Lade Inhalt...

Professionelle Kommunikation in Pflege und Management

Ein praxisnaher Leitfaden

von Renate Rogall-Adam (Herausgeber:in)
296 Seiten
Reihe: Pflege Praxis

Zusammenfassung

Jede Führungskraft, jede Mitarbeiterin in der Pflege muss die Grundregeln der Kommunikation beherrschen. Und das ist weit mehr als Sprache!

Auch die nonverbale Kommunikation wie Blickkontakt, Gestik, Mimik, Körpersprache und räumliches Verhalten spielt eine wichtige Rolle.

Kommunikationsprozesse, Kommunikationsregeln und -grundhaltungen – darum geht es in diesem Buch. Die Autoren legen nun die 3., überarbeitete Auflage ihres praktischen Leitfadens vor, in den viele Erfahrungen aus dem Alltag der Pflege eingeflossen sind.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

»Alles, was wir sind, sind wir in Kommunikation.« Diesem Satz des Philosophen Karl Jaspers ist nichts hinzuzufügen. Er gilt auch für den Bereich der Pflege. Kommunizieren gehört zu den wesentlichen Aufgaben von Pflegekräften und Leitungspersonen im beruflichen Alltag. Kommunikative Kompetenz hat damit eine große Bedeutung für die Pflege.

Wo die Kommunikation gelingt, können Wertschätzung und Anteilnahme vermittelt und der Umgang mit pflegebedürftigen Personen und ihren Angehörigen verbessert werden. Mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind bei den verschiedensten Anlässen Gespräche zu führen. Dabei haben Führungskräfte die Aufgabe, Ziele zu setzen, Vorgaben zu verdeutlichen und das Team zu führen. Darüber hinaus sind sie dafür verantwortlich, dass diese Gespräche in einer guten Atmosphäre stattfinden und die Mitarbeitenden ausreichend beteiligt werden. Dafür ist das Wissen um Kommunikationsprozesse und Grundregeln der Kommunikation unumgänglich. Die kommunikativen Grundhaltungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie von Führungskräften sind dabei eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg.

Kommunikation umfasst mehr als die gesprochene Sprache. Sie schließt auch die nonverbale Dimension wie Blickkontakt, Gestik, Mimik, Körpersprache und räumliches Verhalten ein. Ein ebenso wichtiger Aspekt besteht darin, dass Kommunikation sich nicht geschlechtsneutral vollzieht, sondern zwischen Männern und Frauen stattfindet. Dies ist bei den verschiedenen Dimensionen des Themas zu bedenken.

Die Ausführungen des Buches gliedern sich in drei Themenbereiche: Zum einen geht es um die theoretischen Grundlagen (Teil 1), zum anderen um die Kommunikation mit den zu Pflegenden und ihren Angehörigen (Teil 2-4) und zum dritten um die Kommunikation im Managementbereich (Teil 5-6).

In Teil 1 werden zunächst die grundlegenden Modelle von Kommunikation beschrieben. Ausführungen zu Fragen der nonverbalen sowie der geschlechtergerechten Kommunikation und zu den wesentlichen Gesprächstechniken schließen sich an. Dieser Teil stellt die wichtigsten theoretischen Grundlagen gegenwärtiger Kommunikationstheorie dar; er bildet die Basis des Buches. Ziel ist es, das notwendige Wissen über Kommunikationsprozesse zugänglich zu machen, um die zwischenmenschliche Kommunikation besser verstehen zu können. Außerdem werden Wege zur Erweiterung der eigenen Gesprächskompetenz aufgezeigt.

Um die Bedeutung der Kommunikation in der direkten Pflege und für den Beziehungsaufbau, für den Umgang mit Kommunikationsstörungen und für das Gespräch mit Personen, die an Demenz leiden, geht es in Teil 2. Im Sinne eines ganzheitlichen Pflegeverständnisses ist auch auf die Frage nach dem Lebenssinn einzugehen. Dabei werden insbesondere das seelsorgerliche Gespräch sowie die Gespräche mit Sterbenden und Trauernden thematisiert (Teil 3). Einen weiteren Schwerpunkt zu diesem Themenbereich bilden Smalltalk, Pflegevisite, Verkaufsgespräche und Telefonkommunikation (Teil 4).

Teil 5 beschreibt Gespräche in Sitzungen und Besprechungen. Solche Arbeitszusammenkünfte müssen geleitet und zu positiven Ergebnissen geführt werden. Ziel dieses Teiles ist es, das nötige Handwerkszeug für eine entsprechende professionelle Kommunikation bereit zu stellen. Im Einzelnen werden die Moderation, die Dienst- und Teambesprechung, die Kollegiale Beratung und die Fallbesprechung thematisiert. In Teil 6 geht es um die unterschiedlichen Mitarbeitergespräche mit ihren Besonderheiten und um das Verständnis von Führung und Führungsverhalten.

Ein wichtiges Thema bei aller Kommunikation ist das geschlechtsspezifische Sprechverhalten von Frauen und Männern und dessen Bedeutung für den Kommunikationsprozess. In ihrer Lebensgeschichte durchlaufen Frauen und Männer unterschiedliche Sozialisationsprozesse. Diese prägen auch ihre Sprache und ihre Verhaltensweisen. Werden die unterschiedlichen Sichtweisen, die Frauen und Männer einbringen, berücksichtigt, so trägt dies zum besseren Gelingen von Gesprächen bei. Mit dem Begriff »Gender«, der aus dem Englischen stammt und »soziales Geschlecht« gegenüber dem »biologischen Geschlecht« meint, bezeichnet man in der gegenwärtigen Diskussion diese Fragestellung. Hier sind noch viele Fragen offen, aber es ist wichtig, die Aufmerksamkeit für die Genderperspektive zu entwickeln. Den Autorinnen und Autoren geht es hier nicht um die Vermittlung endgültiger Ergebnisse, sondern darum, dass hier eine wichtige Fragestellung vorliegt, die bei allen Gesprächen zu beachten ist. Deshalb wird diese in allen Artikeln des Buches berücksichtigt.

Der vorliegende praktische Leitfaden ist im Zusammenhang der Fort- und Weiterbildungstätigkeit der Autorinnen und Autoren im Pflege- und Bildungsbereich entstanden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der entsprechenden Seminare haben ihre Praxiserfahrungen eingebracht, ihre Fragestellungen kommuniziert und Rückmeldungen gegeben. Dies war hilfreich für die Auswahl der Themenbereiche des vorliegenden Leitfadens. Wir verbinden das Erscheinen des Buches mit einem Dank an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Seminare.

Wir haben dem Burkhardthaus-Latäre Verlag, Gabal Verlag, Limmer Verlag und Rowohlt Verlag zu danken für die freundlichst erteilte Abdruckerlaubnis von Grafiken. Deren genauer Fundort wird jeweils im Text angegeben.

Schließlich danken wir der Lektorin des Verlages, Frau Claudia Flöer, für die Förderung des Buchprojektes und die gute Zusammenarbeit bei der Drucklegung. Wir wünschen dem Buch auch in seiner 2. Auflage interessierte Leserinnen und Leser.

Hannover, Hamburg,

Wien, Leipzig,

Renate Rogall-Adam, Hannelore Josuks

im Juli 2011

Gottfried Adam, Gottfried Schleinitz

TEIL 1

GRUNDLAGEN DER KOMMUNIKATION

Gottfried Adam

1 ZUM BEGRIFF DER KOMMUNIKATION

Der Mensch ist ein »dialogisches Wesen« (Martin Buber). Darum braucht er die Kommunikation als ein wesentliches Lebenselement, um in der Gemeinschaft Mensch zu werden und zu bleiben. Menschen kommunizieren miteinander, um

sich zu begrüßen,

Anweisungen zu geben,

sich die Zeit zu vertreiben,

ein Problem zu lösen,

zu loben,

Kritik zu üben,

etwas zu verkaufen,

gesellig zu sein,

etwas zu berichten,

Freundschaften zu knüpfen,

eine Arbeit zu erledigen,

zu verhandeln,

sich zu beschweren,

sich zu unterhalten,

Hilfe zu erhalten,

Informationen zu geben usw.

Sprachlich gesehen kommt der Begriff »Kommunikation« ursprünglich vom lateinischen Wort »communicare«. Der Wortstamm »munus« bezeichnet eine »Aufgabe, Verrichtung, Funktion, Dienst, übernommene Pflicht«. Das vor den Wortstamm gesetzte Wörtchen »com« bedeutet »mit, samt, zusammen, gemeinsam«. Das Wort hat darum von seinem Ursprung folgende Bedeutungsdimensionen: »(1) gemeinsam machen, vereinigen, (2) mitteilen, teilnehmen lassen, (3) gemeinsam haben oder teilen, mit tragen helfen, (4) sich in Verbindung setzen, besprechen, beraten« (Bartsch; Marquart 1999:9).

Der gegenwärtige Sprachgebrauch ist im Ganzen durch eine sehr weite Bedeutung des Wortes gekennzeichnet. Zumindest drei Vorstellungen lassen sich ausmachen:

Kommunikation als zwischenmenschlicher Kontakt und Austausch, der oft auch »soziale« oder »persönliche Kommunikation« (Kommunikation von Angesicht zu Angesicht) genannt wird.

Kommunikation als die mögliche Verbindung zwischen verschiedenen Einheiten, wobei es sich nicht immer um Menschen handelt.

Kommunikation zur Bezeichnung der Verwendung von Medien. Das können optische (Licht, Papier, Folien), akustische (Trommeln, Telefon, Funk) und hautsensorische Vermittlungszeichen (Tasthilfen, Blindenschrift) sein. Heute wird bei Medien häufig zuerst an elektronische Medien gedacht (nach Bartsch; Marquart 1999:8).

Der Bereich der Massenkommunikation (Radio, Fernsehen, Zeitung) hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Darauf wird nicht näher eingegangen, da es hier um die zwischenmenschliche Kommunikation geht. Der Begriff der »Kommunikation« bezieht sich nicht nur auf die gesprochene Sprache, sondern er bezeichnet darüber hinaus jede Art von zwischenmenschlicher Mitteilung und Verständigung. Dabei geht es nicht nur um Informationen, sondern auch um Eindrücke und Gefühle.

Dieser Austausch kann durch Sprache erfolgen, ist aber auch durch Zeichen, Symbole, Gestik, Mimik und anderes möglich. Die Kommunikation will uns mit anderen Menschen verbinden, deshalb hat sie eine dialogische Struktur, d. h., es sind immer mindestens zwei Menschen beteiligt. Im Gegensatz dazu hat die Rhetorik als die Lehre von der Kunst des Redens eher die einzelne Person (Wie gestalte ich einen Vortrag wirksam?) im Blick.

2 MODELLE DER KOMMUNIKATION

Das Grundprinzip der Kommunikation scheint auf den ersten Blick ganz einfach zu sein. In den Veröffentlichungen zur Kommunikationsfrage begegnet man häufig einem Informationsmodell von Kommunikation, das von den Amerikanern Claude E. Shannon und Warren Waever im Jahre 1949 entwickelt wurde. Hier wird Kommunikation im Modell eines Senders und eines Empfängers vorgestellt. Zwischen dem Sender und dem Empfänger werden Informationen ausgetauscht. Es handelt sich dabei um ein mathematisches Modell, das ursprünglich für die technische Kommunikation entwickelt wurde, dann aber von Medienwissenschaftlern aufgegriffen und als Gesamtmodell für Kommunikation verstanden wurde. Dabei ergibt sich folgende einfache Struktur, wie sie aus Abbildung 1 zu ersehen ist.

image

Abb. 1: Sender-Empfänger-Modell von Kommunikation (G. Adam).

Dies Modell beschreibt den Vorgang der technischen Kommunikation, d. h. die Übermittlung von Information, in gelungener Weise. Es ist aber als Gesamtmodell für Kommunikation unzureichend, weil es nur sachliche Informationen im Blick hat, dagegen die Eindrücke und Gefühle der Menschen gar nicht vorkommen.

2.1 Fünf Grundsätze der Kommunikation (Watzlawick)

Die Überlegungen des aus Österreich in die USA emigrierten Kommunikationsforschers Paul Watzlawick führen hier deutlich weiter. Er hat fünf Grundsätze für den Kommunikationsprozess formuliert (1969: 53, 56, 61, 68, 70, hier z. T. sprachlich vereinfacht).

(1) Erster Grundsatz:

Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren.

Diese Aussage überrascht zunächst. Sie leuchtet aber ein, wenn man sich ansieht, wie wir Menschen uns in kommunikativer Hinsicht verhalten. Wir kommunizieren nämlich ununterbrochen, wobei wir nicht nur mit Hilfe von gesprochener Sprache kommunizieren. Wir können z. B. auch durch Schweigen oder Handzeichen kommunizieren. Unsere Kommunikation geschieht neben der sprachlichen (verbalen) auch auf nichtsprachliche (nonverbale) Weise.

Auf der verbalen Ebene vollzieht sich die Kommunikation durch die gesprochene Sprache (siehe Kapitel 2.3). Die verbale Kommunikation vollzieht sich auf dem »Hörkanal«. Dazu gehören auch Töne und Musik. Bei der nonverbalen Kommunikation kann man die Mittel der Mitteilung sehen (»sichtbare Sprache«). Die nonverbale Kommunikation vollzieht sich vor allem durch und mit Körpersprache. Diese lernt der Mensch bereits in früher Kindheit. Körpersprache umfasst dabei Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung und äußere Erscheinung. Empirische Untersuchungen zeigen deutlich, in wie starkem Maße unsere zwischenmenschliche Kommunikation durch die nonverbale Kommunikation mitbestimmt wird (siehe Kapitel 2.4).

(2) Zweiter Grundsatz:

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.

In einem Gespräch geht es nicht nur um die Weitergabe von Informationen und Sachverhalten (Inhaltsaspekt). Wenn wir kommunizieren, definieren wir zugleich unsere Beziehung zu der Person, mit der wir reden (Beziehungsaspekt).

Ein Beispiel: Der Satz »Eintritt verboten!« klingt beim ersten Hören wie eine reine Sachinformation. Durch die Wendung »Eintritt verboten!« wird ein bestimmtes Hierarchiegefälle zwischen den Menschen, eine bestimmte Sichtweise von Befehl und Gehorsam ausgedrückt. Wenn auf dem Schild stehen würde »Bitte treten Sie hier nicht ein!«, dann bliebe zwar die Sachinformation dieselbe, doch die Beziehungsebene zwischen dem Auftraggeber des Schildes und den Adressaten wäre eine andere. Die Wendung »Bitte treten Sie hier nicht ein!« definiert ein anderes Verständnis von Autorität und damit eine andere Sicht der Beziehung der Menschen zueinander. Wenn schließlich gar auf dem Schild stünde »Bitte treten Sie hier nicht ein. Wir sind gerade in einer wichtigen Besprechung!«, so ließe dies neben dem anderen Verständnis von Autorität zusätzlich eine solche Respektierung der Person sichtbar werden, dass man ihr eine Erklärung zukommen lässt, warum der Raum zu diesem Zeitpunkt nicht betreten werden kann (nach Pink 2001:16f.)

(3) Dritter Grundsatz:

Die Interpunktion der Ereignisfolgen bestimmt die Beziehung.

Die Kommunikation zwischen zwei Personen erscheint zunächst als ein ununterbrochener Austausch von Mitteilungen. Jede teilnehmende Person legt dieser freilich eine Struktur zugrunde. Watzlawick spricht von einer »Interpunktion von Ereignisfolgen«. Die an einer Kommunikation beteiligten Personen haben jeweils ihre eigenen Interessen. Von daher setzt jede Person ihre Schwerpunkte und nimmt dementsprechende Einteilungen der Abläufe vor – die Interpunktionen. Im günstigen Falle können diese zwischen zwei Kommunikationspartnerinnen gleichläufig sein. Dann wird die Kommunikation eher gelingen. Häufig, ja meistens, sind die Interessenslagen und damit die sich daraus ergebenden Schwerpunktsetzungen unterschiedlich. Das ist dann Anlass zu Missverständnissen. Aufgrund von unterschiedlichen Interessenslagen ergeben sich vielerlei Beziehungskonflikte.

Beispiel: Ein Patient will sich nicht selbst waschen, weil es mühsam ist und weil es schön ist, »bedient« zu werden. Die Pflegekraft möchte aber, dass der Patient so viel wie möglich selber macht. Ihr Interesse geht dahin, dass er sich möglichst bald selbst versorgen kann.

Patienten suchen bisweilen Informationen, welche die Ungefährlichkeit einer Krankheit oder die Risikofreiheit einer anstehenden Operation »bestätigen«, um durch eine solche Verdrängungsstrategie ihre Krankheitssituation bewältigen zu können. Die Pflegekraft kann eine solche Interpunktion nicht einfach akzeptieren, sie bleibt der Wahrheit über die wirkliche Situation der kranken Person verpflichtet.

(4) Vierter Grundsatz:

Menschliche Kommunikation geschieht auf digitale oder analoge Art und Weise.

Es gibt zwei unterschiedliche Weisen, in denen Objekte dargestellt und zum Gegenstand von Kommunikation werden können. Sie lassen sich entweder durch eine Analogie (z. B. eine Zeichnung) oder durch einen Namen charakterisieren. Namen sind dabei Wörter, d. h. eine Abfolge von Buchstaben, auf die man sich für die sprachliche Kommunikation zur Bezeichnung des Objektes geeinigt hat. Ein Tisch ist eben ein »Tisch«, weil man sich darauf geeinigt hat, ihn so zu nennen. Man hätte ihn auch Stuhl oder Schrank nennen können. Diese Form der Kommunikation durch Namen nennt man digital. Digitale Kommunikation benötigt einen vielseitigen Sprachaufbau, um die Namen verbindlich fixieren zu können. Sie ist aber für den Bereich der menschlichen Beziehungen unzulänglich ausgestattet, es fehlt ihr dafür die nötige Bedeutungstiefe der Sprache.

Analoge Kommunikation ist dagegen für den Bereich der Beziehungen aussagekräftig. Es liegt im Wesen einer Sache, dass analoge Kommunikation eine Ähnlichkeitsbeziehung zu dem Gegenstand hat, für den sie steht. Die meisten, wenn nicht alle menschlichen Errungenschaften wären ohne die digitale Kommunikation und die durch sie ermöglichte präzise Informationsübermittlung nicht möglich gewesen. Hier ist insbesondere die Übermittlung des Wissens von einer Person zu einer anderen und von einer Generation zur nächsten zu nennen.

Das sei an zwei Beispielen verdeutlicht: Ich kann meine Zuneigung digital durch die Aussage »Ich liebe dich« oder analog durch das Überreichen einer roten Rose mitteilen.

Ich kann über ein Gebäude mit Hilfe eines Begriffs auf digitale Weise (»Wohnhaus«, »Fabrik«, »Schule«) oder mit Hilfe eines Bildes (Foto des Gebäudes) auf analoge Weise kommunizieren.

Auf digitalem Wege können wir über Gegenstände und Sachverhalte präzise, umfassend und informativ kommunizieren. Analoge Kommunikation hat dagegen für den Bereich der Beziehungen die besseren Möglichkeiten. Daraus ergibt sich, dass die Zeichen- und Körpersprache (analoge Kommunikation) im Blick auf die Beziehungen aussagekräftiger ist. Mimik, Gestik und Körperhaltungen sagen sehr viel mehr als Worte etwas darüber aus, wie eine Person zu mir steht und was sie von mir denkt. Von daher ist es wichtig, den eigenen Blick für die Körpersprache zu schulen.

(5) Fünfter Grundsatz:

Zwischenmenschliche Kommunikation verläuft entweder symmetrisch (bei Gleichheit der Beziehung) oder komplementär (bei Unterschiedlichkeit der Beziehung).

Bei der symmetrischen Kommunikation geht es um zwei Personen, die auf gleicher Ebene miteinander kommunizieren bzw. nach Gleichheit streben und die Unterschiede zwischen den Partnern vermindern wollen. Das gilt zum Beispiel, wenn zwei leitende Mitarbeiterinnen von Pflegeeinrichtungen miteinander sprechen. Symmetrische Kommunikation ist aber keineswegs der Normalfall, auch wenn viele Menschen sich das wünschen.

Bei der komplementären Kommunikation haben die beteiligten Personen verschiedene Positionen zueinander, die mit ihrem Status, ihren Rollen etc. zusammenhängen (z. B. Pflegefachkraft und Patientin, Lehrkraft und Schülerinnen, Vorgesetzte und Arbeitnehmerin, Pflegedienstleitung und Pflegekraft). Komplementäre Interaktionen basieren auf Unterschiedlichkeiten, die sich gegenseitig ergänzen (können).

Das Grundprinzip der Kommunikation wurde anfangs mit dem Modell von Sender und Empfänger (siehe Abbildung 1) beschrieben. Wenn neben der Sachebene auch die Beziehungsebene bedacht wird, lässt sich der Vorgang der Kommunikation grafisch folgendermaßen darstellen (siehe Abbildung 2).

Weil wir es mit einem wechselseitigen Vorgang zu tun haben, gehen die unterschiedlichen Erfahrungen und Erwartungen der beteiligten Personen in den Kommunikationsprozess ein.

Zusammenfassung

2.2 Das Modell der Transaktionsanalyse (Berne)

Im dritten Grundsatz spricht Watzlawick davon, dass die Interpunktion der Ereignisfolgen für die Kommunikationsabläufe wichtig ist. Diese Frage der eigenen Interessenslagen hat der amerikanische Psychoanalytiker Eric Berne von einer anderen Seite her beleuchtet. In seinem Buch »Spiele der Erwachsenen« (dt. 1970) hat er Analysen zur menschlichen Kommunikation vorgelegt. Gegenüber dem Informationsmodell von Kommunikation (siehe Abbildung 1) hat er die große Bedeutung der Gefühle und des Verhaltens für den Kommunikationsvorgang herausgearbeitet. Mit der von ihm entwickelten Methode der Transaktionsanalyse kann Kommunikationsverhalten zwischen Menschen gedeutet und verbessert werden. (Zu diesem Kapitel siehe auch English 1982:229–239 und besonders Simon 2004:32–48).

2.2.1 Zum Ansatz der Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse umfasst drei Elemente:

Die Analyse der Persönlichkeitsstruktur.

Die Analyse der Kommunikation und des Verhaltens zwischen Menschen.

Die Analyse bestimmter Transaktionstypen, die sich ständig wiederholen und zu einem bestimmten Ergebnis führen.

Berne versteht unter »Transaktion« die Grundeinheit aller sozialen Verbindungen. Wenn zwei oder mehr Menschen einander begegnen, dann beginnt früher oder später einer von ihnen zu sprechen oder in irgendeiner Form von der Gegenwart der anderen Person Notiz zu nehmen. »Diesen Vorgang nennt man ›Transaktions-Stimulus‹. Wenn dann eine von den anderen Personen etwas sagt oder tut, das sich in irgendeiner Form auf den vorausgegangenen Stimulus bezieht, so bezeichnet man diesen Vorgang als ›Transaktions-Reaktion‹.« (Berne 1970:32)

Die Untersuchung des Transaktionsvorganges gibt die Möglichkeit zu erkennen, in welchem Verhaltenszustand man selbst oder eine andere Person sich befindet. Berne unterscheidet nun zwischen drei Ich-Zuständen, die jeder Mensch in sich vereinigt: das Eltern-Ich, das Erwachsenen-Ich und das Kindheits-Ich. Diese drei Verhaltenszustände entwickeln sich von frühester Kindheit an und je nach Situation drängt sich eines der drei Ichs in den Vordergrund. Die Transaktionsanalyse ermöglicht es nun zu erkennen, in welchem Verhaltenszustand man sich selbst oder der andere befindet, welche Ich-Zustände bei der Kommunikation im Spiel sind. Dabei geht es nicht um die Überwindung von Kindheits- und Eltern-Ich, sondern um das angemessene Zusammenspiel der Ich-Zustände, die in der Kommunikation sehr schnell wechseln können.

2.2.2 Analyse der Persönlichkeitsstruktur

In jeder Persönlichkeit sind strukturell das Eltern-Ich, das Kindheits-Ich und das Erwachsenen-Ich gegenwärtig. Es lassen sich im Einzelnen folgende Merkmale dieser drei Persönlichkeitszustände herausarbeiten:

(1) Eltern-Ich

Das Eltern-Ich steht für eine Sammlung von Aufzeichnungen, wie ein Mensch die äußeren Ereignisse zwischen Geburt und Schulbeginn in sich aufnimmt (gelerntes Lebenskonzept). Das Kind nimmt auf, was Vater und Mutter sagen und tun und speichert es in seinem Eltern-Ich. Dieses ElternIch enthält die Ermahnungen und Regeln, die Gebote und Verbote, die ein Kind zu hören bekommt oder am elterlichen Modell ablesen kann. Dazu gehören auch die Aussagen »Das darfst Du nicht« und »Nein«. Kurzum: all das, was man Moral nennt, was mit dem Gewissen zusammenhängt, die Verhaltensweisen und Gewohnheiten, die von den Eltern übernommen wurden.

Das Eltern-Ich enthält einen fürsorglichen und einen kritischen Aspekt. Das kritische Eltern-Ich bewahrt auf der einen Seite Normen und Traditionen und übernimmt Verantwortung. Es ist von Nutzen, weil das Kind lernt, dass es sinnvoll ist, Dinge so zu tun, wie man sie tut, weil es vernünftig ist, und weil die Routine entlastend wirkt. Das fürsorgliche Eltern-Ich steht für die fürsorgliche Liebe, die sich Sorgen macht um Mitmenschen, das Pflegen- und Helfen-Wollen.

Die gemachten Erfahrungen werden ohne Korrektur als »Wahrheit« im Eltern-Ich gespeichert, da es einem Kind nicht möglich ist, solche Erfahrungen zu korrigieren oder zu modifizieren. Das Eltern-Ich gibt dem Kind aber auch die Möglichkeit, auf viele Situationen im Leben angemessen zu reagieren. Man spricht in diesem Zusammenhang mit Recht vom »gelernten Lebenskonzept«.

Für den beruflichen Alltag hat das Eltern-Ich Auswirkungen. Es verbietet uns vieles und veranlasst uns auch, anderen vieles zu verbieten. Je stärker das kritische Eltern-Ich ausgeformt ist, desto weniger ist ein Mensch bereit, Situationen zu überprüfen. Das kritische Eltern-Ich verbietet sehr viel, enthält feste Einstellungen und Vorurteile sowie Werturteile.

(2) Kindheits-Ich

Beim Kindheits-Ich geht es vor allem um die inneren Ereignisse. Man kann daher von einem gefühlten Lebenskonzept sprechen. Im Kindheits-Ich erfolgt die Assimilation der Gefühle, Erlebnisse und Anpassungen. Insofern stecken im Kindheits-Ich als Inhalte: Spontaneität, Kreativität, Neugier und Gefühle.

Das Kindheits-Ich kommt in zwei Formen vor. Das freie oder natürliche Kindheits-Ich entspricht den spielerisch-sorglosen Gefühlen des Kindes, seiner natürlichen Lebensform. Es steht für freudiges, kreatives und spontanes Handeln, führt aber bisweilen auch zu ungestümem und unkontrolliertem Verhalten. Es tut, was es will und empfindet das für sich in Ordnung.

Das angepasste Kindheits-Ich steht dafür, dass das Kind sich so verhält, wie es Vater bzw. Mutter von ihm erwarten. Damit wird das freie Kindheits-Ich eingeschränkt. Es enthält die Botschaft, dass das Verhalten nicht in Ordnung ist.

Diese Form findet man z. B. im Berufsalltag wieder, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich nicht verstanden oder als »Versagerin« fühlen, manchmal auch unangemessen reagieren.

(3) Erwachsenen-Ich

Das Erwachsenen-Ich sammelt Informationen, analysiert die Situation und versucht Problemlösungen zu finden, die der Situation angemessen sind.

Es geht vor allem darum, die Einprogrammierungen des Eltern-Ichs auf ihre heutige Anwendbarkeit zu überprüfen und sie gegebenenfalls kritisch zu revidieren. Das Erwachsenen-Ich muss das Kindheits-Ich untersuchen und prüfen, ob dessen Gefühlszugang noch den Forderungen der Gegenwart entspricht. Das Erwachsenen-Ich ist als gedachtes Lebenskonzept vernunftorientiert und will zu klaren Entscheidungen kommen.

Das Erwachsenen-Ich unterscheidet sich zwar sowohl vom Eltern-Ich als auch vom Kindheits-Ich. Aber es geht nicht darum, Eltern-Ich und Kindheits-Ich zu verdammen oder hinter sich zu lassen, sondern kritisch prüfend damit umzugehen und ein starkes Erwachsenen-Ich zu entwickeln und auszubilden. Dazu gehört es, das eigene Kindheits-Ich und seine verwundbaren Stellen, seine Ängste und die Formen, in denen es seine Gefühle ausdrückt, zu erkennen. Dazu gehört auch, das eigene Eltern-Ich mit seinen Geboten, Verboten und deren Ausdrucksformen zu erkennen.

2.2.3 Formen von Transaktionen

Die Analyse der Transaktionsmuster macht deutlich, aus welchem Ich-Zustand heraus eine Person handelt. Dabei ist auch das nonverbale Verhalten einzubeziehen. Von Berne werden drei Arten von Transaktionen unterschieden: die komplementären, die Überkreuz- und die verdeckten Transaktionen (siehe Berne 1970:32–39 und Simon 2004:39 ff.).

Die komplementären Transaktionen (siehe Abb. 4, Nr. 1) laufen in dem Sinne parallel, dass die Reaktion der angesprochenen Person aus dem erwarteten Ich-Zustand kommt. Ich spreche den Gesprächspartner z. B. auf der Ebene des Erwachsenen-Ichs an. Dieser antwortet dann entsprechend der Erwartung. A: »Wie viel Zeit brauchen Sie noch für die Vorbereitung der Fortbildung?« B: »Ich denke, in zwei Tagen bin ich fertig.« Dabei gehen sowohl der Transaktions-Stimulus wie die Reaktion darauf vom Erwachsenen-Ich aus. Ein Gleiches gilt für Transaktionen auf der Ebene des Eltern-Ichs und des Kindheits-Ichs.

Eine komplementäre Transaktion kann aber auch dann vorliegen, wenn in der Diagonale zwischen verschiedenen Ichs erfolgreich kommuniziert wird.

A: Das kranke Kind bittet um ein Glas Wasser. B: Die pflegende Mutter bringt es ihm. Das Kindheits-Ich kommuniziert diagonal mit dem Eltern-Ich und die Reaktion erfolgt in der gleichen Diagonale.

Bei einer Überkreuz-Transaktion (siehe Abb. 4, Nr. 2) ergänzen sich die Ich-Zustände nicht mehr. Ein anderer als der angesprochene Ich-Zustand wird aktiv. A: »Sie sollten sorgfältiger mit dem Material umgehen« (kritisches Eltern-Ich). B: »Ja, das wird nicht wieder vorkommen« (angepasstes Kindheits-Ich). Bei Überkreuz-Transaktionen kann es leicht zu Konflikten kommen.

Von einer verdeckten Transaktion (siehe Abb. 4, Nr. 3) spricht man dann, wenn bei einer Transaktion zwei Ich-Zustände beteiligt sind.

A: »Können Sie mir die Dokumentation noch einmal erklären?«

B: »Ja, ich werde es noch einmal tun.«

A hat um eine Erklärung gebeten. Die Antwort von B könnte dem Erwachsenen-Ich-Zustand zugeordnet werden, denn es wurde um eine einmalige Erklärung gebeten, die auch gewährt wurde. Zugleich steckt aber hinter der Antwort von B eine verdeckte Kritik, die aus dem kritischen Eltern-Ich heraus erfolgt. Indirekt wird damit gesagt: »Nach so vielen Fortbildungen müsstest Du es eigentlich können.«

Wenn die Kommunikation aus einer fortlaufenden Folge verdeckter Komplementärtransaktionen besteht, die äußerlich plausibel erscheinen, dabei aber von verborgenen Motiven beherrscht werden, liegt das sozialpsychologische Phänomen des Spiels vor. Die Transaktionsanalyse interessiert sich insbesondere für drei Grundtypen von Spielen:

Verfolger-Spiele: Sie gehen von der Grundeinstellung aus: »Du bist nicht o.k.«

Opfer-Spiele: Diese gehen von der Voraussetzung aus: »Ich bin nicht o.k.«

Retter-Spiele: Ihnen liegt die Einstellung zugrunde: »Du bist nicht o.k.«

Solche Spiele verhindern eine aufrichtige und offene Beziehung zwischen den kommunizierenden Personen. Aus solchen Spielen kommt man nur in dem Maße wieder heraus, wie man selbst erkennt, dass man darin steckt. Gerade darin liegt auch ein wesentliches Ziel der Transaktionsanalyse, solche Spiele zu vermeiden und zu einem Leben jenseits der Spiele zu befähigen. Die große Bedeutung der Spielanalyse für die Transaktionsanalyse wird daran deutlich, dass Berne ihr ein ganzes Buch gewidmet hat (1970:57 ff., vgl. auch Simon 2004:42 ff.).

Zusammenfassung

2.3 Das Hamburger Kommunikationsmodell (Schulz von Thun)

Für die Analyse von Störungen und für die Frage, wie die Kommunikation verbessert werden kann, ist das Gesamtmodell von Kommunikation, das der Hamburger Psychologe und Kommunikationsforscher Friedemann Schulz von Thun vorgelegt hat, ausgesprochen hilfreich. Ein solches Modell ermöglicht es, die kommunikativen Prozesse im beruflichen Alltag (am Krankenbett, bei Leitungsaufgaben, beim Umgang mit Konflikten) wahrzunehmen und Aspekte und »Techniken« ausfindig zu machen, die für eine Weiterbildung der kommunikativen Kompetenz wichtig sind.

2.3.1 Das Quadrat der Nachrichten

Dem Hamburger Kommunikationsmodell liegt die Beobachtung zugrunde, dass jede Äußerung oder Nachricht vier Aspekte enthält, die stets gleichzeitig wirksam sind. Schulz von Thun spricht daher von einem »Quadrat der Nachrichten« (2000:31–41; 1981:25–48, 97–253), bei dem es um vier Aspekte geht (siehe Abbildung 5).

image

(Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. © 1981 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, S. 30).

Abb. 5: Das Quadrat der Nachrichten.

(1) Sachinhalt

Jede Nachricht enthält eine sachliche Information. Dieser Aspekt steht in Gesprächen häufig im Vordergrund. Es kann sich dabei um eine Sachverhaltsdarstellung zu einem Thema oder um eine Meinungsäußerung handeln. Sachlichkeit und Verständlichkeit sind von daher Dimensionen, die mit darüber entscheiden, ob eine Nachricht ankommt oder nicht (siehe Kapitel 4.2.3).

(2) Beziehung

Immer geht aus einer Nachricht auch hervor, in welcher Beziehung die Gesprächspartnerinnen zueinander stehen. Die Signale zur Beziehung werden in der Regel implizit, »zwischen den Zeilen« gesendet. Der Tonfall und die Mimik spielen dabei eine große Rolle. Wenn eine persönliche Beziehung angespannt und belastet ist, ist eine Interaktion zwischen zwei Menschen in höherem Maße störanfälliger als beim Vorhandensein einer guten Beziehung.

Menschen sind eben in die Beziehungsebene »verstrickt« und müssen realisieren, dass neben der inhaltlichen Gesprächsführung (Sachebene) auch die zwischenmenschliche Dimension (Beziehungsebene) ungeheuer wichtig ist. Liegt auf der Beziehungsebene eine Störung vor, kann dies schlimmstenfalls bis hin zu einer Blockierung führen, die jedes sachliche Gespräch unmöglich macht.

(3) Selbstoffenbarung

Jede Nachricht enthält auch Informationen über die Person selbst. Schulz von Thun hat diesen Aspekt »Selbstoffenbarung« genannt. Dabei geht es sowohl um die eigene gewollte Selbstdarstellung als auch um die unbeabsichtigte Selbstenthüllung. Jede Senderin und jeder Sender geben mit einer Nachricht »Ich-Botschaften« und geben damit auch etwas von der eigenen Persönlichkeit preis.

(4) Appell

Jede Nachricht enthält weiterhin auch eine Absichtsseite. Sie will Wirkungen erzielen, einen neuen Zustand hervorbringen oder etwas verhindern, was einzutreten droht. Darum geht es bei der Appellseite einer Nachricht. Die sprechende Person möchte mit ihrer Nachricht und den Informationen, die sie weitergibt, etwas erreichen. Sie möchte Einfluss nehmen auf das Denken, Fühlen und Handeln der angesprochenen Personen. Diese Appelle können verbal oder nonverbal, direkt oder indirekt übermittelt werden.

Weiterhin kann man zwischen heimlichen und offenen Appellen (Schulz von Thun 1981:209–253) unterscheiden. Heimliche, d. h. verdeckte Appelle, kommen »auf leisen Sohlen« angeschlichen. Sie werden nicht direkt ausgesprochen, sind aber nichtsdestoweniger häufig intendiert. Man versucht eine Person, insbesondere dann, wenn man sie gut kennt, in verdeckter Form zu beeinflussen. Dies kann durch Anspielung auf ein schlechtes Gewissen, durch versuchtes Aktivieren des Verantwortungsbewusstseins oder anderer Charaktereigenschaften geschehen.

Schulz von Thun stellt heraus, dass der offene Appell ungleich aussichtsreicher ist als der verdeckte Appell. Das heißt, die Wünsche und Aufforderungen werden direkt geäußert. Diese Vorgehensweise ist Ausdruck einer klaren, ehrlichen Beziehung. Dies setzt allerdings voraus, dass die sendende Person sich selbst darüber im Klaren ist, was sie möchte. Eine nötige Grundhaltung ist dabei, dass man die andere Person offen und hinreichend informiert und dann selbst auch wissen möchte, was die andere Person ihrerseits wirklich meint. Diese hat dabei die Wahl, sich für ein Ja oder ein Nein zu entscheiden. Ein solch offener Umgangsstil garantiert zwar keine Harmonie, aber er begünstigt klare Lösungen und sorgt damit für eine »klare Luft«, in der sich besser leben und arbeiten lässt.

2.3.2 Der Vier-Ohren-Empfang

Dem Quadrat der Nachrichten entsprechen auf Seiten der Hörer die »vier Ohren«, mit denen die Nachrichten aufgenommen werden. Dabei entscheidet die »Gestimmtheit« der Ohren, wie und was bei den Hörenden wirklich »ankommt«. Diese vier Ohren sind:

Das »Sach-Ohr«. Hiermit wird der sachliche Gehalt einer Nachricht aufgenommen: Wie ist das Gesagte zu verstehen?

Das »Beziehungs-Ohr« nimmt wahr, was die Hörerin von der sprechenden Person hält, wie die Beziehung zwischen redender und hörender Person ist: Wie steht sie zu mir?

Das »Selbstoffenbarungs-Ohr«. Mit diesem Ohr ist die Person bemüht herauszufinden: Was ist eigentlich mit der anderen Person los? Welche Gefühle und Motive, welches Selbstbild offenbaren ihre Äußerungen?

Das »Appell-Ohr«. Damit wird die Aufforderung herausgehört, die die sprechende Person artikuliert: Was soll ich auf Grund ihrer Mitteilung fühlen, denken, tun? Was wird von mir erwartet?

Bei vielen Personen sind nicht alle Ohren in gleicher Weise ausgebildet. Oft ist ein Ohr besonders gut ausgebildet. Zum Beispiel kann jemand besonders aufmerksam darauf hören, was andere Menschen von ihm halten (Beziehungsohr). Eine andere Person fühlt sich immer gleich zur Verantwortung gerufen (Appellohr). Eine dritte Person muss immer erst einmal richtig stellen und ergänzen, was gesagt wurde (Sachohr).

Das Vier-Ohren-Modell erklärt in nachvollziehbarer Weise, warum das, was gesagt wird, in unterschiedlicher Weise aufgenommen wird. Damit werden Missverständnisse ein Stück weit erklär- und nachvollziehbar.

Beispiele: So kann z. B. eine Nachricht, die ausschließlich als Information gedacht war, von der empfangenden Person als Aufforderung zum Handeln aufgefasst werden. Dies kann dazu führen, dass die hörende Person sich unter Erwartungsdruck gesetzt fühlt, selbst wenn die redende Person dies gar nicht intendiert hat. Dies kann dann das Gefühl hervorrufen: Ich werde unter Druck gesetzt.

Eine Angehörige einer kranken Person sagt zur Pflegekraft: »Sie pflegen aber gut!« Der Sachinhalt zielt auf die Qualität der Pflege, wobei das »gut« sicher noch weiter präzisiert werden kann. Auf der Beziehungsebene kann damit gemeint sein: »Ich möchte auch gerne von Ihnen gepflegt werden.« Auf der Selbstoffenbarungsebene zeigt sich Anerkennung und Freude über die Leistung der Pflegekraft. Als Appell kann rüberkommen: »Machen Sie nur so weiter.«

2.3.3 Stufen des »Empfangens«

Die vier genannten Aspekte (Sache, Beziehung, Selbstoffenbarung, Appell) können sowohl auf einzelne Sätze wie auf eine größere Zahl von Sätzen als auch auf eine einzelne Begegnung wie eine Folge von Begegnungen bezogen werden. Die Kommunikation ist deshalb so »störanfällig«, weil die Empfängerin der Nachricht frei ist auszuwählen, auf welche Seite der Nachricht sie reagieren will. Dies gilt eben auch für die zu pflegenden Personen. Auch sie haben die Wahl, nur auf eine Seite der Nachricht zu hören. Der äußere Vorgang des Hörens ist eines. Ein anderes ist, was bei der empfangenden Person im Inneren vor sich geht. Zur Klärung dieses Vorganges führt eine dreifache Unterscheidung weiter. Schulz von Thun (1981:72) unterscheidet bei der inneren Reaktion des Empfängers drei verschiedene Vorgänge: (1) etwas wahrnehmen, (2) etwas interpretieren und (3) etwas fühlen. Für die innere Klarheit des Empfängers ist diese Unterscheidung von großer Bedeutung. Sie ist zudem eine große Hilfe, um Rückmeldungen (Feedback, siehe Kapitel 4.6) zu formulieren.

Wahrnehmen heißt: etwas sehen (z. B. einen Blick oder eine winkende Hand) oder etwas hören (z. B. die Frage: »Wie geht es Ihnen heute?«).

Beim Interpretieren wird das Wahrgenommene mit einer Bedeutung versehen (z. B. ein Blick wird als »abfällig« oder als interessiertes Anteilnehmen gedeutet, die winkende Hand als freundliche Begrüßung interpretiert. Die Frage nach dem Wohlergehen wird als echte Anteilnahme oder als Routineäußerung gesehen). Eine Interpretation, die man vornimmt, kann richtig oder falsch sein.

Fühlen steht dafür, dass man auf das, was man wahrgenommen und gedeutet hat, mit einem eigenen Gefühl antwortet. Dieses Gefühl unterliegt nun aber nicht der Beurteilung, dass es richtig oder falsch sei, sondern es ist schlichtweg eine Tatsache.

Das Empfangen setzt sich also aus den drei Aspekten des Wahrnehmens, Interpretierens und Fühlens zusammen. Häufig werden aber Wahrnehmen und Interpretieren nicht scharf genug auseinander gehalten, sondern miteinander vermischt. Das geschieht deshalb, weil man, wenn man etwas wahrnimmt, sogleich damit beginnt, die gehörten Aussagen und die beobachteten Vorgänge zu interpretieren. Das ist durchaus in Ordnung. Die Unterscheidung von Wahrnehmen und Interpretieren ermöglicht es aber, in einem ersten Schritt zunächst einmal hinzuschauen und dann in einem zweiten Schritt die Frage nach der angemessenen Interpretation und der Wahrheit zu stellen. Im Gegensatz zum Interpretieren unterliegt das Fühlen nicht der Beurteilung »richtig« oder »falsch«, sondern es ist eine Gegebenheit.

Beispiel: Ich sehe, dass die Gesprächspartnerin die Augenbrauen hochzieht. – Ich interpretiere das als eine Unmutsäußerung. – Ich fühle, dass ich enttäuscht bin, weil meine Botschaft offenbar auf Widerstand stößt.

Die getroffenen Unterscheidungen im Empfangsvorgang machen deutlich erkennbar, wo meine eigene Verantwortung im Kommunikationsvorgang liegt; sie ermöglichen zugleich, ein genaueres Feedback zu geben (siehe Kapitel 4.6), das der Verbesserung der Kommunikation dient und künftig Missverständnisse vermeiden hilft.

Zusammenfassung

2.4 Die stumme Sprache: Nonverbale Kommunikation

Kommunikation umfasst nicht nur die gesprochene Sprache, sondern schließt auch den Bereich des Nonverbalen und dabei insbesondere die Körpersprache ein. Nonverbale Kommunikation kann sich vor allem auf optischem Wege (sichtbare Sprache), akustische Weise (Sprechsprache) und mittels taktiler Modi (Berührungssprache) vollziehen. Ein Bewusstsein für Körpersprache ist wichtig, um die Kommunikation mit anderen verbessern zu können. Wenn Informationen gegeben werden und die Signale der Körpersprache der verbalen Botschaft entsprechen, ist der Kommunikationsvorgang eindrücklicher als ohne begleitende Körpersprache.

2.4.1 Dimensionen nonverbaler Kommunikation

Wenn wir die eigene Körpersprache beachten und »steuern« und die Körpersprache von Gesprächspartnerinnen beachten, können wir erfolgreicher kommunizieren. Die Körpersprache vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen. In der Tabelle 1 wird (angeregt durch Bönsch 2002:179 ff.) in der linken Spalte eine Übersicht über die Art und Weise nonverbaler Kommunikation gegeben. In der rechten Spalte wird darauf hingewiesen, welche Funktionen durch die jeweilige Form nonverbaler Kommunikation wahrgenommen werden.

Die Mimik, d. h. das Mienenspiel des Gesichts, ist wohl der wichtigste Bereich. Durch die Mimik werden Empfindungen, Gefühle, Meinungen und Einschätzungen widergespiegelt. Das Blickverhalten mit Stirnrunzeln oder bestimmten Zügen in den Mundwinkeln ist hier wiederum von besonderer Bedeutung. Wenn ich mir auf die Lippe beiße, die Unter- oder Oberlippe vorziehe, den Mund offen oder verschlossen halte – dann sind damit bestimmte Signale der Ablehnung, Zustimmung, Skepsis, Einladung oder Abwehr gegeben.

In der Mimik gibt es über die Sprach- und Ländergrenzen sowie Kulturräume hinweg bei allen Unterschieden doch viele Gemeinsamkeiten. Bestimmte Affekte wie Freude, Trauer, Liebe, Hass, Zorn, Scham usw. sind häufig mit den gleichen mimischen Reaktionen gekoppelt.

Tabelle 1: Dimensionen nonverbaler Kommunikation.
Nonverbale Kommunikation
Ausführungsart Funktionen/Wirkungen

1. optisch (sichtbare Sprache)

Blickkontakt

Mimik

Gestik

Körperhaltung

räumliches Verhalten

Sprache wird unterstrichen oder ersetzt (z. B. An die Stirn tippen, einen Vogel zeigen)

Kommunikation kann freundlicher gestaltet werden (z. B. kann ein Nein mit freundlichem Gesicht gesagt werden)

Als Problem taucht die Diskrepanz zwischen verbaler Sprache und Körpersprache auf (z. B. wenn man Ärger ausspricht mit lachendem Gesicht) usw.

2. akustisch (Sprechsprache)

Aussprache

Lautstärke

Tonhöhe

Tempo/Pausen/Sprechfluss

Dialekt/Hochdeutsche Sprache/Fachsprache

Klangfarbe/Stimme/Atmung

Sprachbeiträge gliedern

Aussage herausheben oder mindern

Emotionen signalisieren

Temperament

Selbstbewusstsein

Problem: Widersprüchlichkeiten usw.

3. taktil (Berührungssprache)

Händedruck

Umarmen

Schulter-klopfen

Streicheln

Emotionen ausdrücken

Interpersonale Einstellungen signalisieren

Zuwendung verdeutlichen usw.

4. Sonstiges (Geruch/Modesprache)

negativ: Schweiß-, Mund-, Körpergeruch

positiv: Parfüm

Mode-Modus (Wahl der Kleidung, Haartracht, Accessoires)

wenig beachtet, aber wirksam

Aufmerksamkeit erregen

wird bewusst eingesetzt: Aufmerksamkeit

z. B. Trauer, Protest ausdrücken

Die Gestik bezeichnet jene Ausdrucksformen, die mit den Armen, Händen, Hals, Kopf und Schultern vollzogen werden. Man kann mit den Händen oder mit einem Stift spielen, sich in den Haaren herumfahren, die Arme ausstrecken, verschränken oder aufstützen. Wir können den Kopf einziehen, ihn senken, schütteln, mit ihm nicken. All dies sind Signale, die deutliche Wirkungen haben.

Die Körperhaltung kann auch unterschiedlich sein: ängstlich abwehrend oder selbstbewusst herrschend. Die ständig in Hast befindliche, motorisch unruhige, aufdringliche, ängstliche Person – all dies spiegelt sich im Körperverhalten wider.

Auch das Blickverhalten ist ein intensiv genutztes Mittel der Kommunikation. Je mehr Blickkontakt besteht, umso mehr Akzeptanz wird signalisiert. Positiv wird taxiert, wer häufig angesehen wird. Zorn, Ärger, Widerspruch werden durch die Vermeidung von Blickkontakten erkennbar. Jemandem in die Augen sehen oder jemandem nicht in die Augen sehen können – das sagt sehr viel aus.

Der akustische Modus (auch »auditiver Modus« genannt) bezieht sich auf die Art und Weise, in der ich spreche: Lautstärke, Sprechgeschwindigkeit, Sprechpausen, Deutlichkeit der Aussprache, Tonhöhe usw. Auch dadurch wird der zuhörenden Person signalisiert, wie dieser Inhalt zu verstehen ist, welche Beziehungsangebote und Gefühle damit verbunden sind. Der akustische Modus ist besonders beim Telefonieren von Bedeutung. Da man das Gegenüber nicht sieht und von daher die Mimik nicht erkennbar ist, sind Deutlichkeit der Aussprache, Tonhöhe, Sprechpausen usw. von besonderem Gewicht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf kommunikationshinderliche Phänomene wie Hüsteln, schweres Atmen, ständiges Lachen, Zwischenvokalisationen (äh, hm, oh, ah usw.).

Der taktile Modus bezieht sich darauf, ob und in welcher Weise Formen der körperlichen Berührung eine Rolle spielen. In unserem Kulturkreis verwenden wir den Händedruck. Wir kennen das Auf-die-Schulterklopfen, jemandem den Arm um die Schulter legen, den Begrüßungskuss, jemanden zum Abschied in den Arm nehmen. In der Pflege spielt der taktile Modus eine wesentliche Rolle.

Weiterhin ist auf den Geruchssinn hinzuweisen; man spricht auch vom olfaktorischen Modus. Hier geht es um die diversen »Gerüche«, die Distanz oder Interesse signalisieren können.

Schließlich ist noch der modische Bereich mit Kleidung, Haartracht und den Accessoires, mit denen man sich ausstattet, zu nennen. Auch dadurch kann man Aufmerksamkeit erreichen oder den Eindruck bewirken, dass einem das alles nicht wichtig ist.

2.4.2 Die Körpersprache anderer beachten

Dort, wo die Körpersprache stimmig ist, hilft sie, die Kommunikation zu unterstützen. Die Körpersprache kann aber auch auf Diskrepanzen und Probleme hinweisen. Wo eine Person zum Beispiel sagt: »Das verbitte ich mir!« und dazu lächelt, untergräbt sie ihre eigene Aussage, macht sie im ungünstigsten Falle wirkungslos. Daher ist es hilfreich, auf die Körpersprache anderer Menschen zu achten. Es gibt negative Signale (wenig Blickkontakt, in die Luft schauen, angespannte Körperhaltung, trommelnde Finger usw.), die eine Art Frühwarnsystem für Kommunikationsprobleme darstellen. Und es gibt positive Signale (offene Körperhaltung, Blickkontakt, entspannte Haltung, mit dem Kopf zustimmend nicken usw.).

Tabelle 2: Körpersignale.
Körpersignale Mögliche Bedeutung
Arme vor der Brust gekreuzt Wunsch nach Distanz, abwarten, nicht aufnahmebereit, verschlossene Person
Arme – offene HaltungOffenheit, Aufnahmebereitschaft, Sicherheit, Selbstbewusstsein
Hände offen entspannt, kommunikationsbereit
Hände geballtEntschlossenheit, Wut und Zorn
Hand fest um einen Gegenstand gelegt Angespanntheit, Verkrampfung
Hände in die Hüfte gestemmt Arroganz, Selbstsicherheit
Fingertrommeln/häufige Beinbewegung Gereiztheit, Nervosität, Unruhe
Erhobener Zeigefinger Belehrung, Drohung
Wenig Blickkontakt Desinteresse, Verlegenheit
Direkter Blickkontakt Interesse, Sicherheit, Selbstbewusstsein
Ausweichender Blick Unsicherheit, Verlegenheit
Beinhaltung in Richtung Gesprächspartner (auch übereinander geschlagen) Interesse, Aufmerksamkeit, Zuwendung
Beinhaltung weg von Gesprächspartnerin (auch übereinander geschlagen) Abwendung, Desinteresse
Oberkörper – leicht vorgebeugt Interesse, Zuwendung, Anteilnahme
Oberkörper – leicht zurückgelehnt abwarten, kritische Prüfung
Oberkörper – weit zurückgelehnt Distanz, Ablehnung, Desinteresse
Aufrechte Körperhaltung Sicherheit, Selbstbewusstsein

Diese Liste (angeregt durch Pink 2001:128) enthält Körpersignale, die mehr oder minder aus sich heraus verständlich sind. Die Aufstellung will nicht vollständig sein, sondern möchte helfen, den eigenen Blick zu schärfen.

2.4.3 Räumliches Verhalten

Das räumliche Verhalten bezieht sich einmal auf die Nutzung des Raumes und seiner Einrichtungen. Ein großer Schreibtisch schafft Distanz. Ein kleinerer Stuhl für den Kunden macht deutlich, wer »Herr bzw. Frau im Hause« ist. Ein runder Tisch, eine kreisförmige Tischanordnung sind Ausdruck des Wunsches nach Kommunikationsnähe.

Dazu kommt zum andern das individuelle Verhalten hinsichtlich der Nähe: Wie nahe gehe ich an jemand heran? Wie weit wahre ich die räumliche Distanz? Menschen schaffen zwischen sich einen flexiblen Raum, den sie sowohl durch Bewegung, durch Annäherung als auch durch Rückzug fortwährend verändern. Dieser Raum lässt sich hinsichtlich seiner symbolischen Bedeutung in vier Zonen unterteilen, die mit unterschiedlich großen Distanzen zwischen den handelnden Menschen korrespondieren (siehe Mühlen Achs 2003:206 ff.).

Der kleinste Raum als Zone der intimen Distanz erstreckt sich in unserer westlichen Kultur bis etwa 45 cm. Daran schließt sich die Zone der persönlichen Distanz an, die dem eigenen Schutz und der Abgrenzung gegenüber anderen dient. Diese Zone reicht von 45 cm bis etwa 120 cm. Die soziale Distanz, die nächste Zone, erstreckt sich von 120 cm bis etwa 160 cm. Alle weiteren Entfernungen haben einen öffentlichen Charakter. Als öffentliche Distanz bezeichnet man einen Abstand von ungefähr 4 Metern. Hier läuft fast nur körpersprachliche Kommunikation ab. Die körperliche Distanz hat einen großen Einfluss auf die Kommunikation, weil sie die Möglichkeiten gegenseitigen Wahrnehmens festlegt. Nur innerhalb der intimen Distanz (bis 45 cm) stehen alle Modi der Körpersprache den Beteiligten uneingeschränkt zur Verfügung: die Modalitäten des Riechens, Spürens und Schmeckens und mit ihnen die emotionalen Inhalte und ihre Bedeutung für die Kommunikation. Mit wachsender Entfernung verringert sich der Ausdrucks- und Handlungsspielraum der Interagierenden. In intimer Nähe sind Interaktionen möglich, in denen die Körpersprache voll zum Einsatz gebracht werden kann. Das heißt, dass aus geringer Distanz insbesondere Gefühle wesentlich eindrücklicher und differenzierter kommuniziert werden können – z. B. kann Mitgefühl nicht nur durch einen Blick oder Händedruck, sondern auch durch eine sanfte Berührung oder eine feste Umarmung zum Ausdruck gebracht werden. Hier wird deutlich, dass die Pflege dadurch, dass sie diesen intimen Bereich einschließt, auch eine besondere Kommunikationsstruktur mit umfasst.

Der intime, persönliche und soziale Raum ist insgesamt in seiner je spezifischen Struktur zu achten. Grenzüberschreitungen innerhalb der Zonen führen erfahrungsgemäß leicht zu Verstimmungen. Man fühlt sich unbehaglich, wenn jemand ohne Aufforderung in den intimen und persönlichen Bereich eindringt.

So wird auch an der Frage des Umgangs mit dem Raum noch einmal deutlich, in welch hohem Maße die Körpersprache Teil unserer Persönlichkeit ist und welch wichtige Rolle sie bei der Kommunikation spielt. Darum ist es notwendig, sich der Bedeutung der Körpersprache bewusst zu werden und auch an der eigenen Körpersprache zu arbeiten.

Zusammenfassung

3 GESCHLECHTERGERECHTE KOMMUNIKATION

Kommunikation ist nicht geschlechtsneutral. Empirische Untersuchungen liefern dafür deutliche Belege. Geschlechtsspezifisches Verhalten und geschlechtsspezifische Kommunikation beruhen nicht auf biologischen Vorprogrammierungen. Eine »typisch weibliche« und »typisch männliche« Art und Weise der Kommunikation »an sich« gibt es nicht. Diese bildet sich vielmehr in der Sozialisation und Interaktion mit anderen Menschen heraus. Weil geschlechtsspezifische Kommunikationsstile Teil der Berufswirklichkeit sind, wird diese Fragestellung hier aufgenommen. Dabei ist es das Ziel, für diese Frage im Blick auf die Kommunikationsprozesse zu sensibilisieren.

3.1 Das neue Stichwort: Gender Mainstreaming

Die Kommunikationsfrage ist Bestandteil der umfassenderen Frage, wie in einer demokratischen Gesellschaft, die sich der Chancengleichheit verpflichtet weiß, Frauen und Männer sinnvoll miteinander kommunizieren und leben können.

Wenn von Gender Mainstreaming gesprochen wird, geht es darum, das Leben in allen seinen Facetten aus der Sicht von Frauen und Männern wahrzunehmen und die Sichtweisen von Frauen und Männern bei allen gesellschaftlichen Entscheidungen zur Geltung zu bringen und so für Chancengleichheit zu sorgen. Gender Mainstreaming geht es um die Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit für Frauen und Männer.

3.1.1 Begriff und Perspektiven

In der deutschen Sprache verfügen wir nur über den einen Begriff »Geschlecht«. Die englische Sprache hat dagegen für diesen Bereich zwei Begriffe: »sex« und »gender«. »Sex« stellt die Bezeichnung für »biologisches Geschlecht« dar, während »gender« das »soziale Geschlecht« meint. Gender verweist auf die Normierungen, Rollen- und Aufgabenzuschreibungen, die Frauen und Männern in unserer Gesellschaft zugeschrieben werden. Diese sind nicht angeboren, sondern erlernt (sozialisiert) und damit auch veränderbar.

Mainstream ist der englische Ausdruck für »Hauptstrom«. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Gender-Perspektive zu einem zentralen Bestandteil bei allen gesellschaftspolitischen Planungen und Prozessen werden soll. Auf allen Ebenen und bei allen Entscheidungen sollen die Ausgangsbedingungen und Auswirkungen auf die beiden Geschlechter von Anfang an berücksichtigt werden. Ziel ist die tatsächliche Gleichstellung und Gleichwertigkeit von Frauen und Männern im gesellschaftlichen Leben.

Gender Mainstreaming wird folgendermaßen definiert: »Gender Mainstreaming besteht in der Re-Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluation von Entscheidungsprozessen in allen Politikbereichen und Arbeitsbereichen einer Organisation. Das Ziel von Gender Mainstreaming ist es, in alle Entscheidungsprozesse die Perspektive des Geschlechterverhältnisses einzubeziehen und alle Entscheidungsprozesse für die Gleichstellung der Geschlechter nutzbar zu machen« (Stiegler 2000:8).

Die Ursprünge dieses Konzeptes liegen in der internationalen Frauenbewegung. Auf der Vierten Weltfrauenkonferenz in Bejing/Peking 1995 erhielt die neue Strategie mit Gender Mainstreaming ihren Namen und wurde in den damaligen Dokumenten verankert. Das Konzept wurde von der Kommission der Europäischen Union im Jahre 1997 aufgegriffen und 1999 Bestandteil des Amsterdamer Vertrages. Die Mitgliedsländer der Europäischen Union verpflichten sich in diesem Vertrag, die Chancengleichheit der Geschlechter gesetzlich umzusetzen.

Laut Kabinettsbeschluss der deutschen Bundesregierung vom 23. Juni 1999 gilt die Chancengleichheit der Geschlechter als »durchgängiges Leitprinzip« der Politik. Inhaltlich geht es um die als veränderbar betrachteten Verhältnisse zwischen den Geschlechtern. Gesellschaftliche Unterschiede können nicht mehr durch die biologischen Geschlechterunterschiede gerechtfertigt werden. Soziale und kulturelle Geschlechterrollen von Frauen und Männern sind Ergebnis einer historischen Entwicklung. Sie sind daher grundsätzlich veränderbar und politisch gestaltbar.

Barbara Stiegler (2000:8) hat die Veränderung von einer Frauenförderungs-und Gleichstellungspolitik hin zum neuen Konzept des Gender Mainstreaming in einem Bild verdeutlicht. Sie vergleicht die Entscheidungsprozesse in politisch handelnden Organisationen mit dem Flechten eines Zopfes.

Früher wurden die Zöpfe mit den Strängen Sachgerechtigkeit, Machbarkeit und Kosten geflochten. In einigen Fällen wurde zum Schluss dann die Frage gestellt, in welcher Weise Frauen von den Entscheidungen betroffen sein könnten. Der fertige Zopf wurde am Schluss mit einer kleinen lila Schleife versehen (linke Seite der Abbildung 7). Beim Gender Mainstreaming wird die Frage der Geschlechterverhältnisse, d. h. die Verschiedenartigkeit und Ähnlichkeit von Männern und Frauen, von Anfang an zu einem wesentlichen Strang des Zopfes (rechte Seite der Abbildung 7). Der Genderansatz hat erhebliche Konsequenzen für den gesellschaftlichen und beruflichen Bereich, weil überall die doppelte Frage zu stellen ist: Was bedeutet das für Männer? Was bedeutet das für Frauen?

3.1.2 Gender – Gesundheit – Pflege

In unserem Zusammenhang ist die Frage zu stellen: Was bedeutet der Gender-Ansatz für den Bereich Gesundheit und Pflege? Die Beachtung der weiblichen und männlichen Sichtweisen, Erfahrungen und Gefühle bei den zu pflegenden Personen hat erhebliche Konsequenzen für die Angebote und Aktivitäten von Pflegeeinrichtungen, für die Pflegewissenschaft und die Organisation des Gesundheitswesens. Gender Mainstreaming ist ebenso relevant für die Kundenorientierung und das Qualitätsmanagement, damit die Angebote für die jeweiligen Zielgruppen passgenau gestaltet werden können:

Männer und Frauen unterscheiden sich in ihrem Erleben und Empfinden von Gesundheit und Krankheit und in ihrem Verhalten gegenüber Gesundheit und Krankheit. Sie zeigen ein unterschiedliches Körper- und Krankheitsbewusstsein (siehe dazu BMFSFJ 2002:12f.).

Frauen und Männer haben unterschiedliche gesundheitliche Probleme. Sie haben deshalb auch unterschiedliche Anforderungen an das Gesundheitssystem. Frauen gehen z. B. eher zum Arzt und nehmen ihre Gesundheit ernster als Männer.

Schon bei Mädchen und Jungen fallen Unterschiede im Gesundheitsverhalten auf: Jungen äußern sich kaum über Krankheitssymptome und verdrängen diesbezügliche Ängste. Damit kommen auch unterschiedliche Kommunikationsverhaltensweisen in den Blick.

Andererseits zeigt sich bei genauerem Hinsehen, dass bestimmte geschlechtsspezifische Zuschreibungen überholt sind. So gilt der Herzinfarkt immer noch als typische Männererkrankung. In Wahrheit erleidet laut Angaben des Bundesgesundheitsministeriums jedes Jahr fast eine annähernd große Zahl von Frauen einen Herzinfarkt.

Es gilt, in der professionellen ambulanten und stationären Pflege die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen, ihre Verschiedenartigkeit und Gleichheit, wahrzunehmen und zu berücksichtigen. Die Genderperspektive sollte in der professionellen Pflege ebenso eine Selbstverständlichkeit sein wie die Planung des Pflegeprozesses.

Das Pflegewesen ist nach wie vor ein weiblicher Gesundheits- und Sozialbereich. »Sowohl die beruflich als auch die informell Pflegenden sind in der Regel Frauen. Dieser Gesundheits- und Sozialsektor muss ausgebaut, professionalisiert und ergänzend aufgewertet werden, damit der geschlechtsspezifischen Besetzung dieser Tätigkeiten entgegengesteuert und die Unterstützung für die ebenfalls in der Mehrheit weiblichen Pflegebedürftigen optimiert wird« (Achenbach 2004:417).

Frauengesundheit wurde bis vor zwei Jahrzehnten in der Gesundheitsforschung vernachlässigt. Man verlegte sich auf die Männer als die Ernährer und Produzenten der Gesellschaft. »Medizinische und gesundheitliche Erkenntnisse wurden von den Männern erforscht und auf Frauen umgesetzt« (ebd.:419). Trotz der Erkenntnis, dass im Fühlen, Denken und Handeln sowie der Erfahrung von Gesundheit und Heilung Frauen sich von Männern unterscheiden, hat es lange gedauert, bis die genderspezifischen Merkmale in Politik und Forschung wahrgenommen worden sind.

Zusammenfassung

3.2 Frauensprache – Männersprache

Empirische Forschungen belegen, dass Unterschiede im kommunikativen Verhalten von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft eine Realität sind. Renate Rogall (2003:22–25; vgl. auch Pink 2001:40) stellt sechs Bereiche heraus, bei denen für Frauensprache ein eigenes Profil zu bemerken ist:

(1) Beziehungssprache versus Berichtssprache

Nach Deborah Tannen verwenden Männer eher eine »Berichtssprache«, d. h., sie sprechen öffentlich orientiert, während Frauen eher eine »Beziehungssprache« verwenden, die stärker privat ausgerichtet ist. Hintergrund dieser unterschiedlichen Sprache ist eine unterschiedliche Weltsicht, die Ergebnis der jeweiligen geschlechtsspezifischen Sozialisation ist. Die unterschiedlichen Sprachen und die spezifische Sprechweise haben einen erheblichen Einfluss auf die Kommunikation.

(2) Kooperativer, unterstützender Gesprächsstil

Frauen schaffen durch ihre Beiträge zwischenmenschliche Beziehungen. Sie gehen in Gesprächen auf andere Personen ein, stimmen öfter zu und beziehen sich auf vorherige Ausführungen, machen indirekte Komplimente. Sie »streicheln« verbal durch unterstützendes Gesprächsverhalten und Beipflichtungen durch »ah«, »so«, »aha«, »hmh«, »ja, ja«. Frauen sorgen dafür, dass andere zum Sprechen kommen und tragen dazu bei, dass ein Thema im Gespräch gemeinsam entwickelt wird. Frauen leisten die Gesprächsarbeit (Trömel-Plötz). Männer achten dagegen weniger auf Kooperation und Gemeinschaft, sondern sind bemüht, die eigene Position zu etablieren.

(3) Tendenz zu vorsichtiger Ausdrucksweise

Frauen tendieren dazu, in ihren Aussagen häufig einschränkende Aussagen zu verwenden (»eigentlich«, »vielleicht«, »ungefähr«, »ich glaube …«, »ich denke …«, »ich meine …«, »könnte es nicht sein, dass …«, »ich überlege, ob …« usw.). Solche Wendungen können leicht den Eindruck von Unsicherheit oder Unbestimmtheit hervorrufen. Jedenfalls verwenden Frauen eine indirektere Sprache.

(4) Beachtung im Gespräch

In der Interaktion sind Rederechte und -möglichkeiten zwischen Frauen und Männern ungleich verteilt. Frauen führen mehr Themen ein als Männer, bringen aber weniger Gesprächsthemen zu Ende. Sie unterbrechen Männer fast nie, während Männer Frauen deutlich ins Wort fallen. Sie haben bei Entscheidungen in der Gruppe mit einer vorgebrachten Meinung erkennbar weniger Einfluss als Männer.

(5) Frauen setzen andere Schwerpunkte

Sie sind im Gespräch beziehungsorientierter, während Männer sachorientierter sind. Frauen schaffen durch ihren Kommunikationsstil Beziehungen. Sie sind nicht so sehr am Austausch von Wissen interessiert, sondern legen mehr Wert auf die Anwendung. Sie nehmen ihr Gegenüber sensibel wahr und können gut zuhören. Sie berücksichtigen die Auswirkungen des Gesagten auf die anderen Personen. Sie sind aktive Zuhörerinnen, die sich um ein echtes Verstehen einer Sache und ihrer Hintergründe sowie der Motive der Menschen bemühen.

(6) Problemlösungsstrategien

Bei der Lösung von Problemen ist es für Frauen wichtig, dass ein Thema ausführlich dargestellt wird, während Männer eher Wert darauf legen, den eigenen Standpunkt einzubringen. Für Frauen steht der Lösungsprozess im Mittelpunkt, sie möchten ein Problem in seiner ganzen Komplexität bearbeiten, während Männer rasch den Kernpunkt finden und möglichst schnell zu einer Lösung kommen wollen.

Ziel der Nachfrage nach möglichem geschlechtsspezifischem Kommunikationsverhalten kann nicht sein, dass Frauen nun lernen sollen, wie Männer zu kommunizieren und umgekehrt. Vielmehr geht es um die Frage, wie Frauen und Männer so miteinander kommunizieren können, dass eine für beide Seiten befriedigende Kommunikationsweise herauskommt.

Zusammenfassung

3.3 Frauen und Körpersprache

Die Körpersprache ist ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation (siehe Kapitel 2.4). Gibt es in dieser Frage so etwas wie einen spezifisch weiblichen Kommunikationsstil?

Empirische Untersuchungen belegen, dass Frauen in der überwiegenden Zahl der Fälle im Verstehen der nonverbalen Kommunikation deutlich besser sind als Männer. Das gilt bereits für Mädchen. Auch sie sind in dieser Fähigkeit den Jungen deutlich überlegen.

Auch in anderer Hinsicht sind deutliche Unterschiede auszumachen (zum Folgenden siehe Rogall 2003:26–28). Unterschiedliche Körperhaltungen und die Art des Betretens von Räumen signalisieren eine unterschiedliche Raumergreifung. Von Kindheit an lernen Mädchen und Jungen schon in unterschiedlicher Weise, Räume für sich in Anspruch zu nehmen. Während die Mädchen mit wenig Raum auskommen, werden Jungen angeregt, auch Räume außerhalb der Wohnung in Anspruch zu nehmen. In der Öffentlichkeit beanspruchen sie mehr Platz als Mädchen.

Männer haben eine aufrechte, gelassen wirkende Körperhaltung und stehen breitbeinig und fest verankert auf dem Boden. Die Körperhaltung von Frauen ist dagegen eher schmal, eng und in sich geschlossen. Frauen sitzen meist mit zusammengehaltenen Beinen, die Arme liegen eng am Körper, die Hände werden oft im Schoß platziert und die Fußspitzen zeigen nach innen. Sie beanspruchen beim Sitzen wenig Platz, nehmen oft nur einen Teil der Sitzfläche ein oder sitzen auf der Stuhlkante. Eine solche Art des Sitzens wirkt verlegen und unsicher.

Demgegenüber nehmen die Männer einen breiten Raum ein. Ihre häufigste Bein- und Fußhaltung im Sitzen sind Stellungen mit weit gespreizten Schenkeln und nach außen gerichteten Fußspitzen. Auch ihre Arme beanspruchen Platz: weit weg vom Körper. Sie stützen sich dabei oft auf und halten die Ellbogen nach außen (Pink 2001:134). Männer nehmen ihre Sitzflächen mit großer Selbstverständlichkeit ein. Im Flugzeug beanspruchen sie in die Regel die Armlehnen der Sitze. In der Gruppe sind sie in ihrer Körpersprache noch raumgreifender als sonst.

Das Sitz- und Stehverhalten ist insofern relevant, weil dadurch beim Betrachter bestimmte Assoziationen wie Unterwürfigkeit oder Hilflosigkeit hervorgerufen werden können. Durch die Art des Auftretens signalisieren Menschen, wie sie sich selbst sehen.

Birgit Schaufler (2000:90f.) weist im Blick auf die körperliche Präsenz darauf hin, dass wirklich selbstsichere Menschen eine natürliche Präsenz ausstrahlen, ohne viel Aufhebens um ihre Person zu machen. Bei Frauen sei der Zusammenhang zwischen Selbstsicherheit (Sicherheit nach innen) und selbstsicherem Auftreten (Sicherheit nach außen) nicht immer eindeutig gegeben. Zu lange hätten sie entmutigende Botschaften verinnerlicht. Selbst wenn sie wüssten, dass sie eine Aufgabe sehr gut erledigt haben oder sich in der Diskussion sicher sind, im Recht zu sein, käme es vor, dass ihre Sprache und ihr Körper Unsicherheit ausdrücken. Häufige Signale von Unsicherheit seien Verlegenheitsgesten (Kauen auf den Lippen, Herzumzupfen an den Fingern, Nesteln an der Kleidung), unsicheres Lächeln, missverständliches Kopfnicken, raumsparende Körperhaltung.

Sich selbst ins rechte Licht zu rücken, erfordere von Frauen viel Mut, da selbstbewusstes Auftreten im Widerspruch zu den Frauenbildern unserer Gesellschaft stehe. »Frauen sollen eher bescheiden sein als stolz, zurückhaltend statt laut, hilfebedürftig statt stark … Der Zwiespalt zwischen ihrem Wissen um die eigene fachliche Qualifikation und Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Zurückhaltung drückt sich auf der körpersprachlichen Ebene aus« (ebd.). Die Kenntnis der gesellschaftlichen und kulturellen Hintergründe könne Frauen motivieren, an ihren körpersprachlichen Unsicherheitssignalen zu arbeiten, damit sie vermieden werden und so innere Haltung und Ausstrahlung in Übereinstimmung gebracht werden. Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft entstünden durch positiven Blickkontakt, sinnstützende Gestik und ausdrucksvolle Mimik.

Diese notwendigen Elemente zählen zum entsprechenden Verhaltensrepertoire jeder Person. Schaufler empfiehlt, sich an eigene überzeugende Auftritte (bestandene Prüfung, erfolgreiche Beschwerde im Lokal, sportliche Leistung, erfolgreich durchstandene Konflikte mit den eigenen Kindern) zu erinnern, um sich das Gefühl von Mut, Durchsetzungskraft und persönlicher Willenstärke zu vergegenwärtigen. Sie schreibt: »Sie werden (als Frau) nur ernst genommen, wenn Sie sich selbst ernst nehmen. Wer sich ernst nimmt, beansprucht Raum, nimmt sich Zeit und fordert Aufmerksamkeit. Diese drei Grundpfeiler selbstbewusster körperlicher Präsenz sind keine Geschenke des Himmels. Sie können an ihnen arbeiten und sie verbessern« (Schaufler 2000:92).

Zusammenfassung

4 KOMMUNIKATION VERBESSERN – KOMPETENZEN IN DER GESPRÄCHSFÜHRUNG

Damit Kommunikation gelingt, kann man manches tun. Insbesondere kann man sich Kompetenzen für die Führung von Gesprächen aneignen. Darum geht es in diesem Kapitel. Den einzelnen Gesprächstechniken, die im Folgenden behandelt werden, liegen insgesamt kommunikative Haltungen zugrunde, die generelle Einstellungen einer Person darstellen.

4.1 Kommunikative Grundhaltungen

Kommunikative Grundhaltungen sind ein wesentlicher Faktor für das Zustandekommen eines guten Gesprächsklimas. Carl R. Rogers (1975:50 und 1979:51f.) geht davon aus, dass jede Person über die Fähigkeit zu guten zwischenmenschlichen Beziehungen verfügt, und dass eventuell verschüttete Fähigkeiten durch Gespräche wieder »freizulegen« sind. Für ihn ist die menschliche Natur vertrauenswürdig, konstruktiv und auf Reife hin angelegt. Das Wachstum der Persönlichkeit wird durch die Erfahrung einer vertrauensvollen Beziehung gefördert. Die drei Grundhaltungen der Echtheit, Wertschätzung und Empathie sind dabei für jede menschliche Beziehung grundlegend.

(1) Echtheit

(Es werden auch die Begriffe »Authentizität«, »Kongruenz« und »Wahrhaftigkeit« verwendet.) Bei Echtheit geht es darum, dass man mit sich selbst stimmig ist, sich so zeigt, wie man tatsächlich ist. Man kann dies auch als Frage formulieren: »Stimmt das, was ich sage und tue, mit dem überein, was ich denke und fühle?« Es geht also darum, sich und anderen nichts vorzumachen, sondern offen, ehrlich und wahrhaftig zu sein.

D. h. nun aber nicht, dass man alles sagen muss, was man denkt, und dass man ständig alle seine Gefühle aussprechen soll. Es gilt vielmehr die Regel: Alles, was gesagt wird, muss echt und wahrhaftig sein; aber nicht alles, was echt und wahrhaftig ist, muss auch gesagt werden. Man kann daher mit Recht von »selektiver Echtheit« (R. Cohn), d. h. verantworteter Echtheit, sprechen.

(2) Wertschätzung

Wertschätzung ist der zweite Begriff, den Rogers benennt. (Es werden auch die Begriffe »positive Wertschätzung«, »wertschätzende Annahme, Akzeptanz und Toleranz« verwendet.) Wertschätzung ist Ausdruck einer Haltung, die Interesse an einer anderen Person hat und diese annimmt, so wie sie ist. Es geht also um die Fähigkeit, jemanden als ganze Person (Herkunft, äußeres Erscheinungsbild, Sprache, Intellekt usw.) wertzuschätzen und zu akzeptieren. Solche Akzeptanz führt in der Regel zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls. Dies zieht wiederum eine Freiheit nach sich im Blick auf neue Wege und Veränderungen. Nichtannahme verschließt Menschen, gibt ihnen das Gefühl, sich in der Defensive zu befinden, ruft Unbehagen hervor, macht Angst.

Eine Annahme muss freilich kommuniziert werden. Dies kann ohne Worte durch Gesten, Körperhaltung, Gesichtsausdruck oder andere Verhaltensweisen geschehen. Schweigen, passives Zuhören kann eine überzeugende Botschaft in stiller Sprache sein. Gleichwohl ist die sprachlich übermittelte Annahme sehr wesentlich. Die Bedingungslosigkeit der Annahme wird zur Quelle von Vertrauen.

Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Wertschätzung nicht heißen kann, einfach alles gutzuheißen. Zunächst geht es einmal um die positive Zuwendung zu und Annahme einer Person und ihres Erlebens. Die Frage der Bewertung steht hier nicht zur Debatte, diese liegt auf einer anderen Ebene.

(3) Empathie

(Es wird auch von »Einfühlung« und »einfühlendem Verstehen« gesprochen). Durch aktives Zuhören entsteht eine einfühlende Teilnahme, ein einfühlendes Verstehen, eine Anteilnahme an einer anderen Person und ihrer Lebenswelt. Bei Empathie geht es darum, die Welt so zu sehen, wie die andere Person sie sieht, und die andere Person so zu sehen, wie sie sich selbst sieht. Es geht also um die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen, sich in ihre Situation hineinzuversetzen.

Ein Kommunikationsstil, für den Echtheit, Wertschätzung und Empathie charakteristisch sind, kann zur Quelle von Vertrauen und Verständnis werden. Das dadurch geschaffene Klima wirkt befreiend und schafft eine gute Ausgangssituation für die Bearbeitung von Fragen, Problemen und Konflikten.

Zusammenfassung

Die zehn Todsünden der Kommunikation

Sich herablassend benehmen

1. Bewerten (»Sie sind hoffnungslos.« »Das kapieren Sie nie.«)

2. Moralisieren (jemanden abkanzeln, Vorwürfe machen, alte Geschichten ausgraben).

3. Den »Psychologen spielen« oder »etikettieren« (»Ihr Problem ist …«, »Das behaupten Sie nur, weil Sie einen Autoritätskonflikt haben …«).

4. Ironische Bemerkungen machen (Ironie gehört in die gleiche Rubrik wie Beleidigen, Verspotten und Beschämen).

Signale setzen

5. Befehlen (»Sie müssen …«, »Das geht nur so …«, »Sie sollten unbedingt …«).

6. Dem andern keine Wahl lassen (Eine andere Peron durch logische Argumente und Aussagen in eine bestimmte Richtung drängen).

7. Dem andern drohen (»Es wäre besser, wenn …«, »Wenn Sie dies nicht tun, dann …«).

8. Ungebetene Ratschläge erteilen (»Ich an Ihrer Stelle würde …«, »Sie müssten bedenken, dass …«, »Wenn Sie auf mich hören, dann … »).

Vermeidung

9. Vage sein (»Jeder weiß doch, dass …«,, »Viele Menschen sehen das so, dass …«, »Das kriegen wir schon hin«, »In Zukunft wird alles schon besser werden«).

10. Ablenkungsmanöver (»Mach dir keine Sorgen, es wird schon wieder werden«, »Morgen sieht alles schon wieder ganz anders aus«).

4.2 Sachgespräche führen

Sachinhalte spielen im Zusammenhang der professionellen Pflege und der damit verbundenen Kommunikation eine ausgesprochen wichtige Rolle. Sachlichkeit ist zunächst einmal das, was man von Menschen, die beruflich miteinander zu tun haben, erwarten darf. Dies gilt unabhängig davon, ob sie einander mögen oder nicht.

Ein Sachgespräch (zum Folgenden siehe insgesamt Crisand 1997:9–24) ist dadurch definiert, dass Sachfragen geklärt und Informationen sowie Meinungen ausgetauscht werden. Entsprechend der Zielabsicht lassen sich verschiedene Gesprächstypen unterscheiden: Informationsgespräch, Entscheidungsgespräch, Problemlösungsgespräch. Im Gegensatz zum Personengespräch geht es beim zielorientierten Sachgespräch nicht um persönliche, sondern um sachlich-inhaltliche Fragen.

4.2.1 Vorbereitung des Gesprächs

Allerdings schließt ein Sachgespräch immer auch die Beziehungsebene ein. Bei der Übermittlung einer Information wird immer auch der emotionale Bereich, die Beziehungsebene mit angesprochen. Darum ist es für die Person, die das Gespräch führen will, hilfreich, bei der Vorbereitung des Gespräches das Kommunikationsquadrat der Nachrichten als Instrument zur Selbstklärung zu verwenden (siehe Schulz von Thun 2000:109f.) und zu überlegen:

Sachebene: Wie sehe ich den Sachverhalt? Wie wird die Gesprächspartnerin ihn sehen? Welche Punkte sind in jedem Falle anzusprechen?

Appell: Was ist mein Hauptziel? Was sind meine Nebenziele? Was erwartet die Gesprächspartnerin wahrscheinlich?

Beziehungsebene: Wie stehen wir zueinander? Kritisch, vertrauensvoll, gereizt, indifferent?

Selbstkundgabe: Welche Gedanken und Gefühle habe ich in Bezug auf das Gesprächsthema und die Gesprächspartnerin? Wie mag es ihr ergehen?

Die Überlegungen führen zu einer Festlegung der Gesprächsziele. Ich beantworte also die Fragen:

Warum führe ich dieses Sachgespräch?

Was sind meine Haupt- und Nebenziele?

Welches sind die Inhalte, die unbedingt angesprochen werden müssen?

Der nächste Punkt ist die Klärung der Rahmenbedingungen. Hier geht es um die äußeren Faktoren des Gesprächs, die für die Gesprächsatmosphäre wichtig sind. Es ist zu fragen:

Wer nimmt am Gespräch teil?

Wo findet das Gespräch statt? Steht dort ein Telefon? Gibt es andere mögliche Störfaktoren (akustischer Art, Beleuchtung, Temperatur, Unterbrechungen)?

Wann findet das Gespräch statt? Möglichst am Vormittag und nicht nach dem Mittagessen, wenn alle müde sind; psychische Verfassung der Gesprächspartnerin beachten.

Welche Hilfsmittel benötige ich (Gesprächsunterlagen, visuelle Hilfsmittel)?

Jetzt gilt es, eine Verabredung zum Gespräch zu treffen, wobei nicht nur die Bitte um einen Termin, sondern auch die Ankündigung des Themas zu erfolgen hat.

4.2.2 Durchführung des Gesprächs

Im Allgemeinen lässt sich die Durchführung eines Sachgespräches in vier Gesprächsabschnitte gliedern:

Gesprächseröffnung (persönlichen Kontakt herstellen: persönliche Fragen, aktuelle Ereignisse)

Darstellung des Gesprächsanlasses (Grund des Gespräches, Ziele)

Kerngespräch (Sachthema wird besprochen: Klärung von Standpunkten und deren Hintergründen)

Abschluss des Gesprächs (Abstimmung über das weitere Vorgehen, Zusammenfassung, Vereinbarungen, eventuell Verabredungen über weitere Gespräche, bei besonders wichtigen Gesprächen kann sich eine schriftliche Vereinbarung empfehlen. Je deutlicher und je präziser die getroffenen Absprachen sind, umso besser ist es für die Erfolgsaussichten des Gesprächs).

4.2.3 Exkurs: Verständlichkeit im Sprechverhalten

Ob ein Sachgespräch auch die beabsichtigten Ziele erreicht, hängt insbesondere auch von einer verständlichen Ausdrucksweise ab. Nach von Langer (1993: 15-22, siehe auch Crisand u. a. 1997:25–30) sind es vor allem vier Faktoren, die Verständlichkeit beim Sprechen bewirken: Einfachheit des Ausdrucks, Gliederung und Ordnung, Kürze und Prägnanz, anregende Zusätze/Anschaulichkeit.

(1) Einfachheit des Ausdrucks

Wenn man viele Fremdwörter und Fachbegriffe verwendet, in langen, verschachtelten Sätzen redet und abstrakt, statt konkret-anschaulich formuliert, besteht die Gefahr der Unverständlichkeit. Daraus resultieren leicht Missverständnisse. Kurze Sätze und einfacher Satzbau sind für die Einfachheit des Ausdrucks charakteristisch. Das bedeutet im Einzelnen, dass

überflüssige Wörter vermieden werden (z. B. »im Rahmen des Möglichen« [besser:] »möglich«; »für den Fall, dass« [besser:] »wenn«; »auf Grund der Tatsache, dass« [besser:] »weil«; »der Tatsache ins Gesicht sehen« [besser:] »akzeptieren«);

ein Stil gefunden wird, in dem wenig(er) Substantive verwendet werden (»Das wird für Sie beim Heilungsprozess von Nutzen sein« [besser:] »Das wird Ihnen beim Heilungsprozess nützen«);

Schachtelsätze vermieden werden. Oft kann man so verfahren, dass man einen langen Satz in zwei oder drei kurze Sätze umformuliert. (»Dieses Problem haben wir im Mitarbeiterteam schon mehrfach besprochen, aber leider keine Lösung gefunden, sodass ich es noch einmal auf die nächste Tagesordnung setzen werde« [besser:] »Dies Problem haben wir im Mitarbeiterteam schon mehrfach besprochen. Leider haben wir bisher keine Lösung gefunden. Ich werde die Thematik erneut auf die nächste Tagesordnung setzen.«);

dass man im Gebrauch von Fremdwörtern sparsam ist.

dass man Fachausdrücke erklärt.

(2) Gliederung und Ordnung

Die zuhörende Person muss einen roten Faden erkennen können. Dann kann sie den Ausführungen besser folgen. Dadurch werden Missverständnisse vermieden.

Die innere Gliederung sorgt dafür, dass Gedankengänge logisch aufgebaut sind und Informationen in einer sinnvollen Reihenfolge dargeboten werden.

Die äußere Ordnung hilft der Gesprächspartnerin, den Überblick nicht zu verlieren. Dies kann durch erkennbare Gliederungshilfen geschehen:

beim Gesprächsbeginn einen Überblick schaffen (»In unserer Besprechung geht es um folgende Punkte …«);

zwischendurch strukturierende Hinweise geben (»Wir kommen zu Punkt zwei«);

Sprechpausen einlegen und wichtiges hervorheben (»In diesem Zusammenhang ist für uns besonders wichtig …«);

Zusammenfassen (»Ich darf noch einmal den bisherigen Gesprächsgang zusammenfassen …«).

(3) Kürze und Prägnanz

Die Länge einer Aussage sollte in einem angemessenen Verhältnis zu dem Inhalt stehen, den man übermitteln will. Ein Extrem wäre eine zu knappe Ausführung, das andere Extrem eine zu weitschweifige Darlegung. Eine kurze und präzise Ausdrucksweise entsteht dadurch, dass man:

überflüssige Erläuterungen und umständliche Formulierungen vermeidet;

nicht vom Sachverhalt abschweift;

auf unnötige Wiederholungen verzichtet;

keine Füllwörter verwendet (z. B. »also«, »sozusagen«, »äh«, »mhm«).

(4) Anschaulichkeit

Redet man farblos, unpersönlich, langweilig geht das zu Lasten der Aufmerksamkeit. Kommunikationsförderlich ist dagegen eine Sprechweise, die:

interessant und persönlich ist (die hörende Person direkt ansprechen);

die abwechslungsreich formuliert (Beispiele, Zitate, rhetorische Fragen verwenden);

anschaulich ist (Bilder benutzen);

die anregend ist (gelegentlich witzige und/oder humorvolle Formulierungen verwenden).

Zusammenfassung

4.3 Fragetechniken

In einem der Songs des Kinderprogramms Sesamstraße heißt es: »Wer nicht fragt, bleibt dumm.« Dieser Satz gilt nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Die Frage ist für die Kommunikation von besonderer Bedeutung. Darum gehört die Fragetechnik auch zu den wichtigsten Gesprächstechniken (zu diesem Abschnitt vgl. insgesamt Simon 2004:102–107 sowie Cole 2003: 134-150).

4.3.1 Funktionen von Fragen

Ein Gesprächsteilnehmer, der Fragen stellt, trägt in starkem Maße dazu bei, in welche Richtung ein Gespräch sich bewegt entsprechend dem Satz: »Wer fragt, der führt.« Die Fragen tragen somit dazu bei, ein Gesprächsziel zu erreichen. Fragen können dabei ganz unterschiedliche Funktionen haben. Indem man Fragen stellt,

will man seine Neugierde befriedigen;

beeinflusst man das Gesprächsklima;

versucht man, sich Wissen anzueignen und Zusammenhänge zu verstehen;

bringt man Prozesse in Gang;

setzt man Impulse;

signalisiert man seinem Gesprächspartner Interesse;

will man seine eigenen Ziele voranbringen.

Zu viele Fragen können allerdings bei der Gesprächspartnerin Verunsicherung und Widerstand auslösen. Es ist wichtig, gute Fragen zu stellen und dies auch in dosierter Form zu tun. Mehrfachfragen sind nicht zielführend. Nun gibt es unterschiedliche Formen von Fragen, die auch jeweils ganz unterschiedliche Wirkungen auf der Sach- und Beziehungsebene nach sich ziehen. Es lassen sich verschiedene Arten von Fragen unterscheiden. Von besonderem Gewicht sind die offenen und geschlossenen Fragen.

4.3.2 Geschlossene Fragen

Stellt man eine geschlossene Frage, erhält man zumeist eine kurze Antwort von geringem Informationswert: Die Antwort lautetet »ja« oder »nein«, »gut« oder schlecht« etc. Das Denkfeld, das durch diese Art von Fragen eröffnet wird, ist eng und begrenzt. Zum Beispiel:

»Hatten Sie in der letzten Nacht Schmerzen?«

»Haben Sie irgendwelche Probleme?«

»Geht es Ihnen heute gut?«

Geschlossene Fragen sind geeignet, um rasch Auskunft über Fakten zu erhalten, kurze Informationen einzuholen, jemanden vor eine Entscheidung zu stellen. Betrachtet man die Sachebene, so ist deutlich: Geschlossene Fragen erbringen wenig Informationen, die Antwortmöglichkeiten sind eingeschränkt, es besteht die Gefahr der Manipulation. Auf der Beziehungsebene kann das Gefühl der Bevormundung aufkommen, was dann zu einer negativen Gesprächsatmosphäre führt.

Bei den geschlossenen Fragen kann man einige besondere Formen benennen. Dazu gehören u. a. die Alternativfrage, die Suggestivfrage, die Kontrollfrage.

Alternativfragen

Wenn man ein Gespräch kurz und knapp auf den Punkt bringen und schnell ein Ziel erreichen will, wählt man die Alternativfrage. Es werden zwei Möglichkeiten angeboten. Daher eignet sich diese Frageform gut dazu, durch die angebotenen Alternativen eine rasche Entscheidung herbeizuführen. Zum Beispiel: »Welcher Termin passt Ihnen besser: Montag um 10 Uhr oder Mittwoch um 12 Uhr?«

Kontrollfragen

Kontrollfragen werden z. T. auch als Bestätigungs- oder Rückkopplungsfragen bezeichnet. Sie geben Inhalte vorangegangener Aussagen des Gesprächspartners wieder. Sie sichern gegenseitiges Verstehen und verhindern, dass aneinander vorbeigeredet wird. Sie wirken klimaverbessernd und vermindern Missverständnismöglichkeiten. Die Kontrollfrage dient dazu festzustellen, ob das, was besprochen und verabredet wurde, auch verstanden wurde. Deshalb hat diese Frageform ihren primären Ort am Ende eines Gesprächsabschnittes oder am Ende eines Gespräches (siehe Kapitel 4.6): »Wir sind uns also einig, dass Sie ab morgen täglich eine Stunde das Bett verlassen und aufstehen?«

Suggestivfragen

Hierbei handelt es sich um eng geführte Fragen. Man drängt durch eine solche Frage die Person in eine bestimmte Richtung, indem man die gewünschte oder erwartete Antwort schon in die Frage legt und damit die Gesprächspartnerin in die Richtung drängt, in der man eine Antwort gerne hören möchte:

»Sind Sie nicht auch der Meinung, dass …«

»Sie halten es doch sicher auch nicht für nötig, dass ich …«

Suggestivfragen sind problematisch. Sie bringen in sachlicher Hinsicht keine neuen Erkenntnisse. Sie führen auf der emotionalen Ebene zum Aufbau von unguten Gefühlen und Widerstand. Auf diese Art der Fragestellung sollte man möglichst verzichten.

4.3.3 Offene Fragen

Im Gegensatz zu den geschlossenen Fragen (»Gehen wir heute Abend ins Kino?«) lassen offene Fragen (»Was unternehmen wir heute Abend?«) mehrere Antwortmöglichkeiten zu (Simon 2004:105f.). Sie laden zu einer ausführlichen Antwort ein. Die Gesprächspartnerin kann ihre Antwort frei gestalten. Offene Fragen eignen sich insbesondere, wenn es darum geht, neue Informationen einzuholen, schwierige Probleme zu diskutieren, die Meinung eines Gesprächspartners einzuholen.

Zum Beispiel: »Wie ist es Ihnen in den letzten Tagen ergangen?« – »Im Ganzen war ich ziemlich schmerzfrei, nur heute morgen tat es ziemlich weh, der Schmerz ist aber bald wieder gegangen.«

Offene Fragen können nicht einfach mit einem Ja oder Nein beantwortet werden. Offene Fragen beginnen mit einem Fragewort (wer, was, wann …). Man bezeichnet sie daher auch als »W-Fragen«. Dabei lassen sich die Fragewörter und ihre Funktion mit Simon (2004:105) folgendermaßen charakterisieren:

Mit dem Fragewort wird erfragt Beispiel
Wer?

die Ziel- verantwortung

Wer übernimmt die Aufgabe?

Wie? Wohin?

der Zielweg

Wie möchten Sie es haben?

Wann?
Bis wann?

die Zielfrist

Wann passt es Ihnen am besten?

Wo? Wohin?

der Zielort

Wo nehmen Sie das Essen ein?

Wie viel?

die Zielmenge, -höhe, -umfang

Wie viel Papier und Stifte benötigen Sie für die Sitzung?

Wozu? Weshalb?

der Zielgrund

Wozu benötigen Sie Hilfe?

Wie lange?

die Zielzeit

Wie lange brauchen Sie Hilfe?

Was?

der Zielinhalt

Was möchten Sie von mir wissen?

Das Fragewort »Warum?« ist nicht aufgeführt, weil es sich in der Regel nicht für ein Gespräch eignet. Die Warum-Frage wirkt tendenziell inquisitorisch und die Gesprächspartnerin wird leicht in eine Position der Verteidigung und Rechtfertigung gedrängt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Warum-Fragen aneinander gereiht werden.

Offene Fragen wirken sich auf die Sachebene so aus, dass sie viele neue Informationen bringen. Es besteht aber auch die Gefahr, vom Thema abzuschweifen. Auf der Beziehungsebene wird dem Gesprächspartner durch offene Fragen Interesse signalisiert und sein Bedürfnis nach Anerkennung befriedigt. Auf diese Weise wird das Gesprächsklima positiv gefördert.

4.3.4 Sonstige Fragen

Nonverbale Fragen

Es gibt auch die Möglichkeit, sozusagen nonverbal eine Frage zu stellen. Wenn wir eine oder beide Augenbrauen hochziehen, uns leicht nach vorn lehnen und/oder ein »mmh« von uns geben, oder wenn wir beide Augen groß öffnen, kann das als Signal wirken, dass wir mehr hören möchten.

Rhetorische Fragen

Die rhetorische Frage ist keine echte Frage, sondern eine Scheinfrage. Die rhetorische Frage beantwortet sich entweder als gestellte Frage schon von selbst oder ist der Anlass und Aufhänger, dass die Fragestellerin selbst die Antwort gibt:

»Wer sollte das besser wissen als wir?« – »Was ist daraus zu folgern? Dreierlei: Erstens … Zweitens … Drittens.«

Die rhetorische Frage ist ein Stilmittel für einen Vortrag. Hier kann sie das Interesse der Zuhörenden wecken. Für das Gespräch im beruflichen Alltag ist sie kaum geeignet.

Gegenfragen

Diese Frageart kann verwendet werden, um zusätzliche Informationen zu einzuholen. Sie dient meist dazu, um der Beantwortung einer Frage auszuweichen, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, um auf Einwände einzugehen. »Wie meinen Sie das?« – »Wie bitte?« – »Was meinen Sie damit?«

Gegenfragen sind in der Regel nicht besonders kommunikationsförderlich. Sie können vor allem in solchen Situationen eingesetzt werden, in denen man durch den Gesprächspartner in Bedrängnis gebracht worden ist. Gegenfragen stellen ein Mittel dar, um sich aus einer solchen Situation selbst wieder befreien zu können und im Gespräch selbst wieder aktiv werden zu können.

Zusammenfassung

4.4 Ich-Botschaften geben

Ein wirksames Mittel in der Kommunikation stellen die so genannten »Ich-Botschaften« dar. Sie sind eine Form, jemandem etwas mitzuteilen statt zu befehlen. Eine Mitteilung in Form einer Ich-Botschaft ist sehr wirksam und ist oft erfolgreicher als ein Befehl oder eine Drohung.

4.4.1 Ich-Botschaften und Du-Botschaften

Das Konzept der Ich-Botschaften ist in den späten 1970er-Jahren durch Thomas Gordon entwickelt worden. Es geht dabei darum, wie wir als redende Person unsere Wünsche, Ideen, Vorstellungen und Meinungen anderen Menschen deutlich vermitteln können.

Bei den Ich-Botschaften geht es um das eigene Erleben. Ich-Botschaften beginnen daher in aller Regel mit »Ich«. Damit ist von vornherein deutlich, dass es sich um die persönliche, subjektive Seite einer Nachricht handelt. Aus diesem Grund ist auch kein Anlass gegeben, über das Gesagte in eine Debatte einzutreten.

Mit der Ich-Botschaft teilt man die eigene persönliche Sicht mit, überlässt aber der angesprochenen Person die Entscheidung darüber, ob sie diese annimmt oder ablehnt. Ich-Botschaften sind grundsätzlich offene Angebote. Wichtig ist dabei, dass die Botschaft keinen Schuldvorwurf und keine Schuldzuweisung enthält. Die angeredete Person kann zwar ihre eigene Sicht entgegensetzen, sie kann aber die übermittelte Botschaft nicht grundsätzlich bestreiten. Ich-Botschaften ermöglichen es, den eigenen Standpunkt in Ruhe und Gelassenheit auszudrücken, ohne jemanden zu beschuldigen. Sie bieten damit die Möglichkeit, offen und entspannt zu kommunizieren.

Demgegenüber enthalten die so genannten Du-Botschaften dezidierte Aussagen über die Gesprächspartner. Ihnen wird nicht die nötige Achtung entgegengebracht, sie werden vielmehr häufig angegriffen, herabgesetzt und bewertet. Eine Du-Botschaft kann beispielsweise lauten: »Ihr Vorschlag ist inakzeptabel.« Als Ich-Botschaft formuliert würde es heißen: »Ich sehe die Angelegenheit folgendermaßen …« Was als Du-Botschaft lautet: »Ihre Lösung ist kein gangbarer Weg!«, kann als Ich-Botschaft folgendermaßen formuliert werden: »Ich kann mir noch eine andere Lösung vorstellen …«

Menschen können akzeptieren, dass andere Personen eine unterschiedliche Sicht haben, sie können aber nicht hinnehmen, dass ihre eigene Sicht als »falsch« eingestuft und als Irrweg bezeichnet wird. Im Übrigen kommen Du-Botschaften häufig in der Verallgemeinerungsform (»man« usw.) daher.

4.4.2 Ich-Botschaften – praktisch

In der konkreten Gestaltung setzen sich Ich-Botschaften aus drei Bestandteilen zusammen (dazu Cole 2003:207f.):

1. Es wird zunächst das eigene Erleben, die persönliche Erfahrung beschrieben. Man sagt ohne Beschuldigungen, was man sieht oder hört. Man formuliert den eigenen Standpunkt klar und deutlich, aber mit wenigen Worten: »Ich weiß …«, »Ich sehe …«, »Ich nehme wahr … «

2. Man teilt die Auswirkungen des Verhaltens auf sich selbst mit: Man sagt, was man empfindet und wie man sich dabei fühlt, nicht was man denkt: »Ich habe das Gefühl …«

3. Man erläutert die Konsequenzen des Verhaltens. Man stellt keine Forderungen auf, sondern gibt Informationen. Man sagt nicht, was die Gesprächspartnerin tun soll, sondern nennt Gründe, über eine Verhaltensänderung nachzudenken: »Das bedeutet …«, »Ich mache mir Sorgen …«.

Ich-Botschaften haben ihren Platz am Anfang eines Gesprächs, nicht an dessen Ende. Wenn eine Sache eindeutig ist, kann man im dritten Teil eine direkte Bitte aussprechen (»Was mir am Herzen liegt, ist …«, »Wie wäre es mit …?«)

Ich-Botschaften sind für schwierige Angelegenheiten zu verwenden, aber man kann auch positives Verhalten damit verstärken. Mit ihnen kann Lob ausgesprochen werden.

Wenn man den starken Impuls einer Ich-Botschaft gesendet hat, ist es gut, auf »aktives Zuhören« (siehe Kapitel 4.5) umzuschalten. Der Gesprächspartner soll ermuntert werden, seine eigenen Vorstellungen zu äußern (vgl. Cole 2003:210).

Zusammenfassung

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842689367
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (Mai)
Schlagworte
Praxisanleiter Pflegemanagement & -planung Altenpflege Medizin Pflege

Autor

  • Renate Rogall-Adam (Herausgeber:in)

Renate Rogall-Adam ist Dipl.-Pädagogin, Supervisorin (DGSv) und war Dozentin für Fort- und Weiterbildung, Lehrbeauftragte an der Ev. Fachhochschule Hannover. Hannelore Josuks ist Dipl.-Betriebswirtin, Lehrkraft für Pflege, Manageri im Sozial- und Gesundheitswesen (MSG), KTQ®-Trainerin sowie Dozentin an der Hamburger Universität. Dr. Gottfried Schleinitz war Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig. Dr. Gottfried Adam war Professor für Religionspädagogik an der Universität Wien.
Zurück

Titel: Professionelle Kommunikation in Pflege und Management