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Praxisratgeber: das Strukturmodell für die Pflegedokumentation

Weniger Bürokratie – Mehr Zeit für die direkte Pflege gewinnen

von Manuela Ahmann (Autor:in) Hermann-Josef Ahmann (Autor:in) Anette Pelzer (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Weniger Bürokratie bei der Pflegedokumentation! Das verspricht das Strukturmodell – und hält dieses Versprechen auch ein. Schon mehr als ein Drittel aller ambulanten und stationären Pflegeunternehmen in Deutschland haben bereits umgestellt.
Doch das Strukturmodell will gelernt sein. Es ist kein neuer Formularsatz, sondern ein neues Konzept, stützt sich auf pflegewissenschaftliche Überlegungen und integriert verschiedene pflegetheoretische Ansätze.
Dieses Buch zeigt die praktische Umsetzung des Strukturmodells: Die vier Elemente werden praxisnah und leicht verständlich erklärt. Viele Fallbeispiele demonstrieren anschaulich, wie sich zeitsparend arbeiten lässt.
Wer das Strukturmodell anwendet, kann im Übrigen dem 1. Januar 2017 gelassen entgegen blicken: Das Strukturmodell orientiert sich bereits am Neuen Begutachtungsassessment, das dann verpflichtend eingeführt wird.

Auf den Punkt gebracht:
Das Strukturmodell – das dreifache Plus:
weniger Bürokratie, mehr Zeit für die Pflege
die ideale Vorbereitung aufs NBA
motiviertere Mitarbeiter, zufriedenere Klienten

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Seit langem ist die Pflege durch die ausufernde Dokumentation überlastet. Den Mitarbeitern der Pflege ist durchaus bewusst, dass relevante Daten zu dokumentieren sind und die Verschriftlichung des Pflegeprozesses eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Was sich aber in den letzten zehn Jahren in Sachen Pflegedokumentation entwickelt hat, kann nur noch als »Schreckensgebilde« bezeichnet werden. Viel zu oft entsteht der Eindruck, angstgetrieben »nur noch für den MDK und die Prüfbehörden« dokumentieren zu müssen. Lieber eine Eintragung, ein Assessment und ein Protokoll mehr als eines zu wenig. Gilt doch die Devise: Was nicht dokumentiert wurde, wurde auch nicht erbracht!

Umso begrüßenswerter war der Vorstoß des Bundesministeriums für Gesundheit: Unter Federführung des Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, und dem Projektbüro »Ein-STEP1« startete das Mammutprojekt »Entbürokratisierung der Pflegedokumentation«.

Zurück auf ein akzeptables Maß

Mit der Entwicklung des Strukturmodells (nach Elisabeth Beikirch & Martina Roes) mit der »Strukturierten Informationssammlung (SIS)« wird der Aufwand für die Pflegedokumentation wieder auf das notwendige Maß zurückgeführt.

Mithilfe einer bundesweit angelegten Implementierungsstrategie werden die Pflegeeinrichtungen in der ambulanten und der stationären Langzeitpflege derzeit wissenschaftlich bei der Umsetzung unterstützt. Alle sind eingeladen, sich aktiv zu beteiligen. Und mehr als 8 000 Einrichtungen sind der Einladung bislang gefolgt.

Wir, die Autoren dieses Praxisratgebers, sind erfahrene Praktiker und vom Projektbüro »Ein-STEP« geschulte Multiplikatoren. Bislang haben wir in über 30 Schulungen fast 500 Vertreter von Pflegeeinrichtungen und ambulanten Diensten im Umgang mit dem Strukturmodell und der SIS geschult und in Reflexionsterminen begleitet.

Dabei hat sich herausgestellt, dass bei der Einführung des Strukturmodells in den Pflegeunternehmen zwar eine grundsätzliche Begeisterung bei den Mitarbeitern zu erkennen ist, sich aber auch ein großer Schulungs- und Übungsbedarf herauskristallisiert hat.

Es war ein langer Weg zur heutigen überbordenden Dokumentation und es wird ein langer steiniger Weg zurück zu einer Dokumentation für den Pflegebedürftigen, die dennoch allen Ansprüchen genügt!

Alles rechtens!

Gefragt ist hier besonders die Rückbesinnung der Pflegefachkräfte auf ihre fachliche Kompetenz und ihre pflegefachlichen Entscheidungsspielräume. Beides ging in den letzten Jahren teilweise verloren.

Auch als geschulte Multiplikatoren lernen wir ständig dazu. Auch wir befinden uns in einer Phase, in der ein Stück Geschichte der Pflege neu geschrieben wird, geprägt auch durch die Pflegestärkungsgesetze I und II, der neuen Definition der Pflegebedürftigkeitsbegriffs sowie der damit verbundenen Einführung des neuen Begutachtungsassessments (NBA).

Mit diesem Praxisratgeber geben wir Ihnen, den Pflegefachkräften, Unterstützung, Hilfe und Anregungen bei der Umsetzung des Strukturmodells.

Hinweis

 

_______________

1 Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation

EINFÜHRUNG

Der Dokumentationsaufwand, insbesondere im stationären und ambulanten Langzeitpflegealltag, hat sich seit 2005 teilweise verdoppelt und verdreifacht. Aus Unsicherheit und Angst vor Prüfinstanzen entstand eine überbordende Dokumentation. Die Folge sind weniger Zeit für die Pflegebedürftigen und weniger Berufszufriedenheit der Mitarbeiter. Hinzu kam: Der Dokumentationsaufwand verschlang pro Jahr 2,7 Mrd. Euro. So errechnete es das Bundesamt für Statistik.2

Die Befreiung von unnötigem Dokumentationsaufwand im Pflegealltag ist also absolut wichtig: ohne haftungsrechtliche Risiken, ohne Qualitätsverschlechterung – aber mit mehr Zeit für die Pflegebedürftigen, besserer Pflegequalität und höherer Berufszufriedenheit.

Seit rund zehn Jahren gibt es Versuche und Initiativen auf Bundes- und Länderebene, um die Pflegedokumentation praxistauglich und effektiv zu verschlanken. Im Juli 2013 legte Elisabeth Beikirch, die damalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege (OBF) im Bundesgesundheitsministeriums (BMG), dringend nötige Empfehlungen zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation vor – gemäß dem Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).

Diese Empfehlungen für ein Strukturmodell der Pflegedokumentation entstanden auf der Grundlage vielfältiger Beratungen mit Experten aus Fachpraxis und Fachwissenschaften, Prüfinstanzen auf Bundes- und Landesebene sowie haftungs- und sozialrechtlicher Expertise.

Das Ziel: Bislang verwendete Dokumentationsmodelle, allen voran die Strukturierungshilfe »Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens« (AEDL), durch eine »Strukturierte Informationssammlung« (SIS) abzulösen.

Im April 2014 lag der Abschlussbericht zum ersten großen Praxistest des Projektes3 vor. Staatssekretär Karl-Josef Laumann beauftragte im Anschluss die IGES Institut GmbH, gemeinsam mit Elisabeth Beikirch, ein Projektbüro einzurichten, um bei der flächendeckenden Umsetzung des Projekts »Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation« zu helfen. Im Januar 2015 nahm das Projektbüro Ein-STEP seine Arbeit auf. Die Grundlage ist dabei eine Implementierungsstrategie (IMPS).4

Alle Zeichen stehen auf Grün

Mit der Arbeitsaufnahme des Projektbüros hat das größte Entbürokratisierungsprojekt in der Geschichte der Pflegeversicherung begonnen. Der Auftrag: ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen bei der Umsetzung des neuen Strukturmodells für die Pflegedokumentation zu unterstützen.

Die zentralen Schulungen erfolgen durch von den Verbänden benannte Multiplikatoren und durch das Projektbüro benannte Regionalkoordinatoren. Die Schulungsmaterialien werden zentral vom Projektbüro bereitgestellt. Sie sind unmittelbar verbindlich für alle Multiplikatoren, Verbände und beteiligten Einrichtungen. Darin enthaltene sogenannte »Core Elements« dürfen im Rahmen der Implementierungsstrategie (IMPS) nicht verändert werden. Vorschläge zur Änderung einzelner Vorgaben werden im Rahmen der IMPS an das Projektbüro zur Bündelung und konzeptionellen Bearbeitung weitergeleitet.

Die geplante zweijährige Förderung der Implementierungsstrategie zur Einführung der SIS war verbunden mit der Erwartung, dass sich bundesweit mindestens 25 Prozent aller ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen beteiligen. Dieses Ziel war bereits zur Jahresmitte 2015 erreicht.

Entbürokratisierung? Viele machen mit

Alle Einrichtungen und Dienste, die sich am Projekt beteiligten, nehmen an der Implementierungsstrategie mit gesteuerten und begleitetem Prozess, einschließlich einer Evaluation mit Unterstützungs- und Begleitungsstrukturen (Schulungen, Reflexionstreffen, Rückmelde- und Rückfragemöglichkeiten, Internet-Austauschforen) teil.

Auch der »Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS)« und der »Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK)« begleiten das Projekt zur Entbürokratisierung in der Pflege von Anfang an und tragen seine Ziele mit. So wurden auch Multiplikatoren des MDK, des Prüfdienstes der privaten Krankenversicherung, der Heimaufsichtsbehörden der Bundesländer und Vertreter der Dokumentationshersteller geschult.

Die sozialmedizinische Expertengruppe »Pflege« der MDK-Gemeinschaft und der MDS haben für die Prüfer der MDK und des PKV-Prüfdienstes »Ergänzende Erläuterungen« zu den Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) erstellt und am 16. September 20155 veröffentlicht.

Die Entscheidung eines Trägers, die neue Pflegedokumentation einzuführen, setzt eine positive Haltung des Pflege- und Qualitätsmanagements und die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen voraus. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass zu Beginn der Umstellung der zeitliche und organisatorische Aufwand groß sein wird. Erst im Laufe der Zeit wird die Zeitersparnis durch den geringeren Dokumentationsaufwand und den routinierteren Umgang mit der SIS erreicht werden.

Entbürokratisierung in der Praxis

Immer wieder wichtig ist der Blick ins Internet: Im Downloadbereich bei www.ein-step.de finden sich alle aktuellen Informationen, Antworten auf häufig gestellte Fragen und natürlich die Möglichkeit, sich als Einrichtung oder ambulanter Dienst registrieren zu lassen. Interessierte finden u. a. alle bisher veröffentlichten Dokumente sowie das Strukturmodell/SIS – auch elektronisch ausfüllbar.

Fazit

Das neue Pflegedokumentationssystem bietet die Chance, einen grundlegenden Veränderungsprozess in der Pflegedokumentation einzuleiten. Die Medizinischen Dienste tragen diesen Prozess mit und werden ihn in ihren Qualitätsprüfungen berücksichtigen.

Die Pflegeeinrichtungen können das neue Dokumentationssystem im Rahmen der Vorgaben des Entbürokratisierungsprojekts eigenverantwortlich umsetzen.

Dem überbordenden Dokumentationsaufwand kann begegnet werden:

ohne haftungsrechtliche Risiken aufzuwerfen;

ohne Qualitätsansprüche aufgeben zu müssen;

durch mehr Zeit für die Pflegebedürftigen;

durch höhere Berufszufriedenheit der Mitarbeiter.

Wir möchten Ihnen das Verständnis zur Anwendung und Umsetzung der Entbürokratisierung der Pflegedokumentation erleichtern, die Handhabung an vielen Beispielen erläutern und die positiven Konsequenzen für alle Beteiligten nachvollziehbar darstellen.

 

_______________

2 Larjow, E. (2013). Bürokratieaufwand im Bereich Pflege. In: Statistisches Bundesamt (2013). Wirtschaft und Statistik. Wiesbaden, S. 418

3 Beikirch, E.; Breloer-Simon, G., Rink, F. & Roes, M. (2014). Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege. Abschlussbericht. Witten/Herdecke

4 GKV-Spitzenverband; Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW); Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) & Beikirch, E. (2014). Entwicklung einer Implementierungsstrategie (IMPS) zur bundesweiten Einführung des Strukturmodells für die Pflegedokumentation der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Berlin

5 https://www.ein-step.de/fileadmin/content/
documents/150916_Ergaenzende_Erlaeuterungen_Effizienzsteigerung_Pflegedokumentation_V3.pdf

1 DIE ENTBÜROKRATISIERTE PFLEGEDOKUMENTATION DURCH DAS STRUKTURMODELL

Die entbürokratisierte Pflegedokumentation besteht aus dem sog. Strukturmodell. Das ist ein »verändertes Konzept für die Prozessgestaltung und deren Dokumentation in der Langzeitpflege«.6

Das Strukturmodell

Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation bietet die Grundlage, die einzelnen Pflegeprozessschritte des vierstufigen Pflegeprozesses in einem klaren, übersichtlichen, ineinandergreifenden Ablauf darzustellen und abzubilden.

Mit der Einführung des Strukturmodells sind folgende Ziele verbunden:

Ausrichtung der Dokumentation am vierstufigen WHO-Pflegeprozess

Einstieg in den Pflegeprozess anhand der Strukturierten Informationssammlung (SIS)

Personenzentrierter Ansatz und Verständigungsprozess als Grundlage der pflegerischen Versorgung und Betreuung

Übersichtliche Darstellung und rationaler Umgang mit der Einschätzung pflegerelevanter Risiken und Phänomene (Risikomatrix, Kontextkategorien)

Reduzierung von Einzelleistungsnachweisen in der stationären Langzeitpflege

Schnelle Orientierung anhand einer übersichtlichen Pflegedokumentation und Zeitersparnis zugunsten der direkten Pflege

Pflegedokumentation als Steuerungs- und Kommunikationsinstrument zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung und Betreuung

1.1 Die Handlungsanleitung zur Anwendung und Umsetzung der entbürokratisierten Pflegedokumentation

Zur Anwendung und Umsetzung der entbürokratisierten Pflegedokumentation wurde eine Handlungsanleitung (Version 1.1)7 erarbeitet. Sie ist Ergebnis eines intensiven fachlichen und interdisziplinären Arbeitsprozesses, der die gesamte Pflegelandschaft ergriffen hat. Das Ziel ist es, die zur Verfügung stehende Zeit für Pflege im Langzeitbereich wieder stärker für den Pflegebedürftigen zu nutzen. Bürokratie im Planungs- und Dokumentationsprozess soll abgebaut werden. Die Handlungsanleitung beinhaltet u. a.:

Die Grundprinzipien des Strukturmodells

Aufbau und praktische Anwendung der strukturierten Informationssammlung (SIS)

Notwendige Rahmenbedingungen zur Umstellung der Pflegedokumentation auf das Konzept des Strukturmodells

Die Handlungsanleitung

gibt Sinn und Zweck des veränderten Vorgehens wieder;

fasst Ziele, Themen und fachliche Schwerpunkte zusammen;

erläutert die Verfahrensschritte;

gibt Hinweise zu fachlichen Kompetenzen und zu Verantwortlichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen;

ist die Grundlage zur Entwicklung von Schulungsmaterialien.

»Die Handlungsanleitung zur Umsetzung des Strukturmodells ist eine Rahmenvorgabe, innerhalb derer die Pflegeeinrichtungen ihre spezifischen Festlegungen z. B. in Form von Verfahrensanweisungen zur Umsetzung treffen sollen.«8

Hinweis

1.2 Die Implementierungsstrategie (IMPS)

Um die Ergebnisse aus dem Praxistest belastbar umzusetzen, bedurfte es der bundesweiten Implementierungsstrategie (IMPS). Im Dezember 2014 wurde Folgendes festgelegt:

Verfahren der Teilnahmegewinnung durch die Verbände und Anmeldung zur IMPS

Phasen der Implementierung (Entwurf ) und Projektverlauf

Organisations- und Kommunikationsstruktur zur Steuerung der IMPS

Funktion, Ressourcen und Handlungsverantwortung aller Beteiligten

Konzept und Organisation zur Schulungen von Multiplikatoren einzelner Zielgruppen

Weiterentwicklung des Konzepts für die Kurzzeit- und Tagespflege

Externe Evaluation und wissenschaftliche Begleitung

Zeit- und Meilensteinplanung 2015/2016

Ziele der IMPS und der Evaluation

Dauerhafte und bundesweite Verstetigung von fachlicher Expertise auf allen Ebenen auf der Grundlage der Erkenntnisse aus dem Praxistest zum Strukturmodell.

Förderung der flächendeckenden Akzeptanz des Strukturmodells bei Einrichtungs- und Kostenträgern und bei den Prüfinstanzen auf Bundes- und Landesebene.

Konzepte zur inhaltlichen und technischen Umsetzung durch die Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Dokumentationsbranche.

Bundesweit einheitlich festgelegte Schulungsmaterialien, Konzept und Instrumente sowie einheitliche Schulungsanforderungen für Trainer.

Qualitätsgesicherte Unterstützung der Pflegeeinrichtungen bei der Umstellung ihrer Pflegedokumentation auf das Strukturmodell unter Aspekten der Effektivität und Effizienz (Förderung der Fachlichkeit, Qualitätssicherung, Zeitersparnis).

In der IMPS9 sind alle Phasen ausführlich beschrieben.

1.3 Allgemeine und zentrale Aussagen
zum Strukturmodell

Das Strukturmodell ist kein neuer Formularsatz, sondern ein neues Konzept. Es stützt sich auf pflegewissenschaftliche Überlegungen und integriert verschiedene pflegetheoretische Ansätze. Ganz bewusst werden dabei bisher verwendete Pflegeplanungsmodelle, etwa die »Aktivitäten und existenzielle Erfahrungen des Lebens«/A(B)EDL nach Monika Krohwinkel, abgelöst. »Die Ausrichtung der Pflegedokumentation an einem speziellen Pflegemodell ist möglich – z. B. in der Gerontopsychiatrie … oder entlang der Charta pflege- und hilfebedürftiger Menschen – aber nicht zwingend erforderlich.10

Die wichtigsten zentralen Aussagen und ihre Forderungen

Rückbesinnung der Pflegekräfte auf ihre fachliche Kompetenz

Der personenzentrierte Ansatz mit der Konzentration auf die Perspektiven, Wünsche, Erwartungen und Lebenssituation der pflegebedürftigen Personen

Die fachliche Einschätzung über sechs Themenfeldern, die bewusst mit dem künftigen neuen Begutachtungsassessment (NBA) korrelieren

Die übersichtliche Erfassung pflegerischer Risiken und Phänomene

Die Grundstruktur des Strukturmodells basiert auf einem Pflegeprozess mit vier Phasen:

1. Die strukturierte Informationssammlung (SIS) als Einstieg in den Pflegeprozess

2. Die Entwicklung des Maßnahmenplanung auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS

3. Die Berichte mit dem Fokus auf Abweichungen von regelmäßig wiederkehrenden Pflege- und Betreuungsabläufen

4. Die Evaluation (mit Fokus auf Erkenntnissen aus SIS, Maßnahmenplanung und Berichte)11

Wichtig: Ohne Übung geht es nicht

So »schlank« das neue Strukturmodell auch sein mag, seine Handhabung erfordert Engagement, Wissen, Übung und auch Geduld. Nach unseren Erfahrungen braucht eine examinierte Pflegefachkraft ca. acht bis zehn begleitete Dokumentationen, bis sie das Strukturmodell selbstständig und fachkundig umsetzen kann.

1.4 Neuerungen aus fachlicher Sicht

Zusammenfassend lassen sich folgende Neuerungen aus fachlicher Sicht darstellen:

Individualität und Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Person werden gestärkt und konsequent beachtet.

Es erfolgt eine Verständigung zu individuellen Leistungen und Wünschen sowie die Dokumentation des Konsenses.

Die Fachlichkeit der Pflegefachkräfte wird anerkannt.

Der Pflegeprozess wird schriftlich in vier Schritten dargestellt, ohne dass dabei wesentliche Aspekte der Qualitätsdarlegung vernachlässigt werden.

Pflegerelevante biografische Informationen werden im Regelfall in der SIS und nicht auf einem Extrabogen erfasst.

Die strukturierte Informationssammlung (SIS) ist der Einstieg in den Pflegeprozess.

Eine eigens entwickelte Matrix in der SIS dient der Erfassung und Dokumentation der häufigsten Risiken und Phänomene bei pflege- und hilfebedürftigen Menschen.

Der Umgang mit dem Berichteblatt ändert sich, weil der Fokus auf Abweichungen liegt.

Die Evaluation hat eine höhere Bedeutung.12

Fazit

Sechs wissenschaftsbasierte Themenfelder bilden die Basis der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit. Sie korrespondieren mit den Themenfeldern des Neuen Begutachtungsassessments (NBA) zur Einstufung von Pflegebedürftigen.

Einzelleistungsnachweise (stationär) für tägliche Routinen entfallen (Grundpflege, Betreuung).

Es gibt festgelegte Verfahrensanweisungen des internen Qualitätsmanagements.

Kein Extra-Bogen für biografische Daten mehr! Diese Daten können über die strukturierte Informationssammlung (SIS) erfasst werden.

 

_______________

6 Bundesministerium für Gesundheit (2015). Handlungsanleitung (Version 1.1) zur praktischen Anwendung des Strukturmodells (ambulant/stationär) der integrierten Strukturierten Informationssammlung (SIS) mit der Matrix zur Risikoeinschätzung, der Maßnahmenplanung und der Evaluation sowie mit Hinweisen zum Handlungsbedarf auf der betrieblichen Ebene. Berlin, S. 4

7 https://www.ein-step.de/fileadmin/content/documents/Handlungsanleitung_zum_neuen_Struk-turmodell.pdf

8 BMG 2015, S. 5

9 GKV et al. 2014

10 BMG 2015, S. 8

11 Vgl. ebd.

12 Vgl. aaO., S. 7

2 DIE ANWENDUNG DES STRUKTURMODELLS – DIE VIER ELEMENTE

Das Strukturmodell basiert auf dem Vier-Phasen-Modell der WHO (1974/1987).

 

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Abb. 1: Die vier Elemente des Strukturmodells.

Element 1: Strukturierte Informationssammlung (SIS)

Die strukturierte Informationssammlung (SIS) ist der Einstieg in den Pflegeprozess mit den Kernelementen A, B, C1 und C2:

Stammdaten (A)

Eigeneinschätzung der pflegebedürftigen Person (B)

Sechs Themenfelder zur pflegefachlichen Einschätzung (C1)

Matrix zur Erfassung pflegesensitiver Risiken und Phänomene (Initialassessment C 2)

Element 2: Individuelle Maßnahmenplanung

Darstellung der Maßnahmen auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS, des Verständigungsprozesses und unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche der pflegebedürftigen Person.

Element 3: Berichteblatt

Mit Fokus auf Abweichungen von der individuellen Maßnahmenplanung und tagesaktuelle Ereignisse.

Element 4: Evaluation

Auf Basis von Erkenntnissen aus der SIS, der Maßnahmenplanung und dem Berichteblatt erfolgt die Festlegung von individuellen Evaluationsdaten.

 

 

 

 

2.1 Die Strukturierte Informationssammlung SIS

Die Strukturierte Informationssammlung (SIS) ist der Einstieg in den Pflegeprozess und das zentrale Element des Prozesses, beginnend mit dem Erstbzw. Aufnahmegespräch. Entscheidend ist,

ob die Anwendung der SIS im Rahmen der Neuaufnahme erfolgt oder

ob aktuelle Erkenntnisse im Verlauf der Pflege und Betreuung eine erneute Überprüfung erfordern.

Bei den folgenden Informationen beziehen wir uns auf die Rubrik »Häufige Fragen« auf www.ein-step.de (Stand: Dezember 2015).17

2.1.1 Die SIS zu Beginn des Versorgungsauftrages – Erstbesuch/Neuaufnahme

Die Pflegefachkraft erhebt zu Beginn des Versorgungsauftrages alle Informationen, die für die Pflege und Betreuung relevant sind. Aufgrund dieser Informationen nimmt sie eine erste pflegefachliche Einschätzung vor. Dabei arbeitet sie entlang der Themenfelder einschließlich der Risiken/Phänomene, die sie mit der Risikomatrix erfasst.

Die SIS wird nach einer, jeweils im einrichtungsinternen Qualitätsmanagement festgesetzten, Phase abgeschlossen und nicht weiter ergänzt oder bearbeitet. In der Regel beträgt der Zeitraum für die vollständige Erfassung einer SIS 24 bis 72 Stunden (stationär) bzw. eine Woche bis 14 Tage (ambulant).

Empfehlung für den ambulanten Bereich

Im ambulanten Bereich erscheint es aus praktischen Erfahrungen sinnvoll, die SIS nach vier bis fünf Einsätzen fertigzustellen. Das hängt ganz von den Besonderheiten und der Planung der Pflegeeinsätze ab, gegebenenfalls geregelt über das interne Qualitätsmanagement.

Darüber hinaus empfiehlt das Projektbüro folgendes Vorgehen:

Am Aufnahmetag wird eine erste (vorläufige) Maßnahmenplanung erstellt.

Abhängig von der Einschätzung in der Risikomatrix werden Evaluationszeiträume definiert.

Das einrichtungsinterne Pflege- und Qualitätsmanagement legt fest, in welchem Zeitraum die weitere Informationserhebung erfolgt, und wo die Informationen erfasst werden. Hier kann durchaus auch das Berichteblatt genutzt werden.

Es wird festgelegt, wie entsprechende Beobachtungen in jeder Schicht oder bei jedem Hausbesuch zu dokumentieren sind.

Im Einzelfall muss entschieden werden, ob entsprechende Maßnahmen sofort dokumentiert werden müssen.

Nach Abschluss des definierten Zeitraums für die Informationserhebung erfolgt eine Fallbesprechung mit allen Beteiligten am Pflege- und Betreuungsprozess. Dabei wird die anfängliche Situationseinschätzung (SIS und Maßnahmenplanung) überprüft.

Daraus ergeben sich möglicherweise Anpassungen der bisherigen Maßnahmenplanung. Ggf. bleibt die SIS unverändert, da die fachliche Einschätzung weiterhin gültig ist.

Sollte das Ergebnis der Fallbesprechung auch wesentliche Aspekte der Themenfelder und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix betreffen, wird die SIS erneut ausgefüllt, unter Angabe des aktuellen Datums von der Pflegefachkraft. Dies gilt auch für das Kernelement B (Dialog mit der pflegebedürftigen Person).

2.1.2 Die SIS im Verlauf des Versorgungsauftrags – Evaluation des Pflegeprozesses

Sind Veränderungen so relevant, dass sie Ergänzungen oder sogar eine Neubewertung der Themenfelder erforderlich machen? Oder reicht es aus, die Veränderungen ausschließlich in der Maßnahmenplanung nachvollziehbar darzustellen? Auch hier hat die Fallbesprechung eine besondere Bedeutung.

Dazu empfiehlt das Projektbüro folgendes Vorgehen:

Ist die SIS in ihrer fachlichen Einschätzung weiterhin gültig, wird ausschließlich der Maßnahmenplan geändert.

Betreffen Abweichungen von der bisherigen Maßnahmenplanung auch wesentliche Aspekte der Themenfelder und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix, wird die SIS komplett (auch Feld B) neu von der Pflegefachkraft ausgefüllt.

Ist nur ein Themenfeld in der SIS betroffen, empfiehlt sich eine Plausibilitätsprüfung im Hinblick auf die Risikomatrix und die mögliche Auswirkung auf andere Themenfelder. Dann kann entschieden werden, ob eventuell (insbesondere bei papiergestützter Dokumentation) nur dieses Feld unter Angabe des Datums und des Kürzels der Pflegefachkraft ergänzt wird.

Mit ihrer Unterschrift bestätigt die Pflegefachkraft in dem veränderten Themenfeld gleichzeitig, dass alle übrigen Angaben in der SIS, die unter dem bisherigen Datum dokumentiert worden sind, unverändert geblieben sind.

Hinweise

2.1.3 Aufbau und Hinweise für die Praxis

Die SIS ist in vier Abschnitte eingeteilt (A, B, C1 und C2), die systematisch aufeinander aufbauen (vgl. Abbildung 6):

1. A: Stammdaten

2. B: Einstiegsfrage

3. C1: 6 Themenfelder

4. C2: Risikomatrix

A: Stammdaten

Feld A dient der Erfassung von allgemeinen und relevanten Daten (Name und Geburtsdatum des Pflegebedürftigen). Es gibt Auskunft darüber, wann das Gespräch geführt wurde, welche Pflegefachkraft es führte und wer auf Seiten des Pflegebedürftigen dabei war.

B: Einstiegsfrage

Feld B enthält die Leitfragen unter Beachtung des personenzentrierten Ansatzes:

Was bewegt Sie im Augenblick?

Was brauchen Sie?

Was können wir für Sie tun?

Dieses Feld dient also der Erfassung der Wünsche und der aktuellen Bedürfnisse des Pflegebedürftigen. Es geht um seine individuelle Sichtweise. Die Pflegefachkraft hört aktiv zu, schreibt in wörtlicher Rede (und evtl. sogar in der »Ichform« – dem Ich des Pflegebedürftigen).

 

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Das müssen Pflegefachkräfte wissen:

Das Gespräch erfolgt bei Neuaufnahmen, insbesondere zur persönlichen Situation und zum aktuellen Anlass, warum die pflegebedürftige Person aus ihrer Sicht Leistungen des ambulanten Pflegedienstes oder der stationären Pflegeeinrichtung benötigt und welche Erwartungen sie mit dieser Dienstleistung oder dem Pflegeheim verbindet.

Alle Angaben der pflegebedürftigen Person zu ihren Gewohnheiten und Fähigkeiten sowie ihre Hilfe- und Pflegebeschreibung werden im wörtlichen Originalton (Zitat) ungefiltert wiedergegeben.

Die pflegebedürftige Person soll von sich und ihrer (Lebens-)Situation – insbesondere im Hinblick auf den Hilfe- und Pflegebedarf – erzählen.

Der Erzählfluss soll möglichst wenig durch fachliche Fragen unterbrochen werden.

Das Gespräch soll einerseits dazu dienen, Bedürfnisse, Werte und Gewohnheiten kennenzulernen und andererseits den Unterstützungsbedarf aus Sicht des Pflegebedürftigen zu erfassen.

Eine wichtige Option ist die Hinzuziehung der Erfahrungen und Einschätzungen von Angehörigen und Betreuern, falls die pflegebedürftige Person aufgrund ihrer körperlichen oder kognitiven Situation keine (ausreichenden) Aussagen treffen kann.

Wird die SIS z. B. bei umfassenden gesundheitlichen Einbrüchen oder in familiären Zusammenhängen (ambulant) des Pflegebedürftigen komplett neu erhoben, kann auch dieses Feld wieder genutzt und neu ausgefüllt werden.

Bei stark kognitiv beeinträchtigten Menschen – insbesondere in Verbindung mit herausfordernden Verhaltensweisen – kann/wird dieses Gespräch stellvertretend oder ergänzend mit den Angehörigen und/oder mit dem Betreuer geführt werden. Aus der Situationsbeobachtung können jedoch auch nonverbale Botschaften über den Pflegebedürftigen erfasst werden.

Darüber hinaus können Aussagen zu pflegerelevanten biografischen Zusammenhängen aufgenommen und ggf. festgehalten werden.

Optional besteht auch die Möglichkeit für die Themenfelder relevante Aussagen direkt in diese aufzunehmen.

Wichtig: Informationen sammeln – so geht’s

Für alle Pflegefachkräfte heißt das: Sie müssen sich in aktivem Zuhören üben und eine vertrauensvolle Atmosphäre schaffen. Denn nur ein Vertrauensverhältnis bringt sie nun weiter. Erfahren Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Wertschätzung und Respekt, werden sie sich öffnen und ihre Sicht der Dinge immer konkreter schildern können.

Die Fragestellungen der SIS sind übrigens ausdrücklich »als Anregung zu verstehen«.18 Es ist ja durchaus normal, dass jemand mit der Frage »Was bewegt Sie im Augenblick?« nichts anfangen kann, weil er die Frage einfach nicht versteht. Dann hilft es, die Frage umzuformulieren: »Was macht Ihnen Kummer?« – »Weshalb wollten Sie mich sprechen?« – »Was ist denn passiert?«

C1: sechs Themenfelder

Feld C1 bzw. die sechs Themenfelder erfassen anhand von Leitfragen und -gedanken (vgl. Tabelle 1) strukturiert und themenbezogen die aktuelle Situation, inklusive relevanter biografischer Aspekte der pflegebedürftigen Person:

1. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

2. Mobilität und Beweglichkeit

3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4. Selbstversorgung

5. Leben in sozialen Beziehungen

6. Wohnen/Häuslichkeit (stationär) bzw. Haushaltführung (ambulant)

Das müssen Pflegefachkräfte wissen:

Jetzt geht es um die Darstellung der pflegefachlichen Perspektive.

Die Pflegefachkraft schätzt die Situation der pflegebedürftigen Person einschließlich ihrer Ressourcen und des Unterstützungsbedarfs zum Zeitpunkt des Gesprächs ein.

Die systematische Bearbeitung der Themenfelder sorgt dafür, dass nichts Wichtiges übersehen wird.

Zusätzlich werden mögliche Risiken und entsprechende Maßnahmen besprochen.

Wird aus fachlicher Sicht in einem Themenfeld ein Risiko oder ein pflegesensitives Phänomen angesprochen, das die pflegebedürftige Person anders einschätzt, oder ist sie mit Vorschlägen zur Risikobegrenzung (z. B. Prophylaxen) nicht einverstanden, wird das kurz festgehalten.

Die für die Pflege notwendigen biografischen Daten werden ebenfalls hier erfasst.

Bisherige Gewohnheiten, lebensweltliche Vertrautheiten, Autonomie und Selbstkompetenz werden erfasst.

Ärztliche Verordnungen zur häuslichen Krankenpflege (ambulant) oder ärztliche Anordnungen der Behandlungspflege (stationär) werden erfasst bzw. im Rahmen eines professionell begleiteten Entscheidungsprozesses besprochen.

Im ambulanten Bereich erfolgt eine Klärung der Zusammenarbeit (vertraglich vereinbarte Leistungskomplexe bzw. Zeitkontingente).

Die Reihenfolge der Themen kann verändert werden, aber es müssen alle Themen behandelt werden.

Wenn ein Themenfeld nicht von Bedeutung sein sollte, wird dies entsprechend vermerkt.


Tabelle 1: Themenfelder und Inhalte19

ThemenfeldInhalt
1
Kognitive und
kommunikative
Fähigkeiten
Leitgedanke:
»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit die pflegebedürftige Person in der Lage ist, sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren, zu interagieren sowie Risiken und Gefahren zu erkennen. Hier ist auch das Auftreten von herausfordernden Verhaltensweisen wie z. B. nächtlicher Unruhe, Umherwandern (Weglaufen) oder abwehrendes Verhalten zu beschreiben.
Die Pflegefachperson sollte möglichst prägnant diesbezüglich die pflegerische Situation mit Handlungs- und Gestaltungsräumen der pflegebedürftigen Person, ihren Kompetenzen, Gewohnheiten, Risiken und fachlichen Erfordernissen festhalten.«

Leitfrage:
Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren und zu inter-agieren sowie Risiken und Gefahren, auch unter Beachtung von Aspekten des herausfordernden Verhaltens, zu erkennen?

Zusammenfassung:

Zeitlich, persönlich örtlich und situative Orientierung

Aufforderungen verstehen, sich an Gesprächen beteiligen

Entscheidungen treffen und Alltagshandlungen ausführen

Risiken und Gefahren zu erkennen

Auftreten von herausfordernden und abwehrendem Verhaltensweisen

Verhaltensauffälligkeiten (Antriebslosigkeit, Wahnvorstellungen, Ängste …)

2
Mobilität und
Beweglichkeit
Leitgedanke:
»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung dazu, inwieweit die pflegebedürftige Person in der Lage ist, sich frei und selbstständig innerhalb und außerhalb der Wohnung bzw. des Wohnbereichs zu bewegen. Wichtig ist dabei die fachliche Einschätzung/Beschreibung der Möglichkeiten der Person, sich durch Bewegung in angemessenem Umfang Anregung verschaffen zu können, sowie an der Alltagswelt teilzuhaben und teilzunehmen. Der Aspekt des herausfordernden Verhaltens muss dabei berücksichtigt werden.«

Leitfrage:

Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich frei und selbständig innerhalb und außerhalb der Wohnung, bzw. des Wohnbereichs, auch unter Beachtung von Aspekten des herausfordernden Verhaltens, zu bewegen?

Zusammenfassung:

Sich frei und selbstständig innerhalb und außerhalb der Wohnung bzw. des Wohnbereichs bewegen können

Orientierungspunkte zur Einschätzung der Mobilität:

Lagewechsel in liegender Position

Halten einer aufrechten Sitzposition

Transfer (Aufstehen, Hinsetzen, Umsetzen)

Stehen/Gehen, Fortbewegung über kurze Strecken

Treppensteigen

3
Krankheitsbezogene
Aufforderungen
Leitgedanke:

»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit die pflegebedürftige Person durch ihre gesundheitliche Situation/ihre Einschränkungen und Belastungen und deren Folgen, einen pflegerisch fachlichen Unterstützungsbedarf benötigt.

Insbesondere sind die individuellen Belastungsfaktoren, die therapeutischen Settings*, die Compliance** oder der Handlungsbedarf und die eventuellen Unterstützungsbe-darfe bei der Bewältigung von Risiken und Phänomenen z. B. Schmerz, Inkontinenz oder deren Kompensation zu beschreiben und hinsichtlich ihrer krankheits- und therapiebedingten Anforderungen einzuschätzen.

Es geht nicht um die ausschließliche Aufzählung von Diagnosen und ärztlichen Therapien/Medikamente, die bereits in anderer Weise erfasst und dokumentiert sind.«

Leitfrage:

Inwieweit liegen krankheits- und therapiebedingte sowie für Pflege- und Betreuung relevante Einschränkungen bei der pflegebedürftigen Person vor?

Zusammenfassung:

Gesundheitliche Situation/ihre Einschränkungen und Belastungen deren Folgen pflegerisch fachlichen Unterstützungsbedarf aufzeigt zu:

Therapiemaßnahmen im Rahmen des Behandlungspflege

Regelmäßige Arztbesuche und Besuche von anderen medizinischen therapeutischen Einrichtungen

Besonderheiten von körperlichen Zustanden (BMI, Puls, RR, BZ …)

Besonderheiten im Hilfsmitteleinsatz

4
Selbstversorgung
Leitgedanke:

»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit die pflegebedürftige Person in der Lage ist, z. B. Körperpflege, Ankleiden, Ausscheidung, Essen und Trinken etc. selbstständig/mit Unterstützung zu realisieren.
Ziel ist die Unterstützung größtmöglicher Autonomie, Selbstverwirklichung und Kompetenz.
Eventuelle (fachliche und ethische) Konflikte zwischen den obengenannten Werten und die Verständigungsprozesse sind nachvollziehbar zu beschreiben.«

Leitfrage:

Inwieweit ist die Fähigkeit der pflegebedürftigen Person zur Körperpflege, zum Kleiden, zur Ernährung und zur Ausscheidung eingeschränkt?

Zusammenfassung:

Fähigkeit sich zu Waschen (Duschen, Baden, Rasieren, Zahnpflege, Haarpflege etc.), zu kleiden, Essen, Trinken

Toilettenbenutzung,

Notwendigkeit und Besonderheiten einer Inkontinenzversorgung

5
Leben in sozialen
Beziehungen
Leitgedanke:

»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit die pflegebedürftige Person Aktivitäten im näheren (häuslichen) Umfeld und im außerhäuslichen Bereich selbstständig/mit Unterstützung gestalten kann und wer sie ggf. dabei unterstützt (privates Umfeld).«

Leitfrage:

Inwieweit kann die pflegebedürftige Person Aktivitäten im näheren Umfeld und im außerhäuslichen Bereich selbst gestalten?«

Zusammenfassung:

Gestaltung des Alltages und des Tagesablaufes

Gestalteten von Aktivitäten/sich beschäftigen können (Vorlieben und Hobby)

Ruhen und Schlafen – Gestaltung der Nacht

Längere Zeitabschnitte überschauen

Kontaktpflege und Interaktion mit Personen im direkten Kontakt

Fortbewegung und Aktivitäten im außerhäuslichen Bereich

6a
Haushaltsführung (ambulant)


6b
Wohnen/Häuslichkeit (stationär)

Leitgedanke ambulant:

»Die selbstständige oder mit Unterstützung erfolgte Organisation und Bewältigung des eigenen Haushalts der pflegebedürftigen Person wird individuell und situationsgerecht erfasst und beschrieben. Sie betreffen z. B. Einkaufen, Kochen und Waschen etc. Die erfolgte Abstimmung mit Angehörigen über ein arbeitsteiliges oder aufgabenorientiertes Vorgehen in der Versorgung wird ebenfalls erfasst. Hierbei kann es auch um die nachvollziehbare Beschreibung von Konflikt-, Risiko- und Aushandlungssituationen gehen, die sich infolge psychischer und sozialer Pflege-, Wohn- und Lebenssituationen ergeben.«

6b
Wohnen/Häuslichkeit (stationär)
Leitgedanke stationär:

»In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung dazu, inwieweit die pflegebedürftige Person ihre Bedürfnisse und Bedarfe in Hinblick auf Wohnen, und Häuslichkeit in der stationären Einrichtung umsetzen kann. Sie sind wichtig für die Erhaltung von Gesundheit, Kompetenz und Wohlbefinden die Möglichkeit, sich zu orientieren sowie Sicherheit durch Vertrautes zu erlangen – insbesondere in der unmittelbaren Lebensumwelt (eigenes Apartment, im Doppelzimmer, Küchenzeile für bestehende Selbstversorgungspotenziale, Biografie, insbesondere bei Menschen mit Demenz).«

Zusammenfassung:

Wohnen und Häuslichkeit, Versorgungsabläufe

Sicherheit durch Vertrautheit, Gewohnheiten und Wohlbefinden in der Räumlichkeit/Gestaltung Umgebung

Nutzung von Dienstleitungen (Einkaufen, Behördengänge, finanzielle Angelegenheiten etc.)

keine personennahen Risiken

* Therapeutisches Setting:
Unter einem »therapeutischen Setting« versteht man im Allgemeinen die Gesamtheit der ermittelten Merkmale und Umstände von Lebenswelten sowie die damit verbundene spezifische Gestaltung der Therapieumstände.

** »Compliance« bezeichnet die Einhaltung der Therapievorgaben durch den Patienten und repräsentiert eine veraltete Sicht, dass die Verantwortung für einen Therapieerfolg oder ein Therapieversagen einseitig beim Patienten liegt. Auch im deutschen Sprachgebrauch gewinnt der Begriff der Adherence oder Adhärenz zunehmend an Bedeutung. Der Begriff ersetzt im angelsächsischen Sprachraum zunehmend den Begriff Compliance (engl. für Einverständnis, Einhalten, Willfährigkeit, Fügsamkeit) in der Medizin (vgl. http://contentkiosk.de/Adherence)

Wichtig: Das Ergebnis sind die individuelle Pflege und Betreuung

Im Dialog zwischen der pflegebedürftigen Person (ggf. ihren Angehörigen, Betreuern oder Stellvertretern) und der Pflegefachkraft entsteht ein Verständigungsprozess. Er bildet die Grundlage für Entscheidungen über Art und Weise sowie Umfang der individuellen Pflege und Betreuung.

C2: Die Risikomatrix als ein wissenschaftsbasiertes Initialassessment

Mit einem einfachen Ankreuzverfahren (Prinzip der Matrix) erfolgt eine erste fachliche Einschätzung hinsichtlich pflegesensitiver Risiken und Phänomene. Wichtig ist hier, dass sich die Risiken und Phänomene auch in den Themenfeldern C1 wiederfinden.

Autoren

  • Manuela Ahmann (Autor:in)

  • Hermann-Josef Ahmann (Autor:in)

  • Anette Pelzer (Autor:in)

Manuela Ahmann ist freiberufliche Dozentin für Medizin und Pflege, interne Auditorin und Qualitätsbeauftragte in Einrichtungen des Gesundheitswesen (LGA Intercert) und offizielle Multiplikatorin SIS. Hermann-Josef Ahmann ist Diplom-Ökonom, freiberuflicher Dozent für Management und Pflege-Management und offizieller Multiplikator SIS. Anette Pelzer ist Inhaberin eines ambulanten Pflegedienstes, interne Auditorin, NLP-Practitioner sowie Fachtrainerin für Business & Consulting und soziales Coaching, Verhaltenstherapie und Persönlichkeitsentwicklung (Quid agis)
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Titel: Praxisratgeber: das Strukturmodell für die Pflegedokumentation