Lade Inhalt...

Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger (QuartupA)

Herausforderungen und Chancen für Kommunen und Pflege-Unternehmen. Strategische Überlegungen und praktische Netzwerkarbeit

von Prof. Dr. Angelika Zegelin (Autor:in) Tanja Segmüller (Autor:in) Prof. Dr. Bohnet-Joschko (Autor:in)
128 Seiten

Zusammenfassung

Ende April 2016 wurde der Referentenentwurf für das Pflegestärkungsgesetz III vorgestellt. Die Vernetzung von Kommunen und Pflegeanbietern ist der Kern.
Doch wie funktioniert das überhaupt?Welche finanziellen
Mittel müssen dafür eingeplant werden? Was
müssen Pflegeanbieter und Kommunen jetzt wissen,
um sich bereits heute zu vernetzen und z.B. auch das
PSG III ziel- und kostenorientiert umzusetzen?
Dieses Buch zeigt anhand eines Praxisprojektes in
NRW (Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger
– QuartupA), was zu tun ist, was es kostet
und welche Strukturen geschaffen werden müssen.

Auf den Punkt gebracht:
Das erste Buch zum aktuellen Thema "Quartiersentwicklung in der Pflege“.
Mit detaillierten Modellrechnungen & allen Arbeitsschritten.
Verständlich geschrieben, praxisnah & handlungsorientiert.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT DER AUTORINNEN

Das vorliegende Buch greift ein aktuelles und gesellschaftlich sehr relevantes Thema, die Situation pflegender Angehöriger im Quartier, auf. Das Buch basiert auf den Projektergebnissen des Praxisprojektes »Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger« (kurz Quart-UpA). Es gliedert sich in zwei Teile: in die pflegewissenschaftliche Aktionsforschung (Teil I) und die ökonomische Analyse (Teil II). Wichtige Ergebnisse des Projektes können durch diese Publikation einer breiteren Öffentlichkeit- insbesondere auch kommunal Verantwortlichen- zugänglich gemacht werden. Nicht immer werden Berichte von Praxisprojekten wie diesem publiziert, was zur Folge hat, dass an verschiedenen Orten immer wieder neue Projektideen entstehen und der Prozess immer wieder von vorne beginnt: Antragstellung mit ähnlichem Fokus, Bewilligung, Durchführung … und … man ahnt es schon. Natürlich sind die Bedingungen vielfach unterschiedlich – trotzdem lassen sich wiederkehrende Mechanismen und Strategien identifizieren. Solche Strategien und Erkenntnisse finden sich im Teil I dieses Buches.

Das zugrundeliegende Projekt hatte den Fokus der Quartiersentwicklung zur Unterstützung pflegender Angehöriger. Pflegende Familien sorgen dafür, dass eine häusliche Versorgung überhaupt möglich wird. Oft hochbelastet, suchen diese Familien Hilfe in der Nähe – im QUARTIER. Es gibt ein breites Spektrum von Informations- und vor allem Entlastungsangeboten, aber für pflegende Angehörige selbst, gibt es nur wenige Möglichkeiten der Entspannung und zur Aussprache.

Wir sind davon überzeugt, dass zur öffentlichen Daseinsvorsorge in Kommunen auch »das Kümmern« um pflegebedürftige Menschen und ihre Familien gehört. Kommunen müssen zukünftig, auch vor dem Hintergrund des Pflegestärkungsgesetzes III, mehr moderierend und steuernd tätig werden – besonders zur Stützung häuslicher Pflegearrangements und nicht nur »neutral« informierend oder beratend tätig sein. Die Pflegewirtschaft darf nicht (nur) Marktgesetzen überlassen werden. Überall finden sich Lücken bei den Angeboten, andererseits konkurrieren Anbieter mit ähnlichen Aktivitäten.

In Teil II des Buches werden die Ergebnisse einer ökonomischen Analyse dargestellt, die die Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke parallel zur Projektarbeit in den Kreisen erstellt hat. Die Ergebnisse können eine erste Basis für Verantwortliche in den Kreisen und kreisfreien Städte bilden, um Kosten, die mit den im Projekt fokussierten pflegerischen Angeboten und QUARTIERsnahen Dienstleistungen entstehen, den steigenden kommunalen Grundsicherungsausgaben im Rahmen der Hilfe zur Pflege gegenüberzustellen. Hierzu haben wir zunächst die Ausgabenentwicklung für Leistungen der Hilfe zur stationären Pflege für die Bundesrepublik Deutschland bis 2030 auf Basis von vier Zukunftsszenarien prognostiziert. Anschließend wird dies mit Projektionsergebnissen für die im Projekt beispielhaft betrachteten NRW-Kreise und Städte gegenübergestellt, um kommunalspezifische Besonderheiten und Entwicklungen bei der Alters- und Sozialstruktur identifizieren und diskutieren zu können.

Während des Projektverlaufs konnten viele Erfahrungen zusammentragen werden: Überraschendes, Trauriges, Erfreuliches und Stärkendes. Vor allem durch die vielen Begegnungen mit den Akteuren vor Ort.

Wir danken allen Projektbeteiligten, den Mitgliedern der Arbeitskreise, den kommunal Verantwortlichen, den befragten pflegenden Angehörigen und Beiratsmitgliedern und nicht zuletzt den Projektförderern, die uns das Vertrauen geschenkt haben und dieses Projekt finanziert haben. Wir wünschen uns sehr, damit eine Anregung für andere Unternehmungen dieser Art geben zu können. Und nun viel Freude beim Lesen!

TEIL 1

PROJEKTBERICHT

Prof. Dr. Angelika Zegelin, Tanja Segmüller

EINLEITUNG

Deutschland gehört zu den Gesellschaften »langen Lebens« und diese gute Entwicklung ist vielen Errungenschaften der letzten 50 Jahre zu verdanken. Es ist heute kein Problem mehr, mit chronischen Krankheiten Jahrzehnte weiter zu leben, auch wenn es Einschränkungen im Alltag gibt. In der letzten Lebensdekade führen diese Einschränkungen häufig zur Pflegebedürftigkeit, also einem Unterstützungsbedarf in alltäglichen Aspekten. Dabei zieht eine Einschränkung oft andere Schwierigkeiten nach sich.

Pflegebedürftigkeit nimmt zu, über 2,8 Millionen (September 2016), die in die in die gesetzliche Pflegeversicherung eingestuft sind (Statistisches Bundesamt, 2015; weitere Daten siehe Teil 2). Bekannt ist nur etwas über Leistungsempfänger der Pflegeversicherung, vermutlich gibt es darüber hinaus vielmehr häusliche Pflegesituationen. Es ist selbstverständlich, dass Menschen trotzdem so lange wie möglich in ihrer eigenen Umgebung bleiben möchten. Vielfach benötigen sie dabei die Hilfe ihrer Angehörigen, egal ob die Familie direkt im Umfeld oder entfernt wohnt.

Über Zweidrittel der Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt und nicht in einem Heim, dies entspricht auch dem Motto von Politik und Kostenträgern »ambulant vor stationär«.

Allerdings kommt auf die pflegenden Angehörigen eine Menge an Aufgaben zu, nicht selten wächst sich eine langdauernde häusliche Pflege zu einer Belastung aus, zahlreiche Studien bestätigen dies.

Zwar agieren eine Menge Dienstleister im Feld, z. B. ambulante Pflegedienste – alle arbeiten allerdings in festgelegten Handlungskorridoren und können eine »Rund-um-die Uhr«-Pflege nicht bieten. Zudem haben sich Pflegeleistungen zu einem unübersichtlichen und konkurrenten Markt entwickelt. Die Versicherungen haben zwar stückchenweise nachgebessert, trotzdem ist es nicht leicht, ein gutes häusliches Pflegearrangement aufzustellen ohne allzu großen finanziellen Aufwand.

So sieht sich unsere Gesellschaft seit einigen Jahren vor die (neue) Herausforderung gestellt, auch im Alter eine gute und menschenwürdige Pflege sicherzustellen – in diesem Fall durch deutliche Unterstützung der pflegenden Angehörigen und auch wenn es nur um die Herauszögerung eines Heimeinzugs geht. Familienstrukturen haben sich geändert, Frauen sind überwiegend berufstätig – die Angehörigen müssen Erwerbsarbeit und Pflege vereinbaren. Oft wohnen Familien weit verstreut, der Arbeitsplatz diktiert den Wohnort. Inzwischen ist es auch normal geworden, dass Angehörige nach dem Renteneintritt ihre hochaltrigen Verwandten pflegen.

Es fehlen Informationen

Dabei ist die Unterstützung pflegebedürftiger Menschen ein Teil der Gesundheitsfürsorge. Besonders dieser Teil kann nur gemeinsam durch Familien, Dienstleister, Nachbarschaft und Ehrenamt, Versicherer, aber auch durch die öffentliche Hand bewältigt werden. Den Kommunen kommt hier eine Koordinations- und Steuerungsfunktion zu.

Zum Projekt »Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger«

Im Jahr 2011 startete die nordrhein-westfälische Landesregierung aus Mitteln des NRW-EU Ziel 2-Programms und als EFRE-Förderung den Projektaufruf »Altersgerechte Versorgungsmodelle, Produkte und Dienstleistungen«. Bei der Ausschreibung ging es um die Entwicklung innovativer Projekte, die aus der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Organisationen des Gesundheitswesens entstehen sollten. Die Projekte wurden schon in der Anfangsphase (Projektskizze, Antragsstellung, Projektplanung usw.) eng vom Projektträger ETN in Jülich begleitet. Nach Abgabe des Projektantrages Mitte Dezember 2012, kam die Bewilligung des Projektes Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger (Quart-UpA) dann Ende Februar 2013, sodass das Projekt ab März 2013 starten konnte.

Der Projektträger empfahl, für die Umsetzung des Projektes Arbeitspakete zu bilden. Zwei zuvor mit eingeplante Arbeitspakete (Familienmoderation als Trägermodell aufbauen und Verbesserungen für erwerbstätige pflegende Angehörige) wurden aus Zeitmangel gestrichen.

Vom Ministerium wurde vorgegeben, dass Kreise aus NRW teilnehmen sollten. Die meisten Menschen in Nordrhein-Westfalen wohnen in Kreisen, meist in kleineren Städten. Der Unterschied zeigt sich u. a. in Finanzierungen und Zuständigkeiten im Vergleich zu größeren (nicht kreisangehörigen) Städten.

Vorgegeben wurde auch die Ausrichtung am »Quartier«, am Wohnviertel. Quartiersprojekte sind »in«, die kleinräumige Orientierung dienst quasi als Gegenentwurf zu einer Globalisierung. Lebensqualität hängt vielfach vom Nahraum ab.

Definition: Quartier

Quartiere haben oft »natürliche« Grenzen, entsprechen manchmal auch Stadtteilen –Stadtbezirke sind dagegen eher Verwaltungskategorien. Viele menschliche Aktivitäten sind eher ortsgebunden, Schule, Kindergarten usw. Auch Gesundheitsleistungen werden überwiegend örtlich aufgesucht. Besonders angebunden sind pflegende Familien, niemand hat Zeit (weiter) zu fahren.

Viele Kommunen haben begonnen, ihre Quartiere zu beschreiben. In der Regel werden dabei demografische Daten gesammelt, Weg- und Zuzug, evtl. auch Migranten- und Ausländeranteil, Arbeitslosigkeit, Schulen und Kindergärten, vielleicht einige gesundheitlich-soziale Aspekte wie Jugend- und Altentreffs, Kliniken, Altenheime, Inklusionsprojekte für behinderte Menschen. Quartiersentwicklung kann unter ganz verschiedenen Blickwinkeln geschehen, oft städtebaulich oder wirtschaftlich, energetisch oder ökologisch u. a. m. Sozialräumliche und altersfreundliche Strategien sind häufiger zu finden, letztere mit guten barrierefreien Bewegungsmöglichkeiten, Sitzbänken, WCs, Lieferdiensten und Beratungsstellen für Senioren. Viele Kommunen geben (oft in größeren Abständen) entsprechende Ratgeber heraus, in der Regel ist die örtliche Gesundheitswirtschaft mit Ärzten, Apotheken, Therapeuten auch im Internet vertreten (mehr oder weniger aktuell).

Pflegefreundlichkeit ist dabei ein weiterer, speziellerer Fokus – besonders im Hinblick auf pflegende Angehörige und ihre Bedürfnisse.

Definition: Pflegende Angehörige

Um die Pflege sicherzustellen benötigen sie viele Angebote vor Ort, niedergelassene Ärzte mit kurzen Wartezeiten, Lieferservices z. B. durch die Apotheke, Fahrdienste, zugehende Beratung, Tagespflege und andere entlastende Dienste. Sie brauchen aber auch selbst Unterstützung, um ihre Gesundheit zu erhalten – Gesprächskreise, Entspannungs- und Bewegungsangebote, Kreatives mit Austauschmöglichkeiten und in diesen Zeiten eine gute und verlässliche Versorgung des zu Pflegenden. All dies sollte nicht allein Marktgesetzen überlassen werden, es bedarf hier der Moderation durch eine »neutrale« Instanz.

Das Projektteam ist überzeugt, dass ein Schlüssel zur Entwicklung eines pflegefreundlichen Quartiers in einer guten Zusammenarbeit aller in diesem Feld Tätigen liegt.

Projektziele

An zwei Orten in NRW sollten Netzwerke zur quartiersnahen Unterstützung pflegender Angehöriger entstehen, teilnehmen sollten verschiedene Akteure im Feld pflegender Angehöriger (Anbieter von Pflegeleistungen, Beratungsstellen usw.).

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden auf Anraten der Städtevertreter systematisch ausgewählt, so dass verschiedene Stadtteile, Angebotsformen und Anbieter vertreten waren. Die gesamte Hilfeszene bildete sich stellvertretend im Netzwerk ab.

Alle beteiligten Akteure hatten die Aufgabe, den Sachstand in ihr eigenes Umfeld zu tragen. Die Zusammensetzung war vielfältig und konnte nur durch ein solches Projekt angestoßen werden: Vertreter der Kommunen, der Wohlfahrtsverbände, Kirchen, private Anbieter, Pflegekassen, aber auch Akteure der Privatwirtschaft (Sanitätshandel, Apotheken) arbeiteten zusammen.

Methodik

Das Vorhaben bewegt sich in einem komplexen Feld kommunaler Entwicklung. Die Akteure stellen unterschiedliche Dienstleister dar, folgen verschiedenen Handlungslogiken, haben unterschiedliche Berufe, »Sprachen« und Orientierungshorizonte. Eine gemeinsame Entwicklung ist nur durch eine gemeinsame Zielsetzung und einen partizipativen Ansatz möglich – dabei sollten Denkbarrieren überwunden werden.

Die Aktionsforschung (Hart et al., 2001) bietet eine theoretische Orientierung für ein solches Vorgehen. Alle Schritte, Ziele und Ergebnisse werden kooperativ bearbeitet. Auch die Ansätze zur Praxisentwicklung (McCormack et al., 2009) zeigen dieses gemeinsame Vorgehen auf, dabei geht es um eine gegenseitige Wissenszirkulation zwischen Praxis und Theorie.

Zahlreiche Ansätze zur Qualitätsentwicklung im Gesundheitswesen (»Improving Health Care«) setzen ebenfalls auf den Austausch von Wissenschaft und Praxis (Grol, 2005). Daten werden nicht extern erhoben, sondern innerhalb der Gruppe werden Schwerpunkte gesetzt, Wissenschaft gibt dann kurze Inputs und begleitet schrittweise den Entwicklungsprozess. Implementierung von Verbesserungen ergibt sich nicht einfach durch Wissenszuwachs, sie folgt eigenen Gesetzen und braucht viel Know-How (Fixsen et al., 2009). Daneben werden Verfahren aus dem Projektmanagement fruchtbar genutzt (Terminierung, Verantwortlichkeiten, Ergebnisse).

Berichtsaufbau

Der folgende Bericht entwickelt sich anhand der Arbeitspakete. Die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Begleitforschung werden in einem gesonderten Bericht (Teil II) dargelegt. Umfangreichere zusätzliche Materialien wie Recherchen, Vision Pflegestützpunkte und eine Pressemappe sind auf einer Homepage des Projektes hinterlegt (siehe Link 1).

1 ARBEITSPAKET 0: STEUERUNG, ÖFFENTLICHKEITSARBEIT UND RECHERCHEN

In mehreren Vorgesprächen wurden seitens des Ministeriums mögliche Kreise in Nordrhein-Westfalen (NRW) genannt. Die Projektimplementierung auf Kreisebene schien wichtig, weil die meisten Menschen in NRW in Kreisen leben und dort andere Strukturen als in kreisfreien (Groß-)Städten die Verwaltung bestimmen. Die Felder Gesundheit/Soziales sind in der Regel in der Kreisverwaltung angeordnet und werden in Zusammenarbeit mit den zugehörigen Städten sehr unterschiedlich ausgestaltet.

Der Kreis Mettmann und der Märkische Kreis wurden für das Projekt angefragt und stimmten nach interner Abstimmung zu.

Als problematisch wurde angesehen, dass aus Kapazitätsgründen jeweils nur eine Stadt innerhalb des Kreises fokussiert werden sollte – da alle Städte die Kreisarbeit finanzieren würden, herrschte so etwas wie ein »familiärer Wettbewerb«. Im Märkischen Kreis wurde dann von der Verwaltung die Stadt Altena vorgeschlagen, dort herrscht ein deutlicher Wegzug jüngerer Menschen und eine zunehmende Versorgungsproblematik – andererseits »punktete« Altena in der Vergangenheit mit Aktionen zum bürgerschaftlichen Engagement.

Der Kreis Mettmann bat darum, zwei Kommunen in das Projekt aufzunehmen. Durch das Projektteam wurde vorgeschlagen, zwei nebeneinander liegende Kommunen zu wählen, um beteiligte Dienstleister beider Orte in einer Gruppe zusammenfassen zu können.

Mit beiden beteiligten Kreisverwaltungen wurde ein »Letter of Intent« vereinbart, um eine gewisse Verbindlichkeit herzustellen.

Der Kreis Mettmann bildet den größten Kreis in NRW und fasst zehn sehr unterschiedliche Städte in der Nähe der Landeshauptstadt Düsseldorf zusammen.

Von der Kreisebene wurden die Städte Wülfrath und Heiligenhaus vorgeschlagen. Die Beteiligten des Kreises machten zu Beginn auf verschiedene andere Projekte im Bereich Alter (z. B. Projekt ALTERnativen 60plus oder das Demenznetz) aufmerksam und konstatierten eine »gute Aufstellung« im Bereich Unterstützung pflegender Angehöriger.

In den Städten wurden die Zuständigen angefragt und es wurden Vorgespräche über Ziele, Kapazitäten usw. geführt – alle drei Städte stimmten nach einer Bedenkzeit der Mitwirkung zu.

Das Projektteam informierte sich mittels Strukturdaten und Stadtplänen über die örtlichen Gegebenheiten, in den ersten Treffen wurden auf Landkarten die lokale Verortung der Anbieter eingezeichnet und die Quartiere identifiziert. Im Projektverlauf fanden einzelne Quartiersbegehungen statt.

1.1 Ansprechpartner vor Ort

Die Projektmitarbeiterinnen kommunizierten von Beginn an in den beteiligten Städten (Wülfrath, Heiligenhaus und Altena) mit festen Ansprechpartnern für die gesamte Projektlaufzeit. In Wülfrath und Heiligenhaus sind es jeweils die Sozialamtsleiter und in Altena die Gleichstellungsbeauftragte. Auch auf den Kreisebenen gibt es jeweils eine Ansprechpartnerin, die das Projekt begleitet. Mit den Ansprechpartnern vor Ort fanden regelmäßig telefonische Gespräche auch zur Organisation der AG-Treffen oder für besondere Aktionen (z. B. Pressegespräche) statt.

1.2 Projektbeirat

Der Projektbeirat wurde bereits zu Beginn des Projektes im Frühjahr 2013 einberufen und tagte erstmals im September 2013. Er setzt sich aus einem Vertreter des MGEPA NRW, einer Vertreterin der Landesstelle pflegende Angehörige NRW, einer Vertreterin des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, zwei Vertretern der Unfallkasse NRW, einer Vertreterin des Projektträgers, je einem Vertreter aus den beiden Kreisen, einer Vertreterin des Ennepe-Ruhr-Kreises (Schwerpunkt: Vereinbarkeit Beruf und Pflege) und einem Vertreter der Universität Witten/Herdecke zusammen. Die vier Treffen (ein bis zweimal jährlich) dienten der Berichterstattung durch die Projektleitung und der Diskussion mit den Beiratsmitgliedern – das Resümee der Treffen diente auch der Projektsteuerung. Auf den Treffen des Beirats konnten die Ergebnisse der gesundheitsökonomischen Analyse ausführlich vorgestellt und diskutiert werden (siehe Abschlussbericht II).

1.3 Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeitsarbeit in diesem Projekt hat sich auf verschiedenen Ebenen vollzogen und insgesamt einen großen Raum eingenommen. Die Öffentlichkeit wurde in beiden Projektorten über die Lokalzeitungen über den Beginn des Projektes im April 2013 informiert.

Im Märkischen Kreis wurde auch auf der Homepage des Kreises eine Information über das Projekt eingestellt (siehe Link 2). In der Pflegekonferenz des Märkischen Kreises wurde das Projekt ebenfalls von der Ansprechpartnerin des Kreises vorgestellt. Auf einer Tagung der Landesstelle pflegender Angehöriger NRW wurde im Juli 2013 mit einem Infostand auf das Projekt aufmerksam gemacht. Für diese Tagung wurde auch ein Poster über das Projekt erstellt. Im Juli und August 2013 wurden die örtlichen Zeitungen genutzt, um pflegende Angehörige für die einzurichtenden Angehörigenfokusgruppen zu gewinnen. Im Juni 2013 besuchte die Projektmitarbeiterin eine Tagung der Online-Beratung »Pflegen–und-leben« für pflegende Angehörige in Berlin (siehe Link 3). Vor allem jüngere pflegende Angehörige nutzen die Möglichkeit der psychologischen Begleitung per Mail. Der Ratsuchende nimmt schriftlich Kontakt auf und wird über den gesamten Zeitraum psychologisch begleitet. Dieses Angebot ist jedoch nur für pflegende Angehörige, die sich mit dem Internet auskennen und dieses sowieso schon nutzen, geeignet. Durch den Austausch mit dem Psychologen reduziert sich die Belastung des pflegenden Angehörigen deutlich.

Nach der ersten Projektlaufzeit konturierten sich die Probleme und Möglichkeiten der beiden Standorte heraus, es gab dabei gemeinsame Arbeitsfelder, aber auch verschiedene Situationen – vor allem gekennzeichnet durch die unterschiedlich engagierten Menschen vor Ort, gekennzeichnet aber auch durch sozialräumliche und geografische Gegebenheiten.

Die Öffentlichkeit wurde in beiden Projektorten weiterhin über die Lokalzeitungen über den aktuellen Stand des Projektes informiert, zudem wurde in der Lokalzeit Bergisch Land im WDR Fernsehen Mitte September 2013 ein kurzer Bericht über das Projekt gesendet. Die Projektmitarbeiterin war als Studiogast für ein kurzes Gespräch in die Sendung eingeladen. Die Sendung wird u. a. in den Städten Wülfrath und Heiligenhaus ausgestrahlt.

Mitte Oktober 2013 wurde das Projekt »Quart-UpA« in der AG Pflegende Angehörige des Landespflegeausschusses in Düsseldorf von der Projektmitarbeiterin vorgestellt.

Mitglieder der AG Altena organisierten im Oktober 2013 den 4. Altenaer Demenztag. Auf diesem wurde auch das Projekt Quart-UpA vorgestellt. Im Nachgang wurde zu der Veranstaltung ein Artikel im Altenaer Kreisblatt veröffentlicht.

Die Altenaer Baugesellschaft, auch Mitglied in der AG Altena, berichtete im November 2013 in ihrer Mieterzeitung und ihrem elektronischen Newsletter über das Projekt Quart-UpA und ihre Beteiligung daran.

Im Dezember 2013 besuchte die Projektmitarbeiterin den Runden Tisch Pflege- und Wohnberatung NRW. Bei diesem wurde intensiv diskutiert, wie die Pflegeberatung derzeit vor Ort aussieht und welche Anforderungen grundsätzlich an die Beratung bestehen. Einige Tage später (auch im Dezember 2013) nahm sie auch an der Veranstaltung »Heimat im Quartier- wie wollen wir in NRW leben?« teil. Die Veranstaltung war der Auftakt eines Online-Bürgerdialogs, der zu verschiedenen Themenbereichen NRW-weit geführt werden soll, eines dieser Themen ist »Pflege im Quartier«. Die Bedeutung pflegender Angehöriger wurde auch in dieser Veranstaltung deutlich.

2014 war weiterhin eine intensive Öffentlichkeitsarbeit vor Ort in den drei Städten geplant, quartiersbezogen sollten Aktionen durchgeführt werden, um auch differenzierte Zielgruppen zu erreichen. Vor allem in Altena bestehen gute Kontakte zu den örtlichen Zeitungsredakteuren, hier können Artikel mit verschiedenen Absichten platziert werden.

Zu den genannten und anderen (nicht-besuchten) Veranstaltungen im Themenkreis wurde recherchiert, eine vertiefte Recherche fand statt zum Thema Belastungen pflegender Angehöriger.

In Heiligenhaus wurde im Februar 2014 erneut eine Pressekonferenz, diesmal mit dem Bürgermeister veranstaltet, um noch weitere pflegende Angehörige für die Angehörigenfokusgruppe zu gewinnen. Leider war die Resonanz auf den ersten Artikel gering. Um weiter für die Beteiligung der Bürger in Heiligenhaus am Projekt zu werben, fand auch eine Präsentation im Sozialausschuss der Stadt statt. Bei den Kommunalpolitikern stieß das Projekt auf großes Interesse.

Anfang März 2014 wurde das Projekt »Quart-UpA« auf einer Veranstaltung zum Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf anlässlich des internationalen Frauentags in Düsseldorf von der Projektmitarbeiterin vorgestellt.

Seit April 2014 besuchte die Projektmitarbeiterin monatlich den ganztägigen Workshop »Runder Tisch Pflege- und Wohnberatung NRW«. Insgesamt fanden fünf Treffen in Düsseldorf statt. Die Projektmitarbeiterin konnte vor allem zu den Wünschen und Erwartungen pflegender Angehöriger an Beratung berichten. Im Jahr 2015 soll erneut ein Treffen im MGEPA stattfinden, auf dem dann ein erster Textentwurf für das Gesetz beraten werden soll.

Mitte März 2014 besuchte sie die Abschlussveranstaltung des Projektes »Heimat im Quartier – wie wollen wir in NRW leben?« in Essen.

Die Öffentlichkeitsarbeit vor Ort in den drei Städten wurde anlassbezogen fortgeführt, einige neue entwickelte Angebote entstanden vor Ort (siehe Arbeitspaket 3) und mussten intensiv beworben werden, damit die Inanspruchnahme gesteigert werden konnte.

Auch aus anderen Projekten wurden Anfragen an die Projektmitarbeiter und –mitarbeiterinnen zum Thema pflegende Angehörige gestellt. So gab es z. B. ein Fachgespräch mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der BQS, die ein Fachgutachten mit dem Titel »Vom Bedarf zur Reha: Bestandsaufnahme zur medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige« erstellt haben.

Auch die Filmfirma Kobayashi, die das Projekt »Zeig mir Pflege« (ebenfalls EFRE) durchführt, wurde beraten und begleitet (April-Dezember 2014). Pflegende Angehörige aus dem Projekt Quart-UpA wurden als mögliche Interviewpartner an die Firma vermittelt. Das Projektteam wirkte in 6 Interviews vor der Kamera für die App mit.

Auf der Tagung »Alt werden in Witten« stellte die Projektmitarbeiterin das Projekt interessierten Bürgern, Pflegenden und Studierenden vor (siehe Link 4).

Ende Oktober 2014 fand an der Universität Witten ein Come-together-Treffen aller Arbeitsebenen des Projektes statt. Dieses Treffen diente dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Austausch und der Information der Teilnehmer durch vier Fachvorträge. Insgesamt nahmen 35 Projektbeteiligte am Treffen teil. Besonders erfreulich war, dass auch zwei pflegende Angehörige aus den Angehörigenfokusgruppen nach Witten gekommen waren.

Die Öffentlichkeit wurde in beiden Projektorten weiterhin über die Lokalzeitungen über den aktuellen Stand des Projektes informiert. In Heiligenhaus wurde im September 2014 eine Pressekonferenz mit dem 1. Beigeordneten der Stadt veranstaltet, um den neu gestalteten Flyer für pflegende Angehörige der Öffentlichkeit vorzustellen (siehe Link 5). Im Oktober wurde dann gemeinsam mit der VHS Velbert/Heiligenhaus das neue Angebot Autogenes Training für pflegende Angehörige der Öffentlichkeit vorgestellt (siehe Link 6).

Ende September 2014 konnte die Projektleitung auf dem Niederrheinischen Pflegekongress in Neuss den »Agnes-Karll-Pflegepreis 2014« entgegen nehmen, der dieses Jahr zum Thema »Pflege im Quartier« ausgeschrieben worden war. Aufgrund der Berichterstattung über die Preisverleihung (u. a. über die Uni-Homepage und in Fachzeitschriften) erreichten das Projektteam viele Glückwünsche von Kollegen und auch den Projektbeteiligten vor Ort (siehe Link 7).

Mitte August 2014 nahm die Projektmitarbeiterin an einer Filmpremiere von Kinaesthetics Deutschland und der Selbsthilfegruppe Heredo Ataxie in Essen teil. Der Film beschreibt sehr eindrücklich, wie wichtig die Schulung der pflegenden Angehörigen im Hinblick auf ihre eigene Bewegung und dem rückengerechtem Arbeiten ist. Der Film wurde im Anschluss den Projektbeteiligten in den drei Orten vorgestellt.

Im November 2014 besuchte die Projektmitarbeiterin die Tagung »Migranten als pflegende Angehörige« in Hannover. Auf der Veranstaltung fanden am Nachmittag Workshops u. a. zu den Themen Selbsthilfe und Förderung von Gesprächskreisen statt.

Mitte November 2014 wurde das Projekt »Quart-UpA« auf dem Transferworkshop zu den Themen Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und pflegenden Angehörigen im MGEPA von der Projektmitarbeiterin vorgestellt.

Die Öffentlichkeitsarbeit wurde in den drei Städten weiterhin anlassbezogen fortgeführt, um die neu entwickelten Angebote vor Ort (siehe Arbeitspaket 3) bekannt zu machen und die Inanspruchnahme zu steigern.

Immer wieder wurden an die Projektmitarbeiter und -mitarbeiterinnen auch Fragen/Anfragen zum Thema pflegende Angehörige aus anderen Projekten gestellt und nachgefragt, ob das Projekt bei Veranstaltungen oder in der Lehre an Hochschulen vorgestellt werden kann, so z. B. an der Mathias-Hochschule in Rheine, an der Universität Bremen, an der Uni Witten/Herdecke und auf dem Österreichischen Pflegekongress in Wien im November 2014 (siehe Link 8). Auch im Jahr 2015 setzten sich die zahlreiche Anfragen zwecks Projektpräsentation fort.

Im Juli 2014 fand an der Uni ein Erfahrungsaustausch zwischen dem Projektteam und den Projektleitungen vor Ort statt, um sich gegenseitig zu informieren und die Projektziele für das letzte Projektjahr gemeinsam abzustecken.

Anfang November 2014 nahm die Projektmitarbeiterin an einem ersten Austausch von Pflegeberatern, die im Berufsverband (DBfK) organisiert und in NRW tätig sind, teil. Das halbtägige Gespräch fand in Essen statt.

Mitte November 2014 fand ein Austausch mit den Kollegen der Uni Witten/Herdecke statt, da im Haus einige Kollegen am/zum Thema Pflegende Angehörige arbeiten. Das Treffen diente in erster Linie der Vernetzung und Information.

1.4 Nachhaltigkeit

Um mit den beteiligten Kreisen über die Fortführung der aufgebauten Netzwerke vor Ort zu sprechen, wurden in beiden Kreisen für den Winter 2014 Nachhaltigkeitsgespräche terminiert.

Das Gespräch mit dem Kreisdirektor des Kreises Mettmann fand Mitte Dezember statt. Dem Kreisdirektor ist die Relevanz des Themas »Pflege zu Hause« bewusst. Durch die von Fr. Prof. Dr. Bohnet-Joschko erhobenen gesundheitsökonomischen Daten konnte im Gespräch verdeutlicht werden, dass sich jede Investition in die Stützung der häuslichen Pflegesituationen rentiert (siehe hierzu auch Arbeitspaket 7).

Das Nachhaltigkeitsgespräch mit dem Märkischen Kreis fand Anfang Januar 2015 statt.

Zur Vorbereitung der Nachhaltigkeitsgespräche trafen sich die beteiligten Projektmitarbeiter Anfang Dezember. Themen der Gespräche waren die bisherigen Ergebnisse des Projektes, die Ideen der zuständigen Kreisbehörde und mögliche Vereinbarungen für die Weiterentwicklung der Stützung pflegender Angehöriger. Die Kreisebenen zeigten sich interessiert und sagten zu, über Weiterentwicklungen nachzudenken.

1.5 Telefonseelsorge

Immer wieder wurde von den Mitgliedern der Arbeitsgruppen (AG) berichtet, dass pflegende Angehörige eigentlich ein übergeordnetes Hilfetelefon (auch außerhalb offizieller Bürozeiten) brauchen. Im Projekt wurden mehrere Möglichkeiten vorgestellt, u. a. die Online-Beratung Pflege und Leben, daneben aber auch Pflege in Not oder die Anlaufstelle Handeln statt Misshandeln zur Gewaltprävention. Es wurde darum gebeten, diese Informationen in den eigenen Arbeitszusammenhängen und vor allem an pflegende Angehörige weiterzugeben.

Etwa zur Projektmitte wurde dann brieflich Kontakt zur Zentrale der bundesweiten Telefonseelsorge in Berlin aufgenommen. Unser Projekt wurde vorgestellt und angefragt, ob eine Zusammenarbeit zum Wohle pflegender Angehöriger möglich wäre. In der Antwort machte man deutlich, dass sich die Telefonseelsorge nicht auf spezielle Zielgruppen (mit spezifischen, örtlichen Informationen) fokussieren kann – vielmehr ginge es um menschlichen Kontakt und Zuhören.

1.6 Recherchen

Während des gesamten Projektzeitraumes fanden begleitende Recherchen statt, u. a. um andere Projekte oder Publikationen für die Arbeitsgruppen aufzubereiten. Zwei umfangreichere Recherchen wurden als Berichte in die Arbeitsgruppen gegeben und über mehrere Treffen hin diskutiert, zum einen ging es um die Belastungen pflegender Angehöriger, zum anderen um die Pflegesituation bei Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.

2 ARBEITSPAKET 1: BEWUSSTSEIN FÜR DIE BEDÜRFNISSE PFLEGENDER ANGEHÖRIGER BEI DEN AKTEUREN IN DEN KREISEN SCHAFFEN

Dieses Arbeitspaket sah vor, im ersten Projekthalbjahr die Akteure für die Bedürfnisse pflegender Angehöriger besonders zu sensibilisieren – dies war eine Grundlage für die weitere Arbeit.

Zunächst wurde die Zielgruppe definiert: wer ist für uns »pflegender Angehöriger«?

Dabei wurde eine Definition der Unfallkasse NRW als Arbeitsgrundlage genommen. Danach wurde ein Skript über die Belastungen der häuslichen Pflege vorgelegt (Recherche 1) und an mehreren Treffen diskutiert. Diese Recherche fasste aktuelle Studien zur Lage der pflegenden Angehörigen zusammen, die Befunde wurden durch die Erfahrungen der AG-Mitglieder in beiden Kreisen bestätigt und ergänzt.

Als nächstes wurde eine Liste zu »Wünschen pflegender Angehöriger« erstellt, dabei wurde die Sicht der Professionellen zugrunde gelegt.

In kurzen Inputs stellte die Projektleitung Inhalte vor, etwa das »Trajektmodell« zur Bewältigung langfristiger Pflegesituation/chronischer Krankheit. Alle vorgestellten Inhalte wurden mit Literaturtipps zum Weiterlernen versehen.

Als nächster Schritt wurde eine Zusammenstellung der »Hemmnisse und Barrieren« zur Inanspruchnahme von Hilfen für die häusliche Pflege erarbeitet.

Diese Liste erfüllte eine besondere Funktion: wenn auf den Treffen der Arbeitsgruppen noch etwas Zeit war, wurde jeweils ein Hemmnis in den Mittelpunkt gestellt und in Kurzgruppen-Arbeiten dazu Erfahrungen/Lösungen zusammengetragen.

Einen besonderen Schwerpunkt stellte der Austausch zur Wertschätzung der häuslichen Pflege dar. Über zwei Treffen wurden in beiden Arbeitsgruppen Vorschläge zu einer wertschätzenden Erstbegegnung mit pflegenden Angehörigen erarbeitet, dazu brachten die TeilnehmerInnen zahlreiche Inputs ein. Zudem wurde überlegt, wie eine erste Einschätzung der Belastung durch die Pflege geschehen kann, u. a. wurden dazu von der Projektleitung auch Assessmentverfahren kurz vorgestellt. Eine Broschüre der Unfallkasse NRW diente als Vorlage, die Inhalte konnten durch die gemeinsame Arbeit erweitert werden. Es ist geplant, bei einer Neuauflage der Broschüre der Unfallkasse die Vorschläge aus dem Projekt Quart-UpA einfließen zu lassen.

Das Arbeitspaket setzte sich auch über die weiteren Monate fort, es ging um Berichte, Austausch und Wissens-Inputs.

Im gesamten Projektverlauf wurde deutlich, dass die Arbeitsgruppenmitglieder im Rahmen ihres eigenen Horizontes handeln und denken: wer eine Halbzeitstelle ausfüllt, kann sich Aktivitäten nur in diesem Rahmen vorstellen (oder eben nicht), wer Angestellter einer Pflegekasse ist, vermittelt überwiegend Kassenleistungen.

Die Akteure der Wohlfahrtsverbände denken eher »senkrecht«, an ihrer Trägerorganisation orientiert – eine Ausrichtung am Quartier erfordert Zusammenarbeit und ist für viele neu. Eine Vernetzung über Trägergrenzen hinweg ist schwierig, bedarf langer Zeit des persönlichen Kennenlernens und der Vertrauensbildung. Lediglich die kommunalen Pflegeberatungsstellen verfügen über Kontakte zu vielen Akteuren – sie kennen aber auch nicht alle Beteiligten und müssen sich, gemäss ihrem Auftrag neutral verhalten und dürfen keine Empfehlungen aussprechen.

In der ersten Projektphase war es gelungen, die Arbeitsgruppenmitglieder für die Bedürfnisse pflegender Angehöriger zu sensibilisieren. Es wurde in den Arbeitsgruppen darüber gesprochen, was sich pflegende Angehörige vor Ort aus Sicht der professionellen Anbieter wünschen und welche Angebote fehlen. Es fand immer wieder ein Austausch unter den Anbietern statt, was vor Ort bereits gut läuft und was zukünftig noch verbessert werden kann.

Verstärkt werden muss der Anspruch, dass die AG-Mitglieder »von sich aus« tätig werden, Ideen entwickeln und Neuerungen einbringen. Zudem erhielten die Arbeitsgruppenmitglieder Wissens-Inputs, z. B. von der Unfallkasse NRW, die ihre Angebote zum Gesundheitsschutz für pflegende Angehörige vorstellte.

2.1 Anforderungsprofil Pflegeberatung

In beiden Arbeitsgruppen wurde ausgesagt, dass besonders die Professionellen im Erstkontakt mit pflegenden Angehörigen (z. B. bei Pflegeberatungsstellen) über eine empathische Grundhaltung verfügen müssen – um den Ratsuchenden richtig zu begegnen. Weiter sind eine gute Vernetzung und das Wissen über die Möglichkeiten vor Ort wichtig und dazu eine gute Portion Kreativität. In einer der ersten Sitzungen wurde ein Anforderungsprofil für die Pflegeberater und -beraterinnen vor Ort zusammengestellt, neben fundierten Kenntnissen der Rechts- und Finanzmöglichkeiten sind aber auch fachliche Kenntnisse aus der Pflege wichtig: nur selten finden sich diese Kombinationen in einer Person. Gemischte Teams scheinen den Anforderungen besser zu entsprechen.

Alle AG-Mitglieder wurden gebeten, die behandelten Sachthemen, insbesondere zur Wertschätzung und zur Belastung in ihren eigenen Arbeitszusammenhängen weiterzugeben, z. B. an Mitarbeiter, Kollegen und Vorgesetzte. Inwieweit dies geschah, blieb im Projektverlauf unklar: bei jeder Sitzung wurde nachgefragt, welche Erfahrungen die AG-Mitglieder in den vergangenen Wochen zum jeweiligen Thema gemacht haben.

2.2 Einzelbesuche der Akteure in den beiden Projektorten

Insbesondere die Einzelbesuche bei den Akteuren dienten der fachlichen Vertiefung, aber auch dem Kennenlernen der Angebote, der Lücken und der lokalen Netzwerke –daraus ließen sich Schwerpunkte des Projektes entwickeln.

Ab August 2013 (und bis November 2013) wurden alle Akteure in den beiden Kreisen wie oben erwähnt einzeln besucht. Zunächst wurden die Anbieter mittels Leitfaden (siehe Anhang) befragt und im Anschluss fand dann eine Begehung der Räumlichkeiten statt. Insgesamt wurden im Kreis Mettmann 16 Anbieter und im Märkischen Kreis 13 Anbieter besucht. In den Einzelgesprächen konnten die Anbieter vertraulich und in Ruhe ihre Ideen, Einstellungen und Erwartungen an das Projekt Quart-UpA in Gegenwart der Projektmitarbeiterin äußern.

Es zeigte sich sehr schnell, dass die Anbieter untereinander in einem Wettbewerb stehen. Die privaten Anbieter wurden von den Wohlfahrtsverbänden (Diakonie, Caritas, DRK etc.) sehr kritisch gesehen. Teilweise wurde sogar ihr Nutzen in Frage gestellt. Die Wohlfahrtsverbände argumentierten damit, dass sie Hilfe aus einer Hand anbieten können- von der häuslichen Pflege bis zur Vermittlung von gebrauchten Möbeln.

Die städtischen Beratungsstellen nahmen ihr Beratungsangebot selbst als sehr gut wahr, sahen aber auch noch Entwicklungsmöglichkeiten – z. B. bei der Einrichtung einer Angehörigenfokusgruppe oder bei der Ausweitung der aufsuchenden Beratung (Hausbesuche).

Im Märkischen Kreis wurde durch die Gespräche ein Konflikt zwischen den Ehrenamtlern und den professionellen Anbietern deutlich. Durch Vermittlung seitens der Projektmitarbeiterin konnte der Konflikt schließlich beigelegt werden.

Durch die neutrale Haltung und Moderation der Projektmitarbeiter konnte es gelingen, die unterschiedlichen Akteure auf Augenhöhe an einen Tisch zu bringen, um dann u. a. auch gegenseitige Vorurteile abzubauen.

Immer wieder musste bei den Besuchen und bei den AG-Treffen der Fokus auf die Bedarfe der pflegenden Angehörigen gerichtet werden, da die etablierten Anbieter ihr eigenes Angebot als ausreichend wahrnehmen.

In beiden Projektorten entstand in den Einzelbesuchen der Wunsch, übergeordnete, kurze Info-Blätter für pflegende Angehörige auf den Weg zu bringen. Es sollte darin eine Übersicht über örtliche Hilfen entstehen- schwerpunktmäßig orientiert an den vorhandenen SGB XI-Leistungen.

Die weiteren Ideen der AG-Mitglieder für den Projektverlauf, die in den Gesprächen benannt wurden, wurden in einer Sammlung zusammengefasst und den beiden Gruppen jeweils im 4. AG-Treffen (im September 2013) vorgestellt.

Die nachfolgenden beiden Sammlungen enthalten jeweils die Ideen für die beiden Kreise (nach Meinungen der AG-Mitglieder):

Ideensammlung 1 (Kreis Mettmann, Städte Heiligenhaus und Wülfrath)

Ideensammlung 2 (Märkischer Kreis, Stadt Altena)

2.3 Vernetzungsliste

Es fand in den AG-Treffen ein intensiver Austausch unter den Anbietern statt, was vor Ort bereits gut läuft und was zukünftig noch verbessert werden kann. Der Austausch der Teilnehmer außerhalb der Projekttreffen wurde auch dadurch verstärkt, dass die AG-Mitglieder in beiden Arbeitsgruppen je eine Vernetzungsliste mit allen Ansprechpartnern und ihren Kontaktdaten von der Projektmitarbeiterin erhielten. Zum Projektende Mitte 2015 wurde die Vernetzungsliste noch einmal ergänzt und dann aktualisiert an die AG-Mitglieder übergeben.

Verstärkt werden muss der Anspruch, dass die AG-Mitglieder »von sich aus« tätig werden, Ideen entwickeln und Neuerungen in die AG einbringen.

2.4 Anregung von Weiterbildung und Tagungsbesuchen

Zwei Teilnehmerinnen aus der AG Mettmann nahmen an dem Seminar »Moderation von Konfliktgesprächen im Rahmen von Pflegebedürftigkeit in Familien« der Unfallkasse NRW teil und berichteten darüber auch in der AG. In der ersten Projektphase wurde deutlich für die Weiterbildungsveranstaltungen der Unfallkasse NRW geworben.

Im Projektverlauf wurde immer wieder auf Tagungen und neue Publikationen zum Thema pflegende Angehörige aufmerksam gemacht, zahlreiche Zeitschriften wurden kurz vorgestellt, u. a. Angehörige pflegen, Pro Alter, der Newsletter des Dialogzentrums Demenz und die Dokumentation »Menschen würdig pflegen«.

Mitglieder gaben auf den Sitzungen kurze Berichte ihrer Eindrücke, reichten Texte und Links weiter. Insbesondere in Altena gelang es, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sich untereinander informierten (auch ohne Steuerung über die Projektleitung).

Die gegenseitige Information der AGler z. B. über Veranstaltungen sollte verstärkt über den Mail-Verteiler der Gruppe stattfinden. Dies gelang z. T.- vor allem im Altena.

3 ARBEITSPAKET 2: AUFBAU DER ARBEITSKREISE

Der Aufbau der Arbeitskreise sollte sorgfältig erfolgen, das Ziel war, wichtige Akteure, die im Kontakt mit pflegenden Angehörigen waren, dabei zu haben. Die Einladung sollte durch »neutrale« Stellen wie etwa die Stadtverwaltung erfolgen, am Anfang stand eine Auftaktveranstaltung zur Bildung einer langfristigen Arbeitsgruppe. In der Regel kennen die Verantwortlichen vor Ort die »Pflege-Landschaft« und können eine Liste vorlegen. Erwartungsgemäß war die Zusammensetzung der Teilnehmer in den ersten Treffen noch beweglich: manche schieden wieder aus, andere kamen hinzu. In den örtlichen Arbeitskreisen gab es während des gesamten Projektverlaufes neue (und auch engagierte) Gäste, dies spiegelt sehr gut die Vielfalt und Dynamik der »Pflege-Landschaft« wieder.

Die Zusammenstellung der Arbeitskreise musste systematisch erfolgen, vor allem unter dem Gesichtspunkt »Kontakt zu pflegenden Angehörigen«. Verschiedene Angebotsformen sollten repräsentiert sein: Tages- und Kurzzeitpflege (möglichst solitär), Pflegeberatungsstellen (auch der Kassen), Ehrenamtler, niedrigschwellige Angebote, Klinik-Entlassmanagement, Sanitätsfachhandel, Gesprächskreise/Selbsthilfe, Wohnungsbaugesellschaften, haushaltsnahe Dienstleistungen und vor allem auch ambulante Pflegedienste. Ambulante Pflegedienste haben häufig täglichen Kontakt zu pflegenden Familien und stellen rasch die Überforderung fest, sie selbst müssen ihre »Tätigkeiten in Minutenkorridoren verrichten«. Im Projekt war es schwierig, ambulante Dienste zur kontinuierlichen Mitarbeit zu bewegen, besonders private Dienstleister können sich mit ihrer allzu dünnen Personaldecke diese Zeit kaum leisten.

Insgesamt sollten neben privaten Anbietern auch die verschiedenen Wohlfahrtsverbände vertreten sein, wichtig war es auch, geographisch die verschiedenen Stadtteile und Quartiere repräsentiert zu haben.

Allerdings sollte der Arbeitskreis auch nicht mehr als 12 bis 14 Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben, damit eine persönliche Arbeitsgestaltung noch möglich war. Ziel war, dass der Arbeitskreis die wesentlichen Anbieter »repräsentiert«.

Die Auftakt-Veranstaltung Ende April 2013 war unverbindlich, in den Wochen danach entschieden sich die Gäste für eine Mitarbeit und mussten dies in ihren Arbeitszusammenhängen abstimmen. Ein zweieinhalbjähriger Projektzeitraum mit etwa 15 Treffen, je zwei Stunden, und dazwischen »häusliches« Engagement waren als Erfordernisse herausgestellt worden.

Der Sitzungszeitraum von zwei Stunden zeigte sich, auch aus früheren Erfahrungen, als gerade noch tolerierbar für den Arbeitsalltag. Die Teilnahme am Projekt war freiwillig, alle Interessentinnen bewegten sich im »Pflegemarkt«, für viele stellte sich die Frage, was eine Teilnahme mit Zeitinvestition für das »Unternehmen« bringen würde –darauf musste in der Auftaktveranstaltung eingegangen werden.

3.1 Auftaktveranstaltung Kreis Mettmann

Die Städte Heiligenhaus und Wülfrath luden zum 23.4.2013 in das Kreishaus nach Mettmann, hier waren 80–90 mögliche Partner gelistet und eingeladen worden, der Einladung waren dann etwa 40 Gäste gefolgt.

Der Sozialdezernent begrüßte die Anwesenden und stellte die Entwicklung der Pflege im Kreis vor, Herr Oberkötter (MGEPA) betonte in einer kurzen Ansprache das Interesse des Ministeriums. Alle Anwesenden stellten sich kurz vor.

Einige nahmen gleich mit mehreren Personen teil, andere konnten nicht kommen, signalisierten aber Bereitschaft, einige meldeten sich überhaupt nicht auf die Einladung. Die örtlichen Krankenhäuser waren nicht erschienen, so dass sie später noch einmal gezielt von den Städten angesprochen wurden.

Von Seiten der Universität wurden dann Ziele und Projektschritte präsentiert und Fragen beantwortet. Bis Mitte Mai 2013 sollten sich die wirklich Interessierten bei der Universität zurückmelden. Zu Gast war auch eine Vertreterin aus dem Märkischen Kreis.

3.2 Auftaktveranstaltung Märkischer Kreis

Zum 24.4.2013 lud die Stadt Altena zu einer Auftaktveranstaltung ein, etwa 30 interessierte Personen nahmen teil (insgesamt waren über 80 Ansprechpartner gelistet und eingeladen worden).

In einer »Mini-Vorstellungsrunde« wurde ein großes Spektrum an Angebotsformen deutlich. Zunächst begrüßte der Leiter des Fachbereichs Gesundheit und Soziales des Kreises mit einer kurzen Rede die Anwesenden, dann wurde von Seiten der Universität Ziele und Verlauf des Projektes vorgestellt und schließlich wurden Fragen beantwortet. Die Teilnehmenden wurden gebeten, sich ebenfalls bis Mitte Mai bei der Universität zurückmelden, um ihre Bereitschaft am Projekt teilzunehmen, zu bekunden. Dabei wurde auch deutlich gemacht, dass pro Angebotsform jeweils nur eine Person an den Sitzungen teilnehmen sollte (gegenseitige Vertretung). Erfreulich war auch hier die Teilnahme einer Vertreterin aus dem Kreis Mettmann. Nach der Veranstaltung war aber auch offensichtlich, dass wichtige Akteure fehlten, so war etwa kein ambulanter Pflegedienst vertreten (trotz Einladungen). Im Nachgang wurden die ambulanten Pflegedienste noch einmal gesondert telefonisch und schriftlich kontaktiert.

Autoren

  • Prof. Dr. Angelika Zegelin (Autor:in)

  • Tanja Segmüller (Autor:in)

  • Prof. Dr. Bohnet-Joschko (Autor:in)

Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko ist Inhaberin der Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen an der Universität Witten-Herdecke. Tanja Segmüller ist Pflegewissenschaftlerin und arbeitet am Department of Community Health an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. Prof. Dr. Angelika Zegelin ist examinierte Gesundheits- und Krankenpflegekraft. Sie arbeitete bis Emeritierung als Pflegewissenschaftlerin an der Universität Witten-Herdecke.
Zurück

Titel: Quartiersnahe Unterstützung pflegender Angehöriger (QuartupA)