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Hochsensibel durch den Tag

Raus aus der Reiz-Überflutung. Gelassen durch alle Alltagssituationen. In Zusammenarbeit mit www. hochsensibel.org

von Sabine Dinkel (Autor:in)
192 Seiten

Zusammenfassung

Raus aus der Reiz-Überflutung! Zu laut, zu hektisch, zu konfus: Wer hochsensibel ist, dem wird es schnell zu viel. Dieser Ratgeber hilft Ihnen aus der Reiz-Überflutung – mit ganz praktischen Lösungen für berufliche und private Stress-Situationen. Egal, ob Sie sich vor bestimmten Reiz-Überflutungen schützen möchten oder bereits mittendrin stecken: Die Autorin zeigt mit viel Erfahrung und Humor geeignete Auswege. Der perfekte Ratgeber für alle Hochsensiblen, die gelassener durch den Tag navigieren möchten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


SCHÖN, DASS SIE HIER SIND

Als mir ein Freund Folgendes auf meine Facebook-Pinnwand klebte, musste ich grinsen:

Gar nichts erlebt. Auch schön.

Mozart, Tagebuch vom 13. Juli 1770!

Es ist ein Zitat des humoristischen Schriftstellers Eugen Egner aus den fiktiven Tagebüchern Mozarts. Dabei hätte es glatt aus meinen Tagebüchern stammen können. Aber andererseits auch wieder nicht. Denn ich erlebte in meinem bisherigen Leben so viel und war dadurch manchmal derartig überreizt, dass ich mich gefreut hätte, wenn ich mal längere Zeit nichts erlebt hätte.

Sie kennen das vielleicht: Täglich bekommt man es mit so vielen Informationen zu tun, von denen die meisten in der Alltagshetze oft einfach an einem vorbeirauschen. Nicht so bei mir. In mich rauschten die Informationen bis vor ca. 6 Jahren meist ungefiltert hinein: Kiloweise Stimulanz pro Sekunde, die nicht unbedingt die Saiten in mir zum Klingen brachte, die man als charmant, einfühlsam und geduldig bezeichnen kann.

Da gab es akustisches Ungemach aus dem Autoradio, quietschende Reifen auf dem Kopfsteinpflaster in meiner Straße oder die unbarmherzige Geräuschkulisse eines Durchgangsbüros.

Oft kämpfte ich mich durch optischen Schlamassel überbordender Webseiten, durch volle und lieblos eingeräumte Supermarktregale oder durch absatzfreie – und demzufolge schwer lesbare – Druck-Erzeugnisse.

Ich quälte mich mit zermürbenden Entscheidungsfindungen (Selbstständigkeit ja/nein?), mit zu vielen selbst auferlegten To-dos, gepaart mit den mahnenden Worten des inneren Kritikers in meinem Kopf. Alles wetteiferte um die Gunst meiner Sinne.

Mein Aufmerksamkeitsbudget war schnell erschöpft – und mein Organismus gleich mit.

Ich weiß noch, wie ich mich einem Bekannten gegenüber als Schneeball bezeichnete, der jeden Eiskristall mitnimmt – wie bei Tom und Jerry, wo ein Schneeball den Berg runterrollt und todsicher zur Lawine wird. Dementsprechend hörte ich mich ständig sagen „Och nö, heute nicht, ich hätte gerne heute Abend meine Ruhe.“

Damals war mir noch überhaupt nicht klar, dass ich ausgeprägt hochsensibel bin. Ich hatte von dem Phänomen noch nicht einmal gehört, bis mich ein netter Kollege darauf ansprach – und ich endlich beginnen konnte, meinen Alltag und meinen Broterwerb darauf auszurichten.

Inzwischen sorge ich viel besser für mich, habe jede Menge hilfreiche Dinge gelesen, gehört, geübt, verworfen und das Beste davon in meinen Alltag integriert. Mittlerweile freue ich mich sogar über meine „Wahrnehmungsbegabung“, die, gepaart mit einer guten Selbstfürsorge, sogar ein großer Schatz ist. Einen großen Teil dessen möchte ich nun gerne an Sie weitergeben.

Darum soll es in diesem Buch gehen:

Was ist das eigentlich – hochsensibel?

Welche Arten von Reizen machen mir zu schaffen?

Wie kann ich der Überstimulation vorbeugen? Und wie kann ich mir wieder heraushelfen, wenn ich mittendrin bin in der Reiz-Überflutung?

Wie kann ich mit einfachen oder spielerischen Methoden für einen ausgeglichenen Reiz-Haushalt sorgen?

Wie schaffe ich mir einen angenehm stimulierenden und somit geglückten Alltag?

Mehrere Dinge möchte ich diesem Buch voranschicken:

Sie müssen sich hier nicht durch bergeweise Theorie quälen, keine komplizierten Dinge lernen oder erst ein mühsames Programm durchlaufen, um Ihren Reiz-Haushalt auszugleichen.

Ich werde nicht in aller Ausführlichkeit darlegen, wie Hochsensibilität entsteht und welche wissenschaftlichen Beweise es dafür gibt. Dies haben schon viele andere Autoren mit großer Sachkunde getan.

Sie können nach Herzenslust zu den interessanten Stellen mit lebenspraktischen Tipps hopsen, dürfen gerne interessengeleitet lesen und sollten keine Scheu haben, ins Buch zu schreiben oder zu malen. Ratgeber und Veränderungsprozesse müssen nicht immer „erlitten“ werden – sie dürfen auch spielerisch sein und Spaß machen!

Denken Sie an ein schönes großes Buffet: Fühlen Sie sich eingeladen, das zu probieren, was Ihnen schmackhaft erscheint und bekommt. Sie dürfen links liegen lassen, was Ihnen nicht mundet. Alle Häppchen lassen sich auch kombinieren und durcheinander mischen. Und ganz wichtig: Sie sollen nicht das gesamte Buffet leer essen, denn dann wird das nichts mit der Bekömmlichkeit und reizarmem Stoffwechsel.

Wenn Sie dann noch Lust haben, können Sie sich auf meiner Homepage ergänzende Formulare zum Ausdrucken und Üben herunterladen.

Wichtiger Hinweis: Es ist wirklich sinnvoll, maximal zwei Themen gleichzeitig zu bearbeiten und zu üben, wenn Sie aktiv etwas verändern wollen. Ein Zuviel endet oft in der Überforderung, und Sie bringen sich um den Genuss einer nachhaltigen Veränderung.

Sehen Sie das Buch einfach als Ihren kleinen Langzeitbegleiter – es bleibt Ihnen genug Zeit, nach und nach das auszuprobieren, was wirklich zu Ihnen passt.

Eine von Erkenntnis gekrönte Lektüre wünscht Ihnen

Sabine Dinkel
Hochsensibler und multipassionierter Business Coach
www.sabinedinkel.de
gutentag@sabinedinkel.de

 

 

Gleichbehandlung ist mir wichtig. Doch im Sinne einer leichteren Lesbarkeit habe ich zuweilen die maskuline oder feminine Form für die 3. Person gewählt. Dies impliziert keinesfalls eine Benachteiligung des jeweils anderen Geschlechts.

ECHT REIZEND

Das vegetative Nervensystem hochsensibler Menschen lässt sich leicht irritieren. Vermeintliche Kleinigkeiten, die Normalsensible völlig kalt lassen, können Hochsensible schnell aus dem Gleichgewicht bringen. Im Alltag geraten diese immer wieder in Situationen, die sie grantig und missmutig werden lassen. Ihre Reaktionen stoßen logischerweise nicht immer auf Begeisterung und Verständnis.

Ganz gleich, wie man es dreht und wendet: Jeder Mensch kennt gewisse Reiz-Faktoren, die ihm die Stimmung verhageln. Da Hochsensible eben besonders empfindlich auf Reize reagieren, erhöhen sich für sie die Aussichten, von vermeintlich harmlosen Dingen genervt zu sein. Welche das sein können, schauen wir uns in diesem Kapitel genauer an.

Die folgenden beiden Dialoge sind weit weniger aus der Luft gegriffen, als manch einer glauben mag.

Dialog 1:

„Hast du etwa Fischstäbchen gebraten, als ich weg war?“

„Nein.“

„Ich rieche es doch ganz deutlich!“

„Na gut, Freitag, kurz, nachdem du losgefahren bist. Das ist aber jetzt drei Tage her, das kannst du doch gar nicht mehr riechen. Ich habe die ganze Zeit gelüftet!“

„Und ob ich das riechen kann, alles stinkt!“

„Du stellst dich vielleicht an!“

„Du weißt genau, dass ich den Geruch nicht ausstehen kann!“

„Du warst doch drei Tage nicht da. Wenigstens dann möchten wir mal Fischstäbchen essen können!“

„Wozu hab ich dir eine Kochplatte unter das Vordach gestellt?“

Dialog 2:

„Kannst du den Apfel nicht leiser essen?“

„Wie soll ich das denn machen?“

„Du kaust so laut!“

„Aber ich hab doch den Mund zu!“

„Ja, aber das hallt so, wenn du kaust.“

„Du spinnst, soll ich den Apfel lutschen?“

„Das wäre eine Option.“

Willkommen in meiner Welt als Kind hochsensibler Eltern!

Dialoge dieser Art gab es regelmäßig: Immer, wenn meine Mutter (heimlich) ihrem Appetit auf Fischstäbchen nachgab und immer, wenn mein Vater in ihrem Beisein einen Apfel verspeiste. Fisch im Haus zu braten, war praktisch tabu. Da mein Vater jeden Tag einen Apfel aß, sah sich meine Mutter deutlich benachteiligt. Ich gebe es zu: Das klingt ziemlich verschroben. Und irgendwie ist es das ja auch. Damals hielt ich meine Eltern jedenfalls für schrullig.

Mir ist erst rückblickend klar geworden, warum meine Mutter so geräusch- und mein Vater so geruchsempfindlich war. Sie waren hochsensibel. Und nebenbei auch ziemlich introvertiert. Aber das mit den Äpfeln und den Fischstäbchen war natürlich nicht alles.

Beide waren äußerst schnell überstimuliert und hatten ihre speziellen Reiz-Auslöser, die sie zur Weißglut brachten:

Ihre Tochter: Ich war angeblich erst ein Schrei-Baby und später ein Wildfang, der beim Kinderarzt um den Lesetisch rannte und sämtliche Kinder zum Mitmachen animierte.

Andere Menschen: Meine Eltern mieden Menschenansammlungen und pfiffen auf Geselligkeit.

Arbeiten im Team: Mein Vater hat sich früh als Tischlermeister und Restaurator selbstständig gemacht, weil ihm seine Kollegen auf den Keks gingen.

Zu viele Gegenstände: Kurioserweise waren beide Sammler von schönen alten Dingen, was es nicht einfacher machte.

Weitere zahlreiche überstimulierende Faktoren kamen zusammen. Irgendwann sind sie schließlich aus der Stadt aufs Land geflüchtet, weil sie sich in einer reizarmen Umgebung einfach viel wohler fühlten.

Die genannten Situationen klingen vergleichsweise harmlos. Es gibt ja ganz andere Umstände, in denen es Hochsensible mit rasant ansteigender Stimulanz zu tun bekommen.

Einige Beispiele für Reiz-Situationen

In öffentlichen Verkehrsmitteln

In eng getakteten Terminen

In Jobs mit viel Publikumsverkehr

In großen Einkaufszentren

Auf mehrtägigen Städtereisen

Auf pompösen Firmen- oder Familienfeiern

Im Trubel eines Vergnügungsparks

Auf quirligen Volksfesten

Auf lauten und wilden Partys

Meist sind es Anlässe, bei denen sich viele Menschen tummeln, wo es geräuschvoll und hektisch zugeht oder viel Neues auf die Sinneskanäle einströmt. Hochsensiblen wird eben schnell etwas zu viel. Wenn sie überstimuliert sind, sendet ihr Körper bald Warnsignale. Sie merken, dass sie sich nicht mehr gut konzentrieren können und dass sie starke Rückzugs-Tendenzen bekommen.

Sie bezeichnen das selbst dann oft als „overloaded“ oder „voll wie ein Schwamm“ sein. In HSP-Foren („HSP“ steht für „Highly Sensitive Person“) habe ich auch solche Begriffe wie „Hirnschwurbel“ und „Gehirnpunk“ gefunden. Ich selber spreche gerne von „Synapsenbritzeln“ bis hin zum „Synapsenkoller“. Im Allgemeinen finde ich es gut, dem Phänomen mit ein bisschen Humor und Selbstironie zu begegnen.

Da sich Humor vor allem aus den Missgeschicken anderer speist, dürfte die Selbstironie entscheidend dazu beitragen, dass wir uns selbst aufwerten und damit unliebsame oder bedrohliche Situationen beherrschbarer machen. Noch dazu gewinnen wir durch selbstfreundlichen Humor einen gewissen Abstand, was auch sehr wohltuend sein kann.

Normalsensible sind in reiz-intensiven Situationen auch irgendwann am Limit, aber nicht in diesem Maße und nicht so schnell. Sie erholen sich rascher und erreichen bald wieder ihren als normal oder gut empfundenen Zustand, während der Hochsensible im besten Fall noch an der Energiezapfsäule hängt.

Daher empfiehlt es sich, für einen guten Reiz-Haushalt zu sorgen und individuelle Strategien gegen die Überstimulation parat zu haben.

Je besser Sie wissen, was genau Sie eigentlich reizt und überstimuliert, desto besser können Sie dem „Synapsenbritzeln“ vorbeugen. Oder sich im Falle eines „Overloads“ wieder beruhigen.

Wenn Sie die nachfolgenden Fragen spontan Ihrem ersten Empfinden nach beantworten, bekommen Sie einen vorläufigen Überblick über die Faktoren, die Sie besonders stark reizen und demzufolge leicht überstimulieren könnten. Sie können sich, mit diesen Fragen im Hinterkopf, eine Zeit lang ganz bewusst im Alltag selbst beobachten, um zu prüfen, welche Stimuli Sie besonders beeinflussen. Auf dieser Basis lassen sich eigene Strategien für einen ausgeglichenen Reiz-Haushalt entwickeln.

Test: Reiz-Faktoren – Was uns alles stimuliert

   image  Macht mir so gut wie nichts aus
  image  Kann mich an schlechten Tagen irritieren
  image  Bringt mich meistens ziemlich durcheinander
image  Bringt mich so gut wie immer aus der Fassung
image image image image
Rund um die Ohren
Wie sehr stören Sie Geräusche, die andere beim Essen erzeugen? (Geräuschintensives Kauen und Knabbern, Rascheln von Popkorn- oder Chips-Tüten)        
Wie sehr fühlen Sie sich durch eine hohe Lautstärke beeinträchtigt? (Polizei-Sirenen, Flugzeuglärm, Hupen von Autos, laute Musik, die Sie nicht selbst ausgewählt haben)        
Wie sehr leiden Sie unter subtilen Geräuschen? (Brummen von Elektrogeräten, Sirren von Stromleitungen, Verkehrslärm aus der Ferne)        
Wie sehr stressen Sie heterogene Geräuschkulissen? (Durcheinander von Stimmen; Gespräche bei Musik; einfahrende Züge und Durchsagen in Bahnhöfen, während Sie sich unterhalten)        
Wie sehr bringen Sie gleichförmige, ständig wiederkehrende Geräusche auf die Palme? (Tropfender Wasserhahn; das Auf und Zu von Türen im Zugabteil; Piepen der Scannerkassen)        
Wie sehr reagieren Sie auf plötzliche Geräusche mit Erschrecken? (Zuschlagende Türen, plötzlicher Knall, Telefonklingeln)        
Rund um Nase und Mund
Wie stark fühlen Sie sich von Gerüchen beeinträchtigt? (Starkes Parfum, Essensgerüche, Körpergerüche)
Wie heftig reagieren Sie auf stark gewürzte Speisen? (Scharfes, Salziges)
       
Wie reagieren Sie auf ungewöhnliche Speisen oder fremde Aromen? (z. B. Galgant, Tongabohnen, Rosenwasser)        
Machen Ihnen Zusatzstoffe zu schaffen? (Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Farbstoffe)        
Wie beeinflusst Koffein Ihr Befinden?        
Wie wirkt sich Alkohol auf Ihren Organismus aus?        
Wie stark reagieren Sie auf andere Genussmittel? (Schokolade, Tabakwaren)        
Wie gut vertragen Sie frei verkäufliche Arzneimittel?        
Machen Ihnen verschreibungspflichtige Medikamente zu schaffen? (Nebenwirkungen, Dosierungen)        
Rund um die optische Wahrnehmung
Wie sehr beeinflusst Sie optische Unruhe? (Stile, die nicht zueinanderpassen; Farben, die sich beißen;
Wimmelbilder; schief hängende Bilder)
       
Wie sehr wirkt ein ungünstiger Aufbau von Textinformationen auf Sie? (Uneinheitliches Layout von Schriftstücken; fehlende Lesefreundlichkeit; wirrer Aufbau oder diffuse Gliederungen; wenig Absätze)        
Wie geht es Ihnen mit überfrachteten Internetauftritten? (Unübersichtliche Menüführung; zu viele weiterführende Links; grelle Farben; Bilderfluten; Pop-ups)        
Wie sehr beeinflussen Sie die optischen Umgebungsbedingungen? (Schlechte Lichtverhältnisse; liebloses Ambiente; Unordnung, Schmutz, Durcheinander)        
Rund um die Komplexität
Wie leicht bringt Sie die Komplexität einer Aufgabe aus der Fassung? (Unüberschaubare Projekte; Aufgaben mit langem Zeithorizont; viele lose Enden)        
Wie leicht fühlen Sie sich durch mehrere parallel ablaufende Aufgaben gestresst? (Stichwort: Multitasking)        
Wie stark macht es Ihnen zu schaffen, wenn Sie aus vielen Optionen eine auswählen müssen? (Konfitüre im Supermarkt; Auswahl eines Essens aus der Speisekarte; Ferienhauskatalog)        
Wie sehr quälen Sie sich damit, Entscheidungen zu treffen? (Ja oder nein; zu viel Auswahl; zu viele Möglichkeiten)        
Wie stark beeinträchtigt Sie Zeitdruck? (Jemand sitzt Ihnen im Nacken; eine Deadline rauscht heran; Termine bestimmen Ihren Arbeitstag)        
Wie schnell verlieren Sie sich in der Menge von Informationen? (Im Internet, bei Büchern, in den Social Media)        
Rund um taktile Wahrnehmung und Reize von innen
Wie sehr reagieren Sie auf Hunger oder Durst?        
Wie empfindlich reagieren Sie auf Schmerzen?        
Wie stark reagieren Sie auf Temperatur- und Klimaschwankungen? (Hitze, Kälte, Trockenheit, Zugluft, Luftfeuchtigkeit)        
Wie sehr beeinträchtigen Sie unübliche Berührungen der Haut? (Kratzige Stoffe und Nähte, einengende Kleidung oder Etiketten in Kleidungsstücken)        
Wie sehr irritiert es Sie, wenn andere mit Ihnen auf Tuchfühlung gehen? (Übertreten der Intimsphäre, Umarmungen, Knuffen und Schieben)        
Wie leicht reagieren Sie auf Dinge, die in der Luft liegen? (Pollen, Tierhaare, Dämpfe, Staub)        
Wie leicht bekommen Sie Irritationen auf der Haut? (Von Kosmetikprodukten; von Farbstoffen in der Kleidung; von Schmuck)        
Rund um das Zwischenmenschliche
Wie leicht bringt es Sie aus der Fassung, wenn Sie im Mittelpunkt stehen? (Einen Vortrag halten; sich im Meeting zu Wort melden; Gastgeber sein)        
Wie sehr stresst es Sie, mit anderen im Wettbewerb zu stehen oder sich an anderen messen zu lassen? (Sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext)        
Wie sehr fühlen Sie sich durch Stimmungen und Stimmungsänderungen anderer beeinträchtigt?        
Wie sehr leiden Sie darunter, wenn Menschen um Sie herum schlecht drauf sind?        
Wie sehr beeinträchtigt Sie eine große Dosis an zwischenmenschlichem Kontakt? (Besuch der Familie oder von Freunden über mehrere Tage; Teilnahme an Seminaren oder Teamentwicklungen mit abendlichem Rahmenprogramm)        
Wie leicht fühlen Sie sich von anderen vereinnahmt? (Klammern; Gruppenzwänge; sich gedrängt fühlen)        
Wie sehr beeinträchtigen Sie Wertesysteme, die Sie nicht teilen? (Political Correctness; grundlegend andere Ethik- und Moral vorstellungen; religiöse Ansichten)        
Wie sehr wühlt es Sie auf, wenn Sie gelobt oder kritisiert werden?        

Bestimmt kennen Sie noch andere Reiz-Faktoren, die hier gar nicht aufgeführt sind. Im hinteren Teil des Buches finden Sie einen kurzen Schnelltest für Ihren Umgang mit der Reiz-Überflutung.

WAS IST DENN DAS – HOCHSENSIBEL?

Es gibt Menschen, die lieben die laute, pralle Welt. Und es gibt Menschen, denen eben diese laute und pralle Welt zu schaffen macht. Sie bevorzugen das Leise und die feinen Nuancen. Einige von ihnen sind hochsensibel. Und demzufolge schnell „overloaded“.

Eine typische hochsensible Reiz-Reaktion

Für manche Menschen sind äußere Reize wie ein Bach. Sie nehmen sein leichtes Dahinplätschern wahr, empfinden es nicht als störend. Für Hochsensible wird so ein Plätschern nach einer Weile schnell laut und nervig. Der Bach mutiert zu einem Fluss, schwillt zu einem reißenden Strom an. Ist Selbstfürsorge oder ein Rückzug in dem Moment nicht möglich, beginnt es richtig unangenehm zu werden. Der reißende Strom wird zu einem Wasserfall, das Hintergrundrauschen gleicht einem tosenden Sturm.

In solchen Momenten ist die Musik im Radio nur noch Krach, das Fiepen des Hundes eine Sirene, das Brummen der Laptop-Lüftung ein Dröhnen. Selbst ein Streicheln wird auf einmal unangenehm. Die Berührungen, die vorher nur leicht unangenehm waren (z. B. aufgrund rauer Hände), sind plötzlich nicht mehr zu ertragen.

Von Reizen überflutet werden. Ständig auf Empfang sein. Leicht überstimuliert sein. Das sind nur einige Dinge, mit denen es Hochsensible zu tun haben. Nahezu jeder Sinnesreiz wird von ihnen stärker wahrgenommen und gespeichert. Sogar emotionale Stimmungen fallen bei ihnen stärker aus, sowohl die angenehmen als auch die unangenehmen.

Wie kann man beurteilen, ob man hochsensibel ist?

Ein echtes „Diagnoseverfahren“ gibt es noch nicht, dafür jedoch viele Forschungsprojekte. Im Internet gibt es mittlerweile zahlreiche Anlaufstellen, die Testfragen mit Auswertung anbieten, auch wenn bisher keiner dieser Tests wissenschaftlich fundiert ist. Diese Tests stellen in der Regel ca. 30 Fragen. Fast immer finden sich im Ergebnis oder in der Hochsensiblen-Literatur die folgenden Parameter, nicht nur einzelne, sondern meist viele davon:

Hochsensible sind leicht übererregbar und schreckhaft.

Hochsensible durchdenken vieles besonders gründlich.

Hochsensible erleben Emotionen oft stärker und intensiver als Nicht-Hochsensible.

Hochsensible haben nach einem anstrengenden Tag das Bedürfnis, sich zurückzuziehen.

Hochsensible sind nicht besonders gut darin, selbstfürsorglich zu sein.

Hochsensible nehmen sich Kritik oft sehr selbstkritisch zu Herzen.

Hochsensible messen sich nicht gerne mit anderen.

Hochsensible lassen sich durch Stimmungen anderer leicht beeinflussen.

Hochsensible träumen oft intensiv und lebhaft.

Hochsensible nehmen Feinheiten in ihrer Umgebung sehr gut wahr.

Hochsensible sind sehr geräuschempfindlich.

Alle diese Merkmale sollen besonders häufig bei Hochsensiblen vorkommen, was aber nicht gleichzusetzen ist mit „alle Hochsensiblen sind so“ oder „Normalsensible sind das genaue Gegenteil“.

Schließlich hat jeder Mensch – egal ob hochsensibel oder nicht – eine andere „Zusammensetzung“: Eine bestimmte genetische Ausstattung, ein ihm ganz eigenes Temperament, ein bestimmtes Kontingent an Intro- und Extroversion, ihm eigene Talente und Neigungen, eine individuelle Sozialisation durch Eltern, Schule und andere Bezugspersonen, einen persönlichen Biorhythmus – und in manchen Fällen auch das eine oder andere Trauma. Es gibt eben viele Faktoren, die uns und unsere Persönlichkeit ausmachen. Und besonders unser angeborenes Temperament zieht sich wie ein roter Faden durch unser Leben.

Bei gut 15–20 % der Menschen kommt dann eben noch eine Dosis Hochsensibilität hinzu. Und diese Dosierung kann ebenfalls variieren. Der Rat, den der IFHS (Informations- und Forschungsverbund Hochsensibilität e.V.) gibt, gefällt mir gut:

Wir empfehlen, eine Weile den Gedanken, eine HSP* zu sein, quasi versuchsweise „mit sich herumzutragen“ und nach einiger Zeit zu prüfen, ob sich die Lebensqualität gebessert hat oder man nach anderen Erklärungen für das besondere Lebensgefühl suchen muss.

Auf jeden Fall kann man sich für Hochsensibilität „nichts kaufen“, weshalb eine belastbare „Diagnose“ auch keine unmittelbaren Konsequenzen hätte. Der Terminus kann allerdings helfen, dass einE BetroffeneR das eigene Leben etwas mehr der Veranlagung entsprechend gestaltet und auch von ihren positiven Seiten profitiert.

Im hinteren Teil des Buches finden Sie einen Fragebogen, mit dessen Hilfe Sie ein erstes Gespür dafür erlangen können, ob Hochsensibilität ein Thema für Sie oder jemand aus Ihrem Umfeld ist.

Ist hohe Sensibilität angeboren oder kann sich das auch entwickeln?

Bisher gehen alle Forschungen davon aus, dass wir mit dieser Ausprägung auf die Welt kommen, dass sie also genetisch bedingt ist. Das hieße, dass aller Wahrscheinlichkeit nach ein oder mehrere Vorfahren hochsensibel waren und ihre Gene an die folgenden Generationen weitergegeben haben. Die Übererregbarkeit scheint das Kernkriterium der Hochsensibilität zu sein und alle anderen Parameter die Folgen wenig hilfreicher Bewältigungsversuche oder Ergebnisse ungünstiger Sozialisation.

Die US-amerikanische Psychologin Elaine N. Aron hat dazu maßgeblich geforscht und geschrieben. Ihr Buch „Hochsensibilität in der Psychotherapie“ (eigentlich für Therapeuten geschrieben) finde ich zu diesem Thema besonders erhellend. Spannend sind unter anderem ihre Ergebnisse in Bezug auf die weitere Prägung und Sozialisation. Nachfolgend sind sie beispielhaft in zwei Extremen dargestellt:

Beispiel 1:

Stellen wir uns vor, ein hochsensibles Baby wird geboren und landet in einer harmonischen Wohlfühlfamilie. Es ist willkommen, wächst unter guten und wohlmeinenden Bedingungen auf. Die Eltern finden eine gute Balance zwischen Ermutigung und Fürsorge, es gibt keine nennenswerten traumatischen Erlebnisse, der hochsensible Elternteil ist in guter Balance mit seiner Hochsensibilität (ob er davon weiß, ist für dieses Beispiel zunächst nicht entscheidend), das Kind wächst quasi relativ unbelastet heran. Der hochsensible Elternteil lebt ihm in Bezug auf die Hochsensibilität hilfreiche Denkstile und Bewältigungsstrategien vor, die das Kind erlernen und internalisieren (verinnerlichen) kann. Dann stehen die Chancen gut, dass sich die Hochsensibilität positiv auf den Lebensweg auswirken wird bzw. die negativen Auswirkungen von Hochsensibilität durch hilfreiches Bewältigungsverhalten gut kompensiert werden können.

Das Kind wird damit wahrscheinlich weniger Selbstwertprobleme entwickeln, weniger kritisch mit sich umgehen und weniger Perfektionismus im Leistungsbereich entwickeln, um den Erwartungen anderer zu entsprechen und um sich über diesen Weg Anerkennung zu sichern.

Beispiel 2:

Und nun stellen wir uns vor, dass das hochsensible Baby unter weniger harmonischen Bedingungen aufwächst. Der hochsensible Elternteil ist mit dem Baby vielleicht überfordert, zugleich sehr gewissenhaft und will alles richtig machen, setzt sich dabei selbst massiv unter Druck und stößt infolgedessen an seine eigenen Grenzen.

Die Eltern streiten sich regelmäßig und laut, die Stimmung ist meistens angespannt, das Kind wächst unter einer Vielzahl negativ prägender Ereignisse auf. Womöglich kommt es sogar zu richtig traumatischen Erlebnissen, weil die Eltern sich scheiden lassen. Kurzum: Dieser hochsensible Mensch wächst also zu einem großen Teil in einem Klima von Angst, Bedrückung und Unsicherheit auf.

Wachsen hochsensible Kinder also mit einem Zuviel an negativen Emotionen und einem Mangel an hilfreichen Stressbewältigungsstrategien heran, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie dauerhaft mehr inneren Stress erleben und die negativen Seiten der Hochsensibilität spüren werden. So kann es zu dazu kommen, dass ihre hochsensiblen Anteile stärker in negativer Form zum Tragen kommen:

Sie sind z. B. schneller von bestimmten Reiz-Mengen überwältigt, die ein Normalsensibler noch gut ertragen kann. Sie erleben negative Gefühle sehr viel intensiver, besonders Ängste. Gleichzeitig fehlen hilfreiche Bewältigungsstrategien. Als Folge dessen wird ihr Selbstwert und ihre Selbstfürsorge eher niedrig, ihre Tendenz zum Perfektionismus und Harmoniestreben jedoch hoch sein, was wiederum ein dauerhaftes Überforderungsverhalten begünstigt.

Was ist bei Hochsensiblen anders als bei Nicht-Hochsensiblen?

Hochsensibilität wird mit einer neurologischen Besonderheit in Zusammenhang gebracht.

Das Gehirn hochsensibler Menschen soll über ein höheres Erregungspotenzial verfügen, was dazu führt, dass sie weniger externe Stimulanzien mögen und ertragen. Die Gehirnregionen, die für die Dämpfung des Erregungspotenzials zuständig sind, sind bei Hochsensiblen weniger stark ausgebildet. Das führt dazu, dass das Tor zum Bewusstsein mehr Reize als wichtig einstuft, auch wenn sie womöglich gar nicht wichtig sind. So sind sie schon unter „normalen“ Umständen dauerhaft stimuliert, was demzufolge zu akutem Stress führt. Bei Hochsensiblen zeigen sich tatsächlich höhere Konzentrationen von Botenstoffen wie Cortisol und Noradrenalin im Körper. Da ihr Gehirn quasi permanent „wach“ ist, führt diese ständige Bereitschaft dazu, dass sie leicht erschöpfen.

Ich bin relativ wenig belastbar und, wie Yves Saint Laurent einmal gesagt haben soll „bereits mit dem Nervenzusammenbruch geboren“.

Dirk von Lowtzow
(Sänger von Tocotronic)

Sie benötigen daher auch mehr Zeit, um die aufgenommenen Reize und Informationen zu verarbeiten. Um das in Ruhe tun zu können, ziehen sie sich gerne zurück, denn gesellschaftlicher Trubel laugt sie besonders schnell aus.

Ganz wichtig: Es handelt sich weder um eine Störung noch um eine Krankheit! Der eine wird mit blauen Augen geboren, der andere mit grünen. Der eine ist Linkshänder, der andere Rechtshänder. Der eine ist normalsensibel, der andere hochsensibel.

Warum liest man so oft, dass man als Hochsensibler so schnell „reiz-überflutet“ wird?

Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem Samstagvormittag in einem großen schwedischen Möbelhaus (der Garant für eine hohe Reiz-Dosierung) in der Warteschlange an der Kasse.

Bewusst und unbewusst nehmen Sie wahr, wie Ihr Vordermann aussieht – ob groß, klein, dick, dünn, was er anhat und ob er sauber wirkt. Sie hören Geräusche, so z. B. das Murmeln der Menschen in der Halle, Gesprächsfetzen Ihrer Schlangennachbarn, das „Piepen“ der Scannerkassen und Ihr eigenes erschöpftes Seufzen.

Sie merken, ob jemand muffig und abgestanden oder frisch und sauber riecht, ob jemand eine Alkohol- oder Knoblauchfahne hinter sich herzieht und ob Hotdog-Geruch von den Imbissständen hinter dem Kassenbereich herüberweht. Sie gucken in die Einkaufskarren Ihrer Schlangennachbarn und bilden sich eine Meinung über deren Einrichtungsstil. Sie registrieren, ob Ihnen warm oder kalt und ob die Luft stickig ist. Sie ahnen, dass Sie in der falschen Warteschlange gelandet sind (ja, man steht gefühlt immer in der falschen Schlange), weil es schon seit einer ganzen Weile nicht mehr vorangeht. Sie merken, dass Ihnen allmählich die Füße wehtun, dass Ihnen der Magen knurrt, dass Ihre Zunge schon am Gaumen klebt und dass Ihnen leicht schwummerig wird von all der Fülle an Eindrücken. Sie bemerken eine plötzliche Gefühlsschwankung – von eben noch vorfreudig (auf die Schätze im Einkaufswagen) bis zunehmend genervt von der Stagnation an der Kasse.

So geht es vielen Menschen früher oder später in diesen Situationen Das ist nicht ungewöhnlich.

Doch haben Hochsensible schneller als andere den Kanal voll – und dann so richtig. Sprich: Sie reagieren dank ihrer genetischen „Bauweise“ noch schneller und viel stärker auf Stimulationen jeglicher Art, in etwa so, als wären bei ihnen permanent sämtliche Fenster und Türen geöffnet. Dies bewirkt, dass nahezu alle Reize ungefiltert in ihren Organismus hineinspazieren, sich dort einnisten, sich untereinander anrempeln, Krawall und Remmidemmi machen und gar nicht mehr so recht vor die Tür zu setzen sind. Die Reize benehmen sich sozusagen als die „Partycrasher“ im Körper.

Wenn Sie jetzt beim Lesen denken „Ja, so geht es mir andauernd, wenn ich es mit einem Zuviel oder einem Zulaut zu tun bekomme!“, könnte es sein, dass Sie besonders „reiz-verarbeitungsempfindlich“ und womöglich hochsensibel sind.

Wo ist der Unterschied zwischen Introversion und Hochsensibilität?

Letztendlich benötigen sowohl Introvertierte als auch Hochsensible eine „minimal-stimulierende“ Umwelt. Zwischen beiden Konzepten gibt es eine gewaltige Schnittmenge.

Introvertierte erscheinen in vielerlei Hinsicht sensibler als Extrovertierte.

„Sensibilität scheint fundamentaler angeboren zu sein, während Introversion das Ergebnis mehrerer Ursachen ist, von denen Sensibilität nur eine ist.“

Elaine N. Aron
„Hochsensible Menschen in der Psychotherapie“, 2014

Etwa 70 % der Hochsensiblen gelten laut Aron gleichzeitig als introvertiert. Die anderen 30 % der Hochsensiblen sind sozial extrovertiert, benötigen dennoch mehr Erholungsphasen als normalsensible Extrovertierte.

Introvertierte beziehen ihre Energie aus sich selbst heraus. Sie bevorzugen eine weniger stimulierende Umwelt, weil sie – genau wie Hochsensible – eine niedrige Reiz-Schwelle haben. Sie sind schneller erschöpft als Extrovertierte, die viel mehr Reize vertragen (und teilweise sogar benötigen, um sich richtig gut zu fühlen).

Gilbert Dietrich hat in seinem Blog „www.geistundgegenwart.de“ einen interessanten Beitrag zum Thema geschrieben: „Hochsensibilität und Introversion (Begriffsklärung)“.

Was ist das Gute daran, wenn man hochsensibel ist?

Es gibt jede Menge positiver Effekte der Hochsensibilität. Einige davon liste ich nachfolgend auf:

Hochsensible sind oft sehr aufmerksam und reaktionsschnell und haben eine große Detailwahrnehmung.

Sie durchdenken Dinge und Konsequenzen sehr gründlich, sind umsichtig und vorsichtig.

Sie haben einen sehr hohen Qualitätsanspruch an ihre Arbeit und ihre Selbstwerdung.

Sie sind sehr selbst reflektiert und hinterfragen sich gerne und regelmäßig.

Sie denken vernetzt, erkennen demzufolge leicht Querverbindungen und können dementsprechend gut Zusammenhänge herstellen.

Sie haben eine rege Fantasie, sind ziemlich kreativ und zeigen Freude an ästhetisch ansprechenden Dingen.

Sie sind oft künstlerisch oder kulturell bewandert und können gut gestalten.

Sie sind wissbegierig und äußerst lernfreudig.

Sie haben einen guten Spürsinn und „hören die Flöhe husten“, d. h., sie nehmen Stimmungen in besonders feinen Nuancierungen wahr.

Sie haben oft das Bedürfnis, die Welt ein bisschen besser zu machen, sind hilfsbereit, fürsorglich und rücksichtsvoll.

Sie sind naturverbunden, tierlieb und zeigen viel Mitgefühl mit anderen, ganz gleich ob Mensch, Tier oder Pflanze.

Sie sind dank ihrer Empathie gefragte Gesprächspartner, weil sie gerne und interessiert zuhören können.

Sie wirken ausgleichend und integrierend, da ihnen Harmonie sehr wichtig ist.

Sie mögen es gerne tiefgründig und fundiert und hinterfragen viele Dinge.

Sie können sich riesig über Kleinigkeiten freuen.

Ist das nur eine Modeerscheinung – oder wie valide ist das Phänomen der Hochsensibilität?

Auf der neurowissenschaftlichen Ebene wird dazu schon seit mehr als 20 Jahren geforscht, u. a. von Elaine N. Aron. Dass jeder Mensch über ein bestimmtes Kontingent an „Sensibilität“ verfügt, dürfte zudem niemand infrage stellen, der eine hat halt mehr und der andere weniger. Dass ca. 15 bis 20 % der Menschen (und auch der Tiere) ganz besonders sensibel sind, erscheint daher auch wenig verblüffend.

Da sich Hochsensible und Normalsensible in ihrem Erregungsgrad deutlich unterscheiden, wird an dem Phänomen etwas „dran“ sein.

Ganz gleich, ob das Konstrukt wissenschaftlich anerkannt oder der Begriff „Hochsensibel“ gut gewählt ist: Solange beides dazu dient, Menschen zu helfen, dürfte einer besseren Selbstfürsorge nichts mehr im Weg stehen.

Wie Sie (egal ob als Hochsensibler oder als „Durchschnittssensibler“) ganz konkret selbstfürsorglicher mit sich umgehen können, davon handelt dieses Buch.

* Hochsensible werden üblicherweise auch als „HSP“ bezeichnet. Das Kürzel stammt ursprünglich aus dem Englischen und steht dort für „Highly Sensitive Person“. Auch „SPS“ für „Sensory-processing sensitivity“ wird häufiger im wissenschaftlichen Kontext genutzt.

HANDWERKSZEUG ZUR BEKÖMMLICHEN TAGESGESTALTUNG

Der eine liebt es, früh aufzustehen, ist bereits um 6 Uhr putzmunter und voller Tatendrang. Dafür schleicht er sich auf jeder Veranstaltung und Feierlichkeit als Erster von dannen und muss sich manchmal ein Augen rollendes „Spaßbremse“ gefallen lassen. Der andere kriecht erst um 11 Uhr aus dem Bett, braucht eine Stunde Anlaufzeit, um konzentriert denken zu können und dreht dafür am Abend so richtig auf. Wie unterschiedlich wir Menschen doch in unseren jeweiligen Tagesrhythmen sind!

„Wer feiern kann, kann auch früh aufstehen!“ Das war ein sehr beliebtes Motto meines Vaters, der mich nach einer durchfeierten Samstagnacht gerne am Sonntag morgens um 9 Uhr aus dem Bett ekelte. Er sah überhaupt nicht ein, dass ich ausschlafen wollte, nachdem ich erst um 5 Uhr nach Hause gekommen war. Noch dazu wollte er nicht alleine frühstücken, während meine Mutter schon in aller Frühe auf irgendwelchen Flohmärkten herumgeisterte.

Ich habe es gehasst! Zumal ich noch überhaupt keinen Bissen herunter bekam. „Du kannst dich ja danach wieder hinlegen!“, war sein Argument zur Güte. Aber Pustekuchen! Danach war ich zu wach, um noch mal richtig zu schlafen. Und zu müde, um richtig wach zu sein. Na toll … So quälte ich mich also durch den Sonntag. Das war wohl der Preis, den ich für mein Vergnügen zu zahlen hatte.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Noch dazu bin ich heute schlauer und habe mir einiges Wissen über Chronobiologie und guten Schlaf angeeignet. Zum Beispiel weiß ich jetzt, dass Eltern gut daran tun, ihre Heranwachsenden ausschlafen zu lassen, da man in der Pubertät zum einen mehr Schlaf braucht und zum anderen (noch) zu den „Eulen“ gehört. Und dass sich der eigentliche „Chronotyp“ eines Menschen erst mit Eintritt ins Erwachsenenalter bildet.

Da dieses hochspannende Thema den Rahmen dieses Buches sprengen würde, empfehle ich interessierten Lesern das Buch „Wake up!“ von Peter Spork. Eine Botschaft seines Buches, die für mich am wichtigsten war:

Die Chronobiologie geht von sieben „Chronotypen“ aus, die ein jeweils eigenes Zeitgefühl und eine eigene innere Rhythmik haben. Je mehr wir über unseren ureigenen Chronotyp wissen, desto besser können wir für uns sorgen.

Gerade wir Hochsensiblen sind mit einem Organismus ausgestattet, der auf feinste Signale und Reize reagiert, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Wir tun also besonders gut daran, unseren Alltag, so gut es geht, im Einklang mit unseren inneren Uhren zu gestalten. Darüber hinaus habe ich nachfolgend einige hilfreiche Tipps zusammengestellt, mit denen sich Hochsensible etwas Gutes für Ihren Reiz-Haushalt tun können.

Besonders kleine Rituale haben es mir angetan. Sie bieten häufig eine sichere und beruhigende – und vor allem genussreiche – Möglichkeit, seinen Tag bekömmlich zu strukturieren.

Gut in den Tag starten

Eine hochsensible Klientin von mir sagte mal so schön „Ich bin noch nicht richtig ausgebrütet.“ Das war an einem Morgen, als wir gemeinsam einen viel zu frühen Coaching-Termin angesetzt hatten.

Als wir uns zum Coaching trafen, merkten wir beide schnell, dass wir lediglich körperlich anwesend und geistig noch nicht frisch waren. Wir hatten uns beide abgehetzt und waren nicht wirklich begeistert von unserem jeweiligen Tagesstart.

Auch ich brauche morgens ausreichend Zeit, um mich in Ruhe zurechtzuruckeln und in den Tag zu schlüpfen. Im Laufe meiner Selbstständigkeit habe ich verschiedene Dinge ausprobiert, um gut in den Tag zu starten. Mittlerweile achte ich viel mehr auf meinen Biorhythmus und auf bekömmliche Startbedingungen. Von meinem „Chronotyp“ her bin ich ein klassischer „Normaltyp“. Das ist der, der im Urlaub nicht vor 9.00 Uhr aufsteht und meist nicht vor 1.00 Uhr ins Bett kommt. Also weder Lerche (das sind die richtigen Frühaufsteher) noch Eule (das sind die extremen Spätaufsteher).

Dank meiner Selbstständigkeit kann ich mir den Tag weitestgehend so einteilen, wie es meinem Chronotyp entspricht. Für mein sensibles Nervenkostüm ist es wichtig, Reize von außen so lange wie möglich von mir fernzuhalten. So verhindere ich, mich gleich morgens mit Eindrücken zu überfrachten und von meinem geplanten Kurs abzukommen. Ein schlechter Tagesstart führt gerade bei Hochsensiblen oft dazu, dass sie sich komplett aus der Bahn katapultiert fühlen und jeder zusätzliche Reiz das Fass zum Überlaufen bringt.

Schauen wir doch mal, was zu einem gelungenen Tagesstart beitragen kann.

Wie man vorbeugt – Prophylaxe

Sanftes Licht zum Wachwerden

Ich nutze einen Lichtwecker zum Aufwachen. Dieser sorgt mit seiner Lampe dafür, dass es im Schlafzimmer ab 7.00 Uhr langsam aber sicher hell wird. So werde ich sanft geweckt und nicht durch ein schrilles Klingeln nachhaltig verstört. Da ich durch Licht alleine nicht schnell genug richtig wach werde, schaltet sich irgendwann lautes Meeresrauschen (manchmal wähle ich auch Vogelzwitschern) ein. Gerade für Hochsensible, die ja leicht erschrecken, kann diese Art des Aufwachens ein Segen sein.

Snoozen

Ich plane zeitlich immer ein bis zwei Runden „Snoozen“ ein, sprich: Ich erlaube mir, beim Wecker maximal zweimal die entsprechende Taste zu drücken, um nach dem erneuten Eindösen im 5-Minuten-Takt später erneut geweckt zu werden. Ohne das morgendliche Snoozen fehlt mir tatsächlich was. Und da die Reize so nur in kleinen Dosierungen an mich herankommen, kann ich mich besser auf sie einstellen.

Räkeln und Gähnen

Hilfreich ist ausgiebiges Räkeln. Nehmen wir uns unsere vierbeinigen Haustiere zum Vorbild: Ohne Räkeln, Recken und Strecken nach dem Wachwerden läuft da gar nichts. Auch herzhaftes Gähnen tut Mensch und Tier richtig gut. Räkeln und Strecken tonisiert die Muskulatur, regt die Durchblutung an, Gähnen versorgt das Hirn mit mehr Sauerstoff.

Positiver Gedankenstart

Atmen Sie bewusst ein und aus und sagen Sie sich einen positiven Satz in der Gegenwartsform (Präsens). Lächeln Sie dabei, auch wenn Ihnen noch nicht nach Lächeln zumute ist.

Einige Beispiele:

Heute bin ich ganz gelassen.

Ich verbringe den Tag in guter Stimmung.

Ich strahle heute Zufriedenheit aus.

Heute habe ich viele positive Momente.

Ich sehe dem Meeting voller Neugier entgegen.

Die ersten Gedanken nach dem Aufwachen haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir in den Tag starten. Wenn wir bewusst üben, die negativen Gedanken („Dieser Tag wird bestimmt anstrengend.“) zugunsten von positiven auszuhungern, wird sich Stück für Stück ein neues neuronales Netzwerk in unserem Gehirn bilden und die positiven Gedanken können schneller abgerufen werden.

Schreiben Sie sich Ihren persönlichen Positiv-Satz ruhig auf und lesen ihn ab, bis er sitzt. Und wenn es mal nicht klappt und der pessimistische Kritiker zurückkehrt, bitte nicht ungeduldig werden. Stattdessen darüber schmunzeln und den Satz wiederholen.

Mit der Faust in die Luft greifen

Eine tolle Übung ist auch, die Arme im Liegen zur Decke zu strecken und mit den Händen eine Faust zu machen. Diese Faust ungefähr zehnmal kräftig schließen und wieder öffnen und dabei die Finger spreizen. Das pumpt so richtig Energie in den Organismus, die man zwar nicht sofort, aber mit etwas Zeitverzögerung spüren dürfte.

Frische Luft am Fenster

Sich vors geöffnete Fenster stellen, sich erneut recken und strecken und ein paar Mal tief ein- und ausatmen tut gut, auch wenn man noch müde ist. Die frische Luft regt sanft und belebend den Kreislauf an.

Genussvoll Duschen (auch kalt)

Genussvolles Duschen kann für den Kreislauf sehr erquickend sein. Duschen eignet sich besonders gut, um Anspannung und symbolisch auch Sorgen abzuspülen. Stellen Sie sich bildlich vor, wie das Wasser Ihre Anspannung wegbraust und diese im gurgelnden Abfluss davonschwimmt. Sie können auch laut Sätze sagen, wie z. B. „Ich lasse los und spüle meine Angst vor dem Gespräch mit meinem Chef weg.“

Besonders eine kurze kalte Dusche zum Abschluss lässt einen von einer Sekunde auf die nächste hellwach werden und an etwas ganz anders denken. Wetten? Das bedeutet natürlich eine heftige Dosis Reize, die nicht jedermanns Sache ist. Es kostet zwar oft Überwindung, ist aber ohne Zweifel eines der wirkmächtigsten Helferlein, um dem müden Körper ein wenig Leben einzuhauchen und sich gedanklich zu „resetten“. Für manchen reicht auch lauwarmes Wasser zum Abschluss.

Hinterher schön mit einem Handtuch abrubbeln – herrlich!

Warme Begrüßung für den Magen

Etwas Warmes trinken wärmt die inneren Organe durch und bringt die Verdauung in Schwung. Wenn Ihnen Kaffee am Morgen gut tut, trinken Sie ihn mit Genuss. Viele Hochsensible reagieren allerdings stärker als andere auf Koffein. Für sie hat sich Tee bewährt, der, selbst wenn er Koffein enthält, langsamer vom Körper aufgenommen und wieder abgegeben wird und somit nicht so schnell hochpuscht. Oder man nimmt Kräutertee, wenn man Koffein ganz meiden möchte. Entkoffeinierter Kaffee schmeckt übrigens auch sehr gut.

Wenn Sie den ersten Schluck trinken, spüren Sie nach, wie er die Kehle und die Speiseröhre hinab fließt und wie sich ein warmes Gefühl im Magen ausbreitet. Sagen Sie sich in Gedanken: „Hm, was für ein schöner Moment.“

Frühstück als gutes Fundament

Ein hochwertiges Frühstück (z. B. Müsli, Vollkornbrot) hilft dem Körper dabei, seinen natürlichen Rhythmus zu unterstützen. Die inneren Organe sind darauf eingestellt, am Morgen eine energiereiche Mahlzeit zu verarbeiten, um Ihnen den nötigen Schwung für den Tag zu geben. Ganz nebenbei werden auch die Kalorien optimal verbrannt. So hält man am leichtesten sein Gewicht.

Da Reize von innen (Hunger, Durst, Unverträglichkeiten) Hochsensible sehr beeinträchtigen können, tun Sie sich mit einem für Sie bekömmlichen Frühstück oft etwas sehr Gutes.

In den Tag tanzen

Sich morgens zu bewegen und Sport zu treiben ist nicht jedermanns Sache, auch wenn es für viele hilfreich ist, um in Schwung zu kommen. Es muss ja nicht gleich Sport am Morgen sein. Als kleine Alltagsbewegung hat sich auch bewährt: Ein schönes Musikstück auswählen und drei Minuten wild durch die Wohnung tanzen – das macht obendrein gute Laune.

Körper abklopfen

Den Körper von oben bis unten sanft abzuklopfen gibt frische Energie. Dazu eine lockere Faust machen und mit den Armen beginnen, über Brust und Bauch bis runter zu den Beinen und Füßen sanft zu klopfen. Klopfend wieder übers Hinterteil und die Taille rauf zum Kopf. Abschließend sanft mit den Fingern das Gesicht und die Kopfhaut abklopfen.

In den Himmel blicken

Vor dem Einsteigen ins Auto oder in den Bus sollten Sie unbedingt eine kleine Weile in den Himmel schauen. Atmen Sie tief ein und aus. Der Blick in den Himmel sorgt dafür, dass Sie einen reizarmen Anblick genießen (aber nicht in die Sonne schauen). Zusätzlich können Sie diesen Fernblick z. B. mit folgenden Gedanken verbinden:

Angenommen, es ist bewölkt. Führen Sie sich vor Augen, dass über den Wolken die Sonne scheint und dort alles wunderbar hell und freundlich ist. Atmen Sie tief durch und freuen Sie sich darauf, dass die Wolken auch hier unten nicht von ewiger Dauer sind.

Flottes Gehen und Treppen steigen

Der Klassiker schlechthin: Eine Haltestelle früher aussteigen oder etwas weiter weg als üblich das Auto parken, um einen kleinen Fußweg an der frischen Luft einzubauen, tut sehr gut. Oder die Treppen nehmen, statt Aufzug zu fahren, gibt das gute Gefühl, schon etwas für Herz, Kreislauf und Beinmuskeln getan zu haben.

Wenn man mittendrin ist – der Notfall-Plan

Angenommen, Sie haben verschlafen. Oder Sie haben zu oft gesnoozt und sind jetzt in Hektik. Oder ein wichtiger Anruf kommt dazwischen, der Sie Zeit gekostet hat.

Alle vorher genannten Tipps sind natürlich nach wie vor hilfreich, doch aufgrund der Zeitnot sind jetzt Ihre Rahmenbedingungen verschärft. Damit Sie trotzdem einigermaßen gut starten können, hier ein paar Tipps:

Innehalten

Wenn Sie merken, dass Sie total hektisch werden, weil Ihnen die Zeit unter den Nägeln brennt, ist es Zeit, sich antizyklisch zu verhalten und einmal kurz zu besinnen. Setzen Sie sich dazu ordentlich auf einen Stuhl oder in einen Sessel.

image ÜBUNG: SICH BESINNEN

Legen Sie die rechte Hand auf Ihren Bauch in Höhe des Bauchnabels und atmen Sie nach folgendem Muster (4-6-8-Technik):

1. Beim Einatmen bis 4 zählen.

2. Luft anhalten und bis 6 zählen.

3. Beim Ausatmen bis 8 zählen

Stellen Sie sich folgende Fragen:

Was liegt heute an, und welche Termine habe ich?

Was ist das Schlimmste, das mir passieren kann, wenn ich zum ersten Termin zu spät komme?

Was genau wäre daran so schlimm?

Bin ich bereit, die Konsequenzen auf mich zu nehmen?

Das ist sehr viel wertvoller, als wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Wohnung zu rennen und ein Missgeschick nach dem anderen zu fabrizieren (Sachen umwerfen, sich an Ecken und Kanten stoßen, mit dem Fuß umknicken, stolpern etc.).

Pufferzeit gewinnen

Überlegen Sie gezielt, ob Sie Ihren ersten Termin vielleicht verschieben können. Oder ob Sie irgendwo Bescheid geben können, dass es etwas später wird. Wenn ja, haben Sie einen Zeitpuffer gewonnen. Wenn nein, gilt es, die Prioritäten zu verschieben und irgendwo Zeit „einzusparen“.

Wasser trinken

Trinken Sie ein großes Glas lauwarmes Wasser, um Ihren Kreislauf und Ihr Denkvermögen zu unterstützen. Außerdem wirkt das Schlucken positiv auf Ihren Entspannungsnerv (den Parasympathikus).

Katzenwäsche praktizieren

Sollten Sie trotzdem duschen wollen (oder müssen, je nachdem), lassen Sie z. B. die Haarspülung ausfallen, um Einwirk- und Ausspülzeit zu vermeiden. Es gibt sehr gute Sprühspülungen, die im Haar verbleiben, die sollten Sie immer im Haus haben. Manchmal reicht es auch, die Haare mit Trockenshampoo und Lockenstab aufzufrischen.

Styling Quickies nutzen

Für Frauen, die sich schminken: Das können Sie auch später nachholen – entweder im Auto an der roten Ampel oder zwischendurch in der Firma. Ihrem Gegenüber fällt meist nicht einmal auf, wenn Sie nicht geschminkt sind. Ein bisschen roséfarbener Lippenpflegestift erfrischt das Gesicht schon herrlich unaufgeregt.

Für Männer, die sich rasieren: Überlegen Sie, ob es heute auch ohne geht. Was schaden Ihnen Bartstoppeln im schlimmsten Fall? Und was nützt es Ihnen im besten Fall, sich unter Zeitdruck zu rasieren? (Denken Sie an all das Blut auf dem Hemdkragen …)

Bewährte Kleidung auswählen

Wählen Sie Kleidung aus, die sich bewährt hat. Probieren Sie in der Hektik keine neuen und ungewohnten Kleidungsstücke aus. Sie würden viel zu viel Zeit damit vertrödeln, das Kleidungsstück durch passende Accessoires und Schuhe zu ergänzen.

Heißgetränk to go

Wenn Sie auf den Koffein-Schub am Morgen nicht verzichten wollen, holen oder machen Sie sich einen Coffee to go. Ich habe für solche Fälle immer einen Thermobecher zu Hause. Daran nippen Sie dann in der Bahn, im Auto oder beim Gehen. Das ist immer noch besser, als durch Koffein-Entzug nachhaltig vom Organismus und den inneren Reizen (Entzug) zusätzlich gestört zu werden.

Snack to go

Für den Fall, dass das Frühstück ausfallen muss, empfehle ich, einen Vorrat an hochwertigen Nuss- oder Müsliriegeln im Haus zu haben. Die können Sie auch unterwegs knabbern, um dem Hunger zumindest die Spitze zu nehmen. Vielleicht haben Sie Glück und auf Ihrer Rennstrecke liegt ein Bäcker. Kurz anhalten und reinspringen ist immer noch besser, als hungrig und unterzuckert in den ersten Termin zu stolpern.

Fazit

Es lohnt sich immer, sich zwischendrin kurz zu besinnen, um so die Reiz-Überflutung in Grenzen zu halten und sich zu sammeln. Indem Sie kurz innehalten und sich aus der Situation herausnehmen, betrachten Sie die Angelegenheit quasi von oben. Das kann Ihnen helfen, neue Handlungsmöglichkeiten zu entdecken. Auch merkt man dann oft, wie absurd das Ganze für jemand Außenstehenden anmuten dürfte. Sollten Sie an solch einem Tag sehr müde und völlig durch den Wind sein, kommt im nachfolgenden Kapitel Abhilfe.

Ohne Reiz-Überflutung durch den Tag kommen

Vor einigen Jahren bekam ich beim Friseur mal einen kuriosen Dialog mit:

Kundin zur Friseurin: „Stell dir vor, gestern renne ich auf die letzte Minute zur U-Bahn und bekomme erst im Abteil mit, dass ich noch die stinkende Mülltüte in der Hand halte. Dabei wollte ich die doch vor dem Haus in die Tonne werfen!“

Großes Gelächter.

Daraufhin die Friseurin: „Das geht ja noch, mir ist es einmal passiert, dass ich im Bus darauf angesprochen werde, dass mir ein Wattestäbchen aus dem Ohr guckt!“

Kein Witz, diesen Dialog hat es wirklich so gegeben. Ich weiß noch genau, wie der ganze Salon vor Vergnügen wieherte. Wir konnten gar nicht begreifen, dass einem solche kuriosen Dinge passieren, ohne dass man sie mitbekommt.

Morgens kopflos in den Tag zu starten, kann in seltsame Handlungen münden. Zum Beispiel, dass wir uns Haarspray statt Deo unter die Achseln sprühen. Oder ein Hundeleckerli statt einer Nuss in den Mund stecken. Weitaus harmloser, wenn auch nervig, sind Briefe, die man den ganzen Tag mit sich rumschleppt, ohne sie in den Briefkasten zu werfen; vergessene Pausenbrote, die auf dem Küchentisch ungegessen vor sich hintrocknen; Socken, die nicht zueinanderpassen oder der Coffee to go, den man sich im Auto über die Hose gießt.

Das geht natürlich nicht nur Hochsensiblen so. Gleichwohl sind sie dank ihrer ungünstigen Filterfunktionen meist schneller überreizt und können hervorragend von jetzt auf gleich kopflos und hektisch werden. Schade nur, dass hektisch in den Tag zu starten, nicht wirklich froh macht. So wie der Tag startet, läuft er ja meistens weiter.

Schauen wir mal, was Sie noch tun können, damit Sie während des Tages selbstfürsorglicher mit sich umgehen und sich besser fokussieren und so die Gefahr der Überstimulation minimieren.

Wie man vorbeugt – Prophylaxe

Vorabend-Check

Ich lege Ihnen ans Herz, bereits am Vorabend zu prüfen, was am nächsten Tag eigentlich alles anliegt. Falls das einmal nicht klappt, sollten Sie sich zumindest zu Beginn des Tages Zeit dafür nehmen:

Welche Termine habe ich heute?

Welche Aufgaben müssen heute unbedingt erledigt werden, weil sie wirklich keinen Aufschub vertragen?

Welchen Schwerpunkt setze ich mir heute?

Ich setze mich bereits am Abend vorher vor meinen Terminkalender und meine To-do-Liste, um absehen zu können, was am nächsten Tag auf mich zukommt. Am Morgen frische ich meinen Überblick nochmals kurz auf, da es immer mal wieder vorkommt, dass sich über Nacht neue Gedanken dazu ergeben haben.

Mini-Max-Planung

Für eine selbstfürsorgliche Tagesplanung ist es wichtig, den Tag nicht mit Terminen und zu vielen Aufgaben von der To-do-Liste zu überfrachten. Sprich: Ihre Planung hängt maßgeblich davon ab, wie viele Termine oder unverhoffte Aktionen Ihr Tag mit sich bringt.

Hierzu finden Sie im Kapitel „Selbstfürsorge – Nicht nur im Home-Office“ eine ausführliche Beschreibung.

Multitasking vermeiden

Was viele Hochsensible immer wieder überreizt werden lässt und ernsthaft stresst, ist das zu recht kritisierte Multitasking. Es soll nur einen geringen Prozentsatz Menschen geben, denen es wirklich gelingt, mehrere Dinge zeitgleich zu erledigen. Alle anderen glauben nur, dass sie Aufgaben zeitgleich lösen. In Wirklichkeit springen sie in ihren Aufgaben permanent hin und her – und können ihre Aufmerksamkeit nicht durchgängig einer Tätigkeit widmen.

Beispiel:

Während ich gerade an einem Angebot feile, klingelt das Telefon. Um das Telefonat anzunehmen, lasse ich mein Angebot liegen und unterbreche meine Denkarbeit. Während ich telefoniere, kann ich überhaupt nicht an dem Angebot weiterarbeiten. Wenn ich das Telefonat beendet habe und mich wieder dem Angebot widme, muss ich mich zunächst anstrengen, um mich erneut hineinzudenken. Womöglich kommt genau in dem Moment, wo ich den roten Faden wieder aufgenommen habe, ein Kollege zur Tür herein mit den Worten: „Kann ich dich mal eben was fragen?“

Diese Art des Hin- und Herspringens der Aufmerksamkeit kann unseren Geist, besonders das Arbeitsgedächtnis sehr schnell erschöpfen und überreizen. Toxischer Stress ist die Folge. Und das unbefriedigende Gefühl, nichts richtig zu Ende zu bringen.

Es gibt Jobs, die sind einfach darauf angelegt, von einer Aufgabe zur nächsten zu springen, z. B. immer dann, wenn Telefonsupport eine Rolle spielt oder man viel mit Menschen arbeitet (z. B. am Empfang, in der Kranken- und Altenpflege). Hier sollten die Mitarbeiter dahin gehend geschult und unterstützt werden, wie sie einen guten Umgang mit den wechselnden Anforderungen finden.

Doch in vielen Jobs können wir Multitasking tatsächlich eindämmen oder ganz vermeiden – sofern wir uns und unser Umfeld disziplinieren. In den nachfolgenden Kapiteln finden Sie dazu weiterführende Tipps.

Multitasking und Perfektionismus

Gerade Hochsensible sind oft darum bemüht, keine Fehler zu machen. Nicht selten sind sie sogar ausgeprägt perfektionistisch. Wenn sie sich also immer wieder unterbrechen lassen, geraten sie leicht in einen Teufelskreis:

„Oh nein, ein Fehler! Da muss ich unbedingt nachbessern!“

Ihnen läuft durch das Nachbessern die Zeit weg.

Das merken sie und fühlen sich gestresst.

Ihr Hirn läuft auf Hochtouren, um die Reize zu verarbeiten.

Neue Reize durch Gedankenstress oder durch äußere Stressoren kommen hinzu.

Weitere Fehler passieren, die nun auch wieder ausgebügelt werden müssen.

Der Teufelskreis dreht sich.

Der Cortisol-Spiegel im Blut steigt und steigt …

Wenn dann noch der innere Kritiker mit Selbstvorwürfen los wettert, ist bald gar nichts mehr zu retten (aber das ist ein anderes Thema …).

Pause machen, bevor man sie braucht

Damit wir nicht im Stressmodus stecken bleiben oder erst dann eine Pause machen, wenn wir längst erschöpft sind, ist es wichtig, Pausen bewusst einzubauen. Dazu ist es gut zu wissen, wie es mit dem Energie-Niveau aussieht. Wir Menschen „funktionieren“ in Zyklen.

EIN TYPISCHER ZYKLUS BESTEHT AUS FÜNF PHASEN UND DAUERT INSGESAMT CA. 90 MINUTEN image

1. der Aufstieg (wir grooven uns ein),

2. das Zwischenhoch (wir sind mittendrin),

3. der Gipfel (wir haben unsere beste Zeit),

4. der Abstieg (wir lassen langsam wieder nach),

5. das Zwischentief (der Körper sendet verschärft Signale) und das Ganze beginnt wieder von vorn …

Auch wenn Sie sich noch so sehr einreden, dass Sie noch voll leistungsfähig sind, sind Sie es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr. Ja, selbst dann, wenn Sie vermeintlich Energie ohne Ende haben oder glauben, es sei ja alles nicht so schlimm. Unser Körper hat da nämlich auch noch ein Wörtchen mitzureden.

Darum ist es wichtig, eine Pause zu machen, auch wenn wir meinen, noch keine zu brauchen. Denn es ist nicht relevant, ob wir subjektiv etwas als Stress empfinden, sondern relevant ist, was unser Körper als Stress empfindet.

Dazu müssen wir über Cortisol sprechen.

Immer, wenn Sie die Zyklen ignorieren, die einfach eine Tatsache sind, reagiert der Körper mit einer Stressreaktion, weil er über seine aktuellen Kräfte geht. Der Körper schüttet Stresshormone aus. Cortisol ist eins davon und gilt als Gradmesser für chronischen Stress. Ist dieses Hormon über lange Zeit erhöht, wird unser Organismus geschwächt. Wir haben ihn zu lange toxischem Stress ausgesetzt. Wir kriegen andauernd eine Erkältung, klagen über unser löchriges Hirn, können nicht mehr abschalten und schlafen immer schlechter.

Es ist auch überaus wertvoll, eine anständige Mittagspause einzulegen, die mindestens 30 Minuten dauert. In dieser Pause sollten Sie etwas „Anständiges“ essen, damit Sie Ihren Organismus und Ihren Stoffwechsel unterstützen.

Gleichartige Aufgaben bündeln

Gleichartige Aufgaben zu bündeln ist eine hilfreiche Art, konzentrierter zu arbeiten.

Beispiele:

E-Mails in einem Rutsch bearbeiten.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869105314
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Alltagstaugliche-Tipps Hochsensibilität Reiz-Überflutung Selbstcoaching Selbstcoaching-Ratgeber Stressaubbau-Lösungen Stress-Situationen

Autor

  • Sabine Dinkel (Autor:in)

Sabine Dinkel kannte die Probleme von Hochsensiblen aus eigener Erfahrung und bietet daher einfühlsam und mit einem Augenzwinkern Lösungen, die funktionieren. Vor ihrer Krebserkrankung coachte sie 15 Jahre lang Menschen in fordernden Situationen und Umbruchphasen. In ihrem Ratgeber verfolgt sie einen sehr praktischen und verständlichen Ansatz, der schnell für Hilfe im Alltag sorgt. Sabine Dinkel verstarb im Juli 2020. Der Informations- und Forschungsverbund Hochsensibilität e.V. ist Ansprechpartner für die allgemeine Öffentlichkeit, vernetzt forschende Wissenschaftler, unterstützt lokale Aktivitäten und sammelt Informationen zum Thema Hochsensibilität. Seine Website hochsensibel.org ist eines der inhaltsreichsten Informationsangebote im Internet für reizempfindliche Menschen. Autorenwebsite: https://www.sabinedinkel.de/
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Titel: Hochsensibel durch den Tag