Resilienz in der Pflege
Sie sind stärker als Sie glauben! Gelassen durch den beruflichen Alltag
Zusammenfassung
Eine Kraft, die sich lernen lässt: Resilienz. Innere Stärke entdecken und das eigene Leben zurückgewinnen – darum geht es in diesem Buch.
Es beschreibt, was Pflegekräfte gegen ihre emotionale Erschöpfung tun können. Es vermittelt Strategien, die jede Pflegekraft sofort umsetzen kann. Es schildert anhand von vielen Interviews und Fallbeispielen, wie Pflegekräfte der Burnout-Falle entkommen sind.
Der Kernpunkt dabei ist die Entdeckung der Resilienz, jener (psychischen und physischen) Widerstandskraft, die uns Krisen meistern lässt.
Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Bevor ich psychologische Beraterin wurde, habe ich viele Jahre als Lehrerin für Pflege gearbeitet. Zuvor war ich zwölf Jahre als examinierte Krankenschwester auf einer internistischen Station tätig. Meine Arbeit in der Klinik hat mir immer viel Freude bereitet und es war schön zu sehen, wenn Patienten wieder gesund das Krankenhaus verließen. Oft hätte ich gerne mehr für sie Zeit gehabt, doch die Arbeitsbedingungen im Klinikbetrieb sind heute wie damals bestimmt von hohen körperlichen und psychischen Belastungen, Zeitdruck, ungünstigen Arbeitszeiten. Nicht zuletzt bestehen sie in einem hohen Maße aus administrativen Aufgaben, aus zeitfressenden Dokumentationen, intensiven Gesprächen mit Angehörigen und vielem mehr.
Von Pflegekräften wird heute viel verlangt an Flexibilität, Fach-, Sozialund Veränderungskompetenz. Hinzu kommt, dass die Arbeit mit psychisch Erkrankten und demenzerkrankten Menschen weitere, hohe Anforderungen an das Pflegepersonal stellt. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Neben allen fachlichen Kompetenzen benötigen Pflegekräfte eine klare Haltung in der Arbeit mit Pflegebedürftigen:
• innere Stärke
• Selbstliebe
• Selbstbewusstsein
Um genau diese klare Haltung geht es in meinem Buch, liebe Leserinnen und Leser, denn für diese klare Haltung brauchen Sie eine stabile Grundlage, die Resilienz.
Definition Resilienz
Resilienz ist eine Kraft, die es Ihnen ermöglicht, schwierige Situationen und Herausforderungen zu bewältigen, indem Sie auf Ihre Ressourcen und Potenziale zurückgreifen. Das Schöne ist: Resilienz lässt sich lernen, entwickeln und fördern!
Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, warum einige Menschen belastende und schlimme Krisen erlebt und dennoch ihr Leben wunderbar gemeistert haben? Was ist ihr Geheimnis? Woher nehmen diese Menschen die Kraft, um mit unterschiedlichen Herausforderungen im Leben umgehen zu können?
Das Geheimnis heißt »Resilienz«. Es ist eine innere Stärke, die wir alle (!) in uns tragen. Oftmals fehlt uns der Mut oder die Idee, etwas zu verändern. Manchmal brauchen wir einen Perspektivwechsel, um aus belastenden Situationen herauszukommen. Vielleicht hindert uns auch Angst, weil wir nicht wissen können, was passiert, wenn wir etwas verändern. Wenn wir uns aber Situationen stellen und sie wirklich bewältigen, werden wir in einen Zustand kommen, in dem wir uns wohl fühlen, uns annehmen können und glücklich werden.
Wenn ich auf mein bisheriges Leben zurückschaue, habe ich viele wunderbare Momente erlebt, für die ich unendlich dankbar bin. Aber es gab auch sehr einschneidende Erlebnisse, die mich an meine Grenzen geführt haben. Ich hatte ein Burnout im Endstadium. Nach 30 Jahren Beziehung und 26 Jahren Ehe trennte sich mein Mann von mir. Ich verlor meine beste Freundin durch eine schwere Erkrankung.
Glauben Sie mir: Es gab diese Momente, da stand ich am Abgrund und musste mich entscheiden, wie mein Weg weitergeht.
Es waren Erlebnisse, die schrecklich und schmerzhaft waren, die mich ängstigten. Ich bin dennoch nicht stehen geblieben, sondern habe den Schritt ins Neue, Unbekannte gewagt. Dank all dieser Situationen und Krisen führe ich heute ein anderes Leben: glücklich, zufrieden und sehr dankbar.
Auch Sie haben Ihr eigenes Schicksal, Ihre Geschichte. Sie können bestimmte Lebensumstände nicht ändern, aber Sie haben die Möglichkeit, anders auf Situationen zu reagieren. Sie haben die Kraft und die Stärke. Was Sie benötigen, ist der Mut, Schwierigkeiten zu überwinden und an neuen Lebenssituationen zu wachsen. Genau darum geht es in meinem Buch.
Ganz bewusst lautet der Untertitel: »Sie sind stärker als Sie glauben« und nicht »Sie sind stärker als Sie denken«. Wir denken immer sehr viel, überdenken Dinge, wägen das Für und Wider ab und unser Kopf entscheidet. Doch oft schreien unser Körper und unsere Seele. Sie werden nicht müde, Signale zu senden: Kopfschmerzen, Verspannungen, Luftnot, Ohrgeräusche, Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit, Hauterkrankungen, Allergien. Trotzdem entscheiden wir uns gegen unseren Körper und unsere Seele. Weil wir zu viel denken, statt an uns zu glauben.
Ich hoffe, dass Sie mein Buch inspiriert, Sie dazu animiert, an sich zu glauben, Ihnen Mut macht, Kraft gibt und Wege aufzeigt, um ein zufriedenes, glückliches Leben zu Leben.
Sie sind stärker als Sie glauben.
Gabriela Koslowski
Mein Dank gilt
Meiner wunderbaren Lektorin, Claudia Flöer von der Schlüterschen Verlagsgesellschaft in Hannover, die immer für mich da war und mir mit Rat und Tat zur Seite stand, meinen tollen Kindern Anna und Kilian, die immer an mich geglaubt haben, meinen Freundinnen und Freunden, die mich immer unterstützt haben, meiner Großmutter Annemarie, die mir ihre Liebe und ein Wertesystem mit auf den Weg gegeben hat und meinen Seminarteilnehmern, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben.
Einleitung
Als psychologische, systemische Beraterin arbeite ich seit Jahrzehnten mit Pflegekräften und Menschen in sozialen Berufen zusammen. In meinen Seminaren erlebe ich jeden Tag, wie Pflegende fantastische Arbeit leisten – am Patienten, an Bewohnern – Tag für Tag und Jahr für Jahr. Im Schichtdienst, am Wochenende und an den Feiertagen.
All diese Menschen haben eine besondere Fähigkeit: Sie geben viel, helfen und unterstützen andere im Alltag und haben immer ein offenes Ohr für Patienten, Angehörige, Kollegen und Ärzte. Daheim ist ihr Blick auf die Familie gerichtet. Nur für sich selbst haben all diese Menschen oft keinen Blick mehr über.
Mit diesem Buch möchte ich Sie inspirieren und neue Impulse setzen, indem ich Sie dazu einlade, innezuhalten und auf Ihre Leistung zu schauen:
• Sie werden lernen, zu reflektieren und wertzuschätzen, was Sie jeden Tag vollbringen.
• Sie werden aber auch lernen, sich selbst zu sehen, Ihre Bedürfnisse und Wünsche.
Sie finden, das wäre zu viel des Guten? Ich nenne das Selbstliebe. Diese Selbstliebe zu lernen, weiterhin eine empathische Pflegekraft zu bleiben, aber sich selbst nicht vergessen, ist eine Kunst, die man lernen kann.
Wichtig Resilienz lässt sich lernen
Resilienz entwickelt sich, wenn Sie beginnen, sich selbst besser wahrzunehmen, um ein starkes Selbstbewusstsein zu erlangen. Wenn Sie sich besser reflektieren, um sich besser zu verstehen und wenn Sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, Ihre Komfortzone zu verlassen und neue Handlungsspielräume zu nutzen.
Wie das funktioniert, lernen Sie in einzelnen Schritten in meinem Buch. Ich kann Ihnen versichern, dass viele meiner Seminarteilnehmer diese Fähigkeit zur Selbstliebe und damit die Resilienz tatsächlich in sich entdeckt und weiterentwickelt haben.
Ich schreibe dieses Buch aber auch aus einem weiteren Grund: Vor elf Jahren hatte ich ein Burnout im Endstadium und war wochenlang in einer Kurklinik. Dass ausgerechnet mir einmal so etwas passiert, hätte ich nie für möglich gehalten. Dennoch ich bin da hineingerutscht und habe viele Zeichen nicht wahrgenommen oder verleugnet.
Damals war ich noch nicht resilient. Meine fehlende Resilienz führte zu Energieverlust, permanenter körperlicher Anspannung, Rückenschmerzen und weiteren Symptomen. Fehlende Resilienz ist oft ein Grund, warum Menschen in ein Burnout rutschen!
Heute sehe ich mein Burnout als Geschenk. Es hat mir die Augen geöffnet und ich habe seitdem vieles in meinem Leben verändert. Doch so weit muss es gar nicht kommen. In diesem Buch möchte ich Ihnen helfen, sich selbst besser zu verstehen, damit Sie ein erfülltes und glückliches Leben führen können – ganz ohne Burnout!
Ich habe mit vielen Teilnehmern gearbeitet, die nach dem Seminar eine andere Sichtweise auf ihr Leben bekommen und Dinge geändert haben. Resilienz lässt sich lernen – das können Sie auch!
Vor elf Jahren gab es eine Zeit in meinem Leben, in der ich sehr viel gearbeitet habe, sicherlich auch um zu kompensieren, dass ich den Verlust eines Menschen verarbeiten musste. Ich hatte ein erfülltes Familienleben und stürzte mich in die Arbeit, statt über die Trauer zu sprechen.
Sport war ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und Ich liebte meine Arbeit als Lehrerin für Pflege, übernahm stets auch noch Unterricht, wenn meine Kollegen ausfielen. Ich war einfach sehr froh, mich mit Arbeit ablenken zu können. Nebenbei arbeitete ich in einer Einrichtung für Asylbewerber und widmete mich integrativer Arbeit.
Am Anfang klappte alles wunderbar, doch nach einigen Monaten bekam ich neben Nackenschmerzen zeitweise Unruhezustände und leichte Rückenschmerzen. Ich nahm das aber nicht weiter ernst. Nach einigen Wochen bekam ich Schlafstörungen, schlief abends erschöpft ein, wachte dann mitten in der Nacht auf, grübelte und schlief erst in den frühen Morgenstunden wieder ein. Wenn ich morgens zur Schule ging, war ich schon erschöpft. Da ich aber so erzogen wurde, dass man Dinge nicht schleifen lässt (»Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf Morgen«), hielt ich nicht inne, sondern machte einfach weiter.
Etwas später wurden die Symptome deutlicher: Ich vergaß ständig Dinge. Eines Tages kam ich schwer bepackt aus dem Supermarkt und konnte mich nicht mehr daran erinnern, wo ich mein Auto geparkt hatte. Meine verzweifelte Suche blieb erfolglos. Als ich voll bepackt, schweiß gebadet und heulend nach Hause kam, schaute mein Mann mich ratlos an. Später suchten wir gemeinsam nach meinem Auto und fanden es auch Stunden später. Ich konnte mich nicht daran erinnern, es dort abgestellt zu haben.
Und es wurde schlimmer: In den nächsten Tagen und Wochen suchte ich meine Brille, meine Hausschlüssel (die ich im Kühlschrank wiederfand), Lebensmittel (die Milch fand sich im Badezimmerschränkchen), mein Fahrrad – ich sagte niemandem etwas davon, so peinlich war mir die Tatsache – hatte ich einfach irgendwo in der City abgestellt.
Allmählich machte ich mir Sorgen: Was war los mit mir? Litt ich an einer Demenz? Mit gerade mal 41 Jahren? Meine Angst wuchs und ich beschloss, Dinge, die ich zu erledigen hatte, auf kleine Zettel zu schreiben, die ich mir in die Hosentasche steckte. Wenn ich mein Auto parkte, malte ich eine Skizze, damit ich es später auch wiederfand. Als mein Sohn mich anrief, dass ich ihn doch vom Sportunterricht abholen sollte, musste ich leider zugeben, dass ich ihn vollkommen vergessen hatte. Also schrieb ich mir alle Erledigungen, Verabredungen, geparkte Autos und Fahrräder noch genauer auf. Aber es wurde nicht besser. An einem Nachmittag, als ich gerade im Supermarkt stand, riefen meine Kinder an: Zwei Freundinnen saßen bei mir zu Hause – ich hatte sie für diesen Tag eingeladen. Ich hatte einfach vergessen, mir diese Verabredung aufzuschreiben.
Meine ganze Gedankenwelt veränderte sich. War ich bislang ungeheuer gern joggen gegangen, saß ich nun lange auf dem Küchenstuhl und überlegte: »Joggen? Dann muss ich aufstehen und die Tasche holen, mich ausziehen, bücken, die Schuhe ausziehen, mich umziehen, die Schnürsenkel der Sportschuhe binden, die Haustür öffnen, Laufen, danach wieder umziehen und dann wieder duschen, wieder anziehen…«
Diese Gedankengänge wiederholten sich und ich war unfähig aufzustehen. Die Zeit verging und ich blieb einfach auf dem Küchenstuhl sitzen. Zum Joggen fehlte mir die Kraft. Und die zähen Gedankengänge begleiteten mich, wenn ich den Haushalt machte oder einkaufen wollte. Ich hatte das Gefühl, mein Leben wäre eine unablässige Abfolge von äußerst ermüdenden, kräftezehrenden Handlungen. Jeder Tag fiel mir schwerer als der vorherige. Ich fühlte mich wie in einem Hamsterrad, das sich immer schneller drehte.
Der Unterricht, der mir immer Freude gemacht hatte, wurde zum Problem. Ich hatte Mühe, die sieben Stunden durchzuhalten. Abends nahm ich Baldriantropfen, mitten in der Nacht wurde ich trotzdem wach und mein Gedankenkarussell machte mich schwindelig. Ich verlor Gewicht, hatte keinen Appetit mehr. Manchmal stand ich einfach da und fragte mich, was da eigentlich mit mir passierte.
Dann kam der Tag, an dem ich Wäsche in die Waschmaschine geben wollte. Ich kniete vor der Waschmaschine, unfähig, die Wäsche in die Trommel zu legen. Mir brach der Schweiß aus und ich zitterte am ganzen Körper. In diesem Moment wusste ich: Ich benötigte dringend Hilfe! Also rief ich in einer nahegelegenen psychologischen Praxis an, die ich kannte. Zum Glück ging jemand ans Telefon und erkannte meine Lage. »Wollen Sie selbst kommen oder sollen wir Ihnen einen Krankenwagen schicken?«, wurde ich gefragt.
Ich schaffte den Weg noch aus eigener Kraft, auch wenn es fast eine Stunde dauerte, ehe ich die paar hundert Meter zurückgelegt hatte. In der Praxis wurde ich einer Reihe von Tests unterzogen und neurologisch untersucht. Ich fürchtete mich die ganze Zeit vor dem Moment, in dem die Diagnose »Demenz« zum ersten Mal offen geäußert werden würde. Innerlich war ich gewappnet. Ich starrte die Psychologin an, als sie sagte: »Ja, also wir müssen noch die restlichen Untersuchungen abwarten, aber es handelt sich bei Ihnen um eine völlige psychische, physische und emotionale Erschöpfung im Endstadium, kurz Burnout.«
Mir fehlten die Worte: Burnout? Ich? Das konnte nicht sein! Ich gab doch Seminare zur Stressprävention! Ich war fassungslos, entsetzt. Keine Demenz, sondern ein Burnout. Neben der Erleichterung, keine Demenz zu haben, fragte ich mich, wie das passieren konnte. Ich saß im Behandlungsraum und war in Tränen aufgelöst.
»Möchten Sie in eine Akut- oder eine Kurklinik?«, fragte die Ärztin, als ich mich einigermaßen gefasst hatte. Ich entschied mich für die Kurklinik, weil ich trotz meiner desolaten Verfassung hoffte, den Klinikaufenthalt so noch einige Wochen hinausschieben zu können. Ich hatte doch noch so vieles zu tun!
Innerhalb von acht Tagen war der Bescheid da. Die Kur war genehmigt. Ich konnte es nicht fassen. Wie sollte es zu Hause weitergehen? Mein Mann, die Kinder, der Haushalt, der Garten, Einkaufen, mein Beruf … Und ich sollte für sechs Wochen weg! Beim Gedanken, das alles vorzubereiten, brach mir der Schweiß aus. In diesem Moment merkte ich zum ersten Mal, wie vollkommen erschöpft ich war. Ich gab den inneren Widerstand auf und fuhr in die Kur.
Heute sage ich: Mein Burnout war für mich die beste Erfahrung meines Lebens und ein ganz großes Geschenk. Während der Kur habe ich mein Leben verändern können. Was ich alles geändert habe, welche Einstellungen ich über den Haufen warf und welche Übungen mir bei diesem Veränderungsprozess geholfen haben, lesen Sie im Buch. Heute weiß ich, dass ich resilient bin!
Doch es muss nicht erst zur kompletten Erschöpfung kommen. Es gibt viele Möglichkeiten, vorher schon zu reagieren und achtsam zu sein. Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben die Chance, Ihr Leben zu verändern! Sie haben Resilienz, davon bin ich überzeugt, Sie sind stärker als Sie glauben!
Kennen Sie auch Menschen in Ihrem Umfeld, die Dinge erlebt haben, Trennungen, Krisen, Trauer, Krankheiten, Schicksalsschläge und nicht daran zerbrochen sind? Wo doch andere Menschen schon an kleinsten Misserfolgen zerbrechen?
Manche Menschen können mit Belastungen, Druck und Krisen umgehen. Sie sehen diese Situationen als Chance, also nicht als einen Zustand, indem sie verharren, sondern als einen Prozess, aus dem sie lernen. Sie sind resilient. Resilienz ist so etwas wie eine Widerstandsfähigkeit oder auch eine »Stehaufmännchen-Fähigkeit«.
Wenn Sie es schaffen, eine Situation, eine Krankheit, eine Trennung als eine neue Herausforderung zu sehen, können Sie eine neue, positivere und glücklichere Einstellung zum Leben entwickeln. Dazu ist es nötig, Ihre Glaubenssätze ( Kap. 7.7) und Lebensmuster einmal zu hinterfragen.
Fazit Resilient sein bedeutet …
wieder aufzustehen, auf die Beine kommen, innere Stärke besitzen, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden.
Der Begriff Resilienz stammt eigentlich aus der Physik. Dort bezeichnet er die Fähigkeit eines Stoffes, sich zu verformen und wieder in die Ausgangsposition bzw. in die ursprüngliche Form zurückzufinden. Ein Mentor von mir sagte einmal, Resilienz bedeute für ihn »psychische Robustheit«.
1.1 Resilienz ist eine Haltung
Ein kleiner Teil von Resilienz ist genetisch begründet. Manche Menschen werden mit dieser Fähigkeit geboren und verstärken sie durch die Erfahrungen in ihrer Kindheit und ihrem späteren Erwachsenenleben.
• Resiliente Menschen akzeptieren schwierige Erlebnisse, Trauer, Trennungen oder Krankheiten. Sie verstehen, dass all dies zum Leben dazugehört.
• Resiliente Menschen betrachten das Leben positiv: Ihr Glas ist immer halb voll, niemals halb leer.
• Resiliente Menschen achten auf das, was sie geleistet haben. Sie schauen weniger auf ihre Defizite oder Fehler, sondern erkennen, was gut gelungen ist und sind stolz darauf.
• Resiliente Menschen sind offen für Neues, weil sie wissen, dass das Leben einer stetigen Veränderung unterliegt. Sie betrachten Veränderungen weniger als Krise, sondern eher als Teil des Lebens.
Wenn uns die Resilienz fehlt bzw. wir sie noch nicht in uns entdeckt haben, bleibt keineswegs eine Leerstelle in uns. Es ist die Angst, die an diese Stelle tritt: Angst vor Veränderung. Neues wird nicht als Weiterentwicklung gesehen, sondern als Bedrohung.
1.2 Resilienz lässt sich lernen
Es hängt in sehr großem Maße davon ab, wie Sie Veränderungen wahrnehmen. Ist jede Veränderung eine Krise? Für viele ist das so. In meinen Seminaren »50+« erlebe ich viele ältere Seminarteilnehmer, die sich z. B. gegen die Digitalisierung der Dokumentation wehren.
Beispiel »Muss ich denn schon wieder bei null anfangen?
Frau M., 56 Jahre alt und gestandene Pflegekraft, war außer sich: »Jahrelang habe ich Fortbildungen zum Thema »Pflegeplanung« besucht. Immer war ich auf dem neuesten Stand. Jetzt soll alles digitalisiert werden! Da muss ich doch wieder bei null anfangen!«
Frau M. war der festen Überzeugung, ihre jahrelangen Fortbildungen seien für die Katz gewesen. Als wir genauer auf ihre Lebensumstände eingingen, stießen wir auf genau diesen Glaubenssatz, der Frau M. schon ihr Leben lang begleiteten. Sie hatte ihn von ihrem Vater übernommen. Der war Schuhmachermeister, führte jahrzehntelang den familieneigenen Betrieb und war Neuerungen gegenüber alles andere als aufgeschlossen. Veränderungen waren schreckenerregend – da wäre ja alles für die Katz!
Zudem hatte Frau M. einen Heidenrespekt vor Computern: »Ein Bekannter hat mir mal gesagt, wenn ich nicht ordentlich abspeichern würde, wären alle Daten verloren«, erzählte sie uns. »Das hat mir echt Angst eingejagt.«
Aber genau daran konnten wir arbeiten – und das taten wir auch. Wir fanden gemeinsam mit Frau M. in einem Stärkenprofil ihre Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten heraus:
Für ihr Stärkenprofil beantwortete Frau M. diese Fragen:
• Worin bin ich gut?
• Was liegt mir besonders, was fällt mir leicht?
• In welchen Situationen oder Situationen kann ich mein Fachwissen anwenden?
• In welchen Bereichen bin ich Experte?
• Welche Erfolge kann ich in meinem Leben/Beruf verzeichnen?
Für ihr Schwächen-Profil stellte sich Frau M. diese Fragen:
• Was fällt mir oft besonders schwer?
• Was kostet mich große Überwindung? Bringt es mich in meinem Leben weiter/beruflich weiter, wenn ich mich überwinde?
• Welche Misserfolge gab es?
• Welche Kenntnisse könnte ich noch ausbauen?
• Was macht mir keinen Spaß?
• Wäre ich bereit, Zeit und Energie in eine Änderung einzubringen?
Im Anschluss überlegten wir in der Gruppe, was Frau M. helfen würde. Ein paar Ideen waren schnell gefunden:
• Anmeldung zu einem Computerkurs
• Einen Bekannten bitten, ihr einmal pro Woche am PC zu helfen
• Ihre Ängste auf der Station offen aussprechen
• Sich ihr Wissen bewusst machen (jahrelange Fortbildungen zum Thema »Pflegeplanung« sind ein großer Wissensschatz)
• Sich für erste Erfolge belohnen (z. B: mit einem Eis, einem netten Mitbringsel für die Wohnung, einem Spaziergang, einem Cafébesuch mit einer Freundin)
Ein paar Monate später erhielt ich eine E-Mail von Frau M.:
»Liebe Frau Koslowski,
vielen Dank für das tolle Seminar! Ich habe inzwischen einige Dinge verändert und mich mit drei anderen Teilnehmerinnen aus dem Seminar zu einem Computerkurs angemeldet und diesen erfolgreich beendet. (Was ich vorher nicht geglaubt hätte, dass ich das schaffe!)
Ich hatte mir einen Computerkurs viel schlimmer vorgestellt, und wissen Sie, was mir viel Mut gemacht hat? Es war die Feststellung, dass andere ja die gleichen Probleme am PC haben wie ich.
Und nachdem ich mich jetzt auf der Station mit dem neuen Programm beschäftigt habe, fällt es mir viel leichter. Das schönste Erlebnis hatte ich letzte Woche, als mich eine 26-jährige Kollegin gefragt hat, ob ich ihr bei der Dokumentation am PC helfen könne. Es hat mich sehr stolz gemacht.
Mit den drei anderen Seminarteilnehmerinnen hat sich eine echte Freundschaft entwickelt, sodass wir beschlossen haben, den Aufbaukurs im Herbst zu machen. (Hätten Sie das geglaubt im Februar?)
Und nun … was das Belohnen angeht. Ich fahre mit meiner Freundin für drei Tage nach Norderney, ich freue mich schon sehr darauf. Mein Mann hat nicht schlecht gestaunt, was gerade so alles passiert. Und Sie haben so recht: Wenn mich kein anderer belohnt, mache ich das eben selbst!
Danke, dass Sie mich wachgerüttelt haben, ich bin nun aus der »Nörgelfalle« und weiß, auch mit 56 Jahren bin ich noch lernfähig und schaffe das.«
Über diese E-Mail und die Veränderungen von Frau M. habe ich mich riesig gefreut. All diese Ressourcen und Fähigkeiten hatte Frau M. in sich. Mit unserer Hilfe hat sie erkannt, dass es wichtig ist, mit der Zeit zu gehen und dass Veränderungen zu unserem Alltag in Unternehmen gehören.
So wie Frau M. auch verstanden hat, dass sie Fähigkeiten und Talente hat und sich nun zutraut, um neue Situationen zu bewältigen. Frau M. verspürte nun das Gefühl von innerer Stärke und mehr Selbstbewusstsein. Sie ist aus einer Situation von Angst und Unbehagen herausgetreten und hat verstanden, dass nur sie selbst etwas verändern und bewirken kann. Sie hat aktiv etwas an ihrer Situation geändert und etwas Neues gewagt.
1.2.1 Was hat Frau M. resilient gemacht?
1. Eine neue Grundhaltung: Frau M. hat sich ihr Stärken- und Schwächen-Profil angesehen und sich auf die positiven Dinge besonnen. Ihre neue Grundhaltung ist Optimismus. Ihr neuer Leitsatz lautet: »Nur wer wagt, gewinnt!«
2. Verantwortungsbereitschaft: Frau M. ist bereit, ihre Opferrolle zu verlassen (»Ich schaffe das ja sowieso nicht …«). Stattdessen nimmt sie eine Herausforderung an und besucht einen Computerkurs.
3. Handlungsfähigkeit: Frau M. will sich nicht mehr hilflos einer Situation ausliefern. Sie ist bereit, die Ärmel hochzukrempeln (Kurs suchen, mit ihrer Leitung abklären, dass sie dann nicht in den Spätdienst eingeteilt wird und sich anmelden).
4. Sich der neuen Situation stellen: Frau M. kann jetzt Sätze von früher (»Das schaffst du doch eh nicht.«) zulassen und sagen: »Ja, das war früher. Heute lebe ich im Hier und Jetzt und schaffe das mit all meiner Erfahrung.«
5. Selbstwert: Frau M. kann jetzt stolz sein auf die Dinge, die sie im Leben schon geleistet hat. Sie kann stolz darauf sein, sich zum Kurs angemeldet zu haben.
6. Belohnung: Frau M. hat sich ein Ziel gesetzt (»Wenn ich den Kurs schaffe, fahre ich mit einer Freundin nach Norderney.«).
7. Netzwerke schaffen: Frau M. hat nicht nur eine Freundin gebeten, sie auf ihrer Reise zu begleiten, sondern ihrer Freundin auch noch gesagt, dass es sich um eine Belohnung handelt. Dadurch ist sie noch einmal besonders motiviert worden.
8. Lösungsorientiert denken: Frau M. weiß, dass sie nach dem erfolgreich absolvierten Kurs andere Tätigkeiten auf der Station ausführen kann, was ihr ein positives Gefühl gibt.
Übung
Nehmen Sie Stift und Papier und beantworten Sie die folgenden Fragen bzw. ergänzen, ändern und erweitern Sie sie:
Blick auf mich
• Was mögen andere Menschen an mir? (Partner, Kinder, Freunde, Kollegen?)
• Was kann ich gut? (Kochen, Organisieren, Malen, usw.)
• Was fällt mir leicht im Umgang mit anderen Menschen (Familie, Bekannte, Patienten, Angehörigen usw.)?
• Was sind meine fachlichen Fähigkeiten? (Pflegefachliches Wissen, Fachgespräche mit Angehörigen führen, Teamfähigkeit, usw.)
• Worin gehe ich auf? Wo sind meine Interessen? (Gitarre spielen, Gartenarbeit, usw.)
Meine Stärken
• Humor
• Empathie
• Ausdauer
• Zielstrebigkeit
• Zuverlässigkeit
• Ausdauer
• Entscheidungsfähigkeit
• Kontaktfreudigkeit, Kontaktfähigkeit
• Spontanität
• Disziplin
• Organisationstalent
• Schnelle Auffassungsgabe
• usw.
Erstellen Sie Ihre eigene Hitliste Ihrer Stärken und wählen Sie drei Stärken aus, die Ihnen besonders wichtig sind.
Übung
Sie können sich auch ein Feedback von anderen holen. Das motiviert ungemein. In meinen Seminaren schließen wir oft mit einer sogenannten »Warmen-Rücken-Übung« ab.
Jeder Seminarteilnehmer bekommt auf seinen Rücken eine Wolke aus Papier oder ein großes DIN-A4-Blatt geheftet und alle Teilnehmer schreiben ihm etwas Positives (eine Eigenschaft, eine Stärke usw.) darauf. Die Fragestellungen dazu lauten:
• »Was hat diesen Menschen im Seminar ausgemacht?«
• »Was schätzen Sie an ihm?«
• »Wo sehen Sie seine große Stärke?«
Bei dieser Übung, die häufig einhergeht mit einer meditativen Musik, sind schon Tränen der Rührung geflossen. Einige Teilnehmer konnten gar nicht fassen, dass sie so positiv wahrgenommen wurden.
1.3 Resilienz hilft in Krisen
Resiliente Menschen lernen aus Krisen. Sie sammeln Erfahrungen, gehen mit Problemen kreativ um, lernen neue Fertigkeiten und verändern ihre Lebenseinstellung. Frau M. hat genau das erfahren.
Je ausgeprägter die Krisenerlebnisse und Erfahrungen eines resilienten Menschen sind, desto sicherer und souveräner geht er mit diesen Lebenssituationen um. Er wird selbstsicherer und weniger ängstlich. Einen resilienten Menschen bringt so leicht nichts aus der Fassung. Er geht mit Stress anders um und sieht Probleme als Herausforderungen an.
Eine Krise ist nichts Unüberwindbares, sondern eine Herausforderung, etwas Neues erlernen zu dürfen und sich zu entwickeln. In meinen Seminaren erlebe ich Teilnehmer, die auf der Stelle treten, sich gegen Erfahrungen wehren und Krisen nicht lösen, sondern eher vertiefen. Es fällt ihnen schwer, vergangene Erlebnisse anzunehmen. Sie kommen über bestimmte Ereignisse nicht hinweg und investieren sehr viel Energie, um sich immer wieder damit zu beschäftigen. Oftmals fallen Sätze wie: »Hätte ich doch bloß nicht die Station gewechselt!« – »Vielleicht hätte ich doch die andere Stelle annehmen sollen?«
Diese Menschen hadern mit einer Entscheidung, die sie getroffen haben. Sie glauben, sich falsch entschieden zu haben und sind unglücklich damit, wie ihr Leben verläuft. Wir können vergangene Zeiten nicht rückgängig machen. Wenn wir ständig dem Vergangenen hinterhertrauern, kostet das wertvolle Energie. Uns kommt der Mut abhanden, etwas zu verändern. Wir haben Angst, dass das Neue vielleicht sogar noch schlimmer wird.
Das ist menschlich. Wir alle sind Gewohnheitstiere. Wir benötigen bekannte Strukturen, gewohnte Rituale, vertraute Tätigkeiten und Abläufe. All das gibt uns Sicherheit, vielleicht auch Geborgenheit. Der immer gleiche Ablauf auf der Station, die altvertrauten Kollegen, die tausendmal begangenen Wege in der Einrichtung.
Dabei sind wir ständig Veränderungen unterworfen: Das Personal wird immer knapper, die Kollegen sind öfter krank, neue Gesetze verlangen neue Dokumentationen. Was früher vertrautes Ritual war, wird plötzlich als sinnlose Tändelei identifiziert und kurzerhand abgestellt. Das sind für den einen Menschen heftige Krisen und denen begegnet er mit Unwillen und massivem Beharrungsvermögen (»Die können mir erzählen, was sie wollen – wir haben das IMMER so gemacht!«)
Fazit Resiliente Menschen haben …
die innere Stärke, auch in schwierigen Situationen nach einer Lösung zu suchen. Schauen wir uns an, wie sie das schaffen!
1.4 Resilienz hilft bei (notwendigen) Veränderungen
Je älter wir werden, umso schwerer fallen uns Veränderungen. Doch wir müssen uns immer wieder der Veränderung stellen. Nicht jedes Problem ist gleich ein grundlegender Konflikt. Manchmal genügen schon kleine Perspektivwechsel, um eine Situation entscheidend zu verändern.
Um besser unterscheiden zu können, ob Sie ein konkretes Problem haben oder einen Konflikt, stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben Frühschicht und der Tag ist wie immer voller Überraschungen: Kollegen sind urplötzlich erkrankt, ein Patient/ein Bewohner verstirbt, Sie müssen wieder mal Streitereien mit Kollegen schlichten und auch noch Überstunden leisten, weil irgendjemand wieder irgendetwas vergessen hat.
• Variante 1 – es war ein Problem: Am Ende Ihres Dienstes fahren Sie nach Hause und nehmen sich vor, am nächsten Tag mal eine Teamsitzung anzuregen, damit die Arbeit besser organisiert werden kann.
• Variante 2 – es ist Konflikt: Die Kollegen und deren – Ihrer Ansicht nach – mangelnde Arbeitsleistung – beschäftigen Sie weiterhin. Sie machen Ihrem Ärger beim gemeinsamen Kaffeetrinken mit Ihrem Mann Luft. Selbst beim abendlichen Bummel mit einer Freundin denken Sie immer noch an die Arbeit. Auf alle Ratschläge (»Sag doch endlich, was du ändern würdest.« – »Lass dich doch nicht immer einspannen, wenn du das gar nicht willst.«) reagieren Sie mit Angst. Trotz Ihres Ärgers glauben Sie fest daran, dass Sie nichts ändern können. »Ich muss da eben einfach durch.«, sagen Sie jedem, der es hören will.
• Variante 3 – es ist eine Krise: Sie gehen mit Magenschmerzen zur Arbeit. Sie reden nicht mehr mit Ihren Kollegen (»Die sind doch alle genauso mies dran.«). Sie stellen fest, dass Sie Patienten und Bewohner nur noch als Fälle sehen, aber nicht mehr als Menschen. Nachts schlafen Sie unruhig. Wenn jemand sagt: »Wechsel doch die Stelle!«, sind Sie ärgerlich: »Woanders ist es auch nicht besser! Ich kann überhaupt nichts tun!«
In schwierigen und schmerzlichen Situationen haben Sie immer die Wahl: Sie können in eine Opferhaltung gehen, im Schmerz verharren oder sich neu orientieren. Das hört sich einfach an. Aber jede Veränderung macht Angst. Diese Angst ist nicht zu leugnen, sie ist wahrhaftig vorhanden.
Wichtig Akzeptieren Sie Ihre Angst vor Veränderung
Nehmen Sie Ihre Angst wahr. Nehmen Sie sie an. Angst gehört zu Krisen und Veränderungsprozessen. Wenn Sie sich gegen diese Angst wehren, wird sie eher stärker.
Vielleicht erkennen Sie sich in der folgenden Geschichte wieder?
Beispiel »Ich funktioniere nur noch«
Frau D. war seit 29 Jahren als Krankenschwester auf einer chirurgischen Station tätig. Sie wirkte sehr erschöpft und unglücklich mit ihrer Arbeit auf der Station, mit den Kollegen und den Arbeitsabläufen. Doch es fehlte ihr der Mut, etwas zu verändern. Frau D. lebte seit ihrer Scheidung allein, fürchtete, ihre Arbeit nicht mehr bis zum Rentenalter machen zu können. »Über ein bloßes Funktionieren komme ich nicht mehr hinaus«, sagte sie bei der Vorstellungsrunde am Morgen zu uns.
Doch nachdem wir im Seminar Stärken und individuelle Ressourcen eines jeden Teilnehmers herausgearbeitet, Glaubenssätze und Muster beleuchtet und verschiedene Übungen gemacht hatten, wirkte Frau D. verändert. Sie war sehr erstaunt, was sie alles an Stärken und Ressourcen aufwies und hatte bereits in ihrem neuen Zeitmanagementplan Veränderungen eingebaut. Am Nachmittag desselben Tages war sie lebhafter, bewegte sich energischer und brachte sich immer öfter in die Gruppenarbeit mit ein. Am Ende des Seminars sagte ich zu den Teilnehmern: »Wir sind lieber jeden Tag in verschiedenen Situationen unglücklich, da sind wir sicher unglücklich, anstatt uns zu trauen, eine ausweglose Situation zu verlassen, um glücklich zu werden. Wir wissen nicht, wo der Weg hingeht! Die eine Tür öffnet sich und die andere schließt sich.«
Einige Monate später war ich in einer Einrichtung mit dem Pflegedienstleiter verabredet. Als ich gerade durch die Tür gehen wollte, flog mir eine Person um den Hals und sagte: »Wissen Sie noch, das Seminar in Essen?« Vor mir stand Frau D. und sprudelte los: »Nach dem Seminar saß ich im Auto und hatte immer Ihren Satz im Ohr: »Wir sind lieber jeden Tag unglücklich ...« Zu Hause nahm ich mein Stärken- und Schwächenprofil in die Hand und wusste auf einmal, dass ich schon viel zu lange unglücklich war. Gleichzeitig spürte ich neue Kraft in mir. Ich hatte zum ersten Mal seit Langem das Gefühl, nicht zum alten Eisen zu gehören. Und ich wusste: Ich musste etwas ändern. Jetzt sofort. Danach habe ich meine Kündigung geschrieben und sie sofort am nächsten Tag per Einschreiben verschickt.
Es war ein befreiendes Gefühl! Ich wusste nun, ich bin kompetent, habe viel Berufserfahrung, bringe Werte mit und die Bereitschaft, Neues zu lernen. Es war ein tolles Gefühl. Meine Ängste waren weg und ich hatte so viel Selbstvertrauen.
Als ich am nächsten Tag einer Freundin von meiner Kündigung erzählte, war diese fassungslos: »Um Gottes Willen, Marion, in deinem Alter findest du doch keine neue Stelle!« Aber ich ließ mich nicht beirren.
Ich fuhr stattdessen für eine Woche an die Ostsee, was ich immer schon wollte. Die Ruhe, der Strand und das Meer taten mir so gut. Ich hatte auf einmal das Gefühl, zu leben und spürte mich wieder. In dieser Woche entwarf ich meinen Plan.
Ich wollte zum Arbeitsamt und mich beraten lassen. Fast 30 Jahre auf einer chirurgischen Station reichten. Es gab so viele andere Bereiche, die mich interessierten. In den Jahren war ich so eingefahren und hatte überhaupt nicht gesehen, dass es in der Gesundheitsbranche auch andere Möglichkeiten gibt.
Zuhause schlug ich die Tageszeitung auf und sah die Anzeige eines ambulanten Beatmungszentrums. Es war eine sehr wertschätzende Annonce, die den Fokus auf ältere Mitarbeiter legte. Kurzerhand schrieb ich meine Bewerbung. Eine Woche später war das Vorstellungsgespräch und ich wurde genommen – mit 56 Jahren! Das hat mich so stolz gemacht. Ich konnte mein Glück kaum fassen!
Ich bin jetzt die älteste Mitarbeiterin und lerne viel von der jüngeren Generation, bekomme aber auch viel Respekt und Wertschätzung von meinen jungen Kollegen. Obwohl ich noch nicht so lange im Unternehmen bin, werde ich oft in fachlichen Belangen gefragt.
Ich bin sehr froh, dass ich diesen Weg gegangen bin. Meine Rückenschmerzen, meine Verspannungen im Nacken und auch meine Schlafstörungen sind verschwunden. Ich freue mich jetzt jeden Tag auf meine Kollegen und auf die Patienten. Und besonders das habe ich mir gemerkt: »Ich bin der wichtigste Mensch, und nur wenn ich mit mir körperlich und seelisch im Einklang bin, kann ich auch gut mit anderen Menschen arbeiten. Ich habe viele Jahre nur funktioniert und nicht mehr meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrgenommen und den Fokus immer auf andere Menschen gelegt.
Nun gönne ich mir einmal im Monat eine Massage, gehe wieder mit Freundinnen ins Kino (was ich jahrelang nicht mehr gemacht habe), werte mich nicht ab und habe gelernt, auch mal Nein zu sagen und nicht einzuspringen und keiner ist böse auf mich. Ich habe ein ganz anderes Lebensgefühl und das habe ich nur Ihnen zu verdanken.«
Was hat sich bei Frau D. verändert, was hat sie resilienter werden lassen? Mit den Impulsen durch das Seminar hat sie gleich auf mehreren Ebenen etwas geändert:
• ihre innere Haltung (»ich funktioniere nur noch«),
• ihre Einstellung (»bis zur Rente halte ich doch nie durch«) und
• ihre Überzeugungen (»in meinem Alter bekomme ich keinen anderen Job!«)
hat sie überdacht und für falsch befunden. Sie hat akzeptiert, dass es Zeit für eine Veränderung ist und gekündigt. Dann hat sie den Fokus auf ihre Stärken gelegt:
• »Ich bringe viel Berufserfahrung mit, bin belastbar.«
• »Ich kann gut zuhören, mich auf andere Menschen einlassen.«
• »Ich bin flexibel, es gibt noch so vieles, was mich interessiert.«
Fazit Die Frage, ob wir resilient sind, …
also eine Lebendigkeit in uns spüren, eine Beweglichkeit, hängt davon ab, ob wir unseren Fähigkeiten vertrauen.
Wer eine Krise erfolgreich übersteht, kann stolz auf sich sein. Er hat seine Ängste akzeptiert, sich aber nicht von ihnen behindern lassen. Er ist an eine Grenze gestoßen und hat sie überschritten. Glaubenssätze wurden in Frage gestellt und aufgegeben, weil sie heute nicht mehr zutreffen. Das Gefühl nach der Krise ist Stärke. Frau D. hat eine schwierige Lebenssituation überwunden und ist (selbst-)sicherer geworden, hat mehr Selbstvertrauen und weiß jetzt auch, falls noch einmal eine Krisensituation auftaucht, wird sie es schaffen!
1.5 Aus überstandenen Krisen lernen
Wenn Sie eine Krise erfolgreich überstanden haben, können Sie stolz auf sich sein. Vermutlich haben Sie vor der Krise Ängste gehabt, waren geschwächt, haben sich nichts zugetraut, fühlten sich schlecht und fürchteten sich davor, eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht sind Sie auch an persönliche Grenzen gestoßen, haben Ihre Glaubenssätze in Frage gestellt, dennoch haben Sie es geschafft! Was haben sie daraus gelernt? Stärke. Sie haben eine schwierige Lebenssituation überwunden und sind sicherer geworden, haben mehr Selbstvertrauen und wissen, falls noch einmal eine Krisensituation auftaucht, dass Sie auch diese bewältigen können!
Ich möchte Ihnen jetzt Nina F. vorstellen, die mich sehr beeindruckt hat, weil diese junge Frau es allein geschafft hat. Sie hat sich auf den Weg zu machen, Einzelcoaching gebucht und viel an sich gearbeitet. Heute ist Nina eine junge, glückliche Frau, die es geschafft hat, resilient zu werden.
Beispiel »Ich will doch meine Kollegen nicht im Stich lassen!«
Nina F. war 24 Jahre alt und seit einem Jahr examinierte Gesundheitspflegerin, als sie mich auf Wunsch ihres Vaters aufsuchte.
Ihre Ausbildung zur Gesundheitspflegerin hatte sie in einem kleinen Krankenhaus in einer ländlichen Region absolviert. Sie war eine gute Schülerin und machte ein hervorragendes Examen.
Da sie sich verändern wollte, zog sie mit ihrem Freund in die Stadt und fing an einer großen Klinik an. Das Team auf der Station bestand schon lange, überwiegend aus älteren Mitarbeitern, die Nina gern aufnahmen. Nina hatte den Wunsch, dazuzugehören und startete mit Eifer die neue Stelle an. Gern sprang sie ein und übernahm die Schicht von Kollegen.
Nach der Arbeit schlug sie noch ihr bislang unbekannte Begriffe nach und war sehr engagiert. Das Team war begeistert, versuchte aber auch, Nina ein wenig zu bremsen. Doch das blieb wirkungslos.
Ninas Freund war nicht begeistert, dass Nina immer wieder Überstunden machte. Statt mit ihr gemeinsam, ging er nun immer öfter allein zum Fußball. Ninas Freundinnen riefen immer seltener an, denn Nina hatte weder für den gewohnten Mädel-Abend noch für einen Kinobesuch Zeit. Nina trank literweise Kaffee und fing an zu rauchen. Statt mit ihrem Freund abends gemeinsam zu kochen, lag sie todmüde auf dem Sofa und litt unter Rückenschmerzen. Von ihrem Handballtraining hatte sie sich längst abgemeldet, weil sie es durch das vermehrte Einspringen nicht mehr schaffte. Nina nahm innerhalb von drei Monaten zehn Kilo ab und wurde immer müder.
In einer unserer Sitzungen berichtete Nina: »Wenn ich nach Hause komme, bin ich nur noch müde. Ich liege auf der Couch und schaue Fernsehen. Manchmal fehlt mir sogar die Kraft, um das Programm zu wechseln. Mein Freund meckert, dass wir nicht mehr zusammen kochen. Oftmals schlafe ich vor dem Fernseher ein und werde um 23:00 Uhr von meinem Freund geweckt, weil Schlafenszeit ist. Ich habe Kopfschmerzen, keinen Appetit mehr und in meinem Kopf dreht sich alles. Nachts knirsche ich mit den Zähnen und morgens bin ich total müde. Ich habe oft Herzklopfen und denke immer häufiger, dass ich all das nicht mehr schaffe. Aber ich will doch nicht krank machen und meine Kollegen im Stich lassen.«
Nina F. war damals sehr verzweifelt und dachte, sie müsse immer so weiterleben. Im Coaching legten wir erst einmal die Regeln fest, denn Nina war mehr als bereit für den Veränderungsprozess. Sie akzeptierte auch, dass ein Arzt sie eine Woche krankschrieb. Dann arbeiteten wir an Aspekten, die Nina wichtig waren:
1. Warum springe ich immer ein und sage Ja, wenn ich »Nein« meine?
2. Was bedeutet Selbstliebe?
3. Welche festen Rituale hatte ich / möchte ich haben: Hobbys, Handball, gemeinsames Kochen, Freunde treffen
4. Welche dieser Rituale möchte ich weiter verfolgen?
5. Wie sieht mein neues Zeitmanagement für den beruflichen und privaten Kontext aus?
6. Ich brauche eine Stunde am Tag nur für mich selbst!
7. Ich belohne mich für Dinge, die ich geleistet habe!
8. Ich möchte klar im Handeln sein.
Nina ging auch diese Liste mit der ihr eigenen Energie an und nach dem siebten Coaching-Termin war für sie klar, dass sie in einem kleineren Haus arbeiten möchte – und das setzte sie auch um.
Nina F. arbeitet als stellvertretende Stationsleitung in einem kleinen Hospital. Sie ist nach wie vor ein guter Teamplayer, aber sie kennt jetzt ihre Grenzen und vertritt diese mit Klarheit. In unserem letzten Coachingtermin nach einem halben Jahr sagte sie: »Ich kann nur gut mit anderen Menschen arbeiten, wenn es mir selbst gut geht und dazu gehört, auch »Nein« sagen und meine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und umzusetzen.« Für mich war damit mehr als bewiesen, dass Nina ihre Krise bewältigt hat. Sie hat ihre Resilienz entdeckt und umgesetzt.
Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten auf einer internistischen Station mit 36 Betten und am Wochenende hätten sie frei. Ihre Stationsleitung bittet Sie aber einzuspringen, weil sich zwei Kolleginnen krank gemeldet haben. Was tun Sie? Die meisten von Ihnen werden wohl einspringen, weil
• Sie wissen, was es heißt, wenn jemand plötzlich ausfällt und man allein da steht – man ist doch Teamplayer;
• Sie mit Menschen, mit Patienten, arbeiten, die Unterstützung und Hilfe benötigen. Da sagt doch niemand zum Patienten: »Entschuldigen Sie bitte, wir haben leider einen Personalmangel an diesem Wochenende und deshalb können wir Sie dieses Wochenende leider nicht versorgen«.
Hinter diesen Einstellungen stehen Empfindungen, die jeder von uns hat. Es sind Stressverstärker, die es fast unmöglich machen, unsere Bedürfnisse zu sehen und danach zu handeln. Jeder von uns hat seine eigenen Stressverstärker: z. B. Perfektionismus, die Missachtung eigener Grenzen oder eine Einzelkämpfer-Mentalität. Was das bedeutet, schauen wir uns im Folgenden einmal genauer an.
2.1 Stressverstärker »Perfektionismus«
Perfektionismus heißt, nie alle Fünfe gerade sein lassen zu können, die Dinge immer perfekt zu Ende bringen. Diesen Willen, diesen Stressverstärker erlebe ich oft bei älteren Teilnehmern im Seminar. Sie haben diese Art, ihr Leben zu führen, ihre Handlungen zu absolvieren, in frühester Jugend so gelernt.
Perfektionismus hat seine Glaubenssätze:
• Ich fühle mich nur sicher und gut, wenn im Leben alles perfekt ist.
• Ich fühle mich nur dann gut, wenn ich keine Fehler mache.
• Ich fühle mich nur prima, wenn andere gut über mich denken.
• Ich bekomme nur dann Anerkennung, wenn ich anderen Menschen helfe und ihre Wünsche und Bedürfnisse erfülle.
Perfektionismus ist allerdings immer eine individuelle Wahrnehmung der Dinge, eine individuelle Bewertung von Menschen, Situationen etc. Dahinter stehen immer Ängste, der sehnliche Wunsch, »perfekt« zu sein und die Angst vor der Ablehnung durch andere Menschen.
Menschen mit einem Hang zum Perfektionismus schauen selten auf das, was sie geleistet haben. Sie sehen nur ihre Defizite.
Eine Teilnehmerin erzählte: »Erst wenn mein Zimmer aufgeräumt war, konnte ich zum Spielen nach draußen gehen. Ein Muster, das ich aus meiner Kindheit übernommen habe. Ich verstand lange Jahre nicht, dass meine Kolleginnen mich kritisierten, weil ich nie eine Pause machte, ehe alle Arbeit erledigt war. Ich verstand überhaupt nicht, dass sie es nur gut meinten. Ich stand jahrelang unter Druck und war immer in Alarmbereitschaft. Ich hatte so oft eine innere Unruhe und Angst davor, etwas nicht zu können. Wenn ich etwas nicht schaffte, fühlte ich mich wie ein Versager. Jetzt erst habe ich gelernt, dass alles bei dem Aspekt »Selbstliebe« anfängt.«
2.2 Stressverstärker »Eigene Grenzen missachten«
Wir wollen alles allein machen, obwohl unser Körper uns Grenzen aufzeigt, wie Kopfschmerzen, Rückenprobleme, Herzrasen, Magendruck usw. Unser Körper sendet uns bereits warnende Signale, doch wir ignorieren sie.
Das heißt, unser Körper signalisiert uns über körperliche Symptome, dass wir eine Grenze erreicht haben. Warum ignorieren wir das? Alle Menschen entwickeln in jungen Jahren ein bestimmtes Bild von sich selbst und eine Vorstellung von der Welt, in der sie leben. Wir haben Ziele, die wir im Laufe des Lebens verfolgen. Dabei verknüpfen wir jedoch Ereignisse aus unserem Leben oder aus unserer Kindheit mit bestimmten Vorstellungen.
Beispiel »Ich kenne nur Arbeit«
Eine Teilnehmerin in meinem Seminar Empowerment war Frau J. Als Älteste von acht Geschwistern lebte sie in einem Haushalt, in dem die Mutter und die Großmutter ein großes Vorbild für sie waren. Frau J. erzählte: »Wir haben ländlich gewohnt und ich kenne alle meine Familienmitglieder immer nur arbeitend. Wenn ich meiner Mutter als Kind einmal helfen wollte, hat sie meine Hilfe abgelehnt und Dinge allein umgesetzt. Dabei ging es meiner Mutter oft sehr schlecht. Sie hatte starke Rückenschmerzen, Verspannungen, Herzrasen und vieles mehr. Es hat mir oft leidgetan, meine Mutter so erschöpft zu sehen. Wenn ich mein heutiges Leben betrachte, bin ich erschrocken, denn ich bin genauso. Oft erkenne ich meine Grenzen nicht, obwohl mein Körper mir genügend Signale sendet.«
Während Frau J . ihre Geschichte erzählt, wird sie sehr nachdenklich und erkennt, dass sie die gleichen Muster entwickelt hat wie ihre Mutter. Das ist schon einmal ein guter Anfang. Das ist Selbstreflektion und die Erkenntnis: »Ich will nicht so weitermachen!«
• Frau J. absolvierte den Stresstest und war sehr erstaunt, dass sie 13 Punkte und sehr viele körperliche Signale aufwies. Das hat sie wachgerüttelt.
• Frau J. hatte mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter positive Vorbilder, aber beide Frauen achteten nicht auf ihre eigenen Grenzen. Gemeinsam mit Frau J. suchten wir im Seminar nach Menschen in ihrem Umfeld, die auch viel leisten, aber auch auf sich achten und sich selbst genug lieben. Frau J. brauchte dringend ein neues Vorbild.
Tipp
Wir brauchen positive Vorbilder! Resiliente Vorbilder zeigen uns, wie wir etwas verändern können. Sie ändern so unsere Sichtweisen auf Dinge, geben uns Ideen und neue Lösungsansätze.
• Wir fanden tatsächlich zwei neue Vorbilder: eine Kollegin und eine Freundin von Frau J. Beide Frauen arbeiten zwar auch viel, beachten aber ihre Grenzen. Dass beide Frauen von vielen anderen sehr geachtet werden, machte sie für Frau J. zu erstrebenswerten Vorbildern.
• Menschen, die uns gut tun, geben uns emotionalen Halt und Festigkeit in unserem Alltag, sie sind Ansprechpartner bei Sorgen und helfen uns bei der Reflexion in Krisenzeiten. Sie helfen uns, resilient zu werden. Diese Unterstützung durch eine feste Bezugsperson war auch für Frau J. wichtig und sie fand sie in ihrem Mann.
• Als festes Ritual führte Frau J. ein, morgens in Ruhe eine Tasse Kaffee zu trinken und diese auch wirklich mit allen Sinnen zu genießen.
• Sie verzichtete auf ihre geliebten Zigaretten und macht stattdessen Atemübungen.
• Frau J. unterzog ihr Zeitmanagement für den beruflichen und privaten Kontext einer strengen Prüfung und lernte, Dinge abzugeben, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
• Eine Stunde am Tag gehört nun nur Frau J.
• Sie belohnt sich, wenn sie etwas Besonders geschafft hat.
• Sie bemüht sich um Klarheit im Handeln.
Frau J. hat gelernt, die Muster ihrer Kindheit loszulassen und ihr Leben neu zu gestalten. Dabei können Vorbilder helfen, die unterstützend wirken oder auch die Überprüfung alter Rituale. Frau J. hat für sich erkannt, was Selbstliebe bedeutet und Zeiten für sich eingebaut, sich zu belohnen und den eigenen Selbstwert zu erkennen.
2.3 Stressverstärker »Einzelkämpfer-Mentalität«
Einzelkämpfer verfügen nicht über die Fähigkeit, andere Kollegen mit ins Boot zu holen. Sie glauben schlicht und einfach, dass niemand die Arbeit so gut erledigt wie sie selbst. Vielleicht haben sie mit anderen Kollegen schlechte Erfahrungen gemacht und kein Vertrauen in andere Menschen. Vielleicht glauben sie aber auch, dass sie einfach die Besten in allem sind. Die Einzelkämpfer Mentalität kann viele Ursachen haben.
Beispiel »Ich mache lieber alles selbst«
Frau U. arbeitet als Pflegehelferin in einem Seniorenheim und übt ihren Beruf wirklich gern aus. »Mein größtes Bestreben ist es, dass alle gut versorgt sind. Wenn meine Kollegen mich fragen, springe ich gern ein und bin auch den einen oder anderen Tag nachmittags in der Einrichtung, um für die Bewohner einkaufen zu gehen. Das ist nicht immer einfach, da ich noch drei Kinder habe, die mich auch brauchen. Wenn aber meine Kollegin fragt, ob sie mir helfen kann, verneine ich immer und unterstütze die Bewohner lieber selbst.«
Den Grund für diese Verhaltensweise kennt Frau U. auch. Zum einen ist da die Anerkennung. »Die Bewohner sind immer so dankbar und freuen sich, wenn ich da bin.« Und zum anderen eine scheinbar negative Erfahrung, die sie in einer anderen Einrichtung gemacht zu haben glaubt. »Da habe ich einige Tätigkeiten an eine Kollegin abgegeben, aber es ist mir sehr schwer gefallen und ich hatte den Eindruck, die Bewohner waren auch nicht so zufrieden. Darum mache ich lieber alles selbst, dann weiß ich, dass es ordentlich gemacht wurde. Auch wenn ich schon manchmal sehr erschöpft bin und meine Kinder schimpfen, wenn ich nachmittags noch einmal ins Seniorenhaus gehe.«
Frau U. hat schlechte Erfahrungen gemacht und wurde enttäuscht. Im ersten Schritt ging es nun darum, ob Frau U. überhaupt bereit war, etwas zu verändern. Denn Veränderung beginnt im Kopf. Veränderung benötigt Klarheit und die Ehrlichkeit, sich einmal zu hinterfragen.
2.3.1 Übung
Wenn Sie mehr als dreimal mit Ja geantwortet haben, sind Sie auf jeden Fall gefährdet, in die Stressspirale zu treten. Sagen Sie Stopp und verlassen Sie diesen Weg! Tun Sie jetzt sofort etwas für Ihre Resilienz. Als erstes geben Sie sich ein Motto, z. B.:
• Mein neues Leben …
• Ab heute bin ich wichtig.
• Jetzt geht es um mich.
• Das ist meine neue Chance.
Sie können ab sofort etwas verändern. Als kleine Hilfe gebe ich Ihnen im Folgenden einige Sätze. Suchen Sie jenen aus, der Ihnen am meisten zusagt und machen Sie ihn zu Ihrem dauerhaften Begleiter. Wenn Sie morgens aufstehen, sagen Sie Ihren Satz fünf Mal laut auf, atmen Sie dabei tief ein und langsam wieder aus, z. B.:
• Ich darf mich abgrenzen.
• Ich liebe mich selbst und bin wertvoll.
• Ich darf meine Bedürfnisse äußern.
• Ich darf meine Gefühle zeigen.
• Ich darf mich frei entscheiden.
• Ich darf auch Fehler machen.
• Ich bin liebenswert, so wie ich bin.
• Ich darf mich neu entscheiden.
• Ich darf eigene (neue) Erfahrungen machen.
Fazit Diese Übung regelmäßig umzusetzen hilft, …
ein neues Bewusstsein zu schaffen, indem Ihnen während dieser Übung klar wird, dass Sie alte Glaubenssätze über Bord werfen dürfen und durch neue Botschaften ersetzen können.
Viele meiner Teilnehmer haben mir Wochen später geschrieben, dass Ihnen diese Übung sehr geholfen hat, mehr Selbstliebe zu erlangen, die wiederum hilfreich dabei ist, resilient zu werden und zufriedener zu werden.
2.4 Stressverstärker »Feste Vorstellungen«
Für manche Menschen ist es eine Katastrophe, dass die Welt nicht so ist, wie sie nach ihren Vorstellungen sein sollte. Sie haben eine feste Vorstellung davon, wie der Praxisalltag auszusehen hat und akzeptieren keinerlei Veränderungen. Das ist ein Stressverstärker, den ich selbst gut kenne und der mir oft das Leben schwer gemacht hat. In meiner Zeit als Krankenschwester auf einer internistischen Station hatte ich oft viel zu tun und meine Vorstellung von morgendlicher Pflege sah so aus: Alle Patienten waren fertig, das Patientenzimmer ordentlich aufgeräumt, der Mülleimer geleert, die Wäsche im Wäschebeutel und aus dem Zimmer entfernt, auf jedem Nachttisch stand eine Flasche frisches Wasser. Das war meine Vorstellung von »Pflege«. Kam es anders, konnte ich das nur schwer aushalten.
Wir sind oft gefangen in unseren Vorstellungen, wie etwas zu sein hat und wie etwas umgesetzt werden muss. Ich hatte damals als Krankenpflegeschülerin Krankenschwestern zum Vorbild, die ich toll fand, ihre Einstellungen und deren Umsetzung in der Pflege waren mir Ansporn und Tadel zugleich. Erst im späteren Alter, mit mehr Berufserfahrung, habe ich diese Vorstellungen hinterfragt. Wichtig finde ich bis heute, sich einmal zu fragen: »Was habe ich für ein Pflegeverständnis?« – »Wie möchte ich gepflegt werden, wenn ich im Krankenhaus, oder in einem Seniorenheim liegen müsste?« So ist mein Pflegverständnis bis heute: » Ich möchte Menschen so pflegen, wie ich gepflegt werden möchte, wenn ich in einem Krankenbett liegen würde!« Das bedeutet, sich seines Pflegeverständnisses bewusst zu werden, daraus resultiert eine Pflegehaltung und ich werde selbstsicherer in bestimmten Situationen im Stationsalltag … Es kommt ja gar nicht darauf an, dass der Mülleimer geleert ist, sondern darauf, ob jemand mit mir spricht, nach meinem Wohlergehen fragt, sich nach Schmerzen erkundigt. Was nutzt die Wasserflasche auf dem Nachttisch, wenn ich nicht einmal als Mensch wahrgenommen werde?
2.5 Stressverstärker »Das brave Kind«
Das »brave Kind« macht es allen recht. Gerade die Generation der Babyboomer ist damit aufgewachsen, möglichst unsichtbar, leise, lernbegierig und leistungsstark zu sein. Die Eltern verlangten es, die Umwelt erwartete es und heute ist so mancher Babyboomer entsetzt, wenn jüngere Kollegen da vollkommen anderer Meinung sind.
Frau M. sagte in einem Seminar (unter dem beifälligen Nicken fast aller älteren Kursteilnehmer): »In meiner Kindheit hatten meine Eltern viele Erwartungen an mich und das habe ich heute auch an junge Kollegen. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, bin ich sehr ungnädig.«
Natürlich haben die Babyboomer eine hohe Leistungsbereitschaft und sind erschrocken, wenn sie sehen, dass jüngere Kollegen keineswegs den gleichen Einsatz zeigen – und dennoch gut zurechtkommen und sogar befördert werden. Klammheimlich stellt sich vielleicht manche die Frage, ob er nicht viel zu viel investiert hat. Wäre es nicht auch mit weniger Engagement gegangen? Die Antwort darauf ist: Möglicherweise. Aber als die Babyboomer jung waren, konkurrierten sie um alles: Schule, Ausbildung, Arbeitsstellen. Immer waren sie zu viele und immer mussten sie sich gegen andere durchsetzen. Das hätten sie ohne ihre Leistungsbereitschaft nicht geschafft. Heute ist es anders: Viele Einrichtungen buhlen um Arbeitskräfte und die jungen Menschen wissen das und verhalten sich entsprechend. Was früher richtig war, ist heute zwar nicht falsch, aber durchaus zu hinterfragen.
Die Generation Y (Y wird im englischen wie why gesprochen = »warum«) bspw. ist sehr gut ausgebildet. Hierarchien akzeptieren die Angehörigen dieser Generation eher nicht. Sie hinterfragen lieber erst mal, was ihnen da vorgesetzt wird (why?). Anstelle von Status und Prestige rücken die Freude an der Arbeit sowie die Sinnsuche ins Zentrum. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y: Sie will nicht mehr alles dem Beruf unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Nicht erst nach der Arbeit beginnt für die Generation Y der Spaß. Sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der einen Sinn bietet.
Diese Generation verkörpert einen Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet, den die jungen Beschäftigten nun auch in die Berufswelt tragen. Die Y-Generation ist sehr selbstbewusst und offen. Sie geht selbstbewusster mit Krisen um und hat gelernt, das Beste aus einer Situation zu machen. Diese Generation kann unglaublich gut improvisieren. Das Leben der Ypsiloner verliert die Gradlinigkeit, die noch für ihre Eltern typisch waren. Es ist eher eine Generation, die das Leben genießt und sich sehr gut abgrenzen kann. Freizeit hat eine hohe Bedeutung für diese Generation. Kontakte sind wichtig, Internet ist per Smartphone immer dabei. Freizeit und ein guter Bildungsabschluss sind der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben.
Wichtig Denken Sie doch mal über einen Wertewandel nach!
So sehr wir Babyboomer über die Haltung der jüngeren Generation staunen. Wir sollten uns auch einmal fragen: Ist diese Haltung wirklich so verkehrt?
Die 52-jährige Frau R. berichtete uns im Seminar von einer neuen Mitarbeiterin, die einen älteren Herrn versorgte. »Als ich noch einmal ins Zimmer des Bewohners ging, stand der Mülleimer unausgeleert im Zimmer, der Wäschewagen war nicht weggeräumt und ein frisches Glas hatte der Bewohner auch nicht. Ich habe mich so geärgert und alles schnell selbst aufgeräumt. Und meine Kollegin … geht ganz entspannt zum Frühstück! Sagen Sie mal«, jetzt wandte sie sich an uns: »Finden Sie das noch normal?«
Ich fragte Frau R., warum sie ärgerlich war und sie antwortete: »So etwas hätte es früher bei uns nicht gegeben! Erst die Arbeit und dann das Vergnügen!«
Nun mussten die anderen Teilnehmer und auch Frau R. lachen. »Ja, ja«, sagte Frau R. schließlich, »diese alten Glaubenssätze! Eigentlich ärgere ich mich, weil ich nichts gesagt habe, sondern wutschnaubend hinter ihr hergeräumt habe.«
Als ich Frau R. fragte, was sie denn stattdessen gern getan hätte, sagte sie: »Ich würde auch gern mal wieder frühstücken gehen, das mache ich schon lange nicht mehr, weil ich sonst die Arbeit nicht schaffe.« Die anderen Teilnehmer nickten.
Das ist ein Phänomen, das ich aus allen Seminaren kenne. Die Jüngeren gehen einfach, die Älteren arbeiten zu Ende. Doch nun meldete sich eine junge Teilnehmerin zu Wort: »Ja, aber der Bewohner ist doch versorgt und man muss doch nicht alles sofort wegräumen. Manchmal ist der Wunsch nach einer Pause oder dem Frühstück so groß, dass ich erst diesem Bedürfnis nachgebe.« Sie blickte in die Runde und fuhr fort: »Und warum sprechen Sie denn nicht mit der Kollegin?«, fragte sie Frau R. »Wenn Sie nichts sagen, kann sie es ja auch nicht wissen. Uns ist aber wichtig, dass wir auch zum Frühstück kommen und einmal durchatmen können.« Frau R. wirkte nachdenklich und hatte darauf zunächst keine Antwort. Also dachten wir gemeinsam über folgende Fragen nach:
1. Was würde passieren, wenn Frau R. die Arbeit unterbrechen und für 30 Minuten zum Frühstücken gehen würde?
2. Wie würde Frau R. sich fühlen, wenn sie regelmäßig Pausen machen würde?
3. Was würde passieren, wenn Frau R. ein offenes und wertschätzendes Gespräch mit der Kollegin führen würde?
4. Was würde passieren, wenn Frau R. nicht hinter der Kollegin herräumen würde?
5. Wäre es hilfreich, mit dem ganzen Team einmal über die Pausenregelung auf dem Wohnbereich zu sprechen?
Frau R. bearbeitete diese Fragen im Seminar gemeinsam mit den anderen Teilnehmern und stellte Folgendes fest: Um all diese Dinge umzusetzen, benötigte sie die Unterstützung und gemeinsam mit der Gruppe fand sie die Antworten:
• Klärende Gespräche über Pausenzeiten führen
• Klarheit in der Kommunikation mit den Kollegen
• Selbstachtung: »Ich habe es verdient, eine Pause zu machen.«
• Akzeptanz: Wenn Dinge nicht sofort umgesetzt werden können, immer wieder ansprechen.
• Raus aus der Opferhaltung: »Wenn andere die Pause nicht einhalten, ist das für mich nicht vorbildhaft. Ich bin für mich selbst verantwortlich!«
• Andere mit ins Boot holen: Frau R. würde sich mit Kollegen von einer anderen Station verabreden, wenn sie nicht allein zum Frühstück gehen will.
Frau R. verließ mit diesem Bündel an Maßnahmen das Seminar und schickte mir zwei Wochen später eine E-Mail:
vielen Dank für den Seminartag. Sie haben mich an diesem Tag sehr nachdenklich gestimmt und ich muss sagen, erst war ich auch richtig sauer auf Sie und auf die junge Generation. Ich habe gedacht: »Die hat gut reden, die ist ja auch nicht mehr in der Pflege. Weiß die überhaupt, was da abgeht? Die Jüngeren denken immer nur an sich!« Aber es hat mich weiter beschäftigt und ich habe die Fragen, die ich im Seminar in der Gruppe beantwortet habe, noch einmal für mich in aller Ruhe beantwortet:
1. Es würde nichts passieren, wenn ich zur Pause gehe. Die Arbeit wird dann eben später gemacht. Ich habe mich selber unter Druck gesetzt, weil ich im beruflichen Alltag vielleicht einen Tunnelblick habe.
2. Ich habe mir vorgestellt, wie ich die Pause verbringen würde: mit einem Brötchen und einer Tasse Kaffee im Garten des Seniorenhauses sitzen und die Sonne genießen. Es war ein schönes Gefühl und ich merkte nur bei dem Gedanken daran, dass ich viel ruhiger wurde.
3. Vor einem Gespräch mit meiner Kollegin steht meine Angst, dass sie mich vielleicht anmeckern würde. Ich habe mich zu Hause hingesetzt und Fragen aufgeschrieben, wie ich das Gespräch beginnen könnte und habe es vor drei Tagen mit ihr geführt. Sie war keineswegs böse und wir haben viel klären können. Dabei hat sie mir noch gesagt, dass sie es immer sehr bewundernswert findet, dass ich das alles so schaffe. So habe ich mich noch nie gesehen. Und wir wollen zukünftig gegenseitig darauf achten, dass wir die Pausen einhalten und uns unterstützen – und Kritik darf auch geäußert werden.
4. Wenn ich nicht mehr hinter meiner Kollegin herräumen würde, gäbe es sicherlich einmal Ärger mit den Bewohnern oder den Angehörigen oder unserer Leitung und meine Kollegin würde ermahnt und würde daraus lernen.
5. Es wäre sehr hilfreich, mit dem Team und mit unserer Leitung einmal über die Pausenzeiten nachzudenken. Mir ist aufgefallen, dass wir zwar häufig Fallbesprechungen machen, aber wir sprechen kaum einmal darüber, wie es dem Team geht. Das ist ein Punkt, den ich auf jeden Fall ansprechen werde.
Ich habe eines gelernt in Ihrem Seminar: »Wenn ich nicht selbst auf mich achte, tut es kein anderer und ich habe es mir verdient. Ich achte jetzt wieder mehr auf meine Bedürfnisse.«
2.6 Stressverstärker Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit
Viele Teilnehmer in meinen Seminaren beschreiben, dass sie sich hilflos fühlen in diesem System. Sie haben den Glauben daran verloren, dass sich die angespannte Situation in einem Krankenhaus oder in einem Seniorenheim verändern könnte. Sie spüren eine große Hoffnungslosigkeit und sind resigniert. So werden dringend notwendige Gespräche nicht geführt, weil doch scheinbar alles so hoffnungslos ist.
Aber wir haben immer zwei Möglichkeiten:
1. Wir tun nichts.
2. Wir verändern unser Verhalten und tun etwas.
Es ist ein typisches Verhalten, sich einer Sache nicht zu stellen und Dinge nicht zu klären. In meinem Studium sagte einmal ein Dozent: »Wenn wir ein Auto kaufen, gehen wir nicht sofort in ein Autohaus und kaufen einen Wagen. Wir benötigen ein Beratungsgespräch, vergleichen Preise, Modelle, Hubräume, Sitze – uns interessieren der Benzinverbrauch und vieles mehr. Wir würden nicht sofort losstürmen und einen Wagen kaufen. Haben wir aber ein zwischenmenschliches Problem mit anderen Menschen, setzen wir uns nicht zu Hause hin und nehmen uns einen Zettel und fragen uns:
• Wie war die Situation? (Gab es Stress auf der Station?)
• Wie waren die Umstände? (Hatte die Kollegin selbst viel zu tun?)
• Warum handelt die Kollegin so, wie sie es tut? (Gibt es Probleme im Privatleben der Kollegin?)
• Was sind meine Anteile? (Habe ich meine Bitte klar formuliert?)
• Warum spreche ich nicht mit der Kollegin? (Habe ich Angst vor ihrer Reaktion?)
Fazit Sie haben die Wahl!
Gehen Sie in die Resignation und Hoffnungslosigkeit, oder verändern Sie Ihr Verhalten, auch wenn es etwas Mut kostet? Die Entscheidung liegt bei Ihnen!
2.7 Stress als Ablenkung
In der heutigen Zeit gibt es viele Menschen, die ihre Arbeit in der Klinik oder im Altenheim mit viel Herzblut verrichten, auch wenn die Bedingungen nicht einfach sind. Der Kontakt mit den Patienten, den Bewohnern und Kollegen tut gut und bereichert den Alltag. In meinen Seminaren berichten Pflegekräfte immer wieder davon, dass sie auch nach dem Dienst oft noch einmal zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehren. Sie unterstützen ihre Kollegen oder besuchen die Bewohner. Das ist sicherlich sehr ehrenwert. Wenn ich aber frage: »Was tun Sie denn für sich? Haben Sie ein Hobby? Was sind eigentlich Ihre Bedürfnisse?«, werden die Seminarteilnehmer oft sehr still und es kommen Antworten wie »Ich habe ja keine Familie mehr.« »Ich lebe allein.« »Ich habe keine Hobbys.«
Auch der 24-jährige Marvin sagte auf die Frage danach, was er für sich tun würde, dass er noch keine neuen Freunde gefunden hätte. »Ich wohne erst seit ein paar Monaten hier in der Stadt. Meine Eltern und Geschwister wohnen weit weg und Freunde habe ich noch keine gefunden. Ich mach das doch gerne, noch einmal nachmittags in die Einrichtung gehen und für die Bewohner da zu sein.«
Details
- Seiten
- ISBN (ePUB)
- 9783842689565
- Sprache
- Deutsch
- Erscheinungsdatum
- 2018 (November)
- Schlagworte
- Altenpflege Arbeitsmedizin Berufe im Gesundheitswesen Depression Medizintechnik Pflegemanagement & -planung Ratgeber Stress