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Praktisches Wundmanagement

Patientenorientiert handeln – kompetent überleiten. Mit praxiserprobtem Wundüberleitungsbogen

von Andrea Mader (Autor:in)
120 Seiten

Zusammenfassung

Chronische Wunden sind für Patienten außerordentlich belastend und schmerzhaft. Für den pflegerisch-medizinischen Bereich sind sie darüber hinaus kostenintensiv. Denn nur rund 30–40 Prozent der verwendeten Materialien werden tatsächlich wirksam eingesetzt.
Patientenleid mindern und kostendeckend arbeiten – das lässt sich erzielen: mit einem interdisziplinären Wundmanagement in Kliniken, externen Versorgungsstrukturen und der Vernetzung von stationären und ambulanten Bereichen.
Die Autoren dieses Buches -– allesamt ausgewiesene Wundexperten – geben ihr Praxiswissen weiter. Das Plus: ein absolut praxistauglicher Wundüberleitungsbogen! Sofort einsetzbar!

Auf den Punkt gebracht:
Schmerzhafte Schnittstellen bei der Wundversorgung vermeiden.
Der Wundüberleitungsbogen – das zentrale Element einer gelungenen Dokumentation und Pflegeüberleitung.
Modernes Wundmanagement im Netzwerk – zum Wohle der Patienten!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


GLOSSAR

Abkürzungen Gesetzbücher

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

SGB

Deutsches Sozialgesetzbuch (SGB): Gliedert sich in zwölf Bücher, die jeweils mit fortlaufenden Paragrafen nummeriert sind und daher gesetzestechnisch als jeweils eigenständige Gesetze gelten.

SGB V

Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V): Gesetzliche Krankenversicherung

Betrifft Organisation, Versicherungspflicht und Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sowie deren Rechtsbeziehungen zu weiteren Leistungserbringern (Ärzte, Apotheker etc.)

SGB XI

Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI): Pflegeversicherung

In Kraft seit 01. Januar 1995

SGB XI § 7a

Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI) , Paragraf 7a: Pflegeberatung

Seit dem 01. Januar 2009 hat jeder Pflegebedürftige in Deutschland einen Anspruch auf individuelle Pflegeberatung durch die Pflegekassen (Pflegeweiterentwicklungsgesetz). Diese erweiterte Pflegeberatung zielt darauf ab, den Pflegebedürftigen eine umfassende Unterstützung bei der Auswahl und Inanspruchnahme notwendiger Hilfe- und Pflegeleistungen zukommen zu lassen und auf die dazu erforderlichen Maßnahmen hinzuwirken.

Der GKV-Spitzenverband hat am 29. August 2008 die Empfehlungen zur Anzahl und Qualifikation der Pflegeberater nach § 7a SGB XI beschlossen.


Abkürzungen

DNQP

Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege

Das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) ist ein bundesweiter Zusammenschluss von FachkollegInnen in der Pflege, die sich mit dem Thema Qualitätsentwicklung auseinandersetzen. Übergreifende Zielsetzung des DNQP ist die Förderung der Pflegequalität auf der Basis von Praxis- und Expertenstandards in allen Einsatzfeldern der Pflege. Die inhaltliche Steuerung des DNQP erfolgt durch einen Lenkungsausschuss, dessen Mitglieder in unterschiedlichen Aufgabenfeldern der Pflege tätig sind und sich dort mit Fragen der Qualitätsentwicklung in der Pflege befassen. Es handelt sich um VertreterInnen aus Pflegewissenschaft, -management, -lehre und -praxis. Für die Durchführung wissenschaftlicher Projekte und Veröffentlichungen steht ein wissenschaftliches Team an der Hochschule Osnabrück zur Verfügung.

DRG

Diagnosis Related Groups (DRG) (diagnosebezogene Fallgruppen), ökonomisch-medizinisches Klassifikationssystem, mit dem die Leistungen am Patienten anhand der Haupt- und Nebendiagnosen für den einzelnen Behandlungsfall klassifiziert werden.

GKV

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland ist neben der Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung Bestandteil des deutschen Sozialversicherungssystems und Teil des deutschen Gesundheitssystems.

G-BA

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland.

ICW

Initiative Chronische Wunden e.V. (ICW): Wurde 1995 von Ärzten, Pflegenden, Mitarbeitern der Kostenträger und anderen Engagierten ins Leben gerufen, um die Prophylaxe und Therapie von Menschen mit chronischen Wunden zu verbessern. Insbesondere will die ICW praxisnah und überall möglichst optimale Versorgung erreichen. Am 22. 07. 2002 fand die Gründungsversammlung der ICW als eingetragener Verein in Göttingen statt. Seitdem kann jede natürliche Person aktives Mitglied werden, während juristische Personen bzw. Institutionen wie Organisationen und Firmen Förderkreismitglied in der ICW e. V. werden können.

ICW Wundsiegel

Das seit 2010 bestehende Zertifizierungsverfahren für Wundmanagementsysteme (Krankenhaus, Ambulanter Pflegedienst, Pflegeeinrichtung, Wundambulanz etc.) kann inzwischen als Qualitätsmodell für die vernetzte Wundversorgung gelten. Entwickelt wurde das Verfahren unter der Federführung der ICW e. V. unter Beteiligung einer Fachexpertengruppe. Ab Januar 2016 wird die »Wundsiegelpartner«-Zertifizierung möglich sein. Es betrifft zunächst den Bereich des sogenannten Versorgungsmanagements durch Homecare-Unternehmen, Überleitungspflege sowie selbstständige Pflegekräfte. Durch das ICW e. V. Wundsiegel ist es für Betroffene und ihre Angehörigen möglich, eine Einrichtung zu erkennen, die qualifizierte Wundtherapie nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen anbietet. Näheres unter www.icwunden.de.

MFA

Medizinische Fachangestellte (MFA), bis zum 31. Juli 2006: Arzthelfer, arbeiten überwiegend in Arztpraxen zur Unterstützung der Ärzte.

NES

Nationaler Expertenstandard (NES): Ist ein Instrument der Qualitätsentwicklung auf nationaler Ebene. Er trifft Aussagen zu bestimmten Pflegeproblemen, die das aktuelle Wissen in Pflegewissenschaft und Pflegepraxis berücksichtigen, und enthält Handlungsrichtlinien, auf die sich ausgewählte Vertreter der Berufsgruppe geeinigt haben.

NOK

Neckar-Odenwald-Kreis

OPS-Code

Der Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) ist die amtliche Klassifikation zum Verschlüsseln von Operationen, Prozeduren und allgemein medizinischen Maßnahmen im stationären Bereich und beim ambulanten Operieren. Seit dem 1. Januar 2016 ist der OPS in der Version 2016 anzuwenden.

9-401.: psychosoziale Interventionen

Hinweis: Bei Durchführung mehrerer Beratungen, organisatorischer oder therapeutischer Maßnahmen sind die Zeiten jeweils zu addieren. 9-401.0: sozialrechtliche Beratung

Hinweis: Information und Beratung zu Möglichkeiten sozialrechtlicher

Unterstützungen, einschließlich organisatorischer Maßnahmen

9-401.00: mindestens 50 Minuten bis 2 Stunden

9-401.01: mehr als 2 Stunden bis 4 Stunden

9-401.02: mehr als 4 Stunden

Nachsorgeorganisation

Hinweis: Beratung und organisatorische Maßnahmen hinsichtlich ambulanter und stationärer Nachsorge 9-401.22: mindestens 50 Minuten bis 2 Stunden 9-401.23: mehr als 2 Stunden bis 4 Stunden 9-401.25: mehr als 4 Stunden bis 6 Stunden 9-401.26: mehr als 6 Stunden

TÜV Rheinland

Die TÜV Rheinland AG ist ein international tätiger, unabhängiger Prüfdienstleister mit Sitz in Köln. TÜV Rheinland ist als technische Prüforganisation in den Bereichen Sicherheit, Effizienz und Qualität tätig. Dienstleistungen bietet der TÜV Rheinland auch in der Gesundheitsbranche an, z. B. Wundexperte ICW e. V.


Fachbegriffe

Debridement

Als Debridement bezeichnet man die Sanierung des Wundbettes. Dies geschieht durch die Entfernung nekrotischer und fibrinöser Beläge. Ein Debridement dient der Herstellung eines physiologischen Wundmilieus zur Förderung der Heilung und Vorbeugung von Wundinfektionen. Beim chirurgischen Debridement werden die Nekrosen mittels chirurgischer Instrumente abgetragen.

Drehtüreffekt

Schneller Wechsel zwischen zwei Zuständen; der Gesundheitszustand des nicht vollständig ausgeheilten Patienten macht eine erneute Krankenhausaufnahme kurze Zeit nach der Entlassung wieder notwendig.

Interdisziplinarität

Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen unter Nutzung von Ansätzen, Denkweisen und Methoden der einzelnen Richtungen für eine gemeinsame Zielerreichung.

Multimorbidität

Gleichzeitiges Bestehen mehrerer Krankheiten bei einer Person; die Mehrfacherkrankungen treten mit zunehmendem Alter vermehrt auf.

Regress

Unter Regress versteht man im Kassenarztwesen eine Strafzahlung. Sie kann von einer Prüfungskommission angeordnet werden, wenn ein Arzt – im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt – das durch Festlegung sogenannter Richtgrößen berechnete Arznei-, Hilfs- oder Heilmittelbudget signifikant überschritten hat. Diesen Ersatzanspruch hat der Arzt zu tragen, obwohl ihm der eingeforderte Betrag nicht als Honorar für persönliche Leistungserbringung verbucht wurde.

VORWORT

Meine persönliche Motivation für dieses Buch hat der Pflegedirektor und Case-Management-Experte René Bostelaar sehr passend folgenderweise zusammengefasst:

»Vorbehaltsaufgaben einzelner Berufsgruppen haben ausgedient. Nur wer als Berufsgruppen und als Individuum offen und bereit ist für die tief greifenden Veränderungen, die z. B. mit Machtverlust, Verlagerung von Entscheidungskompetenz und Neuverteilung der Aufgaben einhergehen, leistet einen wirklich konstruktiven Beitrag im Gesundheitswesen.

Erst wenn wir Patienten als Kunden verstehen, sie ins Zentrum unserer Tätigkeiten rücken, uns als Dienstleistungserbringer verstehen oder verhalten und letztendlich unsere Arbeit danach organisieren, können die neuen Aufgaben des Gesundheitswesens erfolgreich umgesetzt werden. Dies betrifft ausnahmslos alle Berufsgruppen eines Krankenhauses«.1

Mit diesem Buch zum interdisziplinären Wundmanagement möchte ich einen Anreiz und Mut zur Veränderung in diesem Bereich setzen. Als Pflegefachkraft mit Zusatzqualifikationen im Bereich der Pflegeüberleitung/Pflegeberatung und Wundexpertin ICW e. V. arbeite ich seit über 15 Jahren an der Schnittstelle der stationären und ambulanten Versorgung. Von essenzieller Bedeutung war und ist für mich der Ausbau und die Intensivierung der Kommunikation mit allen beteiligten Berufsgruppen. Da nach wie vor unterschiedliche sektorale Rahmenbedingungen und gesetzliche Voraussetzungen bestehen und zudem schwindende Ressourcen unser Gesundheitswesen prägen, können Versorgungseinbrüche nur durch eine adäquate Zusammenarbeit aller minimiert werden.

Grundlage dieses Handbuches ist für mich meine Fallstudie Case Management zum Zentralen Wundmanagement der Neckar Odenwald Kliniken am Krankenhausstandort Buchen im Rahmen meiner Weiterbildung zum

Pflegeberater nach § 7a SGB XI an der Bayerischen Pflegeakademie München 2014.

Wichtig

In diesem Handbuch möchte ich Ihnen die Arbeit unseres Netzwerks und – als zentralen Bestandteil – unsere gemeinsame Dokumentation, den Wundüberleitungsbogen, vorstellen. Ebenso ist mir wichtig, den Ablauf der Überleitung sowie bereits bestehende Arbeitsergebnisse unseres Netzwerks praxisnah zu schildern.

Das Besondere dabei: Autoren aus vielen Fachbereichen haben an dem Buch mitgewirkt und informieren aus ihrem Blickwinkel über das Thema. Das ermöglicht eine interdisziplinäre Sicht, die für diesen Bereich so wichtig ist und von uns gefordert wird.

Den beteiligten Kolleginnen und Kollegen bin ich für diese Unterstützung sehr dankbar.


Buchen, im Juni 2016Andrea Mader

 

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1 Bostelaar, Rene A. (Hrsg.) Case Management im Krankenhaus. Aufsätze zum Kölner Modell in theorie und Praxis. Schlütersche Verlagsgesellschaft, Hannover 2008 S. 31 u. S. 37

EINLEITUNG

Gerade der Bereich der Wundversorgung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und ist von vielen neuen Erkenntnissen geprägt, die verbunden sind mit einem hohen Anspruch steter Aktualität. Grundvoraussetzung dafür ist die Bereitschaft zur Qualifikation und zu steter Erneuerung der Fachkompetenz in diesem Bereich.

Unumstritten ist die Komplexität in der Wundversorgung, denn die Behandlung von Menschen mit chronischen Wunden erfordert ein detailliertes Fachwissen und eine Spezialisierung der Behandler. Moderne Wundversorgung bedeutet Diagnostik und Kausaltherapie.

»Die eine ›Standardtherapie‹ für Wunden existiert nicht. Auf den individuellen Wundzustand muss mit einer adäquaten, individuellen Therapie reagiert werden«.2

Pflegeexperten haben dabei eine wichtige Rolle, denn oftmals sind sie die Berufsgruppe, die die Verbände wechselt und die betroffenen Menschen begleitet und versorgt.

Nicht ohne Grund müssen Wundexperten kontinuierlich an Schulungsmaßnahmen teilnehmen, um ihre jeweils für fünf Jahre vergebenen Zertifikate zu erneuern. Fortbildungen im Bereich des Wundmanagements werden von mehreren Institutionen angeboten, unter anderem von der Initiative Chronische Wunden (ICW) in Zusammenarbeit mit dem TÜV Rheinland. Inzwischen haben mehr als 27 000 Pflegefachkräfte, Ärzte, Podologen, MFAs und weitere zugelassene Professionen Schulungsangebote zum Wundexperten, Pflegetherapeuten sowie ärztlichen Wundexperten erfolgreich absolviert3.

Die Initiative Chronische Wunden wurde 1995 als Interessenverein von Fachexperten verschiedener Berufsgruppen und Fachdisziplinen gegründet und ist seit 2002 ein eingetragener Verein. Mittlerweile ist die Fachgesellschaft zur Förderung der Wundheilung in Deutschland seit 2012 durch den gemeinsamen Bundesausschuss als stellungnahmeberechtigte medizinisch wissenschaftliche Fachgesellschaft anerkannt. Die ICW hat sich die Aufgabe gesetzt, die Wundversorgung in Deutschland inhaltlich und strukturell zu entwickeln und besitzt ebenso eine Anerkennung durch die EWMA (European Wound Management Association).

Unser Netzwerk hat sich 2010 als aktive Arbeitsgruppe an die ICW angegliedert.

»Wenn alle schon jetzt vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen in der Prophylaxe und Therapie von chronischen Wunden konsequent und überall genutzt würden – es könnte vieles an Leid und Kosten gespart werden.« (Devise der ICW e. V.)

Wichtig

Wir alle wissen, wie schwer es ist, alte Zöpfe abzuschneiden und neue Schuhe einzulaufen! Trotz stetem Fortschritt, leitlinienbasierten Behandlungskonzepten, qualifizierten Weiterbildungen und guten Erfahrungswerten ist es ein langwieriger Prozess, alle Behandler von neuen Behandlungsmethoden zu überzeugen. Viel zu oft herrscht Konkurrenz, Kompetenzgerangel und ein Diktat durch altbewährte, tradierte Strukturen oder Wundverbände und dadurch bedingte Blockaden, die nicht zu einer weiteren Entwicklung oder Entfaltung neuer Methoden und Sichtweisen führen.

Wichtig

Oft fehlt schon als Basisgrundlage eine adäquate Wundüberleitung mit allen nötigen Informationen und dem aktuellen empfohlenen Behandlungsregime zur Wundversorgung. Die Notwendigkeit einer solchen Mitteilung ist im Entlassungsmanagement immer noch nicht flächendeckend vorhanden, die Verantwortlichkeit nicht überall geklärt.

Auch die Vorbereitung der Durchführung, Erstversorgung und die Kommunikation mit den Nachbehandelnden sind nicht immer gewährleistet.

Ein zentrales Arbeitsergebnis unseres Netzwerks ist unser Wundüberleitungsbogen, den wir bei Verlegung innerhalb der Sektoren einsetzen.

Wir möchten diese Dokumentation, verknüpft mit den Ausführungen des Handbuches, nun der Fachöffentlichkeit zur Verfügung und Diskussion stellen, um Anreize zu setzen und den Bedarf für die Kommunikation innerhalb der Sektoren zu initiieren.

Der Bogen wurde bereits nach den Kriterien der Überarbeitung des Expertenstandards für Menschen mit chronischen Wunden und dem GKV Versorgungsstärkungsgesetz 2015 angeglichen und ist somit fachlich aktuell.

Da ich seit 1998 in der Pflegeüberleitung, d. h. dem pflegefachlichen Entlassungsmanagement arbeite, ist es mir auch wichtig, diesen Bereich hervorzuheben, da er für mich die Grundlage einer Vernetzung zum ambulanten Sektor darstellt.

 

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2 Leitfaden zur Wundbehandlung im Kreiskrankenhaus Buchen/Odenwald 10/2004

3 ICWe. V.

1 DAS PROBLEM: »SCHMERZHAFTE SCHNITTSTELLEN«

1.1 Defizite im Bereich des klinischen Wundmanagements

Basierend auf meinen Erfahrungen an den Neckar-Odenwald-Kliniken, einem Haus der Grund- und Regelversorgung im ländlichen Raum, möchte ich nun die Situation des klinischen Wundmanagements und der oftmals bestehenden Defizite schildern.

Die Krankenhauslandschaft befindet sich in einem ständigen Umbruch. Veränderungsprozesse sind notwendig, um gerade Häuser im ländlichen Raum langfristig zu sichern und den öffentlichen Versorgungsauftrag auch weiterhin erfüllen zu können.

Das Vertrauen der Bevölkerung in eine gute Basisversorgung kann nur durch eine Steigerung der Kundenzufriedenheit durch Qualität der Behandlung und des Versorgungsablaufs erreicht werden.

Schon innerhalb eines Krankenhauses gibt es oft unterschiedliche Kriterien für die lokale Wund- und Behandlungsstrategie, Defizite in der zeitgemäßen Materialkenntnis der Lokaltherapie sowie in der Wundbeurteilung und Dokumentation.

Verstärkt wird diese Problematik durch mangelnde Zusammenarbeit innerhalb der Berufsgruppen, die reduzierte Akzeptanz gegenüber pflegerischem Expertenwissen und fehlende Verfahrensanweisungen.

Nach wie vor ist die Wundversorgung keine medizinische Disziplin. Sie wird im Medizinstudium nicht gelehrt und bringt in der Klinik keine relevante Erlösverbesserung.

Die Wundversorgung, die oftmals sehr zeitaufwendig und materialintensiv durchgeführt werden muss, wird ohne operative Prozedur, z. B. Debridement, prinzipiell nicht bezahlt.

Fazit

In vielen Krankenhäusern sind im Pflegebereich seit Jahren Fachkräfte zu Wundexperten ausgebildet worden, aber oftmals nicht quer über alle Fachabteilungen und ohne Verfahrensanweisungen sowie Konzepte effizient zum Einsatz gekommen.

Sie fungierten oft als »Einzelkämpfer« mit mehr oder weniger Durchhaltevermögen und sind selten für ihre Arbeit freigestellt.

Zudem besteht bei dieser hoch belasteten Patientenklientel oft ein komplexer Hilfebedarf im Hinblick auf die Entlassungsversorgung.

Verschärft wird die Situation durch den allerorts bestehenden Personalmangel und ständigen Wechsel des Pflegepersonals.

Wichtig

Bei zunehmender Komplexität der Wundversorgung und um die Erwartungen der Netzwerkpartner bzw. nachstationären Versorger zu erfüllen, ergab sich für uns der Bedarf, die interne Behandlungsqualität in diesem Bereich weiter zu verbessern.

Tradierte Strukturen verhindern oftmals eine zukunftsfähige zielorientierte Weiterentwicklung und Prozessgestaltung. Verschiedene Materialien und Strategien werden dadurch mit unterschiedlichem Erfolg, Zeit – und vor allem mit unkontrolliertem Kostenaufwand eingesetzt.

Somit ist das Outcome der klinischen Wundversorgung von Diskontinuitäten geprägt. Wiederaufnahmen (Drehtüreffekt) oder eine unnötige Verlängerung der Verweildauer sind die Folge.

Fazit

1.2 Defizite in der Wundüberleitung

Im Blickfeld der Überleitung an den jeweiligen Sektor muss zunächst die Sicherung der weiteren Versorgung stehen. Die Wundversorgung im ambulanten Bereich findet unter ganz anderen Umständen statt und bietet andere Therapiemöglichkeiten als die Wundversorgung im stationären Bereich.

Das fehlende Verständnis für die jeweiligen Rahmenbedingungen und eine defizitäre Netzwerkarbeit führen zu dem Ergebnis, dass jeder Sektor für sich arbeitet.

Gerade in der Klinik ist es in der Entlassungssituation von besonderer Bedeutung, die Entwicklung einer Behandlungsstrategie an den realen Versorgungsalltag bzw. an die Rahmenbedingungen des anderen Sektors anzupassen. Nur so können begonnene Therapien und Behandlungen realistisch weiter fortgeführt werden.

Patienten und Angehörige wünschen sich vor allem eine hohe »Alltagsnormalität« und damit einhergehende Lebensqualität und größtmögliche Autonomie.

Geplante Versorgungen müssen sich auch an den persönlichen Bedürfnissen der betroffenen Menschen orientieren. Dies wird oft im »vorgegebenen« Klinikalltag nicht berücksichtigt und findet in der Entlassung zu wenig Beachtung.

Wichtig

Wichtig

Wie im GKV-Versorgungsstärkungsgesetz gefordert, muss ein Versorgungsmanagement in der Entlassung durchgeführt werden.

Ein Versorgungsmanagement im Bereich der Wundüberleitung umfasst nicht nur die Vorbereitung bzw. Organisation der häuslichen Krankenpflege/ambulanten Behandlungspflege (SGB V § 37), sondern auch eine umfassende Pflegeberatung zur weiteren Wundversorgung, Klärung der begleitenden Therapien und benötigten Hilfsmittel sowie eine adäquate Dokumentation im Entlassplan. Dieser muss für alle Berufsgruppen im Krankenhaus einsehbar sein.

Versorgung meint aber auch, aktuelle Informationen zum Abschluss ausreichend und zeitnah den beteiligten Personen zukommen zu lassen bzw. für einen transparenten Informationsfluss zu sorgen:

Wundüberleitung

Entlassungsbericht der Pflegeüberleitung/Entlassungsmanagement

Erstverordnung der häuslichen Krankenpflege für sieben Tage und Rezeptierung der Verbandmittel (kleinste Packungsgröße N1), möglich durch GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 22.07.2015

Erstverordnung von Heilmitteln (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz)

Gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen müssen die Therapiemaßnahmen festgelegt und die Notwendigkeit der weiteren Versorgung geklärt und in deren »Alltag« organisiert werden.

Wer legt den Kompressionsverband an, wer führt den Verbandswechsel durch, ist die Mobilität beeinträchtigt, können Angehörige angeleitet werden, wie ist die allgemeine Versorgungssituation?

Warum muss ich die Kompressionsstrümpfe weitertragen, wieso muss die Wunde nicht täglich verbunden werden und warum soll ich meinen Fuß entlasten, wo ich doch zu Hause super bequeme Schuhe habe, die überhaupt nicht drücken? Warum muss denn da überhaupt ein Pflegedienst/ein Wundexperte/ein Homecare-Dienstleister zu mir kommen? – Dies sind nur einige Beispiele und Fragen, die zu klären sind!

Es ist wichtig, zu berücksichtigen, dass es bei der Überleitung nicht nur um einen Sektorenwechsel geht, sondern um einen Systemwechsel mit anderen Rahmenbedingungen und Lebensumständen. Dies kann nur bedarfsgerecht individuell erfolgen.

Zielführend muss dabei die Patientenperspektive sein, denn für den Patienten geht es »vor allem um die Herstellung und Bewältigung einer neuen, den veränderten Bedingungen angepassten Lebens- und Versorgungssituation.«4

Wichtig

Leider haben immer noch nicht alle Klinikleitungen auch im Bereich des Pflegemanagements die Notwendigkeit zur Einrichtung dieser Stellen in der Pflegeüberleitung/Ergänzung der Fachkompetenz der Pflege im Entlassungsmanagement erkannt!

Defizite in der Überleitung sind daher zumeist geprägt von fehlender oder defizitärer Kommunikation oder von fehlerhafter Steuerung im Entlassungs- bzw. Überleitungsprozess sowie fehlender Evaluation:

Zu wenig und zu späte Information an die nachfolgenden Behandler

Der weiterbehandelnde Arzt hat das »Monopol« der Verordnung, erhält aber in der Regel zur weiteren Wundversorgung und Therapie nur Teilinformationen.

Erstversorgung nach Klinikentlassung fehlt (neue gesetzliche Rahmenbedingungen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015).

Verordnung häuslicher Krankenpflege/Behandlungspflege (SGB V § 37) fehlt, ambulanter Pflegedienst hat dadurch keinen Behandlungsauftrag (neue gesetzliche Rahmenbedingungen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015).

Ambulanter Pflegedienst/Pflegeeinrichtung erhält oftmals nur Teilinformationen zum Umfang weiterer Wundversorgung, zur Wundanamnese und zu erforderlichen Begleittherapien.

Mangelnde Beratung/Information/Klärung von Anleitungs- und Schulungsbedarf der Betroffenen und ihren Angehörigen

Insgesamt defizitäre Wunddokumentation bei Entlassung oder der Verlegung des Patienten in einen anderen Sektor.

Fazit

1.3 Kostenexplosion

Chronische Wunden sind für die Betroffenen äußerst belastend und stellen einen hohen Kostenfaktor im ambulanten wie stationären Bereich dar. In Deutschland werden jährlich ca. 4 Millionen Patienten mit chronischen Wunden behandelt. Die Kosten belaufen sich laut BVMed, dem Bundesverband für Medizintechnologie, auf 4–6 Milliarden Euro pro Jahr. Dabei werden aber nur 30–40 % der Materialien wirksam eingesetzt. Über- und Fehlversorgungen auf der einen Seite sowie ein bewusster Verzicht auf eine adäquate Lokaltherapie auf der anderen Seite können zu Unwirtschaftlichkeit führen. Die Kosten der nicht effektiven Behandlung werden auf rund 1,4 Milliarden Euro eingeschätzt (BVMed).

Aufgrund der demografischen Entwicklung und der Zunahme der Risikoerkrankungen ist ein weiterer Anstieg der Kosten und Fallzahlen zu erwarten. Verstärkt wird dieser volkswirtschaftliche Schaden durch Arbeitsplatzverlust, beeinträchtigte Lebensqualität und soziale Isolation der Betroffenen.

Das Abrechnungssystem in der Klinik und die verkürzte Verweildauer machen die Versorgung von Wunden immer mehr zu einer Aufgabe des ambulanten Sektors.

Eine Wiederaufnahme oder Verlängerung der Verweildauer führt zu wirtschaftlichen Verlusten für die Klinik. Dadurch ist auch eine mögliche Anleitung oder Begleitung der betroffenen Menschen nur zeitlich sehr begrenzt möglich. Eine Einweisung erfolgt oftmals zur Wundkonditionierung bei akuten Infektionen der Wunde oder zur Durchführung eines chirurgischen Debridements.

Ebenso besteht bei dieser hoch belasteten Patientenklientel oft ein komplexer Hilfebedarf bzw. ein Bedarf an Begleittherapien, die im Hinblick auf die Entlassungsversorgung organisiert werden müssen.

Ein defizitäres Versorgungsmanagement in der Entlassungssituation wird unweigerlich zu einem Versorgungseinbruch führen – mit einer drohenden erneuten Klinikeinweisung. Verstärkt wird diese Situation zudem, wenn in der Klinik kein zentrales oder koordiniertes Wundmanagement implementiert ist.

Die ständig wiederholten Krankenhausbehandlungen und Therapieabbrüche belasten das Gesundheitssystem immens, leider noch verknüpft mit deutlichen Einschränkungen der Lebensqualität der betroffenen Menschen.

Ein weiterer ökonomischer Aspekt ist aber auch die Mitarbeit der betroffenen Menschen selbst, denn das ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

Aus diesem Grund darf nicht nur die Wunde im Mittelpunkt stehen, sondern der Mensch, der eine chronische Wunde ertragen muss. Ohne sein Zutun wird die Therapie nicht greifen und der Erfolg ausbleiben. »Was macht die Wunde mit dem Menschen?« Solche Fragen führen auf den Weg in die Richtung, den Patienten in seine Behandlung einzubeziehen. Bezogen auf die allgemeinen Kosten sagt die Vorsitzende der ICW e. V., Veronika Gerber: »Die jährlichen Kosten der sogenannten Non-Compliance oder fehlenden Therapietreue werden in Deutschland auf über 5–10 Milliarden Euro geschätzt, man nimmt an, dass zusätzlich noch einmal Folgekosten in derselben Höhe entstehen, unter anderem durch die Chronifizierung von Krankheitssymptomen. Es ist somit ein wesentliches Problem im Gesundheitswesen, dass neben den direkten Kosten auch Folgekosten durch fehlenden Therapieerfolg oder sogar gesundheitliche Krisen [entstehen5].«6

Auch bei Menschen mit chronischen Wunden spielt die fehlende Therapietreue eine Rolle, denn oftmals werden verordnete oder geplante Behandlungen nicht auf Dauer umgesetzt oder konsequent durchgeführt. Das kann viele Ursachen haben – für die betroffenen Menschen bedeutet dies: viele Arzttermine, unklare Zuständigkeiten, gegenläufige Therapieempfehlungen, die verwirren und dadurch nicht vertrauensvoll sind, sowie finanzielle Belastungen durch Fahrtkosten, Rezeptgebühren und nicht erstattungsfähige Wundversorgungsprodukte.

Betroffene haben aber auch individuelle Vorstellungen im Hinblick auf die Ursache und Behandlung ihrer Wunde. Studien zum Thema »Chronische Krankheiten« zeigen, dass betroffene Menschen in der Versorgung nicht immer das Ziel eines optimalen Krankheitsmanagements, sondern vorrangig »Normalität« im Alltag anstreben.7

1.4 Behandlungswirrwarr – Versorgungseinbrüche – Barrieren

Deutschland hat nach wie vor »Nachholbedarf« bei einer angepassten, zeitgemäßen »feuchten« Wundbehandlung – viele betroffene Patienten erhalten immer noch eine klassische trockene Wundbehandlung. Nur jede fünfte chronische Wunde wird richtig versorgt (ICW e. V.).

Patienten haben oftmals lange »Behandlungskarrieren« und unterschiedliche Erfahrungen mit vielen verschiedenen Versorgern, die nicht immer positiv waren. Ein auf die Pflege von Menschen mit chronischen Wunden spezialisiertes Versorgungszentrum ist selten die erste Anlaufstelle, Patienten haben häufig bereits eine längere Wundbiografie (Monate bis Jahre).

»Der ideale Wundverband garantiert noch keinen zügigen Heilungsprozess. Die Wunde ist lediglich ein Symptom. Erst nach adäquater Diagnostik und angepasster Kausaltherapie, begleitet von einer empathischen und individuellen Patientenedukation, ist eine erfolgversprechende Wundheilung möglich.«8

»Ein hoher kommunikativer Aufwand in Form von Anamnese, Beratung und Anleitung fordert zudem großen Einsatz aller Beteiligten, der in der Regelversorgung nicht honoriert wird. Das führt nicht selten zu Therapieabbrüchen nach einem Klinikaufenthalt, weil die vermeintlich teuren Produkte nicht vom Hausarzt rezeptiert werden.«9

Defizite und Ursachen

Keine einheitlichen Standards in der Wundversorgung

»Glaubenskriege« und hierarchische Konflikte

Konkurrenzgedanken

Lobbyismus

Fehlende Fallsteuerung/Patientenedukation/Evaluation

Inhomogene IT-Systeme – dadurch Schwierigkeiten mit der Vernetzung von gemeinsamen Dokumenten

Bürokratischer Wirrwarr der Gesetze und Verordnungen

Wirrwarr der angebotenen Wundversorgungsprodukte/unüberschaubares Produktangebot

Defizitäre gesetzliche Rahmenbedingungen und fehlende Finanzierung (bzw. Vertragsgestaltung) der Netzwerke

Defizitäre Finanzierung der Wundversorgung in allen Bereichen, die Behandler bekommen unangemessene Honorare bzw. Wundversorgung wird gar nicht bezahlt (z. B. stationäre Einrichtungen), zudem drohen »Regresszwänge« im ambulanten Bereich

»Fachliche Leistungen sind nur unzureichend oder gar nicht in der Regelversorgung abgebildet. Dazu zählen z. B. die Fallsteuerung, das Versorgungsmanagement, die Patientenedukation, aber auch die Rezidivprophylaxe.«10

Barriere: das Budget/die Vorgaben der Kostenträger – ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich?

Die ärztliche Verordnung von Wundauflagen ist in der Praxis vieler Wundexperten häufig problematisch. Nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus ist der Hausarzt für die Verordnung der Wundauflagen und Verbandmittel zuständig. Oftmals wird jedoch die weitere Verordnung mit Blick auf das Budget verweigert, obwohl bisher jeder Regress für moderne Wundversorgungsprodukte abgewendet werden konnte, zudem besteht die Möglichkeit der Praxisbesonderheit (§ 106 SGB V, viele Wundpatienten.)

Unter Regress versteht man im Kassenarztwesen eine Strafzahlung, die von einer Prüfungskommission angeordnet werden kann, wenn ein Arzt – im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt – das durch Festlegung sogenannter Richtgrößen berechnete Arznei-, Hilfs- oder Heilmittelbudget signifikant überschritten hat. Diesen Ersatzanspruch hat der Arzt zu tragen, obwohl ihm der eingeforderte Betrag nicht als Honorar für persönliche Leistungserbringung verbucht wurde.

»Für Patienten und Pflegende ist diese Situation sehr belastend, da die fehlende Kontinuität der Behandlung die Wundheilung verhindert und viel Zeit und Energie in den Kampf ums Rezept investiert werden muss. Erschreckend ist, dass die vermeintlich ›billige‹ Therapie durch den hohen pflegerischen Versorgungsaufwand und den fehlenden Erfolg sowie die daraus resultierenden wiederholten Krankenhausbehandlungen eine Belastung des Gesundheitssystems in Milliardenhöhe jährlich ohne Effektivität verursacht«.11

Rechtlich hat der Patient einen gesetzlichen Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Versorgung mit Verbandstoffen/Wundversorgungsprodukten (§ 31 Abs. 1 SGB V).

»(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen.«

Zudem müssen aber laut Kostenträger alle ärztlichen Verordnungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein (§ 12 Abs. 1 SGB V).

Die Wundauflage ist zwar verordnungsfähig, muss aber den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit erfüllen (Wirtschaftlichkeitsgebotes § 12 SGB V).

»(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.«

Demgegenüber steht der Rechtsanspruch aus § 2 SGB V. Die Arzneimittelverordnungen müssen dem Erfordernis der Wirksamkeit und Qualität entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen, so auch im Bereich der Wundversorgung. Auf Kassenärzte wird dadurch oft ein großer Druck ausgeübt!

Die Kosten für Verbandmittel sind zum Teil erheblich, aber intransparent und betreffen auch den Patienten mit Zuzahlungen für Produkte, die nicht erstattungsfähig sind. Dies gilt z. B. für Wundspüllösungen, Antiseptika und Hautschutzpräparate. Die tatsächlichen Kosten für Wundauflagen sind der Arztpraxis oft nicht bekannt.

Fazit

Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 und die damit nun rechtlich geschaffene Möglichkeit der Krankenhäuser, eine Erstverordnung der benötigten Wundversorgungsprodukte zu rezeptieren, wird beim Übergang in die weitere ambulante Versorgung Zeitdruck bei der Anschlussversorgung genommen (vgl. Kap. 1.2, S. 22).

Vielleicht wird dadurch auch eine bessere Kontinuität in der Versorgung erreicht, allerdings meiner Meinung nach nur, wenn das Krankenhaus verantwortlich handelt und ein adäquates Versorgungsmanagement durch Pflegeexperten im Entlassungsmanagement durchführt. Denn unsinnige Verordnungen werden nicht zielführend sein und auch von den weiterbehandelnden Ärzten und Kostenträgern nicht akzeptiert werden!

 

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4 Wingenfeld, Ambulant vor stationär Seite 338

5 Eingefügt von der Verfasserin.

6 Gerber, Veronika: Was hindert den Patienten daran unsere Behandlung zu akzeptieren? Wundma- nagement 2015 (5); 211-214) Petermann F: Non-Compliance: Merkmale, Kosten und Konsequenzen. Managed Care 2004 (4); 30-32

7 Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden 1. Aktualisierung 2015 S. 20

8 Protz, Kerstin: Analyse der lokalen Wundsituation. Wundmanagement 2015(5);218

9 Gerber, Veronika: Koordiniertes Wundmanagement durch Integrierte Versorgung ICW

10 ICWe. V. Positionspapier Basisvertrag zur vernetzten Wundversorgung

Autor

  • Andrea Mader (Autor:in)

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Titel: Praktisches Wundmanagement