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Ernährungsratgeber Niereninsuffizienz und Dialyse

Genießen erlaubt

von Sven-David Müller (Autor:in) Christiane Weißenberger (Autor:in)
160 Seiten

Zusammenfassung

ist für chronisch Nierenkranke ein unverzichtbarer Bestandteil der Behandlung. Es ist belegt, dass eine entsprechende Diät die Nierenfunktion bei nachlassender Aktivität verbessern kann und sich damit der Beginn der Dialysetherapie oft um Jahre hinauszögern lässt. Der Spagat zwischen nierenentlastendem und geschmackvollem Essen fällt vielen Patienten jedoch schwer. Dieses Buch zeigt anschaulich, wie die Umsetzung einer nierengesunden Ernährung in die Praxis gelingt. Sie erhalten einen Überblick über die verschiedenen Krankheitsbilder und die Behandlungsmöglichkeiten bei chronischen Nierenerkrankungen. Viele individuelle Empfehlungen begleiten Sie bei Ihrer Ernährungsumstellung. Und 50 Rezepte, die der ganzen Familie schmecken, beweisen, dass Ernährungstherapie und Genuss keineswegs im Widerspruch stehen müssen.

- Alle wichtigen Ernährungsregeln bei Niereninsuffizienz und Dialyse
- Mit Musterplänen und Spezialtabellen
- 70 neue Rezepte – köstlich essen bei Niereninsuffizienz und Dialyse
- Alle Rezepte mit Angabe von Kalorien, Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß
sowie BEs, Natrium, Phosphat, Kalium und Purinen pro Portion

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

durch eine Vielzahl von Erkrankungen, jedoch insbesondere den Diabetes mellitus, kann die Funktion unserer Nieren empfindlich eingeschränkt werden. Der Arzt beschreibt diese Funktionseinschränkung als chronische Niereninsuffizienz. In vielen Fällen lässt die Funktion so weit nach, dass ein Nierenersatztherapieverfahren wie die Dialyse erforderlich wird.

Durch die richtige Ernährung ist es möglich, die Nierenfunktionseinschränkung auszugleichen und sogar eine Verschlimmerung des Zustandes zu verhindern. Und auch für Dialysepatienten ist eine Ernährungstherapie von besonderer Bedeutung, da die Nierenfunktion durch technische Apparaturen nicht vollständig nachgebildet werden kann.

Als Nierenpatient müssen Sie sich strikt an Ernährungsregeln halten. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Nährstoff Eiweiß zu: Während in der Phase vor der Dialysepflichtigkeit die Eiweißzufuhr beschränkt werden muss, braucht der Dialysepatient mehr Eiweiß. Für jeden Nierenpatienten gelten weitere, ganz individuelle Ernährungsregeln, die Ihr behandelnder Nierenarzt mit Ihnen bespricht, und wir haben in unserem Buch genau darauf geachtet, dieser Notwendigkeit Rechnung zu tragen.

Wir sind froh, dass wir mit Experten wie Professor Helmut Mann und Professor Heinz-Günther Siebert, Professor Lothar Schramm, Dr. Josef Zimmermann, Dr. Kai-Olaf Netzer und Dr. Andrea Heyd-Schramm zusammenarbeiten und von ihnen lernen können. Besonders dankbar sind wir für die Zusammenarbeit mit Siegfried Stiller an der Universitätsklinik Aachen. Er ist Dialysepatient und konnte uns über die Jahre viele wertvolle Anregungen für die Praxis geben.

Während unserer Schulungen und Beratungen im KfH-Nierenzentrum Aachen und der Praxis für innere Medizin/Dialysezentrum Würzburg haben unsere Patienten erlebt, dass eine Diätkost für Dialysepatienten sehr wohlschmeckend und abwechslungsreich sein kann. Diese Erfahrung möchten wir nun in Form von leckeren Rezepten an Sie weitergeben. Wir wünschen Ihnen, dass Sie trotz Funktionseinschränkung Ihrer Nieren oder Dialysepflichtigkeit eine gute Lebensqualität erreichen. Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben, können Sie sich jederzeit an uns wenden.

Nun wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre und viel Spaß beim Nachkochen und Variieren der Rezepte!

Ihr
Sven-David Müller
Ihre          
Christiane Weißenberger

GELEITWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

Sie haben sich für dieses Ratgeber-Kochbuch entschieden, um mehr Sicherheit im Umgang mit Ihrer Erkrankung zu erhalten. Vielleicht sind Sie auch verunsichert, was Sie noch mit gutem Gewissen essen können, ohne Ihre Nieren zu sehr zu belasten. Mit diesem Buch können Sie sich einen Überblick über die verschiedenen Krankheitsbilder und die Behandlungsmöglichkeiten bei chronischen Nierenerkrankungen verschaffen. Weiterhin erhalten Sie viele abwechslungsreiche Rezeptideen zum Ausprobieren und Genießen.

In meiner Sprechstunde sehe ich regelmäßig Patienten, die an einer chronischen Nierenerkrankung leiden und die sich in einem schlechten bis teilweise sehr schlechten Ernährungszustand befinden. Durch die vielen verwirrenden oder mitunter auch widersprüchlichen Aussagen zur richtigen Ernährungsweise bei chronischer Niereninsuffizienz wissen viele dieser Patienten nicht mehr, was sie noch essen dürfen. Der Spagat zwischen nierenentlastendem und geschmackvollem Essen fällt Patienten oft schwer. Deshalb freut es mich sehr, hier ein Ratgeber-Kochbuch empfehlen zu können, das Betroffenen anschaulich zeigt, wie die Umsetzung in die Praxis gelingen kann.

Die diätetischen Maßnahmen bei Nierenerkrankungen sind vielfältig. Der Bedarf und die Toleranzgrenzen an Nähr- und Mineralstoffen (insbesondere Phosphat, Kalium und Natrium) sowie Flüssigkeit sind individuell. Die Ernährungsempfehlungen müssen einzelfallgerecht, je nach Befund und Ausscheidung, angepasst werden. Das Ziel dieses Ratgeber-Kochbuches ist es, Sie, den betroffenen Patienten, möglichst einfach, allgemein verständlich und umfassend zur Durchführung der richtigen Ernährung bei Niereninsuffizienz bzw. Dialysebehandlung anzuleiten. Darüber hinaus will das Buch aber auch die Freude am Essen wieder zurückbringen, denn mit den richtigen Tipps und Tricks gelingt das hier sehr überzeugend.

Der „Ernährungsratgeber Niereninsuffizienz und Dialyse“ ist übersichtlich und für den Betroffenen verständlich geschrieben. Er beschreibt Krankheitsbilder, die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten bei Nierenerkrankungen und vermittelt den aktuellen Stand der modernen Ernährungsmedizin. Wichtigen allgemeinen Informationen über die Funktionen der Niere folgen zahlreiche Rezepte, die bei chronischen Nierenerkrankungen bestens geeignet sind. Das Buch kann eine individuelle Ernährungsberatung durch Diätassistenten zwar nicht ersetzen, es stellt aber eine wichtige und gute Ergänzung dar. Den Autoren ist es gelungen, moderne Ernährungstherapie in die Praxis umzusetzen.

Ich wünsche diesem Ratgeber-Kochbuch daher eine weite Verbreitung, um Menschen mit chronischer Nierenerkrankung ein lebenswertes und genussvolles Leben zu ermöglichen.

Dr. med. Josef Zimmermann
Internist
Nephrologe, Diabetologe, Hypertensiologe (DHL)
Ernährungsmedizin DGEM

UNSERE NIEREN – DAS MÜSSEN SIE WISSEN

Die Nieren dienen unserem Körper vor allem als Filterorgan. Außerdem werden dort lebenswichtige Hormone produziert. Mit nur einer Niere können wir in aller Regel gut leben; fällt aber die Funktion beider Nieren aus, kann unser Körper diesen Funktionsverlust nicht ausgleichen und es besteht im schlimmsten Fall Lebensgefahr. Um die Auswirkungen einer Nierenfunktionsstörung besser verstehen zu können, sollten Sie über Aufbau und Aufgaben dieser wichtigen Organe Bescheid wissen.

Aufbau und Aufgaben der Nieren

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Die Nieren sind bohnenförmig und durch ihre starke Durchblutung braunrot gefärbt.

Die beiden Nieren des Menschen sind paarig angelegte Organe; sie liegen beidseits der Wirbelsäule unter dem Zwerchfell im Retroperitoneum, das ist der Bereich, der hinter dem Bauchfell liegt. Sie sind ca. 10 bis 12 cm lang und 5 bis 6 cm breit. Die einzelne Niere besteht aus 6 bis 9 gleichartigen Einheiten, den so genannten Nierenlappen (Lobi renales), die man in Nierenmark (Medulla renalis) und Nierenrinde (Cortex renalis) gliedert.

Nieren bestehen aus einem arteriellen Gefäßbaum, an dessen filigranen Endästen ungefähr eine Million Nierenkörperchen hängen – ähnlich Äpfeln in einem Apfelbaum. Die Kapillarknäuel dieser Nierenkörperchen (auch Glomeruli genannt) filtern das Blut. Die Funktionsweise der Nieren ähnelt einer Kläranlage. Pro Tag pumpt das Herz ca. 2000 Liter Blut in diesen Gefäßbaum der Nieren und über die Nierenkörperchen werden hieraus ca. 150 Liter einer Klärflüssigkeit abgepresst. Diese nennt man Primärharn. In diesem Filtrat befinden sich die harnpflichtigen Substanzen. Wichtige Stoffe wie Vitamine und Eiweißpartikel werden dagegen im Filter der Nierenkörperchen zurückgehalten. Um einen hohen Flüssigkeitsverlust zu vermeiden, wird dieser Primärharn im den Nierenkörperchen nachgeschalteten Tubulusapparat zum Sekundärharn (= Urin) konzentriert. Der Tubulusapparat besteht aus einem Kanalsystem, in welchem dem Primärharn ein Großteil des Wassers und der gefilterten Elektrolyte entzogen und dem Kreislauf zurückgegeben werden. Die tägliche Urinmenge von ca. 1,5 Litern entspricht somit dem um den Faktor 100 konzentrierten Primärharn.

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Querschnitt durch eine menschliche Niere

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Aus den Kelchen im Nierenmark gelangt der Harn ins Nierenbecken und fließt dann über den Harnleiter in die Blase und schließlich von der Blase über die Harnröhre nach außen.

Wichtige Funktionen der Nieren

Die Nieren sind für uns Menschen lebenswichtige Organe, ihre Funktion kann durch keine Technik vollständig ersetzt werden. Ihre Aufgaben sind vielfältig:

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Sie dienen dem Körper als Klärwerk für Abfallprodukte des Stoffwechsels, einschließlich von Medikamentenresten.

Sie sorgen für die Aufrechterhaltung eines ausgeglichenen Wasserhaushalts.

Sie kontrollieren das Säure-Basen-Gleichgewicht.

Sie regulieren den Gehalt an den im Blut gelösten Elektrolyten Natrium und Kalium.

Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Blutdruckregulation.

Sie sind an der Bildung von aktivem Vitamin D3 beteiligt und somit in die Kontrolle des Mineralstoffwechsels des Knochens eingebunden.

Durch die Produktion des Hormons Erythropoeitin regulieren die Nieren auch die Blutbildung im Knochenmark.

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Was bedeutet Niereninsuffizienz?

Von Niereninsuffizienz spricht man, wenn die Nieren ihre Funktionen verlieren.

In diesem Fall kommt es zu einer Retention zahlreicher harnpflichtiger Substanzen im Blut. Die mangelhafte Ausscheidung saurer Stoffwechselendprodukte führt zu einer Übersäuerung des Körpers, metabolische Azidose genannt. Die Nieren können die Regulation des Elektrolyt-Haushaltes nicht mehr zuverlässig gewährleisten. Bei starkem Anstieg der Kaliumkonzentration im Blut (Hyperkaliämie) droht ein Herzstillstand. Der Nierenfunktionsverlust beeinträchtigt auch die adäquate Ausscheidung von Salz und getrunkener Flüssigkeiten. Hieraus entstehen Wasseransammlungen im Körper, die sich in leichteren Fällen durch Schwellungen der Beine bemerkbar machen, in schweren Fällen kommt es zu einem Lungenödem.

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Darüber hinaus sind typische Begleiterkrankungen bei chronischer Nierenschwäche die Entwicklung einer Blutarmut (renale Anämie), die durch die mangelhafte Bildung von Erythropoeitin verursacht wird und eine Knochenmineralisationsstörung (renale Osteopathie), ausgelöst durch die mangelhafte Ausscheidung von Phosphat und einen gestörten Vitamin-D-Stoffwechsel.

Formen und Ursachen von Niereninsuffizienz

Man unterscheidet ein akutes Nierenversagen von einem chronischen Nierenversagen.

Das akute Nierenversagen tritt rasch auf und ist meist Folge einer plötzlichen Mangeldurchblutung der Nieren, wie sie im Rahmen eines schweren Blutverlustes (z. B. nach Unfall oder schweren Operationen) und im Rahmen eines Kreislaufschocks (z. B. nach Herzinfarkt oder bei Blutvergiftung) auftreten kann. Eine akute Schädigung der Nierenkörperchen und des Tubulusapparates der Nieren kann auch durch bakterielle und virale Infektionen (z. B. Hantavirusinfektion) und Toxine verursacht werden (z. B. Bakteriengifte, Röntgenkontrastmittel und zu hoch dosierte Schmerzmedikamente).

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Das chronische Nierenversagen ist gekennzeichnet durch einen schleichenden langsamen kontinuierlichen Nierenfunktionsverlust.

In unserer Wohlstandsgesellschaft sind langjähriger Bluthochdruck (hypertensive Nephropathie) und Diabetes (diabetische Nephropathie) die häufigsten Ursachen für eine chronische Schädigung der Nierengefäße und der Nierenkörperchen. Chronisch verlaufen meistens auch autoimmunologisch bedingte Entzündungen der Nierenkörperchen (Glomerulonephritiden). Die regelmäßige Einnahme von Schmerzmedikamenten kann über eine Schädigung des im Nierenmark gelegenen Tubulusapparates ebenfalls zu einem chronischen Nierenversagen führen (Analgetikanephropathie). Zu nennen sind dann noch angeborene Nierenerkrankungen wie die schwammartige Zersetzung der Nieren durch flüssigkeitsgefüllte Bläschen (polyzystische Nierendegeneration).

Die Prognose des akuten Nierenversagens ist meist abhängig von der verursachenden Grunderkrankung. Das Sterblichkeitsrisiko von Patienten mit akutem Nierenversagen ist hoch. Bei erfolgreicher Behandlung kann sich die Nierenfunktion von einem akuten Nierenversagen aber vollständig erholen.

Im Gegensatz hierzu verschlechtert sich die Nierenfunktion bei chronischer Niereninsuffizienz kontinuierlich. Manche chronischen Nierenerkrankungen führen erst nach 20 bis 30 Jahren zu einer Dialysepflichtigkeit der betroffenen Patienten.

Diagnose der Niereninsuffizienz

Frühe Symptome von Nierenerkrankungen sind Verfärbungen und Schäumen des Urins durch Blut und Eiweißverlust. Beinahe jede Nierenerkrankung führt zu einem Anstieg des Blutdruckes. Durch Eiweißverlust im Blut kommt es zu Wassereinlagerungen im Gewebe mit Schwellungen der Augenlider und Unterschenkel (Ödeme). In fortgeschrittenen Stadien der Niereninsuffizienz entsteht durch die mangelhafte Produktion des die Blutbildung stimulierenden Hormons Erythropoeitin eine Blutarmut, die zu Blässe und allgemeiner körperlicher Schwäche führt.

Bei schwerer Niereninsuffizienz verschlechtert sich mit dem Anstieg der Konzentration der harnpflichtigen Stoffwechselendprodukte (Urämietoxine) im Blut das Allgemeinbefinden der betroffenen Patienten kontinuierlich. Der Appetit wird schlechter. Es besteht zunächst eine Abneigung gegen Fleisch- und Wurstwaren. Hinzu kommt dann Übelkeit mit Erbrechen. Der katabole Stoffwechsel führt zu einem körperlichen Verfall mit Muskelschwund.

Die Diagnose einer Niereninsuffizienz umfasst Laboruntersuchungen von Blut und Urin, bildgebende Verfahren wie Ultraschalluntersuchung und verschiedene Röntgenverfahren (Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Angiographie) sowie Untersuchungen von Gewebeproben, die mittels Nierenbiopsie gewonnen worden sind.

Stadien der Niereninsuffizienz

Ein Abbauprodukt des Muskelstoffwechsels, das Kreatinin, eignet sich zur Beurteilung des Schweregrades der Niereninsuffizienz, da dieses zu 99 Prozent über die Nieren ausgeschieden wird. Durch Messung der Kreatininkonzentration im Blut und auch im Urin kann die glomeruläre Filtrationsleistung der Nieren (GFR) mit Hilfe verschiedener Formeln recht genau bestimmt werden.

Die glomeruläre Filtrationsleistung entspricht der Filtratmenge, die von allen Nierenkörperchen beider Nieren pro definierte Zeit gebildet wird. Sie entspricht dem Primärharn und beträgt pro Tag zwischen 120 bis 170 Liter. Umgerechnet pro Minute entspricht die GFR 90 bis 120 ml/min.

Eine chronische Nierenerkrankung kann auch bei noch normaler Filtrationsleistung vorliegen. In diesen Fällen besteht eine Undichtigkeit der Membranen der Glomeruli, die sich durch einen Eiweißverlust im Urin bemerkbar macht. Die moderne Klassifizierung des Schweregrads chronischer Nierenerkrankungen berücksichtigt deshalb neben der glomerulären Filtrationsrate auch den Verlust des Eiweißpartikels Albumin im Urin.

Die fünf Schweregrade der Niereninsuffizienz nach GFR

SCHWEREGRAD GFR NIERENERKRANKUNG
1 > 89 Normale Nierenfunktion
2 60–89 Milde Funktionseinschränkung
3 30–59 Moderate Funktionseinschränkung
4 15–29 Schwere Funktionseinschränkung
5 < 15 Chronisches Nierenversagen

Die vier Stadien der Niereninsuffizienz anhand der Retentionswerte

Welche Therapien gibt es?

Die Behandlung von akuten und chronischen Nierenerkrankungen unterscheidet sich in Abhängigkeit der Ursache, dem Schweregrad der Niereninsuffizienz und der Ausprägung von Folgekomplikationen. Sowohl bei akuten als auch chronischen Nierenerkrankungen muss das Hauptaugenmerk zunächst auf die Behandlung der Grunderkrankung (z. B. optimale Kontrolle des Diabetes mellitus bei diabetischer Nierenschädigung oder immunsuppressive Therapie bei Glomerulonephritis) und die Beseitigung der Ursache (z. B. Volumengabe bei Kreislaufschock oder Weglassen von nephrotoxischen Medikamenten) gerichtet werden.

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Bei schwerer Nierenfunktionseinschränkung drohen Überwässerung durch mangelhafte Flüssigkeitsausscheidung, Entgleisung der Elektrolyte (Hyperkaliämie!) und Übersäuerung des Blutes (Metabolische Azidose). Falls diese Komplikationen durch ein angepasstes Ernährungs- und Trinkverhalten und eine entsprechende medikamentöse Therapie nicht beseitigt werden können, ist eine Blutwäschebehandlung notwendig.

Bei Erkrankungen mit chronischer Nierenfunktionsverschlechterung gelingt nicht immer ein vollständiges Ausheilen der Grunderkrankung. In diesen Fällen kann aber das Fortschreiten der Niereninsuffizienz in der Regel durch eine gute Blutdruckkontrolle und eine eiweißreduzierte Ernährung gebremst werden und so der Zeitpunkt einer notwendigen Dialysebehandlung um Monate bis Jahre hinausgezögert werden.

Um die Dialyse bei einem chronischen Nierenversagen möglichst lange hinauszuzögern, ist die Mitarbeit des Patienten von großer Bedeutung! Sehr wichtig ist der enge und regelmäßige Kontakt zum behandelnden Arzt. Um einer Verschlechterung der Nierenfunktion entgegenzuwirken, ist es außerdem sehr wichtig, dass der Patient eine eiweiß-, phosphat- und kaliumarme Diät einhält, die gleichzeitig reich an Kalzium ist. Viele, auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente werden über die Niere ausgeschieden. Deshalb sollte bei Selbstmedikation immer der Arzt um Rat gefragt werden.

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Was geschieht bei der Dialyse?

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Auf Griechisch bedeutet dialysis Auflösung.

Die Dialyse ist ein Blutreinigungsverfahren. Neben der Nierentransplantation ist die Dialyse die einzige Möglichkeit, Menschen mit sehr starker Einschränkung der Nierenfunktion zu behandeln. Bei der Dialysetherapie werden harnpflichtige Substanzen und überschüssiges Wasser mithilfe von künstlichen oder körpereigenen Membranen aus dem Blut entfernt, gleichzeitig der Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt korrigiert.

Hämodialyse

Der Großteil der Dialysepatienten wird mit der Hämodialyse (HD) behandelt.

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Der Großteil der Dialysepatienten wird mit der Hämodialyse behandelt.

Bei dieser Form der Blutwäschebehandlung wird das Blut des Patienten mit Hilfe eines Dialysegerätes durch einen künstlichen Filter, den so genannten Dialysator, gepumpt. In diesem Dialysator werden pro Minute ca. 200 bis 350 ml Blut über eine halbdurchlässige Membran mit 500 ml Dialysierflüssigkeit in Kontakt gebracht. Während einer durchschnittlichen Dialysedauer von 4 bis 6 Stunden wird so das gesamte Blutvolumen des Patienten ungefähr 10-mal in dem Dialysator gewaschen. Für den Anschluss an das Dialysegerät wird ein zentraler Plastikverweilkatheter oder eine Dialyseshuntfistel benötigt. Bei der Dialyseshuntfistel handelt es sich um eine operativ angelegte künstliche Verbindung zwischen einer oberflächennahen Vene und einer tieferliegenden Arterie am Unterarm oder in der Ellenbeuge. Durch den somit künstlich erhöhten Blutfluss erweitert sich die Shuntvene und liefert genügend Blut für eine effektive Dialysebehandlung.

Um eine ausreichende Blutreinigung zu erreichen, sind pro Woche drei Hämodialysebehandlungen mit je 4 bis 5 Stunden Dialysezeit notwendig. Sie werden in der Regel in ambulanten Dialysezentren durchgeführt (Zentrumdialyse), wo die Patienten von qualifizierten Ärzten und Pflegekräften betreut werden. Unter Umständen kann die Blutwäschebehandlung auch zu Hause durchgeführt werden (Heimhämodialyse).

Peritonealdialyse

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Bei der Bauchfelldialysebehandlung benötigt man keinen künstlichen Filter, sondern nutzt die Filterfunktion des Bauchfelles aus. Das dünne Bauchfell ummantelt die Darmschlingen und kleidet die Bauchhöhle aus. Über einen in die Bauchwand fest eingenähten Katheter wird die Dialyseflüssigkeit aus einem Beutel in die Bauchhöhle eingelassen. Die Stoffwechselgifte strömen über das dünne Bauchfell aus den Blutgefäßen der Darmschlingen und der Bauchwand in die Dialysierflüssigkeit. Bei der klassischen Form der Bauchfelldialysebehandlung werden 2 bis 2,5 l Dialyseflüssigkeit in die Bauchhöhle eingebracht. Nach einer Verweildauer von ca. 6 bis 8 Stunden wird die mit Giftstoffen angereicherte Flüssigkeit durch eine frische Dialyseflüssigkeit ersetzt. In der Regel wird so viermal pro Tag die gesättigte Dialysierflüssigkeit gegen eine frische Lösung ausgetauscht (sog. Beutelwechsel). Dieses Bauchfelldialyseverfahren wird nach einer Trainingszeit von 1 bis 2 Wochen durch den Patienten selbst täglich durchgeführt. Der Zeitaufwand für den Patienten liegt bei ca. 30 Minuten pro Beutelwechsel. Die Peritonealdialyse kann auch während der Nachtstunden automatisiert mit einem sogenannten „Cycler“ durchgeführt werden, der sozusagen „im Schlaf“ die Bauchhöhle mit Dialyseflüssigkeit füllt und entleert und so die Entgiftung des Körpers gewährleistet.

Außerdem ist das Bauchfell im Gegensatz zur künstlichen Membran bei der Hämodialyse auch für Eiweiße recht durchlässig, wodurch es zu einem erhöhten Eiweißverlust kommt. Aus diesem Grund muss sich ein PD-Patient in der Regel eiweißreicher ernähren als ein Hämodialysepatient.

Da bei der Hämo- wie Peritonealdialysetherapie auch wasserlösliche Vitamine verloren gehen, ist deren Ergänzung nach Absprache mit dem behandelnden Arzt nötig. Ebenso kommen häufig spezielle Vitamin-D-Präparate, Eisen, Phosphat- und Kaliumbinder zum Einsatz. Das gentechnisch hergestellte Hormon Erythropoetin regt die Bildung von roten Blutkörperchen im Knochenmark an und beugt so einer Anämie vor. Da auch Aminosäuren aus dem Blut gefiltert werden, müssen auch sie eventuell ergänzt werden.

Wer als Patient neu an die Dialyse kommt, wird schon nach wenigen Wochen eine deutliche Verbesserung seines Befindens feststellen können. Der Appetit nimmt zu, die Übelkeit vor Beginn der Dialyse hört auf, man fühlt sich wacher und kommt wieder zu Kräften. Auch der Bluthochdruck normalisiert sich. Ganz ohne Nebenwirkungen geht es aber leider nicht. Manchmal stellen sich Muskelkrämpfe ein, auch Schwindel und Mattigkeit durch den starken Abfall des Blutdrucks. Insgesamt überwiegen aber bei Weitem die positiven Aspekte der Dialysebehandlung. Die Dialyseärzte und das Pflegepersonal sind sehr darauf bedacht, dass die Dialyse optimal abläuft, damit sich die Patienten möglichst wohl fühlen.

Die Nierentransplantation

Sie ist neben der Dialyse die zweite Behandlungsmöglichkeit in der Nierenersatztherapie und wird bei endgültigem Nierenversagen durchgeführt. Eine Nierentransplantation trägt gegenüber der Dialyse stärker zur Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Erhöhung der Lebensqualität bei. Transplantiert werden Organe von hirntoten Organspendern und von Lebendspendern. Die Lebendspende findet im Idealfall noch vor einer Dialyse statt. Die durchschnittliche Funktionszeit einer transplantierten Niere liegt bei etwa neun Jahren, es gibt aber auch Nieren, die nach 20 oder mehr Jahren noch eine gute Funktion aufweisen.

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Eine Nierentransplantation trägt stärker zur Wiederherstellung der Lebensqualität bei.

Zur Überwachung der Transplantatnierenfunktion sind regelmäßige Kontrollen wichtig. Zur Verhinderung einer Abstoßungsreaktion müssen lebenslang Medikamente eingenommen werden, welche das Immunsystem unterdrücken (sog. Immunsuppressiva).

DIE ERNÄHRUNG UMSTELLEN – WAS IST JETZT WICHTIG?

Wenn Sie unter einer Niereninsuffizienz leiden, benötigen Sie eine individuell zusammengestellte Ernährungstherapie. Ziel ist, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten, eine Vergiftung sowie Mangelernährung zu vermeiden und Folgen der Niereninsuffizienz auszuschalten. Im folgenden Kapitel erhalten Sie hierzu zunächst Basiswissen über unsere Ernährung und daran anschließend spezielle Ernährungsempfehlungen für Nierenpatienten, die sich teilweise erheblich von den allgemeinen Empfehlungen für eine gesunde Ernährung unterscheiden.

Das braucht unser Körper: Nährstoffe und Energie

Um seine vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können, braucht der menschliche Organismus rund um die Uhr Energie und Nährstoffe. Diese Energie muss ihm mit der Nahrung zugeführt werden, und zwar in Form von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen. Sie gelangen zuerst in den Verdauungstrakt, werden dort aufgenommen und dann mit dem Blut zu den Zellen der Organe transportiert, wo sie verwertet werden. Bei diesem Prozess entstehen körpereigene energiereiche Verbindungen, die sogenannten Adenosintriphosphate (ATP), und Wärmeenergie. Diese im ATP gespeicherte Energie macht sämtliche Stoffwechselreaktionen des Körpers, bei denen Energie verbraucht wird, erst möglich. Die verschiedenen Nährstoffe werden in energieliefernde und nichtenergieliefernde eingeteilt.

 

ENERGIELIEFERNDE NÄHRSTOFFE NICHT-ENERGIELIEFERNDE NÄHRSTOFFE
Kohlenhydrate Wasser
Fette Mineralstoffe
Eiweiße Vitamine

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Alkohol ist kein Nährstoff, obwohl er bei der Verstoffwechslung Energie liefert.

Neben diesen Nährstoffen besitzt unsere Nahrung noch weitere Bestandteile, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielen:

Ballaststoffe (Faserstoffe)

Sekundäre Pflanzenstoffe

Ballaststoffe sind Nahrungsbestandteile, die nicht verdaut werden können. Sie werden im Verdauungstrakt nicht aufgespalten und stellen somit auch keine Energie bereit. Die Aufgabe der Nahrungsfasern besteht vielmehr darin, die Transitmenge im Darm zu erhöhen und dadurch für eine gesunde Darmbewegung zu sorgen. Darüber hinaus werden sie von den körpereigenen Darmbakterien abgebaut; diese nutzen die dabei gewonnenen Baustoffe und die Energie für ihr eigenes Wachstum und ihre Vermehrung.

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Sekundäre Pflanzenstoffe sind chemische Verbindungen, die sich in verschiedenen Pflanzen finden, wo sie in unterschiedlicher Menge gebildet werden. Zu dieser Gruppe zählen Farb- und Geschmacksstoffe. Die sekundären Pflanzenstoffe schützen die Pflanze vor Verletzungen und Krankheiten und haben auch auf den menschlichen Organismus eine schützende Wirkung; viele können der Entstehung von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen.

Jede Nährstoffgruppe ist für ganz besondere Aufgaben im menschlichen Körper zuständig:

Kohlenhydrate und Fette dienen zur Deckung des Energiebedarfs, zur Aufrechterhaltung von Körpertemperatur und Stoffwechsel und für verschiedene Arbeiten wie die Muskelarbeit.

Eiweiße, Mineralstoffe und Wasser dienen dem Aufbau und Erhalt des Organismus.

Vitamine und Mineralstoffe sind nötig für das Wachstum und die Erneuerung von Zellen und Geweben.

Die richtige Ernährung bei Erkrankung der Nieren

Die Ernährungstherapie hat im Behandlungskonzept von Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion einen hohen Stellenwert.

Die Ziele für die Ernährungstherapie sind dabei für Patienten mit chronischer, aber noch nicht dialysepflichtiger Niereninsuffizienz (Prädialysephase) anders als für Patienten im Terminalstadium der Niereninsuffizienz mit Dialysepflichtigkeit (Dialysephase). Die Gewichtung der diätetischen Therapieziele kann sich im Verlauf der Nierenerkrankung sogar ständig verändern.

In den frühen Stadien der Niereninsuffizienz zielen die diätetischen Ernährungsempfehlungen in erster Linie darauf ab, das Fortschreiten der Nierenerkrankung zu bremsen. Mit zunehmender Verschlechterung der Nierenfunktion, insbesondere in der Dialysephase rücken die Vermeidung einer Mangelernährung sowie von Elektrolytstörungen, welche lebensgefährliche Rhythmusstörungen (Kaliumüberschuss) und vorzeitige Verkalkungen der Gefäße (Phosphat und Kalzium) verursachen können, zunehmend in den Fokus der Ernährungstherapie.

Diese kontinuierliche Anpassung der Ernährungsempfehlungen führt leider nicht selten zu Verwirrungen beim Patienten, insbesondere was den Verzehr von Obst und die Trinkmenge betreffen.

Eine gute individuelle Ernährungsberatung für Patienten mit Niereninsuffizienz setzt deshalb stets die genaue Kenntnis des Krankheitsstadiums, der Begleiterkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz) und der laborchemisch fassbaren Veränderung des Elektrolyt- und Mineralstoffwechsels der Patienten voraus. Für den Erfolg der Ernährungstherapie ist somit eine enge Kooperation der Ernährungsfachkraft mit den behandelnden Ärzten unerlässlich.

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Damit Sie bei der Zusammenstellung Ihres Speiseplans mehr Sicherheit erlangen, haben wir im Folgenden wichtige Ratschläge und Hinweise aus unserer Arbeit mit chronisch nierenkranken Menschen für Sie zusammengestellt.

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Obwohl eine scharfe Trennung der Ernährungsempfehlungen in Abhängigkeit des Schweregrades der Niereninsuffizienz nicht möglich ist, werden trotzdem in den beiden Folgekapiteln die Ernährung in der Prädialysephase (chronische Niereninsuffizienz) und der Dialysephase gesondert betrachtet.

Ernährung bei chronischer Niereninsuffizienz (Prädialysephase)

Die Ernährung spielt bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz im Rahmen der Gesamttherapie eine große Rolle.

Ziele der Ernährungstherapie bei chronischer Niereninsuffizienz sind:

Verlangsamung des Fortschreitens der Niereninsuffizienz

Aufrechterhaltung des Ernährungszustands/Vermeiden einer Mangelernährung

Minimierung von harnpflichtigen Substanzen

Verhindern von niereninsuffizienzbedingten Folgeerkrankungen: renale Osteopathie (Knochenmineralisationsstörung), metabolische Azidose (Übersäuerung des Blutes) oder Elektrolytstörung (Hyperkaliämie)

In erster Linie muss die Ernährung für eine ausreichende Energie-und Eiweißzufuhr sorgen, denn bei 50–70 % der Patienten mit präterminaler und dialysepflichtiger Niereninsuffizienz besteht eine Energiemangelernährung (Malnutrition), welche das Sterblichkeitsrisiko deutlich erhöht.

Durch Diät kann ein rascher Anstieg der harnpflichtigen Substanzen verhindert und der Beginn einer Dialysebehandlung hinausgezögert werden.

Darüber hinaus können durch ein angepasstes Ernährungs-und Trinkverhalten auch akute Komplikationen (Blutdruckentgleisung, Überwässerung, Hyperkaliämie) vermieden und das Risiko für Langzeitfolgen an Dialyse (renale Osteopathie) minimiert werden.

Dabei sind die Ernährungsempfehlungen vor dem Start einer Nierenersatztherapie von der Grunderkrankung und dem Alter des Patienten, der verbleibenden Nierenleistung und den Laborwerten abhängig.

Kalorienzufuhr

Mindestens 30–40 kcal/kg Körpergewicht am Tag

Viele Nierenpatienten sind untergewichtig oder leiden an einer Mangelernährung – ungefähr 20–50 % der prädialytischen Patienten (Patienten, die noch keine Dialyse brauchen) haben einen Eiweiß- und Kalorienmangel. Wichtig ist vor allem in späteren Stadien der Niereninsuffizienz zunächst einmal eine ausreichende Kalorienzufuhr, da der Körper bei einem Mangel das begrenzte Nahrungseiweiß heranzieht, was zu einem Anstieg von harnpflichtigen Substanzen im Blut führen kann. Empfohlen wird eine tägliche Kalorienzufuhr von 30–40 kcal/kg Körpergewicht am Tag. Dafür können Sie, wenn notwendig, Traubenzucker oder spezielle diätetische Lebensmittel verwenden. Die energiereichsten Lebensmittel sind Fette und Öle (1 g Fett liefert 9 kcal). Durch die Zugabe von Pflanzenmargarine oder pflanzlichen Ölen können Sie Ihre Speisen mit Fett anreichern. Gut sichtbar stecken die Kalorien in Butter, Margarine, Sahne und Speiseöl. Versteckt sind sie in Wurst, Käse, Fleisch, Fisch und Nüssen.

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Eine einfache Methode, das Körpergewicht zu bewerten, ist der Body-Mass-Index (BMI). Dabei wird das Verhältnis von Körpergewicht in Kilogramm zu Körpergröße in Metern zum Quadrat berechnet.

Das Ergebnis wird wie folgt bewertet:

BMI BEWERTUNG
< 19 Untergewicht
19–25 Normalgewicht
25–27 leichtes Übergewicht
27–30 mäßiges Übergewicht
> 30 starkes Übergewicht (Adipositas)

Beispiel: Eine 45-jährige Frau mit einer Größe von 1,68 m und einem Gewicht von 52 kg hat einen BMI von 18,4. Das bedeutet Untergewicht, eine Gewichtszunahme ist empfehlenswert.

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Eiweiß

Die European Dialysis & Transplant Nurses Association (EDTNA) und die European Renal Care Association (ERCA) empfehlen eine Eiweißzufuhr von 0,6–1,0 g/kg Körpergewicht und Tag. Dies entspricht derselben Menge für die tägliche Eiweißaufnahme wie für die Normalbevölkerung (empfohlen werden von der DGE 0,8 g/kg Körpergewicht). Der durchschnittliche Eiweißverzehr in Deutschland ist aber viel höher (1,3 g Eiweiß/kg Körpergewicht).

Die Festlegung der diätetischen Eiweißzufuhr bedarf einer genauen Betrachtung der individuellen Situation des chronisch nierenkranken Patienten.

Einerseits fördert eine Unterversorgung mit Eiweiß die Entwicklung einer Mangelernährung mit dem Risiko eines Muskelschwundes (Sarkopenie) mit Gebrechlichkeit, andererseits beschleunigt eine zu eiweißhaltige Kost das Fortschreiten jeder chronischen Nierenerkrankung. Über Jahrzehnte war eine streng eiweißarme Ernährung die einzige Therapiemöglichkeit, das Endstadium einer Niereninsuffizienz hinauszuzögern und so das Leben nierenkranker Menschen zu verlängern.

Im Zeitalter der uneingeschränkten Verfügbarkeit der Nierenersatztherapieverfahren und bei Betrachtung der demographischen Entwicklung mit zunehmend älteren und gebrechlicheren Patienten an der Dialyse ist eine strikt eiweißarme Ernährung heute eher nachteilig.

Stark eiweißreduzierte Diätformen wie die Schwedendiät oder die Kartoffel-Ei-Diät (beide bis 0,4 g Eiweiß/kg Körpergewicht/Tag) werden heute aufgrund des Risikos einer Mangelernährung nicht mehr empfohlen.

Eiweißgehalt verschiedener Lebensmittel

TIERISCHE LEBENSMITTEL MENGE EIWEISS in g
Fisch 1 Portion (150 g) 27
Fleisch (roh) 1 Portion (125 g) 25
Joghurt 1 Becher (150 g) 5
Käse 1 Scheibe (40 g) 10
Magerquark 1 EL (30 g) 4
Milch 1 Glas (200 ml) 7
Quark, 40 % Fett 1 EL (30 g) 3
PFLANZLICHE LEBENSMITTEL MENGE EIWEISS in g
Brötchen 1 Stück (45 g) 3
Gemüse 1 Portion (150 g) 1
Graubrot 1 Scheibe (50 g) 3
Kartoffeln 3–4 Stück (250 g) 5
Linsengemüse 1 Portion (150 g) 4
Marmelade 1 TL (10 g) 0
Müsli 4 EL (60 g) 6
Nudeln (roh) 1 Portion (100 g) 12
Obst 1 Portion (150 g) 1
Reis (roh) 1 Beilage (60 g) 4
Sojamilch 1 Glas (200 ml) 7

Biologische Wertigkeit von Eiweiß/Protein

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Um den täglichen Eiweißbedarf zur Vermeidung einer Mangelernährung in ausreichendem Maße zu decken und gleichzeitig aber einen diätetischen Eiweißexzess zu vermeiden, sollten die aufgenommenen Proteine eine möglichst hohe biologische Wertigkeit besitzen. Die eiweißhaltigen Lebensmittel sollten möglichst so gewählt und kombiniert werden, dass bereits kleine Mengen ausreichen, um sämtliche essenziellen Aminosäuren in dem Maße zur Verfügung zu stellen, wie der Stoffwechsel diese zum Aufbau von Körpereiweißen benötigt.

Körpereiweiß kann nur dann aus Nahrungseiweiß gebildet werden, wenn alle notwendigen Einzelsubstanzen, die Aminosäuren, in einem richtigen prozentualen Verhältnis vorhanden sind. Die Aminosäure, die in der geringsten Konzentration enthalten ist, bestimmt dabei, wie viel Körpereiweiß aus dem Nahrungseiweiß aufgebaut werden kann. Acht der 20 bekannten Aminosäuren kann der Körper nicht selbst aufbauen (sogenannte essenzielle Aminosäuren). Diese Substanzen werden jedoch für den Körperaufbau und für den Stoffwechsel benötigt und unser Körper muss sie über die Nahrung aufnehmen. Auch in Tieren und Pflanzen kommen Aminosäuren vor. Da die menschlichen Aminosäuren aber stärker den tierischen als den pflanzlichen Aminosäuren ähneln, hat tierisches Eiweiß eine höhere Wertigkeit für den Menschen. Daher sollten mindestens 50 % der aufgenommenen Proteine tierischen Ursprungs sein.

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Bei einer gemischten, überwiegend vegetarischen Kost kommt der Zusammensetzung der Nahrungsmittel eine herausragende Bedeutung zu: Gelangen die Aminosäuren verschiedener Nahrungsmittel in den Darm, ergänzen sie sich und werten das Eiweiß auf. Besonders effektiv ist ein Gemisch aus Kartoffeln und Eiern. Die auf diesem Prinzip aufbauende Kartoffel-Ei-Diät hat sich inzwischen seit drei Jahrzehnten in der Behandlung der Niereninsuffizienz bewährt. Eine reine Kartoffel-Ei-Diät wird heute allerdings nicht mehr empfohlen, da sie zu Mangelzuständen führen kann.

Lebensmittel mit einem günstigen Eiweißergänzungswert

Biologische Wertigkeit von Eiweißen und Eiweißgemischen

Kochsalz (Natrium)

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Nicht mehr als 5–6 g (1400–2400 mg) pro Tag

Salz (Natriumchlorid) bindet Wasser, fördert somit Wassereinlagerungen im Körper (Ödembildung) und trägt zur Entstehung eines Bluthochdruckes bei Niereninsuffizienz bei. Außerdem verursachen salzreiche Lebensmittel und Speisen Durst, was die Einhaltung der Flüssigkeitsbeschränkung erschwert. Eine Einschränkung der Natrium- bzw. Kochsalzaufnahme ist vor allem bei bestehendem Bluthochdruck und bei Wassereinlagerungen notwendig. Ansonsten gilt die allgemeine Empfehlung, dass der Salzgehalt der Nahrung 6 g pro Tag nicht übersteigen sollte; dies entspricht etwa 2500 mg Natrium. Da heißt es aufpassen, denn in unserem Essen steckt viel verborgenes Salz und meist ist unser Salzverzehr viel zu hoch.

Kalium

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Im Falle einer Überschreitung des Normalwertes 1600–2400 mg pro Tag

Die Kaliumkonzentration im Blut bedarf bei jeder Nierenerkrankung besonderer Aufmerksamkeit. Sie kann in Abhängigkeit der Medikation und dem Schweregrad der Niereninsuffizienz sowohl nach oben (Hyperkaliämie durch ACE-Hemmer oder bei höhergradiger Niereninsuffizienz), als auch nach unten (Hypokaliämie unter entwässernden Medikamenten) schwanken. Beide Zustände (Hypokaliämie und Hyperkaliämie) können zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen führen.

Die Kaliumausscheidung bleibt meist bis zu einem fortgeschrittenen Stadium der chronischen Niereninsuffizienz weitgehend normal, so dass eine kaliumarme Ernährung in der Regel erst dann erforderlich ist, wenn die Urinmenge stark abgenommen hat (weniger als 1 l pro Tag).

Die diätetischen Empfehlungen bezüglich des Meidens von kaliumhaltigen Lebensmitteln hängen sehr von der individuellen Situation ab und orientieren sich an den Laborergebnissen der regelmäßigen ärztlichen Kontrolluntersuchungen.

Phosphat

Etwa 800–1200 mg pro Tag (bei eiweißreduzierter Kost meist automatisch gegeben)

Die Nieren spielen auch in der Regulation des Mineralstoffwechsels eine große Rolle. Mit zunehmendem Nierenfunktionsverlust kommt es zu einem Anstieg des Phosphatspiegels im Blut (Hyperphosphatämie) und den Körpergeweben. Diese Hyperphosphatämie führt zu einer Knochenmineralisationsstörung mit erhöhter Knochenbrüchigkeit, darüber hinaus zu vermehrten Kalkeinlagerungen in Gelenken, Muskulatur und Haut. Eine chronische Niereninsuffizienz macht eine Einschränkung des Phosphatverzehrs notwendig. Da der Phosphatgehalt bei einer eiweißarmen Ernährung jedoch ohnehin vermindert ist, sind oftmals keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Wenn Phosphat aber nicht mehr in ausreichendem Maß über die Niere ausgeschieden werden kann, muss eine eingeschränkte Phosphatzufuhr von maximal 1000 mg täglich eingehalten werden.

Auch hier gilt: Dabei kommt es auf Ihre persönlichen Toleranzgrenzen an, und diese legt Ihr betreuender Nephrologe fest. Es kann auch schon in frühen Stadien der Niereninsuffizienz zu einer empfohlenen Einschränkung bei der Phosphatzufuhr kommen.

Flüssigkeit

Trinkmenge: keine Beschränkung

Die Aufrechterhaltung einer ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz (Vermeiden von Austrocknung und von Überwässerung) ist ein sehr wichtiges Behandlungsziel bei Patienten mit chronischer Nierenschwäche.

Die Entgiftungsleistung der Nieren korreliert nicht mit der Menge der Urinausscheidung. Erst im fortgeschrittenen Stadium der Nierenfunktionseinschränkung lässt die Fähigkeit der Nieren, Wasser auszuscheiden, nach.

Insofern kann eine Steigerung der Trinkmenge (sog. Spülen der Nieren) zur Verbesserung der Entgiftungsleistung der Nieren nicht generell empfohlen werden, es sei denn, dass ein Flüssigkeitsmangel für die Niereninsuffizienz verantwortlich ist.

Hinzu kommt, dass Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz häufig gleichzeitig an einer Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz) leiden. In diesen Fällen ist das Vermeiden einer Überwässerung durch eine maßvolle Flüssigkeitszufuhr besonders wichtig.

Als Orientierung gilt die Regel: Trinkmenge = Urinmenge + 500–800 ml. An heißen Tagen (Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen) kann man auch etwas mehr trinken.

Zur Beurteilung der Flüssigkeitsbilanz im Verlauf ist tägliches Wiegen und das Abtasten der Knöchel und Unterschenkel nach Wassereinlagerungen (Ödemen) empfehlenswert.

Das sogenannte Spülen der Nieren (so viel trinken, bis die Urinmenge über 2 l pro Tag beträgt) ist nur bei Nierensteinleiden und bei Neigung zu Harnwegsinfektionen sinnvoll.

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Bei der Getränkeauswahl sollten Sie den Gehalt an Natrium, Kalium und Phosphat beachten.

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Geeignete Getränke (da natrium-, kalium- und phosphatarm) sind: Früchte- und Kräutertee, grüner und schwarzer Tee, Kaffee (2–3 Tassen pro Tag), Limonade, Sirup, Mineralwasser (Natrium < 100 mg pro Liter)

Ungeeignete Getränke (da natrium-, kalium- und phosphatreich) sind: Cola, Instantgetränke (Nescafé, Capuccino, Zitronentee), Milch, Obst- und Gemüsesäfte, Wein, Bier (auch alkoholfreies Bier)

Bei Notwendigkeit einer Flüssigkeitsbeschränkung ist außerdem zu beachten:

Der Flüssigkeitsgehalt von festen Nahrungsmitteln, wie Fleisch, Brot, Nudeln, Reis, Kartoffeln und Gemüse, muss nicht als Flüssigkeit berechnet werden.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842687776
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Oktober)
Schlagworte
Eiweißbeschränkung Ernährungsplan Gesundheits-Ratgeber Nierentransplantation Patienten-Ratgeber Rezepte für Anfänger Selbsthilfe

Autoren

  • Sven-David Müller (Autor:in)

  • Christiane Weißenberger (Autor:in)

Diätassistent Sven-David Müller, Bestseller-Autor zahlreicher Ernährungsratgeber, ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Er erhielt diese Auszeichnung für seine besonderen Verdienste um die Volksgesundheit, insbesondere im Bereich Ernährungsaufklärung. Seine Ernährungsratgeber sind in dreizehn Sprachen erschienen und haben eine Gesamtauflage von rund 5 Millionen Exemplaren. Christiane Weißenberger arbeitet als Diät- und Diabetesassistentin in einer diabetologischen Schwerpunktpraxis in Würzburg. Zusammen mit Sven-David Müller hat die Rezept-Expertin bereits zahlreiche Ernährungsratgeber veröffentlicht.
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Titel: Ernährungsratgeber Niereninsuffizienz und Dialyse