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Lebe lieber selbstbestimmt

Von negativen Einflüssen befreien - den eigenen Weg gehen

von Benita Feller (Autor:in) Michael Brepohl (Autor:in)
224 Seiten

Zusammenfassung

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt!

„Was sollen denn die Nachbarn sagen?”, wie oft haben wir diesen Satz in unserer Kindheit gehört! Den eigenen Weg gehen – leichter gesagt als getan. Denn unser ganzes Leben ist von den Erwartungen der anderen geprägt: Chef, Partner, Freunde und Familie. Wir wollen es allen recht machen und denken dabei viel zu wenig an unsere eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Dabei kann ein selbstbestimmtes Leben so einfach sein. Benita Feller hat eine Technik entwickelt, die uns hilft, unser wahres Ich zu entdecken und einen gesunden Abstand zu äußeren Einflüssen zu entwickeln. Damit jeder zu dem Menschen werden kann, der er schon immer sein wollte. Nicht perfekt, aber selbstbestimmt. Erfahren Sie, wie Sie sich selbst mehr wahrnehmen, Grenzen ziehen und persönliche Freiräume finden!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


ALLES, WAS WIR HÖREN, IST EINE MEINUNG, KEINE TATSACHE. ALLES, WAS WIR SEHEN, IST EIN PERSPEKTIVE, NICHT DIE WAHRHEIT.

MARCUS AURELIUS

Liebe Leserin, lieber Leser,

neulich saß ich in einer Abendgesellschaft und wurde nach meinem Job gefragt. Als ich erzählte, dass ich Therapeutin sei, kam gleich die Bemerkung, da hätte ich ja sicher mit vielen schrägen Menschen zu tun. Man wollte wissen, welche denn meine merkwürdigsten Fälle seien. Abgesehen davon, dass ich so etwas weder erzählen dürfte noch wollte, wäre die Wahrheit für meine Zuhörer doch eher enttäuschend gewesen: Die Leute, die zu mir kommen, sind ganz normale Menschen. Manchmal gibt es einfach Situationen im Leben, die einen aus der Bahn werfen können. Das können die unterschiedlichsten Anlässe sein: die Trennung vom Partner, Kündigung, eine Krankheit oder lang verdrängte Probleme, die plötzlich in Form von Panikattacken an die Oberfläche kommen. Niemand ist davor gefeit, es kann jedem passieren.

Seit meiner Kindheit ist die Neugier auf Menschen meine stärkste Triebfeder. Diese Eigenschaft hat auch meine Berufswahl bestimmt. Meine erste Karriere habe ich als Redakteurin bei einem Frauenmagazin gemacht, ein Job, in dem ich vielen spannenden Leuten begegnet bin. Und deren Lebensgeschichten haben mich schon immer am meisten interessiert.

Mit der Zeit hatte ich gefühlt in dem Bereich alles gemacht, was ich machen wollte. Ich bin viel gereist, habe an der Entwicklung einer neuen Zeitschrift mitgearbeitet. Irgendwann fühlte es sich jedoch an, als wäre ich in einer Sackgasse gelandet. Es ging es nicht weiter. Der Inhalt meiner Arbeit füllte mich nicht mehr aus, mit der Zeit kam mir alles zu oberflächlich vor. Ich wollte herausfinden, was sich hinter den schillernden Oberflächen verbirgt, die die Welt der Hochglanzmagazine uns präsentiert. Also habe ich mich und meine Welt neu erfunden und wurde Persönlichkeitscoach. In der Rolle helfe ich Menschen dabei, Stärken an sich zu entdecken und zu fördern.

Um noch intensiver mit Menschen arbeiten zu können, ließ ich mich dann zur Heilpraktikerin mit Schwerpunkt Psychotherapie ausbilden. Ich durchlief eine Reihe von weiteren unterschiedlichsten Praxisausbildungen und fand schnell meine Richtung in den humanistischen Therapiearten. Heute kombiniere ich gern unterschiedliche Therapieformen miteinander. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Gestalttherapie (nicht zu verwechseln mit der Gestaltungstherapie). Um noch tiefer in die Materie vorzudringen, begann ich ein Studium der Psychologie und gründete schließlich meine Praxis in München. Seitdem fühle ich mich angekommen. Eine Entscheidung, die ich nicht einen Tag bereut habe, ist das doch einer der spannendsten Berufe, den ich mir vorstellen kann. In den letzten Jahren habe ich viele Erfahrungen gesammelt, von denen ich Ihnen in diesem Buch gern einige weitergeben möchte. Außerdem hatte ich schon lange große Lust, wieder zu schreiben, eine Arbeit, die mir als Redakteurin viel Freude bereitet hat.

Aus der Vielzahl von Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe, kann ich heute schöpfen. Das Wichtigste, was ich gelernt habe, ist, auf meine innere Stimme zu vertrauen und meinen eigenen Weg zu gehen. Ich möchte Ihnen mit dem Buch helfen, dass auch Sie herausfinden, was der beste Weg für Sie persönlich ist.

Aufbauend auf meine jahrelange Erfahrung in meiner Praxis habe ich eine Technik entwickelt, die es meinen Klienten erlaubt, ihren eigenen Weg im Leben zu gehen. Die von mir entwickelte Blasentechnik hilft ihnen, sich auf eine gesunde Art und Weise von ihrem Außen abzugrenzen und immer bei sich zu bleiben. Damit nicht länger nur meine Klienten davon profitieren, möchte ich sie Ihnen in diesem Buch vorstellen. Sie kann Ihnen dabei helfen, sich ganz neu zu erfinden und neue Ziele zu definieren – und auch tatsächlich zu erreichen.

Das Buch gliedert sich in vier Teile. Der erste widmet sich dem Erkennen der Mechanismen, die in uns arbeiten. Der zweite Teil erläutert Ihnen, wie Sie sich mithilfe der von mir entwickelten Blasentechnik davon freischwimmen. Im dritten Teil lernen Sie, wie Sie Ihr Ich stärken und sich selbst und Ihrer Wünsche und Bedürfnisse noch bewusster werden. Im vierten Teil geht es dann um die Menschen in Ihrer Umgebung, um die Konflikte mit dem Außen und um die richtige Kommunikation.

Und weil Sie sich ab heute die Welt so gestalten, wie es Ihnen gefällt, können Sie das Buch selbstverständlich in der Reihenfolge lesen und erarbeiten, auf die Sie gerade Lust haben. Da das Buch viele Themen anreißt, kann leider nicht alles erschöpfend bis in die Tiefe behandelt werden, es wird Ihnen vielmehr Impulse und Anregungen geben, sich auf einen neuen Weg zu machen.

Eines möchte ich dazusagen: Wenn Sie hier eine Anleitung suchen, um sich selbst zu perfektionieren, muss ich Sie enttäuschen. Ich persönlich halte nichts von perfekten Menschen. Die liebenswertesten Menschen, die ich kenne, sind herrlich unperfekt – und das ist auch gut so. Der Hang zur Selbstperfektionierung führt nur sehr selten ins Glück. Perfektion ist etwas, das Maschinen erreichen können, aber wer will schon eine Maschine sein?

Ich kann Ihnen auch nicht versprechen, dass dieses Buch Sie porentief glücklich machen wird. Siegmund Freud hat einmal gesagt: „Die Absicht, dass der Mensch glücklich sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.“ Auch wenn ich nicht ganz so pessimistisch bin, was das Glück angeht, war meine Absicht die folgende: Ich möchte, dass Sie entdecken, was wirklich gut für Sie ist, indem Sie lernen, mehr auf Ihre innere Stimme zu hören, mehr bei sich zu bleiben und sich von unguten Einflüssen abgrenzen zu können. Mein Buch soll Ihnen Mut machen, sich selbst neu auszuprobieren und neue Dinge an sich und Ihrer Umwelt zu entdecken.

Ihre

Einen neuen Kurs einschlagen

Unser Lebensweg verläuft oft auf Schienen, die andere für uns gelegt haben. Gerade bei wichtigen Entscheidungen lassen wir uns immer wieder beeinflussen – von den Echos der Ermahnungen aus unserer Kindheit, den Einflüsterungen der geheimen Verführer aus der Werbung, den tatsächlichen oder auch nur angenommenen Erwartungen unserer Lebenspartner und Freunde. Weil wir uns zu oft von den Meinungen und Wünschen anderer lenken lassen, nimmt unser Leben langsam, aber sicher eine falsche Richtung.

Bei der Wahl des Berufs liebäugeln wir mit einer Karriere, die unsere Eltern stolz und unsere Freunde neidisch macht. Und wenn wir uns dann für eine Laufbahn entschieden haben, hangeln wir uns die Karriereleiter rauf (und manchmal runter) und hinterfragen viel zu selten, ob wir mit unserem Job auch wirklich glücklich sind. Denken wir dann doch über eine Alternative nach, muss die möglichst ein noch höheres Beeindruckungspotenzial auf unser Umfeld haben.

Auch in den Ferien finden viele von uns keine Entspannung. Ging es letztes Jahr in die Karibik, muss es dieses Mal ein noch exotischeres Ziel sein. Pfeif auf die Flugangst, wir stopfen uns voll mit Chemikalien, die verhindern, dass wir in der Ferne einer seltenen Krankheit anheimfallen, setzen uns 20 Stunden in einen schlecht klimatisierten Flieger und stellen fest, dass die Strände in der Südsee auch nicht so viel spektakulärer sind als die in Europa. Immerhin erhoffen wir uns aber bei Facebook ein paar Likes mehr für unsere Urlaubsfotos als beim letzten Aufenthalt an der Playa de Palma.

Nicht einmal in unserer Haut wollen wir uns so recht heimisch fühlen. Wir meinen, die anderen könnten uns zu dick finden und überhaupt eine Menge an uns auszusetzen haben. Schon deshalb investieren wir viel Zeit und Geld in Diäten und Fitnessstudios, bekommen aber trotz aller Aufwendungen partout keinen Waschbrettbauch (genauso wenig wie 99 Prozent der restlichen Bevölkerung auch).

Sicher, wir wollen eine Menge anders machen als unsere Eltern. In unseren Beziehungen kopieren wir sie dann aber doch gerne. Traumfrau oder Traummann sind in vielen Fällen ein Abbild von Vater und Mutter, nicht unbedingt äußerlich, dafür aber umso mehr, was den Charakter angeht. So ertragen Töchter von cholerischen Vätern viel zu oft herumbrüllende Partner, während Muttersöhnchen, die der Tyrannei ihrer Mutter entronnen sind, sich pfeilgerade in die Arme einer alles bestimmenden Walküre flüchten.

Das Credo des großen griechischen Philosophen Sokrates lautete: „Erkenne dich selbst.“ Dieses Buch soll Ihnen helfen herauszufinden, welche Einflüsse Sie womöglich von dem Weg abbringen, der für Sie persönlich der einzig wahre und glücklich machende ist. Es soll Ihnen helfen, ungute Programmierungen aus der Kindheit hinter sich zu lassen und über die Jahre eingeschliffene Verhaltensmuster abzulegen. Damit Sie sich auf das konzentrieren können, was Ihnen wirklich guttut, damit Sie auf Ihrem ganz eigenen Kurs geradewegs Ihr persönliches Glück ansteuern.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch helfen, den für Sie besten Lebensweg einzuschlagen. Dabei ist es für eine Kurskorrektur nie zu spät. Ich hatte schon Klientinnen, die lange nach dem Erreichen des Rentenalters ihrem Leben noch einmal eine neue Richtung gegeben haben.

Warum wir so sein wollen, wie andere uns gern hätten

Alfred Hitchcock, der Großmeister des Suspense, strapazierte nicht nur mit größtem Vergnügen die blank liegenden Nerven der Kinozuschauer, er trieb auch grausame Späße mit den Menschen in seiner direkten Umgebung. Wenn der Regisseur zu einer seiner glamourösen Partys einlud, schrieb er an eine beliebige Person unter den Eingeladenen, es handele sich um einen Maskenball. Den unglücklichen Adressaten, der dieser besonderen Einladung folgte, erwartete in seiner Kostümierung – unter den anderen Gästen in Abendgarderobe – ein Abend voller Häme und Peinlichkeiten. Hitchcock wusste wie kaum ein anderer, wie man mit den Urängsten der Menschen spielt. Denn tief in uns allen wohnt der Wunsch, dazuzugehören, Teil einer Gemeinschaft zu sein, sich zu integrieren.

Als sich unsere Vorfahren noch vom Jagen und Sammeln ernährten, war die Zugehörigkeit zur Gruppe überlebenswichtig. Ein Mammut konnte keiner allein erlegen, im Winter allein überleben ist schwer. Diese Erfahrungen haben sich bis heute in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Wie tief der Wunsch, Teil einer Gruppe zu sein, noch heute in uns verwurzelt ist, kann man Wochenende für Wochenende im Fußballstadion beobachten. Menschen mit vollkommen unterschiedlichen Lebenshintergründen verschmelzen zu einer eingeschworenen Gemeinschaft. Sie tragen die gleichen Farben, singen die gleichen Lieder, teilen die gleichen Gefühle, sie hören für 90 Minuten auf, Individuen zu sein. Ähnliches erlebt man auch auf Popkonzerten. Teil von etwas Größerem zu sein kann uns in den Zustand einer Euphorie versetzen. Das Gegenteil stürzt uns leicht in Verzweiflung.

Mit schönster Regelmäßigkeit höre ich von Klienten, die der Babyboomer-Generation angehören, den immergrünen Klassiker der elterlichen Ermahnungen: „Was sollen denn die Nachbarn denken?“ Hier verbirgt sich eben die Drohung, den Ausschluss aus der Gemeinschaft zu riskieren, wenn man sich nicht an die Kleiderordnung des Viertels hält oder in anderer Form auffällig zu werden droht. Man führt uns mit dem Satz aber auch vor Augen, dass die Empfindungen anderer wichtiger sind als unsere eigenen. Nur wenn wir uns unterordnen, können wir uns der Zuneigung anderer gewiss sein, will man uns einreden.

Je mehr wir uns aber den Gefühlen und Erwartungen anderer unterordnen, desto mehr verlieren wir unsere eigenen Gefühle und damit uns selbst aus den Augen. Und je mehr wir sie ignorieren, desto mehr schrumpft das Selbstwertgefühl. Das ist eine Spirale, in der man sich mehr und mehr verliert. Dabei bleibt all das auf der Strecke, was uns ausmacht, was uns einst einzigartig werden ließ, eben das, was uns an interessanten Persönlichkeiten so fasziniert: ihr Charisma.

Es sind immer die Menschen, die auf die Meinungen von anderen nichts gegeben haben, die unsere Gesellschaft verändern. Reichlich Anlass für die Nachbarschaft, sich Gedanken zu machen, gab es etwa in den Siebzigerjahren in England, als plötzlich junge Punks mit zerrissener Kleidung und grell gefärbten Haaren für Gerede sorgten. Ein kleiner Laden in London staffierte sie mit löchrigen T-Shirts aus, auf denen das Konterfei der Queen zu sehen war, deren Gesicht, als Gipfel der Geschmacklosigkeit, mit Buchstaben aus einem Erpresserbrief verunstaltet war. Den Aufschrei, der durch die Medien ging, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Nicht wenige wollten die Designerin damals einsperren lassen, doch die landete nicht etwa im Gefängnis, Vivienne Westwood wurde vielmehr selbst zu einer Königin der Modewelt. Und dieselbe Queen, die von ihr einst zur Zielscheibe ihrer Entwürfe gemacht worden war, adelte Westwood Jahrzehnte später und erhob sie in den Stand einer Dame Commander of the Order of the British Empire. Es kann sich also durchaus lohnen, die Nachbarn und ihre Meinung ganz einfach zu ignorieren.

Wer sich nicht um andere Meinungen schert, hat die besten Chancen, schlussendlich im Rampenlicht zu stehen und den Applaus für seinen Mut zu genießen. Gäbe es nicht Menschen, die sich über die Ansichten der Allgemeinheit hinwegsetzen, säßen wir heute alle noch ungekämmt und ungeduscht um ein Feuer versammelt vor einer Höhle. Den Menschen, die glauben, die Welt ist eine Scheibe, zu erklären, dass sie rund ist, erfordert viel Mut und noch mehr Durchhaltevermögen. Jede wichtige neue Erfindung wurde zu Anfang belächelt und verteufelt. Man machte sie klein, auch um die brillanten Köpfe dahinter kleinzumachen. Große Künstler galten oft als verschrobene Außenseiter, ihre Werke waren teilweise unverkäuflich, doch weil sie an sich glaubten, erinnern wir uns noch nach Jahrhunderten an ihre Namen und bewundern, was sie geschaffen haben. An die Masse ihrer Kritiker erinnert sich hingegen kein Mensch mehr. Darum: Gehen Sie immer Ihren Weg, ganz egal, was die anderen sagen oder denken könnten. Ihr Weg ist der einzige, der Sie zu Ihrem persönlichen Glück führt.

Und sollten Sie sich doch wieder einmal fragen, wie Nachbarn Ihr Handeln beurteilen werden, erinnern Sie sich an den Satz von Jane Austen: „Wozu leben wir, wenn nicht, um unseren Nachbarn Anlass zum Lachen zu geben und dafür umgekehrt über sie zu lachen.“

Die Kindheit prägt uns fürs ganze Leben

In der Kindheit werden die Weichen für unseren gesamten Lebensweg gestellt. Auch wenn es bei den Sitzungen in meiner Praxis immer um das Hier und Jetzt geht, führen uns doch die unterschiedlichsten Gefühle und Gedanken sehr häufig geradewegs zurück in die Kindheit – eben dorthin, wo sie uns ursprünglich eingepflanzt wurden.

Der österreichische Schriftsteller Heimito von Doderer drückte das folgendermaßen aus: „Jeder bekommt die Kindheit über den Kopf gestülpt wie einen Eimer, später zeigt sich erst, was darin war. Aber ein ganzes Leben lang rinnt das an uns herunter, da mag einer die Kleider oder Kostüme wechseln, wie er will.“ Auch wenn die Schlussfolgerung etwas pessimistisch ausfällt, ist doch sehr viel Wahres an dem Zitat. Wenn wir über unser tagtägliches Tun und Handeln nachdenken und uns fragen, warum wir in einer Situation so und nicht anders reagiert haben, finden sich die Gründe sehr oft in unseren frühesten Lebensjahren.

Die allermeisten von uns wurden so erzogen, dass sie sich möglichst nahtlos in unser Umfeld einfügen. Zunächst einmal sollten wir Rücksicht auf die Gefühle und Wünsche von anderen nehmen und unsere eigenen hintanstellen. Wollten wir beispielsweise außerhalb des Karnevals mit dem Prinzessinnenkostüm zur Schule gehen, konnten wir uns sicher sein, mit dem entsetzen Ruf: „Oh Gott, was sollen denn die Nachbarn denken!“ gestoppt zu werden. So sind die Nachbarn in unserem Unterbewusstsein zu einer ständigen Kontrollinstanz geworden, die uns in Gedanken immer über die Schulter schaut. Auch wenn wir schon lange nicht mehr vom Wunsch beseelt sind, in einem Prinzessinnenkostüm durch die Gegend zu laufen, lassen wir uns immer noch von den vermuteten Erwartungen unserer nächsten Umgebung beeinflussen.

Das Gefühl, beobachtet zu werden, hat sicher positive Effekte, was eine vorschriftsmäßige Trennung vom Hausmüll betrifft, kann aber für unser Gefühlsleben doch zu einer ernsthaften Belastung werden. Nicht nur, wenn man beim Sex seinen Gefühlen nicht freien Lauf lässt, weil man Angst hat, die Nachbarschaft könnte etwas davon mitbekommen. Dabei müssen wir uns einfach vor Augen führen, dass die Gedanken der Nachbarn in Wahrheit unsere Gedanken sind, denn niemand weiß wirklich, was in den Köpfen von Herrn Nebenan und Frau Linkerflur vorgeht, außer sie selbst. Es gilt hier also eine gedankliche Abkürzung zu finden: Wie beurteile ich mein Verhalten und wie würde ich das finden, wenn andere das täten? Nichts anderes hat schon Kant mit seinem kategorischen Imperativ gemeint, der sich mit dem Sprichwort „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem andern zu“ wiedergeben lässt.

Eine heute glücklicherweise nicht mehr weit verbreitete Erziehungsmaxime lautete: „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will.“ Sie ist aber immer noch ein passendes Bild dafür, wie unsere Gefühle einmal ge- oder besser verformt worden sind. Wir müssen daran arbeiten, die Verkrümmung loszuwerden und uns aufzurichten zu dem Menschen, der wir tatsächlich sind. Wenn Sie jetzt gleich aktiv werden wollen, finden Sie ab S. 44 ein kleines Fitnessstudio für Ihr Ego. Mit den dort vorgestellten Übungen können Sie Ihrem ureigenen Ich sehr viel Gutes tun.

Die Zeit, in der wir groß geworden sind, spielt eine ganz bedeutende Rolle bei unserer Erziehung. Kinder von Kriegs- und Nachkriegskindern haben oft ein ganz ungesundes Essverhalten. Weil für die Eltern und Großeltern der Hunger oft Realität war, spielte die Ernährung eine zentrale Rolle bei der Erziehung. Der Teller musste immer und unter allen Umständen leer gegessen werden. Unter Anfeuerungen wie „Ein Löffel für Mami, ein Löffel für Papi“ wurde den Kindern beigebracht, bloß nichts übrigzulassen. Übergewicht war bis in die Siebzigerjahre noch kein Alarmsignal, sondern eher ein Zeichen von Gesundheit. Dazu war Essen die wertvollste Belohnung, und reichlich aufzutischen galt als der Liebesbeweis schlechthin. Wer so aufgewachsen ist, wird auch im Erwachsenenalter oft mehr essen, als gut ist, frei nach dem Motto: „Lieber den Magen verrenken, als dem Wirt was schenken.“ Wer Probleme mit dem Gewicht hat, bekommt sie nur in den Griff, wenn er die Stimmen aus der Kindheit aus dem Kopf bekommt und lernt, auf sich selbst zu hören. Das fängt damit an, dass man nur bis zu dem Moment isst, bis man satt ist.

Natürlich sollte man auch heute nach Möglichkeit keine Lebensmittel wegwerfen, besser ist es, ein bisschen weniger zu kochen oder die Reste einfach aufzuheben. Wenn man noch ein paar Leckerbissen übrig hat, könnte man die auch den Nachbarn anbieten – was die dann wohl von einem denken mögen?

Erfüllte und unerfüllte Wünsche der Kindheit

Wenn wir heranwachsen, verlieren unsere Eltern zunehmend ihren Einfluss auf unsere Entwicklung. Auf dem Schulhof suchen wir uns eigene Vorbilder, denen wir nacheifern. Und das sind in den seltensten Fällen die besonders fleißigen Mitschüler, die ihre Nasen immer nur in Bücher stecken und gute Noten schreiben. Vielmehr richtet sich unser Blick auf die echt coolen Kids, die mit den geilen Sneakers, dem hippen Skateboard, dem abgefahrenen Smartphone. Am liebsten würden wir so sein wie sie. Wir lieben die Marken, die sie tragen, und versuchen uns in den Sportarten, in denen sie so brillant sind. Für viele bricht damit eine schwierige Zeit an. Auch wenn wir gesagt bekommen haben, dass alle Menschen gleich sind, wird uns spätestens hier bewusst, dass es in unserer Gesellschaft durchaus noch große soziale Unterschiede gibt. In der Familie waren alle gleich. Bekam der Bruder mal ein größeres Stück Kuchen, fand man Wege, ihm etwas davon zu stibitzen – und die soziale Gerechtigkeit war wiederhergestellt.

Konfrontieren Kinder ihre Eltern mit dem Wunsch nach teuren Smartphones oder Markenartikeln, wird ihnen der Wunsch oft verwehrt. Nicht alle Eltern können oder wollen Monat für Monat mehrere Hundert Euro aufbringen, um extravagante Wünsche zu erfüllen. Aber egal, ob wir als Kinder alle Dinge bekommen haben, die wir wollten, oder ob wir uns mit weniger oder gar nichts zufriedengeben mussten: In beiden Fällen hat das Auswirkungen auf die Entwicklung, denn nichts begehrt der Mensch mehr als die Dinge, die er nicht haben kann.

Wichtig ist, dass wir im Verlauf unseres Lebens erkennen, wie die erfüllten und unerfüllten Wünsche unserer Kindheit uns weiter beeinflussen. So legen Menschen, die in frühen Jahren keine teure Markenkleidung getragen haben, später oft einen übersteigerten Wert darauf. Wir sollten dem Kind in uns immer genügend Raum lassen, aber beim Konsumverhalten müssen wir ihm nicht unbedingt immer nachgeben. Spätestens wenn unser Konto überzogen ist, sollten wir ihm mal Einhalt gebieten. Wie sagt Richard David Precht so schön: „Sie kaufen Dinge, die sie nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die sie nicht mögen, mit Geld, das sie nicht haben.“

Die Einflüsterungen der Werbung

Wenn wir morgens vom Radiowecker aus dem Schlaf gerissen werden, ist oft das erste, was wir hören, Werbung. Wenn wir beim Frühstück kurz checken, was über Nacht bei Facebook passiert ist, geht das nicht ohne Werbung. Unser Weg zur Arbeit ist von Plakaten flankiert, über die Monitore in den U-Bahnen und immer mehr öffentlichen Verkehrsmitteln flimmern weitere Kaufbefehle. Kommen wir nach Hause, leeren wir als Erstes unseren von Reklamesendungen vollgestopften Briefkasten. Wollen wir uns beim Fernsehen entspannen, werden unsere Lieblingssendungen immer wieder von TV-Spots unterbrochen, und wenn wir vor dem Schlafen ein letztes Mal auf unser Tablet schauen, geht auch das nicht ohne Werbebegleitung.

Auch wenn wir wissen, dass sich das Angebot in Internet und TV ohne Werbung nicht finanzieren ließe, sind wir doch gewaltig davon genervt. Den Werbetreibenden ist es sehr wohl bewusst, dass sie uns allen penetrant auf den Keks gehen. Was sie aber keinesfalls davon abhält, jedes Jahr Milliarden in ihre Kampagnen zu investieren. Und das hat einen einfachen Grund: Es funktioniert! Dass uns Werbung auf den Geist geht, heißt nicht, dass sie uns nicht trotzdem in ihrem Sinne beeinflusst.

Als ich gerade meine erste eigene Wohnung bezogen hatte und zum ersten Mal für meinen Minihaushalt einkaufen ging, waren meine Mittel noch recht knapp bemessen. So entschied ich mich bei den Lebensmitteln nur für die günstigsten No-Name-Produkte. Am Ende meines Einkaufs hatte ich dann aber doch das Gefühl, das ich mir auch noch etwas Gutes gönnen sollte. Ich entschied mich für einen richtig guten Kaffee und packte mir eine 500-Gramm-Packung „Jacobs Krönung“ in den Einkaufswagen.

Durch meine gesamte Kindheit hatte mich die „Krönung“ begleitet, schon zu Zeiten, als für mich eine Tasse „Nesquik Kakao“ das höchste der Trinkgefühle war. Die Werbebotschafterin der „Krönung“ war eine gewisse Frau Sommer, eine ganz unsympathische Person, wie ich schon als Kind fand. Die Geschichten liefen immer gleich ab: Frau Sommer tauchte bei einer Taufe, einer Hochzeit oder einem anderen hohen Familienfest auf, bei dem Kaffee gereicht wurde. Und der war immer so hundsmiserabel schlecht, dass das Fest zum totalen Reinfall zu werden drohte. Bis Frau Sommer auftrumpfte, aus ihrer kleinen Handtasche eine große Packung „Jacobs Krönung“ hervorholte und alle schlagartig glücklich waren. Auch wenn mich das Verhalten von Frau Sommer immer geärgert hatte, war es der Firma Jacobs dennoch gelungen, mir zu vermitteln, dass ihr Kaffee etwas ganz Besonderes sei.

Natürlich wird man mit der Zeit klüger, bei seinen Kaufentscheidungen lässt man sich auch von Tests, Freunden, Bekannten und Kollegen leiten. Auch das weiß die Werbeindustrie, darum versucht sie mit dem sogenannten Influencer-Marketing, uns dazu zu bringen, die gleichen Dinge, die unsere Freunde gut finden oder empfehlen, zu kaufen, egal ob es um die neuesten Cremes oder probiotische Joghurts handelt. Besser, wir treffen unsere Entscheidungen aus unserem eigenen Bauch heraus.

Von Geburt an sind wir mit einem sehr guten Gespür ausgestattet, das uns sagt, was gut für uns ist. Bei einem Test mit Kleinkindern setzte man ihnen eine riesige Auswahl von Lebensmitteln vor. Sie konnten nehmen, was sie mochten, und gaben tatsächlich dem Gemüse den Vorzug vor den Süßigkeiten. Mit der Zeit verlieren wir unsere natürlichen Instinkte, nicht zuletzt wegen der Einflüsse der Werbung. Wie Sie diese wiederentdecken können, dazu später mehr.

Distanz zum Weltgeschehen bewahren

Jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften, oder wie man zur Zeit des Mongolensturms sagte: Tatarennachrichten. Ein Tsunami in Asien, ein Börsenbeben in den Vereinigten Staaten, Finanzkrisen kreuz und quer durch Europa, Krieg im Mittleren Osten und der Terrorismus rund um den Erdball.

24 Stunden am Tag werden wir minutiös über die neuesten Katastrophen informiert. Dabei überlagert zumeist ein aktuelles Thema den ganzen Rest. Als es in Fukushima den Zwischenfall im Atomkraftwerk gab, hielt die Welt für einen Moment den Atem an. Die Medien befassten sich mit kaum etwas anderem, die Facebook-Gemeinde postete Pray-for-Japan-Logos auf ihren Seiten, und alle nahmen Anteil – für ungefähr zwei, höchstens drei Wochen. Dann war Fukushima keine Nachricht mehr wert. Dass die Strahlenbelastung dort, Jahre später, nicht besser, sondern schlimmer geworden ist, erfährt man, wenn man gut aufpasst, gerade noch so am Rande. Denn längst wird schon die nächste Sau durchs globale Dorf getrieben.

So traurig das ist, es verhält sich mit den Katastrophen nicht anders als mit der Mode: Irgendwann haben wir uns daran sattgesehen und wenden unseren Blick in eine andere Richtung. Und in einer globalisierten und digitalisierten Welt reicht unser Blick sehr weit: Brauchte die Nachricht von der Entdeckung Amerikas Jahre oder sogar Jahrzehnte, bis sie sich überall herumgesprochen hatte, bekommen wir heute fast in Echtzeit mit, wenn sich am anderen Ende der Welt eine Tragödie abspielt. Entsprechend oft werden wir mit Schreckensmeldungen konfrontiert, und das tut natürlich auch etwas mit unserer Psyche: Es entsteht das Gefühl, zu einer schrecklichen Zeit in einer furchtbaren Welt zu leben.

Was natürlich ganz großer Blödsinn ist. Die allermeisten unserer Vorfahren mussten weitaus Ärgeres mitmachen, sie waren ständig von Hunger bedroht, Krankheiten, die heute harmlos sind, stellten noch vor hundert Jahren eine tödliche Bedrohung dar, ein bewaffneter Konflikt folgte auf den nächsten. Die allermeisten Menschen besaßen so gut wie nichts, und das wenige, das sie hatten, konnte ihnen jederzeit weggenommen werden. Es wurden keine Pläne für die weitere Zukunft geschmiedet, denn alles, was zählte, war, den nächsten Tag zu erleben.

In unserer Zeit geht es der Allgemeinheit, zumindest in unseren Breiten, gut wie in keiner anderen Phase der Menschheitsgeschichte. Und das sollte man sich einfach öfter mal ins Gedächtnis rufen. Wenn also demnächst wieder etwas Furchtbares passiert, fragen Sie sich, ob es Sie betrifft und ob Sie etwas gegen die Folgen tun können. Es gibt sehr viele Dinge im Leben, die wir nicht beeinflussen können, und sich deswegen schlaflose Nächte zu machen, ist reine Zeitverschwendung. Je mehr wir uns von den Nachrichten beeinflussen lassen, desto mehr verlieren wir uns und unser Leben aus dem Blick.

Es hat auch wenig Wert, sich für alle Gefahrenszenarien absichern zu wollen, wie die Geschichte eines Mannes aus Australien zeigt, der den Zweiten Weltkrieg vorhersah. Um der Bedrohung zu entgehen, suchte er mit großem Bedacht nach einem sicheren Platz, an dem er die aufziehende Tragödie unbeschadet überstehen würde. Er entschied sich für eine Insel im Nirgendwo, die für die Militärs aller Mächte strategisch total wertlos zu sein schien, auf der es nichts als Kokospalmen gab. Guadalcanal Island, die Insel, auf die er sich schließlich geflüchtet hatte, sollte kurze Zeit später zu einem Schauplatz der schrecklichsten Gefechte im Zweiten Weltkrieg werden. Wäre er zu Hause in Australien geblieben, hätte er seinen Frieden gehabt. Was einmal mehr beweist, dass auch kluge Menschen nicht immer die klügsten Entscheidungen treffen. Genießen Sie Ihr Leben jeden Tag, egal was in der Welt gerade wieder los ist.

Einmal rief mich noch spät am Abend eine Frau an und bat ganz dringend um einen Termin, weil sie von schlimmen Angstzuständen gequält wurde. Als sie dann bei mir zur Behandlung kam, wollte sie gar nicht mit mir über ihren eigenen Zustand reden, sondern über die Situation in der Welt. Sie empfahl mir nachdrücklich die Lektüre einiger Internetseiten, dann würde mir schnell klarwerden, dass das Ende der Welt kurz bevorstehe und auch ich mich darauf vorbereiten solle. Schnell zeigte sich, dass sie sich schon länger durch recht zweifelhafte Quellen im Internet hatte verunsichern lassen und jede Schreckensmeldung für bare Münze genommen hatte. Je absurder die Theorie, desto mehr sprang sie darauf an. Das kostete sie nicht nur unendlich viel Nerven, sondern auch noch eine Stange Geld: So hatte sie für einige Tausend Euro eine Kupferstange erworben, die ihr helfen sollte, angebliche „Chemtrails“ aufzulösen, Streifen, die von Flugzeugen am Himmel hinterlassen werden und mit denen wir angeblich vergiftet werden sollen. Sie war so verunsichert, dass sie überall nur noch den Untergang sah, und das Internet mit seinen zahllosen Verschwörungstheorien bestärkte sie noch in ihren apokalyptischen Gedanken. Sie hatte vollkommen das Gespür verloren, Dinge kritisch zu hinterfragen, und glaubte alles, was in ihr Stimmungsbild passte. Im weiteren Lauf der Behandlung fanden wir die wesentlich tiefer verborgenen Ursachen für ihre Ängste heraus, und sie konnte sich wieder beruhigen.

Für alle von uns ist es wichtig, eine kritische Distanz zum Tagesgeschehen in den Medien zu bewahren. Die Checkliste für die Horrormeldungen des Tages:

Betrifft es mich?

Betrifft es die Menschen, die mir wichtig sind?

Kann ich etwas tun, um zu helfen?

Wenn nicht, besteht kein Grund, sich aufzuregen.

Trotz aller Schreckensmeldungen: Die Welt bleibt schön!

Lieber echte Erlebnisse als Likes

Soziale Netzwerke sind etwas Wunderbares: Da sind die alten Freunde, die einem auf Facebook wiederbegegnen, man vergisst keine Geburtstage mehr und gewinnt womöglich auch noch neue Freunde hinzu. Auch wenn uns manche einreden wollen, die sozialen Medien lassen uns Zwischenmenschliches nur noch aus zweiter Hand erleben, haben Menschen, die bei Facebook und Co aktiv sind, auch im richtigen Leben mehr Kontakte. Doch gerade bei den guten Dingen, wie z. B. Schokolade oder Rotwein, besteht die Gefahr, dass wir es übertreiben, und zwar gründlich.

Wissenschaftler wollen herausgefunden haben, dass Likes bei uns zu ähnlichen Ausschüttungen von Hormonen führen wie die Einnahme von Drogen. Und man kann tatsächlich süchtig danach werden. Wer noch nie einen Beitrag gepostet und alle zehn Minuten kontrolliert hat, ob und von wem sein Beitrag kommentiert wurde, der werfe den ersten Stein. Wenn man auf den Geschmack gekommen ist, ist die Gefahr groß, sich und seine eigenen Gefühle aus den Augen zu verlieren: Dann nämlich, wenn wir die Welt auf einmal nur noch mit den Augen unserer Freunde sehen und nur auf der Suche nach Motiven und Situationen sind, die sie veranlassen könnten, unserem Beitrag ein Like zu geben.

Schöne Momente sind dazu da, dass man sie zunächst einmal selber richtig in sich aufnimmt und genießt. Sonst ist es wie im Urlaub: Wir entdecken eine Sehenswürdigkeit und greifen gleich zum Smartphone oder zur Kamera und überlegen nur, wie wir sie am besten einfangen können. Ist das passiert, wird gleich Ausschau nach dem nächsten Objekt gehalten, das den Druck auf den Auslöser wert ist. An die Urlaube, in denen wir keine Fotos gemacht haben, können wir uns meist besser erinnern, weil wir die Bilder in uns aufgenommen haben. Das heißt nicht, dass Sie demnächst immer die Kamera zu Hause lassen sollten, man sollte sich nur einfach ein wenig mehr Zeit geben, sich an den Wundern der Welt und den Wundern des Alltags zu erfreuen. Anschließend besitzt man viel mehr, was man teilen kann, auch auf Facebook.

Das eigene Aussehen annehmen

Es gibt tatsächlich Menschen, die können ein komplettes Wiener Schnitzel verdrücken und gleich noch einen Kaiserschmarren hinterher und bleiben trotzdem gertenschlank. Es sind aber nur sehr wenige, denen es so geht, und sie werden von ziemlich allen gehasst. Das Gros der Bevölkerung hingegen leidet an Gewichtsproblemen, oder denkt zumindest, es hätte sie. Kaum ein Tag vergeht, an dem Wissenschaftler nicht wieder etwas Neues zum Thema Ernährung herausgefunden haben. Ständig werden neue Dickmacher identifiziert und neue Wunderdiäten gefunden. Mal sollen wir uns ernähren wie die Steinzeitmenschen, dann ist 16 Stunden Fasten am Tag angesagt, und schon wird die nächste Wundertherapie propagiert, die genauso nutzlos ist wie die vorangegangenen, aber diesmal bitte eine mit Tofu, denn in Zukunft sollen oder wollen wir alle vegan leben.

Wehe dem, der beim nächsten Trend anbeißt. Denn je mehr Diäten man durchlitten hat, desto dicker wird man in der Regel. Die Hose, die man vor der Krautwickeldiät noch mit Mühe und Not zubekommen hat, kann man spätestens nach der Atkins-Diät dank des berühmten Jojo-Effekts in die Altkleidersammlung geben. Bevor man sich also in diesen Teufelskreis begibt, gilt es eine Frage zu klären: Wann ist man eigentlich zu dick? Die Antwort darauf liefert keineswegs der Body-Mass-Index, denn unser Idealgewicht ist das, mit dem wir uns wohlfühlen.

Wenn Sie aber doch aus guten Gründen ein paar Pfunde loswerden wollen, machen Sie es entspannt. Beginnen Sie keinen Feldzug gegen Ihren eigenen Körper, bestrafen Sie ihn nicht, weil Ihr Stoffwechsel nicht so perfekt verbrennt wie bei anderen. Gerade beim Essen ist es wichtig, auf seine Bedürfnisse zu hören. Eine Freundin hatte sich im Urlaub eine Hepatitis eingefangen, im Krankenhaus gab man ihr eine Liste mit allen Lebensmitteln, die für sie während der Krankheit tabu sein sollten. Sie erzählte, dass sie beim Einkaufen gar nicht auf die Liste gucken musste, weil sie auf genau die Sachen, die darauf verzeichnet waren, überhaupt keinen Appetit hatte. Unser Körper weiß von selbst, was gut für ihn ist und was nicht.

Wenn Sie der Ansicht sind, Sie würden sich mit ein paar Kilo weniger auf den Rippen wohler fühlen, machen Sie auf keinen Fall eine kurzfristige Diät. Überlegen Sie lieber, worauf Sie ab und zu verzichten könnten. Lernen Sie wieder, auf Ihren Körper zu hören. Kein Ratgeber und keine wohlmeinenden Freunde wissen besser, was gut für Sie ist.

In meiner Praxis habe ich immer wieder mit Klienten zu tun, die ihr Äußeres mehr als kritisch betrachten, Frauen meist mehr als Männer. Männer haben zwar auch oft Probleme mit ihrem Äußeren, wenn sie sich zu klein, zu dick oder zu glatzköpfig vorkommen, aber Frauen gehen mit der Abneigung gegen ihr Äußeres noch viel mehr ins Detail und sind sich selbst gegenüber noch viel gnadenloser. Ihre Schenkel erscheinen ihnen zu dick, der Po zu flach, das Haar zu dünn, schon ein kleiner, scheinbarer Makel zerstört in ihren Augen das gesamte Bild.

Eine Klientin von mir litt unter ständigen Eifersuchtsattacken. Das ging so weit, dass ihre langjährige Beziehung in ernstliche Gefahr geraten war. Ich ließ sie zunächst eine Liste anfertigen: Sie sollte aufschreiben, was sie an sich mag und was nicht. Die zweite wurde um einiges länger. Auch wenn sie ganz objektiv betrachtet eine attraktive Frau war, hatte sie an ihrem Körper unglaublich viel auszusetzen, und die Liste ihrer angeblichen Mängel nahm einfach kein Ende. Daraufhin nahmen wir uns jeden einzelnen Punkt auf ihrer Liste vor. Alleine in ihrem Gesicht fand sie sechs verschiedene Details unschön. Zunächst machten wir uns daran herauszufinden, wie sie darauf kam, dass ihre Nase zu groß, ihre Ohren zu klein und ihr Kinn zu bestimmend sei, und gingen so jeden der eingebildeten Makel durch. Schnell fanden wir heraus, dass sie sich die Kritik von anderen zu eigen gemacht hatte. Dazu kamen noch Beleidigungen, die sie in der Kindheit einmal erfahren hatte und die längst jeder Grundlage entbehrten.

Mithilfe der von mir entwickelten Blasentechnik (wie sie genau funktioniert, verrate ich Ihnen später) änderte sich ihre Selbstwahrnehmung Schritt für Schritt. Meine Klientin bekam wieder mehr Bezug zu sich, erkannte besser ihre Stärken und schönen Seiten und lernte schließlich, auch ihre nicht so perfekten Seiten zu lieben. Je größer ihr Selbstwertgefühl wurde, desto mehr verschwand die Eifersucht, die sie fast aufgefressen hätte.

Gut aussehen statt perfekt gestylt sein

Schon wenn wir morgens allein vor unserem Schrank stehen, versuchen uns andere zu leiten. Irgendwo aus unserem Hinterkopf erklingt die Stimme unserer lieben Großmama, die auch Jahre nach ihrem Ableben immer noch sehr besorgt darüber ist, ob wir uns denn warm genug anziehen. Dann zicken da natürlich auch die Redakteurinnen unserer favorisierten Fashionmagazine, die uns ständig aufs Neue einimpfen, was wir unbedingt zu tun und zu lassen haben, um nicht ein einziger wandelnder mega fail zu sein. Natürlich bedenken wir bei der Wahl unserer Garderobe auch, wie unsere Partner, unsere Kinder und unsere Kollegen am Arbeitsplatz uns darin beurteilen werden.

Dabei ist einzig und allein wichtig, wie wir uns fühlen. Gerade bei ganz wichtigen Terminen kann man in Sachen Bekleidung eine Menge falsch machen. Für Bewerbungsgespräche oder ein erstes Date, was ja nichts anderes als ein Bewerbungsgespräch ist, haben viele ein ganz besonderes Outfit im Kleiderschrank, das sie nur zu solchen Anlässen tragen. Und weil man es so selten trägt, fühlt es sich ungewohnt an, darum verleiht es einem nicht unbedingt die Sicherheit, die man gerade in dieser Situation bräuchte. Außerdem spiegelt man seinem Gegenüber ein ganz falsches Bild von sich: Wenn nach dem ersten Date das Cocktailkleid wieder eingemottet und gegen Jeans und Pulli ausgetauscht wird, kann das beim Gegenüber schon Anlass für eine Enttäuschung geben. Das Gleiche passiert dem Personalchef, der den perfekt gescheitelten Bewerber im tadellos sitzenden Anzug eingestellt hat, wenn plötzlich ein Skater-Boy im Hoodie auf der Arbeit auftaucht.

In Sachen Mode konnte ich nicht nur in meiner Praxis eine Reihe interessanter Beobachtungen machen. Gerade Männer, die wenig Interesse daran haben, geben überdurchschnittlich viel Geld dafür aus. Sie denken, wenn sie sich für ein teures Markenprodukt mit einem möglichst auffälligen Logo entscheiden, werden sie schon von allein fantastisch darin aussehen. Ob das aber tatsächlich so ist, steht auf einem anderen Blatt. Ein amerikanisches Kaufhaus hat mal mit dem Satz geworben: „It’s in, but maybe you shouldn’t be in it.“ Der letzte Schrei sieht an manchem leider zum Heulen aus. Besser also, man entwickelt seinen eigenen Stil.

Im Zeitalter der Selbstperfektionierung wollen immer mehr Menschen auch perfekt gestylt sein, immer mit der Mode gehen und am besten den Trends noch einen Schritt voraus sein. Eine meiner Klientinnen trieb dieses Verlangen so weit, dass sie anfing, unter Panikattacken zu leiden. Sie war Mitte 30, was sie schon nicht mehr als das perfekte Alter empfand, und sah immer aus, als wäre sie gerade einem Modemagazin entstiegen. Wenn sie mein Gesprächszimmer betrat, konnte man meinen, sie wäre ein Model, das über den Laufsteg flanierte. Jede ihrer Bewegungen schien wohlüberlegt, besonders fiel mir immer auf, in was für einem perfekten Winkel sie ihre Hand hielt, an der die neue schicke Designertasche baumelte. Als ich sie darauf ansprach, erklärte sie mir, es sei ihr Hobby, perfekt zu sein und noch perfekter zu werden, gerade was die neueste Mode anging. Als ich bemerkte, dass ich mir das sehr anstrengend vorstelle, immer dem neuesten Modediktat zu folgen, bestätigte sie das durchaus.

Was sie in ungeahnte innere Konflikte stürzte, war der Umstand, dass sie an jeder Ecke etwas entdeckte, das noch neuer, besser und extravaganter war als die Kleidung und die Accessoires, die sie trug. Und das machte sie ständig unzufrieden. Die neue Tasche, die sie gerade für den Gegenwert mehrerer Monatsmieten erstanden hatte, war schon ein paar Stunden später nur noch zweite Wahl, weil sie ein noch begehrenswerteres Modell in einem Modemagazin entdeckt hatte. So wurde ihr Streben nach modischer Perfektion zur Quelle endloser Frustrationen, an deren Ende Panikattacken standen. Dabei hatte alles ganz harmlos begonnen: Am Anfang ihrer Leidensgeschichte standen Komplimente, nach denen sie ganz süchtig geworden war. Ganz besonders wichtig war ihr die Anerkennung durch ihre Freundinnen. Irgendwann sah sie sich nur noch durch deren Augen und verlor sich selber mehr und mehr. Auch ihr konnte ich mit der Blasentechnik helfen, sich wieder selbst wahrzunehmen.

Kaum etwas kann uns so krank machen wie das Streben nach Perfektion – dabei ist Perfektion im Grunde doch in den allermeisten Fällen ziemlich langweilig. Es sind gerade die Unperfektheiten, die uns einzigartig machen. Man stelle sich eine Welt vor, die nur von Kens und Barbies bevölkert wäre – kein Platz, an dem ich leben möchte. Vielmehr müssen wir lernen, uns zu lieben, wie wir sind, indem wir erkennen und uns daran erfreuen, was uns einzigartig macht. Und das sind nicht die neuesten Torheiten der Modeindustrie.

Ein Partner muss nur mir selbst gefallen

Wie sollte es anders sein: Auch bei der Partnerwahl spielen oft andere eine große Rolle. Wir betrachten das Objekt unserer Liebe auch mit den Augen unserer Eltern und unserer Freunde. Wer in der Clique nicht so beliebt ist, wird es wesentlich schwerer haben, den Weg in unser Herz zu finden; wer die Freunde neidisch macht, ist schon eher ein geeigneter Kandidat. Dabei sind nicht unbedingt die Partner mit dem größten Neidfaktor auch die, die uns langfristig glücklich machen. Doch nichts lässt sich schwerer steuern als unsere Gefühle. Der französische Mathematiker Blaise Pascal hat das schon im 17. Jahrhundert auf eine treffende Formel gebracht: „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.“

Jeder hat bei der Partnerwahl besondere Vorlieben. Dabei achten wir leider viel zu sehr auf Äußerlichkeiten und weniger auf Charakterzüge. Wenn jemand unseren äußerlichen Idealen entspricht, werden wir über vieles andere hinwegsehen. Das Problem dabei ist nur: Die Äußerlichkeiten sind es, die uns zu einem Menschen hinziehen, doch in einer langfristigen Beziehung spielen die Charaktereigenschaften eine immer wichtigere Rolle. Die Frage, die man sich zu Anfang und während einer Beziehung immer mal wieder stellen sollte, ist: Tut mir mein Partner gut, und tue ich ihm gut?

Einer der Schwerpunkte meiner Arbeit ist die Paartherapie. Bei manchen Paaren habe ich schon im ersten Moment eine Ahnung davon, wo es klemmen könnte, manchmal dauert es aber auch länger, dem Problem auf die Spur zu kommen. Eines Tages stand das perfekte Paar bei mir in der Praxis. Beide waren gleichermaßen attraktiv, selbstbewusst, erfolgreich im Job, alles schien, als hätten sie sich gesucht und gefunden. Wenn da nicht ein Problem gewesen wäre: Er wollte einfach keinen Sex mehr haben. Schon am Anfang war er in der Beziehung nicht besonders aktiv gewesen, und da waren die beiden gerade einmal drei Monate verheiratet. Mit der Zeit stellte sich dann heraus, dass der Mann nicht immer so passiv gewesen war, ganz im Gegenteil, bevor er seine Frau kennengelernt hatte, war sein Sexleben sogar ziemlich aufregend gewesen. Nur waren seine Partnerinnen damals so ganz anders gewesen.

In einem Einzelgespräch offenbarte er mir, er fühle sich zu Frauen hingezogen, die seine Mutter als „billig“ bezeichnet hätte: grelles Make-up, kurze Röcke und extreme High Heels waren das, was ihn an Frauen am meisten erregte. Im Laufe der Jahre hatte er mehrere Freundinnen gehabt, die diesem Bild entsprachen. Das Problem war bloß, er konnte keine davon vorzeigen, im Freundeskreis nicht und bei seinen Eltern erst recht nicht. Als er dann seine Frau kennenlernte, die sehr elegant ist, war auf einmal alles ganz anders. Nach dem Besuch bei Freunden hörte er zum ersten Mal: „Die kannst du wieder mitbringen“, und als er sie den Eltern vorgestellt hatte, die von seinen vorherigen Freundinnen alles andere als begeistert waren, nahm ihn seine Mutter in den Arm und sagte nur: „Junge, ich bin so glücklich.“ Ihm selbst lag auch sehr viel an ihr, aber er fühlte sich sexuell von Anfang an nicht zu ihr hingezogen. Verliebt war er in das Gefühl, endlich jemanden an seiner Seite zu haben, der von den Menschen, die ihm wichtig waren, akzeptiert wurde.

Das Fundament für eine glückliche Beziehung war das aber nicht. Für ihn war es wichtig zu erkennen, dass er nur mit einem Menschen glücklich werden kann, der auch wirklich zu ihm passt, einem Menschen, der seinen und nicht den Erwartungen aus seinem Umfeld gerecht wird. Inzwischen hat er die Frau gefunden, mit der er glücklich ist und die auch in seinem Umfeld akzeptiert wird. Nur seine Mutter ist noch ein wenig reserviert, aber allen kann man es eben nie recht machen – und sollte es auch gar nicht erst versuchen.

Kein Druck im Urlaub

Der Urlaub ist das Sahnehäubchen auf dem Jahr. Viele zählen schon Wochen vorher die Tage, wann es endlich losgeht. Dabei werden die zwei, drei Wochen mit so vielen Erwartungen überfrachtet, dass es oft einfach schiefgehen muss.

Ein Grund ist, dass wir häufig eine vollkommen falsche Vorstellung von unserem Ziel haben. Hören wir beispielsweise das Wort „Karibik“, läuft vor unserem geistigen Auge sofort ein Hochglanzwerbespot ab, wir sehen Palmen, türkisblaues Meer, exotische Cocktails und glauben schon den sanften Tropenwind zu spüren, der uns zärtlich in der Hängematte wiegt. Das alles erwartet uns auch tatsächlich dort – genau wie bittere Armut, Kriminalität und seltene Krankheiten. Darum ist es bei der Urlaubsplanung sehr sinnvoll, sich ein genaues Bild vom Ziel zu machen. Die Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt können einen vor manch böser Überraschung schützen, und eine gut gefüllte Reiseapotheke auch.

Zuallererst sollten wir uns aber fragen, was wir von unserem Urlaub erwarten. Wer mit der Absicht reist, seine kriselnde Beziehung zu kitten, dem rate ich, aus der Urlaubskasse lieber ein bisschen Geld für eine Paartherapie abzuzweigen, denn tatsächlich gehen nirgendwo anders so viele Beziehungen endgültig zu Bruch wie im Urlaub.

Wichtig ist, dass man auch im Urlaub immer auf seine innere Stimme hört. Wie viele hartnäckige Magen-Darm-Leiden haben schon mit dem Satz begonnen: „Wenn du da bist, musst du unbedingt diese Spezialität probieren.“ Probieren Sie nur, worauf Sie Lust haben! Auch auf die Gefahr hin, dass Sie nie im Leben erfahren, wie hundertjährige Eier oder vergorener Dosenfisch tatsächlich schmecken.

Das vielleicht Schönste am Urlaub ist, dass man mal ein paar vollkommen unverplante Wochen vor sich hat. Es sei denn, man geht in einen Ferienklub, in dem man sich dann seinen Tag wieder komplett von Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang durchtakten lässt – wäre es nicht schöner, jeden Morgen aufzuwachen und aufs Neue zu entscheiden, was man mit dem Tag anfangen will?

„Wenn du dort bist, musst du unbedingt das und das gesehen haben!“ Nein, müssen Sie nicht. Man hat schon von Menschen gehört, die eine fantastische Zeit in Paris hatten, ohne auch nur einen Blick auf den Eiffelturm geworfen zu haben. Das Geheimnis eines perfekten Urlaubs ist es, alle Verpflichtungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, und das sind die Abflugzeiten des Ferienfliegers. Wenn Sie also lieber am Strand liegen als einen Besichtigungsmarathon zu absolvieren: kein Grund für ein schlechtes Gewissen.

Stress in der Arbeit?

Die Arbeit hat eine zentrale Rolle in unserem Leben, sie nimmt einen großen Teil unserer Zeit ein und sie hat Auswirkungen auf unser gesamtes Leben: Wie viel verdienen wir mit unserem Job? Was können wir uns damit leisten? Wenn wir im Beruf Spaß haben, werden wir auch in der Freizeit gute Laune haben. Nur sieht die Wirklichkeit bei den meisten leider anders aus. Bei Untersuchungen hat man herausgefunden, dass tatsächlich nur zehn Prozent der Angestellten mit wirklichem Herzblut bei der Sache sind, die restlichen 90 Prozent sind froh, wenn die Arbeit vorbei ist.

In meiner Praxis häufen sich in den letzten Jahren die Fälle von Burn-out, das ist ungefähr seit der Zeit, in der sie zum ständigen Thema in den Medien geworden sind. In einer Zeit, wo Mitarbeiter auch am Abend und am Wochenende von ihrem Arbeitgeber noch mit E-Mails bombardiert werden, wo sich niemand seines Arbeitsplatzes auf alle Zeiten sicher sein kann, wo ständige Weiterbildung zur Pflicht geworden ist, verwundert es natürlich nicht, dass immer mehr Menschen ausgebrannt sind. Es gibt aber auch die unzufriedenen, gelangweilten, die eher unterfordert sind – sie leiden am so genannten Boreout-Syndrom.

Ich wähle meinen Beruf selbst

Der Mann, der an einem Herbstmorgen meine Praxis betrat, machte schon auf den ersten Blick den Eindruck eines sehr erfolgreichen Menschen. Zumindest konnten sein tadellos sitzender Anzug, die perfekt geputzten Schuhe und die teure Armbanduhr diesen Eindruck erwecken. Umso mehr schien es ihn selber zu verblüffen, dass er sich in letzter Zeit merkwürdig unwohl fühlte: Herzrasen, Schwindelanfälle, Beklemmungen. Sein Hausarzt hatte ihn durchgecheckt und angedeutet, es könnte sich um Panikattacken durch Überlastung handeln, eine Diagnose, die ihm offensichtlich überhaupt nicht behagte, war er doch der Meinung, sein Leben vollkommen unter Kontrolle zu haben. Er leitete ein Unternehmen mit über hundert Mitarbeitern, hatte eine Frau, zwei Kinder und ein brauchbares Handicap beim Golfen. Weder geschäftlich noch privat gab es ernsten Anlass zur Sorge. Zweimal hintereinander betonte er, er hätte alles im Griff.

Als ich wissen wollte, was ihm denn am meisten Freude im Leben macht, musste er einen Moment nachdenken. Die Antwort lautete, seinen Töchtern vor dem Einschlafen eine Geschichte zu erzählen, doch dafür lasse ihm sein Job nicht allzu viel Zeit. Als ich ihm erklärte, dass es wohl ein paar Sitzungen dauern würde, um seinen Problemen auf den Grund zu gehen, blockte er zunächst ab: Sein eng getakteter Terminkalender lasse das gar nicht zu. Er rückte damit raus, dass er überhaupt nur gekommen war, weil er es seiner Frau versprochen hatte. „Macht sich also nur Ihre Frau Sorgen um Ihre möglichen Panikattacken und Sie nicht?“, lautete meine Frage. „Sie wissen ja, wie Frauen sind“, erwiderte er, doch wirklich überzeugt war er von seiner Antwort offensichtlich selber nicht. Ich machte mit ihm ein paar Übungen zur Entspannung (wenn Ihnen gerade nach Entspannung ist, finden Sie die Übungen ab S. 57), einen neuen Termin ließ er sich nicht geben. Doch ich war mir recht sicher, ich würde ihn wiedersehen. Nach ein paar Wochen klingelte spätabends das Telefon bei mir: Seine Zustände, wie er das nannte, hatten sich verschlimmert.

Im Rahmen einer Therapie kommt man natürlich schnell auf die Kindheit zu sprechen. Schon der Vorname, den die Eltern meinem Klienten gegeben hatten, gab einen Hinweis in eine bestimmte Richtung. Die Wahl des Namens verrät oft einiges über die Erwartung der Eltern an die Kinder. Wer ehrgeizige Pläne mit ihnen hat, der entscheidet sich bei Jungen beispielsweise gern für Alexander, den Inbegriff des Eroberers und Herrschers. Mein Klient, der einen ähnlich ambitionierten Vornamen hatte, war von frühester Kindheit an auf Erfolg programmiert. Zuneigung war nie eine Selbstverständlichkeit, sondern die Belohnung für erbrachte Leistungen. So wurde er von Anfang an darauf gedrillt, seine eigenen Interessen und Bedürfnisse zu ignorieren und nur das zu tun, was die anderen von ihm erwarteten. Vordergründig mit Erfolg: Er machte ein Einserabitur, entschied sich auf Wunsch seines Vaters für ein BWLStudium, das er ebenfalls vorbildlich abschloss, und arbeitete sich in wenigen Jahren zum Geschäftsführer in einem erfolgreichen Unternehmen hoch. Zwischendurch heiratete er und gründete eine Familie.

Alle seine beruflichen Erfolge hatten für ihn aber einen schalen Beigeschmack, war er die ganze Zeit doch nicht von der Begeisterung für die Dinge, die er tat, getrieben, sondern von dem Gefühl, seine Pflicht erfüllen zu müssen – eben das zu tun, was man von ihm erwartete. Während unserer Sitzungen machten wir uns auf die Suche nach seinen eigenen, tatsächlichen Neigungen und Wünschen. Er erzählte viel von seiner Schulzeit und wie enttäuscht er von Lehrern war, die lieblos ihren Stoff durchpeitschten. Er hatte mal einen Satz von Montaigne gelesen, von dem er nach wie vor sehr beeindruckt war: „Ein Kind zu unterweisen heißt nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.“ Genau das war es, was er gern tun wollte: bei anderen die Begeisterung hervorrufen, nach der er sich immer gesehnt hatte.

Mittlerweile hatte er schon damit angefangen, sein Leben gründlich zu ändern. Er zog einen Schlussstrich unter seine Karriere, stieg nach einer Übergangsphase aus seinem Job aus und fing noch einmal ein Studium an. Pünktlich zu seinem 40. Geburtstag will er seinen Abschluss machen und anschließend als Lehrer für Deutsch und Geschichte seinen Lebensweg fortsetzen. Die Reaktionen seiner Eltern und seiner Frau auf seine beruflichen Pläne fielen übrigens bei Weitem nicht so harsch aus, wie er das befürchtet hatte. Seit seine Vorstellungen eine konkrete Form angenommen hatten, waren sämtliche Gefühle von Beklemmungen, Schwindel und Panik verschwunden.

Veränderungen im Beruf sind möglich

Zu den Dingen, die Menschen am Ende ihres Lebens am meisten bereuen, zählt es, einen Beruf ausgeübt zu haben, der ihnen mehr Kummer als Freude bereitet hat. Und das muss gar nicht unbedingt am Stress liegen. Permanent unterfordert zu sein ist beinahe genauso schlimm, wie permanent überfordert zu sein. Wenn man mit den Kollegen nicht gut klarkommt, kann man keine Freude an der Arbeit haben. Führungspositionen sind die einsamsten Stellen der Welt, denn es gibt niemanden, dem man sein Leid klagen kann.

Darum sollte man immer wieder überprüfen, ob der Job noch der richtige für einen ist, und sich an das Motto der Bremer Stadtmusikanten erinnern: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall.“ Eines ist ganz wichtig: Solange wir leben, ist es nie zu spät, einen neuen Weg einzuschlagen. Ich hatte Klienten, die mit Mitte 40 ein Fernstudium gestartet haben und mit Anfang 50 in eine neue Laufbahn gestartet sind. Mit der richtigen Qualifikation hat man auch im fortgeschrittenen Alter gute Chancen auf eine zweite Karriere.

Worauf sollte man bei der Berufswahl also achten? Natürlich auch auf das liebe Geld: Es gilt, einen Kassensturz zu machen und herauszufinden, wie viel Geld man mindestens braucht, um ein Leben nach seinen Vorstellungen zu führen. Dann muss man sich fragen: Welche Talente habe ich? Wo kann ich die am besten einbringen? Reicht meine Ausbildung für das, was ich gern machen möchte? Es gibt zahllose Möglichkeiten, sich erfolgreich weiterzubilden.

Es gibt nicht wenige Menschen, denen es gelungen ist, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Ein Unternehmensberater aus meinem Klientenkreis wollte nur noch raus aus dem Job, der für ihn ein Gefängnis war. Der Mann war mit Mitte 40, nur noch wenige Meter vom Burn-out entfernt und drauf und dran, alles hinzuschmeißen. Doch sein Geld reichte bei Weitem nicht aus, um in Frührente zu gehen, zumal er zwei Kinder hatte, die irgendwann auch noch studieren sollten. Seine größte Sehnsucht aber war es, in ein Land zu gehen, wo die Sonne immer scheint. Heute leitet er einen Golfclub direkt am Mittelmeer. Als er einmal wieder in München war, um seine mittlerweile erwachsenen Kinder zu besuchen, traf ich ihn. Ich brauchte ihn gar nicht zu fragen, wie es ihm geht, das breite Lächeln in seinem Gesicht sagte alles.

Warum hängen so viele Menschen an ihrem ungeliebten Job? Zum einen ist es das Sicherheitsgefühl, zum anderen die Angst vor dem Neuen. Und so findet man sich nach jedem Ärger in der Firma schnell wieder mit den Gegebenheiten ab. Was meistens ein Fehler ist. Es ist immer gut, sich umzuschauen. Das ist wie in einer Beziehung: ein harmloser Flirt ist gut für das Selbstbewusstsein und kann dafür sorgen, dass man sich in der Partnerschaft wieder wohler fühlt. Doch was den Beruf angeht, sollte die Maxime gelten: Das Leben ist zu kurz, um in einer ungeliebten Position zu verharren.

Und die Sicherheit, die man sich von einer Festanstellung erhofft, ist in vielen Fällen sehr trügerisch. Denn gerade erleben wir, dass die gesamte Arbeitswelt auf den Kopf gestellt wird. Früher erlernte man einen Beruf und übte ihn ein ganzes Leben lang aus, meist sogar beim gleichen Arbeitgeber. Das hat sich längst dramatisch geändert. Durch die rasant voranschreitende Digitalisierung entstehen ständig neue Jobs, während andere Berufe für immer verschwinden. Immer mehr Tätigkeiten werden automatisiert, von Software erledigt oder aus andern Gründen überflüssig. Der Buchhalter galt seit je als krisenfeste Lebensstellung, inzwischen wird seine Tätigkeit immer mehr von Maschinen erledigt. Steuerberater werden durch elektronische Datenübermittlung und Softwarelösungen auch langsam überflüssig. Komplexe Arbeitsprozesse, die vor Jahren noch umfangreichste Technik und immenses Spezialwissen verlangten, kann heute praktisch jeder an seinem Heimcomputer erledigen, von der Produktion professioneller Videos bis hin zu aufwendigen Musikproduktionen.

„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung“ – und das ist kein Grund, sich zu sorgen, denn alles andere wäre ja auch langweilig. Es werden auch in Zukunft genug neue spannende Herausforderungen entstehen. Die neue Arbeitswelt wird uns viel mehr Freiheiten lassen als je zuvor in der Geschichte. Die Zeit der Stechuhren ist vorbei, wir werden weniger arbeiten und doch das gleiche Geld verdienen. Und das Beste: Viele werden die Chance haben, zu arbeiten wann und wo sie wollen. Schon heute verzichten immer mehr Unternehmen auf feste Arbeitszeiten und feste Arbeitsplätze. Jeder kann seine Aufgaben erledigen, wo und wie es ihm am besten passt. Das ist besonders für alle, die morgens nicht vor Tau und Tag vom Wecker aus dem Bett geworfen werden wollen, eine hervorragende Perspektive.

Im nächsten Abschnitt beschäftigen wir uns mit dem Rüstzeug, das Sie brauchen, um privat und beruflich Ihre eigene Welt zu gestalten. Die Grundlage dafür ist, dass man sich seiner selbst bewusst wird und lernt, in jeder Situation bei sich zu bleiben und sich immer richtig wahrzunehmen. Wie können wir einen gesunden Abstand von den Einflüssen unserer Außenwelt bekommen, um unserem Ich den nötigen Raum zu geben und einen Austausch mit anderen zu finden, der von gegenseitigem Geben und Nehmen geprägt ist?

Die eigenen Bedürfnisse ausloten

Es ist zunächst einmal essenziell, festzustellen, dass unser Ich viel mehr ist, als sich in Kilo und Zentimeter vermessen lässt. Der Mensch ist ein unglaublich vielschichtiges Wesen. Jeder Einzelne ist eine Skulptur, an deren Entstehung viele mitgewirkt haben: Eltern, Erzieher, Freunde und viele mehr. Im Laufe unserer Entwicklung gewinnen einige unserer Eigenschaften an Wichtigkeit, andere werden verschüttet. Das hängt stark von unserer Lebenssituation ab. Besonders prägend sind dabei unsere Erziehung, unsere Ausbildung, unsere Arbeit und unsere Beziehungen.

Wenn ich meinen Klienten in der ersten Sitzung die Frage stelle „Wer sind Sie? Was macht Sie aus?“, ist die erste Antwort oft ein fragender Blick. Viele Menschen sind sich ihrer selbst viel zu wenig bewusst. Im Gespräch ist ihnen manches Mal die Anstrengung anzusehen, mit der sie in sich gehen. Mit höchster Intensität versuchen sie sich zu erforschen und stellen am Ende nicht selten fest, dass es da nicht viel zu berichten gibt. Was nicht daran liegt, dass es sich bei Ihnen um vollkommen unbeschriebene Blätter handelt, vielmehr ist die Persönlichkeit im Laufe der Zeit verschüttet worden, man hat das Gefühl für die eigenen Stärken und alles, was einen besonders macht, verloren. Umso mehr lohnt es, sich auf den Weg zu sich selbst zu machen.

Die Frage, die es zu ergründen gilt, ist tiefgreifend: Wer bin ich? Die Antwort hilft mir, mir meiner selbst bewusst zu werden. Je mehr ich mich für mich selbst interessiere, desto mehr wertschätze ich mich auch. Und wenn ich herausfinde, was mir guttut, achte ich auch entsprechend mehr auf mich. Selbstbewusstsein, Selbstachtung und Selbstwert hängen eng miteinander zusammen. Ich spreche hier auch von der Stärkung der inneren Strukturen. Nachdem ich in meiner Praxis festgestellt habe, dass viele Klienten sich damit schwertun, sich selbst zu finden und ihre ureigenen Bedürfnisse auszuloten, habe ich eine Technik für sie entwickelt, die ihnen dabei hilft. Sie können Sie auch außerhalb von meinen Sitzungen anwenden und Ihren Selbstfindungsprozess im Alltag weiterführen.

Die Blasentechnik:
Erkennen, was uns ausmacht

Um meinen Klienten zu einem besseren Selbstgefühl und dadurch mehr innerer Stärke zu verhelfen, habe ich die Blasentechnik entwickelt, die dafür sorgt, dass jeder sich selbst und andere besser wahrnehmen kann, und erkennt, wer er ist. Ziel der Übungen ist es, das Innere in Einklang zu bringen und zu erfahren, wie man in jeder Situation bei sich bleibt. Und eines sei noch vorausgeschickt: Man muss keine ausgewachsene Psychose haben, um davon zu profitieren.

Zunächst einmal müssen wir uns dabei Folgendes bewusst machen: Jeder Einzelne von uns ist mehr, als sein Spiegelbild zeigt. Die vielen Bestandteile unserer Persönlichkeit, unser Charakter, unsere Gene, unsere Erfahrungen, unsere Wünsche, die verschiedenen Rollen, die wir im Leben einnehmen, strahlen über unseren Körper hinaus, sie sind wie eine „Aura“, die uns umgibt.

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Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869104287
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Februar)
Schlagworte
Selbstbestimmung Persönlichkeit Psychologie Angst Beziehungsprobleme Burnout Depression Entspannung Paartherapie Panik Partnerschaft Selbstbewusstsein

Autoren

  • Benita Feller (Autor:in)

  • Michael Brepohl (Autor:in)

Benita Feller ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und führt eine erfolgreiche Praxis für Einzel- und Paartherapie in München. Sie hat schon viele Menschen auf ihrem persönlichen Weg zu einem selbstbestimmten Weg begleitet. Aufbauend auf ihre jahrelange Erfahrung hat sie eine Technik entwickelt, die es ihren Klienten ermöglicht, ihren eigenen Weg im Leben zu finden und zu gehen und damit nicht nur ihre Klienten davon profitieren, hat sie gemeinsam mit Michael Brepohl dieses Buch erarbeitet und aufgeschrieben. Michael Brepohl ist freier Autor, Texter und Konzeptioner in München.
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Titel: Lebe lieber selbstbestimmt