 2008 zeigte eine Studie, dass die „Krankheitskostenstudie“ die Bedeutung der COPD weit unterschätzt hatte: In 35 Ländern hatte man jeweils 300 Männer und Frauen, die älter als 40 Jahre waren, auf das Vorliegen einer COPD untersucht. Dabei stand Deutschland relativ gut da, weil es im internationalen Vergleich die niedrigste COPD-Häufigkeit für sich beanspruchen konnte: 13,3 % der Untersuchten hatten hier eine COPD, aber das waren immerhin zwei Millionen Menschen mehr als bisher angenommen! Mit zunehmendem Alter nahm die Häufigkeit zu; bei den über 70-Jährigen litten 27 %, also etwa jeder Vierte, unter einer COPD. Ganz besonders erschreckend war jedoch, dass jeder zweite Betroffene von seiner Erkrankung gar nichts wusste!

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Jeder vierte Mensch über 70 leidet unter einer COPD.

Weltweit leiden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO etwa 65 Millionen Menschen an einer mittelschweren bis schweren COPD. Mehr als drei Millionen Menschen sterben jedes Jahr an ihren Folgen, jeder 20. Todesfall geht auf eine COPD zurück. Dass COPD-Patienten im Durchschnitt neun Jahre früher sterben als Menschen ohne diese Erkrankung, macht die verheerenden Auswirkungen der COPD vielleicht noch anschaulicher. Und während es in den letzten 40 Jahren gelungen ist, viele Erkrankungen zurückzudrängen oder ihnen den Schrecken zu nehmen, zeigt sich bei der COPD ein ganz anderer Trend: Von 1965 bis Ende 1998 nahm die Sterblichkeit an COPD um 163 % zu, während die Sterblichkeit bei anderen Erkrankungen abnahm: bei der koronaren Herzerkrankung beispielsweise um 59 %, beim Schlaganfall um 64 % und bei anderen Gefäßerkrankungen um 35 %.

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Die Häufigkeit von COPD hat in den letzten Jahren leider noch zugenommen.

Die Zahl der Todesfälle, die auf eine COPD zurückzuführen sind, nimmt kontinuierlich zu. Lag die COPD 1990 in der Todesursachenstatistik weltweit noch auf Platz sechs und war für 8 % der Sterbefälle verantwortlich, so war sie 2012 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation auf Platz vier vorgerückt und wird – da die Erkrankungszahlen weiter steigen – laut WHO-Prognose bis zum Jahr 2030 sogar die dritthäufigste Todesursache sein.

Lunge und Atmung

Um die Schäden zu verstehen, die die COPD an Bronchien und Lunge verursacht, sehen wir uns zunächst an, wie Lunge und Bronchialsystem aufgebaut sind und wie sie funktionieren.

Sauerstoff zum Leben

Unser Körper besteht aus etwa 60 Billionen Zellen. Jede dieser Zellen benötigt Energie, um ihre vielfältigen Funktionen zu erfüllen. Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette, die im Magen-Darm-Trakt zerkleinert und in ihre Bestandteile aufgespalten werden, werden auf dem Blutweg zu den Zellen transportiert, in das Zellinnere aufgenommen und dort weiter abgebaut. Schließlich werden die so entstandenen Moleküle in den Energiezentren der Zellen, den Mitochondrien, unter Zuhilfenahme von Sauerstoff in Wasser und Kohlendioxid oder Harnstoff zerlegt. Bei dieser chemischen Reaktion, einer Oxidation, wird Energie frei, mit deren Hilfe kleine Energiespeichermoleküle aufgebaut werden. Auf diese Energiespeichermoleküle kann die Zelle jederzeit zurückgreifen, um ihren Energiebedarf zu decken. Ohne ständige Nachlieferung von Sauerstoff in die Zellen wäre eine Energiegewinnung nicht möglich. Diese Aufgabe wird von der Lunge und dem Herzkreislaufsystem wahrgenommen, die auch für Abtransport und „Entsorgung“ des Kohlendioxids aus den Zellen und dem Körper zuständig sind.

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Ohne ständige Nachlieferung von Sauerstoff in die Zellen wäre eine Energiegewinnung nicht möglich.
Wie die Atmung funktioniert

Lunge und Brustkorb haben Ähnlichkeit mit einem Blasebalg. Bei der Einatmung hebt sich der Brustkorb und senkt sich das Zwerchfell: Die Brusthöhle wird erweitert; Luft strömt in die Lunge. Mit der Ausatmung wird die Luft wieder aus dem Brustkorb hinausgedrückt. 10.000 bis 20.000 Liter Luft passieren jeden Tag unsere Atemwege.

Die Luft strömt durch Nase oder Mund über den Kehlkopf in die Luftröhre, ein 1,5–2 cm weites Rohr, dessen Vorder- und Seitenwände durch Knorpelspangen verstärkt sind. Die Luftröhre zweigt sich 18-mal in immer dünnere Röhren auf, die von einem Muskelschlauch umschlossen sind. Bis zur 9. Aufteilung werden die Atemwege durch Knorpelspangen stabilisiert und als Bronchien bezeichnet. Ab der 10. Aufteilung beginnen die Bronchiolen, die nicht mehr durch Knorpel versteift sind. Sie münden schließlich in 80 Millionen Kammern, deren Außenwände von den Lungenbläschen gebildet werden. Die Zahl der Lungenbläschen ist unvorstellbar groß: Man schätzt sie auf 300 bis 600 Millionen.

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Die Innenfläche aller Lungenbläschen zusammen ist mit ca. 80–100 m2 so groß wie ein Tennisplatz.

In den Lungenbläschen findet der Gasaustausch statt: Die rechte Herzkammer, die das sauerstoffarme Blut aus dem Körper ansaugt, pumpt 25 Billionen rote Blutkörperchen pro Minute durch ein Geflecht feinster Blutgefäße, das die Lungenbläschen überzieht. In 0,3 Sekunden passieren die roten Blutkörperchen die Lungenbläschen. In dieser kurzen Zeit tritt der Sauerstoff aus den Lungenbläschen ins Blut über und bindet sich an die roten Blutkörperchen, während das Kohlendioxid aus dem Blut in die Lungenbläschen wechselt und mit der Ausatmung an die Umwelt abgegeben wird. Aus der Lunge strömt das sauerstoffbeladene Blut in die linke Herzkammer und wird von dort überall in den Körper weitergepumpt. Dort geben die roten Blutkörperchen den Sauerstoff an die Zellen ab und nehmen das dort gebildete Kohlendioxid auf, um es wieder zur Lunge zu transportieren.

 

Aufbau der Lunge und unserer Atemwege.

Die Abwehrmechanismen von Lunge und Bronchien

Kein anderes Organ unseres Körpers ist schädlichen Einflüssen unserer Umwelt so intensiv ausgesetzt wie die Lunge. Mit jedem Atemzug fluten Millionen feinster Staubteilchen, Faserpartikel, Bakterien, Viren, Pilzsporen, Pollen und Umweltschadstoffe durch unsere Atemwege. Mit diesen Fremdstoffen und Krankheitserregern müssen Bronchien und Lunge fertig werden. Dazu ist unser Atemorgan mit einem ausgeklügelten Abwehrsystem ausgestattet: Nase und Rachen sind für die Grobreinigung der eingeatmeten Luft zuständig: Größere Teilchen bleiben in den Haaren der Nase hängen oder prallen in den Schleimfilm der Rachenhinterwand. Während der Passage durch Nase und Atemwege wird die Atemluft angewärmt und angefeuchtet, um die empfindlichen Oberflächen nicht zu reizen.

 

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Gesunde Flimmerhärchen mit darüberliegendem Schleimteppich.

Das ganze Röhrensystem der Atemwege ist mit Schleimhaut ausgekleidet, die überwiegend aus Flimmerzellen besteht. Jede einzelne trägt etwa 200 Flimmerhärchen. Unter dem Elektronenmikroskop sieht die Schleimhaut daher wie ein Getreidefeld aus.

Zwischen den Flimmerzellen liegen Zellen, die wie schleimgefüllte Becher aussehen, sogenannte Becherzellen. Sie produzieren täglich ca. 200-400 ml Schleim, der wie ein Teppich über den Flimmerhärchen der Schleimhaut liegt. Durch wellenförmige Schlagbewegungen der Flimmerhärchen (1000- bis 1500-mal pro Minute) wird der Schleimteppich mit einer Geschwindigkeit von 1–2 cm pro Minute aus der Tiefe der Bronchien Richtung Kehlkopf geschoben. Dort angekommen, wird der Schleim unbemerkt verschluckt.

Verunreinigungen der Luft wie Staubpartikel, Bakterien und Pollen werden mit dem Atemstrom in den Schleim hineingewirbelt und bleiben dort haften. Was nicht von den körpereigenen Abwehrzellen vor Ort abgetötet oder aufgenommen und entsorgt wird, wird mit dem Schleimteppich wie auf einem Förderband Richtung Kehlkopf geschoben und aus den Atemwegen hinausbefördert. Bakterien, die so in den Magen gelangen, werden von der Magensäure zerstört.

Ein gesunder Mensch nimmt Schleimbildung und -transport gar nicht wahr. Auswurf und der sogenannte Raucherhusten sind bereits Krankheitssymptome: Erst wenn mehr als 200–400 ml Schleim pro Tag produziert werden, sind die Flimmerhärchen überfordert; der vermehrte Schleim wird jetzt von den Bronchien wie ein „in die falsche Röhre“ geratener Fremdkörper behandelt und löst einen Hustenreflex aus: Mit Luftgeschwindigkeiten zwischen 100–400 km pro Stunde wird der Auswurf abgehustet.

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Ein gesunder Mensch nimmt Schleimbildung und -transport gar nicht wahr.

Wie eine COPD entsteht

Was geschieht an Bronchien und Lunge?

Die Erkenntnis, dass eine Verengung der Bronchien zu Atemnot führt, ist älter als 2000 Jahre. Bereits der griechische Arzt Galen (2. Jh. n. Chr.) nahm an, dass die Atemwege bei Patienten mit Atemnot durch Schleim verlegt würden. Galen wusste nicht, dass der Schleim in den Bronchien selbst produziert wird. Er vermutete, dass er aus dem Gehirn stammt und von dort in Luftröhre und Bronchien fließt.

Heute wissen wir, dass die COPD auf dem Boden einer chronischen Entzündung der Bronchien und des Lungengewebes entsteht. Ist der Entzündungsprozess einmal in Gang gekommen, bleibt in der Bronchialschleimhaut nichts mehr beim Alten: Unzählige Entzündungszellen, vor allem weiße Blutkörperchen und Fresszellen, werden aus den Blutgefäßen in die Wand der Bronchien eingeschwemmt. Zahllose Flimmerzellen verlieren Flimmerhärchen, lösen sich von der Bronchialwand und gehen schließlich zugrunde. In schweren Fällen kommt es zur vollständigen Abtragung der Bronchialschleimhaut. Unter dem Elektronenmikroskop sieht die Schleimhaut dann so verwüstet aus, als wäre ein Sturm über ein Getreidefeld hinweggefegt: Bezirke, in denen sich die Schleimhautzellen von der Bronchialwand abgelöst haben und die daher wie abgemäht aussehen, wechseln mit entzündlich aufgequollenen Schleimhautarealen. Nervenenden, die bislang geschützt zwischen den Zellen lagen und von Schleim bedeckt waren, liegen plötzlich ungeschützt an der Oberfläche.

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Die COPD entsteht auf dem Boden einer chronischen Entzündung der Bronchien und des Lungengewebes.

Ihre Reizung führt zu einer reflektorischen Bronchialverengung. Die Zahl der schleimbildenden Zellen wiederum nimmt zu. Das vermehrt gebildete Sekret staut sich im Bronchialsystem zurück, weil der Flimmerapparat zerstört ist.

Die chronische Entzündung der Atemwege bei der COPD zerstört die normalen Abwehrbarrieren der Bronchialschleimhaut und lässt das komplizierte Abwehrsystem der Bronchien, das Schadstoffe, Mikroorganismen und Allergene neutralisieren soll, zusammenbrechen. Bakterien und Viren kann man jetzt nur noch geringen Widerstand entgegensetzen, die Infektanfälligkeit steigt also. Jeder Atemwegsinfekt wiederum verstärkt die Atemwegsentzündung; die Schädigung der Flimmerzellen nimmt weiter zu und damit die Infektanfälligkeit: ein Teufelskreis!

Die weißen Blutkörperchen und Fresszellen, die in die Bronchialschleimhaut einwandern, enthalten eiweißzerstörende Enzyme. Mithilfe dieser Enzyme vernichten sie normalerweise Krankheitserreger, die sie in den Zellleib aufgenommen haben. Sterben die weißen Blutkörperchen und Fresszellen dann ab, gelangen diese Enzyme in großen Mengen ins Bronchialsystem. Da sie ihre Fähigkeit, Eiweiße zu spalten, nicht verloren haben, sind sie jetzt eine Gefahr für das eigene Lungengewebe.

Normalerweise neutralisieren sogenannte Antiproteasen im Bronchialsystem und im Lungengewebe diese Enzyme und verhindern so, dass das Lungengewebe Schaden nimmt. Tabakrauch bringt dieses ausgeklügelte System jedoch völlig aus dem Gleichgewicht: Zum einen löst das Zigarettenrauchen eine so starke bronchiale Entzündungsreaktion aus, dass die Freisetzung solcher eiweißzerstörenden Enzyme aus weißen Blutkörperchen und Fresszellen überhandnimmt. Zum anderen vermindert Tabakrauch die Wirksamkeit bestimmter Antiproteasen. Dadurch kommt es zur Zerstörung der Wände zwischen den Lungenbläschen. Die Folge: Die Anzahl der Lungenbläschen nimmt ab, sie werden größer und verlieren ihre Elastizität. Einmal zerstörte Lungenbläschen lassen sich nicht mehr reparieren; es entsteht ein Lungenemphysem.

 

Geschädigte Schleimhaut mit kranken Flimmerzellen und vermehrten Becherzellen.

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Einmal zerstörte Lungenbläschen lassen sich nicht mehr reparieren.

Die Beschwerden bei COPD kommen vor allem durch drei Mechanismen zustande:

Die chronische Entzündung des Bronchialsystems führt zu einem Umbau der Bronchialwand, deren Dicke zunimmt. Dadurch wird der Innendurchmesser der Bronchien kleiner.

Außerdem bilden die Drüsenzellen der Bronchialschleimhaut vermehrt zähen Schleim.

Durch die Zerstörung der Scheidewände zwischen den Lungenbläschen entwickelt sich ein Lungenemphysem.

 

Bronchialquerschnitt eines gesunden (links) und eines kranken Menschen (rechts): Die chronische Entzündung des Bronchialsystems führt zu einem Umbau der Bronchialwand, deren Dicke zunimmt.

Die Folge: Mit der Bronchialverengung, der vermehrten Schleimbildung und dem Umbau des Lungengewebes treten Husten, Auswurf, pfeifende Atemgeräusche, Engegefühl in der Brust und Atemnot auf.

Folgeschaden am Herz

Bei einer schweren COPD kann es langfristig zu einer Pumpschwäche der rechten Herzkammer kommen: Das Zusammenspiel von Herz-Kreislauf-System und Lunge ist optimal aufeinander abgestimmt, um eine ausreichende Versorgung des Körpers mit Sauerstoff selbst unter ungünstigen Bedingungen zu gewährleisten. Sind einzelne Lungenbezirke schlecht belüftet, wird der Blutstrom dorthin gedrosselt, indem die Blutgefäße verengt werden. Dadurch wird das Blut zu den Lungenbläschen umgeleitet, die gut belüftet sind. Dieser Mechanismus stellt sicher, dass die roten Blutkörperchen trotz regionalen Sauerstoffmangels in der Lunge ausreichend mit Sauerstoff beladen werden.

Aber dieser Schutzmechanismus kann sich auch ins Gegenteil verkehren: Sind nämlich bei einer schweren COPD alle Lungenbläschen schlecht belüftet, werden sämtliche Blutgefäße in der Lunge enggestellt. Das Resultat: Die rechte Herzkammer, die das sauerstoffarme Blut durch die Lunge pumpt, muss gegen einen erhöhten Widerstand anarbeiten. Anfangs ist das für die Muskulatur der rechten Herzkammer wie ein Training: Sie wird dicker und kräftiger. Nach relativ kurzer Zeit kann die Herzmuskulatur diese dauernde Mehrarbeit jedoch nicht mehr leisten. Es tritt eine Pumpschwäche ein: Das Blut „staut“ sich vor dem Herzen, so dass schließlich Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das umliegende Gewebe übertritt. Das ist erkennbar daran, dass die Fußknöchel anschwellen: Eine Rechtsherzschwäche ist eingetreten.

Hauptursache der COPD: Rauchen

Die COPD ist in den allermeisten Fällen eine Raucherkrankheit. Nur bei jedem zehnten COPD-Patienten entwickelt sich die Krankheit auf dem Boden anderer Lungen- oder Bronchialschäden, beispielsweise bei langjährig unzureichend behandeltem Asthma, als Folge schwerer Atemwegsinfektionen oder bei erblich bedingten Schädigungen des Abwehrsystems, etwa dem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (siehe Seite 27).

90 % der COPD-Erkrankungen entstehen also durch Tabakrauch. Eine Feststellung, die Rauchern verständlicherweise nicht behagt. Die Fakten liegen jedoch auf dem Tisch: Machen Sie sich einfach einmal klar, dass mit jeder gerauchten Zigarette etwa 100 Millionen Staubpartikel und eine Billion Oxidanzien in die Atemwege befördert werden, die die Schleimhaut schädigen. Verglichen mit diesem Sturmangriff auf die Bronchien sind Umweltschadstoffe zumindest in Deutschland von untergeordneter Bedeutung.

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90 % der COPD-Erkrankungen entstehen durch Tabakrauch.

Angemerkt sei allerdings, dass Schadstoffe in der Luft für Raucher gefährlicher sein können als für Nichtraucher. Durch das Rauchen werden nämlich wichtige Abwehrmechanismen im Bronchialsystem deaktiviert. So nimmt beispielsweise die Selbstreinigungsfunktion der Bronchien ab, weil bei Rauchern die für die Reinigung zuständigen Flimmerzellen beschädigt werden oder sogar absterben und durch nachwachsende Becherzellen vermehrt zäher Schleim gebildet wird. Luftschadstoffe können dadurch viel tiefer in Bronchien und Lunge eindringen als bei Nichtrauchern. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Asbestfasern, die gerade für Raucher viel gefährlicher sind für Nichtraucher.

Auch wenn Raucher und Tabakindustrie es nicht gern hören: Zigaretten sind wahre Staub- und Giftschleudern. Nach 20-jähriger Raucherkarriere hat der Durchschnittsraucher sechs Kilo Rauchstaub und eine Tasse Teer („Kondensat“) inhaliert. Eine Zigarette enthält mehr als 4800 chemische Verbindungen. Die meisten davon dringen beim Rauchen tief in die Atemwege ein, weil die Stäube im Zigarettenrauch sehr fein sind. Mehr als 200 dieser Inhaltsstoffe sind giftig. Unter ihnen befinden sich Substanzen wie Acrolein, Arsen, Benzpyren, Benzol, Formaldehyd, Kohlenmonoxid, Nitrosamine, radioaktives Polonium, Stickoxide und Zyanwasserstoff – Stoffe, deren Giftigkeit selbst Laien bekannt ist. Man weiß heute, dass mindestens 70 Substanzen im Zigarettenrauch krebserregend sind.

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Zigaretten sind wahre Staub- und Giftschleudern.

 

Bitte führen Sie sich vor Augen: Mehr als 200 Inhaltsstoffe einer Zigarette sind giftig!

Warum der Angreifer leichtes Spiel mit uns hat: die Sucht

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn man das Rauchen einfach sein lassen könnte, sobald man die Schädlichkeit für sich erkannt hat. Aber ist man erst einmal auf den Geschmack gekommen, lässt die Zigarette ihr Opfer leider nicht mehr so ohne Weiteres los, denn Rauchen macht abhängig.

Die Mechanismen der Sucht sind inzwischen gut bekannt: Die Wirkung des Zigarettenrauchens auf unser Gehirn tritt innerhalb kürzester Zeit ein. Es dauert nur sieben bis acht Sekunden, bis das Nikotin, das mit dem Tabakrauch inhaliert wird, im Gehirn bestimmte Rezeptoren (sogenannte nikotinerge Acetylcholinrezeptoren) besetzt. Die Bindung an diese Rezeptoren führt zur Ausschüttung von Noradrenalin, einem Hormon, das aufputschend wirkt und die Aufmerksamkeit erhöht. Außerdem beeinflusst Nikotin das Belohnungszentrum des Gehirns.

Diese beiden Mechanismen tragen ganz wesentlich zur Ausbildung der Sucht bei, denn die regelmäßige Nikotinaufnahme hat eine Vermehrung der Acetylcholinrezeptoren im Gehirn zur Folge. Bleibt dann die Nikotinzufuhr aus, kommt es zu Entzugssymptomen.

Damit nicht genug: Die Tabakindustrie, die jährlich weltweit einen Umsatz von mehr als 300 Milliarden US-Dollar erzielt, hat – obwohl man über die schädliche Wirkung des Rauchens bestens Bescheid wusste – im Kampf um Marktanteile bedenkenlos in die chemische Trickkiste gegriffen und ihre Produkte „aufgepeppt“. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass den Zigaretten Stoffe beigemengt wurden und zum Teil immer noch werden, um die Abhängigkeit zu vergrößern, den Geschmack zu verbessern oder um den Rauch „weicher“ zu machen, damit er weniger reizt.

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Die Tabakindustrie erzielt jährlich weltweit einen Umsatz von mehr als 300 Milliarden US-Dollar.

Die Liste dieser Zutaten ist lang: Ammoniumchlorid beispielsweise verstärkt die Freisetzung von Nikotin; Menthol und Gewürznelken dämpfen den Hustenreiz und betäuben die schmerzenden Atemwege, so dass der Rauch tiefer und beschwerdefreier inhaliert werden kann; Zucker und Glykol karamellisieren zusammen mit dem Ammoniak, erzeugen dadurch einen weichen Geschmack und nehmen – ebenso wie Kakaobeimengungen – dem Rauch die Schärfe. Mit diesen Tricks macht man Kindern und Jugendlichen den Einstieg in die Raucherkarriere leichter.

Eine auf den ersten Blick scheinbar gute Maßnahme, die letztlich aber doch nur die Verkaufszahlen sichern sollte, bestand darin, Zigaretten mit reduziertem Nikotin- und Teergehalt auf den Markt zu bringen. Insbesondere Frauen sollten angesprochen werden. Doch inzwischen ist nachgewiesen, dass Zigaretten mit reduziertem Nikotin- und Teergehalt genauso schädlich sind wie „normale“ Zigaretten.

Die geschickte Werbung der Tabakindustrie hat dazu geführt, dass Rauchen nicht nur „gesellschaftsfähig“ wurde, sondern in den 1970er- und 1980er-Jahren geradezu dazugehörte, wenn man etwas gelten wollte. Kein Film ohne rauchende Helden, keine Straße ohne große Werbeplakate, keine Schule, in deren Nähe nicht ein frei zugänglicher Zigarettenautomat zu finden war.

Rauchen macht krank

Rauchen ist für mehr als 70 % aller chronischen Lungenerkrankungen verantwortlich. Wirft man einen Blick auf die Liste aller Schäden und Erkrankungen, die durch das Rauchen ausgelöst werden, wundert man sich, dass es so lange gesellschaftlich akzeptiert war und die Politik jahrelang nur halbherzige Maßnahmen ergriffen hat, um die Gesundheit der Bevölkerung besser zu schützen.

Die Liste der tabakrauchbedingten Schäden und Erkrankungen ist lang und löst Beklemmung aus: Sie reicht von Zahnfleischschwund bis zum Lungenkrebs, von der vorzeitigen Alterung der Haut bis zum Herzinfarkt, von Potenzstörungen bis zum Blasenkrebs, von der Schwächung des Immunsystems mit erhöhter Anfälligkeit für Infekte bis zur COPD, von der verzögerten Wundheilung bis zum Verschluss der Beinarterien, dem sogenannten Raucherbein.

 

Die traurige Wahrheit ist, dass jeder zweite Raucher an den Folgen des Tabakkonsums stirbt und dass Rauchen die Lebensdauer um zehn bis 15 Jahre verkürzt. Jede Zigarette, die man sich ansteckt, kostet acht bis zehn Minuten Lebenszeit.

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Jeder zweite Raucher stirbt an den Folgen des Tabakkonsums, und Rauchen verkürzt die Lebensdauer um zehn bis 15 Jahre.

Wie verursacht das Rauchen eine COPD?

Die Schadstoffe im Zigarettenrauch greifen zuallererst die Schleimhäute der Bronchien an: Wer raucht, entwickelt im Laufe der Jahre eine Entzündung der kleinsten Atemwege, die sogenannte Bronchiolitis. In diesem Stadium ist der Schaden am Bronchialsystem noch rückbildungsfähig, wenn das Rauchen aufgegeben wird. Eine wichtige Rolle bei der Schädigung der Atemwege scheint das Aluminiumsilicat im Zigarettenrauch zu spielen, das auch unter der Bezeichnung Kaolinid bekannt ist. Diese Substanz führt zu einem Schaden an den Zellen der Bronchialschleimhaut und löst eine ausgeprägte Entzündungsreaktion aus.

Die Folge: Die Flimmerhärchen, die den Schleimteppich des Bronchialsystems durch ihre Schlagbewegung nach oben befördern, gehen zugrunde. Der Schleimteppich reißt auf. Die Reinigungsfunktion des Bronchialsystems kommt zum Erliegen. Bei der Reparatur ersetzt der Körper die abgestorbenen Flimmerzellen durch schleimproduzierende Zellen, die viel festes Sekret produzieren. Das alles führt dazu, dass das Bronchialsystem schutzlos den Schadstoffen ausgeliefert ist, die durch den Zigarettenrauch eingeatmet werden. Genauso schutzlos ist es gegenüber viralen und bakteriellen Krankheitserregern, die ihrerseits gehörigen Schaden am Bronchialsystem verursachen. Es entsteht ein Teufelskreis: Das Rauchen zerstört die Architektur der Bronchialschleimhaut. Die Selbstreinigungs- und Abwehrmechanismen von Bronchien und Lunge kommen zum Erliegen, so dass Tabakrauch, Bakterien und Viren nur noch auf eine abgeschwächte Gegenwehr treffen: Der Schaden wird immer größer.

In der Folge schreitet die Bronchiolitis bei vielen Rauchern fort. Schließlich entwickelt sich bei jedem fünften Raucher eine COPD mit verengten Atemwegen und zerstörten Scheidewänden zwischen den Lungenbläschen. Unter dem Mikroskop sieht man diesen Schaden an den Lungenbläschen sogar bei 60 % der Raucher. Das feine „Wabenmuster“ der aneinandergrenzenden Lungenbläschen ist zerstört: Aus den vielen kleinen Lungenbläschen sind wenige größere Blasen geworden, die ihre Funktion bei der Atmung nicht mehr ordnungsgemäß wahrnehmen können.

Während die Verengung der Bronchien durch Medikamente, die bronchialerweiternd wirken, zumindest teilweise gebessert werden kann, ist der Schaden an den Lungenbläschen, das sogenannte Lungenemphysem, auch als „Blählunge“ bezeichnet, nicht reparabel.

 

Der Schaden an den Lungenbläschen, das Lungenemphysem oder die „Blählunge“, ist nicht reparabel.

Passivrauchen

Jahrelang wurde diese Problematik heruntergespielt, heute weiß man aber, dass Raucher nicht nur sich selbst schädigen und ihre Lebensspanne verkürzen: Gefährdet sind auch die Menschen, die den Tabakqualm einatmen oder sogar einatmen müssen: die eigenen Kinder, Lebensgefährten, Freunde, Arbeitskollegen. Auch diejenigen, die gar nicht selbst rauchen, aber regelmäßig fremden Tabakrauch einatmen müssen, werden krank.

Der Tabakrauch, den der Passivraucher einatmet, ist anders zusammengesetzt als der Rauch, den der Raucher selbst inhaliert. Der Rauch, den der Raucher aus der Zigarette direkt in die Lunge zieht, der sogenannte „Hauptstromrauch“, macht etwa ein Viertel des Gesamtrauchs aus. Dreiviertel des Gesamtrauchs wird als „Nebenstromrauch“ in den Raum geblasen. Das Teuflische dabei: Die Konzentration etlicher Schadstoffe einschließlich der krebserregenden Stoffe ist im „Nebenstromrauch“ um ein Vielfaches höher als im „Hauptstromrauch“.

Besonders gefährdet sind Kinder, deren Eltern rauchen: In Deutschland wächst jedes zweite Kind in einem Raucherhaushalt auf, das bedeutet, dass etwa sechs Millionen Kinder in Deutschland passiv Tabakrauch inhalieren. Und das hat schlimme Folgen: Die Hälfte aller Atemwegserkrankungen bei Babys ist durch Passivrauchen verursacht. Bei Kindern, die eine allergische Veranlagung haben, verdoppelt Passivrauchen das Entstehungsrisiko für Asthma.

Gibt es auch andere Ursachen als das Rauchen?

Wie immer gibt es auch hier Ausnahmen: Etwa 10 % aller COPD-Patienten haben niemals zum Glimmstängel gegriffen. Es muss also auch noch andere Ursachen für die Entwicklung einer COPD geben. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten kurz vor:

Alpha-1-Antitrypsin-Mangel

Diese seltene erbliche Stoffwechselerkrankung hat zur Folge, dass kein ausreichender Schutz mehr gegen eiweißzersetzende Enzyme aus Fresszellen und weißen Blutkörperchen besteht. Diese Enzyme richten erheblichen Schaden am Lungengewebe an, indem sie die Scheidewände zwischen den Lungenbläschen zerstören: Es entsteht ein Lungenemphysem. Nachgewiesen wird der Gendefekt durch eine einfache Blutuntersuchung. Ist ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel nachgewiesen und die Lungenfunktion beeinträchtigt, kann man ein Fortschreiten der Krankheit dadurch aufhalten, dass man in regelmäßigen Abständen das fehlende Alpha-1-Antitrypsin ersetzt. Dies geschieht durch eine einfache Infusion.

Bakterielle oder virale Infekte

Bakterielle oder virale Infekte der Atemwege hinterlassen manchmal bleibende Schäden an Lunge und Bronchien, die die Entstehung einer COPD begünstigen. Summieren sich diese Schäden, weil sich Infektionen in kurzem Abstand wiederholen, können sie erst recht einer COPD den Weg bereiten. Ein Beispiel für solche Infektanfälligkeit sind Antikörpermangel-Syndrome. Das Immunsystem bildet bei diesen Erkrankungen zu wenig Antikörper, die es aber benötigt, um Bakterien und Viren abzuwehren. Diese Antikörper kann man zwar durch regelmäßige Infusionen ersetzen, aber in der Regel wird die Diagnose erst gestellt, wenn die Infekte bereits Schäden hinterlassen haben. Menschen mit einem angeborenen oder im Laufe des Lebens erworbenen Mangel an Antikörpern im Blut, die für die Infektabwehr zuständig sind, sind daher besonders gefährdet, eine COPD zu entwickeln.

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Summieren sich die Schäden von Infekten, können sie einer COPD den Weg bereiten.

Störungen an der Bronchialschleimhaut

Genauso wie ein Mangel an Antikörpern können Störungen des Aufbaus und der Funktion der Bronchialschleimhaut zu wiederkehrenden Infektionen führen, weil die Schleimhaut des Bronchialsystems wichtige Aufgaben bei der Reinigung und Infektabwehr hat. Brechen diese Funktionen zusammen, kommt es zu Schäden am Bronchialsystem, die zur Ausbildung einer COPD führen können.

Schadstoffe in der Luft

Während Luftschadstoffe in Deutschland kaum eine Rolle bei der Entstehung einer COPD spielen, sieht das in ärmeren Ländern mit hoher Umweltverschmutzung und schlechter Arbeitsplatzhygiene ganz anders aus. Auch häusliche Schadstoffe können eine COPD verursachen: In vielen Ländern mit geringem Lebensstandard ist es gang und gäbe, die Mahlzeiten an offenen Herdstellen in einem Raum ohne Rauchabzug zuzubereiten. Häufig ist dies sogar der einzige Raum der Familie, in dem man lebt und auch schläft. Dass beispielsweise in Indien gerade Frauen häufig an einer COPD erkranken, ist auf solche Wohn- und Lebensumstände zurückzuführen.

Wie stellt man eine COPD fest?

Typische Beschwerden

Wie wirkt sich die COPD auf den Alltag der Betroffenen aus? Bei der COPD sind die Bronchien chronisch entzündet. Der ständige Kampf des körpereigenen Abwehr- und Reparatursystems mit der Erkrankung bleibt nicht ohne Folgen: Die Schleimhaut der Bronchien wird geradezu „verwüstet“, es wird vermehrt Schleim produziert. Diese Veränderungen erklären Husten und Auswurf.

Die Atembeschwerden treten anfangs nur bei körperlicher Belastung auf. Da sie sich schleichend einstellen, werden sie manchmal gar nicht wahrgenommen. Erst im Nachhinein, wenn die Luftnot im Laufe der Jahre zugenommen hat und selbst bei leichter Belastung auftritt, so dass man sie nicht mehr ignorieren kann, fällt auf, dass man auch schon früher nicht so belastbar war wie Freunde oder der Ehepartner.

Um sich ein Bild von der Schwere der Erkrankung zu verschaffen und um Veränderungen richtig einordnen zu können, ist die Belastbarkeit ein guter Hinweis. Die meisten COPD-Patienten können ganz genau angeben, nach wie viel Etagen Treppensteigen Atembeschwerden einsetzen. Nicht selten gehen diese mit pfeifenden Atemgeräuschen einher.

 

Atemnot beim Treppensteigen ist ein Warnsignal.

Die Atembeschwerden stellen eine große Belastung dar, die den Alltag spürbar einschränkt. Wissenschaftler um Professor Morgan vom Glenfield Hospital in Leicester, Großbritannien, stellten bei einer Befragung von COPD-Patienten fest, dass 79 % nur mit Luftnot Treppen steigen konnten, 75 % hatten Probleme bei der Gartenarbeit und 75 % bei einfachen Hausarbeiten. Je schwerer die COPD war, umso eher traten Atembeschwerden auf: 44 % hatten Luftnot beim Ankleiden, 31 % wachten nachts mit Atembeschwerden auf.

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Atembeschwerden stellen eine große Belastung dar, die den Alltag spürbar einschränkt.

Diese Studie zeigt, was die Betroffenen schmerzlich spüren: Alltagsverrichtungen fallen zunehmend schwerer, die Lebensqualität nimmt ab, man ist nicht mehr so mobil wie früher, verliert damit einen Teil seiner Unabhängigkeit und ist im schlimmsten Fall schließlich auf fremde Hilfe angewiesen.

Der BODE-Index

Genauer als aus den Beschwerden allein lässt sich die Schwere einer COPD-Erkrankung mit einem Index einschätzen, der 2004 entwickelt wurde. Je ausgeprägter die Luftnot, je schlechter die Lungenfunktion, je kürzer die Sechs-Minuten-Gehstrecke und je ausgeprägter die Neigung zu Untergewichtigkeit, umso schwerer die Erkrankung.

Bekannt wurde der Index unter dem Namen „BODE-Index“. Seinen Namen leitet er aus den Anfangsbuchstaben seiner vier Messgrößen ab:

dem Body-Mass-Index (BMI) als Maß für Unter-, Normal oder Übergewicht, errechnet aus Körpergröße und Gewicht,

dem Grad der Bronchialverengung, der sogenannten Obstruktion. Der Messwert dafür ist die sogenannte „Einsekundenkapazität“, abgekürzt als „FEV1“. Das ist die Luftmenge, die bei maximaler Anstrengung in einer Sekunde ausgeatmet werden kann. Sie wird bei der Lungenfunktionsprüfung ermittelt (siehe S. 35).

die Ausprägung der Luftnot (der Arzt spricht von „Dyspnoe“),

die Belastbarkeit, auch „Exercise Capacity“ genannt, gemessen im Sechs-Minuten-Gehtest, also der Wegstrecke, die man in sechs Minuten zurücklegen kann.

Die Anfangsbuchstaben von Body-Mass-Index, Obstruktion, Dyspnoe und Exercise ergeben das Wort „BODE“, daher Bode-Index. Für alle vier Messgrößen werden Punkte vergeben und zusammengezählt:

Wie wird die Diagnose COPD gestellt?

Ärztliche Diagnostik funktioniert wie Kriminalistik: Es gilt, alle Spuren zusammenzutragen und dann die Krankheit zu überführen. Nur, dass sich die Begriffe der Kriminalistik von der der Medizin unterscheiden. Was dort Spur heißt, wird in der Medizin Symptom genannt. Das Verhör der Kriminalistik wird in der Medizin als Anamnese, als das Erfragen der Beschwerden und Risikofaktoren, bezeichnet. Und tatsächlich ist auch bei der Diagnose der COPD das einfache Instrument der Anamnese das, das die entscheidenden Hinweise auf die Krankheit gibt und die Spurensuche in die richtige Richtung lenkt.

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Erster Schritt zur Diagnose ist die Anamnese, das Erfragen der Risikofaktoren und der Beschwerden.

Es sind nicht erst die Klagen über Husten und Auswurf oder Luftnot bei Belastung, die den Arzt an eine COPD denken lassen: Viele Raucher empfinden ihren „Raucherhusten“ als so normal, dass die Frage nach Husten und Auswurf von ihnen mit bestem Gewissen verneint wird. Auch die Atembeschwerden bei Belastung werden anfänglich häufig gar nicht so richtig wahrgenommen, weil sie sich schleichend einstellen. Manchmal fehlt auch der Vergleich mit gleichaltrigen Gesunden, nicht selten schieben die Betroffenen ihre Kurzatmigkeit auch auf andere Gründe wie Trainingsmangel oder Übergewicht.

Doch allein der Umstand, dass jemand raucht oder mehrere Jahre geraucht hat, berechtigt und verpflichtet den Arzt, sich durch eine Lungenfunktionsprüfung zu vergewissern, dass die Bronchien nicht verengt sind. Das gilt natürlich umso mehr, wenn jemand über Husten und Auswurf klagt oder unter Atembeschwerden leidet: Dann liegen die Kardinalsymptome einer COPD vor. Der typische Risiko-Patient ist älter als 40 Jahre und hat in den meisten Fällen eine Raucherkarriere hinter sich.

Um einen Eindruck vom Schweregrad der Symptome zu erhalten, der im Verlauf erlaubt, eine Verschlimmerung des Krankheitsbildes oder eine Besserung unter Therapie festzustellen, wird Ihr Arzt versuchen, die Beschwerden ganz genau zu erfassen. Beim Auswurf dienen dazu die Fragen nach der Menge, die am Tag abgehustet wird, nach Farbe und Zähigkeit. Bei der Luftnot die Frage nach der Belastbarkeit, festgemacht beispielsweise an der Zahl der Treppenstufen, die Sie steigen können, bis Sie wegen Luftnot innehalten müssen, und die Frage, welche Reize eine Zunahme der Atembeschwerden auslösen, also ob zum Beispiel neblige Witterung, reizende Dämpfe, Stäube, Gase oder Gerüche Husten oder Atemnot verursachen. Menschen mit einer COPD haben nämlich häufig auch eine bronchiale Überempfindlichkeit, wie man sie beim Asthma kennt. Dann lösen Inhalationsreize wie Küchendünste, Parfümgeruch oder Farbdämpfe eine Verstärkung der Luftnot aus.

Nachweis der Bronchialverengung

Bei der Untersuchung kann der Arzt als Zeichen der Bronchialverengung pfeifende Atemgeräusche erfassen, die durch Turbulenzen im Luftstrom erzeugt werden. Diese „giemenden“ Geräusche, die manchmal bereits von fern zu hören sind, kann man mit dem Stethoskop über beiden Lungenflügeln nachweisen. Bei der leichteren COPD, bei der die Bronchialverengung noch nicht so ausgeprägt ist, und bei der schweren COPD, die immer mit einer Überblähung des Lungengewebes einhergeht, die die Atemgeräusche beim Abhorchen dämpft, ist das Giemen häufig beim Abhorchen der Lunge jedoch erst hörbar, wenn man einige Male kräftig ausatmet. Dann fällt auch die Verlängerung der Ausatemphase auf, ein Zeichen für die erschwerte Ausatmung.

Hinweise auf die Lungenüberblähung sind eine verminderte Beweglichkeit des Brustkorbs trotz tiefer Einatmung (weil die Lungenüberblähung dazu führt, dass sich immer viel mehr Luft im Brustkorb befindet als beim Gesunden, so dass bei tiefer Einatmung nicht mehr so viele Luft zugeatmet werden kann und sich der Brustkorb entsprechend weniger hebt), ein leiseres Atemgeräusch als normal beim Abhorchen und ein „hohler“ Klang beim Abklopfen der Lunge. Außerdem lässt sich bei der fortgeschrittenen COPD als Zeichen der Lungenüberblähung durch einfaches Abklopfen des Brustkorbs feststellen, dass die Zwerchfelle tiefer stehen als normal und sich selbst bei kräftiger Einatmung nur wenig nach unten senken, weil die überblähte Lunge sie schon tief nach unten drückt.

Bestätigt wird die Diagnose COPD dann durch eine einfache Lungenfunktionsmessung, die sogenannte Spirometrie (siehe folgende Seite). Der Lungenarzt kann danach durch eine erweiterte Lungenfunktionsprüfung feststellen, ob ein Lungenemphysem vorliegt, ob die Atemmuskulatur durch das erschwerte Atmen überlastet ist und ob das Blut zu wenig Sauerstoff oder zu viel Kohlensäure enthält. Eine Röntgenaufnahme ist hilfreich, um andere Erkrankungen und Beeinträchtigungen der Lunge und des Herzens auszuschließen.

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Eine Röntgenaufnahme ist hilfreich, um andere Erkrankungen und Beeinträchtigungen der Lunge und des Herzens auszuschließen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842687622
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (August)
Schlagworte
Passivrauchen Rauchen Raucherhusten Zigaretten Kortison Cortison Diagnose COPD Gesundheits-Ratgeber Patienten-Ratgeber

Autor

  • Peter Hannemann (Autor:in)

Nach Studium und Promotion an der Medizinischen Hochschule in Hannover bildete sich Dr. med. Peter Hannemann in Göttingen zum Arzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde weiter. 1985 promovierte er über Medikamente zur Behandlung der COPD und baute im selben Jahr an seiner damaligen Klink eine Schulung für COPD-Patienten auf. Er war Oberarzt an mehreren großen Spezialabteilungen für Lungen- und Bronchialerkrankungen, von 2005 bis 2010 Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Klinik für Pneumologie, Beatmungs- und Schlafmedizin in Neustadt-Südharz. Seit 2010 ist der Lungenexperte Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Beatmungsmedizin am AKH Celle.
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Titel: Gut leben mit COPD