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Redeangst überwinden

Gelassen und sicher präsentieren. Von Redeangst zu Redespaß

von Uwe Hampel (Autor:in)
192 Seiten

Zusammenfassung

Macht Ihnen der Gedanke, vor vielen Menschen zu sprechen, Angst? Dann ist Coach Uwe Hampel der richtige für Sie: Denn die Angst, vor Leuten zu reden, lässt sich auflösen. Und das schneller als viele es für möglich halten. Der Ratgeber setzt dort an, wo die Angst entsteht: Unbewusste Muster müssen erkannt und können dann mit einem mentalen Übungsprogramm, das Uwe Hampel seit vielen Jahren erfolgreich anwendet, in positive „umprogrammiert“ werden: Eine Lernerfahrung, die unter die Haut geht. So ist es möglich, dass Menschen mit Redeangst in Zukunft sogar Freude empfinden, wenn sie eine Rede halten.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Liebe Leserinnen und Leser,

wenn wir auf die Welt kommen, sind wir mit allem ausgestattet, was wir benötigen, um uns zu einem erwachsenen Menschen zu entwickeln. Ein Säugling wächst heran, erweitert Schritt für Schritt seinen Radius, erobert sich seine Welt und lernt in ihr. Dies geschieht hauptsächlich durch Nachahmung. Der wichtigste Reifungsprozess zeigt sich darin, dass das Gelernte angewendet wird, um eine neue Herausforderung zu bewältigen.

Wir erschaffen unsere eigene Wahrnehmung in den ersten sechs Lebensjahren so rasant wie in keiner der folgenden Lebensphasen. Unsere natürliche Neugierde und Wissbegierde sorgt dafür, dass wir immer mehr lernen, mehr wissen wollen.

Unsere Eltern sind unsere ersten Lebenslehrer. Als Kleinkind schreiben wir ihnen Allwissenheit zu. Ebenso etwas später der Grundschullehrerin, danach oftmals noch Lehrern oder dem ersten Chef oder Ausbilder. Je mehr wir aus unserer Kindheit erwachsen, desto bewusster werden wir uns selbst und unserer Wirkung auf andere und stellen früher oder später fest: Alle anderen sind eigentlich auch nur so schlau wie ich selbst.

Mit diesem Bewusstsein, so sollte man meinen, stünden dem sich selbst bewussten Erwachsenen alle Türen offen, das zu tun, was er gerne tun möchte. Sich dort einzubringen, wo er seinen eigenen Platz im Leben sieht, die Aufgaben zu meistern, denen er sich widmen möchte. Beispielsweise eine wie auch immer geartete Führungsposition einzunehmen oder vor einem Auditorium einen Vortrag zu halten, sei es vor 3 oder 30 oder 300 Zuhörern.

Warum erschaffen wir nun in dieser Phase die Redeangst? Warum hindern wir uns selbst, das zu tun, worin wir unsere Aufgabe sehen? Warum hindern wir uns selbst, unser Wirkungsspektrum zu erweitern? In der Auseinandersetzung mit diesen Fragen gibt es, wie so oft im Leben, zwei Möglichkeiten:

Die erste ist das Nichtstun. Das Arrangieren mit der Angst. Oftmals ist dieser Selbstschutz erkennbar an unserer Wortwahl: „Das ist halt so bei mir, das kann ich eben nicht.“

Die zweite Möglichkeit ist die Suche nach einem Werkzeug, das uns dazu ermächtigt, diese Frage nach der Selbstsabotage individuell zu beantworten.

Wenn wir die zweite Möglichkeit wählen, finden wir die Antwort auf unsere Frage nach der Selbstsabotage weder in Ratgebern, die uns bestimmte Verhaltensweisen beschreiben, noch in dem Vorbild, dem wir nachzueifern versuchen. Sondern sie liegt in uns selbst, wir allein können sie finden.

Im vorliegenden Werk berichtet Uwe Hampel von seiner Arbeit als „geistiger Werkzeugmacher“. Wenn Sie bereits den Mut hatten, die Angst nicht nur zu erkennen, sondern auch anzunehmen, dann können Sie jetzt Ihr Werkzeug bauen und eine spannende Reise zu sich selbst erleben. Seien Sie gespannt, wie entspannt Sie bei Reden werden können. Freuen Sie sich darüber, zu erkennen, dass Ihre alten Muster notwendige Wegweiser waren, um neue Wege zu beschreiten.

Ich selbst bin vor einem Jahr diesen Weg gegangen, an dessen Anfang Sie vermutlich derzeit stehen. Ich hatte eine Aufgabe übernommen, von der ich wusste, dass ich in ihrer Ausübung mit meiner Redeangst konfrontiert werde. Ich habe diese Aufgabe als Zeichen für mich gesetzt, mich der Angst zu stellen, ihr auf den Grund zu gehen.

In Uwe Hampel fand ich einen hochkompetenten, sensiblen und versierten Supervisor, der es verstand, sich geschickt und gezielt auf meine Geschichte einzulassen. Der es verstand, mir meine Angst sichtbar und spürbar zu machen und mich nachhaltig lehrte, meine geistigen Werkzeuge zu bauen, zu gebrauchen und meiner Angst zu begegnen. Diese Werkzeuge sind mir heute wertvolle Begleiter und immer wieder auch Initiatoren neuer Kreativität und geistiger Freiheit. Ich habe auf der spannenden Reise zu mir selbst viele meiner Facetten neu kennen und schätzen gelernt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude auf Ihrer Reise!

Dr. rer. nat. Melanie Rickert-Föhring

Stell dir das mal vor!

In der Brain Technology Holding AG wird ein neues Projekt gestartet. In diesem Projekt geht es um eine neue, revolutionäre Art in der Synapsen-Verbindungstechnologie. Ein großes Team von fünfundvierzig Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten soll unter der Leitung von Dr. Freddy Wüstenfeld das Projekt vorantreiben. Heute findet im großen Veranstaltungsraum der Firmenzentrale in Frankfurt am Main eine erste Präsentation vor dem Vorstand und einigen ausgewählten Investoren statt. Einige Vertreter vom Bankenkonsortium, das die langfristige Finanzierung übernehmen soll, sind ebenfalls anwesend. Und natürlich die fünfundvierzig Experten. Die meisten von ihnen sind extra aus dem Ausland an gereist, denn die Firma hat in fünfundzwanzig Ländern der Welt Niederlassungen und Forschungslabore.

Als Leiter des Projekts ist Dr. Freddy Wüstenfeld für die Durchführung der heutigen Veranstaltung zuständig. Er wird den Anwesenden die neue Technologie vorstellen. Ganz besonders wichtig ist es, die Vertreter der Banken von dieser zukunftsweisenden Speichertechnologie zu begeistern, weil die Finanzierung noch nicht in trockenen Tüchern ist. Dr. Wüstenfeld muss es heute unbedingt schaffen. Der Vorstand bekommt von den Bankern der Firma keine zweite Chance. Außerdem schläft die Konkurrenz nicht. Um sich große Marktanteile zu sichern, muss man der erste am Markt sein. Das wissen alle Anwesenden. Für das Bankenkonsortium ist das ein wichtiger Faktor, der bei der Beurteilung für einen Kredit in dieser Größenordnung eine sehr große Rolle spielt: Es geht um einen Kreditrahmen über 1 Milliarde Euro.

Der Vorstand setzt alles auf eine Karte: Dr. Freddy Wüstenfeld hat heute seinen großen Auftritt. Jeder aus der Chefetage schenkt ihm das allergrößte Vertrauen. Und das mit dem „Vertrauen schenken“ ist eine sehr große Ausnahme. In der Chefetage spricht man nicht so gern über Gefühle. Das klingt zu esoterisch. Schließlich geht es um Zahlen, Daten, Fakten. Man spricht die Sprache der Rationalisierer. (Anmerkung des Autors: Vertrauen ist ein Gefühl, das im limbischen System entsteht. Vorstände sind normalerweise eher im frontalen Kortex unterwegs, also dort, wo das analytische und rationale Denken zu Hause ist. – Sie werden später noch erfahren, was ich mit diesem Hinweis meine. Lassen Sie sich überraschen.)

Inzwischen ist fast jeder Stuhl im Raum besetzt und die Zuhörer warten neugierig und gespannt auf den Vortrag von Dr. Wüstenfeld. Eine junge Frau verlässt noch einmal ihren Stuhl und drückt den quietschenden Fenstergriff eines Fensters herunter, um es zu schließen. Der Straßenlärm der vorbeifahrenden Autos klingt jetzt gedämpft. Die Welt muss für eine Weile draußen warten. Denn ab jetzt dreht sich die Welt um das große Projekt des Konzerns und natürlich um den Projektleiter, den Star des heutigen Tages. In dem großen Raum wird es immer ruhiger. Die Gespräche werden leiser und verstummen schließlich ganz. Jemand hustet in die Stille.

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz begrüßt alle Anwesenden und spricht darüber, wie es zu dem Projekt gekommen ist, und was die erfolgreiche Durchführung für das Unternehmen bedeutet. Nach fünfzehn endlosen Minuten hat er seine staubtrockene Ansprache abgeschlossen. Die ersten gähnen bereits. Prof. Dr. Dr. Dr. Moritz gehört zu dem extrem detailorientierten Persönlichkeitstypus. Wenn er Vorträge hält, fallen alle innovativen Gehirne in eine Trance, weil sie die vielen Detailinformationen nicht miteinander verknüpfen können.

Der Vorstandsvorsitzende bittet nun seinen Projektleiter nach vorne. Freddy Wüstenfeld erhebt sich, geht langsam zum Rednerpult und wird nun gleich mit der Präsentation des Projektes beginnen. In diesem Moment genießt er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Menschen in dem großen Raum.

Dr. Freddy Wüstenfeld genießt die Aufmerksamkeit aller Menschen im Raum? Nein! Freddy leidet unter Redeangst. Er hat nur einen einzigen Wunsch: den Raum zu verlassen. Jetzt spürt er wieder diesen bekannten Druck in seiner Brust. Er zwingt sich, wie immer in solchen Situationen, das Richtige zu sagen. Was aber ist überhaupt das Richtige? Und was wäre falsch? Mit welchen Worten fängt man an? Er kann sich nicht mehr auf den Inhalt seiner Präsentation konzentrieren. „Was“, fragt sich Freddy aufgeregt, „wenn ich jetzt keinen Ton mehr herausbekomme?“ Und während er versucht, sich auf seine Sätze zu konzentrieren, kriecht die nächste Frage in sein Bewusstsein: „Was, wenn ich jetzt das Wesentliche vergesse, oder wenn ich die Dinge nicht auf den Punkt bringen kann?“ Mit der nächsten Frage, die sich Freddy Wüstenfeld stellt, gerät er vollständig aus dem Konzept: „Was, wenn ich meine Zuhörer weder überzeugen noch informieren kann? Die Anwesenden können bestimmt sehen, wie meine Hände zittern. Jetzt geht das schon wieder los. Ich werde ganz rot im Gesicht und meine Knie fangen auch langsam an, weich zu werden.“

Und da ist er wieder, der Tunnelblick. Freddys Wahrnehmung wird so stark eingeschränkt, dass sein Gehirn auf die Fragen aus der ersten Reihe nicht mehr reagieren kann: „Herr Dr. Wüstenfeld, geht es Ihnen gut? Was haben Sie? Können wir etwas für Sie tun?“ Seine innere Anspannung beherrscht ihn in einem Ausmaß, wie er es aus der Vergangenheit gewohnt ist. Er nennt diesen Zustand liebevoll „meine Hasenstarre“. Als Jäger kennt er das Naturphänomen bei Beutetieren: den Totstellreflex. Das Beutetier stellt sich tot, damit es vom Raubtier „übersehen wird“. Aas ist schließlich unter der Würde des hungernden Löwen.

Die sorgfältig vorbereitete Präsentation ist verschwunden und Freddy Wüstenfeld fühlt sich, als hätten seine Worte einen Weg durch das soeben geschlossene Fenster gefunden. Hinaus in die Welt, die um so vieles einfacher zu ertragen ist als die Welt in diesem großen Veranstaltungsraum, in dem Freddy nichts mehr zu präsentieren hat. Die Erwartung der Zuhörer ist in seiner Welt zu einer unerträglichen Bewertung über sich selbst geworden. Das Milliarden-Dollar-Baby kommt ins Wanken.

Diese Eigenbewertungen sind für Dr. Freddy Wüstenfeld in den vergangenen Monaten seiner Tätigkeit als Projektleiter ein vertrautes Szenario geworden. Immer wieder malte er sich bereits im Vorfeld ganz bestimmte Horrorszenen bei seinen Präsentationen aus. Freddy kennt bereits jedes Detail seiner Katastrophen-Vorstellungen so genau, dass er ohne Schwierigkeiten ein Drehbuch für sein Versagen schreiben könnte.

Angefangen hat das alles nach einer langen, sehr stressigen Phase. Sechzig-Stunden-Wochen im Büro und auch am Wochenende blieb er oft in seinem Forschungslabor. Er wollte unbedingt den Durchbruch schaffen. Obwohl er ganz genau wusste, dass die Zeit für die erste Stufe des Projektes viel zu kurz bemessen war. Am Anfang bekam er nicht genug Unterstützung und wollte sich nicht eingestehen, dass er sich bereits mitten in einem Erschöpfungszustand befand. Es ging mit dem Projekt nicht so schnell voran, wie er es dem Vorstand versprochen hatte. Und jetzt wollte er nicht zugeben, dass er ohne zusätzliche Manpower das Zeitfenster nicht einhalten konnte. So etwas machen echte Kerle nicht. Sich selbst einen Fehler eingestehen – unmöglich für Dr. Wüstenfeld, der den Perfektionismus erfunden haben könnte. Aber leider ist ihm Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz zuvor gekommen.

Seine Frau hat sich von ihm getrennt. Sie konnte seine ständige schlechte Laune nicht mehr ertragen. Selbst wenn sie mal Gäste hatten, was selten genug vorkam, konnte sich ihr Mann nicht von seinem Computer trennen. Freddy lebte nur noch für sein Projekt und die Firma. Sex hatten die beiden seit zwei Jahren nicht mehr gehabt. Frau Wüstenfeld hatte zwar einen Mann, lebte aber trotzdem allein. Beim letzten Klassentreffen hat sie sich in ihren alten Schulfreund verliebt und eine Affäre mit ihm begonnen. Frau Wüstenfeld beschloss, mit den Kindern einfach auszuziehen. Damit sich Freddy ganz auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Das wäre für ihn die beste Option, dachte sie und bemerkte, dass sie schon wieder in seiner Sprache dachte. Die beste Option: was für eine dämliche Manager-Scheiße.

So entstand die Redeangst von Dr. Wüstenfeld

Bei einer internen Projekt-Präsentation sollten die Teammitglieder den Entwicklungsstand ihrer jeweiligen Bereiche vorstellen. Dr. Wüstenfeld war als letzter eingeplant. Er sollte eine Abschlusspräsentation über seine Forschungserkenntnisse durchführen. Die letzten beiden Wochen hatte er durchgearbeitet und er fühlte sich an dem Tag überhaupt nicht gut. Aber ein echter Mann muss das aushalten, dachte er. Wie immer, wenn es ihm körperlich nicht so gut ging. Was in letzter Zeit häufiger vorkam. Die letzte Nacht hatte er kaum geschlafen und die meiste Zeit wach im Bett gelegen und gegrübelt. Als Dr. Freddy Wüstenfeld mit seiner Präsentation an der Reihe war, bekam er in dem Augenblick, als er aufstand, um nach vorn zum Beamer zu gehen, eine Panikattacke. Sein Herz raste, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und seine Hände fingen an zu zittern. Er konnte seine Umgebung nur noch wie durch einen Tunnel blickend wahrnehmen. Kurz bevor er die Leinwand erreichte, musste er sich bei einem Kollegen abstützen: Black out. Eine Hauptsicherung in seinem Gehirn löste das Notfallprogramm aus. Der Betriebsarzt wurde geholt und für Dr. Wüstenfeld war für heute Feierabend. Eine Woche Zwangsurlaub, von seinem Hausarzt verordnet, mit der Empfehlung, die Ruhephase auf sechs Wochen zu verlängern. Die Diagnose seines Arztes lautete: chronisches Erschöpfungssyndrom.

Nach diesem Erlebnis entwickelte Dr. Wüstenfeld in vergleichbaren Präsentations-Situationen dieselben körperlichen Symptome wie bei seiner Abschlusspräsentation, als bei ihm die „Hauptsicherung“ das Notfallprogramm ausgelöst hatte. Die körperlichen Symptome wurden stärker und Dr. Wüstenfeld fing an, sich vor ihnen zu fürchten. Und dann bekam er Angst davor, dass die Angst kommen könnte. Schließlich ist er ja ein echter Kerl. Und echte Kerle haben doch keine Angst, nicht wahr?

Bei Dr. Freddy Wüstenfeld entstand jetzt eine Redeangst-Symptomatik. Hervorgerufen wurde sie durch das Erlebnis während seiner Abschlusspräsentation. Allerdings war der wesentliche Punkt das Erschöpfungssyndrom, das durch das Unterdrücken eines Bedürfnisses entstanden ist.

Jetzt stell dir das mal vor!

In der Brain Technology Holding AG wird ein neues Projekt gestartet. In diesem Projekt geht es um eine neue revolutionäre Art in der Synapsen-Verbindungstechnologie. Ein großes Team von fünfundvierzig Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten soll unter der Leitung von Dr. Freddy Wüstenfeld das Projekt vorantreiben. Heute findet im großen Veranstaltungsraum der Firmenzentrale in Frankfurt am Main eine erste Präsentation vor dem Vorstand und einigen ausgewählten Investoren statt. Einige Vertreter vom Bankenkonsortium, das die langfristige Finanzierung übernehmen soll, sind ebenfalls anwesend. Und natürlich die fünfundvierzig Experten. Die meisten von ihnen sind extra aus dem Ausland an gereist, denn die Firma hat in fünfundzwanzig Ländern der Welt Niederlassungen und Forschungslabore.

Als Leiter des Projekts ist Dr. Freddy Wüstenfeld für die Durchführung der heutigen Veranstaltung zuständig. Er wird den Anwesenden die neue Technologie vorstellen. Ganz besonders wichtig ist es, die Vertreter der Banken von dieser zukunftsweisenden Speichertechnologie zu begeistern, weil die Finanzierung noch nicht in trockenen Tüchern ist. Dr. Wüstenfeld muss es heute unbedingt schaffen. Der Vorstand bekommt von den Bankern der Firma keine zweite Chance. Außerdem schläft die Konkurrenz nicht. Um sich große Marktanteile zu sichern, muss man der erste am Markt sein. Das wissen alle Anwesenden. Für das Bankenkonsortium ist das ein wichtiger Faktor, der bei der Beurteilung für einen Kredit in dieser Größenordnung eine sehr große Rolle spielt: Es geht um einen Kreditrahmen über 1 Milliarde Euro.

Der Vorstand setzt alles auf eine Karte: Dr. Freddy Wüstenfeld hat heute seinen großen Auftritt. Jeder aus der Chefetage schenkt ihm das allergrößte Vertrauen. Und das mit dem „Vertrauen schenken“ ist ein wichtiger Aspekt in der Firmenphilosophie. In der Chefetage spricht man sehr oft über emotionale Dinge. Schließlich geht es nicht nur um Zahlen, Daten, Fakten. Man spricht die „Sprache“ der emotionalen Intelligenz. Das ist eine Sprache, in der sich Fühlen und Denken in Einklang befinden.

Diese, für viele Menschen noch unbekannte Sprache hatten sie vor einigen Jahren in der Chefetage eingeführt. Das Ziel war damals, die intrinsische Motivation aller Mitarbeiter und Führungskräfte zu fördern. Der Kommunikationscoach Uwe Hampel hatte einen interessanten, zukunftsweisenden Ansatz vorgestellt und bekam den Zuschlag für das Projekt „Intrinsische Motivation“. Seitdem hat sich in dem Unternehmen extrem viel verändert. Der Krankenstand in der Belegschaft ging um 50 Prozent zurück. Es gab keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der wegen eines Erschöpfungssyndroms längere Zeit ausfiel. Gleichzeitig stieg der Umsatz in allen Segmenten des Unternehmens. Die Mitarbeiter konnten sich nach der Einführung des Projekts das erste Mal mit dem Unternehmen identifizieren. Das machte sich nicht nur in der Produktion, sondern auch im Vertrieb und in der Entwicklung bemerkbar. Herr Hampel hatte mit seiner Strategie recht behalten: In einem System fördern Identität und Zugehörigkeit die intrinsische Motivation aller Akteure. Und nicht nur der individuelle Zustand einzelner Beteiligter ist von Bedeutung, sondern besonders bedeutsam sind die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen ihnen. Die Beziehungen sind es, die den größten Anteil des Stresses am Arbeitsplatz verursachen.

Aber zurück zur Veranstaltung. Inzwischen ist fast jeder Stuhl im Raum besetzt und die Zuhörer warten neugierig und gespannt auf den Vortrag von Dr. Wüstenfeld. Eine junge Frau verlässt noch einmal ihren Stuhl und drückt den quietschenden Fenstergriff eines Fensters herunter, um es zu schließen. Der Straßenlärm der vorbeifahrenden Autos klingt jetzt gedämpft. Die Welt muss für eine Weile draußen warten. Denn ab jetzt dreht sich die Welt um das große Projekt des Konzerns und natürlich um den Projektleiter. Im großen Veranstaltungsraum wird es immer ruhiger. Die Gespräche werden leiser und verstummen schließlich ganz. Jemand hustet in die Stille.

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Dr. Dr. Peter Moritz begrüßt alle Anwesenden und hält eine emotionale Ansprache darüber, wie es zu dem Projekt gekommen ist, und was die erfolgreiche Durchführung für das Unternehmen bedeutet. Nach fünfzehn Minuten hat er seine Ansprache abgeschlossen und bittet nun seinen Projektleiter, mit der Präsentation zu beginnen. Freddy Wüstenfeld erhebt sich, geht langsam auf die Bühne zum Rednerpult und wird nun gleich das Projekt präsentieren. In diesem Moment genießt er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Menschen in dem Raum.

Dr. Wüstenfeld genießt es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Er liebt das Gefühl, das entsteht, wenn er in sein Fachgebiet eintaucht und Menschen an seinen Gedanken teilhaben lässt. Wenn er seine Ideen präsentiert, spüren die Zuhörer, dass er für sein Thema und seine Vision „brennt“ und nicht „ausbrennt“, wie in der ersten Version dieser kleinen Geschichte. Seine Begeisterung für das, was er tut, überträgt sich auf die Anwesenden. Es gibt ihm ein sehr intensives Gefühl von Zugehörigkeit zu den Menschen, die vergleichbare Ziele verfolgen.

Auch dieses Mal schafft er es, die Investoren und die Vertreter des Bankenkonsortiums auf seine Seite zu holen. Die Finanzierung und die Zukunft des Projektes sind gesichert. Der Vorstand beglückwünscht den Projektleiter.

Aber jetzt geht es erst einmal mit der Ehefrau in einen Kurzurlaub nach Heiligendamm. Man wohnt im Grand Hotel. Selbstverständlich auf Firmenkosten.

Dr. Wüstenfeld hat Redespaß

Freddy Wüstenfeld hatte diese bahnbrechende Idee mit viel Potenzial für das gesamte Unternehmen, aber auch mit positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft. Er wollte unbedingt den Durchbruch schaffen. Freddy wusste ganz genau, dass die Zeit für die erste Stufe des Projektes viel zu kurz bemessen war. Am Anfang bekam er nicht genug Unterstützung und bemerkte, dass er es alleine niemals schaffen würde. Sein Körper gab ihm eindeutige Signale, die er immer sehr ernst nahm. Es ging mit dem Projekt nicht so schnell voran, wie er es dem Vorstand damals versprochen hatte. Sehr oft besprach er die Situation mit seiner Ehefrau. Das tat er immer, weil er wusste, dass er solche Dinge nicht alleine mit sich selbst ausmachen sollte.

Er überzeugte den Vorstand, dass er ohne zusätzliche Manpower das Zeitfenster nicht einhalten konnte und bekam die nötigen Mittel dazu genehmigt.

In dem Firmenprojekt „Intrinsische Motivation“ lernte er, wie er sich selbst motivieren und begeistern kann. Denn Begeisterung kann er nur transportieren, wenn er selbst von dem, was er tut, überzeugt und begeistert ist. Nur wenn er seine Botschaft auf allen Sinneskanälen kongruent kommuniziert, wenn seine Körpersprache und seine Mimik mit dem, was er sagt, übereinstimmen, kann er authentisch begeistern. Wenn er wirklich selbst an das glaubt, was er in seiner Botschaft unverschlüsselt kommuniziert, überträgt sich seine authentische Begeisterung auf andere Menschen. Und mit seinem emotionalen Auftritt ist ihm dies auch gelungen.

Welches Verhalten von Dr. Freddy Wüstenfeld ist nützlich? Das aus der ersten Variante der Geschichte? Oder das Verhalten aus der zweiten Variante? Welches Verhalten von Dr. Freddy Wüstenfeld ist weniger nützlich?

Was Sie über Angst wissen sollten

Angst ist gut und schlecht

In unterschiedlicher Ausprägung hat jeder Mensch in seinem Leben Angst bereits mehrfach erlebt. Nicht nur als Kind. Auch als Erwachsener können wir durchaus in Situationen geraten, die uns Angst machen. Grundsätzlich ist Angst nicht nur etwas Negatives. Sie lässt sich aber nur sehr schwer allgemeingültig definieren. Beschreiben lässt sich das Phänomen Angst wohl am einfachsten als ein unangenehmes Gefühl von Bedrohung.

„Nicht die Dinge an sich beunruhigen den Menschen, sondern seine Sicht der Dinge.“

Epiktet, griechischer Philosoph, 50–138 n. Chr.

Die Angst – und ebenso die Schreckreaktion – erfüllt bei Mensch und Tier eine wichtige Funktion. Bei Neugeborenen zeigt der Moro-Greifreflex eine automatische Anklammerung bei Gefahr und zugleich eine angeborene Angst vor dem Fallen, die sehr sinnvoll ist. Angst wird als eine natürliche Reaktion auf gefährliche Situationen empfunden.

Ohne Angst würden wir riskante Situationen nicht erkennen und ständig in Gefahr schweben. Stellen Sie sich vor, Sie hätten mit Ihrem Auto auf der A2 zwischen Bad Nenndorf und Rehren eine Panne und wären gezwungen, auf dem Seitenstreifen stehen zu bleiben. Sie müssten auf den Abschleppdienst warten, und zwar auf einem Autobahnabschnitt, auf dem deutschlandweit die meisten Unfälle passieren. Dies ist auf der A2 von Osten kommend der erste Abschnitt mit einem Gefälle und man sollte nicht davon ausgehen, dass die vielen Autofahrer mit überhöhter Geschwindigkeit ihre Fahrzeuge wirklich unter Kontrolle haben. Angst wäre hier durchaus angebracht.

Auch müssten wir unter Umständen materielle Verluste hinnehmen, wenn wir mangels Angst unüberlegte oder riskante Dinge tun. Wenn Sie zum Beispiel vor dem Hauptbahnhof einer Großstadt Ihr Auto parken, weil Sie jemanden am Gleis abholen wollen, ist es weniger nützlich, die Fenster offen zu lassen, Brieftasche und Smartphone auf den Beifahrersitz zu legen und sich dann auf den Weg zum Bahngleis zu machen. Auch wenn es sehr warm sein sollte. Ein wenig Angst an dieser Stelle würde Sie vermutlich vor einem Verlust von Brieftasche und Smartphone bewahren.

Ebenso sollte man als unerfahrener Tourist in tropischen Wäldern Angst vor spontanen Ausflügen ohne einen erfahrenen Führer haben. Sie können nicht wirklich wissen, was genau Sie im Dschungel erwartet.

Die natürliche Angst hat also eine sehr wichtige Aufgabe für unsere Gesundheit und unser Leben. Eine gewisse Angst vor materiellen Verlusten kann ebenfalls durchaus hilfreich sein.

Die Aufgaben der Angst

Die Angst soll schlummernde Kräfte (Ressourcen) aktivieren und eine bestehende oder drohende Gefahr beseitigen. Wenn die Gefahr vorbei ist, soll die Angst wieder verschwinden. In diesem Kontext ist Angst für die Stärkung unserer körperlichen und seelischen Abwehrfunktionen zuständig.

Angst hilft uns auch dabei, wachsam zu sein und auf uns oder andere aufzupassen. Haben Sie Kinder? Dann kennen Sie sicher das Gefühl, wenn Sie allein mit einem Kleinkind oder mit zwei oder drei kleinen Kindern an einer Hauptverkehrsstraße spazieren gehen und die kleinen Bälger anfangen zu rennen. In entgegengesetzte Richtungen. Wer da keine Angst bekommt, muss ein unendliches Vertrauen in unseren Straßenverkehr besitzen. Oder ihm sind die Hormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin ausgegangen, die im Körper Stress produzieren.

Wenn Angst krank macht

Angst kann allerdings auch das Gegenteil von einer hilfreichen, natürlichen Schutzfunktion sein. Zuviel davon kann unsere geistigen und körperlichen Funktionen lähmen. Neben der gesunden Angst, die uns umsichtig mit unserer Gesundheit und unserem Leben umgehen lässt, gibt es noch andere Formen von Angst. Treten Angstsymptome grundlos auf, handelt es sich um pathologische Angst, die sich zu einem psychopathologischen Symptom mit Krankheitswert – zu einer Angststörung – entwickeln kann.

Angst kann zum einen bei eindeutig definierten und objektiv betrachtet ungefährlichen Situationen oder Objekten auftreten. Beispiele sind Angst vor Spinnen, Flugangst, Angst vor dem Autofahren, Höhenangst, Angst vor Spritzen, Angst vor dem Zahnarzt, Angst davor, dass der Alkohol in einem Shampoo in die Blutbahn gelangen könnte usw. Zum Teil kann diese Art der Angst sehr massiv sein und sich sogar bis zu einer Panik entwickeln.

Zum anderen kann Angst auch ohne äußeren Anlass entstehen. Bei einer generalisierten Angststörung haben die Betroffenen eine generalisierte und anhaltende Angst, die nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt oder besonders betont ist, sondern diffus und mal mehr oder weniger stark. Bei dieser Form der Angststörung werden Befürchtungen geäußert, man selbst oder ein Angehöriger könnte demnächst erkranken oder verunglücken. Auch eine große Anzahl anderer Sorgen und Vorahnungen sind symptomatisch für dieses Krankheitsbild.

Treten starke Ängste grundlos und plötzlich auf, handelt es sich um eine Panikstörung. Das wesentliche Kennzeichen einer Panikstörung sind wiederkehrende schwere Angstattacken, die sich nicht auf eine spezifische Situation oder besondere Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Einer Panikattacke folgt meist die ständige Furcht vor einer erneuten Attacke. Panikattacken können auch im Zusammenhang mit einer Redeangst auftreten.

Von psychopathologischer Bedeutung kann allerdings ein Mangel an Angst oder das völlige Fehlen von Angst sein. Zum Beispiel bei der Hypophobie oder im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen.

Kurze Geschichte der Angst

Der Begriff Angst leitet sich ab von den lateinischen Ausdrücken für Enge (angor, angustus). Erst ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde Angst systematisch untersucht.

1871 beschreibt Carl Westphal ausführlich die Agoraphobie. 1880 werden von dem Amerikaner Beard eine Vielzahl von Beschwerden als „Neurasthenie“ beschrieben, die heute am ehesten den Angsterkrankungen zugeordnet werden können. Um 1900 schlug Sigmund Freud vor, von dem Krankheitsbild „Neurasthenie“ eine eigenständige „Angstneurose“ abzugrenzen.

In den 1950er-Jahren wurden die ersten Antidepressiva und Anxiolytika entwickelt und das Interesse an einer genaueren Beschreibung der Angstsymptomatik nahm zu. In den modernen Klassifikationssystemen DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und ICD-10 (International Classification of Diseases) werden erstmals genaue Kriterien von Angsterkrankungen beschrieben.

Genauso komplex wie das Auftreten und subjektive Erleben von Angst sind die wissenschaftlichen theoretischen Überlegungen, Ansätze und Modelle für ihre Entstehung. Im Vordergrund stehen im Wesentlichen lerntheoretische und psychodynamische Erklärungsmodelle, auf die ich nicht eingehen möchte, weil es den Rahmen dieses Buches sprengen würde. In der letzten Zeit hat auch die Kenntnis über neurobiologische, also organische Faktoren deutlich zugenommen. Das heißt mit anderen Worten: Sowohl normale als auch pathologische Ängste sind immer ein körperliches und ein seelisches Phänomen. Beide Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden.

Der Teufelskreis der Angst

Bei Menschen, die an Redeangst leiden, hat sich in der Regel ein Teufelskreis der Angst herausgebildet. Zwar funktioniert der Teufelskreis von Mensch zu Mensch verschieden, es gibt jedoch wichtige Gemeinsamkeiten. Der Angstkreis dient als theoretisches Modell, um zu erklären, wie die Angst ausgelöst und dann aufrechterhalten wird. Das Modell berücksichtigt körperliche Symptome, körperliche Veränderungen, Wahrnehmung, Gedanken und Angst.

Wenn Erwartungsangst, Katastrophengedanken und diverse körperliche und andere Angstmerkmale einsetzen, kann ein Angstkreislauf ausgelöst werden. Der Auslöser für die Angst ist oftmals nur eine einzige Komponente. Grundsätzlich kann der Angstkreis von verschiedenen Faktoren ausgelöst werden, zum Beispiel durch einen Fernsehbericht über schwere Krankheiten oder einen Überfall, aber auch durch eigene Gedanken an etwas Angstauslösendes. Die Wahrnehmung von körperlichen Veränderungen und von vermeintlich bedrohlichen Situationen wie das Präsentieren vor Gruppen können ebenfalls den Angstkreis auslösen.

Ein Beispiel für den Rede-Angstkreis

Peter Wolkenstein soll in der Firma, in der er als Abteilungsleiter angestellt ist, in sechs Wochen vor der gesamten Belegschaft ein wichtiges Projekt vorstellen. Das Projekt wurde von der Geschäftsführung entwickelt und soll in der Abteilung von Peter Wolkenstein eine neue Struktur schaffen. Wegen seiner Präsentation hat Peter jetzt schon schlaflose Nächte. Als er eines Nachts wieder einmal stundenlang über seinen bevorstehenden Auftritt grübelt, spürt er, wie sein Herz schneller zu schlagen beginnt. Er hat das Gefühl, nicht mehr richtig durchatmen zu können und wird ängstlich. Er stellt sich vor, wie er gleich nach Luft schnappen muss und dabei in Ohnmacht fällt. Peter nimmt seine körperlichen Symptome wahr und bewertet sie: „Wenn ich meine Präsentation halte, wird etwas Schreckliches passieren“, denkt er. Seine Gedanken erzeugen Angst, und in seinem Körper werden durch die Angst- und Stressreaktion weitere körperliche Veränderungen ausgelöst, wodurch die körperlichen Symptome noch intensiver werden. Peter wird schwindelig. Sein Körper fängt an zu schwitzen. Die Gedanken in seinem Gehirn rasen und verwirren ihn. Peter bekommt jetzt Angst, die Kontrolle und seinen Verstand vollständig zu verlieren. Sein Herz schlägt noch schneller und er spürt Schmerzen in seiner Brust. Peter nimmt dies wahr und bewertet diese Symptome als erst recht gefährlich, weil seine Befürchtungen, dass die körperlichen Symptome stärker werden, sich bestätigt haben. Das Ganze schaukelt sich jetzt hoch. Peter wird noch ängstlicher und denkt: „Dieses Gefühl wird nie vergehen, und niemand kann mir helfen, wahrscheinlich werde ich jetzt sterben.“

Das Beispiel macht deutlich, dass körperliche Symptome der Angst deutlich stärker werden, wenn man sich auf sie fokussiert. Da Peter für seine körperlichen Symptome die bevorstehende Präsentation verantwortlich macht, interpretiert er sie als gefährlich und wird ängstlich. Und je ängstlicher Peter wird, umso stärker werden die körperlichen Symptome.

Betroffene, die starke Angstzustände wie zum Beispiel Panikattacken kennen, werden sehr empfindlich und sensibel. Sie können sehr viel schneller als vor ihren Angstattacken selbst kleinste körperliche Veränderungen wahrnehmen und bewerten diese dann meistens sofort. Und sie achten verstärkt auf körperliche Symptome. Dabei bewerten sie – meist unbewusst – immer häufiger auch ganz normale körperliche Beschwerden als besonders gefährlich und setzen so einen Teufelskreis in Gang.

Die Angst, vor anderen zu sprechen

Sprechangst wird als eine Störung des „normalen“ Sprechens einer gesunden Person angesehen und kann durchaus als berechtigte Angst erscheinen. Sie unterscheidet sich damit von der Logophobie, die als krankhaft übersteigerte, situationsunangemessene Angst definiert ist. Sehr häufig werden die Begriffe Sprechangst und Logophobie gleichgesetzt. Aber nur bei der Logophobie handelt es sich um eine tatsächliche Krankheit.

Bei der Sprechangst, um die es hier geht, handelt sich also um die Angst, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von anderen Menschen zu stehen, und die Angst, einen Fehler zu machen und sich vor anderen Menschen zu blamieren. Sprechangst ist damit ohne die Anwesenheit anderer Menschen nicht möglich.

Man geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent aller Menschen nervöser sind als andere, wenn sie vor großem Publikum sprechen, oder ausgeprägte Angst beim öffentlichen Sprechen haben.

Lampenfeber

Sprechangst hat wenig mit dem klassischen Lampenfieber zu tun. Lampenfieber kann sehr hilfreich sein, da es wie ein Adrenalinstoß vor dem Vortrag oder Auftritt wirkt, die Konzentration steigert und die Sinne schärft. In der richtigen Dosis machen uns Stresshormone wach und konzentriert. Ein erhöhter Adrenalinspiegel ist tatsächlich dabei hilfreich, einen guten Auftritt hinzulegen oder eine mitreißende Präsentation zu halten. Ab einem bestimmten Grad kann aber auch Lampenfieber pathologisch werden. Nämlich dann, wenn die Angst so stark wird, dass Betroffene ihre Auftritte nicht mehr absolvieren können – sei es nun vor großem Publikum oder in kleiner Runde.

Sprechangst ist Redeangst und Kommunikationsangst

Bei der Sprechangst geht es nicht darum, was einer sagt, sondern wie er sich dabei fühlt. Sprechangst bezeichnet Ängste, die beim Sprechen vor und mit anderen Personen auftreten können. Sie wird als Redeangst vor Publikum und als Kommunikationsangst bzw. -befangenheit definiert. Bei spezifischer Redeangst stehen der öffentliche Charakter des Sprechens und der Leistungsaspekt im Vordergrund. Eine potenzielle Bewertung des Sprechers durch die Zuhörer ist möglich. Ist generell Sprechen in sozialen Interaktionen mit Befürchtungen des Versagens verbunden, handelt es sich um Kommunikationsangst.

Sprechangst kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Sie kann leichtes bis starkes Lampenfieber umfassen, aber auch als Symptom panikartiger Sozialangst auftreten. Häufige negative Erfahrungen können soziales Vermeidungsverhalten verstärken und die Entwicklung einer pathologischen Sozialen Phobie begünstigen. Redeangst wird dann als Sprechphobie einem spezifischen Subtyp zugeordnet. Unterscheiden muss man dann den generalisierten Subtyp, der auch viele soziale Interaktionen beinhaltet, zum Beispiel auch Ängste bei nonverbalen Verhalten.

Redeangst kann bei Menschen, die einen Vortrag oder eine Präsentation halten möchten, zu einer vollkommenen Blockade führen. Klienten berichten mir, dass sie beispielsweise in der Kneipe Freunden eine Geschichte erzählen können, jedoch Tage oder sogar Wochen vor einem fachlichen Vortrag in Panik geraten, weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen und sich zu blamieren.

Starke Sprechangst macht sich bei Betroffenen durch die Beeinflussung von Stimme, Atmung, Redefluss oder Mimik bemerkbar.

Typische Symptome von Sprechangst

Zu den körperlichen Symptomen gehören:

Schwitzen, Erröten, Zittern, Stottern

Magenkrämpfe, Durchfall, Bauchschmerzen

Herzrasen

Zu den psychischen Symptomen gehören Gedanken wie:

Ich werde mich lächerlich machen und blamieren

Ich werde einen Fehler machen

Alle werden mich auslachen

Alle werden etwas Schlechtes von mir denken

Ich werde nicht ankommen

Ich werde keinen Ton herausbringen

Ich werde stottern, zittern oder rot werden

Ich werde nicht ernst genommen

Ich werde nur langweiliges oder seltsames Zeug daherreden

Die körperlichen und psychischen Symptome können sich oftmals bis zu einer Panikattacke steigern. Die Betroffenen sind nicht in der Lage, die Angst und vor allem die „Gefahren“ der Redesituation realistisch zu betrachten und ihre Angst zu kontrollieren. Auf der Verstandesebene wissen sie, dass sie nicht in Gefahr sind, können aber trotzdem nichts gegen die körperlichen Symptome und ihre Angst tun. Die Furcht vor dem Versagen wiegt schwerer. Sie kann übermächtig werden und ihr gesamtes Leben bestimmen. Sehr häufig werden berufliche Nachteile ebenso hingenommen wie Einschränkungen im Privatleben. Ich hatte eine Klientin, die ihre gesamte berufliche Entwicklung wegen ihrer Redeangst aufgeben musste. Das Paradoxe daran: Sie war rhetorisch extrem gut und liebte es, sich schön auszudrücken.

Sprechangst tritt sehr oft ganz unabhängig von den jeweiligen Rahmenbedingungen auf. Betroffene müssen nicht erst einen Vortrag vor einem großen Publikum halten, bereits Anlässe wie Konferenzen, Teambesprechungen oder Elternabende reichen aus.

Ursachen für die Entstehung von Redeangst

Die Mutter aller Ängste: die Angst vor Ablehnung

Erlebnisse in der Kindheit und Jugend prägen jeden Menschen. Eine der großen Urängste der menschlichen Psyche ist die Angst vor Ablehnung. So können traumatische Erfahrungen, die ein Kind als Ablehnung empfunden hat, die Ursache für die Angst vor dem Reden sein. Zum Beispiel könnte ein misslungenes Referat in der Schule, bei dem die Mitschüler gelacht haben oder das der Lehrer schlecht bewertet hat, ein Auslöser für eine Sprechangst sein. Aus der Sicht eines erwachsenen Menschen mag es lächerlich klingen, dass ein solches Erlebnis zu etwas Lebensbestimmenden wie Redeangst führen kann. Doch für ein Kind ist es nicht ein lächerliches Erlebnis, sondern möglicherweise ein traumatisches.

Ein weiteres Erklärungsmodell für die Entstehung von Redeangst geht davon aus, dass das Kind von wichtigen Bezugspersonen nicht genügend wahrgenommen und wertgeschätzt wurde: Das Kind fühlt sich zum Beispiel nicht ernstgenommen, weil die Eltern ständig die Augen verdrehen, lachen oder sich gestört fühlen und das auch zeigen, wenn es etwas Wichtiges zu erzählen hat.

Es können aber auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, wie übertriebener Perfektionismus, dazu führen, dass Betroffene eine Angst davor entwickeln, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen: Die eigene Angst vor Aufmerksamkeit wird von den Betroffenen dann oftmals – meist unbewusst – negativ bewertet. Indem sie sich mit anderen Personen vergleichen, die nicht nur besser reden können, sondern dabei auch noch souverän wirken, werten sie sich noch mehr ab. Sie stellen hohe Anforderungen an sich selbst, die nicht zu erfüllen sind. Zusätzlich wird die Erwartungshaltung anderer Menschen vorweggenommen. Dieser Cocktail aus Glaubenssätzen und lähmender Angst katapultiert Menschen in einen Teufelskreis, aus dem sie sich nur schwer selbst befreien können.

Die Angst vor Ablehnung ist sozusagen die Mutter dieser Art von Ängsten. Selbst wenn man davon überzeugt ist, dass man etwas Wichtiges zu sagen hat, glaubt man daran, es anderen Menschen nicht vermitteln zu können. Weil es nicht perfekt vermittelt wird? Weil man selbst nicht perfekt ist? Ganz egal, was man macht, man stößt auf Ablehnung oder verhält sich peinlich. All dies glaubt man, weil das Gehirn irgendwann einmal diese Erfahrungen gemacht hat. Sie werden generalisiert und – was noch erschwerend dazukommt – sie werden dem Individuum vertraut. Was passiert aber, wenn das Individuum neue Erfahrungen machen darf? Darauf werde ich später eingehen.

Phobische Redeangst: wenn aus Überforderung Angst entsteht

Redeangst kann auch durch eine Lebenskrise oder starke Überforderung „gelernt“ werden. In der Praxis konnte ich das bei meinen Klienten schon häufiger beobachten. Ich habe mit Klienten gearbeitet, die zunächst keine Schwierigkeiten hatten, sich vor Gruppen zu präsentieren. Jahrelang hatten sie keine Probleme damit, wenn sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Menschen standen. Eine Lebenskrise oder eine starke Überforderung begünstigte dann sozusagen das Auslösen einer Phobie gegen „im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Menschen stehen“. Ihr Körper reagierte mit phobischen Verhalten, um sie vor einer erneuten Lebenskrise oder Überforderung zu bewahren. Sozusagen wie ein Schutzprogramm, weil das Gehirn das Gefühl „im Mittelpunkt zu stehen“ mit der Lebenskrise oder der Überforderung verknüpft hatte.

Ein Beispiel für die Entstehung phobischer Redeangst

Ein Manager übernimmt in dem Unternehmen, in dem er arbeitet, eine neue Abteilung. Er hat nur sehr wenig Zeit, um sich in die neuen Themen einzuarbeiten, und erhält keine Unterstützung von seinem Vorgänger. Von allen Seiten erlebt er ein Gefühl von „keine Unterstützung zu erhalten“. Sein Gehirn verknüpft dies mit der Urangst, die Kinder haben: die Angst, von den Eltern allein gelassen zu werden. Da unser Manager es nicht gelernt hat, seinen Bedürfnissen nachzugehen und sie zu kommunizieren, unterdrückt er sie – ganz im Sinn der Freudschen Verdrängung (siehe Seite 54). Die Folge davon ist eine extreme unbewusste Anspannung zwischen Verstand und Gefühl.

Drei Wochen nach der Übernahme der Abteilung ist eine große Präsentation angesetzt, und da die Einarbeitungszeit zu kurz war, ist der Manager am Tag der Präsentation nur unzureichend vorbereitet. Nur über Halbwissen zu verfügen entspricht nicht seinen – für ihn noch unbewussten – Werten. So verstößt er mit seinem Verhalten gegen grundlegende Werte seiner Persönlichkeit, was die innere Anspannung weiter steigert. Am Tag der Präsentation sitzt er am Tisch und spürt in dem Augenblick, als er aufstehen und nach vorn gehen soll, wieder das Gefühl „alleine zu sein“, diesmal in einem Erschöpfungszustand nach drei Wochen harter Arbeit. Dieser Moment erzeugt eine extrem starke Emotion in ihm, sodass er nicht mehr in der Lage ist, seine Präsentation zu halten. Ein typischer Fall für einen Blackout.

Das unterdrückte Gefühl, allein zu sein, ohne Unterstützung zu sein, und der visuelle Reiz „alle blicken mich an“ erzeugten bei ihm eine Phobie. Immer wenn er aufstehen musste oder bereits stand und Menschen ihn anblickten, bekam er eine zittrige Stimme. Sein Gehirn hatte ein neues Muster gelernt und reagierte entsprechend mit körperlichen Angst-Symptomen.

Fokussieren auf Probleme hält Probleme aufrecht

Wenn Klienten zu mir in meine Praxis kommen, weil sie Hilfe benötigen, berichten sie mir sehr ausführlich von ihren Problemen. Egal, ob es dabei um generalisierte Ängste, phobische Ängste, Depressionen, Süchte oder Beziehungsthemen geht. Sie berichten mir von ihren Schwierigkeiten, indem sie mir Beispiele nennen. Und die Anzahl ihrer Beispiele kann unendlich sein. In sehr vielen Fällen werden meine Klienten von ihren Beispielen, die sie mir aufzählen, regelrecht absorbiert. Hinabgezogen, wie in einen Strudel. Tiefer und tiefer, je mehr sie von ihren Schwierigkeiten berichten. Sie tauchen regelrecht in ihr Problem hinein. Und dabei gehen sie in einen anderen Bewusstseinszustand, den man als Trance bezeichnet. Sie „trancen“ sich sozusagen in ihre Probleme hinein.

Meine Klienten berichten mir auch von ihren Symptomen. Oft können sie mir ihre Symptome bis ins kleinste Detail beschreiben. Körperliche Reaktionen ihres Körpers, die ihnen vertraut geworden sind, als wären sie mit ihnen befreundet. Die Liste der Symptome und der Schwierigkeiten kann unendlich lang sein. Und nicht selten verlaufen sich meine Klienten mit ihren Problemen im Nirvana der Unendlichkeit.

Geteiltes Leid ist halbes Leid. Glaubt man jedenfalls. Das stimmt aber nicht. Die Wahrheit ist: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. Über Probleme zu sprechen und sich darauf zu fokussieren, bedeutet gleichzeitig immer, sich ein schlechtes Gefühl zu machen. Denn Gedanken erzeugen Gefühle. Darauf werde ich im weiteren Verlauf des Buches noch näher eingehen. Wenn ein Individuum einem anderen Individuum seine Probleme so ausführlich erklärt, dass sich der Erzähler dabei schlecht fühlt, fühlt sich der Zuhörer mit großer Wahrscheinlichkeit auch schlecht. Der Erzähler fühlt sich deshalb aber nicht zwangsläufig nur noch halb so schlecht. Das Leid wird also nicht auf zwei Personen verteilt, sondern verdoppelt sich, weil sich jetzt zwei Menschen schlecht fühlen.

Den Fokus auf die Lösung richten

Was mir meine Klienten allerdings nicht erzählen, ist, was sie sich anstatt ihrer Schwierigkeiten wünschen. Bislang hat mir noch niemals ein Klient von sich aus erzählt, was er zum Beispiel anstatt seiner Redeangst haben möchte.

Niemand kam bislang auf die Idee, mich zu fragen, was eigentlich passieren müsste, damit es Spaß macht, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit von Menschen zu stehen. Noch nie hat mich ein Klient danach gefragt, wie viel Spaß er eigentlich auf der Bühne aushalten könnte. Fazit: Menschen befassen sich oft so intensiv mit ihren Schwierigkeiten, dass sie dabei vergessen, nach Lösungen zu suchen.

Aus meiner Sicht geht es bei allen pathologischen, und nicht organisch bedingten Ängsten um einen unbewussten Konflikt zwischen Verstand und Gefühl, der für die Problematik verantwortlich ist. Darauf werde ich später noch genau eingehen. In meinen Coachings habe ich die Erfahrung gemacht, dass dies auch bei der nichtpathologischen, also „normalen“ Redeangst der Fall ist. Damit Betroffene ihre Schwierigkeiten überwinden können, ist es hilfreich, diesen einschränkenden Kernprozess aufzulösen. Dabei ist es nicht unbedingt notwendig herauszufinden, wann, wo und warum die Probleme entstanden sind. Sehr viel wichtiger ist es, herauszufinden, wie die Betroffenen sich ihre Schwierigkeiten machen.

Leider herrscht in der breiten Bevölkerung jedoch noch immer der Glaube vor, man müsse in irgendwelchen Wunden herumstochern, wenn es darum geht, nützliche Veränderungsprozesse bei psychischen Störungen, einschränkenden Verhaltensweisen oder Denkmustern, wie es bei der Redeangst der Fall ist, anzustoßen.

Man könnte tatsächlich annehmen, die Menschen haben irgendwie Angst vor ihren eigenen Gehirnen. Eine Angst vor sich selbst? Weil sich da irgendwo irgendetwas versteckt, das niemand wissen darf? Nicht einmal ich selbst? Das mit Angst besetzte Image der Psychotherapie spielt möglicherweise auch eine gewisse Rolle bei diesem Phänomen. Die berühmte rote Couch von Sigmund Freud schreckt Menschen wahrscheinlich eher davon ab, das eigene Gehirn zu erkunden, als dass sie Lust haben, es als etwas Faszinierendes neugierig zu erforschen. Auch Freuds oft grimmiger Blick auf vielen Bildern habt bestimmt etwas mit der – unbegründeten – Angst vor der menschlichen Psyche zu tun.

„Wenn Menschen Probleme haben, ist das zunächst nicht wirklich schlimm. Wenn sie dann aber zu Psychoanalytiker gehen, haben sie ein Problem, weil sie ein Problem haben.“

Dr. Richard Bandler

Für neugierige Therapeuten, Coaches und Berater mag es wichtig sein, sich mit der Entstehung von Schwierigkeiten zu befassen. Ich halte es für reine Zeitverschwendung. Meiner Ansicht nach ist es absolut nicht notwendig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, um eine pathologische Angst oder eine Redeangst aufzulösen.

Selbst wenn man in die Vergangenheit gehen würde, um ein Problem dort aufzulösen, fände die Arbeit an diesem Prozess im Hier und Jetzt statt. Das bedeutet, man bezieht sich auf die Vergangenheit, entwickelt gewisse Vorstellungen davon, wie etwas gewesen sein könnte. Ohne genau zu wissen, ob es wirklich so war, wie man es sich vorstellt. (Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, wo meine Behauptungen nicht zutreffen.) Es sind nicht die Dinge an sich, die Menschen beunruhigen, sondern die Art und Weise, wie sie sich darauf beziehen.

Aus meiner Sichtweise fehlt den klassischen Therapieschulen wie der Verhaltenstherapie und analytischen Therapieverfahren ein wichtiger Aspekt: Sie beziehen das subjektive Erleben des Klienten nicht in den therapeutischen Prozess mit ein. Subjektivität ist etwas, das von Wissenschaftlern abgelehnt wird. Denn Subjektivität lässt sich nicht rekonstruieren. Deshalb existiert sie in der Wissenschaft nicht.

Für mich ist der Klient der Experte für seine Schwierigkeiten. Nicht der Therapeut oder der Coach oder der Berater. Ich weiß nicht, was in den Köpfen meiner Klienten vorgeht. Ich bin aber sehr neugierig, es herauszufinden. Allerdings ohne mich auf den Inhalt, also auf das „Was“ zu fokussieren. Das „Wie“, also die Art und Weise, wie sich meine Klienten ihre Schwierigkeiten machen, finde ich faszinierend. Diese Vorgehensweise setzt allerdings voraus, dass man sich für das subjektive Erleben seines Klienten interessiert. Legt man bereits im Voraus schon fest, was in der Therapie gemacht wird, so wie das bei den klassischen Therapieschulen der Fall ist, wird dem Menschen irgendetwas übergestülpt. Wenn ein Therapeut bereits im Voraus weiß, was er mit seinem Klienten machen wird, hat das nichts mehr mit dem Menschen zu tun.

Auf den vergangenen Seiten haben Sie erfahren, wie Redeangst entsteht. Bevor wir uns damit befassen, wie Sie Ihre Redeangst loswerden, ist es wichtig, dass Sie ein paar psychogische und neurobiologische Grundlagen kennenlernen.

Das Gehirn lässt sich nicht einfach etwas befehlen

Ein Gehirn ist wie ein Motor ohne Ausschalter, es läuft und läuft und läuft. Und wenn es sich langweilt, dann sucht es sich irgendetwas, um sich zu beschäftigen. Dabei ist es dem Gehirn egal, was es macht, um sich seine Langeweile zu vertreiben. Dem Inhaber des Gehirns möglicherweise nicht.

Ihrem Gehirn ist es völlig egal, wie es Ihnen geht. Es interessiert sich nicht im Geringsten für Sie. Ob Sie sich wohlfühlen oder nicht, ist ihm gleichgültig. Es ist nämlich die meiste Zeit damit beschäftigt, mit sich selbst zu kommunizieren, und kann sich deshalb nicht noch um Sie kümmern. Ihr Gehirn ist ein eigennütziges Organ. Anders ausgedrückt: Menschliche Gehirne sind von Grund auf egomanisch.

Kennen Sie Egomanen? Das sind Menschen, die nur mit sich selbst beschäftigt sind. Eine Selbstbezogenheit, bei der Empathie keinen Platz hat. Wenn ich mich mit einem Egomanen in einem Raum befinde, habe ich oft den Eindruck, dass dieses Individuum gar nicht bemerkt, dass ich ebenfalls anwesend bin. Die Welt scheint sich nur um ihn zu drehen. Permanente Monologe im Kommunikations-Einbahnstraßen-Modus. Detaillierte Erläuterungen zu Dingen und Themen, die mich nicht interessieren. Das Ganze wird dann meistens auch noch durch endlose Wiederholungsschleifen auf ein unerträgliches Maß gesteigert.

Aber zurück zu unserem Gehirn. Seinem Gehirn einfach etwas vorzuschreiben, weil man ein Verhalten verändern möchte – Redespaß statt Redeangst – funktioniert weniger gut. Sollten Sie unter Redeangst leiden und würden sich selbst sagen, dass Sie vor der Gruppe, vor der Sie stehen, ja eigentlich gar keine Angst haben müssen, wird es Ihrem Gehirn egal sein, was Sie da von ihm verlangen. Denn es kann damit nichts anfangen. Kluge Ratschläge von anderen Menschen, wie: „Da brauchst du doch keine Angst zu haben“, sind Ihrem Gehirn ebenfalls egal.

Gehirne sind diesbezüglich sehr direkt und recht einfach konstruiert. Sie, die Gehirne, fragen sich nämlich: Wenn er keine Redeangst mehr haben möchte, was will er denn stattdessen? Und wenn er mir, seinem Gehirn, nicht expliziert sagt, was er eigentlich von mir will, dann mache ich genauso weiter wie immer.

Sehr viel hilfreicher ist es, Gehirne zu einer Kooperationsbereitschaft einzuladen. Zu diesem Zweck bietet man ihnen etwas an, wonach sie sich alle zehn Finger lecken. Um etwas wirklich Interessantes zu finden, muss man allerdings auf die Suche gehen. Denn der Leckerbissen muss dem Gehirn extrem gut gefallen. Und er muss zur Persönlichkeit des Individuums passen oder noch besser: Der Leckerbissen sollte einen Teil seiner Persönlichkeit ausmachen. Anders ausgedrückt: Es muss etwas sein, mit dem sich das Individuum identifizieren kann.

Um Ihre Redeangst zu überwinden brauchen Sie also etwas, von dem Sie und natürlich auch Ihr Gehirn magisch angezogen werden. Sie brauchen etwas, für das Sie brennen. Und es muss ein extrem großes Feuer sein, das Ihnen auch niemand wegnehmen darf.

Probleme lösen durch neue Impulse fürs Gehirn

Sie kennen bestimmt den blauen Elefanten, an den Sie nicht denken sollen. Wenn ich Sie jetzt bitte, nicht an einen gelben Affen zu denken, woran denken Sie dann? An den blauen Elefanten oder an den gelben Affen? Oder denken Sie jetzt etwa bereits an zwei Dinge, an die Sie nicht denken sollen?

Wenn Sie nicht an den blauen Elefanten denken sollen, denken Sie an einen blauen Elefanten.

Ganz genau: Gehirne können nicht nicht denken. (Nicht an den roten Pudel denken.)

Oh, denken Sie jetzt schon an drei Dinge, an die Sie nicht denken sollen? Es könnte aber auch sein, dass Sie, als ich Sie bat, nicht an den Pudel zu denken, nur an den Pudel gedacht haben. Möglicherweise haben Sie auch nicht an den gelben Elefanten gedacht. Und eventuell auch nicht an den blauen Affen.

Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Sie beim Lesen des Satzes „Möglicherweise haben Sie nicht an den gelben Elefanten gedacht“ nicht an den Elefanten gedacht, den ich zuerst erwähnt habe. An den blauen denken Sie erst jetzt wieder, nicht wahr?

Und beim Lesen des Satzes „Und eventuell auch nicht an den blauen Affen“ haben Sie eventuell auch nicht an den Affen gedacht, den ich nach dem ersten Elefanten erwähnt habe. An den gelben Affen denken Sie wahrscheinlich erst jetzt, oder nicht?

Bemerken Sie etwas? Wenn ich Ihnen Alternativen anbiete, kann Ihr Gehirn an etwas anderes denken, als an das, an das Sie nicht denken sollen. Das funktioniert auch, wenn Sie zum Beispiel nicht mehr an Ihre Redeangst denken möchten. Das Ganze ist dann allerdings etwas komplexer.

Nun gibt es aber noch einen ganz anderen Aspekt bei dieser kleinen Demonstration, der Ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst geworden ist.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869106731
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Reden halten Nervosität Angsttherapie Publikum

Autor

  • Uwe Hampel (Autor:in)

Uwe Hampel ist Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater. Er ist unter anderem auf die Behandlung von Ängsten spezialisiert: Lampenfieber, Redeangst, Flugangst, Prüfungsangst. Hierfür hat er eine Kurzzeit-Therapie entwickelt, die er seit Jahren erfolgreich anwendet. Als Coach arbeitet er auch mit Klienten, die authentisch und gelassen vor Gruppen stehen möchten.
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Titel: Redeangst überwinden