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Cholesterin selbst senken in 10 Wochen

Selbsthilfeprogramm für Betroffene. Cholesterin: "Killer Nr. 1" oder "Erfindung"? Die Fakten

von Dr. med. Ramon Martinez (Autor:in)
264 Seiten

Zusammenfassung

Schluss mit der Unsicherheit: Alle Fakten, alle Antworten auf einen Blick! Mittlerweile gibt es so viele Informationen über Cholesterin, dass sie nur noch vom Spezialisten überschaut werden können. Ist Cholesterin wirklich so gefährlich wie allgemein behauptet wird? Das ist sicher eine der spannendsten Fragen, auf die das vorliegende Buch nachvollziehbare Antworten gibt.

Schritt für Schritt hilft dieser Ratgeber Ihnen, den Cholesterinspiegel maßgeblich und ohne Nebenwirkungen selbst zu senken – entweder ganz ohne Medikamente oder mit weniger Medikation.

Im theoretischen Teil fasst der Autor zunächst alle wichtigen Grundlagen zu Cholesterin zusammen. Im praktischen Teil lernen Sie die einzelnen Maßnahmen der nicht-medikamentösen Cholesterinsenkung kennen. Chefarzt Dr. med. Ramon Martinez erläutert leicht verständlich, wie man sie am besten umsetzen kann und welche Cholesterinsenkung sich im Durchschnitt damit erreichen lässt. Viele Übungen helfen Ihnen dabei, das Erlernte im Alltag umzusetzen. Alle Methoden und Maßnahmen, zu denen bestimmte Ernährungsgrundsätze und Lebensstiländerungen gehören, sind intensiv erforscht, in ihrer Wirksamkeit gesichert und in der Fachwelt anerkannt.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

ein hoher Cholesterinspiegel gehört zu den Hauptrisiken für Herzerkrankungen und Schlaganfälle, denen jedes Jahr in Deutschland mehr als 350.000 Menschen zum Opfer fallen. Würden die uns heutzutage zur Verfügung stehenden Vorbeugemaßnahmen genutzt, könnten nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO über 80 % dieser Erkrankungen verhindert werden.

Ich zeige Ihnen in meinem Buch Schritt für Schritt, wie Sie nach und nach Ihre Risikofaktoren beseitigen, die zu einem hohen Cholesterin und zu Herzerkrankungen führen. Das dazu notwendige Rüstzeug bekommen Sie aus Sicht eines praktisch tätigen Mediziners, dessen Erfahrungen und Einschätzungen in alle Empfehlungen mit eingehen.

Ist Cholesterin denn wirklich so gefährlich wie allgemein behauptet wird? Das ist sicher eine der spannendsten Fragen, auf die das vorliegende Buch nachvollziehbare Antworten geben will. Zugleich bekommen Sie das aktuelle Wissen über Cholesterin in allgemein verständlicher Form. Machen Sie sich selbst ein Bild davon, wie Sie die eigenen Cholesterin- und Blutfettwerte bewerten müssen. Nach der Lektüre des Buches werden Sie Ihr persönliches Risiko, eine Herzerkrankung zu erleiden, abschätzen und maßgeblich senken können.

Mittlerweile gibt es so viele Informationen über das Cholesterin, dass es nur noch vom Spezialisten überschaut werden kann. Vieles, was vor Jahren noch für richtig gehalten wurde, muss inzwischen, aufgrund neuer Erkenntnisse, anders gesehen werden. Das gilt zum Beispiel für die noch vor einigen Jahren übliche pauschale Einschränkung von Fett in der Ernährung, die heute in dieser Form nicht mehr empfohlen werden kann.

Dieses Buch soll Ihnen nicht nur das sicher sehr spannende aktuelle Wissen über Cholesterin nahebringen. Es soll Ihnen vor allem den Weg aufzeigen, wie Sie Ihren Cholesterinspiegel auch ohne Medikamente senken können. Im Mittelpunkt stehen dabei praktische Hinweise und Tipps. Denn bereits Konfuzius wusste, dass nichts so dauerhaft gelernt wird, wie das, was man selbst tut: „Erzähle es mir – und ich werde es vergessen. Zeige es mir – und ich werde mich erinnern. Lass es mich tun – und ich werde es behalten.“ Dabei wünsche ich Ihnen viele Erfolgserlebnisse, um das Wichtigste aller Güter, Ihre Gesundheit und Lebensfreude, zu erhalten und zu verbessern.

Ihr

Dr. med. Ramon Martinez

Meiner Familie Tatjana, Nico, Daniel und Luis gewidmet

Wie Sie mit diesem Buch Ihr Ziel erreichen

Wie Sie vielleicht schon gesehen haben, ist das Buch nach Wochen eingeteilt, sodass Sie in 10 Wochen die einzelnen Inhalte lesen und – wichtig! – die Aufgaben machen können. Sie haben richtig gelesen: „die Aufgaben machen“. Denn: Wer nicht nur die Kapitel durchliest, sondern auch die Maßnahmen umsetzt, profitiert am meisten.

Arbeiten Sie zunächst das vorbereitende Kapitel in der ersten Woche des Buches durch, damit Sie sich mit den Grundlagen des Cholesterins vertraut machen. Im praktischen Teil ab der zweiten Woche lernen Sie die einzelnen Maßnahmen der nicht medikamentösen Cholesterin- und Blutfettsenkung kennen, die Sie sofort umsetzen können. In jeder der zehn Wochen finden Sie außerdem wichtige Informationen und neue Erkenntnisse. Vieles wird für Sie neu sein – lesen Sie diese Seiten ruhig häufiger durch. Anschließend können Sie Berichte und Nachrichten, die Sie über Cholesterin und Blutfette lesen, besser verstehen. Sie werden außerdem beurteilen können, ob es sich um gesichertes Wissen handelt oder ob eher Skepsis angebracht ist. Arbeiten Sie alle Aufgaben in der beschriebenen Reihenfolge durch, da die Aufgaben und Erläuterungen aufeinander aufbauen. Üben Sie, bevor Sie weiterlesen, da erst das Umsetzen des Erlernten den gewünschten Effekt zeigt.

 

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Vieles wird für Sie neu sein.
Lassen Sie sich Zeit!

Zu Beginn eines neuen Kapitels finden Sie die Wochenangabe, in der Sie das Kapitel durcharbeiten können. Es schadet aber nichts, wenn Sie sich für ein Kapitel mehr Zeit nehmen. So könnten Sie für jedes Kapitel z. B. ohne Probleme zwei Wochen verwenden. Die einzelnen Inhalte bleiben sogar besser im Gedächtnis, wenn Sie sich längere Zeit damit beschäftigen. Eine solche Verlängerung bietet sich vor allem dann an, wenn Sie nur über relativ wenig Zeit für die Übungen verfügen. Lassen Sie sich lieber Zeit, als die Kapitel sehr schnell und oberflächlich durchzugehen, ohne die Inhalte praktisch umzusetzen. Insgesamt ist dieses Programm für zehn Wochen konzipiert. Nach dieser Zeit haben Sie das Rüstzeug, um Ihre Blutfette effektiv zu senken.

Die positiven Wirkungen auf den Cholesterinspiegel bleiben auch nach dieser Zeit erhalten und können sich sogar noch verstärken. Denn das Gelernte soll nach und nach verinnerlicht und zur selbstverständlichen Gewohnheit werden. Während Sie die neu erlernten Lebensstiländerungen fortführen, werden sich weitere Fortschritte sowohl im Hinblick auf Ihren Cholesterinspiegel als auch auf Ihre Lebensqualität einstellen.

Gewohnheiten ändern sich nur langsam

Um Ihre Blutfette zu verbessern, Ihre gesundheitliche Verfassung und Ihr Wohlbefinden nachhaltig zu steigern, müssen Sie die notwendigen Änderungen, z. B. in der Ernährung oder bei der Wahl Ihrer Lebensmittel, schrittweise vollziehen. Diese Änderungen benötigen eine gewisse Zeit, da sich Gewohnheiten, die über Jahre und Jahrzehnte bestanden haben, nur durch regelmäßige Übung ändern lassen. Daher wurden bei den einzelnen Etappen Zeitspannen vorgegeben, bevor mit dem nächsten Kapitel begonnen wird.

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Das Gelernte soll zur Gewohnheit werden.

Der praktische Teil des Kapitels über Gewichtsreduktion ist für Menschen mit Übergewicht verfasst, wobei auch Menschen mit leichterem Übergewicht angesprochen sind. Die genaue Definition finden Sie im betreffenden Kapitel (siehe Seite 207).

Wenn Sie ein spezielles Kapitel nicht umsetzen können oder möchten, nehmen Sie sich das nächste Kapitel vor, da jede Maßnahme für sich bereits eine merkliche Verbesserung der Blutfette bewirkt. Um den bestmöglichen Effekt zu erreichen, empfehle ich Ihnen jedoch, möglichst alle hier beschriebenen Schritte abzuschließen.

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Schließen Sie möglichst alle beschriebenen Schritte ab.

Im Buch wird der Ausdruck „Blutfette“ gleichbedeutend mit „Lipide im Blut“ verwendet, was wissenschaftlich nicht ganz richtig ist, da Cholesterin einen anderen chemischen Aufbau zeigt als die „Fette“. Da sich dieser Ausdruck eingebürgert hat, wird er hier der Einfachheit halber nach dieser Definition benutzt.

Cholesterin – das Wichtigste in Kürze

Neue medizinische Informationen und aktuelle Erkenntnisse schaffen oft Unklarheit. Bei dem Thema Cholesterin werden sogar teilweise gegensätzliche Meinungen vertreten! Das Ergebnis: Weder der Laie noch (oft sogar) der Mediziner sind in der Lage, sich bei der Unmenge an Daten zum Cholesterin ein vollständiges und klares Bild zu verschaffen.

In den vergangenen Jahren wurden erstaunliche Erkenntnisse gewonnen, mit denen bereits im Vorfeld festgestellt werden kann, wer gefährdet ist. Dadurch können Maßnahmen ergriffen werden, um dieser häufig tödlichen Krankheit zuvorzukommen. Mit einem überschaubaren Aufwand können Sie Ihr Befinden, Ihre Fitness und vor allem Ihre Gesundheit effektiv und mit weniger Einschränkungen, als es früher möglich war, verbessern. Strenge und nicht schmeckende Diäten müssen nicht mehr eingehalten werden, denn heute weiß man, dass nicht das Weglassen von Nahrungsmitteln den Cholesterinspiegel senkt, sondern die richtigen Nahrungsmittel gewählt werden müssen.

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Strenge Diäten gehören der Vergangenheit an.

Cholesterin steht seit Langem im Mittelpunkt des Interesses, wenn es darum geht, Herzinfarkte, Schlaganfälle und weitere schwere Krankheiten zu vermeiden. Ein niedriger Cholesterinspiegel wurde lange als eine Art „Lebensversicherung“ verstanden. Heute wird das Cholesterin als einer von mehreren Faktoren angesehen, die erst im Zusammenspiel die Lebenserwartung verlängern oder verkürzen können. Die einfache Formel „niedriges Cholesterin = hohe Gesundheit“ gilt in dieser Form nicht mehr.

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Dank moderner Erkenntnisse über das Cholesterin benötigt man heute die früher üblichen strengen Diäten nicht mehr und ist obendrein sogar noch erfolgreicher damit.

Mittlerweile weiß man, wer von einer Cholesterinsenkung profitiert und wer nicht, wer aufgrund seiner Cholesterinwerte wirklich gefährdet ist und wer trotz höherer Cholesterinwerte kein erhöhtes Risiko aufweist. Darauf werden wir im Einzelnen an späterer Stelle noch eingehen. Sowohl ansonsten Gesunde mit einer erhöhten Risikokonstellation als auch Personen, die schon einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten haben, profitieren in hohem Maß von den in diesem Buch beschriebenen Maßnahmen zur Cholesterinsenkung. Denn dadurch lernen sie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen effektiv vorzubeugen, die Leistungsfähigkeit sowie das Wohlbefinden zu steigern und die Lebenserwartung bei guter Gesundheit zu verlängern.

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Mehr als 80 % aller Herzerkrankungen sind grundsätzlich vermeidbar.

Untersuchungen haben bewiesen, dass die in diesem Buch beschriebenen Maßnahmen wirken: Eine Studie aus dem Jahr 2004 mit 30.000 Teilnehmern belegte, dass rund 90 % aller Herzerkrankungen vermeidbar wären, wenn das vorhandene medizinische Wissen konsequent genutzt würde. Eine andere Untersuchung kommt bereits 2001 zu dem Resultat, dass über 80 % aller Herzinfarkte und Schlaganfälle vermieden werden könnten, wenn die aktuellen medizinischen Erkenntnisse im Alltag angewandt würden. Diese Fakten untermauern eindrucksvoll, welche immense Chance der moderne medizinische Fortschritt bietet. Eine Chance, die jeder nutzen kann, der sich entsprechend informiert und diese Erkenntnisse für sich nutzt.

1. WOCHE

Cholesterin – „Killer Nummer 1“ oder„Erfindung“?

Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie zunächst Ihren persönlichen „Status quo“ bestimmen, das heißt: Haben Sie erhöhte Cholesterinwerte? Welche Werte sind erhöht? Welches Ziel müssen Sie verfolgen? Gemäß einer alten Weisheit kann nur, wer ein festes Ziel hat, sich auf den Weg dorthin machen.

AUFGABE

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Wohlstand und Nahrung brachten neue Krankheiten mit sich.
Wie alles entstand

Anfang der 1960er-Jahre, als der Wohlstand in den industrialisierten Ländern bereits einige Zeit bestand, entwickelten sich Herzerkrankungen, besonders der Herzinfarkt, zum Hauptfeind der Gesundheit und zur Todesursache Nummer eins. Aktuell gehen genauso viele Todesfälle auf das Konto von Herzinfarkten und Schlaganfällen wie die in der Statistik nachfolgenden vier Todesursachen (Krebserkrankungen, Lungenkrankheiten, Unfälle, Demenz) zusammen. Fieberhaft versuchten Mediziner zu ergründen, warum sich diese Krankheiten epidemieartig ausbreiteten, obwohl es den Menschen doch endlich besser ging, da Hygiene, Nahrung und Komfort ein noch nie da gewesenes Niveau erreicht hatten.

Schon bald wurde klar, dass gerade in den neuen Lebensgewohnheiten die Ursachen zu finden waren. Ein Grund war und ist, dass früher Bewegung garantiert war, Nahrung nicht – während heute Nahrung garantiert ist, Bewegung aber nicht. Darüber hinaus gab es zu diesem Zeitpunkt etliche Theorien über die Gründe der lawinenartigen Zunahme von Herzinfarkten, aber keine wirklich überzeugende Ursache. Schließlich wurde ein Zusammenhang zwischen der Cholesterinhöhe im Blut, die man seit 1934 messen konnte, und dem Auftreten von Herzinfarkten gesehen.

Die Euphorie, endlich den Schuldigen für den Gesundheitsfeind Nummer eins gefunden zu haben, war so überwältigend, dass sich diese Meldung durch die Medien wie ein Lauffeuer verbreitete. Bald war das Cholesterin, das bis dahin kaum jemand kannte, in aller Munde; es folgten Empfehlungen, wie der Cholesterinspiegel zu senken sei – ohne vorher zu prüfen, ob diese Empfehlungen überhaupt zum Ziel führten. Man wollte mit Prüfungen keine Zeit verlieren, während Herzinfarkte weiter um sich greifen. Der Öffentlichkeit wurden Ungereimtheiten in der Cholesterinproblematik verschwiegen. Man tat so, als hätte man unumstößliche Beweise dafür, dass der Cholesterinspiegel die Hauptschuld an der Verbreitung von Herzinfarkten und der Arterienverkalkung (Arteriosklerose) trägt. Schließlich sollte die Öffentlichkeit sich auch konsequent an die Empfehlungen zur Cholesterinsenkung halten.

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Man gab dem Cholesterin zunächst die Hauptschuld an der Verbreitung von Herzinfarkten.

Dieser wichtige Hinweis soll die Rolle des Cholesterins weder abschwächen noch stützen. Er zeigt jedoch, wie die Sichtweise in der Bevölkerung und auch in Fachkreisen bis heute erheblich beeinflusst wurde. Ob dadurch auch die Fakten und die Cholesterinforschung selbst beeinflusst wurden, werden wir noch sehen.

Seither hat die Fülle an Daten und Studien enorm zugenommen und ist für den medizinischen Laien kaum zu überschauen. Sachliche und umfassende Informationen zum Thema Cholesterin sind schwer zu bekommen, da diese Thematik oft emotional, teilweise auch sehr einseitig dargestellt wird. Meistens bleiben entweder die Daten, die der Cholesterinhypothese widersprechen, unberücksichtigt oder es werden umgekehrt die Fakten, die für die Cholesterinhypothese sprechen, ausgelassen. Ich halte es für erforderlich, alle vorliegenden Daten zu berücksichtigen, um die Rolle des Cholesterins zu verstehen und angemessene Empfehlungen aussprechen zu können.

Neuere Erkenntnisse haben ergeben, dass frühere Empfehlungen unwirksam, teilweise sogar schädlich sind: Gesättigte (meist tierische) Fette in der Nahrung erhöhen den Cholesterinspiegel stärker als das Cholesterin in der Nahrung selbst. Außerdem kann die lange propagierte kohlenhydratreiche und fettarme Ernährung nach jetzigen Erkenntnissen nicht mehr empfohlen werden kann.

Das Aufkommen cholesterinsenkender Medikamente warf sehr bald die Frage auf, wer von solchen Medikamenten profitiert und wer nicht. Dabei nutzt vielen eine nicht medikamentöse Cholesterinsenkung, vor allem, wenn noch keine Medikamente erforderlich sind. Zum Teil haben die wirksamen Medikamente sogar dazu geführt, dass die nicht medikamentösen Maßnahmen zu Unrecht in den Hintergrund gerieten. Mehrere Faktoren haben dies begünstigt:

Die neueren Medikamente, vor allem die sogenannten Statine, auf die später noch genauer eingegangen wird, sind so wirksam, dass andere Maßnahmen für unnötig gehalten wurden.

Die Schulung von Patienten – und allgemein der Bevölkerung – in den cholesterinsenkenden Maßnahmen ist aufwendig und beansprucht mehrere Stunden, sodass solche Unterweisungen kaum zur Verfügung stehen.

Weiterhin erweckt die Fehlinterpretation einiger Studien den Eindruck, als würde nahezu jedermann von einer medikamentösen Cholesterinsenkung profitieren und als wären daher andere Maßnahmen unnötig.

All dies hat zur Folge, dass die wissenschaftlich gut gesicherten nicht medikamentösen Maßnahmen der Cholesterinsenkung wenig verbreitet sind – obwohl das Interesse an solchen Maßnahmen, die frei von Nebenwirkungen und Risiken sind, sehr groß ist, wie die tägliche Arbeit mit Patienten zeigt. Ebenso groß ist der Wunsch nach sachlichen Informationen, um selbst aktiv zur Senkung des Cholesterins beitragen zu können. In diesem Buch werden beide Aspekte ausführlich erläutert und neben dem wichtigen theoretischen Rüstzeug auch die erforderlichen praktischen Anleitungen vermittelt, sodass Sie das erworbene Wissen auch anwenden können.

Die Normwerte für den Cholesterinspiegel sanken seit den 1960ern bis heute stetig: 60er-Jahre: bis 300 Milligramm pro Deziliter (mg/dl), 80er-Jahre: bis 250 mg/dl, heute: unter 200 mg/dl.

Wie unterscheiden Sie gesicherte Fakten von Spekulationen über Cholesterin?

Daten und Statistiken zum Thema Cholesterin sind inzwischen nahezu unüberschaubar geworden, erst die Gesamtschau aller Informationen erlaubt gesicherte Schlüsse. Da die Forschung weitergeht, ist auch in Zukunft mit neuen Daten und Behauptungen zu rechnen.

Wer sich näher mit der Cholesterinthematik befasst, wird mit verschiedenen Studien konfrontiert werden. Studien dienen – ähnlich wie Versuche, die Sie aus der Schulzeit kennen – dazu, eine bestimmte Fragestellung wissenschaftlich objektiv zu klären. Unser Wissen darüber, welche Medikamente nützen und welche nicht und selbst über die Ursachen vieler Erkrankungen erhalten wir, wie in jeder Naturwissenschaft, über Versuche und Beobachtungen. Solche Versuche werden in der Medizin Studien genannt. Im einfachsten Fall erhalten z. B. 1000 Personen, die sich dazu bereit erklären, ein bestimmtes Mittel und 1000 Personen ein Scheinmedikament, auch Placebo genannt.

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Neue Verfahren müssen sich in der Praxis in Studien beweisen – die Ergebnisse sind oft überraschend.

Natürlich dürfen weder Proband noch Arzt wissen, ob der Einzelne das Medikament oder das Placebo erhält, denn sonst könnte dieses Wissen Empfinden und Verhalten und damit den Versuchsausgang beeinflussen. Dieses Vorgehen wird „doppelblind“ genannt, da sowohl Versuchsperson als auch Versuchshelfer „blind“ sind, und stellt ein wichtiges Qualitätsmerkmal einer Studie dar.

Handelt es sich um ein Medikament, das den Cholesterinwert senken soll, wird nach einer gewissen Zeit in beiden Gruppen der Cholesterinwert gemessen und verglichen. Aber nicht nur der Cholesterinwert ist wichtig, sondern – wie wir noch sehen werden – auch die Anzahl an Herzinfarkten und ganz wesentlich auch die Lebenserwartung in jeder Gruppe. Denn ein Medikament könnte zwar den Cholesterinwert senken, aber nicht das Herzinfarktrisiko und die Sterblichkeit. Grundsätzlich könnte es sogar den Cholesterinwert senken, aber die Herzinfarktrate und die Sterblichkeit erhöhen.

Solche Beispiele gibt es sehr häufig in der Medizin. So wurden bis in die 1980er- und den Anfang der 90er-Jahre bestimmte Herzrhythmusstörungen nach einem Herzinfarkt mit Medikamenten behandelt. Man wusste, dass schwere Herzrhythmusstörungen für diese Patienten lebensgefährlich werden können. Die Beschwerden wurden eindrucksvoll gebessert, sodass niemand daran zweifelte, dass diese Medikamente, Antiarrhythmika genannt, auch etwas Gutes bewirkten.

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Studien müssen auch die Lebenserwartung untersuchen.

In einer Studie wurde schließlich nicht nur die Wirkung der Antiarrhythmika auf die Herzrhythmusstörungen, sondern auch auf die Sterblichkeit untersucht. Das Ergebnis verblüffte die Fachwelt: In der Gruppe, die Antiarrhythmika bekam, lag die Sterblichkeit sage und schreibe rund dreimal höher als in der Gruppe ohne diese Medikamente – und das, obwohl die Personen, die Antiarrhythmika nahmen, viel weniger Herzrhythmusstörungen aufwiesen. Der Grund: Unter der Behandlung traten zwar insgesamt viel seltener, dafür aber häufiger lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen sowie tödliche Herzinfarkte auf.

Diese und viele andere Beispiele aus der Medizin zeigen, dass schlussendlich die Wirkung eines Medikamentes auf das eigentliche Behandlungsziel, meistens auf die Lebenserwartung, untersucht werden muss und nicht seine Wirkung auf z. B. Herzrhythmusstörungen oder den Cholesterinspiegel (sogenannte Surrogat-Parameter). Auch wenn die Wirkung „logisch“ erscheint, zeigt das genannte Beispiel, dass es trügerisch und gefährlich sein kann, auf den endgültigen Beweis auf die Lebenserwartung zu verzichten. Leider wird dieser feine, aber ganz entscheidende Unterschied sehr häufig gerade in der Cholesterindebatte vernachlässigt.

Wo gute Studien fehlen, ist Platz für Spekulationen. Das ist der Grund, warum die Medizin Beweise für die Wirkung einer Therapie verlangt, bevor sie allgemein empfohlen wird. Der Beweis muss in der „harten Realität“ mittels wissenschaftlich sauberer Studien erbracht werden.

Der Zusammenhang zwischen Cholesterin und Herzinfarkt

Aber was bedeutet nun ein hoher Cholesterinspiegel? Welche Gefahr geht davon aus und welche nicht? Die Meinungen darüber, welcher Anteil dem Cholesterin bei der Entstehung des Herzinfarktes zukommt, gehen auch heute noch auseinander. Häufig wird bezweifelt, dass Cholesterin überhaupt die Lebenserwartung verkürzt. Sie sehen: Es genügt nicht, sich auf die Meinung der Mehrheit zu beziehen – man muss die Daten, die vorhanden sind, heranziehen, um sich eine eigene begründete Meinung zu bilden.

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Bilden Sie sich eine begründete Meinung.

Die Voraussetzungen, um einen Zusammenhang zwischen dem Cholesterinspiegel und den Herzinfarkten herzustellen, waren bereits seit 1934 gegeben, als sich das Cholesterin im Blut zuverlässig bestimmen ließ. Herzinfarkte konnten seit 1918 mittels Elektrokardiogramm (EKG) zumindest in vielen Fällen diagnostiziert werden.

Ende der 40er-Jahre rückten in den industrialisierten Ländern, allen voran den USA, Erkrankungen aufgrund einer Arteriosklerose, landläufig Arterienverkalkung genannt, an die Spitze der Todesursachen. Ohne direkten ersichtlichen Grund begann sich vor allem der Herzinfarkt in Windeseile zu verbreiten. Es begann die fieberhafte Suche nach der Ursache des „Killer Nummer 1“, dem Herzinfarkt.

Viele der heutigen Erkenntnisse verdanken wir einer amerikanischen Kleinstadt namens Framingham, in der 1948 eine groß angelegte Studie begonnen wurde. 5209 Einwohner beteiligten sich daran, die Ursache für die hohe Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den USA zu ergründen. Durch diese bahnbrechende Studie erlangte die Kleinstadt großen Ruhm. Da die Auswirkungen verschiedener Lebensumstände auf die Gesundheit oft erst nach vielen Jahren und sogar Jahrzehnten zum Vorschein kommen, werden bis heute Daten aus dieser Bevölkerung gesammelt. 1971 wurden die Kinder der ersten Probanden in die Studie mit einbezogen (5124); sie verlief also über zwei Generationen.

In der Auswertung nach einer Zeitspanne von 30 Jahren lag die Sterblichkeit bei den unter 50-Jährigen umso niedriger, je niedriger der Cholesterinspiegel war. Ein um 10 mg/dl höherer Cholesterinspiegel erhöhte die Sterblichkeit um 5 % und das Risiko einer tödlichen Herzerkrankung um 9 %. Bereits in dieser Gesamtheit der Individuen (Population) wirkte sich schon eine relativ geringe Senkung des Cholesterins deutlich auf das persönliche Herzinfarktrisiko und auf die Lebenserwartung aus. Aber nicht alle Resultate passten so gut zur Lehrmeinung über das Cholesterin. So war bei den über 50-Jährigen kein solcher Zusammenhang mehr zu erkennen. Das muss aber nicht zwangsläufig bedeuten, dass ein erhöhter Cholesterinspiegel bei den über 50-Jährigen nicht mehr das Risiko für Herzinfarkte erhöht.

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Bei über 50-Jährigen gab es keinen Einfluss von Cholesterin auf die Sterblichkeit.

Möglicherweise gehen bestimmte schwere Krankheiten, wie Krebserkrankungen, die oft zur Auszehrung der Erkrankten führen, mit einem niedrigen Cholesterinspiegel einher. So könnten sich in der Gruppe der Personen mit niedrigem Cholesterinspiegel mehr schwer kranker Personen befinden als in der Gruppe der Personen mit höherem Cholesterinspiegel. Das könnte den schützenden Effekt eines niedrigen Cholesterinspiegels auf das Herz-Kreislauf-System aufheben.

Diese und andere Daten, die Anlass zur Kritik seitens der Cholesterinzweifler gaben, wurden in der Öffentlichkeit tatsächlich kaum diskutiert. Veröffentlicht wurden zumeist Deutungen, die in das damals geltende wissenschaftliche Bild passten. Fest steht, dass die Framingham-Studie Fragen offen ließ und sie in der Öffentlichkeit zum Teil einseitig als Beleg für die schädliche Wirkung des Cholesterins aufgeführt wurde, ohne wirklich alle Resultate zu würdigen. Erst weitere Studien konnten mehr Licht in diesen Sachverhalt bringen. Eine spätere Analyse der Framingham-Studie aus dem Jahr 1993 offenbarte zwar einen positiven Zusammenhang zwischen dem Cholesterinspiegel und dem Risiko, an einer Herzerkrankung zu sterben für 40- bis 60-Jährige, nicht aber für über 70-Jährige. Wohlgemerkt sprechen wir hier vom Gesamtsterberisiko, denn das Herzinfarktrisiko nahm auch hier mit ansteigendem Cholesterinspiegel merklich zu, nicht jedoch die Gesamtsterblichkeit.

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Framingham zeigt: Niedriges Cholesterin = bessere Lebenserwartung stimmt nicht immer.

Während die Framingham-Studie also zeigte, dass mit ansteigendem Cholesterinspiegel Herzinfarkte häufiger auftreten, wurde an dieser Stelle nicht bewiesen, dass eine Senkung des Cholesterinspiegels die Lebenserwartung erhöht.

Ancel Keys, einer der bekanntesten Pioniere in der Cholesterin-forschung, unternahm ab 1958 eine bedeutende Untersuchung, bei der die Häufigkeit von Herzkrankheiten in sieben verschiedenen Ländern erfasst und mit dem Cholesterinspiegel sowie den Ernährungsgewohnheiten der jeweiligen Bevölkerung in Zusammenhang gebracht wurde. In dieser „7-Country-Study“ genannten Untersuchung wurde die, für damalige Verhältnisse, erstaunliche Zahl von 12.763 Männern aus den USA, Italien, Griechenland, Japan, Finnland, Serbien und den Niederlanden untersucht und beobachtet. Die Unterschiede zwischen den sieben Ländern waren verblüffend: Als Land mit der höchsten Sterblichkeit am Herzinfarkt stellte sich Finnland mit 972 pro 10.000 Personen heraus und wies damit eine achtmal höhere Sterblichkeit am Herzinfarkt als Griechenland auf, das mit 120 pro 10.000 Personen das geringste Risiko zeigte.

Was war der Grund für diese erstaunlichen Unterschiede? Zu dieser Zeit, und noch lange danach, galt ein hoher Fettkonsum allgemein als schädlich. Es überraschte zunächst, dass die Fettmenge, die im Durchschnitt täglich verzehrt wurde, für Griechenland und Finnland etwa gleich hoch lag, nämlich bei ca. 40 % der täglichen Kalorienmenge. Die Lösung für diesen scheinbaren Widerspruch lag nicht in der Fettmenge, sondern in der Fettart. Die Griechen bevorzugten einfach ungesättigte Fette, vor allem aus Olivenöl. Diese machten 29 % der Fettmenge aus. Dagegen lag die Menge an gesättigten Fetten bei nur 8 %. In Finnland wurden überwiegend gesättigte Fette (22 %) und nur wenig ungesättigte (14 %) verzehrt – ein wichtiger früher Hinweis darauf, dass nicht die Fettmenge, sondern ihre Zusammensetzung über kranke oder gesunde Arterien entscheidet. In diesem Fall weisen die einfach ungesättigten Fette aus Olivenöl tatsächlich einen schützenden Effekt auf. Diese Beobachtung führte übrigens zur Popularität der Mediterranen Kost (siehe auch S. 78).

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Je mehr ungesättigte Fette, desto weniger Herzinfarkte.

Schon zu diesem Zeitpunkt – also vor über 50 Jahren – fanden sich Hinweise auf den Zusammenhang zwischen erhöhtem Cholesterinspiegel und Herzinfarkt, aber keine sicheren Beweise, denn zu viele andere Faktoren könnten diese Ergebnisse verursacht haben.

Der nächste Schritt erschien logisch: Wenn auf der einen Seite zu viel Cholesterin Herzinfarkte verursachte, müsste auf der anderen Seite eine Senkung des Cholesterins das Herzinfarktrisiko vermindern. Wenn außerdem eine Studie nachweist, dass eine bestimmte cholesterinsenkende Ernährung die Sterblichkeit reduziert, wäre damit der Durchbruch erreicht. Zu diesem Zweck wurde 1959 den Patienten zweier finnischer psychiatrischer Krankenhäuser eine cholesterinsenkende Diät mit einem niedrigen Anteil an gesättigten Fetten und Cholesterin sowie einem relativ hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fetten verabreicht. Die Patienten im zweiten Krankenhaus erhielten die dort übliche Kost. Nach sechs Jahren wurde in beiden Krankenhäusern die Kost getauscht. Es zeigte sich, dass unter der cholesterinsenkenden Kost erwartungsgemäß der Cholesterinspiegel der Patienten merklich abfiel. Was noch wichtiger war: Es ergaben sich auch Hinweise darauf, dass unter der cholesterinsenkenden Diät weniger Herzerkrankungen auftraten, was der damals noch jungen Cholesterinhypothese als Ursache von Herzinfarkten einen ziemlichen Auftrieb gab.

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Einfach ungesättigte Fette lassen den Cholesterinspiegel sinken.

Nun waren das bislang nicht mehr als Hinweise, sicher keine Belege, auf die man eine Behandlung oder Empfehlungen aufbauen kann. Um eindeutig zu beweisen, dass eine Cholesterinsenkung mittels Ernährungsumstellung das Herzinfarktrisiko reduziert, wäre eine groß angelegte Untersuchung mit einer großen Personenzahl notwendig gewesen. Das erschien dem National Heart & Lung Institute (NHLI) als zu teuer und schwer durchführbar. Stattdessen wurde die „Multiple Risk Factor Intervention Trial Study“ (MRFIT-Studie) in den USA realisiert: 1972 wurden 85.773 Männer untersucht; anhand der Risikofaktoren Cholesterin, Blutdruck und Rauchen wurden 15 % der Männer (= 12.866) mit dem höchsten Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, für die Studie ausgewählt. Die Teilnehmer im Alter von 35 bis 57 Jahren wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei gleich große Gruppen eingeteilt. Die erste erhielt ein spezielles Gesundheitsprogramm: eine cholesterinsenkende Diät, kein Nikotin, zusätzlich wurde der Blutdruck konsequent behandelt. Der zweiten Hälfte der Teilnehmer wurde keine dieser Maßnahmen zuteil.

Nach sieben Jahren prüften die Wissenschaftler, wie viele Menschen in jeder Gruppe an einer Erkrankung der Herzkranzgefäße verstorben waren. Unter der Behandlung lag die Sterblichkeit bei 17,9 von 1000, ohne die genannte Behandlung mit 19,3 pro 1000 höher. Doch überraschenderweise fiel das Ergebnis bei Betrachtung der Gesamtsterblichkeit ganz anders aus: Sie lag bei 41,2 pro 1000 in der Behandlungsgruppe gegenüber 40,4 pro 1000 in der Vergleichsgruppe. Was die Herzinfarktsterblichkeit angeht, blieb das Ergebnis deutlich unter den Erwartungen, aber das Resultat der Gesamtsterblichkeit enttäuschte ohne Zweifel. Letztlich hinterließ die Studie anstelle der erhofften Bestätigung weiterhin viel Spielraum für Spekulationen zugunsten und auch gegen die Bedeutung des Cholesterins.

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Studienergebnisse enttäuschten.

Nicht nur in Amerika, auch in Deutschland wurden große Anstrengungen unternommen, um das Rätsel des Herzinfarktes zu entschlüsseln. In den 1970er-Jahren startete die aufsehenerregende deutsche „Prospective Cardiovascular Munster Study“ (PROCAM-Studie). Ab dem Jahr 1978 wurden für diese Studie 50.000 Teilnehmer – 31.376 Männer und 18.624 Frauen – im Alter von 16 bis 65 Jahren rekrutiert. Als wichtige Ergebnisse stellten sich mehrere beeinflussbare Risikofaktoren für Herzinfarkte heraus: das „böse“ LDL-Cholesterin sowie die Triglyceride, also die Neutralfette, die bis dahin, teilweise auch noch heute, wenig Beachtung gefunden hatten. Ebenso bestätigten sich Rauchen, Bluthochdruck und der Diabetes mellitus als Risikofaktoren. Ein hohes HDL-Cholesterin ließ das Herzinfarktrisiko sinken, eine wichtige Erkenntnis, die vielfach bestätigt wurde. Schon an dieser Stelle wurde deutlich, dass es nicht reicht, nur das Gesamt-cholesterin oder das LDL-Cholesterin zu senken, sondern auch die Triglyceride und das HDL-Cholesterin.

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Deutsche PROCAM-Studie: Triglyceride als Risikofaktor.

Bei niedrigem Cholesterinspiegel sollte, so glaubte man, die Lebenserwartung besonders hoch liegen – die Wirklichkeit zeigte etwas anderes: Bei einem niedrigen Anfangscholesterinspiegel wurde eine höhere Sterblichkeit beobachtet. Bei näherer Betrachtung war dies auf eine bei Rauchern beobachtete höhere Krebsrate mit niedrigem Cholesterinspiegel zurückzuführen. Da nach über zehn Jahren Beobachtungsdauer ein solcher Zusammenhang nicht mehr vorhanden war, sprechen die Daten dafür, dass eine vorbestehende, noch nicht festgestellte Krebserkrankung in der Gruppe der Raucher einen niedrigeren Cholesterinspiegel bewirkt hatte. Wäre der niedrige Cholesterinspiegel die Ursache für die höhere Zahl an Krebserkrankungen, müsste sich dieser Zusammenhang auch nach zehn Jahren abzeichnen, sogar dann besonders stark, was jedoch nicht der Fall war.

Fazit

Schon anhand der größeren Studien, die in den 1970er-Jahren vorlagen, lässt sich absehen, dass der Zusammenhang zwischen Cholesterin und Herzinfarkt nicht so einfach ist, wie oft dargestellt:

In der Framingham-Studie ließ sich eine Verbindung zwischen dem Cholesterin und dem Herzinfarktrisiko nicht in jeder Altersgruppe erkennen.

In der MRFIT-Studie verbesserte eine Behandlung mit dem Ziel, das Cholesterin mittels der Ernährung zu senken, nicht die Lebenserwartung.

Auch in der deutschen PROCAM-Studie passte die hohe Sterblichkeit bei niedrigem Cholesterin nicht in das bisherige Bild. Wenn man sich einen Cholesterinwert aussuchen könnte, sollte man sich nach dieser Studie nicht einen besonders niedrigen Wert aussuchen, da dieser mit einer schlechteren Lebenserwartung verbunden war.

Demnach genügt es nicht, dass der Cholesterinspiegel mit einem Medikament sinkt, denn damit wird nicht automatisch auch das Risiko für Herzinfarkte u. a. reduziert oder gar die Lebenserwartung gesteigert. Andere, teilweise unbekannte Effekte dieser Medikamente könnten z. B. das Risiko für andere Erkrankungen steigern und damit die Wirkung der Cholesterinsenkung vereiteln. Wir werden sehen, dass tatsächlich nicht alle Medikamente, die den Cholesterinspiegel senken, auch eine Verbesserung des Risikos oder der Lebenserwartung erzielen.

Das erste Medikament, das zur Cholesterinsenkung eingesetzt wurde, das Cholestyramin, reduziert den LDL-Cholesterinspiegel. Dementsprechend erwartete man, dass unter dieser Substanz weniger Herzinfarkte auftreten und sich damit die Lebenserwartung erhöht. Folglich wurde das Mittel häufig verschrieben. Die Substanz fördert im Darm die Gallensäureausscheidung und bewirkt so, dass Cholesterin verstärkt zu Gallensäuren verstoffwechselt wird, wodurch der Cholesterinspiegel sinkt.

So viel als Vorbemerkung. Nun sollte Anfang der 70er-Jahre dieses Mittel zeigen, dass sich Herzinfarkte vermeiden und die Lebenserwartung durch eine medikamentöse Cholesterinsenkung erhöhen lassen. Dazu wurde vom amerikanischen National Institute of Health (NIH) eine Studie mit 3806 Männern, die einen deutlich erhöhten Cholesterinspiegel über 265 mg/dl, aber keine manifeste Herzerkrankung boten, durchgeführt. In üblicher Weise erhielt die Hälfte der Teilnehmer das cholesterinsenkende Medikament Cholestyramin, die andere Hälfte ein Scheinmedikament (Placebo) zusätzlich zu einer moderaten Diät. Über eine recht lange Zeit von im Mittel 7,4 Jahren wurden die Teilnehmer beobachtet.

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Cholestyramin: weniger Cholesterin, weniger Herzinfarkte, aber gleiche Lebenserwartung.

1984 wurden die mit Spannung erwarteten Resultate der Öffentlichkeit vorgestellt: In der Behandlungsgruppe traten signifikant weniger Herzinfarkte auf: 7 % gegenüber 8,6 %. Nun hat man schon in den bisherigen Studien die Erfahrung gemacht, dass ein niedriger Cholesterinspiegel keine Garantie für eine bessere Lebenserwartung ist. Als die Lebenserwartung in beiden Gruppen verglichen wurde, sah man, dass sie nahezu gleich ausfiel – zahlenmäßig verstarben sogar unter der Behandlung mehr Personen als ohne Cholesterinsenker (71 in der Behandlungs-, 68 in der Vergleichsgruppe). Das gab natürlich Anlass zu Interpretationen in alle Richtungen. Während die Befürworter der Cholesterinhypothese das sinkende Risiko für Herzinfarkte betonten und sogar damit aufbauschten, dass die Senkung um 1,6 % eine 19%ige Verbesserung bedeutet, wurde von anderer Seite die praktisch gleiche Lebenserwartung als Argument gegen die Cholesterinhypothese genutzt. Die Kritiker sagten: Das LDL-Cholesterin ging um gut 20 % zurück, es traten weniger Herzinfarkte auf, aber verstorben sind viele mit und ohne Medikament – lohnt es sich dafür, täglich mehrere Beutel von diesem Mittel einzunehmen?

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Senkung des Cholesterins und der Herzinfarktrate erhöhen nicht automatisch die Lebenserwartung.

Die wichtigste Lehre ist, dass eine Cholesterinsenkung und auch eine Senkung der Herzinfarktrate nicht automatisch auch die Lebenserwartung erhöht. Heißt das, dass es sinnlos ist, einen erhöhten Cholesterinspiegel zu behandeln? Sicher nicht, aber es muss deutlich unterschieden werden, wann und mit welchen Medikamenten eine Cholesterinsenkung auch eine Verbesserung bringt und welche Personen genau von einer Cholesterinsenkung profitieren. Auf keinen Fall darf es in der Debatte um das Cholesterin heißen: „Je tiefer der Wert, desto besser“.

Nun ist die Forschung zum Glück nicht Anfang der 80er-Jahre mit dieser Studie stehen geblieben. Die bis zu dieser Zeit durchgeführten Untersuchungen erklären, warum viele Menschen, die sich genauer mit den Daten beschäftigt hatten, die allgemein als unumstößlich dargelegte Lehrmeinung kritisierten. Die offenen Fragen und Rätsel, die von diesen Studien ausgingen, blieben der Öffentlichkeit weitgehend verborgen.

Ende der 80er-Jahre kam ein weiteres Medikament, das Gemfibrozil, auf den Markt, ein älterer Cholesterinsenker aus der Gruppe der sogenannten Fibrate, die übrigens derzeit ein kleines Comeback erleben. Bei 4081 Männern im Alter von 40 bis 55 Jahren mit einem Nicht-HDL-Anteil (d. h. Gesamtcholesterin minus HDL-Cholesterin) über 199 mg/dl wurden in der „Helsinki-Herz-Studie“ die Auswirkungen einer Cholesterinsenkung mit diesem Mittel überprüft. Auch hierbei ging, ähnlich wie in der vorhergehenden Studie, unter dem Medikament die Zahl an Herzerkrankungen zurück (2,7 % gegenüber 4,1 %), aber erneut ließ sich bei der Lebenserwartung kein signifikanter Unterschied feststellen.

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Fibrate: Weniger Herzinfarkte, aber erneut gleiche Lebenserwartung.

Ähnlich, wie in der zuvor genannten Studie, wurde unter dem Medikament nach 8,5 Jahren eine tendenziell höhere Sterblichkeit festgestellt (101 gegen 83 Todesfälle). Für beide Substanzen ging also die Cholesterinsenkung mit einem verringerten Herzinfarktrisiko einher, ohne die Lebenserwartung damit messbar zu verlängern. Wenn das Risiko für Herzinfarkte zurückgeht, sich die Lebenserwartung aber nicht verändert, heißt das, dass andere relevante Erkrankungen unter der Behandlung häufiger auftreten müssen. Das ließ sich in diesen Untersuchungen nicht eindeutig klären, aber der Verdacht lag zunächst nahe. Auch diese Befunde wurden so kaum in der Öffentlichkeit bekannt. Weiterhin galt trotz allem – inzwischen schon im Jahr 1987 angelangt – die Cholesterinthese als unumstößliche Grundwahrheit.

Nachdem auch ein drittes Fibrat (Clofibrat), wie die zwei vorherigen, das Cholesterin zwar senkte, aber eine um 25 % erhöhte Sterblichkeit zur Folge hatte, konnte nicht mehr von einem Zufall ausgegangen werden.

Der Durchbruch in der Cholesterinbehandlung

1987 war es endlich soweit: Eine neue Medikamentengruppe zur Cholesterinsenkung kam auf den Markt – Statine, die noch heute die Hauptrolle in der Behandlung spielen. Die erste dieser Substanzen war Lovastatin.

Längst war ein erhöhter Cholesterinspiegel als Risikofaktor für Herzinfarkte anerkannt und gefürchtet – die bis dahin vorliegenden uneinheitlichen Ergebnisse, vor allem was die Gesamtsterblichkeit in den Studien anging, blieben in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. In die neuen Medikamente wurden hohe Erwartungen gesetzt, denn sie senkten das LDL-Cholesterin stärker als es bis dato möglich war: um etwa 30 % – moderne Statine schaffen bis zu 60 % – und damit viel stärker als alle bisher verfügbaren Substanzen. Deshalb wurden die ersten Studien mit der neuen Medikamentenklasse mit großer Spannung erwartet. Eins hatte man aus den bisherigen Studien schon gelernt: Aus einer guten Senkung des Cholesterins kann nicht automatisch auch eine Lebensverlängerung abgeleitet werden.

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4-S-Studie: Weniger Herzinfarkte und Verbesserung der Lebenserwartung.

Die Ergebnisse der ersten „Megastudie“ mit einem Statin wurden 1994 veröffentlicht, nachdem über im Mittel 5,4 Jahre 4444 Teilnehmer mit einer Erkrankung der Herzkranzgefäße und einem Cholesterinwert von 212 bis 309 mg/dl behandelt wurden. Fachwelt wie Betroffene konnten aufatmen, denn zum ersten Mal wurde in einer bedeutenden Studie nicht nur ein Rückgang der Herzinfarkte von 28 auf 19,4 % nachgewiesen, auch die Sterblichkeit sank von 11,5 auf 8,2 % signifikant. Die „Scandinavian Simvastatin Survival Study“ (kurz: 4-S-Studie genannt) wurde damit zum Meilenstein in der bis dahin schon über vier Jahrzehnte dauernden modernen Cholesterinforschung.

Es schien gesichert, dass Personen mit deutlich erkennbarer Erkrankung der Herzkranzgefäße – z. B. nach einem Herzinfarkt – von einer Cholesterinsenkung profitieren. Wie sieht es aber mit den Menschen ohne nachgewiesene Herzerkrankung, aber mit hohem Cholesterinspiegel aus? Sollten sie auch einen modernen Cholesterinsenker erhalten und wenn ja, ab welchem Cholesterinwert?

Dieser Frage ging die nur ein Jahr später veröffentlichte „West of Scotland Primary Prevention Study“ (WOSCOP-Studie) nach. Sie schloss 6595 Männer im Alter von 45 bis 64 Jahren mit erhöhtem Cholesterinspiegel von im Mittel 272 mg/dl ein. Die Teilnehmer erhielten den Cholesterinsenker Pravastatin oder ein Scheinmedikament (Placebo) und wurden im Durchschnitt über 4,9 Jahre beobachtet. Würde sich hier das bei den älteren Cholesterinsenkern auftretende Desaster wiederholen? 1995 wurden die Ergebnisse endlich veröffentlicht: In der Gruppe, die kein Medikament erhielt, kamen 248 Herzinfarkte vor. In der Gruppe, die Medikamente bekamen, gab es 174 Herzinfarkte, und es traten 22 % weniger Todesfälle auf. Damit war zum ersten Mal in einer qualitativ guten Untersuchung der Nachweis gelungen: Eine Cholesterinsenkung verhindert auch bei sonst gesunden Personen mit deutlichem Risiko für Herzerkrankungen und erhöhtem Cholesterinspiegel nicht nur Herzinfarkte, sondern erhöht auch die Lebenserwartung.

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Studienergebnis: Bessere Lebenserwartung unter Statinen.

Das Ergebnis belegt, dass Patienten mit Erkrankungen der Herzkranzgefäße und hohem Cholesterinspiegel mit Statinen eine bessere Lebenserwartung und weniger Herzinfarkte aufweisen. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass auch gesunde Personen unter relevantem Risiko mit hohem Cholesterinspiegel von Statinen profitieren.

Nur ein Jahr später trauten sich die Forscher einen Schritt weiter und untersuchten, ob auch Patienten nach einem Herzinfarkt, aber mit normalen Cholesterinwerten, von einer Statingabe profitieren. Dazu wurde eine weitere große Studie („Cholesterol and Recurrent Events Study“, CARE-Studie) unternommen. Interessanterweise traten bei den Personen, die mit einem Statin behandelt wurden – obwohl sie keinen erhöhten Cholesterinspiegel aufwiesen –, signifikant weniger Herzinfarkte auf. Die Lebenserwartung selbst wurde etwas verbessert, konnte aber nicht sicher bewiesen werden. Dennoch brachten diese drei Studien nach Jahrzehnten voller unbefriedigender Befunde einen beträchtlichen Fortschritt in der Vorsorge von Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Krankheiten.

Bis dahin standen nur das Gesamtcholesterin und das LDL-Cholesterin im Brennpunkt des Interesses. Aber was war mit dem HDL-Cholesterin, also den Lipoproteinen hoher Dichte? Es war inzwischen bekannt, dass ein niedriges HDL-Cholesterin das Risiko für Herzinfarkte erhöht, und zwar umso mehr, je niedriger das HDL liegt. In einer weiteren Etappe galt es herauszufinden, ob Statine auch bei Personen mit durchschnittlichen Werten für das LDL und das Gesamtcholesterin, aber mit niedrigem HDL, helfen.

In der dazu konzipierten großen „Air Force/Texas Coronary Atherosclerosis Prevention Study“ (AFCAPS/TexCAPS-Studie), an der 5608 Männer und 997 Frauen beteiligt waren, erhielten alle Teilnehmer eine Diät mit reduziertem Anteil an Cholesterin und gesättigten Fettsäuren. Zusätzlich bekam die Hälfte der Probanden entweder ein Statin (Lovastatin) oder ein Scheinmedikament (Placebo). Im Mittel wurden die Studienteilnehmer über 5,2 Jahren beobachtet. Die gute Nachricht war, dass unter dem Medikament deutlich weniger schwere Herzerkrankungen auftraten. Das Unternehmen erhielt aber einen merklichen Dämpfer, da in der Lovastatin-Gruppe 80 Todesfälle auftraten, in der Vergleichsgruppe ohne Medikament aber nur 77 – ein nicht zu beweisender Unterschied, der einmal mehr die Grenzen der Cholesterinsenkung zeigte.

Die größte Studie überhaupt, die jemals im Zusammenhang mit Cholesterin unternommen wurde, befasste sich nicht etwa wieder mit Personen, die sehr hohe Cholesterinwerte aufwiesen. In dieser Megastudie, als „Heart Protection Study“ (HPS) bezeichnet, wurden sogar Teilnehmer mit niedrigen Cholesterinwerten von 116 mg/dl eingeschlossen. Diese Studie wollte beweisen, dass die Teilnehmer, unabhängig vom LDL-Cholesterinwert, mit einem Statin als Cholesterinsenker weniger Herzinfarkte und sogar eine höhere Lebenserwartung zeigten im Vergleich zu den Teilnehmern, die kein Statin erhielten. Es musste sich nur um Personen mit einem hohen Risiko handeln. Also Personen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten hatten oder eine andere Krankheit der Arterien oder die einen Diabetes mellitus aufwiesen. Sollte sich diese Vermutung bewahrheiten, müssten demnach alle Menschen mit diesen Erkrankungen auch ohne hohes Cholesterin einen solchen Cholesterinsenker bekommen.

Im Jahr 2002, nachdem die stattliche Anzahl von 20.536 Personen über fünf Jahre untersucht wurde, stand das Ergebnis fest: Mit dem Medikament Simvastatin starben 5,7 % gegenüber 6,9 % ohne dieses Mittel an Herzerkrankungen – ein signifikantes Ergebnis. Die Gesamtsterblichkeit – bei vielen Cholesterinstudien die Krux – lag ohne diese Substanz bei 14,7 %, mit dem Medikament bei 12,9 %, ein ebenso aussagekräftiges Resultat.

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Bei niedrigem Cholesterinspiegel trotzdem Cholesterinsenker? Bei sehr hohem Risiko: Ja!

So verblüffend das Ergebnis zuerst erscheint, es zeigt eindrucksvoll, dass nicht nur der Cholesterinwert entscheidet, sondern vor allem das Gesamtrisiko.

Dass dieses Ergebnis nicht aus dem Rahmen fällt, bewies eine weitere groß angelegten Studie, die „Anglo-Scandinavian Cardiac Outcomes Trial-Lipid Lowering Arm Study“ (ASCOT-LLA-Studie), an der 19.342 Personen mit zusätzlich drei Risikofaktoren und einem Cholesterinwert unter 250 mg/dl teilnahmen. Nach fünf Jahren traten bei den Teilnehmern unter dem Medikament Atorvastatin 100 Herzinfarkte oder Todesfälle infolge einer Erkrankung der Herzkranzgefäße auf gegenüber 154 in der Vergleichsgruppe. Die Gesamttodesfälle betrugen 185 in der Behandlungsgruppe gegenüber 212 in der Kontrollgruppe. Auch Schlaganfälle kamen seltener vor.

Etliche Fragen wurden in den Studien beantwortet; offen blieb bisher, wie weit der Cholesterinspiegel gesenkt werden muss. Aus vielen Untersuchungen galt bei hohem Risiko ein LDL unter 100 mg/dl als Standard. Brachte es einen weiteren Nutzen, wenn man das LDL noch weiter absenkte? In der „Treating to New Targets Study“ (TNT-Studie) wurde das Cholesterin bei Patienten mit einer Erkrankung der Herzkranzgefäße anstatt auf im Mittel 101 mg/dl noch weiter bis auf etwa 77 mg/dl gesenkt. Das Ergebnis: Es ließen sich damit weitere 22 % schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse verhindern. Für alle von hohem Cholesterinspiegel Betroffenen mit besonders hohem Herzinfarktrisiko bedeuten diese Neuigkeiten eine Chance mehr im Kampf gegen Herzinfarkte und Schlaganfälle – die lange geltende Untergrenze von 100 mg/dl konnte damit weiter unterschritten werden, um weitere Leben zu retten.

Was nutzt eine Cholesterinsenkung?

Natürlich will jeder Betroffene wissen, wie viel ihm die Cholesterinsenkung eigentlich nutzt. Nach den vorliegenden Daten weiß man, dass eine Cholesterinsenkung auch eine Lebensverlängerung und Erhöhung der Lebensqualität bedeutet: Pro 40 mg/dl Senkung des LDL-Cholesterins geht das Risiko für eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, wie Herzinfarkt, um 20 % zurück.

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„Magische LDL-Grenze“ von 100 bei hohem Risiko sinkt auf unterhalb von 70 mg/dl.

Als Beweis für die Aussage über die Cholesterinsenkung mit einem Medikament beobachtete man eine große Anzahl von Personen, die mit diesem Medikament behandelt wurden: 2005 fügten Forscher die Daten von über 90.000 Studienteilnehmern aus 14 Cholesterinstudien mit guter Qualität zusammen, um genauer als jede einzelne Studie für sich die Auswirkungen der Cholesterinsenkung zu bewerten. Das Ergebnis: Eine Senkung des LDL-Cholesterins um 39 mg/dl reduzierte nach fünf Jahren das Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse um 23 %. Ebenso wurde die Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden, bedeutend herabgesetzt. Das Sterberisiko – Sie erinnern sich, dass in früheren Untersuchungen das Herzinfarktrisiko zwar deutlich reduziert wurde, nicht aber das Sterberisiko – ging um bemerkenswerte 12 % zurück, und zwar schon innerhalb von fünf Jahren.

Noch faszinierender war die Feststellung, dass diese verheißungsvollen Resultate bei jedem Ausgangswert für das Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin beobachtet werden konnten. Das bedeutet, alle Teilnehmer mit hohem Risiko profitierten von einer Cholesterinsenkung mit einem Statin, egal wie hoch oder wie niedrig die Ausgangswerte waren (von Extremen abgesehen). Dieses verblüffende Ergebnis besagt, dass sowohl bei einem LDL-Cholesterin von 210 mg/dl als auch bei 80 mg/dl am Anfang der Behandlung eine Senkung um 40 mg/dl das Risiko stets um 20 % verringert. Auch eine aktuelle Analyse vom November 2010, bei der rund 170.000 Personen aus 26 Studien eingeschlossen wurden, bestätigte diese Faustregel: pro 20 mg/dl geht das Risiko um 10 % zurück.

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Das Sterberisiko geht zurück.

Ist es da nicht sinnvoll, jedem Patienten mit einem höheren Risiko, z. B. nach einem Herzinfarkt, ein Statin zur Cholesterinsenkung zu verabreichen? Diese Strategie wird bereits von etlichen Kardiologen verfolgt. Aber: Die meisten der Studienteilnehmer waren herzkrank oder standen zumindest unter sehr hohem Risiko. Auf sonst gesunde Menschen mit einem hohen Cholesterinspiegel lassen sich diese Befunde nicht ohne Weiteres übertragen, denn – wir erinnern uns – keine der vorgestellten Studien hat sonst gesunde Personen mit hohen Cholesterinwerten und ohne hohes Risiko untersucht. Waren anfangs alle Blicke auf das „böse“ LDL-Cholesterin gerichtet, so rücken heute in der modernen Lipidbehandlung auch das HDL-Cholesterin und die Neutralfette (Triglyceride) in den Blickpunkt. Wir haben gesehen, dass für eine Risikominderung von etwa 25 % das LDL-Cholesterin um etwa 50 mg/dl gesenkt werden muss. Um mit dem HDL die gleiche Risikosenkung zu erreichen, genügt es, das HDL-Cholesterin um 10 mg/dl zu erhöhen – und das Beste ist, dass sich die positiven Effekte der LDL-Senkung und des HDL-Anstiegs addieren. So lässt sich mit den heutigen Möglichkeiten die doppelte Ausbeute, verglichen mit der alleinigen LDL-Senkung, verwirklichen.

Für Schlaganfälle ergab die Auswertung der Studien mit 266.973 Teilnehmern aus dem Jahr 2010, dass eine Senkung des Gesamtcholesterins von 10 % das Schlaganfallrisiko um 8 % vermindert. Wer sein Cholesterin um 30 % senkt, vermindert also sein Risiko für einen Schlaganfall um etwa ein Viertel.

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Cholesterinsenkung um 30 % = Reduzierung des Schlaganfallrisikos um 25 %.

Alles in allem können mit einer Behandlung der Blutfette im Mittel 35 % der Herzinfarkte und etwa ein Drittel aller Schlaganfälle vermieden werden. Das Risiko für eine Ballondehnung, eine Stentimplantation oder eine Bypass-OP kann gleichzeitig um ein Drittel gesenkt werden. Je länger jemand gute Cholesterinwerte aufweist, desto größer wird der Nutzen, denn der Effekt nimmt mit den Jahren noch weiter zu. So wurden in der 4-S-Studie (siehe Seite 33) im fünften Jahr schon mehr als die Hälfte aller Herzinfarkte verhindert.

Welche Cholesterinwerte sind normal?

Wenn ein Patient beim Arzt seine „Blutfette“ bestimmen lässt, sind vor allem das Cholesterin und die Triglyceride, also die Neutralfette, gemeint, obwohl das Cholesterin genau genommen gar nicht zu den Fetten gehört. Dennoch hat sich der Begriff „Blutfette“ sowohl für die eigentlichen Neutralfette als auch für das Cholesterin eingebürgert. In der Fachsprache wird anstelle von „Fetten“ daher von „Lipiden“ als Oberbegriff für die Fette und das Cholesterin gesprochen. Bevor Sie Ihren Cholesterinspiegel senken wollen, müssen Sie wissen, ob er überhaupt gesenkt werden muss, und wenn ja, wie weit. Bei vielen Krankheiten gilt das „Alles-oder-nichts-Gesetz“, d. h., jemand hat einen Herzinfarkt, eine Lungenentzündung oder einen Schlaganfall – oder er hat diese Erkrankung nicht. Bei anderen Krankheiten ist das nicht so einfach; die Übergänge sind fließend.

Die Frage des „Normwertes“ ist beim Cholesterin – anders als bei anderen medizinischen Größen – nicht mit einer einzigen Zahl zu beantworten. Es geht auch weniger um einen Durchschnittswert, sondern um den Cholesterinwert, der am besten die Gesundheit erhält. Dieser Wert ist aber nicht automatisch die Grenze für eine medikamentöse Behandlung, denn hierbei müssen auch mögliche Risiken, die bei keinem Medikament völlig ausgeschlossen werden können, beachtet werden.

Cholesterindurchschnittswerte in Deutschland (35 bis 65 Jahre)

Gesamtcholesterin: 240 mg/dl
LDL: 145 mg/dl
HDL: 40 mg/dl

Bei Frauen liegen LDL und Gesamtcholesterin bis ca. 45 Jahren niedriger als bei Männern, danach höher. Das HDL liegt bei Frauen um 10 mg/dl höher.

Von den medizinischen Fachgesellschaften werden in gewissen Abständen Empfehlungen zu den Cholesterinwerten ausgesprochen. Diese Empfehlungen ändern sich, sobald neue Erkenntnisse, meistens aufgrund von neuen Studien, hinzukommen und die Leitlinien überarbeitet werden. Heute gilt: Je höher das Risiko einer Person, einen Herzinfarkt zu erleiden, desto niedriger sollte sein Cholesterinwert liegen, und umgekehrt kann bei Personen ohne weitere Risiken für einen Herzinfarkt ein höherer Cholesterinwert zugelassen werden.

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Forderung: Je höher das Risiko, desto niedriger das Cholesterin.

Auf LDL- und HDL-Cholesterin werden wir im folgenden Kapitel ausführlich zu sprechen kommen. Für den Moment genügt es zu wissen, dass sich das Gesamtcholesterin grob aus zwei größeren Bestandteilen zusammensetzt, nämlich dem LDL-Cholesterin, dem eigentlichen Übeltäter, der die Arterien beschädigt, und dem HDL-Cholesterin, dem sogenannten guten Cholesterin.

Die Aufgabe des HDL-Cholesterins lässt sich mit einem Staubsauger vergleichen, der das LDL-Cholesterin aus den Blutgefäßen entfernt. Das LDL-Cholesterin erhöht also das Risiko, z. B. an Herzinfarkten zu erkranken, das HDL-Cholesterin verringert dieses Risiko. Es ist folglich gut, möglichst wenig LDL-Cholesterin und möglichst viel HDL-Cholesterin im Blut aufzuweisen. Über das persönliche Risiko sagt demzufolge das Gesamtcholesterin weniger aus als das LDL-Cholesterin. Es werden deshalb vier Risikogruppen unterschieden mit jeweils eigenen Zielwerten für das LDL-Cholesterin für Herzinfarkte.

Das LDL-Cholesterin ist nicht alleine entscheidend dafür, wie hoch das eigene Risiko ist, vor allem einen Herzinfarkt, aber auch allgemein eine schwere Gefäßerkrankung zu erleiden. Es stellt zwar einen wichtigen Faktor dar, für das Gesamtrisiko spielen aber weitere Faktoren eine Rolle. Zu den weiteren mitentscheidenden Risikofaktoren zählen das Alter, ob jemand raucht oder nicht, der Blutdruck und auch das männliche Geschlecht. Aus diesen Faktoren lässt sich das prozentuale Risiko bestimmen, in den nächsten zehn Jahren eine tödliche Herz-Kreislauf-Krankheit zu erleiden.

In der unten gezeigten Tabelle wird dieses Risiko für alle möglichen Konstellationen aus den oben genannten Risikofaktoren gezeigt. Für Frauen ist die linke Hälfte, für Männer die rechte relevant. Danach wird davon von Rauchern die rechte Seite, von Nichtrauchern die linke ausgewählt. Anschließend sucht man sich in der der Tabelle sein Alter heraus. Als Ergebnis erhält man das passende „Rechteck“, das endgültig das Risiko je nach Blutdruckwert (oberer, systolischer Wert) und Gesamtcholesterin angibt. Die betreffende Zahl in dem Rechteck gibt das 10-Jahres-Risiko in Prozent an. Das Risiko wird zusätzlich farbig symbolisiert: rot steht für höheres, grün für niedriges Risiko, hellere Farben weisen ein geringeres Risiko als dunklere aus.

Eine 60-jährige Frau, die nicht raucht und einen Blutdruck von systolisch 140 mmHg sowie ein Gesamtcholesterin von 270 mg/dl aufweist, hat somit ein 10-Jahres-Risiko von 2 % und liegt damit in einem moderaten Bereich. Ein 60-jähriger Mann, der raucht und einen Blutdruck von systolisch 160 mmHg aufweist, liegt bei gleichem Gesamtcholesterin von 270 mg/dl dagegen in einem hohen Risikobereich von 11 %.

Mit Hilfe dieser Tabelle können Sie auch Ihr Risikoalter bestimmen, d. h. es wird verglichen, welchem Alter Ihr Gefäßrisiko entspricht – verglichen mit einer Person, die optimale Risikofaktoren aufweist. Zum Beispiel weist ein 40-jähriger Raucher mit einem Gesamtcholesterin von 250 mg/dl und einem Blutdruckwert von systolisch 180 mmHg dasselbe Risiko von 2 % auf wie ein 65-jähriger Nichtraucher mit einem Gesamtcholesterin von 140 mg/dl und einem systolischen Blutdruckwert von 120 mmHg. Bildlich gesprochen, entspricht das Risikoalter des 40-Jährigen dem eines 65-Jährigen mit optimalen Risikowerten.

Die Risikobestimmung erfolgt vor Therapiebeginn. Je länger das Risikoprofil durch eine Behandlung oder durch die in diesem Buch beschriebenen Maßnahmen in einem besseren Bereich liegt, desto größer ist natürlich die Risikosenkung. Das bedeutet zum Beispiel, dass eine Person mit einem hohen Risiko von 19 % nicht sofort auf 4 % abfällt, sobald sie sehr gute Blutdruck- und Cholesterinwerte aufweist und aufhört zu rauchen. Je länger diese Person aber die sehr guten Werte hält, desto weiter entfernt sie sich von den hohen 19 % – aber eben nicht über Nacht.

Zusätzlich zu den Risikofaktoren, die in dem oben genannten SCORE berücksichtigt werden, sind eine Vielzahl weiterer Risikofaktoren bekannt, die ebenfalls das individuelle Risiko mitbestimmen. Dazu zählen Bewegungsmangel, aber auch frühzeitige Herzinfarkte oder andere Gefäßerkrankungen in der Familie erhöhen das Risiko deutlich. Bei der Überlegung, welche Maßnahmen ergriffen werden, müssen folglich alle diese Umstände sorgfältig mit erwogen werden.

Unter Zuhilfenahme dieses Risikowertes werden vier Kategorien unterschieden:

1. Sehr hoher Risikobereich

Hier befinden sich alle Personen mit einem Risiko von 10 % oder mehr.

Außerdem automatisch alle, die schon eine Gefäßerkrankung aufweisen, wie einen abgelaufenen Herzinfarkt, eine Stent-Intervention, eine Bypass-OP, einen Schlaganfall, eine Gefäßerkrankung im Bereich der Beinarterien, Ablagerungen in den Halsarterien u. ä.

Personen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 zählen sofort zu dieser Gruppe. Personen mit einem Diabetes mellitus Typ 1, wenn sie diabetes-bezogene Komplikationen aufweisen, und ebenfalls Personen mit einer Nierenerkrankung – entscheidend ist hierbei die verbleibende Nierenleistung, die in dieser Gruppe für die GFR (das ist grob gesagt die Filterleistung der Niere) unter 30 mg/min/1,73 qm liegt. Diesen Wert kann einem der Hausarzt anhand einer einfachen Blutentnahme (sog. Kreatinin-Wert) berechnen, oder genauer mittels 24-Stunden-Sammelurin.

Das LDL-Cholesterin in dieser Gruppe sollte unterhalb von 70 mg/dl liegen. Jeder in dieser Hoch-Risikogruppe sollte die in diesem Buch geschilderten cholesterinsenkenden Maßnahmen intensiv nutzen. Darüber hinaus wird jedem mit einem LDL über 70 mg/dl ein Medikament zur Cholesterinsenkung (Statin, s. u.) empfohlen. Wenn das LDL ohne Medikament schon unter 70 mg/dl liegt, muss sorgfältig abgewogen werden, ob dennoch mit einem Medikament eine weitere LDL-Senkung angestrebt wird oder nicht. Dies ist eine individuelle Entscheidung, in die alle persönlichen Umstände miteinfließen.

2. Hohes Risiko

In dieser Gruppe befinden sich alle mit einem 10-Jahres-Score von 5 % bis unter 10 %.

Personen mit einem deutlich erhöhten einzelnen Riskofaktor, wie schwerer Bluthochdruck, gehören ebenfalls dieser Gruppe an.

In diesem Risikobereich sollte stets durch die in diesem Buch beschriebenen nicht-medikamentösen Maßnahmen das LDL-Cholesterin gesenkt werden. Zusätzlich werden Medikamente aufgrund des hohen Risikos schon ab einem LDL über 100 mg/dl empfohlen. Bei einem LDL zwischen 70 mg/dl und 100 mg/dl sind cholesterinsenkende Medikamente nicht unbedingt erforderlich, können aber individuell erwogen werden.

3. Moderater Risikobereich

Hier liegen alle mit einem 10-Jahres-Score von 1 % bis unter 5 %.

In diesem Bereich befinden sich viele Menschen mittleren Alters.

Allgemeine cholesterinsenkende Maßnahmen, wie in diesem Buch empfohlen, werden allen Personen in dieser Gruppe empfohlen. Cholesterinsenkende Medikamente sind in dieser Gruppe nie obligat, sie können im Einzelfall ab einem LDL über 100 mg/dl erwogen werden. Je höher das LDL trotz allgemeiner Maßnahmen zur Cholesterinsenkung liegt, umso eher wird die Entscheidung für ein cholesterinsenkendes Medikament fallen, besonders also bei einem LDL über 190 mg/dl.

4. Niedriger Risikobereich

Hierbei liegt das 10-Jahres-Risiko unter 1 %.

Bei diesem niedrigen Risiko kann das persönliche, relativ niedrige Risiko dennoch durch die in diesem Buch beschriebenen Maßnahmen weiter gesenkt werden. Sollte das LDL dennoch über 190 mg/dl bleiben, können medikamentöse Maßnahmen individuell erwogen werden.

Bei LDL-Werten unter 100 mg/dl ist man, bei niedrigem Gesamtrisiko, auf der sicheren Seite. Liegt das LDL zwischen 100 und 190 mg/dl, sollten allgemeine Maßnahmen zur Cholesterinsenkung, wie sie in diesem Buch beschrieben werden, ergriffen werden. Medikamente sind hierbei nicht erforderlich.

Zusammenfassend kann man sagen, dass je höher das Risiko einer Person für einen Herzinfarkt oder allgemein eine Erkrankung des Gefäßsystems ist – auch Schlaganfälle oder Verengungen der Hals- oder Beinarterien zählen dazu –, desto niedriger sollte das LDL-Cholesterin sein.

Menschen mit besonders hohem Risiko für die erwähnten Erkrankungen sind besonders diejenigen, die schon einen Herzinfarkt erlitten haben oder eine andere Erkrankung des Gefäßsystems, z. B. Stents oder ein Bypass-OP erhalten haben. Auch alle, die einen Diabetes mellitus Typ 2 aufweisen, stehen unter besonders hohem Risiko. In dieser Hoch-Risikogruppe sollten nahezu alle ein cholesterinsenkendes Medikament, in der Regel ein Statin, einnehmen. Da Statine in vielen Studien selbst bei sehr niedrigem LDL-Cholesterin noch das Risiko weiter senken, ist sogar in den seltenen Fällen, wo das LDL ohne Medikamente sehr niedrig steht – das sind in der Praxis nur sehr wenige – eine weitere Cholesterinsenkung mit einem Statin zu erwägen.

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Diabetiker haben ein gleich hohes Risiko wie nach einem Herzinfarkt.

Viele Untersuchungen bestätigten das hohe Gefäßrisiko von Patienten mit Diabetes mellitus – auch ohne manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dass bei Diabetikern eine Cholesterinsenkung sogar bei relativ niedrigen Cholesterinwerten noch einen Nutzen erbringt, belegte die „Collaborative Atorvastatin Diabetes Study“ (CARDS-Studie), die mit 2828 Diabetikern durchgeführt wurde. Hier wurde bei den Teilnehmern, die sogar nur ein durchschnittliches LDL-Cholesterin von 120 mg/dl aufwiesen, das LDL-Cholesterin medikamentös noch weiter auf ca. 70 mg/dl gesenkt. Die Rate an Herz-Kreislauf-Ereignissen, wie Herzinfarkte, ging bei den so behandelten Patienten mit einem LDL-Cholesterin von 70 mg/dl gegenüber den Patienten mit einem LDL-Cholesterin von 120 mg/dl um bemerkenswerte 36 % zurück. Die Zahl an Schlaganfällen sank um 48 %.

Der behandelnde Arzt muss letztlich im Einzelfall immer das Für und Wider einer medikamentösen Therapie abwägen. Jedoch bilden allgemeine, nicht medikamentöse Maßnahmen immer die Basis für eine Behandlung, egal ob mit Medikamenten oder ohne. Wenn diese Maßnahmen für einen optimalen Cholesterinwert nicht ausreichen, können zusätzlich cholesterinsenkende Medikamente eingesetzt werden, auf die noch ausführlich eingegangen wird. Eine Behandlung mit Medikamenten kommt bei sonst gesunden Personen mit höherem Cholesterinspiegel nur ausnahmsweise, z. B. bei sehr hohen Werten wie bei familiärer Cholesterinerhöhung, in Betracht. Allerdings stehen die nicht medikamentösen Methoden ganz klar im Mittelpunkt.

2. WOCHE

Cholesterin senken durch Ernährungsumstellung – und es schmeckt doch!

Noch vor nicht allzu langer Zeit waren Diätempfehlungen bei hohen Cholesterinwerten voller Einschränkungen und schwer einzuhalten. Viele dieser strengen Vorgaben haben sich glücklicherweise inzwischen als unnötig und zum Teil sogar schädlich erwiesen. Betroffene wurden früher angehalten, pauschal den Fettverbrauch stark einzuschränken, nach dem Motto, je weniger Fett, desto besser. Die Empfehlungen waren zwar gut gemeint, aber für die wenigsten machbar.

Je weniger Fett, desto besser?

Heute wissen wir, dass nur bestimmte Fette gemieden werden müssen, während andere Fettsorten sogar den Cholesterinspiegel senken. Die einzelnen Fettsorten werden noch eingehend besprochen; für den Moment sei erwähnt, dass hauptsächlich gesättigte Fette (meist aus tierischen Lebensmitteln) den Cholesterinspiegel erhöhen, während die einfach und mehrfach ungesättigten Fette den Cholesterinspiegel sogar senken.

Folge war, dass anstelle gesunder Fettsorten Kohlenhydrate in großen Mengen konsumiert wurden, was – wie wir später noch sehen werden – die Blutfette und das Körpergewicht hochschnellen ließ. Sowohl zur Gewichtsregulierung als auch zur Cholesterinsenkung ist ein höherer Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fetten viel sinnvoller als ein höherer Kohlenhydratanteil.

Neue Erkenntnisse haben erbracht, dass Personen mit erhöhtem Cholesterinspiegel ohne Nachteile viele Nahrungsmittel und Menüs genießen können, die früher verpönt waren. Das hat die Ernährung viel einfacher, leckerer und dabei sogar noch wirkungsvoller werden lassen. Wie in der ärztlichen Praxis aber regelmäßig zu sehen, halten sich die alten Empfehlungen sehr hartnäckig.

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100 mg Cholesterin im Essen erhöhen das Cholesterin im Blut nur um ca. 2 mg/dl.

Warum das Cholesterin in der Nahrung bei Weitem nicht eine solche Auswirkung auf das Blutcholesterin hat, wie oft vermutet, liegt daran, dass ein Großteil des Cholesterins nicht aus der Nahrung stammt, sondern im Organismus, hauptsächlich in der Leber, gebildet wird. Deshalb kann der Cholesterinspiegel durch Einschränkung der Cholesterinzufuhr mit dem Essen nur in gewissem Umfang gesenkt werden. Wie wir noch sehen werden, hat das Cholesterin im Essen nur einen gewissen Einfluss auf den Cholesterinspiegel, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausfällt.

Im Durchschnitt kann das Cholesterin mit einer Umstellung der Ernährung um etwa 10 % gesenkt werden. Bei strengerer Diät sinkt der Cholesterinspiegel im Mittel um ca. 15 %. Höhere Senkungen sind ausnahmsweise möglich, vor allem bei Personen, die sich bislang sehr ungesund ernährt haben und ihre Ernährung konsequent umstellen. Eine Senkung des Cholesterinspiegels um 10 bis 15 % hört sich zunächst nicht weltbewegend an. Allerdings bedeutet diese Senkung eine Reduktion des Risikos z. B. für einen Herzinfarkt um beträchtliche 25 %. Damit ist aber die Wirkung der Ernährungsumstellung noch nicht zu Ende.

Neben der Cholesterinsenkung hat die Ernährungsumstellung günstige Effekte auf das „gute“ HDL-Cholesterin und auf die Neutralfette (Triglyceride), sodass sich eine vernünftige Ernährungsumstellung in vielerlei Hinsicht positiv auf die Gesundheit, auf die Blutfette und auf das Wohlbefinden auswirkt. Durch die weiteren Maßnahmen, die im Laufe dieses Buches beschrieben werden, lassen sich weitere, spürbare Verbesserungen erzielen.

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Wichtig ist die Zusammensetzung der Fette.

Wichtiger als der Fettanteil selbst ist die Zusammensetzung der Fette, die aufgenommen werden. Fette haben höchst unterschiedliche, teilweise sogar gegensätzliche Auswirkungen auf den Cholesterinspiegel. Zu einem Anstieg des Blutcholesterins führen, wie schon angedeutet, gesättigte Fette, die sich häufig in tierischen Produkten finden, d. h. in Fleisch, aber auch in Milch und Milchprodukten. Dagegen senken einfach und mehrfach ungesättigte Fette den Cholesterinspiegel. Die pauschale Empfehlung, weniger Fett zu verzehren, ist in dieser Form deshalb nicht mehr zeitgemäß. Effektiv kann der Cholesterinspiegel gesenkt werden, indem die gesättigten Fette reduziert werden und der Anteil an einfach ungesättigten Fetten (z. B. in Olivenöl oder Rapsöl sowie in verschiedenen Nusssorten) sowie an mehrfach ungesättigten Fetten (z. B. in Fisch-, Distel- und Sonnenblumenöl) erhöht wird.

Der Fettanteil sollte etwa 30 bis 35 % der Gesamtkalorien betragen. Der höhere Anteil von 35 % ist von Vorteil, wenn sorgfältig darauf geachtet wird, wenig gesättigte Fette zu verzehren, ein Punkt auf den noch ausführlich eingegangen wird. Die wenigsten Menschen zählen akribisch ihre Kalorien und den Fettanteil, sodass in der Praxis allgemeine Empfehlungen oft nützlicher sind als genaue Prozentangaben. Solche Grundsätze beinhalten beim Fett, dass auf die richtigen Fette in Form einfach und mehrfach ungesättigter Fette geachtet werden sollte, während gesättigte Fette zu vermeiden sind. Im nächsten Kapitel wird genau beschrieben, in welchen Nahrungsmitteln welche Fettsorte vorkommt und wie sich die optimale Fettzusammensetzung in der Nahrung erreichen lässt.

Fette – auf die richtigen kommt es an

In diesem Kapitel erhalten Sie zunächst wichtige grundlegende Informationen über das Cholesterin und anschließend im praktischen Teil eine erste Anleitung, wie Sie mit einer Ernährungsumstellung Ihren Cholesterinspiegel senken. Eine Vertiefung folgt in den anschließenden Kapiteln. Gerade der Ernährungsteil braucht Zeit, um in Fleisch und Blut überzugehen, da es ja darum geht, Gewohnheiten, die sich über Jahrzehnte gefestigt haben, zu ändern. Entscheidend ist, die einzelnen Maßnahmen auch praktisch durchzuführen, denn wer nur die Kapitel liest, ohne die Empfehlungen umzusetzen, erhält nicht die bestmögliche Wirkung.

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Fett ist nicht Ursache für Herzinfarkte.

Wie Sie schon erfahren haben, kann die frühere Empfehlung, Fett generell zu vermeiden, nach heutigem Kenntnisstand nicht aufrechterhalten werden. Schon in den Anfangszeiten der Cholesterin- und Fetterforschung 1965 zeigte sich in der „Medical Research Council Study“ (MRC-Studie), dass mit einer fettarmen Diät die Herzinfarktrate nicht gesenkt werden konnte. Trotzdem hielt sich diese Diätempfehlung hartnäckig und wird teilweise noch heute verfolgt. Das mag u. a. daran liegen, dass es auf dem ersten Blick logisch erscheint, weniger Cholesterin und Fette zu essen, wenn der Cholesterinspiegel und die Blutfette gesenkt werden sollen – eine Vereinfachung, die sich als unzutreffend herausgestellt hat. Ungesättigte Fette dagegen senken den Cholesterinspiegel und sind daher ganz anders zu sehen als gesättigte Fette.

1958 machte Ancel Keys, den wir schon als einen der Pioniere der Cholesterinforschung kennengelernt haben (siehe Seite 25), eine verblüffende Beobachtung: Die griechische und die finnische Bevölkerung verzehrte in etwa die gleiche Fettmenge, nämlich ca. 40 % des Kalorienverbrauchs. Die Herzinfarktrate lag aber in beiden Ländern weit auseinander, denn die finnische Bevölkerung erlitt etwa achtmal häufiger Herzinfarkte als die Griechen. Wenn also die Fettmenge selbst nicht den Unterschied ausmachte, was war es dann?

Es wurden genaue Analysen der Ernährungsgewohnheiten beider Länder vorgenommen. Dabei stellte sich heraus, dass zwar die Fettmenge die gleiche war, aber die Zusammensetzung der Fette nicht: Die Griechen, die traditionell viel Olivenöl verwenden, nehmen unter anderem damit einen hohen Anteil an einfach ungesättigten Fetten zu sich, während sich die Ernährung der finnischen Bevölkerung zu einem großen Teil aus gesättigten Fetten zusammensetzte. Seither verbreitete sich die Mediterrane Kost oder Kreta-Diät mit hohem Anteil an einfach ungesättigtem Olivenöl, reichlich Fisch, wenig Fleisch und hohem Obst- sowie Gemüseanteil.

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Das Geheimnis der Mittelmeerkost: reichlich einfach ungesättigte Fette.

Es stellte sich die berechtigte Frage, ob nicht auch eine der beiden Bevölkerungsgruppen aufgrund ihrer Veranlagung anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei. Diese Frage lässt sich gut am Beispiel japanischer Migranten beantworten: Japaner entwickeln in ihrem Heimatland relativ selten Herzinfarkte. Japaner, die nach Hawaii oder in die Vereinigten Staaten ausgewandert sind, erkranken jedoch genauso häufig, wie die jeweilige Bevölkerung im Auswanderungsland. Das unterstreicht, wie wichtig die Lebensumstände bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind.

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Omega-3-Fettsäuren verlängern die Blutgerinnungszeit und senken den Blutdruck.

Das bedeutet, dass die richtige Fettsorte nicht nur unschädlich ist, sondern sogar eine herzschützende Wirkung aufweist. Fett darf aber auch aus einem weiteren Grund nicht generell verteufelt werden: Eine gewisse Menge an Fett ist absolut lebensnotwendig, da unser Organismus bestimmte Fettsäuren nicht selbst bilden kann und auf die Einnahme mit der Nahrung angewiesen ist. Diese speziellen Fettsäuren, die übrigens auch zu den ungesättigten Fetten gehören, werden essenzielle Fettsäuren genannt. Zu diesen essenziellen Fettsäuren zählen die Omega-3-und Omega-6-Fettsäuren. Diese sind u. a. für die Herstellung unserer Zellwände erforderlich. Auch werden wichtige Nährstoffe, wie bestimmte fettlösliche Vitamine, nur gemeinsam mit Fett aufgenommen.

Ziel einer gesunden und cholesterinbewussten Ernährung: Reduzieren Sie die ungesunden gesättigten Fette zumeist tierischen Ursprungs. Essen Sie stattdessen mehr gesunde einfach ungesättigte Fette z. B. aus Oliven- und Rapsöl ebenso wie fetten Fisch und Nüsse (nur nicht Kokosnuss), mit denen Sie reichlich schützende mehrfach ungesättigte Fette erhalten.

Unsere herkömmliche Kost beinhaltet zum einen zu hohe Fettmengen, mit denen zu viele Kalorien eingenommen werden, zum anderen werden hauptsächlich die schädlichen Fette in Übermaß verzehrt. Unser Körper benötigt, je nach Kalorienverbrauch, 60 bis 80 g Fett täglich, um einwandfrei zu funktionieren. Tatsächlich werden im Durchschnitt 100 bis 140 g verzehrt, also fast die doppelte Menge. Die Situation wird noch weiter verschlimmert, indem hauptsächlich die schädlichen, gesättigten Fette und auch die Transfettsäuren, auf die noch eingegangen wird (siehe Seite 81), in Übermaß verzehrt werden. Es sind also bestimmte Fettsorten, die dem Organismus Schaden zufügen.

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Omega-3-Fettsäuren aus Seefisch senken das Herzinfarktrisiko um etwa 30 %.

Es lassen sich zunächst drei Fettarten unterscheiden: die gesättigten, die einfach ungesättigten und die mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Die gesättigten Fette

Die gesättigten Fette, oft in Lebensmitteln tierischen Ursprungs enthalten, stellen unter den Fettsorten die Übeltäter dar. Sie erhöhen das krankmachende LDL-Cholesterin im Blut, das sich in den Blutgefäßen ablagert und dort seine verheerenden Schäden anrichtet. Die gesättigten Fette erhöhen den Cholesterinspiegel sogar deutlich stärker als das Cholesterin in der Nahrung selbst. Der Schaden, den diese Fettsorte ausübt, wird dadurch verstärkt, dass die Blutplättchen (Thrombozyten) aktiviert werden. Den Blutplättchen kommt bei der Blutgerinnung eine zentrale Bedeutung zu. Verschiedene Medikamente, die zur Vorbeugung von Herzinfarkten oder Schlaganfällen verabreicht werden, schwächen die Wirkung der Blutplättchen ab, wodurch sich nicht mehr so leicht Blutgerinnsel bilden können. Das Blut wird also ungerinnbarer oder „dünner“. Dieser Ausdruck ist medizinisch gesehen nicht richtig, denn das Blut wird nicht wirklich dünnflüssiger, sondern nur die Blutgerinnung abgeschwächt. Zur Blutplättchenhemmung wird am häufigsten Aspirin in einer geringen Dosis von etwa 100 mg am Tag verabreicht, während die bei Kopfschmerzen übliche Dosis fünf- bis zehnmal höher liegt.

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Gesättigte Fette erhöhen den Cholesterinspiegel.

Wie erkennt man nun die schädlichen, gesättigten Fette? Sie haben bei Zimmertemperatur eine feste Konsistenz. Sie befinden sich vor allem in tierischen Lebensmitteln, wie fettem Fleisch und Wurst, aber auch in Milch und Milchprodukten sowie Butter, ebenso in Süßigkeiten, Gebäck, Fertig- und Fast-Food-Gerichten. Komplett verzichten muss man nicht auf diese Lebensmittel. So kann anstelle von Vollmilch und Vollmilchprodukten auf fettarme Varianten zurückgegriffen werden. Dasselbe gilt für Wurst, die ebenso fettreduziert erhältlich ist. Fleischsorten gibt es ebenso mager, sodass niemand darauf verzichten muss.

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Mageres Geflügelfleisch – ohne Haut – ist eine gesunde Alternative zu fetteren Fleischsorten.

Einige Tricks helfen dabei, diese Fette zu reduzieren: Entfernen Sie das sichtbare Fett vom Fleisch. Fleischmahlzeiten sollten, je nach Vorliebe mehr oder weniger häufig, gegen Fisch (v. a. Kaltwasserfische wie Hering, Lachs, Makrele, Thunfisch) ausgetauscht werden. Im Gegensatz zum Lachs weist Seelachs, eine ganz andere und magere Fischart, bei Weitem nicht die gleiche Menge an Omega-3-Fetten auf.

Auch beinhaltet Geflügel – ohne Haut – deutlich geringere Mengen an gesättigten Fetten im Vergleich zu anderen Fleischsorten. Rotes Fleisch, sofern mageres gewählt wird, muss nicht komplett aus dem Essensplan verbannt werden, aber eine gewisse Einschränkung zugunsten der genannten Alternativen ist von Vorteil.

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Die Macadamianuss, die „Königin“ der Nüsse, senkt den Cholesterinspiegel.

Die einfach ungesättigten Fettsäuren

Anders als die gesättigten senken die einfach ungesättigten Fette, z. B. in Oliven- und Rapsöl enthalten, das schädliche LDL-Cholesterin. Auch verschiedene Nüsse wie Walnüsse und Mandeln sowie Oliven und Avocados enthalten größere Mengen an einfach ungesättigten Fetten und sind deshalb zur Cholesterinsenkung von großem Nutzen.

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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind in vielen Ölsorten enthalten.

Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren

Dasselbe gilt für die dritte Fraktion von Fetten, die mehrfach ungesättigten Fetten, z. B. in Sonnenblumen-, Distel-, Maiskeim-und Fischöl enthalten, die ebenfalls zur Senkung des schädlichen LDL-Cholesterins beitragen. Die Cholesterinsenkung geschieht u. a. dadurch, dass ein Enzym in der Leber gehemmt wird, das für die Bildung von Cholesterin verantwortlich ist. Dieses Enzym wird übrigens auch durch die gebräuchlichsten cholesterinsenkenden Medikamente, die sogenannten Statine, gehemmt.

Sowohl die einfach als auch die mehrfach ungesättigten Fette senken den Cholesterinspiegel und sollten deshalb bevorzugt verwendet werden. Pflanzenöle sollten nicht zu stark erhitzt und zum Braten nur einmal verwendet werden. Einen kleinen Unterschied gibt es zwischen den einfach und mehrfach ungesättigten Fetten dennoch: Die mehrfach ungesättigten Fette zeigen eine ungünstige oxidierende Wirkung, sodass der Schwerpunkt auf den einfach ungesättigten Fetten liegen sollte.

Für die mehrfach ungesättigten Fette wird deshalb eine Menge unterhalb von 10 % der täglichen Energiezufuhr (Kalorien) empfohlen. Wie gesagt: Die Prozentzahl gilt lediglich als Richtschnur und ist nicht zur genauen Berechnung gedacht. Es gibt Hinweise darauf, dass bei den einfach ungesättigten Fetten die Linolsäure, z. B. aus Sonnenblumen- oder Maiskeimöl, den Cholesterinspiegel etwas stärker senkt als die Ölsäure, z. B. in Olivenoder Rapsöl enthalten – ein kleiner, vermutlich nicht relevanter Unterschied. Die Daten hierzu sind nicht einheitlich, sodass sich keine Empfehlungen daraus ableiten lassen.

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Die Omega-3-Fettsäuren in Ölen helfen bei hohen Lipiden.

Die niedrige Herzinfarktrate auf Kreta hat der „Kreta-Diät“, die reich an Olivenöl ist, große Beachtung verschafft. Ein möglicher Grund für die herzschützende Wirkung des Olivenöls könnte in den weiteren Inhaltsstoffen des Olivenöls, z. B. den Polyphenolen, liegen. Wir werden später noch sehen, dass die Wirkung pflanzlicher Nahrungsmittel, auch sekundäre Pflanzenstoffe genannt, von großer Bedeutung ist (siehe Seite 165).

Welche Nahrungsmittel wegen ihres hohen Gehaltes an ungesättigten Fettsäuren günstig sind und welche mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren eher gemieden werden sollten, zeigt die folgende Tabelle. Nehmen Sie sich Zeit, um zu sehen, welche ungünstigen Fette Sie durch gesunde ersetzen möchten, und notieren Sie diese Änderungen.

AUFGABE

Als Faustregel gilt, dass pflanzliche Nahrungsmittel – mit einigen Ausnahmen – zumeist ungesättigte, also günstige, Fettsäuren liefern. Ausnahmen für pflanzliche Öle mit hohem Anteil an schädlichen, gesättigten Fetten sind Kokos-, Palmkern- oder Palmöl. Die meisten Fette tierischer Nahrungsmittel bestehen aus gesättigten Fettsäuren.

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Pflanzliche Nahrungsmittel haben meistens günstige Fettsäuren.

Die Kaltwasserfische Makrele, Hering, Lachs und Thunfisch sind bei hohem Cholesterin außerordentlich günstig: Obwohl relativ fettreich, bestehen sie zu einem hohen Anteil aus schützenden Omega-3-Fettsäuren, die den LDL-Cholesterinspiegel im Blut senken und einen festen Stellenwert in der Herzmedizin zur Vorbeugung der Arterienverkalkung und als Schutz vor schweren Herzrhythmusstörungen aufweisen. Mehrere Studien belegen die Wirkung der Omega-3-Fettsäuren, vor Herzerkrankungen und dem plötzlichen Herztod zu schützen. Diese Fischsorten sollten deshalb so oft wie möglich – am besten regelmäßig zweimal pro Woche – auf dem Speiseplan stehen.

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Hochwertiges Raps- und Olivenöl: ideal zur Cholesterinsenkung.

Meeresfrüchte dagegen sind nicht so günstig wie die genannten Fischsorten. Früher vermutete man einen hohen Cholesteringehalt und riet von einem übermäßigen Verzehr ab. Mittlerweile weiß man zum einen, dass der Cholesteringehalt in Meeresfrüchten nicht so hoch ist wie vermutet, und zum anderen, dass der Cholesteringehalt in der Nahrung nicht die Hauptrolle für Bluthochdruck spielt. Aus diesem Grund sind auch Meeresfrüchte in Maßen durchaus erlaubt. Der Cholesteringehalt vieler Meeresfrüchte ist mäßig und unproblematisch. Ausnahmen sind Garnelen („Shrimps“) und Tintenfischringe („Calamares“), die wegen ihrer höheren Cholesterinmengen nicht zum täglichen Menü gehören sollten.

AUFGABE FÜR DIESE WOCHE

Berücksichtigen Sie in dieser Woche die folgenden Grundsätze bei Ihrer Ernährung.

Kreuzen Sie jeden Tag an, an dem es Ihnen gelungen ist, die Tipps umzusetzen und an diese Grundsätze bei Ihrer Nahrungsplanung zu denken. Durch die tägliche Erinnerung und Kontrolle wird die Übernahme der Tipps in die tägliche Routine erleichtert.

Lesen Sie das Kapitel möglichst dreimal durch, bis Sie sicher sind, alle Informationen verinnerlicht zu haben.

Grundsätze für die täglichen Mahlzeiten:

1. Erhöhen Sie den Anteil pflanzlicher Fette und Öle mit reichlich einfach ungesättigten Fetten (siehe auch Tabelle oben).

2. Reduzieren Sie den Verzehr tierischer Produkte.

3. Senken Sie Ihren zu hohen Fettverbrauch (Richtwert ca. 30 bis 35 % der täglichen Kalorienzufuhr).

4. Bevorzugen Sie fettarme Milch und fettarme Milchprodukte.

5. Essen Sie besser Nüsse und Oliven anstelle von ungesunden Knabbereien.

Die Grundsätze habe ich berücksichtigt:

Gehen Sie bitte nicht vor Ablauf einer Woche zum nächsten Abschnitt über.

In dieser Zeit sollten sich viele Ernährungsgrundsätze eingespielt haben und, falls nötig, eine gewisse Gewichtsabnahme festzustellen sein. Sie können sich auch mehr Zeit nehmen, bis Sie weiterlesen. Je gründlicher Sie den Ernährungsabschnitt durcharbeiten, umso mehr Ernährungsgrundsätze werden Sie dauerhaft übernehmen und damit langfristig ein gesundes Körpergewicht und alle Vorteile einer guten Ernährung festigen.

Wiederholen Sie daher die Ernährungsgrundsätze, bis Sie mit ihnen vertraut sind.

3. WOCHE

Richtig essen und den Cholesterinspiegel weiter senken

LDL, HDL und Co.

Fette und Cholesterin sind nicht wasserlöslich und würden sich in reiner Form daher auch nicht im Blut auflösen. Damit diese Stoffe trotzdem im Blut transportiert werden können, ohne zu verklumpen, werden sie mit sogenannten Lipoproteinen verpackt. Das „low density lipoprotein“ (LDL), ein relativ leichtes und kleines Lipoprotein, bildet die schädliche Cholesterinform, denn sie gelangt relativ leicht in die Gefäßwand und führt dort zu Ablagerungen. Das „high density lipoprotein“ (HDL) verkörpert die „gute“ Cholesterinvariante und vermag Cholesterin zu binden und unschädlich zu machen. Vom HDL sind drei Untergruppen bekannt, von denen das HDL-2 die beste schützende Wirkung aufweist.

Zu den Lipoproteinen zählen neben den bekannten LDL und HDL noch weitere, die alle die Aufgabe haben, Cholesterin und Fett im Blut zu transportieren.

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„Lipoprotein“ setzt sich zusammen aus „Lipide“ für „Fette“ und „Protein“ für „Eiweiß“.

Wichtige Fachausdrücke

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869107066
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Januar)
Schlagworte
Alternativ-Medizin Blutfette Ernährungs-Ratgeber Ernährungs-Regeln Gesundheits-Ratgeber Herz-Kreislauf-Erkrankungen Rezepte für Anfänger Selbsthilfe

Autor

  • Dr. med. Ramon Martinez (Autor:in)

Dr. med. Ramon Martinez ist Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie. 2007 wurde er als Bluthochdruckspezialist der Deutschen Hochdruckliga anerkannt. Seit 2010 leitet er als Chefarzt die Klinik für Innere Medizin, Fachbereich Kardiologie. Um sein Wissen weiterzugeben, hält er Fachvorträge zu seinen Schwerpunktthemen vor Medizinern und Patienten und ist als Autor erfolgreich.
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Titel: Cholesterin selbst senken in 10 Wochen