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Am Ende meiner Nerven sind noch Kinder übrig

Weniger schimpfen, weniger Chaos und weniger Stress im Familienalltag. Mamahoch2: Endlich entspannter erziehen.

von Sabrina Heinke (Autor:in)
232 Seiten

Zusammenfassung

Morgens diskutieren, mittags hetzen, abends schimpfen? Wenn dir das bekannt vorkommt, hilft nur eins: endlich entspannter erziehen. Mama-Bloggerin Sabrina Heinke liefert superpraktische Tipps, wie dein Alltag als Mutter unkomplizierter, entspannter und harmonischer laufen kann – selbst in nervenaufreibenden Momenten. Der perfekte Erziehungs-Ratgeber für alle Mütter, die nicht ausrasten, sondern ihren Alltag mit Kind und Kegel gelassen angehen wollen. Denn nicht vergessen: Glückliche Kinder haben entspannte Mütter!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


„Und an dem Tag, als ich dich das erste Mal sah, war ich mir sicher, dass du perfekt bist. Ich muss aus dir nichts machen und du musst für mich nichts werden. Du bist bereits genau so richtig. Und mit dieser Erkenntnis verpuffen Strafen in Schall und Rauch, verschwimmen Vorgaben, Druck und Versuche, dich zu formen. All das ist nicht notwendig, wenn ich der Rahmen bin und dich halte, wenn du es brauchst.“

Hier schreibt keine Familientherapeutin, keine Psychologin, keine Pädagogin und auch keine Familienministerin. Ich bin es – eine ganz gewöhnliche und inzwischen recht entspannte Mutter von drei wundervollen Kindern.

Aber von vorn: Ich selbst hatte eine wunderschöne Kindheit mit vielen Freiheiten, einer Menge Vertrauen und frei von Strafen. Ich erinnere mich gerne daran zurück und stellte mir das Zusammenleben mit eigenen Kindern mindestens genauso schön vor, wenn nicht gar als eine Steigerung dessen, wie ich groß geworden bin.

Als ich 2011 zum ersten Mal Mutter wurde, durchlebte ich eine Gefühlsachterbahn. Ich war mir nicht klar darüber, vor welche Herausforderungen mich ein eigenes Kind stellen würde. Mir war auch nicht bewusst, wie sehr es mich verändern würde, und ich ahnte nicht annähernd, welch innige Liebe man für sein eigenes Kind spüren kann. Kurzum: Ich war überwältigt. Überwältigt von meinen Gefühlen und von dieser riesigen Aufgabe, die ich nun als Mutter haben würde und gleichzeitig dieser Macht, die ich in meiner Hand hielt. Vielleicht kannst du dich an den Moment erinnern, als du das erste Mal mit deinem Baby allein warst? Es fühlte sich für mich an, als wären just in dem Moment zwei schwere Steine auf mich gefallen. Auf dem ersten Stein stand: „Deine Verantwortung“ und auf dem zweiten leuchtete in Blinkschrift: „Versaue es nicht!“

Ich verließ das Krankenhaus mit vielen großen Fragezeichen im Kopf und wusste nur eines: Ich wollte die perfekte Mutter für mein Kind sein. Ich wollte alles richtig machen und meinem Kind damit die besten Chancen ermöglichen. Diese Gedanken und Wünsche teilen viele Eltern, und doch ist es aus heutiger Sicht für mich ein naives, unerreichbares Ziel. Perfekt zu sein bedeutet Konkurrenzkampf, Druck und Einbahnstraße.

Nach oben hin gibt es keine Steigerung. Man muss funktionieren, jederzeit und überall, und man fängt an, sich zu vergleichen. Das geht so lange gut, bis das Kartenhaus zusammenfällt und man merkt, dass es eigentlich gar nicht funktioniert und man seine elterliche Macht missbraucht. An diesem Punkt fand ich mich wieder, inmitten von Diskussionen, Unverständnis, täglichen Kämpfen, Schimpfen und Unzufriedenheit und entschied mich, genau das über Bord zu werfen. Mamasein ist kein Wettbewerb. Es ist auch keine Rolle oder nur eine Aufgabe. Es ist ein Teil unseres Lebens und wir haben dafür die Verantwortung. Wer sind wir, wenn wir nicht versuchen, diesen doch beachtlichen Abschnitt so entspannt und friedlich wie möglich für alle zu gestalten?

Ich setzte mir ein großes Ziel: Entspannter werden. Ich wollte verdammt noch einmal aufhören, laut zu werden und die Kinder mit meiner bloßen Willkür zu überfahren. Hierzu musste ich nicht nur meinen Alltag optimieren und meinen Blick auf mein Kind ändern, sondern vor allem auch an meiner Sichtweise arbeiten. In den sozialen Netzwerken habe ich in den letzten Jahren immer wieder über meine Reise berichtet und steckte dadurch einige Nachahmerinnen an.

Wer weiß, vielleicht kann ich auch dich ein wenig inspirieren und dir ein paar Tipps geben, die mir so sehr weitergeholfen haben und auch heute noch täglich Unterstützung bieten.

Dieses Buch soll zeigen, wie der Alltag als Mutter unkomplizierter, ja nahezu entspannt und harmonisch verlaufen kann. Es soll zeigen, welche Lösungen es in noch so nervenaufreibenden Momenten gibt, und es soll dir helfen, den Alltag zwischen Kind und Kegel gelassener anzugehen. Genauso soll es dir aber auch zeigen, dass es okay ist, Mensch zu sein, und dass deswegen auch ein schlechter Tag dazugehören darf.

Ich denke häufig an eine Situation zurück, die nun schon über sieben Jahre zurückliegt. Ich war damals schwanger und sehr gespannt darauf, wie es so sein wird als Mutter.

Als ich bei meinem Frauenarzt im Wartezimmer saß, belauschte ich das Gespräch zweier Frauen, die allem Anschein nach bereits Mütter waren und nun ein weiteres Kind erwarteten. Das Gespräch bezog sich auf das Thema Stillen.

Beide Mütter äußerten sich ziemlich abwertend über alle Damen, die sich nicht dazu entschieden, zu stillen. Hätte ich in dem Moment nicht gewusst, dass eigentlich ganz normale Mütter Gegenstand des Gesprächs waren, so hätte ich von der Beschreibung her wohl eher das Bild eines Kriminellen im Kopfe geformt. Der Grundton war, dass sogenannte Flaschenmütter die Gesundheit des Säuglings gefährdeten. Sie würden die Bindung zum Baby direkt aufs Spiel setzen und wären egoistische Menschen, die nur an sich denken. Es ging weiter über Kaiserschnittmütter, die ebenfalls gar nicht erst Mütter werden dürften, bis man schlussendlich dazu überging, sich über Eltern aufzuregen, die den Kindern nicht von Anfang an „gute Manieren“ beibrächten. Ich saß dort auf meinem Stühlchen und wurde gefühlt von Minute zu Minute ein wenig kleiner. Das Schlimme war: Ich fühlte mich schlecht – hatte ich mir doch gar keine Gedanken dazu gemacht, ob ich überhaupt stillen wollte. Auch wusste ich nicht, wie die Geburt verlaufen würde, und mit der ganzen Erziehungssache hatte ich mich nicht einmal annähernd befasst.

Ich beschloss, mich abzulenken und eine der vielen Zeitschriften zu lesen. Ich wälzte ein paar Seiten und es schrie mich ein Artikel darüber an, warum man dem Baby am besten keinen Schnuller geben sollte. Toll, in nicht einmal einer Stunde war ich gefangen im Gesellschaftsdruck und machte mir ernsthaft Gedanken darüber, was man wohl von einer guten Mutter erwarten würde.

Diese Situation war nur eine von vielen weiteren, die mich in Hinblick auf die eigene Erziehung und das „richtige Mutterbild“ verunsicherten. Ich schwöre: Man kann in Sachen Kinder so ziemlich über alles diskutieren. Es fängt bei der Wahl des richtigen sensitiven Waschmittels an, dreht sich weiter darum, ob es nun besser ist, das Kind im Tuch zu tragen oder im Wagen zu fahren, bis dahin, ob es besser ist, sein Kind in der Schule mit Noten oder Gesichtern zu bewerten. Sicher ist nur eines: Themen, um andere Mütter in ein schlechtes Licht zu rücken, gibt es ausreichend. Die Frage ist also, was man selbst daraus macht.

Wie wichtig bin ich und wie wichtig sind die anderen?

Ich für meinen Fall habe mich besser spät als nie dazu entschieden, auf die Meinung Dritter einfach weniger zu achten. Natürlich höre ich mir Ratschläge an, und ich tausche mich gerne mit anderen Menschen aus, aber ich lasse keinen Gesellschaftsdruck auf mich wirken. Du hast es leichter, wenn du dir bewusst machst, dass Außenstehende deine Familie nicht kennen.

Sie können nur bedingt einschätzen, was für dich und deine Familie das Richtige ist. Keiner von ihnen weiß, wie deine Kinder in bestimmten Situationen reagieren. Keiner dieser Miesmacher wird abends bei dir vorbeikommen, um eine eskalierte Situation aufzulösen. Deine Kinder werden auch nicht zu diesen Müttern gehen und sagen: „Du, der Tipp, den du meiner Mama da gegeben hast, war aber mal richtig doof.“

Du setzt den Grundstein für das fortschreitende Leben deines Kindes, und genau deshalb bist du beziehungsweise seid ihr als Eltern Experten für deine Familie. Ist es nicht ein tolles Gefühl, die ganze Sache einmal aus diesem Blickwinkel zu sehen? Und doch macht es in uns etwas. Wir haben das Gefühl, versagen zu können oder nicht genug zu tun. Ich möchte dir ein Geheimnis verraten: Wir machen uns zu viele Sorgen und wir vertrauen zu wenig. Wir sind zu gestresst und lassen es gar nicht zu, einfach einmal zufrieden zu sein. Mit diesem Buch soll sich das ändern.

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Erkenntnis 1:
Die anderen kochen auch nur mit Wasser

Wenn du das nächste Mal in eine Situation gerätst, die dich zum Schwitzen bringt und das Gefühl des Versagens hochschwappen lässt, dann denke daran, dass alle anderen Eltern auch nur mit Wasser kochen. Es gibt keinen Masterplan für das Zusammenleben als Familie, und ich kann dir hier mit absoluter Sicherheit verraten, dass auch die besten Kinder- und Jugendpsychologen der Welt genau die gleichen Sorgen oder Probleme haben wie du und ich. Sich schlecht zu fühlen, weil das Kind nicht allein einschlafen mag, mit drei Jahren noch in die Windel macht oder mit fünf Jahren den Namen noch nicht schreiben kann, ist nicht nötig.

Genauso solltest du aufhören, dich unter Druck zu setzen, weil du es wieder einmal nicht geschafft hast, die Wohnung in absolute Sterilität zu versetzen oder dich nach der Arbeit erschlagen fühlst und keine Lust hast, Brettspiele zu spielen. Du bist Mama, aber du bist auch Mensch und du darfst unperfekt sein. Den einzigen Menschen, denen du bis zu einem gewissen Punkt gefallen solltest, sind deine Kinder und dein Partner. Sie werden dich nicht daran messen, wie viele Strumpfpaare du in dieser Woche richtig zuordnen konntest.

Erkenntnis 2:
Die Erwartungen von (anderen) Menschen

Jeder Mensch stellt andere Erwartungen an das Leben. Logisch! Denn jeder Mensch hat andere Wünsche, die er sich erfüllen möchte. Genauso stellt jeder von uns andere Erwartungen daran, wie eine Mutter oder ein Vater sein sollte. Ich bin mir sicher, dass das Bild in deinem Kopf ein ganz anderes Bild davon ist, wie ich eine Mutter sehe. Eine Bekannte erzählte mir beispielsweise, dass man von einer guten Mutter erwarte, dass diese sich auch zu jedem Elternabend einfindet.

Es ginge ja schließlich um das Kind, und damit zeige man auch sehr deutlich sein Interesse am eigenen Nachkömmling. Erkennst du das Problem an solchen Erwartungen? Erwartungen sind oberflächlich. Sie sehen nicht, dass es Umstände gibt, die – um beim Beispiel zu bleiben – die Teilnahme am Elternabend verhindern könnten. Da könnten Kinder sein, die beaufsichtigt werden müssen, da könnte es sein, dass Arbeitszeiten querschlagen. Es könnte eine Erkrankung im Wege stehen, und trotzdem sieht meine Bekannte ihr Bild einer guten Mutter zerstört. Die Erwartungen, die sie an eine gute Mutter hat, werden für sie nicht erfüllt. Die Frage ist:

Welches Bild hast du von einer guten Mutter?

Was macht eine gute Mutter für dich aus?

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Erkenntnis 3: Mamasein ist kein Wettkampf

Würde ich ein Mutterbild skizzieren, das meine Erwartungen erfüllt, dann wäre es wohl eine topgestylte, kokette, durchtrainierte, auf den Punkt genaue, immer lächelnde, nie genervte Mutter, die absolut weiß, was richtig und was falsch ist. Das Ding an der Sache ist: Ich bin das nicht. Die Mutter, die ich da skizziere, gibt es schlicht und einfach nicht. Sie gibt es so wenig, wie es ein Richtig und Falsch in Sachen Kindererziehung gibt. Das glaubst du nicht? Dann beantworte dir doch einfach mal die Frage, ob es nun besser ist, seinem Kind zu sagen, dass man am Tisch nicht pupsen darf, oder es pupsen zu lassen und zu ignorieren oder es vom Tisch zu schicken, wenn es pupst. Womöglich legst du dich auf eine der drei Optionen fest oder du findest sogar eine vierte Option. Vielleicht läufst du gerade schon bei dem Gedanken rot an, weil es dich peinlich berührt.

Die Tatsache ist, dass alle Lösungen denkbar wären, weil jeder für sich individuell erzogen wurde und damit seine eigenen Erfahrungen in eine Familie einbringt. Für mich gibt es wenige Situationen, die ich als eindeutig falsch angesetzt definieren würde und genauso wenige, die ich mit absoluter Sicherheit als definitiv richtig abstempeln könnte.

Das Problem liegt darin, dass es in der heutigen Zeit wahnsinnig viele Ansätze gibt, zu erziehen und auch genauso viele Haltungen, die Eltern einnehmen können. Da kann es schon schwer sein, sich zu entscheiden und seinen eigenen Weg zu finden.

Genauso ausgeschlossen ist es deshalb für mich, alles perfekt machen zu können. Elternsein ist nicht messbar, und genau deshalb sollten wir den Perfektionismus hintanstellen und etwas entspannter mit unseren Kindern zusammenleben. Ich will später nicht von meinen Kindern hören, dass ich jederzeit perfekt war und dass ich die Mutter der Mütter bin. Ich will hören, dass ich da war, dass ich es gut gemacht habe und dass ich mir Fehler eingestehen konnte.

Wir sollten verinnerlichen, dass

Muttersein kein Wettkampf ist,

wir aufhören sollten, aus unseren Kindern eine „Pro-Version“ unseres eigenen Selbst zu machen,

wir mit anderen nicht vergleichbar und damit auch nicht ansatzweise messbar sind,

Fehler menschlich sind,

Rabenmütter gute Mütter sind. Raben kümmern sich tatsächlich sehr gut um ihre Nachkommen.

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Erkenntnis 4:
Bestimmter Erziehungsstil = Einbahnstraße

Ich treffe sehr oft auf Mütter, die sich unbedingt einer bestimmten „Riege“ zuordnen wollen. Da gibt es die Unerzogenen, die Bedürfnisorientierten, die Autoritären, die Demokraten, die Antiautoritären und so weiter. Jede für sich glaubt, die eierlegende Wollmilchsau gefunden zu haben, und just erwischt man sich selbst dabei, dass man sich orientierungslos fühlt und fragt: „Wie erziehe ich eigentlich? Welchen Stil verfolge ich?“

Ich habe mir die Mühe gemacht und über alle gängigen Erziehungsstile recherchiert. Für jeden Stil findet man pro und kontra. Auf den ersten Blick wirkt das vielleicht kurios, doch auf den zweiten Blick ist es für mich eine ganz logische Sache: Tatsache ist, dass es die eierlegende Wollmilchsau in Sachen Erziehung (noch?) nicht gibt.

Noch faszinierender ist für mich, dass Männer sich wesentlich weniger mit dem Thema: „Welchen Erziehungsstil wähle ich?“ befassen. Viele der mir bekannten Väter ordnen sich nicht zu, und ihnen ist es auch nicht wichtig, dass ihre Art des Umgangs mit dem Kinde einen bestimmten Namen trägt. Sie tauschen sich auch seltener in Internetforen darüber aus, und sie verbünden sich weniger mit „gleichgesinnten Erziehungsfreunden“. Männer sind gefühlt einfach „Macher“.

Für mich handelt es sich damit vor allem um ein Orientierungsproblem der Frauenwelt. Man könnte fast meinen, man müsste es beim Namen nennen können, um eine Entscheidung zu fällen.

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Das Ergebnis ist in den allermeisten Fällen, dass sich dort einige Aspekte vermischen und man die Antworten wohl keinem eindeutigen Erziehungsstil zuordnen könnte. Ich bin der Überzeugung, dass jede Familie ihr eigenes Modell findet – und so verschieden wie wir und unsere Kinder sind, so unterschiedlich sind die Methoden. Es zeigt, dass man keine Einbahnstraße fährt und dass man die Bereitschaft besitzt, über den Tellerrand hinauszublicken.

Es zeigt, dass man sich individuell auf die unterschiedlichen Charaktere in der Familie einstellt, und es zeigt für mich auch, dass man sich nicht von irgendwelchen Trendbewegungen mitreißen lässt. Erziehung ist für mich ein ständiger Prozess, der sich weiterentwickelt und angepasst wird. Ich sehe meine Art zu erziehen schon lange nicht mehr als eine Methode. Ich habe eine grundlegende Haltung eingenommen, und wir haben gemeinsam als Familie unseren eigenen Weg gefunden.

Erkenntnis 5: Die Schwiegermutter ist auch „nur“ ein Mensch

Mein erster Gedanke, als ich wusste, dass wir einen Sohn erwarten, war der, dass ich irgendwann auch dazugehören würde, zum Club der alten Drachen aka Schwiegermütter. Diese Antipathie gegenüber der eigenen Schwiegermutter ist ein Phänomen, das ganze Generationen verbündet. Man nehme fünf Damen. Mindestens vier dieser Frauen beschreiben die Mutter ihres Liebsten als Monster, welches die Nabelschnur zum Sohnemann noch nicht ganz durchtrennt hat.

Und was für Schandtaten diese Schwiegermütter ins Familienleben bringen: Sie mischen sich in die Erziehung ein, sie bekochen den Sohn, weil er sonst womöglich verhungert. Sie geben Tipps zu den Wandfarben, und sie verziehen die unter Mühe antrainierten Manieren der Kinder.

Ja, mir ging es auch lange Zeit so, dass ich die Mutter meines Mannes in einem dubiosen Licht gesehen habe. Schon wenn sich ihr hoheitlicher Besuch ankündigte, schrillten alle Alarmglocken. Es sollte sauber sein. Es sollte alles harmonisch wirken, und ich wollte auf keinen Fall irgendwelche Angriffspunkte bieten. Diese Inszenierung der perfekten Familie stresste ungemein, und ich war alles andere als eine lockere, liebenswerte Schwiegertochter. Das ging so lange weiter, bis ich mich wirklich einmal ehrlich fragte, warum ich so reagiere. Was sehe ich in Gefahr? Und als ich anfing, sie als Mensch mit Gefühlen zu sehen, erschien sie mir gar nicht mehr so bedrohlich.

Das klingt jetzt ganz furchtbar langweilig, die Schwiegermutter als „Mensch“ anzusehen, aber es entspannt ungemein, wenn man erst einmal die Vorzüge erkennt:

Ein Mensch macht Fehler.

Er sagt manchmal blöde Dinge.

Er kann mitunter schlecht loslassen.

Er liebt seine Kinder, auch wenn sie erwachsen sind, und er will im Prinzip nur das Beste.

Er liebt auch die Kinder seiner Kinder.

Manchmal schießt ein Mensch über das Ziel hinaus und gibt ungefragt seine Meinung ab.

Ein Mensch hat Bedürfnisse und trägt seine eigenen guten und schlechten Erfahrungen in sich.

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Erkenntnis 6: Der Umgang mit Miesmachern

Eines solltest du als Mutter ganz fest im Kopf behalten. Du wirst es nie allen Menschen recht machen können. Es wird immer Befürworter und Gegner deiner Meinung geben. Das ist in Ordnung und gut so. Schwieriger machen es uns die Menschen, die augenscheinlich kein gutes Haar an uns lassen. Ich selbst habe über Jahre hinweg Beziehungen zu Menschen gepflegt, die mir nicht gutgetan haben. Sie haben mich verunsichert oder im schlimmsten Fall sogar für meine Lebensart und Einstellung verurteilt. Ich nenne solche Menschen gerne Minusmenschen. Sie sind das Gegenteil einer Bereicherung: Sie ziehen unserer Lebensqualität etwas ab.

Leider neigt man als Frau dazu, sich Gedanken über Kritik zu machen und sich ernsthaft infrage zu stellen. Grundsätzlich finde ich das nicht schlimm. Es tut gut, auch einmal andere Impulse zu erhalten, aber nicht um jeden Preis. Solltest du Menschen in deinem Umfeld haben, die dich und dein Innerstes runterziehen und dich gefühlt aussaugen, kann ich dir nur raten, dich von ihnen emotional zu lösen. Solche Miesepeter werden dich nicht voranbringen oder dir helfen, wenn es darauf ankommt. Ich bin sogar davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die sich gerne am Gegenüber aufwerten, indem sie es ins schlechte Licht rücken.

Von diesen Müttern gibt es genau genommen zwei Kategorien. Zum einen wären das die Damen, die dir offen ins Gesicht sagen, dass du in ihren Augen der Totalversager schlechthin bist und in jedem zweiten Satz einbauen, dass „es so etwas bei ihren Kindern ja niemals gegeben hätte“, und dann gibt es die Hinter-dem-Rücken-Macherinnen, die sich bei Dritten über dich auslassen. Die erste Variante ist mir eindeutig lieber, auch wenn es arg wehtut.

Leider ist Variante 2 deutlich häufiger vertreten, da uns Frauen das Lästern irgendwie in die Wiege gelegt wird oder zumindest eine Veranlagung dazu. Was auch immer der Grund für Feindseligkeiten sein sollte, nimm es nicht an oder einfach gesagt: Stehe drüber! Mach dich nicht zum Spielball und verhalte dich neutral. Es hilft dir zu erkennen, dass diese Menschen aus einer eigenen Verletzung heraus handeln. Halte den Kontakt zu den Menschen von vornherein oberflächlich, bei denen du ein ungutes Gefühl hast.

Solltest du in die direkte Kritik geraten, hast du zwei Möglichkeiten. Entweder nimmst du deinen ganzen Mut zusammen und formulierst sachlich deinen Standpunkt, oder du nickst nett und gehst und lässt die Miesmacher einfach Miesmacher sein. Ich rate dir davon ab, dich auf lange Diskussionen oder andere Spielchen einzulassen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es reine Zeitverschwendung ist, diesen Minusmenschen entgegenzutreten oder sie bekehren zu wollen. Sie sind augenscheinlich mit sich selbst so unzufrieden, dass sie sich darüber aufwerten müssen, anderen Müttern das Leben zu erschweren. Solchen Menschen musst und solltest du nicht gefallen wollen. Umgib dich mit Menschen, die dir wirklich guttun, deinen Kindern zum Beispiel oder deiner besten Freundin. Umgib dich mit Personen, die konstruktive Kritik üben und dir helfen, dich zu reflektieren.

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Selbstfürsorge hat noch niemandem geschadet

Wenn ein Kind in die Familie kommt, werden die Karten neu gemischt. Paarzeit wird von einer Selbstverständlichkeit zum Highlight.

„Ach, wenn ich nur fünf Arme hätte!“

„Seitdem die Kinder da sind, dreht sich alles um sie. Am Morgen wache ich mit ihren Füßen im Gesicht auf und liege umzingelt von Kuscheltieren. Es geht weiter mit dem Morgenprogramm. Die Kinder müssen in die Kita. Ich muss für uns einkaufen und anschließend hetze ich zur Arbeit. Dort gehe ich gedanklich durch, ob ich an alles gedacht habe. Vielleicht habe ich einen Termin vergessen? Ich ziehe von nun an durch, ohne Pause, sonst schaffe ich es nicht, rechtzeitig im Auto zu sitzen. Nach sechs Stunden Arbeit geht der Marathon los. Mir bleibt eine halbe Stunde, bis ich an der Kita sein muss, um die Kinder wieder abzuholen. Mein Chef knallt mir einen Stapel Papiere auf den Tisch mit dem Hinweis, dass dieser noch diese Woche abzuarbeiten sei. Ich sitze zwischen zwei Stühlen und hetze viel zu spät los. Zu Hause angekommen, schmeiße ich irgendwie den Haushalt, bespaße die Kleinen, bereite das Abendessen vor und organisiere alles für den nächsten Tag. Mein Mann wird stürmisch von den Kindern begrüßt und dann essen wir auch schon. Danach fühle ich mich oft ausgebrannt und bin hundemüde. Deshalb gehe ich oft mit den Kids direkt ins Bett. Paarzeit? Ein Fremdwort bei uns.“

Mutter von Zwillingen (3)

Diese Schilderung ist nicht aus der Luft gegriffen. So oder so ähnlich spielt sich der Tagesablauf vieler Mütter ab. Der komplette Alltag ist durchgeplant bis ins letzte Detail und an den Kindern ausgerichtet. Viele Frauen neigen dazu, sich extrem viel aufzuhalsen. Sie sind Mutter. Sie sind Angestellte. Sie sind Animateurin. Sie sind Taxifahrerin. Sie sind Hausaufgabenbegleitung und Nachhilfe. Sie sind Versorgerin. Sie sind Terminkoordinatorin. Sie sind die Seelsorgerin. Manchmal überkommt einen das Gefühl, dass man in seiner Rolle als Mutter so gefangen ist, dass es für „nur einen selbst oder das Frausein“ gar keine Zeit gibt.

So geht es mir auch hin und wieder. An solchen Tagen finde ich mich abends im Bett und denke darüber nach, ob es in den letzten 18 Stunden überhaupt einmal fünf Minuten Verschnaufpause gegeben hat und ob ich die Möglichkeit hatte, mit meinem Mann drei ganze Sätze zu wechseln. Vielleicht nickst du nun zustimmend und kennst die Situation. Dann klopfe ich dir symbolisch auf die Schulter, sehe dir in deine Augen und muss dir leider sagen: Wir sind selbst schuld.

Den Alltag entschlacken – der Familie zuliebe

Die Wahrheit ist, dass wir Frauen dazu neigen, uns unheimlich viel aufzuladen. Oft fällt uns das „Nein“ einfach schwer und obendrauf kommen die bereits schon erwähnten Vorstellungen davon, was die Gesellschaft angeblich von uns erwartet. In der Tat ist es so, dass Frauen unter sich ungern darüber reden, was sie alles nicht können oder schaffen. Wir lenken den Fokus darauf, wie toll wir sind, was wir mit links leisten und wie gut organisiert wir sind. Die Wahrheit liegt wohl dazwischen. Ja, wir können extrem viel stemmen und wir sind häufig wahre Organisationstalente, aber wir sind mindestens genauso oft auch geschafft vom straffen Tagesprogramm. Wir fühlen uns schlapp, weil der Akku leer zu sein scheint und würden manchmal einfach alles stehen und liegen lassen, wenn da die Kinder und der Haushalt nicht wären.

Leider lädt sich diese Überforderung, Erschöpfung und negative Stimmung oft ohne bösen Willen beim Partner oder den Kindern ab. Wir antworten gereizt, wir werden schneller laut und wir weisen das Gegenüber schneller zurück. Wir schimpfen. All das ist im Einzelfall okay – es passiert einfach, ist aber in der Masse Gift für eine solide Beziehung und enge Bindung in der Familie.

Glücklicherweise ist die Lösung recht einfach: Wir müssen unseren Alltag so entschlacken, dass wieder genug Luft zum Atmen bleibt. Sich selbst zufriedenzustellen, sollte deshalb deutlich mehr Priorität haben, als die Organisationsheldin in 20 Akten zu spielen.

Im Prinzip kannst du ganz einfach herausfinden, welche Bereiche deines Lebens den Akku leersaugen. Gehe gedanklich deinen Alltag durch und konzentriere dich auf die Momente, die dich stressen, dich aus dem Konzept bringen oder dich unheimlich müde machen. Ich habe für mich zum Beispiel herausgefunden, dass ich einkaufen abgrundtief verabscheue und es für mich nichts Schlimmeres gibt, als mit Kindern und einem Einkaufswagen am späten Nachmittag durch diese von Reizen überfüllten Gänge zu laufen. Aus diesem Grund nutzen wir inzwischen regelmäßig den Abholservice des Discounters. Durch diese kleine feine Änderung im Leben habe ich einen deutlichen Stressfaktor faktisch eliminiert und ganz nebenbei wertvolle Lebenszeit mit meiner Familie gewonnen.

In erster Linie kannst du die Änderungen nur anstupsen, wenn du ehrlich zu dir selbst bist und die Bereitschaft besitzt umzulenken. Dank Internet und fortschreitender Technik stehen uns in Hinblick auf den Haushalt mittlerweile viele Alternativen zur Verfügung. Im zwischenmenschlichen Bereich können wir diese weniger nutzen. Dort gilt es, keine Scheu zu haben und zu seinen Gedanken und Gefühlen zu stehen. Hier ein paar Beispiele aus dem Alltag:

Du hasst es, Kleidung im Laden anzuprobieren? Dann bestelle sie dir nach Hause!

Du willst nicht zum Mädelsabend deiner Freundin, weil du viel lieber mit Mann und Kids einen TV-Abend verbringen möchtest? Dann geh nicht hin!

Du kannst den Staubsauger nicht mehr sehen? Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, den Staub einmal zu ignorieren und dafür einen Kaffee zu trinken.

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Ist die Luft schon raus? Findet euch wieder!

Zugegeben ist es mit Kindern gar nicht so einfach, sich als Paar aktive Zeit zu gönnen. Das Baby ist auf der Welt, und plötzlich dreht sich das komplette Leben um diesen süßen, kleinen Menschen. Wo vorher lange, schöne gemeinsame Abende waren, ist nun ein Knirps, der alle drei Stunden aufwacht und nach Nähe schreit. Wo vorher viel Zeit war, um etwas gemeinsam zu unternehmen, wird plötzlich alles um das Kind herum geplant. Kinobesuche? Unmöglich mit Kind. Gemeinsam essen gehen? Ist nicht machbar abends.

Da passiert es schnell und man verliert sich aus den Augen, lebt aneinander vorbei und findet sich kaum wieder. Die oben geschilderte Situation beschreibt ganz gut, wie sich die Paarzeit durch Kinder und Beruf auf ein Minimum verringert, und doch ist aus meiner Sicht eine solide Beziehung zum Partner der Grundstein für eine zufriedene Elternschaft. Und jetzt mal ehrlich: Wäre es nicht schade, wenn man aus Liebe ein Kind bekommt und diese Vertrautheit und Anziehung nach und nach verschwindet, weil man es schlicht vergessen hat, diesem Part Beachtung zu schenken?

Viele Mütter schrieben mir in persönlichen Nachrichten zu diesem Thema immer wieder ähnliche Gedanken: „Aber wenn die Kinder größer sind, wird es wieder besser.“ Ja, vielleicht hat man dann wieder mehr Freiheiten und kann flexibler Zeit zusammen verbringen, aber es ist auch ein wenig Augenwischerei. Wenn die Kinder größer sind, sind einige Jahre vergangen. Womöglich hat man sich bis dahin weiter voneinander entfernt oder gar entfremdet. Das Bedürfnis nach mehr Zeit zu zweit ist jetzt vorhanden und wird, wenn man es missachtet, immer lauter werden. Beziehung funktioniert ohne die Wahrnehmung von Bedürfnissen nicht. Wie sagt Oma so schön? Man muss Beziehung gießen, wie ein Pflänzchen.

Es bedeutet nicht nur Zeit, sondern auch Arbeit. Eine solide Basis mag auch einige Monate Durststrecke verkraften, aber die Hoffnung auf ein Zusammenkommen in ein paar Jahren zu setzen, ist ein ziemlich großes Wagnis mit ungewissem Ausgang. Auch das Argument, dass vonseiten des Partners kein Funken kommt, lasse ich hier nicht gelten. Es gehören zwei dazu, und es liegt an jedem selbst, den ersten Schritt zu tun und somit seine Bedürfnisse zu erfüllen. Es ist schade, dass viele Ehen in die Brüche gehen. Vor allem dann, wenn Kinder im Spiel sind, gibt es meistens einen großen Verlierer und das sind unsere Kinder selbst.

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Zeit zu zweit, allein

Merkwürdigerweise haben wir Mütter häufig ein schlechtes Gewissen dem Kind gegenüber, wenn wir mit dem Partner allein etwas unternehmen oder einen Ausflug nur mit dem Liebsten planen. Unser Gehirn sagt uns fast automatisch, dass wir an einem schönen Erlebnis jemanden nicht teilhaben lassen, der uns so unheimlich wichtig ist. Mir fiel es vor einiger Zeit sogar schwer zu entspannen, wenn ich nur mit meinem Mann unterwegs war. Meine Gedanken kreisten, und ich erwischte mich immer wieder bei den Kindern. Was sie wohl gerade machen? Ob sie uns vermissen? Sind sie traurig? Ob alles gut ist? Irgendwann legte sich dieses Gefühl, als ich merkte, wie gut uns Exklusivzeit tat.

Durch Unternehmungen oder gemeinsame Erlebnisse erhält diese gemeinsame Zeit einen unschätzbaren Wert für die ganze Familie. Es entwickelt sich aus diesen Paarmomenten eine magische kleine Säule im Leben, auf die man bauen kann und die für ein wenig Abwechslung sorgt. Bevor du nun denkst, dass du keinen Babysitter in greifbarer Nähe hast, dein Kind noch viel zu klein ist oder andere Gründe dagegensprechen, kann ich dir verraten: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Glücklicherweise kannst du gemeinsam mit deinem Partner ganz individuell bestimmen, wie eure Premiumzeit aussehen könnte. Man muss dazu nicht einmal das Haus verlassen. Nur ein einziger Fakt spielt eine Rolle: Nimm dir diese Zeit regelmäßig ohne Kinder. Du machst dich glücklich, pflegst deine Beziehung und nicht zuletzt hilfst du damit der ganzen Familie. Noch mehr Gründe für mehr Zeit zu zweit braucht es nicht, oder?

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Das eigene Ich und die Bedürfnisse dahinter

Bei all den Bedürfnissen und Wünschen Dritter stellt sich nun die Frage:

Wie sieht es bei dir aus?

Bist du zufrieden?

Hast du genug Zeit für dich selbst?

Liebst du dich selbst?

Die Fragen mögen banal klingen, aber ich möchte dir verraten, dass Zufriedenheit bei dir anfängt. Unsere Grundgemütseinstellung und Befindlichkeiten schwingen förmlich um uns und senden stumme Signale an unsere Mitmenschen. Es geht nicht darum, jeden Tag der ausgeglichenste Mensch auf Erden zu sein. Du sollst auch nicht in eine Rolle schlüpfen und dein Idealleben spielen. Du sollst du sein (dürfen) und dich dafür lieben. Das schreibt sich so einfach daher und dabei ist es das gar nicht. Wir Frauen finden verdammt viele Gründe, warum wir uns nicht so annehmen können, wie wir sind. Hinzu kommen die eigene Erziehung und Kindheit. Ich bin überzeugt davon, dass unsere eigene Prägung in uns steckt, ob wir wollen oder nicht. So werden uns auch Verhaltensweisen praktisch in die Wiege gelegt, die eher nachteilig sind. Gute Beispiele sind eine niedrige Frustrationstoleranz oder Unsicherheit in Bezug auf unser Handeln. Die Folge ist, dass uns bestimmte Situationen gefühlsmäßig aus der Bahn werfen, ohne dass wir genau sagen können, wieso.

Des Glückes Schmied sein

Ich möchte dir etwas offenbaren, etwas, das eigentlich selbstverständlich ist und doch so elementar wichtig: Wir sind für unser Wohlbefinden selbst verantwortlich. Wir wünschen uns immer, dass unser Partner oder andere Mitmenschen uns an der Nasenspitze ablesen können, welche Gefühle sich gerade in uns regen und wie es uns gerade geht. Auch von unseren Kindern erwarten wir, dass sie uns ansehen können, wann wir den Kanal sprichwörtlich voll haben. Sie sollen im besten Falle unsere Wünsche erahnen und direkt erfüllen, aber so ist das Leben nun mal nicht. Wir streben danach, gesehen zu werden, und wir möchten gehört werden. Es ist unser Bedürfnis und wir haben es in der Hand, dieses zu stillen.

Dafür müssen wir aber etwas tun. Wir können in der Ecke sitzen und darauf hoffen, dass uns jemand wahrnimmt und dass jemand sieht, welche Wünsche und Bedürfnisse wir gerade hegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese erfüllt werden, ist aber wesentlich höher, wenn wir selbst aktiv werden und reden. Wir sind für uns selbst verantwortlich und wir kennen uns am besten. Warum packen wir es dann nicht einfach an? Warum machen wir Frauen unser Glück von anderen abhängig? Warum kümmern wir uns nicht auch einmal nur um uns? Warum machen wir so oft das Gegenteil von dem, was wir eigentlich gerne tun würden?

Die Antworten lauten Rücksichtnahme, Angst und Unsicherheit. Ich will dir nun auf keinen Fall hier raten, die Kinder hintanzustellen und deinen Job zu kündigen. Ich möchte dir vielmehr einen Impuls geben: Glückliche Kinder haben entspannte Mütter. Das geht nur, wenn du ab und an auch an dich denkst und zu deiner Selbstverwirklichung beiträgst.

Natürlich sollte man Rücksicht nehmen und Risiken dabei abwägen, aber es gibt so viele Möglichkeiten, eigene Bedürfnisse zu stillen und diese mit dem Familienleben zu vereinen. Ich selbst finde meine Verwirklichung darin, meinem Hobby nachzugehen, kreativ zu sein und zu schreiben. Dafür lasse ich gerne einmal den Haushalt liegen und freue mich darüber, wenn die Kinder einen schönen Ausflug mit ihren Großeltern machen. Ich möchte weder, dass meine Kinder aus ihrer Kindheit mitnehmen, dass Mütter keine Hobbys haben dürfen, noch will ich, dass sie selbst einmal ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse abschreiben. Ich tanke Kraft aus meinen kleinen Glücksoasen und sie stimmen mich zufrieden. Gleichzeitig bin ich gelassener, habe eine höhere Reizschwelle und bin wesentlich besser gelaunt. Für alle ist es eine unglaubliche Win-win-Situation, außer manchmal für den Haushalt, aber da stehe ich drüber – er hat keine Gefühle.

Wie du dir eigene kleine Glücksoasen schaffen kannst

Triff dich mit Freunden.

Sorge für Partnerzeit, wie oben erwähnt.

Gehe einem Hobby nach.

Bilde dich weiter.

Verwirkliche Pläne, die bisher auf Eis lagen.

Tu deinem Körper und deiner Seele etwas Gutes.

Erfülle dir einen materiellen Wunsch.

Schaffe dir einen eigenen Rückzugsort.

Meine aufgeführten Beispiele zeigen eine grobe Sammlung von Möglichkeiten und Ideen. Sie könnten auch ganz anders aussehen. Was ich dir damit aber verdeutlichen möchte: Es ist gar nicht so schwer, wie du denkst. Im weiteren Verlauf werde ich noch darauf eingehen, wie du im Alltag deutlich Zeit sparen kannst. Vielleicht wäre das der perfekte Moment, diese neu gewonnenen Lücken für deine Selbstverwirklichung zu nutzen?

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Bevor du die kommenden Seiten liest, möchte ich dich in eine Situation mitnehmen. Wenn ich davon erzähle, wie ich früher mit meinen Kindern zusammengelebt habe, dann fällt mir immer wieder ein prägnanter Begriff ein: „Die Machtkampfspirale“. Ich war ein Schreihals und fand es auch noch okay.

Es verging kaum ein Tag ohne Wenn-dann-sonst-Drohungen und einen wörtlichen Schlagabtausch zwischen mir und den Kindern. Ich manipulierte, erpresste und drohte, nur um Konflikten ein schnelles Ende zu setzen.

Heute frage ich mich, warum ich damals das Bedürfnis hatte, immer als „Gewinnerin aus dem Ring zu steigen“. War es das Gefühl, meinem Erziehungsauftrag nur so nachkommen zu können, oder wusste ich mir bei Konflikten wirklich keinen anderen Rat? Vielleicht keimte in mir auch der Gedanke, dass man sie auf diese schonungslose Welt da draußen vorbereiten müsse. Aber sollte meine Erziehung eine Art „Abhärtung“ sein? Wollte ich wirklich, dass sie bei mir – ihrer eigenen Mutter, die sie beschützen sollte – die Härte des Lebens erfahren oder wollte ich viel lieber ein sicherer Hafen sein? Ich zweifelte oft an mir, und je mehr ich mich fragte, was ich denken sollte und was nun der richtige Weg war, desto unsicherer reagierte ich auf die Kinder.

Die Situationen waren verschieden, und doch hatten sie immer ein gleiches Muster: Die Kinder benahmen sich in meinen Augen schlecht. Ich sah meine Verantwortung darin, dieses „schlecht“ beim Namen zu nennen und das Kind zu einem für mich angebrachteren Verhalten zu erziehen. Blöderweise fiel mir damals nichts anderes ein, als unlogische Sätze zu sagen, wie „Wenn du jetzt nicht dein Zimmer aufräumst, dann komme ich mit dem Müllsack“ oder auch „Wenn du jetzt nicht mitmachst, dann bringe ich dich mit dem Schlafanzug in den Kindergarten“. Ich weiß, dass diese Methoden zunächst funktionieren, aber genauso gut weiß ich auch, dass immer wieder neue Steigerungen aufgefahren werden müssen.

Und so passiert etwas, das wir eigentlich vermeiden wollen. Das mühevoll geknüpfte Band, welches wir in den ersten Monaten zu unseren Kindern aufgebaut haben, fängt an, sich zu lockern. Wir entfernen uns. Ich hatte den einen großen Wunsch, respektvoll mit meinen Kindern zusammenleben zu können und legte zeitgleich respektloses Verhalten an den Tag. Ich bewirkte genau das Gegenteil.

Es war Zeit, umzudenken. Je mehr ich mich damit auseinandersetzte, warum viele Situationen kippten und unser Alltag unter Spannungen litt, desto mehr erkannte ich, dass die eigene Verantwortung eine große Rolle spielt. Noch heute frage ich mich in vielen Situationen, wo meine Verantwortung liegt und gleichzeitig die meines Kindes.

Rückblickend erkannte ich, dass ich in vielen Situationen zu spät deeskalierend wirkte. Ich wusste, dass die Kinder abends müde und geschafft waren, und doch rutschten wir Tag für Tag in einen Zwist, wenn es ums Zähneputzen ging. Es wäre meine Verantwortung gewesen, den Rahmen zu ändern und Alternativen oder Kompromisse zu schaffen. Die Kinder waren müde und dementsprechend oft überdreht, und statt mich zusammenzureißen und für meine Anspannung andere Kanäle zu suchen (auch das liegt in unserer Verantwortung), ließ ich es nach gewisser Zeit an den Kindern aus, indem ich unfair wurde und meckerte.

Ich erwartete von den Kindern, dass sie vernünftiger und angepasster reagierten als ich zu dieser Zeit. Ich empfand ihre Launen als Angriff gegen mich. Mit keiner Silbe dachte ich daran, dass sie aber nur auf die Umstände und meine Ungerechtigkeit antworteten.

Und weißt du, was das Verrückte ist? Ich habe mich ihnen gegenüber so oft ungerecht verhalten, und trotzdem stellten sie mich niemals infrage. Ich hingegen tat das schon: Ich wollte sie verändern. Es ist auch einfacher, die Kinder zu formen, als an sich selbst zu arbeiten. Dabei ist das „An-sich-selbst-Arbeiten“ der entscheidende Punkt.

Was tun, wenn man von der eigenen Erziehung genervt ist?

Egal ob einkaufen, Kinderzimmer aufräumen, Badezimmermomente oder das Essen. Es gab so viele Momente, die die Stimmung kippten. Sie waren von Anspannung gekennzeichnet, häufig gab es Tränen, Wut, Angst und Enttäuschung. Wie auch immer sie aussahen: Sie leerten meinen Akku spürbar. Es musste sich etwas ändern, und wenn ich ein wenig vorgreifen darf: Die Änderung fing bei mir selbst an. Ich wollte nicht mehr diese Mutter sein, die permanent wie eine Furie austickt und beim kleinsten Anlass die Nerven verliert. Ich wollte gelassener sein und vor allem nicht mehr ständig darüber nachdenken, was ich mir als Nächstes wohl einfallen lasse, wenn die Kinder wieder einmal nicht hören. Das war zu meinem Entsetzen wirklich oft der Fall. Ich spulte Situationen im Kopf ab und legte mir „Erziehungsstrategien“ vorab zurecht.

Ich selbst wurde als Kind nicht bestraft und wuchs mit wenig Regeln auf. Gerade deshalb hätte ich es doch besser wissen müssen, und trotzdem bemerkte ich, wie ich in diese Wenn-dann-sonst-Strafen ab und an mit Anlauf reintapste. Das sollte ein Ende haben.

MEIN TIPP: NOBODY IS PERFECT, SELBSTKRITISCHE BETRACHTUNG SCHADET ABER AUCH NICHT

Ich möchte an dieser Stelle nochmals betonen: Keiner ist perfekt. Wir alle machen Fehler, und das ist gut und richtig so. Dennoch bin ich mir sicher, dass ein Blick hinter die Fassade niemals schadet und eine entspannte Beziehung zum Kind einer der Grundsteine für ein zufriedenes Zusammenleben ist.

Säule 1: Wir sind Vorbild und wir haben die Verantwortung

Ein Satz, den ich mir heute immer wieder in den schlimmsten Situationen vorbete, ist: Wir sind das Vorbild unserer Kinder, und nicht das Kind, sondern wir Eltern tragen die Verantwortung. Es ist mein Mantra, und ich bringe mich mit diesem einen Satz relativ schnell wieder in die komfortable Lage, dass ich Stressmomente mit einem klaren Kopf überblicken kann und dementsprechend angepasst reagiere.

Wir denken so sehr darüber nach, wie wir unsere Sprösslinge am besten erziehen und wie sie die besten Chancen bekommen, aber vergessen dabei oftmals, dass wir es eigentlich nur vorleben müssten. Kinder kommen gut zur Welt. Ich gehe von diesem Standpunkt aus, weil es keinerlei Gegenbeweise gibt und der entgegengesetzte Gedanke schlicht absurd wäre. Sie sind gut. Auch wenn sie in unseren Augen gerade die schlimmste Trotzphase aller Zeiten durchleben, sind sie gute Menschen. Sie möchten uns niemals Böses, und sie wünschen sich einfach nur, dass wir sie so lieben, wie sie sind. Kein Kind der Welt heckt aus purer Lust und Laune Intrigen gegen seine Eltern aus.

Sie schauen vom ersten Tag an zu uns auf, ob wir es möchten oder nicht, und sehen in uns ihr Vorbild. Vielleicht erinnerst du dich selbst daran, als du ein Kind warst? Ich habe damals Erwachsene geradezu heldenhaft eingestuft. Ich dachte, sie könnten alles, wenn sie nur wollen, und wären zu allem fähig. Wenn du dich einmal darauf konzentrierst, wie deine Kinder sich verhalten und auch in Konfliktmomenten agieren, dann wird dir auffallen, wie viele Verhaltensmuster sich unsere Kinder bei uns abschauen. Wir haben die Verantwortung.

Ich habe für mich den Schluss daraus gezogen, dass es mit dem Mysterium Erziehung getreu nach dem Motto läuft: „Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus“. Ich lege den Blick inzwischen wesentlich mehr auf die Lebensart von uns Erwachsenen als Eltern als darauf, wie sich unsere Kinder gerade benehmen und ob sie meine Erwartungen just in einem Moment erfüllen. Diese Erkenntnis ist bei mir über Monate hinweg Stück für Stück gewachsen, und auch heute befinde ich mich in einem stetigen Entwicklungsprozess. Ich bin weit davon entfernt, eine perfekte Mutter zu sein. Ich habe nicht einmal den Anspruch, diese zu sein.

Ich will als fehlbarer Mensch wahrgenommen werden. Genauso wie ich mir Fehler erlaube, so erlaube ich sie im Umkehrschluss meinen Kindern. Ich will sein und nicht 24/7 funktionieren. Trotzdem ist es mir wichtig, meine Impulse, Gedanken und Reaktionen immer wieder zu hinterfragen und mich daran gemessen weiterzuent wickeln. So banal es auch klingen mag: Ich bin der Ansicht, dass wir vor diese ganzen Erziehungsmaßnahmen, Benimmregeln und wie sie alle heißen vor allem unser eigenes Verhalten stellen sollten.

Säule 2: Raus aus der Machtkampfspirale

Wenn wir uns in Konflikten befinden, fangen wir meist an, mit unseren Kindern zu kämpfen. Wir als ältere, klügere und erfahrenere Erwachsene (so sah ich mich früher sehr häufig) positionieren uns dabei meist eindrucksvoll mit Drohungen, Erpressungen oder anderen Schikanen. Unsere Sätze sind gebrandmarkt mit „Du bist …“ oder „Du sollst …“. In vielen Situationen folgt ein filmreifer Schlagabtausch mit Bewertungen des Gegenübers. Ich habe mich früher nicht davor gescheut, die Macht der Worte zu benutzen und mein Kind sozusagen verbal zu ohrfeigen. Ich nutzte sogenannte Bannbotschaften, wie: „Du bist garstig“ oder „Mit dir will keiner spielen, wenn du so bist“, um meinen Willen durchzusetzen.

Soll ich dir verraten, wer in diesem Moment das garstige Kind war? Ich selbst. Ich habe meine eigenen Emotionen und Gedanken einfach ungefiltert herausblubbern lassen und dachte nicht eine Sekunde daran, wie solche Sätze ankommen. Stell dir vor, du sitzt mit deinem Kind am Tisch und es fängt an, dir zu drohen: „Wenn du jetzt nicht das machst, was ich möchte, dann gehst du direkt auf dein Zimmer.“ Du würdest ungläubig schauen, oder? Die Steigerung wäre, wenn dein Kind dir sagt: „Du bist eine schlechte Mutter. Du bist ein garstiger Mensch.“ Wie fühlt sich das an? Es würde dich treffen, habe ich recht? Warum zur Hölle knallen wir dann unseren Kindern solche unüberlegten Sätze an den Kopf?

Ich kenne meine Antwort darauf. In unseren Köpfen hat sich festgesetzt, dass wir als Gewinner „aus dem Ring steigen müssen“, um unser Ziel zu erreichen. So passiert es schnell, dass wir unsere Verantwortung auf das Kind übertragen. Man könnte es sich so vorstellen: „Auch wenn ich weiß, dass es einen Grund hat, dass du nicht gehorchst, ist mir das egal. Ich mach das jetzt zu deinem Problem, damit ich mich damit nicht mehr beschäftigen muss. Geh auf dein Zimmer.“ Klingt absurd? Genau das tun wir jedoch in der Realität als Eltern sehr oft.

Wir gehen schon gar nicht mehr davon aus, dass unsere Kinder unseren Bitten oder Aufforderungen ohne verbalen Schlagabtausch nachkommen, und so nimmt die Konfliktsituation ihren Lauf. Zudem sehen wir uns als überlegen an und wiegen uns in der Sicherheit, dass wir die Macht haben. Unsere Kinder haben jedoch auch Bedürfnisse und möchten ihren Standpunkt aufzeigen. Mitunter möchten sie sogar das „Gesehenwerden“ durch Protest erzwingen.

So was endet fast immer gleich in einer Machtkampfspirale. Die Lage spitzt sich weiter und weiter zu, bis schlussendlich beide Seiten verloren haben.

Viel zu oft spielen wir unsere elterliche Macht leichtfertig aus und vergessen dabei, dass

Machtspiele uns vom Kind entfernen.

Machtspiele Misstrauen schaffen.

Machtspiele dich müde machen.

Machtspiele deine Energie erfordern, und zwar in einem wesentlich höherem Maß als Kompromisse.

Machtspiele keine positiven Eigenschaften haben.

Machtspiele keinen Gewinner hervorbringen, sondern zwei Verlierer.

Machtspiele verletzen.

Machtspiele zu einem Verbindungsabbruch führen.

Säule 3: Konflikte familiengerecht lösen

Mir hat es irgendwann gereicht, als ich merkte, wie unglücklich solche Momente mich und meine Kinder stimmten. Natürlich kann man Auseinandersetzungen nicht gänzlich verhindern und wir sind alle Menschen, aber es ist durchaus möglich, sie unterschiedlich zu handhaben. Solltest du dich das nächste Mal in einer Situation wiederfinden, in der du am liebsten direkt losschimpfen würdest und dir Worte wie: „DU, wenn, sonst“ in den Sinn kommen, dann habe ich einen perfekten Tipp: Hole Luft. Damit verhinderst du ein impulsives Handeln. Überlege dir, bevor du lossprichst, was du möchtest. Ich stelle mir gerne folgende Fragen:

Was ist mein Ziel? Was möchte ich gerade wirklich?

Was soll oder muss mein Kind dafür tun?

Warum ist es mir so wichtig? Oder ist es vielleicht doch nicht so wichtig?

Welches Ziel verfolgt mein Kind? Was ist ihm gerade wichtig?

Gibt es einen Treffpunkt unserer Interessen? Wäre ein Kompromiss denkbar, sodass wir beide glücklich sind?

Warum wirft mich die Situation überhaupt so aus der Bahn?

Würde ich genauso auch bei meinem Partner agieren?

Ich gehe davon aus, dass du vermitteln möchtest, dass deine Kinder nicht weniger oder mehr wert sind als du selbst. Keiner ist besser, keiner ist schlechter, keiner ist der Verlierer und keiner der Gewinner. Im besten Falle seid ihr also ein Team, bei dem du liebevoll die Führung übernimmst.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich heutzutage viele Situationen aus der Bahn bringen, die ich als Kind erlebt habe. Meine Mutter hat nicht mit Strafen agiert, aber sie war zum Beispiel schnell gestresst und ich habe es wahrgenommen. Diese Eigenschaft hat sich auf mich übertragen. Ich kann Stress überhaupt nicht leiden und bin in solchen Momenten wenig belastbar. Das ist allerdings kein Grund, meinen Kindern meine eigene Baustelle und somit die Verantwortung für meine Probleme zu übertragen.

4 Schritte, um gelassener in Konflikten zu reagieren

Schritt 1 ist, seine eigenen Schwachpunkte oder negativen Charakterzüge zu kennen. Allein diese Erkenntnis hilft mir, Konflikten in Stressmomenten besser zu begegnen. Ich weiß, dass ich genervt bin und mit mir gerade nicht gut Kirschen essen ist. Schritt 1 ist somit, sich seiner eigenen Schwächen bewusst zu werden.

Schritt 2 ist, Bedürfnisse zu sehen. Wie oben beschrieben, ist es wichtig, in sich hineinzuhören, was man will. Sich zu fragen, was wichtig ist, und genau das dann auch aussprechen zu dürfen. Doch auch die Bedürfnisse des Kindes spielen eine Rolle. Warum will es sich nicht anziehen? Will es vielleicht Nähe und wäre es eine Lösung, wenn ich das übernehme? Das Bedürfnis ist nicht die Sache, um die sich ein Konflikt bewegt, sondern das Gefühl, das dahintersteht. Wenn ein Kind zum Beispiel seine Zähne nicht allein putzen will, dann ist nicht das Bedürfnis „Unhygiene“. Es gilt herauszufinden, warum es das gerade nicht machen möchte. Fühlt es sich vielleicht erschöpft oder möchte es gerne Nähe spüren?

Schritt 3 ist die Bereitschaft, Kompromisse zu finden. Ich verstehe bis heute nicht, was so schlimm daran sein soll, mit seinen Kindern Kompromisse einzugehen. Wovor haben Eltern Angst? Mir fällt wirklich kein einleuchtender Grund ein. Mit einem Kompromiss signalisiere ich meinem Kind, dass ich es sehe und sein Bedürfnis wahrnehme. Mein Kind nähert sich mir mit genau der gleichen Botschaft. „Ich sehe, was dir wichtig ist, und deshalb finden wir eine Lösung, die den Wünschen und Zielen von uns beiden gerecht wird.“ Sollte es sich um unverhandelbare Punkte handeln, dann signalisiere ein „Nein“ und begründe es gerne auch, wenn erforderlich. Versuche aber, nicht wieder in die Machtkampfspirale hineinzurutschen. Oft höre ich hierauf das Argument, dass es sich doch dann ellenlang in die Länge zieht, wenn ich auf die Extrawünsche eingehe. Ich entgegne dann gerne, dass sich auch ein Machtkampf mit Schlagabtausch genauso in die Länge zieht.

Schritt 4 ist, sich immer klarzumachen, dass Kinder keine bösen Absichten haben. Sie nehmen sich nicht vor, uns morgen einmal „richtig fertigzumachen“. Leider legen wir es oft so aus, als wäre dies der Fall. Diese Annahme ist purer Nonsens. Hier gilt es realistisch und sachlich zu bleiben.

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Säule 4: Umgang mit Regeln, Grenzen, Konsequenzen und Strafen

Ich denke, wir sind uns einig, dass es in jeder Familie einen gewissen Rahmen braucht und jedes Mitglied ganz eigene Wünsche und Bedürfnisse mitbringt. Es ist wichtig, dass man sich gegenseitigen Freiraum gewährt und gleichzeitig die Grenzen des anderen nicht überschreitet. Ich bin deshalb zu der festen Ansicht gekommen, dass Regeln einzig und allein im Sinne aller aufgestellt werden sollten oder zum Schutze einzelner oder mehrerer Lebewesen. Ich schreibe hier bewusst Lebewesen, weil ich beispielsweise auch die Gewalt an Tieren nicht gutheiße. So wie wir Regeln im Großen für das Allgemeinwohl aufstellen (etwa im Straßenverkehr oder im Arbeitsleben), so sollten sie auch im Kleinen in einer Familie ihre Funktion haben und für Klein und Groß gleichermaßen gelten.

Ziel ist es, Bedürfnisse und Wünsche mehrerer Personen zu vereinen und das ausschließlich im positiven Sinne. Damit stellen Regeln einen verbindlichen Kompromiss dar, der das Zusammenleben zwischen Partnern und Kindern vereinfachen soll. Mir erscheint es logisch, dass ich den Kindern keine Regeln auferlege, die ich selbst unter keinen Umständen einhalten würde. Ich bin heute erstaunt darüber, welche Sachen ich früher einforderte, für die ich mir selbst postwendend den Freifahrtschein erteilte. Ich verbot den Kindern früher zum Beispiel den Nachtisch, wenn sie nicht aufgegessen hatten. Für mich selbst machte ich gerne Ausnahmen und naschte, nachdem die Kinder im Bett waren, hier und da ein wenig Schokolade. Natürlich hatte ich auch nicht aufgegessen, aber mich sah ja keiner dabei.

Die Tatsache, dass ich mich durch meine Heimlichtuerei ein wenig selbst belog und meine Regel unlogisch war, ignorierte ich gekonnt. Erst später erkannte ich, dass ich doch gar nicht wissen konnte, wann die Kinder wirklich satt sind. Zudem handelte ich genauso schlau wie sie und ließ Platz für den Nachtisch. Statt einfach keinen Nachtisch mehr zu kaufen oder eben diese Regel fallen zu lassen, weil sie ohnehin jeglicher Logik entbehrte, schimpfte ich viel lieber. Heute halten wir die Kinder dazu an, zuerst die gesünderen Sachen zu probieren. Es ist sozusagen eine Regel. Aufessen muss hier keiner, und es liegt in meiner Verantwortung, die Ernährung der Kinder durch mein Vorleben und gezieltes Einkaufen ausgewogen zu halten. Ich kann nicht von einem Vierjährigen erwarten, dass er den Schokoriegel links liegen lässt und sich lieber der Gurke widmet. Würde die Regel nun gebrochen, indem mein Kind direkt zum Nachtisch greift, sehe ich trotzdem keinerlei Legitimation für Methoden wie Strafen oder Wenn-dann-sonst-Drohungen. Ich habe jedoch die Möglichkeit, meinem Kind zu sagen, warum ich etwas für wichtig halte und kann daraufhin Kompromisse eingehen. Genauso könnte ich durch meinen bewussten Einkauf direkt dafür sorgen, dass gesunde Produkte im Alltag überwiegen.

Regeln und Grenzen – kurz auf einen Blick

Regeln sollten nicht an Strafen geknüpft werden. („Wenn du dich nicht an die Abmachung hältst, bekommst du TV-Verbot“).

Sie gelten für alle Familienmitglieder gleich.

Es sollten nur wenige Regeln eingeführt werden, um nicht zu überfordern.

Regeln spiegeln Bedürfnisse und Wünsche aller wider und werden zu einem Kompromiss zusammengefasst.

Regeln sind verhandelbar.

Regeln sind in jeder Familie individuell.

Der Übergang von Regeln und Grenzen ist schwimmend.

Du kannst nicht voraussetzen, dass dein Kind deine Werte automatisch übernimmt und gut findet. Deshalb ist es wichtig, dass du dem Kind vermittelst, warum dir etwas wichtig ist und ihr zusammen Regeln findet.

Regeln sind meiner Meinung nach in vielen Fällen sogar überflüssig.

Regeln und Grenzen sind zum Schutze des Kindes oder der Mitmenschen sinnvoll, jedoch nicht, um egoistische Interessen besser verwirklichen zu können.

Persönliche Grenzen sollten von keinem Mitglied überschritten werden (zum Beispiel hauen oder spucken).

Regeln sind nicht dafür da, Probleme zu lösen.

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Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869106625
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Kinder-Erziehung Kinder erziehen Elternratgeber Familienleben Alltag mit Kind Alltags-Bewältigung

Autor

  • Sabrina Heinke (Autor:in)

Sabrina Heinke betreibt mit Mamahoch2 einen der beliebtesten Mama-Blogs Deutschlands. Ihre Tipps rund um eine entspannte Erziehung und ein kreatives Familienleben begeistern mittlerweile hunderttausende Eltern. Als dreifache Mutter weiß sie: Um dem Alltags-Stress als Mama zu entkommen, muss man die Erziehung entspannter angehen, den Blick aufs Kind ändern und vor allem an der eigenen Sichtweise arbeiten.
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Titel: Am Ende meiner Nerven sind noch Kinder übrig