Zusammenfassung
Es gibt viele Fragen: Wie begegne ich Patienten oder ihren Angehörigen, wenn das zehnte Schmerzmedikament nicht mehr wirkt? Wie kann ich das Schmerzproblem meines Patienten hilfreich beeinflussen?
Dieses kompakte Buch in der 2. Auflage gibt leicht verständliche Antworten – auch für Laien.
Auf den Punkt gebracht:
Schmerzen müssen nicht sein!
Die wichtigsten Antworten für Pflegekräfte und pflegende Angehörige
Leicht verständlich geschrieben
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 GRUNDLAGEN
1. Frage: Was ist Schmerz?
Schmerzen entstehen, wenn mechanische, thermische, chemische oder elektrische Reize einen Schwellenwert (sog. Schmerzschwelle) überschreiten und dadurch meist das Gewebe schädigen. Das führt dazu, dass bestimmte Schmerzbotenstoffe freigesetzt werden. Schmerzen können brennen, bohren, stechen, zerren oder ziehen. Sie beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Lebensqualität erheblich. Aber Schmerzen zu empfinden ist überlebenswichtig!
Obwohl Schmerzen zu den ältesten Erfahrungen von Menschen gehören und sehr weit verbreitet sind, fällt es bis heute schwer zu definieren, was Schmerz eigentlich genau ist. Schmerzen zu beschreiben ist ähnlich schwierig wie das Gefühl von Hunger oder Durst zu erklären.
2. Frage: Gibt es eine Definition für Schmerz?
Die internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (IASP) sagt: »Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit aktueller oder potenzieller Gewebeschädigung verknüpft ist oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird.«1
3. Frage: Welche Merkmale kann Schmerz haben?
Schmerz kann über verletzte Körperteile hinaus ausstrahlen. So ist der Schmerz, der z. B. von einem geschädigten Herz ausgelöst wird, bis in den linken Arm hinunter zu spüren. Bei einem Bandscheibenvorfall kann der Schmerz bis ins Bein ausstrahlen.
Man nennt die Areale, in die der Schmerz ausstrahlt, auch »Headsche Zonen«, nach dem englischen Neurologen Sir Henry Head (1861–1940). Die Areale sind bestimmten inneren Organen zugeteilt. Durch die über das Rückenmarksegment laufende Querverbindung zwischen dem vegetativen und somatischen Nervensystem können Ärzte erkennen, wo der Ursprung des Schmerzes liegt.
Eine Verletzung an einer bestimmten Stelle kann also Schmerzen an einer ganz anderen Stelle auslösen. So können z. B. Schmerzen in der Schulter von einer Lungen- oder einer Gallenblasenentzündung herrühren.
Bleibende brennende Schmerzen können auch die Folge einer längst ausgeheilten Verletzung sein, bei der ein Nerv beschädigt wurde. Hier wird in der Fachliteratur von »neuropathischen Schmerzen« gesprochen. Ebenso können Finger, Hände oder Zehen schmerzen, obwohl das Bein oder der Arm amputiert ist. Hier spricht man dann vom »Phantomschmerz«.
Schmerz- oder Bewusstseinsschwelle
Ein weiteres Merkmal des Schmerzes ist die sogenannte Schmerz- oder Bewusstseinsschwelle für den Schmerz. Bei einer erhöhten Schmerzschwelle wird der Schmerz weniger stark oder überhaupt nicht empfunden. Bei einer niedrigen Schmerzschwelle wird ein unbedeutender Schmerz stärker empfunden und normalerweise nicht schmerzhafte Wahrnehmungen wie ein bloße Berührung oder Geräusche tun bereits weh. Diese Unterschiede und Schwankungen haben oft nichts mehr mit der eigentlichen Verletzung zu tun.
4. Frage: Ist Schmerz individuell?
Ja. Schmerz wird von jedem Menschen anders empfunden. Auch wenn das Geschehen immer das gleiche ist: Schmerz ist ein biologischer Schutzmechanismus, dessen Signal auf seinem Weg ins Gehirn immer Vorrang vor anderen Reizen erhält.
Rezeptoren geben ein Schmerzsignal an das Rückenmark. Das zentrale Nervensystem leitet den Schmerzreiz an das Gehirn weiter, wo das Signal ganz unterschiedlich verarbeitet wird. Der Weg des Schmerzreizes gibt auch Aufschluss darüber, warum jeder Mensch Schmerz anders wahrnimmt. Der Weg des Schmerzreizes lässt sich z. B. durch Medikamente beeinflussen, wenn etwa der Zahnarzt durch die lokale Betäubung verhindert, dass der Schmerz überhaupt das Gehirn erreicht. Manche Menschen entwickeln auf Grund einer besonderen genetischen Anlage gar kein oder nur ein geringes Schmerzempfinden.
Jede Schmerzempfindung ist letztlich eine emotionale Reaktion auf eine Bewertung im Gehirn und daher grundsätzlich bei jedem Menschen individuell. Das menschliche Gehirn kann lernen, dass ein bestimmter Schmerz gar nicht so wichtig ist. Es reagiert zumindest teilweise daher auch mit Gewöhnung auf Schmerz. Daher ist es auch möglich, dass man trainiert, wie ein Schmerz bewertet wird.
Bei Kindern zeigt sich, dass die Angst vor dem Schmerz oft größer ist als der Schmerz selbst. D Schmerzäußerung bei Kindern ist aber auch abhängig von der Reaktion der Eltern.
Beispiel
Wenn ein kleines Kind hinfällt, wird es immer auf die Reaktion der Erwachsene bzw. seiner Eltern achten. Von ihnen hängt das gesamte Schmerzempfinden dieses Kindes ab. Übertriebene Fürsorge und großes Theater um eine kleine Verletzung werden es umso lauter schreien lassen. Auch der Schmerz, den dieses Kind empfindet, ist stärker als bei einer zwar tröstenden, aber doch eher ruhigen Fürsorge der Eltern.
Auch Placebo-Medikamente ohne pharmazeutische Wirkung können bekanntlich das Schmerzempfinden verändern.
Für echte Extremsituationen stellt der Körper selbst die stärksten Schmerzmittel zur Verfügung, indem das Gehirn die Ausschüttung von Endorphinen und Adrenalin auslöst, die unempfindlich gegen Schmerzen machen. So sorgen bei einem Verkehrsunfall Endorphine dafür, dass man trotz eines Bruchs die Beine noch bewegen kann, um aus dem Auto zu kommen. Solche körpereigenen Schmerzhemmer lassen sich auch durch die eigene Vorstellungskraft auslösen. Wer längerfristig sein Schmerzempfinden beeinflussen möchte, muss lernen, den Schmerz nicht zu fürchten und ihn nicht schlimmer zu bewerten, als er tatsächlich ist.
Nicht nur körperliche Schmerzen erhalten auf ihrem Weg ins Gehirn immer Vorrang vor anderen Reizen, sondern vermutlich auch seelische Schmerzen und Belastungen. Diese äußern sich aber häufig in Form von Konzentrationsstörungen und auch Unfällen, da diese den automatisierten Lebensvollzug aus dem Unbewussten stören und ihr Recht auf »Zuwendung« fordern. Manche Menschen werden von solchen Belastungen regelrecht aufgefressen und grübeln immer wieder über ihr Schicksal.
Hinter dem Begriff »seelischer Schmerz« verbirgt sich oft eine Form der Psychosomatik, also der Zusammenhang zwischen Psyche und Körper, was sich auch in Formulierungen wie »Das macht mir Kopfzerbrechen«, »Es geht mir an die Nieren« oder »Das macht mir Bauchschmerzen« zeigt. Es ist daher wichtig, den seelischen Schmerz genauso ernst zu nehmen wie den körperlichen.
Wer auf Probleme des täglichen Lebens mit Schmerzen reagiert, ist kein Hypochonder, kein Simulant, sondern empfindet eine normale (physiologische) Reaktion des Organismus, wobei diese Schmerzen eine Funktion haben, nämlich dem betroffenen Menschen zu signalisieren, etwas zu unternehmen bzw. zu ändern.
Chronischer und regelmäßig wiederkehrender Schmerz verändert das Gehirn
In Studien wurde inzwischen nachgewiesen, dass nicht nur chronischer, sondern auch zyklisch wiederkehrender Schmerz die Neuronenstrukturen im Gehirn verändern kann, z. B. Menstruationsschmerzen.
Der wiederkehrende Schmerz reduziert bei Frauen mit regelmäßigen Menstruationsbeschwerden jene Gehirnareale, die für die Schmerzübertragung, die hochgradige Verarbeitung von Sinnesreizen und die Affektsteuerung zuständig sind, und erhöht in Gebieten für Schmerzmodulation und Regulation der endokrinen Funktionen das Volumen der relevanten grauen Substanz. Aber nach einer Schmerztherapie kann sich diese Gehirnveränderung zurückbilden.*
* Prof. Arne May auf dem Neuro Update, Mainz 2013
5. Frage: Was beeinflusst das Schmerzempfinden?
Jeder Mensch beschreibt Schmerzen anders. Jeder Mensch empfindet ihn anders, darum sind Schmerzen nie objektiv zu beschreiben. Versucht ein Mensch, seine Schmerzen für einen anderen begreifbar zu machen, so wirken sich bei seiner Beschreibung nicht nur seine sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten aus. Wichtig sind auch Alter, Geschlecht, kulturelle Zugehörigkeit, soziale und ökonomische Lage.
Schmerzen werden in verschiedenen Völkern unterschiedlich bewertet. Sätze wie »Ein Indianer kennt keinen Schmerz« sind zwar objektiv falsch, sagen jedoch, dass in diesem Kulturkreis schon bei der Erziehung Schmerzen und Schmerzempfinden einen anderen Stellenwert haben als in unserem Kulturkreis.
Auch soziale und ökonomische Faktoren sind wichtig. Denken Sie bspw. an einen Bauarbeiter, der in einer wirtschaftlich schlechten Zeit einem harten Beruf nachgeht. Dieser Mann wird, weil er seinen Job braucht und keine Kündigung riskieren will, auch mit Schmerzen zur Arbeit gehen. Er wird seine Schmerzen nicht so stark empfinden, wie ein anderer, dem die Notwendigkeit seines Berufes nicht so vergleichbar wichtig ist.
Schmerzen sind real, auch wenn sie subjektiv empfunden werden. Menschen leiden darunter, obwohl die Ursache in Ihren Augen vielleicht unbedeutend zu sein scheint. Patienten empfinden diese Schmerzen und leiden entsprechend.
6. Frage: Können Schmerzen schädigende Folgen haben?
Wenn Schmerzen unzureichend behandelt werden, kann die Gesundheit und natürlich auch die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigt werden.
Denken Sie an einen Patienten mit einem Bandscheibenvorfall, der sich nicht operieren lassen will. Er wird zum chronischen Schmerzpatient und von Woche zu Woche kann er immer weniger Aktivität in seinem Alltag aufbringen. Er meidet soziale Kontakte, Lebensmut, -freude und -energie sinken. Kurzum: Die Lebensqualität des Patienten leidet, wenn er nicht adäquat schmerztherapeutisch behandelt wird.
Wenn wir nun noch bedenken, dass durch nicht behandelte Schmerzen Blutdruck, Puls, Herzarbeit und auch der Sauerstoffbedarf ansteigen, so erkennen wir, dass auch noch zusätzliche Kosten entstehen.
Menschen mit Schmerzen nehmen auch eine gewisse Schonhaltung ein. Dadurch wird der Bewegungsapparat eingeschränkt, die Muskeln gehen zurück, Sehnen und Bänder können sich verkürzen und sogar Kontrakturen können entstehen.
Oft müssen Menschen, deren Schmerzen nicht ausreichend behandelt werden, mehrfach in Kliniken weiterbehandelt werden. Häufig hat sich das Schmerzgedächtnis aber schon so entwickelt, dass der Schmerz nur sehr schwer bzw. fast gar nicht mehr zu beseitigen ist.
Jedoch ist es so, das in den Kliniken Patienten, die auf konservativen Stationen liegen, schlechter versorgt sind als in den Bereichen der akuten bzw. postoperativen Versorgung.2
Im Bereich der konservativen Patientenversorgung liegen oft Menschen mit chronischen Schmerzen, die dazu noch multimorbid sind. Hier ist es wichtig, dass ein Akutschmerzdienst (ASD) im Haus aufgebaut wird, mit Schmerzexperte und Anästhesist, dass Schmerzvisiten auch auf den inneren bzw. konservativen Stationen stattfinden und der ASD 24 Stunden erreichbar ist.
Ein Referent sagte bei einer Fortbildung einmal: »Wenn Patienten in ein Krankenhaus gehen, erwarten sie, dass ihre Schmerzen verschwinden. Wir sollten sie also nicht enttäuschen!«
7. Frage: Wie entsteht Schmerz?
Hier ein kleiner Ausflug in die Nozizeption und die Schmerzentstehung: Der Begriff »Nozizeptor« umfasst eine heterogene Gruppe von Nervenfaserendigungen primär afferenter Neurone, die darauf spezialisiert sind, auf den Organismus schädigend wirkende Reize aufzunehmen.
Nach Umwandlung des noxischen Reizes in Aktionspotenziale und dessen Weiterleitung in das zentrale Nervensystem, wird diese Information in funktionell verschiedene neuronale Netze des Rückenmarks, des Hirnstamms sowie des Endhirns eingespeist. Außer den auf spinaler und medullärer Ebene ausgelösten somatischen und viszeralen Reflexen sowie der Aktivierung endokriner Organsysteme über den Hypothalamus, erfolgt parallel eine komplexe zentrale Informationsverarbeitung, die schließlich zur Sinnes Wahrnehmung »Schmerz« mit seinen kognitiven und emotionalen Komponenten führt.3
Die schnell leitenden A-Delta-Nervenfasern (helle Schmerzqualität) und die langsam leitenden C-Fasern (dumpfer Schmerz), die im Tractus spinothalamicus zu spezifischen Thalamuskernen ziehen, wo eine Umschaltung auf das limbische System (Bewertung als unangenehme Empfindung) und zum Cortes (Schmerzinterpretation) erfolgt.
Es gibt Nozizeptoren vom A-Delta und vom C-Typ, die jeweils unterschiedliche Aufgaben haben. Die A-Delta-Fasern sind mit Myelin-Scheiden ummantelt und leiten den Impuls mit 20 bis 30 Metern pro Sekunde schneller weiter als die myelinfreien C-Fasern, die etwa einen Meter pro Sekunde überwinden. Dadurch entsteht bei Verletzungen zunächst die Empfindung eines stechenden, hellen Schmerzes und dann eines durch die C-Fasern vermittelten dumpfen Schmerzes.
Aufgrund ihrer Spezialisierung auf eine schnellere Erregungsleitung reagieren Nozizeptoren vom A-Delta-Faser-Typ weniger auf chemische Stimulanzien wie Histamin oder Bradykinin, die bei gängigen Verletzungen erst mit einiger Verzögerung ausgeschüttet werden. Hierfür sind die C-Fasern zuständig. C-Fasern sind es auch, die den eher schwer lokalisierbaren Tiefenschmerz melden. Er geht von Gelenken, Muskeln oder Knochen aus. Auch Schmerzen der inneren Organe, so genannte viszerale Schmerzen wie etwa bei einer Kolik, gehen auf die Aktivierung von C-Fasern zurück.
Die neuronale Information über Schmerzereignisse kann im zentralen Nervensystem (ZNS) dann sehr unterschiedlich aussehen.
Wer sich mit dem Hammer auf den Daumen haut, verspürt zunächst einen starken Schmerz, d. h. die A-Delta-Fasern treten in Aktion. Nach kurzer Zeit wird der Schmerz dumpfer, d. h. die C-Fasern beginnen ihre Arbeit.
8. Frage: Was sind Rezeptoren?
Unter einem Rezeptor versteht man ein für bestimmte Reize empfindliches Zielmolekül einer Zelle und im weiteren Sinne eine, auf bestimmte Einflüsse reagierende Signaleinrichtung innerhalb eines Organs oder Organsystems.
Alle Rezeptoren im Körper reagieren auf bestimmte Reize. Sie sind als Signalempfänger in der Zellmembran dafür verantwortlich, dass die Zelle ein externes Signal mit einer bestimmten Reaktion beantwortet.
Mechanorezeptoren in den Hautschichten reagieren z. B. auf unterschiedliche Veränderungen: Druck, Wärme, Kälte oder chemische Reize.
Rezeptor | Reiz |
Pressozeptoren, Barozeptoren | Druck |
Photorezeptoren | Licht |
Thermorezeptoren | Temperatur |
Nozizeptoren | Schmerz |
Propriorezeptoren | Eigenwahrnehmung |
Zelluläre Rezeptoren in der Zelle sind z. B. Opioidrezeptoren, die gerade für die medikamentöse Schmerztherapie von großer Bedeutung sind.
9. Frage: Was sind Nozizeptoren?
Ein Nozizeptor ist ein Rezeptor, der auf eine drohende oder eingetretene Verletzung des Körpergewebes reagiert.
Nozirezeptoren liegen als freie Nervenenden in der Dermis (Schicht der eigentlichen Haut (Lederhaut)). Freie Nervenenden zeichnen sich durch eine periphere Endverzweigung aus und besitzen eine Ummantelung aus verschiedenen Zellen.
Die Dichte der Nozizeptoren beim Menschen ist größer als die aller anderen Hautrezeptoren und ihre Verteilung auf der Körperoberfläche ist relativ gleichmäßig. Außer im Gehirn und der Leber finden sich in allen Muskeln und im Bereich der Eingeweide Nozizeptoren. Es gibt algogene (schmerzverursachende) Substanzen, die die Nozizeptoren aktivieren, hierzu gehören Sorotonin, Kaliumionen, Bradykinin, Histamin oder Leukotiene. Einzig in der Leber und im Gehirn sind keine Nozizeptoren vorhanden.
10. Frage: Gibt es Schmerzsyndrome?
»Schmerzsyndrom« ist der Oberbegriff für Beschwerdebilder, die mit chronischen (länger als vier bis zwölf Wochen nach Wundentstehung4) Schmerzen einhergehen. Die Beschreibung von Schmerzsyndromen erfolgt nach einheitlicher Nomenklatur (Sammlung von gewissen Angaben) unter Angabe von Körperregion bzw. Organ, Zeitmuster des Auftretens, Schweregrad und Dauer, jeweils nach Angaben des Patienten.
Schmerzsyndrom
Der Begriff als solches beschreibt den Schmerz, der seine eigentliche Warn- und Schutzfunktion verloren hat und zur eigenständigen Krankheit geworden ist.
Laut einer Studie der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. leben in Deutschland ca. 23 Millionen Menschen als chronische Schmerzpatienten.5 (der Schmerz 5-2014)
11. Frage: Welche Formen der Schmerzsyndrome gibt es?
• Entzündungsschmerzen beruhen auf der Erregung von spezialisierten Nozizeptoren, wobei chemische Entzündungsmediatoren stark erregungsfördernd mitwirken. Beispiele: Schmerzen bei entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Polyarthritis, Myositis, Appendizitis, Pankreatitis, Zahnschmerzen, Wundschmerz.
• Spastische Schmerzen beruhen auf der Erregung von Nozizeptoren durch übermäßige Kontraktion der glatten Muskulatur innerer Organe. Hierbei können viele Auslöser mitwirken. Beispiele: Kolik durch Gallensteine, chronische Gastritiden, Ischämien, Nahrungsmittelallergie, ein Reizkolon.
• Nervenschmerzen werden auch als neuropathische Schmerzen oder Neuralgie bezeichnet. Sie beruhen auf Schädigungen peripherer Nerven oder zentralnervöser Strukturen, ohne Beteiligung von Nozizeptoren. Beispiele: Amputationen, Phantomschmerz, Trigeminusneuralgie, Karpaltunnelsyndrom, Bandscheibenvorfall, Schmerzen bei Polyneuropathien wie z. B. Diabetes mellitus, Schmerzen bei Rückenmarksverletzungen.
• Schmerzen durch Fehlfunktion (Fehlregulationsschmerzen) beruhen auf einer unangemessenen Funktion, wie z. B. Hartspann, Schmerzen bei Fehlhaltung, aber auch einer Fehlfunktion des sympathischen Nervensystems, Ischämie durch Vasospasmus, Reflexdystrophie, Fehlregulation von Neurotransmitterwirkungen auf die Gehirngefäße., Typisches Beispiel ist hier die Migräne.
• Psychosomatische Schmerzen sind ein Ausdruck von psychischen oder psychosozialen Problemen durch den Körper. Ein Beispiel hierfür sind Patienten, die nach psychischen Belastungen Migränekopfschmerzen bekommen. Oft können Muskelverspannungen mitwirken und es kommt zu sog. Fehlregulationsschmerzen (psychische ausgelöste Muskelverspannung). Psychosomatische Schmerzen können auch begünstigt werden, wenn durch Schmerzäußerung soziale Vorteile zu erwarten sind (sog. sekundärer Krankheitsgewinn). Kindliche Bauchschmerzen zur Sicherung der mütterlichen Aufmerksamkeit ist hierfür ein gutes Beispiel.
12. Frage: Was ist akuter Schmerz?
»Akuter Schmerz ist ein plötzlich auftretender und einen begrenzten Zeitraum andauernder Schmerz, der in einem offensichtlichen und direkten Zusammenhang mit einer Gewebe- oder Organschädigung steht.«6
Akute Schmerzen sind eine notwendige Warnfunktion für den Körper, um Gewebeschäden zu vermeiden. Wenn Schmerzen ohne ersichtliche Auslöser fortbestehen und sich verselbstständigen, ist die Warn- und Schutzfunktion nicht mehr gegeben. Es kommt zu einer Schmerzerkrankung, die über Monate und Jahre hinweg andauern kann.
Schmerzen machen meistens darauf aufmerksam, dass etwas im Körper nicht in Ordnung ist. Seien es Wunden, Reizungen oder Entzündungen. In der Regel klingen akuten Schmerzen nach Beseitigung der Ursache von selbst ab. Beispiel: Zahnschmerzen, Prellungen, Schnittwunden oder Sonnenbrand.
13. Frage: Was ist chronischer Schmerz?
Im Vergleich zum akuten Schmerz hat der chronische Schmerz seine Warnfunktion verloren und sich verselbstständigt. Er ist zu einer eigenen Erkrankung geworden. Demzufolge liegt dem chronischen Schmerz ein wesentlich komplexeres Geschehen zugrunde.
Hier geht es nicht mehr um die Ursache des Schmerzes, sondern um das »Problem« Schmerz als solches. Um den chronischen Schmerz dokumentieren zu können, sollte man sich nach den Vorschlägen der IASP (International Association for the Study of Pain) richten. Unterschieden werden hierbei die Dauer der Schmerzanamnese und der Verlauf sowie die Behandlung und Therapie. Diese sind im chronischen Schmerzmanagement nur im multimodalen Setting möglich.
Chronischer Schmerz
Schmerzen werden dann als chronisch bezeichnet, wenn ihre Dauer »über das Ausmaß einer akuten (frisch aufgetretenen) Ursache hinaus nicht nachvollziehbar lange anhält.«*
* http://www.dgss.org/patienteninformationen/herausforderung-schmerz/akute-und-chronische-schmerzen/
14. Frage: Wie unterscheiden sich akute bzw. chronische Schmerzen?
Akute und chronische Schmerzen unterscheiden sich klinisch grundsätzlich:
• Der akute Schmerz wird meist durch eine Erkrankung oder Verletzung verursacht, hat eine sinnvolle Warnfunktion und endet normalerweise mit der Heilung der auslösenden Erkrankung.
• Der chronische Schmerz ist eine selbstständige Erkrankung ohne biologisch sinnvolle Funktion und ohne absehbares Ende.
Die Therapie akuter Schmerzen zielt auf Heilung der auslösenden Verletzung oder Erkrankung und damit auf die Unterbrechung der nozizeptiven Reize. Bei chronischen Schmerzen kann häufig nur durch eine breit gefächerte multidisziplinäre Therapie behandelt werden. Doch auch hier lässt sich nach längerer Behandlung nur bei einem kleinen Teil der Patienten eine Schmerzbefreiung erzielen. Ein großer Anteil chronischer Erkrankungen ist mit Schmerzen für die Betroffenen verbunden, z. B. Arthrose, Rückenschmerzen, Tumorerkrankungen sowie Wundschmerz oder Diabetische Polyneuropathie.
Internationale Studien haben ergeben, dass lang andauernde Schmerzen die Nervenzellen von Gehirn und Rückenmark sensibler für spätere Schmerzreize machen können. Das hat zur Folge, dass selbst einfache Reize, die sonst keine Schmerzen machen plötzlich als Schmerz empfunden werden.
Akuter Schmerz | Chronischer Schmerz | |
Dauer | Sekunden bis Tage | Monate bis Jahre |
Lokalisation | Meist lokalisiert | Häufig diffus |
Bedeutung | Positiv, da Warnfunktion | Negativ, da keine Funktion zu finden ist |
Ursache | Meist peripher | Häufig mit zentralen psychogenen Mitbeteiligungen |
Verlauf | Schnelle Besserung | Häufig progrediente (fortschreitende) Verschlechterung |
Akzeptanz | Größer: Der Schmerz soll erträglich sein | Gering: Möglichst kein Schmerz |
15. Frage: Wie unterscheidet sich die Therapie des akuten von der des chronischen Schmerzes?
Die therapeutischen Ansätze bei akuten und chronischen Schmerzen haben erhebliche Unterschiede. Da akute Schmerzen zeitlich begrenzt sind, hat man hier einen ganz anderen Ansatz als beim chronischen Schmerz. Tabelle 3 zeigt Ihnen wesentliche Unterschiede mit verschiedenen Zielpunkten.
16. Frage: Welche physiologischen Aspekte sind beim chronischen bzw. akuten Schmerz zu beachten?
Akuter Schmerz entsteht meist durch Verletzungen oder akute Erkrankungen und kann verschiedene Reaktionen hervorrufen, z. B. Tachykardien oder Muskelkontraktionen, Blutdruckanstieg und Schweißausbrüche. Diese Reaktionen helfen, im Akutfall sofort zu reagieren: Die Ursache kann behoben und der Schmerz aufgelöst werden.
Beim chronischen Schmerz hingegen sind die physiologischen Grundlagen auch heute nur zum Teil bekannt. Bonica7 hat vorgeschlagen, chronische Schmerzzustände nach dem zugrunde liegenden Mechanismus zu unterteilen:
• Peripher
• Pathophysiologisch (zentral ausgelöste Schmerzen)
• Psychologisch
Im Allgemeinen lösen chronische Schmerzen keine Reaktionen des sympathischen Nervensystems aus und die Schmerztoleranz ist meist vermindert. Dem chronischen Schmerz liegt also ein wesentlich komplexeres Geschehen zugrunde.
17. Frage: Welche weiteren Schmerzarten gibt es?
• Viszerale Schmerzen: Als viszerale Schmerzen bezeichnen Mediziner Schmerzen, die von inneren Organen ausgehen. Da die inneren Organe von speziellen Nervenbahnen versorgt werden, fühlt sich der viszerale Schmerz oft eher dumpf und schwer lokalisierbar an.
• Nozizeptiver Schmerz: Als nozizeptiven Schmerz wird der physiologische Schmerz bezeichnet, der als Warnsignal für die Körperfunktion dient. Nozizeptiver Schmerz entsteht durch mechanische, thermische, chemische oder elektrische Stimulation der Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren). Er kann nahezu in allen Geweben ausgelöst werden und reagiert auf physiologische Stimulationen. Die Leitung erfolgt vom Rezeptor über die sensiblen Anteile der peripheren Nerven. Die nozizeptiven Fasern enden im Rückenmark, dort leitet das Neuron die Signale über die aufsteigenden Bahnen des Rückenmarks und über das Stammhirn und den Thalamus zum Cortex. Hier werden in verschiedenen Arealen die kognitiven und emotionalen Anteile des Schmerzes wahrgenommen und verarbeitet.
Kommt das schmerzauslösende Trauma aus den Körperstrukturen wie Knochen, Gelenken, Muskeln und Haut, spricht man vom somatischen Schmerz. Kommen die Signale jedoch aus den Eingeweiden, so spricht man vom viszeralen Schmerz. Die Kodierung von noxischen Reizen durch Nozizeptoren und die darauffolgende Signalverarbeitung im nozizeptiven System ist mit verschiedenen Methoden messbar (Sensibilitätsprüfung oder motorische und vegetative Reflexprüfung). Beispiele: postoperative Schmerzen, Frakturen, Haut- und Schleimhautverletzungen, Gelenkerkrankungen, rheumatische Erkrankungen, Sporttraumata, Myokardinfarkt oder andere Ischämieschmerzen.
• Neuropathischer Schmerz: Der neuropathische Schmerz ist ein chronischer, nicht maligner Schmerzzustand, der durch Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems hervorgerufen wird. Der neuropathische Schmerz entsteht durch eine Schädigung des peripheren und/ oder zentralen Nervensystems (ZNS) Der neuropathische Schmerz kann sowohl periphere, spinale als auch zentrale Ursachen haben; die Ursache bleibt jedoch oft unklar. Neuropathische Schmerzen aufgrund zentraler Läsionen (z. B. Insult) können sehr schwerwiegend sein und lassen sich selten zufriedenstellend therapieren. Neuropathische Schmerzen bleiben meist bestehen, auch wenn keine Gewebeschädigung mehr vorliegt. Symptome: Kribbeln, Brennen, einschießender Schmerz, lancierender Schmerz, elektrisierender Schmerz, ausstrahlender Schmerz, schmerzhafte Kälte, ringartige Schmerzen oder Ameisenlaufen. Zeichen können sein:
– Allodynie: Schmerz, ausgelöst durch einen Reiz, der normalerweise nicht schmerzhaft ist, z. B. thermal oder mechanisch
– Hyperalgesie: übertriebene Schmerzantwort auf einen sonst nur leicht schmerzhaften Reiz.
Beispiele: postherpetische Neuralgie, diabetische Polyneuropathie, Trigeminusneuralgie, spinale Traumen oder auch Infektionen (virale, bakterielle) sein.
• Phantomschmerzen: Unter »Phantomschmerz« versteht man die Empfindung, eine amputierte oder fehlende Gliedmaße (sogar ein Organteil wie der Appendix kann betroffen sein) sei immer noch am bzw. im Körper vorhanden und bewege sich sogar entsprechend mit anderen Körperteilen.
Zwischen 50 und 80 % der Patienten mit Amputationen haben solche Empfindungen an der Stelle, wo man ihnen eine Gliedmaße amputiert hat, und die Mehrheit dieser Empfindungen ist schmerzhafter Natur. Die fehlende Gliedmaße wird oft als kürzer empfunden und kann das Gefühl vermitteln, sie sei in einer schmerzhaften oder verdrehten Position. Gelegentlich kann sich der Schmerz durch Stress, Angst, Witterungsumschläge verschlimmern. Ein Phantomschmerz tritt gewöhnlich intermittierend auf. Häufigkeit und Stärke der Anfälle nehmen meist mit der Zeit ab.
Phantomempfindungen können aber auch nach der Entfernung von Teilen des Körpers auftreten, die keine Gliedmaßen sind, z. B. nach einer Brustamputation oder Zahnextraktion (Phantomzahnschmerz). Interessanterweise treten auch bei Menschen, die ohne Gliedmaßen geboren wurden, Phantomschmerzen auf. Phantomschmerzen treten dann auf, wenn Nerven, die normalerweise die fehlende Gliedmaße versorgt hätten, Schmerzen auslösen. Ein derartiger Schmerz wird oft als eine brennende oder ähnlich ungewöhnliche Missempfindung beschrieben und kann außerordentlich quälend sein. Doch variiert der Schmerzcharakter individuell sehr stark. Andere Empfindungen sind ein Gefühl von Wärme oder Kälte, Juckreiz oder das Gefühl als würde die Gliedmaße gequetscht, kribbeln oder sei eingeengt.
• Klinisches Bild: Obwohl nicht alle Phantomglieder auch schmerzen, haben Patienten mitunter das Gefühl, als ob sie gestikulierten, und sie spüren ein Jucken und Zucken oder versuchen sogar, Dinge zu ergreifen oder aufzuheben. Einige Menschen mit Phantomgliedern meinen, ihre fehlende Gliedmaße gestikuliere, während sie reden. Einige Patienten schildern, ihr Phantomglied verhalte sich, als ob es noch vorhanden sei und fühle sich auch so an, andere wiederum stellen fest, dass es ein Eigenleben zu entwickeln beginnt und ihren Befehlen nicht mehr gehorcht. Ein verblüffendes Beispiel bietet hierzu der indische Neurologe Vilayanur S. Ramachandran:
»Ich stellte eine Kaffeetasse vor John und bat ihn, nach ihr zu greifen (mit seinem Phantomglied). Als er sagte, er strecke eben seinen Arm aus, stieß ich die Tasse weg. ›Autsch!‹ schrie er. ›Machen Sie so was nicht!‹
›Was ist los?‹
›Machen Sie das nicht‹, wiederholte er. ›Ich hatte eben meine Finger um den Henkel der Tasse, als Sie sie wegzogen. Das tut wirklich weh!‹
Moment mal. Ich entwende Phantomfingern eine reale Tasse, und der Betroffene schreit autsch! Die Finger waren eine Illusion, aber der Schmerz war real – tatsächlich war er so stark, dass ich nicht mehr wagte, das Experiment zu wiederholen.«8
• Mixed Pain: Die Unterteilung der Schmerzarten (nozizeptive, neuropathische und sympathische Schmerzen) ist für das therapeutische Vorgehen äußerst relevant. Im Klinikalltag kommen jedoch oft auch Mixed Pain-Syndrome vor. Gemischte Schmerzen sind eine Art von Schmerzen, bei der Nozizeptorschmerzen und nNeuropathische Schmerzen vorliegen. Diese Schmerzart wird häufig bei Tumoren oder bei chronischen Rückenschmerzen gefunden. Beim Mixed Pain müssen alle Schmerzarten mit dementsprechenden Analgetika behandelt werden.
18. Frage: Was ist CRPS oder Morbus Sudeck?
Das CRPS (Complex Regional Pain Syndrom) ist eine chronische neurologische Erkrankung, die nach Weichteil- oder Nervenverletzung – oft in Verbindung mit einer Fraktur einer Extremität – auftritt. Die ältere Bezeichnung für CRPS ist auch Morbus Sudeck, benannt nach dem Entdecker Paul Sudeck (1866–1945), einem Hamburger Chirurgen.
Die Entstehung der Krankheit ist nicht von der Schwere der Verletzung abhängig. Sie kann sogar so geringfügig sein, dass der Betroffene sich gar nicht daran erinnert. Aufgrund der Verletzung kommt es aber zu einer Fehlregulation des sympathischen Nervensystems, der normale Heilungsverlauf wird blockiert und stattdessen entsteht eine Spirale von Schmerz und nachfolgender Sympathikusreaktion.
Symptome:
• Brennender Ruheschmerz
• Hyperästhesie (Überempfindlichkeit für Berührungsreize, die schmerzhaft sein können)
• Allodynie (Schmerzempfindung, die so gestört ist, dass etwas schmerzt, was normalerweise nicht schmerzen dürfte, z. B. die Bettdecke auf der Haut)
• Muskelschwäche
• Bewegungseinschränkung
• Tremor (Zittern)
• Myoklonien (rasche unwillkürliche Muskelzuckungen)
• Ödeme
• Hyperhidrose (übermäßige Schweißproduktion)
• Erhöhte oder erniedrigte Hauttemperatur
• Hautveränderungen (trockene Haut, Salbenhaut, livides Kolorit)
• Verändertes Haar- und Nagelwachstum (Pat. haben Haarwachstum wo gar keines sein dürfte).
Bei der CRPS gibt es mehrere Schweregrade, die in Grad 1–3 und nach Typen I und II, eingeteilt werden.
• CRPS Typ I: nach Trauma oder Immobilisation einer Extremität, jedoch ohne spezifische Nervenschädigung
• CRPS Typ II: nach einer Nervenverletzung, aber nicht notwendigerweise auf den Ort der Verletzung beschränkt
Die Schweregrade sind nicht immer scharf trennbar, da sich Symptome auch überschneiden können.
• Grad 1 (Akutes Stadium): umschriebener Schmerz am Ort der Verletzung, Hyperästhesie, weiche Ödeme, Muskelkrämpfe, Bewegungseinschränkung, Hyperhidrosis
• Grad 2 (Dystrophisches Stadium): zunehmender, diffuser werdender Schmerz, induriertes Ödem, Wachstumsstörungen von Haaren und Nägeln, Osteoporose, beginnender Muskelschwund. Mitunter zusätzlich Einblutungen ins Gewebe
• Grad 3 (Atrophisches Stadium): nicht mehr lokalisierbarer Schmerz, irreversible Gewebsatrophie, Generalisierung der Beschwerden
Therapie
Solange Ruheschmerz und Ödem vorliegen, sind diese vorrangig zu behandeln, alle anderen Maßnahmen sind erst einmal zweitrangig. Eine Entlastung ist wichtig, daher sind alle Therapien, wie etwa invasive Maßnahmen, in diesem Stadium kontraindiziert.
Dann sollte der Bewegungsschmerz behandelt werden. Durch verschiedene rehabilitative Therapien, wie physikalische Maßnahmen, Ergotherapie, Physiotherapie, Spiegeltherapie, aber auch psychotherapeutische Verfahren und interventionelle Therapiemöglichkeiten (Blockaden mit Lokalanästhetika), aber auch mit gezielter medikamentöser Schmerztherapie und paralleler Therapie mit verschiedenen Medikamenten wie Steroiden, Medikamenten gegen neuropathische Schmerzen kann man heute den Auswirkungen dieser Krankheit begegnen.9
19. Frage: Sind Rückenschmerzen ein Thema in Deutschland?
Unter »Rückenschmerzen« werden im Allgemeinen unterschiedlich starke Schmerzen des Rückens mit ganz unterschiedlichen Ursachen verstanden. Sie können mit Ausstrahlung, ohne organische Ursache sein und eine Dauer von weniger oder mehr als sechs Wochen haben. Sie können aber auch chronisch werden, sodass man von chronisch rezidivierenden (wiederkehrenden) Rückenschmerzen spricht.
Immer mehr Mediziner betrachten ihre Patienten mit Rückenschmerzen »ganzheitlich« und versuchen nicht nur, die Auswirkungen zu behandeln. So gibt es heute verschiedene Ansatzpunkte der Behandlung: Operationen, interventionelle Maßnahmen, medikamentöse Therapie, Haltungsschulung und physikalische Therapien sind in manchen Kliniken als multimodale Schmerztherapie zusammengefasst und können die Wiedereingliederung in den Alltag erleichtern.
Psychosoziale Maßnahmen nehmen bei Rückenschmerzen einen besonderen Platz ein. Mit Hilfe von Entspannungsverfahren, Schmerz- und Stressbewältigung, aber auch durch Kraft,- Ausdauer- und Koordinationstraining der Muskulatur wird die Selbstverantwortung der Patienten aktiviert. Sie können aktiv am Heilungsprozess teilnehmen.
Die Pharmakotherapie von Rückenschmerzen ist symptomatisch und unterstützt die nichtmedikamentösen Maßnahmen. Aufgrund der geringeren Nebenwirkungen sollten zunächst Nichtopioidanalgetika, z. B. Paracetamol, evtl. auch Muskelrelaxantien, bei unzureichender Wirkung NSAR (Antiphlogistika/Antirheumatika) eingesetzt werden. Bei mit dieser Medikation nicht zu beherrschenden Schmerzzuständen kann eine kurzfristige Gabe von Opioidanalgetika gerechtfertigt sein.
Bedenken sollte man auch, dass chronische Rückenschmerzen nur im »multimodalen« Setting optimal behandelt werden können.
Die primären Ziele einer Rückenschmerztherapie sind Schmerzminderung/-freiheit, die Verbesserung der Bewegung, das Ermöglichen von Trainingsprogrammen, die Erhaltung der Arbeitskraft, die Verbesserung der Lebensqualität, aber auch die Antichronifizierung.10
Manchmal hilft auch ein TENS-Gerät (Transkutane Elektrische Nervenstimulation). Dies ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man auch Rückenschmerzen behandeln kann. Es fällt unter das Verfahren der physikalischen Therapien. Mit Reizstrom unterschiedlicher Frequenz werden Muskelverspannungen, Hexenschuss, manchmal auch chronische Rückenschmerzen behandelt.
Rückenschmerzen als Kostenfaktor
»Der Gesamtbetrag der durch Rückenschmerzen verursachten Kosten entspricht rund 1 % des Deutschen Bruttosozialprodukts.«*
Wenn man bedenkt, wie viel Milliarden Euro an direkten und indirekten Kosten hierbei anfallen, um Patienten mit Rückenschmerzen zu helfen, muss alles versucht werden, um ein chronisches Schmerzsyndrom zu verhindern.
* Kohlmann T. (2005). Rückenschmerzen in Deutschland – eine epidemiologische Bestandsaufnahme. In: Orthopädie und Rheuma 2005, 1:38–41
20. Frage: Welche Arten von Kopfschmerzen gibt es?
Kopfschmerzen beruhen auf Reizungen von schmerzempfindlichen Kopforganen und können bei einigen Menschen bereits durch das Flechten eines Zopfes hervorgerufen werden. Die Gehirnsubstanz als solches ist nicht schmerzempfindlich. Kopf, Schädel, Hirnhäute, Blutgefäße im Gehirn und die Hirnnerven sowie auch die obersten Spinalnerven können aber nach Reizungen schmerzempfindlich reagieren.
Man unterscheidet
• primäre und
• sekundäre Kopfschmerzen
Primäre Kopfschmerzen
• Migräne: Hier wird zwischen Migräne mit und ohne Aura unterschieden. Migräne ist mit Abstand die häufigste Kopfschmerzerkrankung, die Patienten in ärztliche Behandlung führt.
• Spannungskopfschmerzen: Diese Kopfschmerzen werden in eine episodische und chronische Verlaufsform eingeteilt. Die chronische Form ist häufig therapieresistent.
• Trigemino-autonome Kopfschmerzen: Die bekannteste Form ist der Clusterkopfschmerz, streng einseitige Kopfschmerzen mit autonomen Begleiterscheinungen.
• Idiopathische Kopfschmerzen: Übersetzt etwa »Kopfschmerzen ohne fassbaren Grund«. Diese Kopfschmerzen treten bei Anstrengung, Husten oder sexueller Aktivität auf.
Bei Kopfschmerzen ist der Schmerz selbst die Erkrankung. Da aber oft die Ursache nicht bekannt ist, ist die Therapie schwierig. Man versucht mit verschiedenen Möglichkeiten vorzubeugen oder auslösende Faktoren zu vermeiden. Das Ziel der Behandlung ist die schnelle Schmerzfreiheit.
Gemeinsam haben diese Kopfschmerzen, dass sie durch bildgebende Diagnostik nicht erfasst werden können.
Sekundäre Kopfschmerzen
Dies sind Kopfschmerzen, die als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung auftreten. Sie sind wesentlich seltener, müssen jedoch ebenso gut beobachtet und schnellstmöglich beseitigt werden. Ein Beispiel hierfür sind Verspannungen durch eine Fehlstellung des Kiefers, die zu Kopf- aber auch zu Rückenschmerzen führen. Außerdem gehören zu den sekundären Kopfschmerzen auch alle tumorbedingten Ursachen und andere raumfordernde Prozesse im Schädelbereich, etwa nach Traumata oder Blutungen.
Medikamentöse Möglichkeiten
Die gebräuchlichsten Medikamente gegen Kopfschmerzen sind Paracetamol, Ibuprofen, Saridon® (Propyphenazon) sowie Acetylsalcylsäure.
Therapie bei Migräne
• Reizabschirmung
• Bei leichter Attacke: 20 mg MCP gegen die Übelkeit und 1 g ASS p. o.
• Alternativ dazu wären auch Domperidon, PCM, Diclofenac oder Ibuprofen
• Bei schwerer Attacke: Triptane
• Manchmal muss auch der Notarzt geholt werden.
Triptane sind Arzneistoffe, die gerade bei Migräne und Clusterkopfschmerz zur Akutbehandlung eingesetzt werden.
Details
- Seiten
- ISBN (ePUB)
- 9783842688438
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2017 (Januar)
- Schlagworte
- Schmerzgeschehen Schmerz Innere Medizin Medizin Pflege Altenpflege