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Teamleitung in der Pflege

"Wir statt ich": Führen Sie mit Vertrauen, Loyalität und Wertschätzung

von Christian Lummer (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Teamarbeit in der Pflege ist essenziell, aber schwierig.
Schließlich geht es nicht nur um das Team der Pflegeprofis,
sondern auch um die Zusammenarbeit mit
anderen Berufsgruppen und Klienten. Pflegeteams
sollen effizient, kundenorientiert und möglichst
reibungslos funktionieren. Das klappt nur, wenn
die Leitungskraft weiß, was sie tut: Arbeitsabläufe
strukturieren, Prozesse effektiv steuern und eine
Atmosphärdes Vertrauens schaffen.
Allerdings gibt es ein paar limitierende Faktoren für
eine erfolgreiche Arbeit: Hohe Fluktuation, Altersund
Kulturunterschiede im Team und Rahmenbedingungen.
Deshalb ist ein starkes Pflegeteam kein Selbstläufer.
Wer Pflegeteams führen will, muss genau wissen, was
er tut – und was er besser lässt. Dieses Buch zeigt,
wie aus einer bunten Gruppe von unterschiedlichen
Fachleuten ein starkes Team wird.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1 ZUR SITUATION: AUSGANGSPUNKTE

1.1 Ihre Herausforderung »Teamleitung und -führung«

Die Herausforderungen von Führungsverantwortlichen lassen sich so beschreiben:

1. Führungskräfte müssen ihre einzelnen Mitarbeiter im Blick haben, sie entwickeln, zum Erfolg führen. Außerdem muss das ganze Arbeitsteam erfolgreich sein oder, anders ausgedrückt, als Einheit gemeinsam funktionieren. Beide Aufgaben zu bewältigen ist nicht einfach. Dabei stellt die Leitungsfunktion eines gesamten Arbeitsteams eine besondere Herausforderung dar, geht es doch darum, Individuen zu einer Einheit zu formen und ein Wir-Gefühl zu entwickeln – »Wir statt Ich«5.

2. Teamleitungen müssen klären, an welchen Stellen sie am Mitarbeiter allein ansetzen und was sie mit in die Teams nehmen, um gemeinsam zu beraten bzw. zu Empfehlungen/Beschlüssen zu kommen. Sie müssen sich stets bewusst sein, welchen Handlungs- und Entscheidungsrahmen sie ihren MitarbeiterInnen bzw. dem Team einräumen – und dies für alle transparent machen. Dabei erleben sie immer wieder, dass Mitarbeiter sich im Einzelgespräch anders verhalten als in Teamsitzungen usw.

All diese Punkte auf der individuellen wie auf der kollektiven Teamebene stellen Hürden für neue Teamleitungen dar.

Hinweis

Eine Anmerkung zur Begrifflichkeit: Wie schon früher* verwende ich für den »Steuernden« in der Regel den Begriff »Führungskraft«.

Das Steuern des Teams mit den Facetten Leitung (klären, anordnen, systematisieren, vorzeichnen, vormachen, vorberechnen) und Führung (erklären, begeistern, überzeugen, helfen, ermöglichen, vorleben, vorbedenken) fasse ich in der Regel mit dem Verb »führen« zusammen.**

Leitung und Führung sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille. Immer geht es darum, ein soziales System bewusst zu steuern oder »in vernetzten Bezügen bewusst zu handeln.«***

 

** Lummer, C. (2013). 100 Tipps für Führungsverantwortliche in Pflege und Begleitung. 3. Akt. Aufl. Hannover: Schlütersche

** Böckmann, W. (1987). Sinn-orientierte Führung als Kunst der Motivation. Landsberg/Lech: moderne Industrie, S. 28

*** Lotmar, P. & Tondeur, E. (2004). Führen in sozialen Organisationen. 6. Aufl. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt Verlag, S. 26

1.2 Was macht ein »gutes Team« aus?

Wie würden Sie ein gutes Team beschreiben? Was fällt Ihnen dazu sofort ein? Fragen Sie auch einmal Ihr Team!

Vorab soll für unsere weiteren Überlegungen Folgendes dargelegt sein:

1. Was ist ein Team?

2. Welche Personen bilden das Team – was macht einen Mitarbeiter zu einem guten, produktiven Teammitglied, zu einem »Teamplayer«?

3. Was sind die Vorteile von Teamarbeit im Gegensatz zur Arbeit Einzelner? Was macht das Team erfolgreich(er)?

Zu 1.: Was ist ein (gutes) Team? Definitionen

Francis &Young6 haben Führungsverantwortliche befragt, was aus ihrer Sicht ein Team ausmacht. Dabei wurden zwei Merkmale immer wieder benannt:

»Erfolgreiche Teams vollbringen außerordentliche Leistungen auch unter schwierigen Bedingungen.

Die Mitglieder fühlen sich für die Arbeit des Teams verantwortlich, und sie erörtern offen alle Probleme, die ihnen im Weg stehen.«7

Francis & Young liefern eine gut verständliche Definition: »Ein Team ist eine aktive Gruppe von Menschen, die sich auf gemeinsame Ziele verpflichtet haben, harmonisch zusammenarbeiten, Freude an der Arbeit haben und hervorragende Leistungen bringen. Nach dieser Definition besteht ein Team also aus Menschen, die eine enge Beziehung miteinander eingehen, um ihre Ziele zu erreichen.«8 Zur Größe von Teams fügen die Autoren noch hinzu, dass Teams in der Regel aus nicht mehr als neun Mitgliedern bestehen.

Bei weiterer Literaturrecherche stößt man auf Born & Eiselin (1996), die Teams durch folgende Merkmale charakterisiert sehen:

»… ein ausgeprägtes Maß an innerem Zusammenhalt und Engagement für die Leistungsziele des Teams, aufgrund einer gemeinsamen Aufgabenorientierung und eines spezifischen Existenzzwecks, den das Team im Rahmen der Vorgaben selbst definiert;

gemeinsamer Arbeitseinsatz und gemeinsame Kontrolle des Arbeitsablaufs;

Aufhebung der Trennung zwischen denjenigen, die denken und entscheiden und denen, die arbeiten und ausführen, dank ganzheitlichen Aufgabenzuschnitten und Mechanismen der kollektiven Selbstregulation;

gleichberechtigtes Nebeneinander von individueller und wechselseitiger Verantwortung;

Erschließen von Synergien, d. h. das Team schafft etwas, das über die Summe der Beiträge der einzelnen Mitglieder hinausgeht.«9 (Vgl. auch Aristoteles: »Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«).

Immer wieder findet man im Sprachgebrauch auch den Begriff des »Wir-Gefühls«10 bzw. den vielfach beschworenen sogenannten »Team-Geist« oder »Team-Spirit«, den jedes erfolgreiche Team brauche. Damit wird die Wichtigkeit des inneren Zusammenhalts der Teammitglieder noch besonders hervorgehoben.

Fazit

Das Pflege-Team ist eine aktive Gruppe von Menschen, die …

… auf gemeinsame Zieleverpflichtet ist,

harmonisch zusammenarbeitet,

mit Freude bei der Arbeit ist,

enge Beziehungen untereinander pflegt,

ein ausgeprägtes Wir-Gefühl aufweist und

im Ergebnis hervorragende Leistungen liefert.

Zu 2.: Wahre Teamplayer

In ihrem Buch »Human Factors und Patientensicherheit« nennen St. Pierre und Hofinger folgende Eigenschaften, mit denen sich Teamplayer beschreiben lassen:

»zuhören und sich aktiv einbringen können,

die richtigen Fragen zu stellen,

sowohl eine eigene Meinung zu vertreten als auch von der eigenen Meinung abzurücken,

die Fähigkeiten anderer einschätzen und wertschätzen können,

einschätzen können, was man selbst gut kann und worin andere besser sind,

Absprachen einhalten und sich mit der Aufgabe identifizieren können,

selbstkritisch zu sein,

Konflikte konstruktiv lösen können.«11

Alle Punkte sind sicherlich gut nachvollziehbar. Es erscheint aber sehr anspruchsvoll, sie zu erfüllen. Wenn Teamleitungen die Aufgabe haben, sowohl einzelne Mitarbeiter als auch ganze Teams zum Erfolg zu führen, zeigt sich hier erneut die große Herausforderung. Gut, wenn dann die Leitung mit einer Stellvertretung nach festen »Spielregeln« zusammenarbeitet und diese Zusammenarbeit dann auch tatsächlich gut funktioniert (vgl. Kapitel 3).

Zu 3.: Team-Erfolg

Sie haben ein Team, bestehend aus mehreren Personen, das an gemeinsamen Aufgaben arbeitet und bereits ein Wir-Gefühl entwickelt etc. hat. Was ist der Vorteil gegenüber der Einzelarbeit bzw. was bedeutet Team-Erfolg? Warum lohnt es sich, in Teamarbeit zu investieren?

Hier tauchen immer wieder zwei Aspekte auf:

1. die Überlegenheit des Teams bzgl. der Arbeitsergebnisse bei komplexen Problemen

2. die hohe Arbeitszufriedenheit der Teammitglieder in gut funktionierenden Teams

Es scheint erwiesen: Teamarbeit ist gegenüber der Arbeit der einzelnen Teammitglieder und damit der Summe ihrer zu erwartenden Einzelleistungen bei komplexen Problemen und Zeitdruck im Vorteil. Die Gründe dafür sind,

dass verschiedene Begabungen und Fähigkeiten genutzt werden können – und zwar ohne Konkurrenzdenken;

dass gemeinsam eine größere kognitive Kapazität entsteht, wobei mehr Informationen aufgenommen und verarbeitet werden können;

dass mehr Standpunkte und Handlungsalternativen eingebracht werden, wodurch ein umfassenderes und differenzierteres Bild der Wirklichkeit entsteht;

dass die Führungskraft in ihren Entscheidungen unterstützt wird;

dass gegenseitiges Monitoring verhindern kann, dass Handlungsfehler Einzelner unbemerkt bleiben;

dass verteilte Arbeitslast die mögliche Überlastung einzelner Teammitglieder verringert und trotzdem die Erledigung geplanter Aufgaben sichergestellt wird;

dass gegenseitige Unterstützung und Ermutigung die Teammitglieder befähigt, auch mit schwierigen Situationen zurechtzukommen.12

Ferner zeigt sich, dass Arbeitszufriedenheit, Leistung und Erfolg eng zusammenhängen.13 Teams, deren Mitglieder sich teamorientiert verhalten, sind nachweislich erfolgreicher als Teams, die Erfolg mit Konkurrenz gleichsetzen.14

Das ist schon ein erster Hinweis darauf, wie wichtig es ist, im Methodenteil später das Augenmerk sowohl auf die inhalts- als auch auf die beziehungs- und prozessdynamische Ebenen zu legen. Es geht um die richtige Haltung zu Team: »Wir statt Ich.«

Frage

1.3 Personales Systemmodell: Die Lösung lauert überall15

Wahrscheinlich haben Sie sich in der Führungsverantwortung immer mal gefragt, warum sich Menschen verhalten, wie sie sich verhalten. Vielleicht konnten Sie beobachten, dass Ihre Teammitglieder sich in manchen Situationen anders verhalten haben, als Sie es von Ihnen aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrungen erwartet haben.

Beispiel

Schwester Elke ist eine bewährte langjährige Mitarbeiterin auf ihrer Station. Sie ist beliebt bei Kollegen, Patienten und Ärzten und macht ihre Arbeit gut. Ihre Stationsleitung, Schwester Heike, erlebt sie stets als gewissenhaft und dabei fröhlich. Sie ist eine Person, die trotz der oft vorherrschenden Hektik des Alltags ihre gute Laune behält und ihre KollegInnen dabei »mitnehmen« kann, Belastungen von der heiteren Seite nimmt.

Seit zwei Wochen verhält sich Elke auffallend anders. Sie ist deutlich ruhiger geworden, lacht kaum noch und wirkt in sich gekehrt. Schwester Heike beobachtet diese Veränderungen und weiß nicht, was die Ursache sein könnte und was sie jetzt am besten machen soll.

Bevor wir die Geschichte mit Elke und Heike weiter verfolgen, hier ein Zwischenstopp.

Warum verhalten sich Menschen/KollegInnen so, wie sie sich verhalten?

Warum verhält sich Schwester Elke so wie sie sich verhält?

Hier kommen wir zu einem weiteren wichtigen und gleichermaßen hilfreichen Ausgangspunkt für die Arbeit von Leitungsverantwortlichen (nicht nur) in Pflegeteams, zum personalen Systemmodell als Hintergrund für professionelles Handeln als Leitung. König & Volmer haben in der Tradition der personalen Systemtheorie von Bateson und Watzlawick ein Modell entwickelt, nach dem sich das Handeln von Menschen aus dem Zusammenspiel von sechs Elementen erklären lässt. Dabei werden Soziale Systeme sowohl ganze Organisationen (z. B. das »Unternehmen Krankenhaus«) als auch Teams, Abteilungen und Zweierbeziehungen betrachtet.

Die sechs Elemente Sozialer Systeme:

1. »Personen des sozialen Systems.

2. Ihre subjektiven Deutungen, das heißt ihre Gedanken und Empfindungen.

3. Soziale Regeln, die das Handeln in einem sozialen System leiten.

4. Regelkreise, das heißt immer wiederkehrende Verhaltensmuster.

5. Die materielle und soziale Umwelt.

6. Die Entwicklung des sozialen Systems.«16

Wichtig

Systemisch zu denken und zu handeln heißt, diese sechs Elemente (Personen, subjektive Deutungen, Regeln, Interaktionsstrukturen, Systemumwelt und Entwicklungsgeschichte bzw. Herkunft und Ziele) in den Blick zu nehmen.

Der Mitarbeiter im Team verhält sich so, wie er sich verhält, weil er zum einen in der Situation etwas denkt und empfindet. Außerdem ist sein Handeln regelgestützt. Jedes Team funktioniert nach Regeln, die bestimmen, was erlaubt ist und was nicht, wie sich die Mitglieder zu verhalten haben oder wie eben nicht. Dabei ist egal, ob diese Regeln formell vereinbart oder nie ausgesprochen wurden und somit unterschwellig wirksam sind.

Zurück zum Beispiel: Vielleicht gilt etwa zwischen der Führungskraft (Stationsleiterin Schwester Heike) und dem Mitarbeiter (Mitarbeiterin Schwester Elke) die Regel: »Wir sind immer freundlich zu einander«.

In jeder Beziehung bilden sich Strukturen des Miteinander-Umgehens aus. Diese können unpassend (geworden) sein. Ein Beispiel: Der Vorgesetzte greift den Mitarbeiter an. Der Mitarbeiter reagiert mit Rückzug. Wenn sich das öfter wiederholt, bildet sich ein Handlungsmuster/ein Regelkreis (s. o.) heraus, das/der dazu noch durch die Regel »Immer freundlich sein« gestützt wird, weil diese Regel keine ehrliche Auseinandersetzung zulässt oder zuzulassen scheint.

Daneben bestimmt das Umfeld das Handeln (z. B. Anordnungen der Pflegedirektion, Hygienevorschriften, die Lage des Krankenhauses in der politischen und kirchlichen Gemeinde, der Mitbewerber auf der anderen Straßenseite …). Und jedes Haus, jedes Pflege-Team, jede Beziehung hat eine Geschichte, die sich auf die aktuelle Situation auswirkt.

Systemisches Denken bietet nun die Chance, der ganzen Komplexität auf den Grund zu gehen. Wenn wir das Handeln von Menschen in Organisationen mithilfe der oben beschriebenen sechs Elemente betrachten, dann haben wir auch gleichsam sechs Hebel, an denen unser Führungshandeln ansetzen kann!

1. Die Person

2. Wenn wir uns für die Sichtweisen unserer Mitarbeiter interessieren, können wir diese ggf. verändern. Natürlich können wir auch unser eigenes Denken, unsere persönlichen Einstellungen gegenüber Personen und Sachverhalten überprüfen und ggf. ändern.

3. Wenn wir soziale Regeln beobachten, die in unseren Teams, in der Gesamtorganisation, zwischen Führungskräften und Mitarbeitern gelten, können wir diese hinterfragen und ebenfalls abändern.

4. Wir können den (oftmals leidvollen) Interaktionsstrukturen (wir können sie auch »Teufelskreise« nennen) auf die Spur kommen, indem wir fragen, was immer wieder passiert und doch nicht vorwärts führt. Haben wir sie erkannt, können wir Strukturen durchbrechen und Neues erfinden (vgl. Konfliktmanagement).

5. Wenn wir den Fokus auf das Umfeld legen, haben wir die Chance, dort Veränderungswege zu finden.

6. Manchmal hilft beim Analysieren, Erklären und Verändern ein Blick in die Geschichte oder die Vergewisserung und Modifizierung von Zielen.

Manchmal liegt die Lösung auch darin, sich von Personen zu trennen bzw. Teammitglieder zu versetzen. (vgl. das erste Element: die Person) und damit eine Neukonstellation zu schaffen.

Also: »Die Lösung lauert überall«. Dieser Satz ist ein Buchtitel. Joseph O’Connor und Ian McDermott betitelten so ihr Buch »Systemisches Denken verstehen und nutzen« (1998). Ich finde, es ist eine ausgezeichnete Einführung in die systemische Betrachtungsweise.

Das hier dargestellte Modell des Systemischen Denkens reißt uns aus oft zu einfachem Ursache-Wirkungs-Denken und aus unserer Suche nach Schuldigen oder Unschuldigen, wenn Probleme auftauchen. Es hilft uns, zu den wahren Problemlösungen zu kommen, indem wir die gesamte Komplexität eines Problems oder einer Situation in den Blick nehmen.

Das Modell bietet sich übrigens auch gut für Fallberatungen an, die Sie ganz persönlich selbst oder beispielsweise als Leitung mit Ihrer Stellvertretung vornehmen können.

Beratungsleitfaden nach dem Systemischen Denkmodell

Zurück zu Schwester Elke und ihrer Stationsleitung Schwester Heike:

Heike kennt Elke anders – fröhlich, aufgeschlossen, gewissenhaft. Doch wir lernen, dass Menschen nicht (allein) aufgrund stabiler Charaktereigenschaften (»Fröhlichkeit« …) handeln und damit berechenbar sind. Denn Folgendes war passiert. Heike hatte Elke zum jährlichen Mitarbeitergespräch eingeladen. Bislang lief das immer in guter Atmosphäre, inhaltlich hoch befriedigend ab. Doch dieses Jahr »drohte« Elke etwas Neues. Sie hatte ihren 55. Geburtstag gefeiert und damit ändert sich die Gesprächsform. Aus dem ganz normalen Mitarbeiterjahresgespräch wird ein »Mitarbeitergespräch 50+«. Darin geht es neben den sonst üblichen Punkten zur aktuellen Arbeitssituation vorrangig um Fragen

zur derzeitigen Arbeitszufriedenheit insgesamt;

zur Bewältigungsfähigkeit in Bezug auf die Arbeitsanforderungen zurzeit (»Was brauchen Sie von uns, vom Betrieb, um gesund bis zum Renteneintrittsalter zu kommen?«);

zu beruflichen Zielen bis zur Rente;

zur persönlichen Situation zu Hause (z. B. hinsichtlich der Pflege von Angehörigen etc.);

zu Möglichkeiten des Betriebs, die Arbeitsfähigkeit bis zum Ausstieg zu unterstützen;

zum angestrebten Ausstiegsdatum;

zur Sicherung des Erfahrungswissens für die jüngeren Mitarbeiter.17

Elke merkt (= subjektive Deutung), dass sich etwas verändert, was sie noch gar nicht will. Sie fühlt sich doch wohl, will noch gar nicht an Ruhestand und Rente denken. Sie mag sich nicht vorstellen, ohne »ihr« Krankenhaus und »ihr« Team zu leben. Das kommende Gespräch wirkt auf sie bedrohlich. Elke will es am liebsten gar nicht wahrnehmen. Ihre Verunsicherung führt zu ihrem von Heike unverstandenen Verhalten, über das diese sich Gedanken macht. Denn:

Heike kennt die Gedanken von Elke nicht.

Heike macht sich Sorgen um Elke, von denen Elke wiederum nichts weiß.

Heike ist unsicher und weiß nicht, was sie tun soll.

Elke fürchtet sich vor dem Gesprächstermin und wird immer einsilbiger.

Hoffentlich gilt in dem System von Elke und Heike – neben der ernst gemeinten und gelebten Regel: »Wir sind immer freundlich miteinander« eine weitere Regel (auf Teamebene und Ebene der handelnden Personen): »Wir sind offen, fragen nach, wenn uns etwas am anderen irritiert. Wir wollen keinen Fantasien nachgehen, sondern schnellstmöglich Klarheit schaffen.«

Heike beschließt, Elke in einer stillen Viertelstunde an die Seite zu nehmen und ihr von ihrer Sorge zu berichten. Elke ist erleichtert, angesprochen zu werden. Heike zeigt Verständnis für Elkes Sorgen. Indem beide darüber sprechen, wird es schon leichter. Im anstehenden Gespräch werden sie daran anknüpfen.

Fazit

Tipp

1.4 Ein Rollenmodell für TeamleiterInnen

Als Teamleitung brauchen Sie ein klares Verständnis Ihrer Rollen. Um dieses zu entwickeln bzw. zu schärfen, biete ich in Führungstrainings regelmäßig ein recht einfaches Modell an. Es gleicht einer Blüte, ausgestattet mit fünf Blütenblättern. Damit werden, relativ grob eingeteilt, fünf Rollen von Führungsverantwortlichen bildhaft dargestellt (Abbildung 2), wobei die Anordnung der Rollen keine Rangordnung darstellt:

1. Fachinformanten-Rolle

2. Entscheider-Rolle

3. Moderatoren-Rolle

4. Coach-/Berater-Rolle

5. Visionär-Rolle

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Abb. 2: Die 5 Rollen der Führungskraft

Meine Kursteilnehmer kommen in der Regel mit diesem Modell gut zurecht und tun sich leicht damit, diesen Blütenblättern ihre täglichen Aufgaben zuzuordnen.

1.4.1 Fachinformanten-Rolle

Das erste Blütenblatt beschreibt Ihre Informations-Rolle. Als Führungsverantwortliche müssen Sie täglich Informationen, die Sie selbst erhalten, aufnehmen, filtern, bündeln, weiterleiten und verteilen.

1.4.2 Entscheider-Rolle

Als Führungskraft fällen Sie täglich eine Vielzahl von Entscheidungen. Beispielsweise darüber, ob Sie mit einem Mitarbeiter ins Kritikgespräch gehen oder noch etwas warten, ob eine Kollegin aus dem »Frei« gerufen wird, um ein Loch im Dienstplan zu »stopfen«, ob die Jahresurlaubsplanung mit Wunschbuch angegangen wird, an welchen Stellen sie klare Vorgaben geben usw.

1.4.3 Moderatoren-Rolle

Teams treffen sich in regelmäßigen Abständen zu Teambesprechungen. Um diese gemeinsamen Sitzungen zu einer gemeinsamen Sache werden zu lassen, die das Wir-Gefühl stärkt, braucht es Ihre aktivierenden, lebendigen, kreativen Methoden der Moderation. Die Teilnahme an den Teamsitzungen soll für Ihre Teammitglieder attraktiv sein.

1.4.4 Coach-Rolle

Auf Blütenblatt vier steht der Begriff »Coach«. In unserem Zusammenhang meint Coaching eine Beratung, die Sie als Führungskraft Ihren nachgeordneten Mitarbeitern anbieten. Wenn es zur Aufgabe von Führungsverantwortlichen gehört, Mitarbeiter und Teams zum Erfolg zu führen, dann kann das ganz besonders durch die Wahrnehmung der Coaching-Rolle gelingen.

Coaching – eine Definition

Diese Rolle ist ganz besonders sensibel wahrzunehmen. Sie kann keinem Teammitglied von der Leitung verordnet werden. Niemand kann gezwungen werden, sich von seiner Führungskraft coachen zu lassen. Coaching hat Vertrauen zur Grundvoraussetzung – und Vertrauen lässt sich nicht erzwingen. Gelingt es aber der Führungskraft, eine vertrauensvolle Atmosphäre mit den Teammitgliedern herzustellen (jedenfalls mit den meisten, zu allen wird das wohl nie möglich sein), ist ein Riesenschritt in Richtung gut funktionierender Beziehungen, hoher Arbeitszufriedenheit und Erfolg getan.

1.4.5 Visionär-Rolle

Das letzte, fünfte Blütenblatt weist auf Ihre Rolle als Visionär hin, die Sie leben sollten. Die Informanten- und Entscheider-Rolle inne zu haben, Moderator zu sein und Coachings anzubieten, bezieht sich im Wesentlichen auf die alltägliche Praxis.

Doch auch die Lust zur Arbeit an einer Orientierung, die Suche und Beschreibung einer idealen Zukunft sollten Sie mitbringen. Dabei stehen folgende Aspekte im Vordergrund:

Wer wir dann sind …

Was wir dann erreicht haben …

Worin unsere besonderen Stärken liegen …

Gut ist es, wenn Sie gleich zu Beginn der Übernahme der Leitungsrolle Ihre Vision dem Team gegenüber artikulieren und beschreiben, welche Idee Sie von Ihrem Arbeitsbereich (Station im Krankenhaus, Wohn-/Pflegegruppe im Altenheim …) haben. Noch besser ist es, wenn Sie erklären, wie Sie sich gemeinsam mit dem Team dazu auf den Weg machen wollen. Füllen Sie diese Rolle gut aus, hilft das Ihnen und dem Team, ein »mentales Kraftzentrum« aufzubauen.18

Zwei Fragen an Sie

1.5 Von der Kollegin zur Leiterin

Entscheiden Sie bewusst bzw. haben Sie bewusst entschieden, die Leitung des Teams zu übernehmen, in dem Sie zurzeit selbst Mitglied sind? Meiner Erfahrung nach, geschieht dies häufig wenig überlegt. In meinen Fort- und Weiterbildungen für neue Leitungen im Pflegedienst höre ich oft Aussagen wie: »Als unsere frühere Leitung in den Ruhestand gegangen ist, hat mich meine Pflegedienstleitung gefragt, ob ich die Leitung übernehmen wolle. Sie würde mir diesen Schritt zutrauen. Ich habe mich dabei gut gefühlt, mich sehr gefreut und sofort euphorisch Ja gesagt. Viel darüber nachgedacht habe ich nicht – das kam erst später mit den ersten Schwierigkeiten. Heute würde ich jedem raten, sehr genau zu überlegen, was sich mit dieser verändert und ob ich das denn will oder nicht.«

Tipp

Wägen Sie »Gewinn« und »Verlust« genau ab und fällen erst dann Ihre Entscheidung, eine Teamleitung zu übernehmen.

Im Folgenden finden Sie eine Auflistung möglicher Gewinne und Verluste bzw. zu erwartende Schwierigkeiten. Mit der Liste erhebe ich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll lediglich zum Nachdenken anregen. Auch Ergänzungen sind willkommen (vgl. Kapitel 1.8).

Bedenken Sie: Es geht um eine bewusste und vernünftige, im Wesentlichen also rational zu treffende Entscheidung – auch wenn das Gefühl mit dabei ist.

Tabelle 1: Von der Kollegin zur Leiterin, mögliche Gewinne, mögliche Verluste

Mögliche Gewinne Mögliche Verluste
bzw. zu erwartende Schwierigkeiten
Die Anerkennung im Kollegenkreis, bei Bewohnern, Kunden, Patienten steigt. Die Distanz zu Kollegen und KollegInnen kann wachsen.
Es tun sich Gestaltungsmöglichkeiten auf: »Ich kann etwas bewegen.« Mit einer größeren Distanz kann das Vertrauen vonseiten der Mitarbeiter abnehmen, sie erzählen nicht mehr so viel.
Die Mitverantwortung für das Gesamtunternehmen steigt, damit wachsen Identifikation und Loyalität. Mitarbeiter können sich nicht genügend beim nächst höheren Vorgesetzten vertreten fühlen.
Die Stärken und Schwachstellen des Teams sind bekannt; mit vielen Überraschungen ist nicht zu rechnen. Das macht es für die neue Teamleitung möglicherweise einfacher. Das eigene Empfinden, nicht mehr »dazu zu gehören« kann entstehen. Einsamkeitsgefühle können auftauchen (»Leitung macht auch einsam«).
Das Vertrauen zwischen den Mitarbeitern und der neuen Leitung ist häufig schon gut ausgeprägt. Ein langwieriges Kennenlernen und gegenseitiges »Abtasten« ist oft nicht mehr nötig. Die Leitungsfunktion und das Mitarbeiten müssen unter einen Hut gebracht werden, was nicht immer leicht ist und eine gute Selbstorganisation erfordert.
Ein höheres Gehalt ist obligatorisch. Gab es im Team eine Mitbewerberin um die Leitungsposition, kann dies u. U. zu erheblichen Störungen führen, wenn sich die andere ungerecht behandelt fühlt und für die eigentlich bessere Teamleitung hält.
Es besteht die Gefahr, dass sich die PDL eine Person ausgewählt hat, mit der sie einfach gut klarkommt und dabei weniger auf die Beziehungen innerhalb des Pflegeteams geachtet hat.
Es können Ängste bei den Mitarbeitern auftreten: »Wird sich die neue Teamleitung stark verändern oder bleibt sie/er wie sie/er ist?«

1.6 1.6 Leiterin in einem neuen, unbekannten Team

Teamleitung von außen zu werden, erscheint oft leichter als im eigenen Team aufzusteigen. Dabei kann »außen« bedeuten, aus einem anderen Team im eigenen Haus zu kommen oder aus einer ganz anderen Einrichtung. In der Regel kann die neue Leitungsperson unbefangener einsteigen, da sie unvoreingenommen in die neue Situation tritt.

Natürlich lassen sich aber auch hier Nachteile aufzählen. Dabei kann aber durchaus das Gute im Negativen zu finden sein. (Vermeintliche) Nachteile, wenn die neue Teamleitung von außen kommt:

Das Kennenlernen dauert länger.

Die »neue« Leitung kennt nicht die »alten« Geschichten des Teams.

Die gesamte Organisation ist für die frische Teamleitung Neuland, nicht nur die Teamgeschichte.

Die neue Leitung wird u. U. von den Teammitgliedern intensiv »getestet«.

Neue Regeln zum Umgang miteinander, zur Arbeitsorganisation müssen ggf. eingeführt werden. Aber: Oft können sie leichter etabliert werden, denn nicht selten freuen sich Teams auch über neue Strukturen, wenn sie vorher unter Regeln und schwierigen Gefügen des Umgangs miteinander gelitten haben.

Wir sehen: Ein Ideal im Sinne eines Schwarz-Weiß-Denkens gibt es nicht. Jede Ausgangssituation hat ihre eigenen Vor- und Nachteile. Sie gegeneinander abzuwägen, zu gewichten und daraufhin eine persönliche, bewusste Entscheidung zu fällen, ist wichtig.

Hinweis

1.7 Lust auf Leitung und Führung?

Kürzlich wurde ich von einem Krankenhausträger angefragt, ob ich ein Konzept für ein eintägiges Seminar zur Entscheidungshilfe erarbeiten und durchführen könnte. Dieser Träger hatte Mitarbeiter aus der Pflege angesprochen und angefragt, ob sie absehbar eine Führungsposition als Stations- oder Funktionsdienstleitung bzw. deren Stellvertretung übernehmen wollten. Die Pflegedirektion wünscht sich von den Mitarbeitern aber eine bewusst getroffene Entscheidung – egal ob dafür oder dagegen – bevor in weitere Gespräche zur Entwicklungsplanung eingestiegen wird und die Angefragten für einen Stationsleitungskurs angemeldet werden.

Das Angebot nahm ich gern an, bietet es doch die Chance, all die oben aufgeworfenen Fragen und Stolpersteine an einem Tag frühzeitig anzugehen und an einem Tag eine Fülle von Themen unter unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten:

Biografie

Die eigene Geschichte des Geführt-Werdens: Was hat gut getan und was hat eher belastet? Gibt es Führungsvorbilder?

Was treibt an und was hat den/die Einzelne/n geprägt? Sprüche und Sprichwörter aus der Kindheit, die verinnerlicht wurden.

Wunsch und Anspruch

Wie wäre die ideale Führungskraft?

Das Für und Wider der »Eier legenden Wollmilchsau« erörtern.

Führungsrollen – Führungsaufgaben

Was ist Mitarbeitern wichtig?

Wie können Mitarbeiter geführt und motiviert werden?

Work-Life-Balance

Von der Notwendigkeit der eigenen guten Lebensqualität.

Was »sagt« mein Lebenslauf? Was ist jetzt für mich »dran«?

Wo möchte ich hin? Wie ist meine persönliche Arbeits-/Lebens-Vision?

Erwartungen

Welche Erwartungen werden von wem gestellt?

Leitung im »Sandwich«.

Im Fazit machten die Teilnehmenden deutlich, dass sie viele Facetten von Leitungspositionen kennengelernt hatten, über die sie sich bislang wenig bis keine Gedanken gemacht haben. Sie gaben an, ihre gegenwärtigen Vorgesetzten nun mit anderen Augen zu sehen, weil deutlich wurde, was diese über das täglich sichtbare Handeln hinaus unbemerkt leisten und auch oft aushalten.

Fazit

1.8 Reflexion: »Wo stehen Sie – wo steht Ihre Einrichtung?«

Im Heft managerSeminare 221 vom August 2016 wurde von der Nachwuchsförderung der Firma Käfer in München berichtet. Das Feinkostunternehmen hat ein Papier entwickelt (»Will ich führen?«) und stellt seinen potenziellen zukünftigen Führungsverantwortlichen darin viele Fragen.

Diese Fragen können – auch wenn sie aus einer anderen Branche kommen – Ihnen helfen, die eigene Position und die Ihrer Einrichtung zu reflektieren. Daher habe ich sie Ihnen hier einmal zusammengestellt (Hervorhebungen wurden aus dem Original übernommen):

»Nur eine Führungskraft, die wirklich führen will, ist in der Regel auch eine gute Führungskraft. Wer mit dem Gedanken an die Führungslaufbahn spielt, sollte sich intensiv mit einigen Reflexionsfragen auseinandersetzen.

1. Was bedeutet für mich gute Führung? Gibt es Vorbilder?

2. Was bedeutet gute Führung in meinem Umfeld, dem Unternehmen, in dem ich aufsteigen möchte – und entspricht das meinem Bild von Führung? Wo gibt es möglicherweise Abweichungen?

3. Welche Erwartungen werden an mich herangetragen, wenn ich in der Führungsrolle bin?

Was erwarten die Mitarbeiter?

Was erwarten die Führungskollegen?

Was erwartet das Unternehmen?

Was erwarte ich von mir selbst?

4. Ist mir bewusst, dass es auch gegensätzliche Erwartungen gibt, aus denen sich Interessenkonflikte ergeben können? Bin ich bereit und in der Lage, damit umzugehen?

5. Welche Nachteile bringt der Führungsjob mit sich? Was muss ich als Führungskraft womöglich aufgeben?

Kann ich damit leben, nicht immer bei allen beliebt zu sein? Etwa Entscheidungen zu treffen, die meinen Kollegen nicht gefallen?

Was bedeutet es für mich, womöglich auf die perfekte Work-Life-Balance verzichten zu müssen?

Wie komme ich damit klar, meine Komfortzone verlassen zu müssen? Habe ich z. B. den Mut, Dinge offen anzusprechen, die nach meinem Gefühl nicht so laufen, wie sie laufen sollten? Bin ich bereit, mich auf Konflikte einzulassen – bei gleichzeitiger Dialogbereitschaft?

Wie gehe ich damit um, Verantwortung nicht abgeben zu können?

Mich in meinem Tun und Sagen ständig sehr genau kontrollieren zu müssen – ist das etwas, mit dem ich zurechtkommen werde?

6 Welche Vorteile bringt es mit sich, eine Führungsrolle zu übernehmen? Was gewinne ich wahrscheinlich hinzu?

7. Wo könnten sich für mich Spannungsfelder auftun, in denen ich aufgrund meiner Präferenzen in Schwierigkeiten geraten könnte? Wo liegen die Pole, denen ich eher zuneige: Liegen sie bei

Sachorientierung oder Orientierung am Menschen?

Gleichbehandlung aller oder Eingehen auf den Einzelfall?

Distanz oder Nähe?

Fremdbestimmung oder Selbstbestimmung?

Spezialisierung oder Generalisierung?

Gesamtverantwortung oder Einzelverantwortung?

Bewahrung oder Veränderung?

Konkurrenz oder Kooperation?

Aktivierung oder Nicht-Einmischung?

Innenorientierung oder Außenorientierung?

Zielorientierung oder Verfahrensorientierung?

Belohnungsorientierung oder Werteorientierung?

Selbstorientierung oder Gruppenorientierung?«19


5 St. Pierre, M. & Hofinger, G. (2014). Human Factors und Patientensicherheit in der Akutmedizin. 3. akt. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, S. 279

6 Francis, D. & Young, D. (2002). Mehr Erfolg im Team. 5. Aufl. 1996; Nachdruck 2002. Hamburg: Windmühle

7 A. a. O., S.17

8 A.a.O., S.19 f.

9 Born, M. & Eiselin, S. (1996). Teams -Chancen und Gefahren. Grundlagen. Anwendungen am Beispiel von Lean Management. Bern: Huber, zit. n. Myers, D.G. (2005). Psychologie. Heidelberg: Springer, S. 875 f.

10 Bspw. Möller, S. (2010). Einfach ein gutes Team. Teambildung und -führung in Gesundheitsberufen. Berlin, Heidelberg: Springer, St. Pierre & Hofinger 2014

11 St. Pierre & Hofinger 2014, S. 211

12 Vgl. ebd., S. 209 f.

13 Loffing, C & Loffing D. (2010). Mitarbeiterbindung ist lernbar. München: Springer, S. 133

14 Driskell, J.E. & Salas, E. (1992). Collective behaviour and team performance. Hum Fact. 34: 227-88 Zit. n. St. Pierre & Hofinger 2014, S. 211

15 Als Artikel in ähnlicher Form bereits erschienen im Juli 2017 in Praxis Pflegen

16 König, E. & Volmer, G. (2008). Handbuch Systemische Organisationsberatung. Weinheim, Basel: Beltz, S. 46

17 Vgl. Lummer, C. (2014). 50 Tipps für Führungsverantwortliche bei Personalmangel. Schlütersche: Hannover, 114 f.

18 Vgl. Seiwert, L. (2001). Wenn Du es eilig hast, gehe langsam. Frankfurt/Main: Campus, S. 96

19 Jumpertz, S. (2016). Wer will führen? In: managerSeminare August 2016, Heft 221, S. 23

2 LEITUNG IM »SANDWICH« – ERWARTUNGSKLÄRUNGEN AUS VERSCHIEDENEN PERSPEKTIVEN

Punkt drei der Reflexionsfragen der Firma Käfer benennt das Spannungsfeld, in dem sich die (neuen) Leitungen mit Amtsübernahme sogleich befinden. Vielerlei Erwartungen werden an sie herangetragen und führen zwangsläufig zu manchem innerem Konflikt.

In Stationsleitungskursen frage ich daher regelmäßig, welchen (vermuteten!) Erwartungen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen sich seitens ihrer Pflegedienstleitungen und Ihrer nachgeordneten Mitarbeiter gegenüber sehen:

2.1 Erwartungen der PDL

Folgende vermutete Erwartungen aus der Ebene der Pflegedienstleitung bzw. Pflegedirektionen werden immer wieder genannt (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2: Vermutete Erwartungen aus Perspektive der Pflegedienstleitungen

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2.2 Erwartungen der MitarbeiterInnen und KollegInnen

Die vermuteten Erwartungen aus der Ebene der Mitarbeiter/innen lassen sich auch auflisten (vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3: Vermutete Erwartungen aus Perspektive der MitarbeiterInnen und KollegInnen

2.3 Erwartungen erfüllen

Zu einer Lösungsorientierung der oben genannten vermuteten Anforderungen gehört zunächst Ihre Innenklärung: »Wie will ich als Leitung sein – für mein Team und gegenüber meinen Vorgesetzten?« (vgl. Kapitel 1.8) Um das kundzutun, bieten sich vier Wege an:

1. Dialog mit den Teammitgliedern

Dazu kann die erste gemeinsame Teamsitzung gewählt werden: Tauschen Sie sich über Ihre wechselseitigen Erwartungen und Wünsche aus, damit aus »Vermutungen« neue »Gewissheiten« werden.

2. »Regierungserklärung«

Geben Sie als neue Teamleitung eine Art Regierungserklärung ab (s. Kasten).

3. Vereinbarung

Planen Sie, wann Sie als gesamtes Team innehalten und Ihren Start miteinander (vielleicht nach 100 Tagen?) reflektieren.

4. Klärendes Gespräch

Führen Sie mit Ihrer Leitung ein klarstellendes Gespräch, in dem Sie sich gegenseitig Ihre Erwartungen und Wünsche eröffnen.

Weitere hilfreiche Strategien für ein gutes und freudiges Dasein in der Sandwichposition zwischen Mitarbeitenden und der eigenen Leitung, vertiefe ich in den Kapiteln 3 und 6.

Die »Regierungserklärung«

Anregungen für Ihre »Regierungserklärung«

3 LEITUNG UND STELLVERTRETUNG – EIN GUTES »GESPANN«?

Für jede Leitungsposition sollte eine Stellvertretung benannt sein. Deren Aufgaben und Kompetenzen müssen im Organisationsgefüge klar beschrieben sein. Dabei ist zunächst einmal zu entscheiden, ob es sich um eine stellvertretende Leitung in Abwesenheit oder um eine ständige Vertretung handelt.

Abwesenheitsvertretung meint die Übernahme der Aufgaben der Leitung bei deren Urlaub, im Krankheitsfall usw. Wird hier vertreten, handelt es sich im Wesentlichen um die Regelungen des Tagesgeschäfts.

Eine ständige Vertretung ist dauerhaft in das Leitungshandeln eingebunden, z. B. durch die Übernahme bestimmter Tätigkeiten auf Dauer. Beispiele sind etwa die Anleitung von Praktikanten, die Begleitung von Krankenpflegeschülern, das Eingebunden-Sein in die Führung der Mitarbeiterjahresgespräche u. a. m.

Wichtig

»Konflikte sind vorprogrammiert, wenn die Rolle der Vertretung nicht eindeutig geklärt ist«.* Diese Konflikte meinen zum einen das Verhältnis der stellvertretenden Leitung mit den Mitarbeitern, zum anderen die Zusammenarbeit der Führungskraft mit ihrer Stellvertretung. Also: für ein gutes Zusammenspiel aller gilt es zu sorgen. Wie das funktioniert, erfahren Sie in den folgenden Unterkapiteln.

 

* Jirmann, R.& Hilgenstock, R. (2003). Die stellvertretende Leitung – Funktion ohne klares Profil. In: Innovative Verwaltung, Königswinter, Ausgabe 5/2003, S. 25

3.1 Da »passt kein Blatt zwischen die Schultern«

Betrachtet man die Zusammenarbeit von Leitung und Stellvertretung, sollte die alte Redewendung »da passt kein Blatt zwischen die Schultern« greifen. Übersetzt heißt das: Leitung und Stellvertretung sprechen nach außen, gegenüber den Mitarbeitern, Patienten, Bewohnern, Angehörigen und anderen Kollegen mit einer Sprache, auch wenn sie untereinander einmal unterschiedlicher Meinung sind. Es gilt, anderen gegenüber gemeinsam eine Linie zu vertreten und sich nicht durch mögliche, interne Konflikt untereinander zu schwächen.

Wird so gehandelt, zeigt das: »Wir ziehen an einem Strang – und wenn wir uns uneins sind, erledigen wir die Problembearbeitung und -bewältigung unter uns. Nach außen treten wir stets als Einheit auf.« So mindert sich die Gefahr, gegeneinander ausgespielt zu werden. Neulich, während eines Coachings im Krankenhaus, beschrieb eine Sta tionsleitung die Situation mit ihrer neuen Stellvertretung folgendermaßen: »Sie ist ich.« Dabei betonte sie, wie wichtig es sei, dass neben dem Sachlichen (»Sich Regeln geben.«) die »Chemie« zwischen beiden stimme. Eine andere Teilnehmerin, stellvertretende Leiterin, formulierte ähnlich prägnant: »Wir sind ein Duett, kein Duell.« So sollte es bestenfalls sein.

3.2 Abgestimmte Regelwerke

Für beide Konstellationen – Abwesenheitsvertretung oder ständige Vertretung – benötigen Sie ein abgestimmtes Regelwerk. Die Form der Zusammenarbeit sollte dabei verbindlich für alle Beteiligten schriftlich zusammengestellt sein. Hier sind einige Vorschläge, wie das aussehen könnte.

Im Fall der Abwesenheitsvertretung

»Wir besprechen uns im vierwöchentlichen Rhythmus.«

Die Stellvertretung bleibt über das Tagesgeschäft hinaus auf einem annähernd aktuellen Stand und ist etwa über Entwicklungen aus dem Bereich der Pflegedirektion informiert. Sie ist somit in der Lage, die Leitungsaufgabe gut vorübergehend gänzlich zu übernehmen, sollte die Leitung plötzlich für eine Weile ausfallen.

Vor einer geplanten Abwesenheitszeit der Leitung besprechen Leiterin und Stellvertreterin, was für den Abwesenheitszeitraum an Besonderheiten geplant ist und wie die Aufgaben bewältigt werden können. Nach Urlaub, Krankheit o. Ä. besprechen sich beide nach dem Wiedereinstieg, was war und was aktuell anliegt.

Im Fall der ständigen Vertretung

»Wir besprechen uns im zweiwöchigen Rhythmus.«

Auch hier wird ein regelmäßiger Besprechungsrhythmus eingeführt (alle zwei bis maximal vier Wochen). Die Beteiligten beraten die Entwicklung des Bereichs miteinander und tauschen sich zu ihrer Zusammenarbeit aus.

Im Übrigen gelten die gleichen Regeln wie oben.

Ergänzung für beide Formen

»Wir informieren uns gegenseitig,

wenn wir den Verdacht haben, dass wir gegeneinander ausgespielt werden sollen. Wenn z. B. ein Mitarbeiter der Leitung oder Stellvertretung mal etwas »so ganz im Vertrauen« erzählen will, was letztlich zum Nachteil des anderen führt;

wenn wir merken, dass ein Mitarbeiter grundsätzlich mehr zu einer der beiden Führungspersonen hin tendiert.

Wir sprechen Unstimmigkeiten zwischen uns möglichst schnell an.

Über die regelgestützte fachlich-sachliche Zusammenarbeit entwickelt sich im Idealfall ein hohes Maß an Vertrauen zueinander. Die Stellvertretung fühlt sich gut gestützt und erlernt, leitend und führend tätig zu sein – vielleicht auch, um später im Sinne der Personalentwicklung auf eine andere Leitungsposition aufzusteigen. Der Leitung ihrerseits eröffnet sich die Chance, zu den Themen und Beziehungen innerhalb des Teams, eine vielleicht unverstellte Sichtweise zu bekommen. Ein solches Klima lässt auch eine kollegiale Fallberatung in Leitungsfragen zu – ein weiterer Gewinn für die beiden engagierten Personen.

Fazit

3.3 Wenn es knirscht

Auch in der besten Arbeitsbeziehung kommt es hin und wieder zu Meinungsverschiedenheiten, Spannungen und Konflikten. Das als normal zu betrachten, erscheint mir schon hilfreich. Wichtig ist, dass man sich in solchen Situationen schnell wieder zusammensetzt. Denn in der gemeinsamen Klärung von Missverständnissen und Konflikten ist es wichtig, Lösungen vom Ziel her zu denken und umzusetzen. Und das Ziel bilden hier zufriedene und gut versorgte Patienten und Bewohner. Persönliche Eitelkeiten haben da keinen Platz, genauso wenig wie das Streben nach mehr Macht. Sollte die Klärung zu zweit nicht funktionieren, ist die nächste höhere Ebene (Pflegedirektion, Pflegedienstleitung, Bereichsleitung) einzubinden, ggf. auch ein externer Coach, eine Supervision oder ein Mediation.

3.4 Reflexion zur Rollenverteilung

Ausgangspunkte für eine Reflexion sind die folgenden Leitfragen:

Sind unsere stellvertretenden Leitungen deutlich positioniert?

Wie steht’s mit dem Zusammenspiel von Leitung und stellvertretender Leitung?

Was gilt es zu klären?

Gehen Sie doch einmal als (stellvertretende) Leitung zusammen mit ihrer Leitungskollegin und eventuell mit dem Team folgenden Fragenkatalog durch, den Jirmann und Hilgenstock20 in einem Workshop mit stellvertretenden Leitungen erarbeitet haben. Die Fragen können Ihnen helfen, an dieser Stelle zusammenfassend zu den Ausgangspunkten und Rollenfragen mehr Klarheit für sich zu gewinnen.

»Wie trete ich gegenüber Kolleg/innen auf, wenn ich in der Vorgesetztenfunktion bin?

Wie verändert sich die Rolle im Team, wenn ich Stellvertreter/in werde?

Wie verhalte ich mich in Konflikten, wenn ich zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten stehe?

Wie kann ich ›Führung‹ lernen?

Wie erreiche ich Transparenz vom Vorgesetzten über fachliche Entscheidungen?

Wie kann ich erreichen, dass ich in Entscheidungen mit einbezogen werde?

Wie verhalte ich mich gegenüber dem Vorgesetzten, wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, die er nicht getroffen hätte?

Wie kann man den Informationsfluss mit dem Vorgesetzten verbessern oder gestalten? Welche Informationen brauche ich, um in Abwesenheit des Vorgesetzten Entscheidungen treffen zu können?«


20 Vgl. Jirmann & Hilgenstock 2003, S. 26

4 WAS SIE ALS TEAMLEITUNG MITBRINGEN SOLLTEN

Nachdem nun Klarheit über die Herausforderungen von Teamleitungen herrscht, das Rollengeflecht mit seinen Tücken beschrieben ist und die Grundsätze einer Zusammenarbeit zwischen Leitung und Stellvertretung formuliert sind, geht es darum zu klären, was Sie als (neue) Teamleitung »mitbringen« sollten. Schließlich sollen Sie Ihren Aufgaben gerecht werden. Dazu erscheint es mir zunächst wichtig, sich mit den gängigen Führungsstilen zu befassen.

4.1 Führungsstile im Vergleich

Ein Blick in die Praxis: Im Stationsleitungskursbitte ich die Teilnehmer(innen), sich in Gruppen darüber auszutauschen, wie in ihren Einrichtungen Führung z. Zt. definiert wird. Sie sind aufgefordert, ihr eigenes Führungsverständnis zu formulieren und zwar »kekk« (kurz, einfach, klar und knackig).

Dafür bekommen sie einen Flip-Chart-Bogen mit der Überschrift: »Führung heißt für uns …«. Auf den Bögen tauchen dann Begriffe auf wie »Respekt im Umgang miteinander zeigen« und »Dafür sorgen, dass Respekt gelebt wird«, »Mitarbeiter-Motivation stärken«, »Anleiten zu selbst verantwortetem Tun«, »Gerechtigkeit«, »Fairness« u. Ä. m.

Fragt man etwas genauer, nämlich danach, was denn in den Einrichtungsleitbildern zu Führung steht, wird es meist ruhiger in der Runde. Vielen ist das eigene Leitbild gar nicht bekannt. Hat man dann die Gelegenheit, sich doch das eine oder andere Leitbild anzuschauen, so findet man zum Thema Führung häufig Sätze wie: »Wir pflegen einen kooperativen/partizipativen oder auch teamorientierten Führungsstil.« Doch was heißt das genau?

Fragen

Lassen sich die oben zitierten Aussagen bzw. Begrifflichkeiten bündeln, auf einen umfassenden Begriff zusammenfassen, der etwas über den tatsächlichen Umgangsstil in Bezug auf die Interaktion zwischen Führenden und Geführten aussagt?

Lässt sich ein einziger, richtiger »Umgangsstil« von Teamleitungen gegenüber ihren Mitarbeitern beschreiben? Gibt es den einen richtigen Führungsstil (s. o. »kooperativ« usw.)?

Dazu nochmals zu den von den Teilnehmer(inne)n genannten Begriffen. Mit Blick in die Literatur lassen sich durchaus zusammenfassende Begriffe und Modelle finden, die helfen, das eigene Führungsverständnis deutlicher zu konturieren.

Beginnen wir etwa mit Lotmar & Tondeur21, zwei Autoren, die über Führung in sozialen Organisationen schreiben. Sie definieren ihr Führungsmodell als: »Führen = in vernetzten Bezügen bewusst handeln.« Die »vernetzten« (oder vielleicht besser: vernetzte und zu vernetzende) Bezüge sind in ihrem Modell:

Menschen (Fähigkeiten),

Werte,

Leitbilder (Ziele),

Ressourcen/Produkte (Angebot),

Strukturen (Organisation),

Beziehungen (Kommunikation).

Hieran scheint auch das oben vorgestellte Systemmodell mit seinen sechs Elementen aus der personalen Systemtheorie aus dem Kapitel 1.3 (vgl. Volmer & König) gut anschlussfähig zu sein.

Nehmen wir diese Modelle als gleichsam grundlegenden »Überbau für Führung«. Das Wie des konkreten Führungshandelns fehlt uns allerdings immer noch. Hier erscheint es interessant, einen Blick in die Geschichte des Verständnisses von Mitarbeiterführung zu werfen. Glatz & Graf-Götz orientieren sich an Kälin und Müri (2001), wenn sie einen alten, feudalen Stil mit dreimal »K« als Leitbegriffen nachzeichnen und dann die Wandlung hin zu einem heute zeitgemäßen Stil mit den drei »F« als neuen Leitbegriffen vollziehen.22 Die drei »K« sind »Kommandieren, Kontrollieren und Korrigieren«. Dahinter steht eine Kultur des Führens, in der Anweisungen erteilt und Gehorsam verlangt werden. In einer solchen Führungskultur herrscht eher ein Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern, die möglichst eng geführt werden – und im Einzelfall auch regelrecht »bestraft«. Viel Raum für Entfaltung gibt es hier nicht.

Die drei »F« sind »Fördern, Fordern und Feedback«. Vielleicht haben die beiden »F« Fördern und Fordern seit der Hartz 4 Gesetzgebung einen etwas schlechten Beigeschmack. Als Führungsmodell sind die drei F jedoch empfehlenswert. Es wird mit Zielen gearbeitet, mit gemeinsamen Strategien. Mitarbeiter erhalten Hilfen, um sich fort- und weiterzubilden. Es gibt die Möglichkeiten des Aufstiegs innerhalb des Unternehmens. Es gibt Rückmeldungen zur Arbeitsleistung und auch Coaching.

Fazit

Eine weitere griffige Orientierung liefern uns Doppler und Lauterburg in ihrem Buch »Change-Management«. Sie definieren Führung für die heutige Zeit »neu«, wenn sie proklamieren, dass Führung »Rahmenbedingungen (schaffen muss), die es normal intelligenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbständig und effizient zu erfüllen«.23

Selbst wenn das Neue, das Zeitgemäße jetzt benannt ist, sollten wir noch einen Augenblick bei den klassischen Führungsstilen stehen bleiben. Sie bieten uns die Möglichkeit, wirklich situativ und individuell »in Führung zu gehen«. Also: weg von allein »kooperativ« oder allein »partizipativ« oder allein »teamorientiert«, so wie es uns in den Leitbildern immer wieder begegnet. Stattdessen: hin zu Individualität, zu Variationen, abgestimmt auf die konkrete Situation und momentane Verfasstheit des Mitarbeiters.

Hinweis

Individualität ist das Stichwort, das uns später nochmals beschäftigen wird, wenn wir uns mit den verschiedenen Mitarbeitergenerationen beschäftigen. In diesem Kontext wird der sogenannte Transformationale Führungsstil beleuchtet; alles mit dem Ziel, hohe emotionale Bindung ans Unternehmen zu erreichen.

Hier greifen wir auf Kälin und Müri24 zurück, die vier Stile unterscheiden:

1. Laissez-faire-Stil

2. Karitativen Stil

3. Autoritären Stil

4. Kooperativen Stil

Stil 1: Laisser-faire

Hier sind weder zwischenmenschliche Bedürfnisse noch die Erreichung von Sachzielen und Produktivität betont. Letztlich geht es um das Einhalten von Richtlinien, Regeln und Vorschriften. Innerhalb dieses Rahmens dürfen sich die Mitarbeiter relativ frei bewegen.

»Führungskräfte in diesem Verhaltensbereich

bevorzugen genaue Richtlinien;

stellen das Reglement in den Mittelpunkt;

halten sich möglichst neutral;

halten Vorschriften genau ein;

nehmen wenig Einfluss auf das Erreichen der Sachziele;

nehmen wenig Einfluss auf das Betriebsklima.«25

Stil 2: Karitatives Führungsverhalten

Hier sind die zwischenmenschlichen Bedürfnisse deutlich betont, während das Erreichen von Sachzielen und der Produktivität nicht akzentuiert werden. Mitarbeiter haben einen großen Freiraum, in dem sie sich bewegen können. Die Führungskraft schenkt Vertrauen, ermutigt und unterstützt.

Stil 3: Autoritäres Führungsverhalten

Hier werden Sachziele und Produktivität deutlich betont, wohingegen die zwischenmenschlichen Bedürfnisse kaum beachtet werden. Hohe Ziele und starke Leistungen zählen. Die Führungskraft wird im Zweifel eher »alles selbst machen«, als ihren Mitarbeitern allzu viel zuzutrauen.

Stil 4: Kooperatives Führungsverhalten

Hier werden sowohl Sachzielerreichung/ Produktivität wie auch zwischenmenschliche Bedürfnisse deutlich betont. Führungskräfte haben ein klares Ziel und sie wollen dies gemeinsam mit ihren Mitarbeitern erreichen. Das Betriebsklima ist wichtig, denn nur wenn die Menschen und ihre Bedürfnisse geachtet werden, können auch die gemeinsamen Ziele erreicht werden.

Es stellt sich die Frage, wann nun welcher Stil zu favorisieren ist? Meiner Meinung nach, lässt sich die Antwort recht einfach aus der Abbildung 3 »lesen«:

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Abb. 3: Führungsstile im Vergleich

Wenn der Mitarbeiter gut ausgebildet ist, er eine hohe Fachlichkeit besitzt, gleichzeitig hoch motiviert ist, dann ist Laisser-faire-Stil (Stil 1) durchaus anwendbar. Wenngleich das nicht auf Dauer sein sollte, da sonst das Zwischenmenschliche vernachlässigt wird. Aber die Führungskraft kann ihren Einfluss begrenzen und sich darauf verlassen, dass die Arbeit gut und kompetent getan wird.26

Wenn Mitarbeiter eine hohe Fachlichkeit mitbringen, zurzeit aber in einem »Motivationsloch« stecken, ist der Karitative Stil (Stil 2) angefragt.

MitarbeiterInnen mit niedriger Fachlichkeit, die aber eine hohe Motivation in sich tragen, können zeitweise auch gut autoritär (Stil 3) geführt werden, damit sie gute Ergebnisse erzielen.

Der kooperative Stil (Stil 4), der ja in so manchem Leitbild besondere Erwähnung findet, eignet sich am besten für MitarbeiterInnen, die fachlich Schwächen haben und deren Motivationsgrad sich zurzeit auch auf einem eher niedrigen Level befindet.

Die Darstellung macht deutlich: Teamleitungen in der Pflege müssen um die verschiedenen Stile wissen, sich nicht von vornherein auf einen Stil festlegen, sondern die Chance der Varianten sehen und nutzen. Fördern und fordern – kann ganz unterschiedlich aussehen, abhängig von der Situation des Bereichs, abhängig von der momentanen Verfassung des Mitarbeiters, aber auch der eigenen als Führungskraft.

In Fortbildungen machen wir auch dazu eine kleine Übung. Die Lehrgangsgruppe bearbeitet in Untergruppen jeweils einen Führungsstil. Sie sollen aufzeigen, in welchen Situationen der jeweilige Stil vermutlich der angemessene ist und wann er gar nichts taugt. Auf diese Weise wird besonders deutlich, wie wichtig situatives und individuelles Handeln der Teamleitung ist.

Wichtig außerdem: hinter jedem Handeln als Führungskraft steht eine Haltung, hier die Haltung der »Wertschätzung« gegenüber allen MitarbeiterInnen. Zeitweise Laisser-faire oder autoritär mit einem Mitarbeiter umzugehen meint in diesem Konzept nicht, dem anderen gegenüber geringschätzend eingestellt zu sein!27

Fazit

4.2 »Gehirngerechte Führung«

Ergänzend hierher gehören noch einige Gedanken zum Bereich »Führung – Gehirn gerecht«, ist doch die sogenannte gehirngerechte Führung aktuell in aller Munde. Führungsverantwortliche interessieren sich zunehmend dafür, was die Neurobiologie zum Thema Führung beizutragen hat – und sie tun gut daran.

Was sollten wir über unser Gehirn wissen, wenn es um Führung geht? Zum einen: Führung und Organisation im Unternehmen allein vernunftgesteuert zu tun, führt nicht zu gewollten Ergebnissen. Es ist eben nicht die Rationalität allein, die das Handeln des Menschen prägt. Wir alle haben auch ein limbisches System – eine Gefühlswelt. Und an der kommen wir nicht vorbei. Wir sind Ängsten ausgesetzt, wir haben Sehnsüchte, wir haben oft sehr eigennützige Motive, die uns manchmal gar nicht klar sind. Deshalb sind Führungskräfte gut beraten, wenn sie die menschliche Seite ihrer MitarbeiterInnen in den Blick nehmen. Der Mensch ist ein neurobiologisches Wesen!28

Gerald Hüther, wohl der aktuell profilierteste Hirnforscher in Deutschland, zeigt zum einen auf, welches Führungsverhalten aus Sicht der Neurobiologie zu negativen Auswirkungen aufseiten der MitarbeiterInnen führt. Zum anderen gibt er uns Hinweise für Führungshandeln mit positiven Ergebnissen: »Überall dort, wo versucht wird, vorhandene Ressourcen bis zum letzten auszunutzen, wo Angst geschürt, Druck gemacht, genau vorgeschrieben und kontrolliert wird, wo Mitdenken nicht wertgeschätzt und Verantwortung nicht übertragen wird, werden die kreativen Potenziale der Mitarbeiter nicht nur übersehen. Sie werden unterdrückt. Persönliches Engagement und intrinsische Motivation der Mitarbeiter schwinden dahin. Kreativität und Flexibilität, Sorgfalt und Verantwortungsgefühl verkümmern leider schneller, als viele Führungskräfte meinen.«29

Genau deshalb müssen Sie sich als Führungskraft eines klar machen – das Gehirn ist ein sehr fragiles Organ. Alles, was Sie tun, hinterlässt dort Spuren. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter ängstigen, unter Druck setzen oder abfällig behandeln, leiden sie und verlieren die Lust an der Arbeit. Auf Engagement und kreative Ideen können Sie dann nicht mehr hoffen.

Wenn Führende dann weiter auf Druck und Kontrolle setzen, führt dies zu neuen Verknüpfungen im Gehirn. Alles, was mit Druck zu tun hat, wird negativ besetzt. Die einsetzende Wirkung: Den Mitarbeitern wird schon schlecht, wenn sie nur an die Arbeit denken. In letzter Konsequenz führt dies zu ständig steigenden Reibungsverlusten im Betrieb, zu unmotivierten, entmutigten, resignierten, nur noch auf das eigene Wohlergehen fokussierte, desinteressierte und jede Veränderung ablehnende Mitarbeiter.30

Bei solchen inneren Haltungen Ihrer MitarbeiterInnen helfen weder Argumente, Belehrungen, Bestrafungen oder Weiterbildungen weiter. Stellen Sie fest, dass Ihre MitarbeiterInnen eigentlich schon längst alle innerlich gekündigt haben, ist es höchste Zeit, das Steuer herumzureißen. Wenn es Ihnen gelingt, aus einer verzagten Mannschaft wieder ein kreatives Team zu machen, dann beherrschen Sie die Kunst des Führens, von Hüther auch »supportive Leadership« genannt.

Mit Thiemann mag man ergänzen, dass die wichtigste Botschaft der Neurobiologie sei, dass die Reflexion des eigenen Führungsverhaltens und der eigenen Haltung wichtiger ist, als ein Führungsinstrument nach dem anderen zu lernen.31 Denn die Haltung der Führungskraft ist das entscheidende, nicht antrainierte rhetorische Können. Eine negative Haltung der Führungskraft gegenüber ihren MitarbeiterInnen erzeugt im Gehirn des Gegenübers Abwehrsysteme. Daran muss gearbeitet werden.

Vier Regeln für gehirngerechte Führung (nach Hüther)

1. »Schaffen Sie regelmäßig neue Herausforderungen!

Für Führungskräfte bedeutet das: Sie sollten ihre Mitarbeiter regelmäßig vor neue Herausforderungen stellen. Dazu kann zum Beispiel Job-Rotation – also das Modell des regelmäßigen Arbeitsplatzwechsels innerhalb einer Abteilung oder des Unternehmens – eingesetzt werden.

2. Vernetzen Sie das Know-how im Unternehmen!

Für das Management bedeutet dies: Es muss dafür sorgen, das unterschiedliche Know-how im Unternehmen immer wieder neu zu mischen. Zum Beispiel, indem es durch ›Abteilungs-Hospitanzen‹ Schnittstellen bildet, abteilungsübergreifende Teams aufsetzt oder in Großgruppenkonferenzen die Organisationsmitglieder vernetzt.

3. Schaffen Sie eine positive Fehlerkultur!

Übertragen auf das Management bedeutet das: Es muss dafür sorgen, dass die Mitarbeiter möglichst wenig Druck und Versagensangst verspüren. Dafür ist vor allem eine positive Fehlerkultur notwendig. Fehler sollen nicht bestraft, sondern vielmehr als Chance gesehen werden, aus ihnen zu lernen. Im Kreativprozess muss jeder das Recht haben, Fehler zu machen – ohne Sanktionen zu befürchten.

4. Sorgen Sie für positive Erfahrungen!

Für Führungskräfte heißt das: Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter ihre Person mit positiven Erfahrungen verknüpfen. Zum Beispiel, indem sie sie loben, Interesse für ihre Person zeigen oder ihnen in schwierigen Situationen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Durch diese positiven Kopplungen erzeugen sie ein Zugehörigkeitsgefühl und Leistungsbereitschaft bei den Mitarbeitern.«*

 

* Vgl. Hüther 2009, S. 32

Beispiel aus dem Krankenhausbereich

Es ist also eigentlich bis heute gar nicht so viel Neues dabei. Vieles, was die Hirnforschung uns geben kann, wenn es um die Weckung von Neugier, Begeisterungsfähigkeit und Gestaltungslust geht, bestätigt die bislang aufgestellten Grundmaximen »guter Führung«, die wir schon vor der der Suche nach den »Neuro-Tools« hatten.

Fazit

4.3 Sogenannte weiche Fähigkeiten: Soft Skills

Mit dem vorhergehenden Kapitel sind wir dann im Grunde am Punkt Soft Skills angelangt. Ich definiere zuerst, was der Begriff »Soft Skill« meint und wie er sich zu dem sogenannten »Hard Skill« abgrenzt.

Anschließend gibt es Hinweise zur Messbarkeit von Führungskräfte-Skills – zur Anregung und zum eigenen Ausprobieren, bevor kurz auf die jährlich wiederkehrenden Engagement-Index-Untersuchungen der Gallup-Organisation eingegangen wird. Diese setzt Führungsverhalten mit Führungsergebnissen in Beziehung und sollte – meiner Meinung nach – von Führungsverantwortlichen gekannt werden.

Was sind Soft Skills?

Bei der Literaturrecherche taucht das Wortpaar Soft Skills häufig in Ergänzung zu Hard Skills auf. Mit Hard Skills sind die fachlichen und methodischen Kompetenzen der Führungskraft bzw. der Mitarbeiter gemeint. Fachliche und methodische Kompetenz kann man recht einfach an Zeugnissen, in Fachgesprächen u. Ä. m. erkennen.

Soft Skills

Als Basis für die eigene Diskussion bieten sich beispielsweise folgende Beschreibungen an:

1. Nach Lies bezeichnen Soft Skills »eine nicht abschließend definierte Vielzahl persönlicher Werte (z. B. Fairness, Respekt, Verlässlichkeit), persönlicher Eigenschaften (z. B. Gelassenheit, Geduld, Freundlichkeit, individueller Fähigkeiten (Kritikfähigkeit, Zuhören, Begeisterungsfähigkeit) und sozialer Kompetenzen (Umgang mit anderen Menschen: Teamfähigkeit, Empathie, Kommunikationsfähigkeit) von Führungskräften und Mitarbeitern, die Kooperation und Motivation im Unternehmen begünstigen.«32

2. Peters-Kühlinger & John bieten folgenden Skills-Katalog:

»Kommunikative Kompetenz

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842689305
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Mai)
Schlagworte
Pflegemanagement & -planung Pflege Medizin Lernmaterialien Altenpflege Wörterbücher & Nachschlagewerke

Autor

  • Christian Lummer (Autor:in)

Dr. Christian Lummer ist Diplom-Pädagoge und Diplom-Sozialpädagoge. Er arbeitet als systemischer Organisationsberater (GSOB), qualifiziert für das Beratungsinstrument ab-c® (Arbeitsbewältigungs-Coaching®) sowie für das Entspannungsverfahren PME. Dr. Christian Lummer arbeitet bundesweit u.a. in den Feldern Krankenhaus,Altenhilfe, Behindertenhilfe als Berater, Trainer und Dozent.
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Titel: Teamleitung in der Pflege