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Der Start in die Makrofotografie

Kleines ganz groß herausbringen. Verständlich erklärt - für Anfänger geeignet

von Valentin Gutekunst (Autor:in)
224 Seiten

Zusammenfassung

Von der richtigen Ausrüstung über die Motivsuche bis zur optimalen Kamera-Einstellung: Dieser Ratgeber ist eine echte Starthilfe in die Welt der kleinen Dinge! Neben den wichtigsten Grundlagen lernst du in zahlreichen Workshops Schritt für Schritt, wie gelungene Makrofotos entstehen: Welches Equipment brauche ich? Was muss ich über Insekten, Pflanzen oder andere Motive wissen? Wie setze ich meine Bildidee um? Der perfekte Ratgeber für alle, die schnell bessere Makrofotos machen möchten!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Hallo! Es freut mich sehr, dass du dich für die Makrofotografie interessierst. Mit diesem Buch möchte ich dir den Einstieg in die Welt der kleinen Dinge so einfach wie möglich machen. Aber Achtung – ich bin ansteckend, und spätestens am Ende des Buches habe ich dich hoffentlich mit dem Makrofieber infiziert!

Die Makrofotografie ist etwas Wundervolles. Sie macht Dinge sichtbar, die du vorher nie wahrgenommen hast. Sie wird deinen Blick auf die Welt da draußen vollkommen umkrempeln. Du wirst faszinierende Kreaturen entdecken, die du vorher noch nie wahrgenommen hast, und das alles findet nicht irgendwo im Dschungel, sondern direkt vor deiner Haustür statt. Unsere heimische Natur bietet uns nämlich einiges: Von Skorpionsfliegen über Goldwespen bis hin zu den winzigen Kugelspringern – die Artenvielfalt ist riesig und wartet nur darauf, von dir entdeckt zu werden!

Auf was wartest du noch? Schnapp dir deine Kamera, und los geht’s! Aber stopp – vielleicht solltest du doch vorher noch schnell dieses Buch lesen. Als ich mit der Makrofotografie begonnen habe, wäre ich sehr froh gewesen, wenn es damals eine ähnliche „Einstiegshilfe“ gegeben hätte. Warum solltest du die gleichen Fehler machen wie ich bei meinem Start in die Makrowelt? Das wäre frustrierend und reine Zeitverschwendung.

Mit diesem Buch möchte ich dir die Grundlagen für den Einstieg in die Makrofotografie geben, damit du gleich richtig an die Sache herangehen kannst. Angefangen mit dem optimalen Equipment wie Kamera und Objektiv und den Hilfsmitteln, die dir das Leben beim Fotografieren leichter machen werden. Wir schauen uns zunächst an, welche Kamera-Einstellungen du verwenden solltest, dann folgen meine Top 10 an Tipps & Tricks für deinen erfolgreichen Einstieg in die Makrofotografie.

Abschließend, um nicht zu sagen als Hauptteil, kommt dann der Workshop: Er bietet dir eine Riesenauswahl an Makrofotos, wo ich dir zeige, wie und unter welchen Bedingungen sie entstanden sind. Denn an Beispielen aus der Praxis lernt es sich am besten. Lass dich inspirieren! Ich wünsche dir viel Freude beim Lesen!

Herzlich dein
Valentin Gutekunst

DIE AUSRÜSTUNG

Es gibt mittlerweile so viele unterschiedliche Kameras und Objektive, dass es nicht leichtfällt, die Übersicht zu behalten und die richtige Wahl zu treffen, besonders als Einsteiger. Bei meinen Coachings erlebe ich immer wieder, dass es gerade die Kamera ist, die das Fotografieren umständlicher macht als nötig. Deshalb stelle ich dir in diesem Kapitel die Ausrüstung vor, die sich meiner Erfahrung nach am besten für die Makrofotografie eignet.

Welche Kamera darf’s denn sein?

Eines vorweg: Die perfekte Kamera, die alles kann, gibt es nicht. Jedes Modell hat seine Vor- und Nachteile. Grundsätzlich kann man mittlerweile selbst mit Smartphones beeindruckende Makrofotos schießen. Für den Einstieg in die Makrofotografie empfehle ich jedoch ganz klar die zwei folgenden Kameratypen:

eine spiegellose Systemkamera, zum Beispiel von Sony, Panasonic (Lumix), Olympus (OM-D-Reihe) oder Canon (EOS M5).

eine SLT-Kamera (mit einem teildurchlässigen Spiegel) von Sony

Nun fragst du dich vielleicht, ob ich nicht die Spiegelreflexkameras (DSLR) vergessen haben? Nein, habe ich nicht. Auch wenn es viele noch nicht wahrhaben möchten: Spiegelreflexkameras sind weitestgehend Geschichte. Sie sind schwer, klobig und träge. Die Kameras ohne oder mit einem teildurchlässigen Spiegel sind sehr kompakt und wiegen viel weniger als vergleichbare DSLR-Kameras. Das ist besonders für uns „Makronisten“ ein großer Vorteil, denn bei der Makrofotografie möchte man möglichst flexibel sein, um die meist sehr flinken Motive wie Insekten oder Spinnen ablichten zu können. Schweres Equipment stört hier nur.

Weitere Vorteile sind die Funktion des Focus Peaking und eine deutlich bessere Bildstabilisierungstechnik. Das Zusammenspiel dieser Faktoren macht das Freihand-Fotografieren auch mit großen Abbildungsmaßstäben zu einer simplen Sache.

Die Sensorgröße

Auch wenn es mittlerweile sehr kompakte Vollformatkameras gibt, haben die Kameras, die ich zum Einstieg in die Makrofotografie empfehle, einen kleineren Sensor, zum Beispiel APS-C (Sony und Canon) oder Micro Four Thirds (Panasonic und Olympus). Zum einen sind diese Kameras und auch die zugehörigen Objektive deutlich preisgünstiger und zum anderen hat man den Vorteil des Crop-Faktors (engl. to crop = beschneiden). Das heißt, man braucht weniger Hilfsmittel, um Makrofotos mit hohem Abbildungsmaßstab zu machen, als wenn man eine Kamera mit Vollformatsensor verwendet.

CROP-FAKTOR

Der APS-C-Sensor (15,6 mm × 23,5 mm) ist etwa 1,5-mal kleiner als ein Vollformatsensor (24 mm × 36 mm). Der Micro Four Thirds (17,3 mm × 13 mm) ist sogar nur etwa halb so groß. Durch die kleineren Sensoren erhält man nur einen Ausschnitt des Fotos einer Vollformatkamera. Du bist also „näher“ am Motiv dran, es wirkt vergrößert. Eine Verkleinerung des Bildformates entspricht einer Ausschnittvergrößerung.

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Sensorgrößen im Vergleich

Das richtige Objektiv

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Verschiedene Makroobjektive in der Übersicht

Für die Makrofotografie brauchst du nicht zwingend ein teures Makroobjektiv. Gerade für Einsteiger empfiehlt es sich, die ersten Erfahrungen in der Makrowelt mit dem Kit-Objektiv zu machen. In Kombination mit einer Nahlinse (siehe nächstes Kapitel „Hilfsmittel“) sind nämlich ebenfalls beeindruckende Makrofotos möglich. Wenn du dann merkst, die Makrofotografie ist dein Ding, führt jedoch schlussendlich kein Weg an einem vernünftigen Makroobjektiv vorbei.

Wie bei den Kameras ist der Markt für diese Objektive nicht gerade übersichtlich, und nicht überall, wo „Makro“ draufsteht, ist auch „Makro“ drin. Viele Hersteller schmücken ihre Objektive mit diesem Begriff, obwohl die Linse gar keinen Abbildungsmaßstab von 1 : 1 liefert. Achte also beim Kauf auf die genauen Angaben!

Für den Einstieg rate ich dir, ein 90-mm- oder ein 105-mm-Makroobjektiv anzuschaffen. Falls du eine Kamera mit Micro Four Thirds Sensor hast (Olympus, Panasonic), nimm das 60-mm-Objektiv. Die Makroobjektive mit diesen Brennweiten gelten als „Allrounder“ – damit lassen sich fast alle Motive ablichten.

Es gibt auch Makroobjektive mit längeren Brennweiten, zum Beispiel 150 mm oder 180 mm. Ihr Vorteil ist, dass du einen größeren Abstand zu deinem Motiv lassen kannst. Du kannst also beispielsweise einen Schmetterling bei gleichem Abbildungsmaßstab von weiter weg fotografieren als mit einem 90-mm-Objektiv. Das ist besonders bei scheuen Tieren äußerst nützlich. Allerdings sind diese Objektive im Handling schwieriger (man verwackelt leichter), teurer und vor allem deutlich schwerer.

Auf was du noch achten solltest

Die meisten der heutigen Makroobjektive haben einen integrierten Bildstabilisator und einen leisen und schnellen Autofokus. Bis auf die Canon sind die von mir empfohlenen Kameras schon mit einem Bildstabilisator ausgestattet, daher brauchst du diese Funktion beim Objektiv nicht unbedingt. Und auf den Autofokus solltest du bei der Makrofotografie sowieso verzichten. Du kannst dir also auch ohne Bedenken ein altes gebrauchtes Makroobjektiv zulegen – die haben zwar die „tolle“ Technik nicht, sind aber viel kompakter und leichter als die neuen Nachfolgemodelle.

Mein altes 90 mm Makroobjektiv wiegt etwa 400 g, das neue Modell über 600 g, und das bei nahezu identischer optischer Qualität und halbem Preis. Übrigens ist es ziemlich egal, welchen Objektivhersteller du wählst, ob Sigma, Tamron, Canon, Nikon, Sony oder Olympus: Sie alle bewegen sich, was die Qualität angeht, auf ähnlichem Niveau.

Hilfsmittel

Das Angebot an Fotozubehör ist groß. Aber was davon brauchst du in der Makrofotografie wirklich? Weniger, als du denkst. Hier ein paar Tipps zu Stativen, Nahlinsen, Blitzgeräten und dem richtigen Fotorucksack.

Stativ

Früher war ein Stativ bei der Makrofotografie nicht wegzudenken, heute kann man es dank der modernen Kameras mit Bildstabilisierung getrost im Keller lassen. Wenn du also nicht gerade in den frühen Morgenstunden Insekten in Kältestarre fotografieren möchtest, kannst du auf ein Stativ verzichten. Ich selbst fotografiere nun seit knapp fünf Jahren und habe mein Stativ insgesamt nur wenige Male auf Makrotour mitgeschleppt. Man ist einfach viel flexibler ohne. Nur (sehr) wenige Motive warten geduldig, bis das Stativ aufgebaut, ausgerichtet und die Kamera darauf montiert ist, die meisten sind schon vorher längst über alle Berge. Besser ist es, wenn du deinen Körper als Stativersatz nimmst. Mit etwas Geschick kannst du die Kamera gut mit den Händen, Ellenbogen, Füßen, Knien oder womit auch immer gut abstützen und dadurch stabilisieren.

Nahlinsen

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Die Raynox DCR-250 Nahlinse an einem Makroobjektiv

Mit den heute gängigen Makroobjektiven erreicht man einen Abbildungsmaßstab von 1 : 1. Das reicht für viele Motive aus. Möchtest du jedoch noch näher an das Objekt herankommen, sind zusätzliche Hilfsmittel unerlässlich. Die simpelste und kompakteste Lösung ist die Verwendung von sogenannten Nah- oder Vorsatzlinsen.

Eine Nahlinse wird wie ein Filter auf das Objektiv aufgeschraubt oder geklemmt und verkürzt die Brennweite des Objektivs, das heißt, die Naheinstellgrenze nimmt ab, und du kannst dementsprechend näher an das Motiv heran.

Auch wenn Nahlinsen oft einen schlechten Ruf haben (was bei den billigen auch gerechtfertigt ist), kann ich die hochwertigen Makronahlinsen (Achromaten) wie das Raynox DCR-150 oder DCR-250 aus persönlicher Erfahrung nur empfehlen. Diese Linsen sind etwas teurer, dafür bieten sie eine hervorragende Bildqualität und verhindern wirkungsvoll die sogenannte chromatische Aberration, die bei billigen Nahlinsen gang und gäbe ist: Farbsäume um das Motiv herum, die besonders bei harten Kontrasten und Hell-Dunkel-Übergängen in Erscheinung treten.

Um die ersten Schritte in die Makrofotografie zu machen, kannst du dir jedoch durchaus erst mal ein Set billiger Nahlinsen kaufen, um zu testen, ob du damit klarkommst, bevor du dir gleich einen doch recht teuren Achromaten anschaffst.

Blitzlicht

Der gekonnte Umgang mit Blitzlicht ist eine der Herausforderungen, auf die man besonders in der extremen Makrofotografie stößt. Hast du sie gemeistert, steht dir ein ausgezeichnetes Werkzeug für die Makrofotografie in Feld und Studio zur Verfügung.

Viele scheuen sich davor, Blitzlicht zu verwenden, doch bei hohen Abbildungsmaßstäben ist es in der Makrofotografie im Grunde unerlässlich. Denn es gilt: je höher die Vergrößerung, desto höher der Lichtbedarf. Ich kann nur raten: Leg deine Scheu ab, trau dich und probiere es aus. Das richtige Handling mit dem Blitz erlernt zu haben, wirst du nie bereuen!

Die kalten Wintermonate sind bestens dafür geeignet, sich ein kleines Makrostudio zu Hause einzurichten. Dort kannst du in aller Ruhe und bei wohliger Wärme mit Blitzlicht und eventuell auch Softbox und Diffusor (siehe Tipp #2 im Kapitel „Tipps für die Makrofotografie“) experimentieren und erste Erfahrungen sammeln, bevor es dann im Frühjahr auf Motivjagd ins Freiland geht.

Der optimale Blitz für die Makrofotografie sollte leicht und kompakt sein und dennoch eine gute Blitzleistung besitzen, denn bei hohen Abbildungsmaßstäben brauchst du sehr viel Licht, um das Motiv noch genügend ausleuchten zu können. Des Weiteren ist eine schnelle Recycle-Zeit enorm wichtig – nichts ist frustrierender, als darauf zu warten, dass der Blitz endlich wieder feuern kann, um dann festzustellen, dass in der Zwischenzeit das Motiv schon lange über alle Berge ist.

Fotorucksack

Auf meinen Makrotouren bin ich meist zwei bis drei Stunden in der Natur unterwegs. Ein bequemer und praktischer Fotorucksack ist da Gold wert. Auf folgende Punkte solltest du achten:

möglichst leichter und schneller Zugriff auf die Kamera (am besten seitlich). Es gibt nichts Nervigeres, als jedes Mal den Rucksack absetzen zu müssen, um an die Kamera zu kommen.

Platz für eine Wasser- oder Thermosflasche

optimal: integriertes Regencape zum Überziehen, das dein Equipment vor Regen schützt. Wenn keins dabei ist, schaffe dir ein separates Cape an.

ein Brust- und Hüftgurt: Er stabilisiert und verteilt die Last besser und beugt Rückenschmerzen vor.

Da dich der Fotorucksack mit hoher Wahrscheinlichkeit viele Jahre begleiten wird und du ihm dein teures Fotoequipment anvertraust, solltest du an dieser Stelle auf keinen Fall zu sparsam sein – es könnte sich rächen.

KAMERAEINSTELLUNGEN

Im Folgenden möchte ich dir die optimalen Kamera-Einstellungen für die Makrofotografie vorstellen. Dabei gehe ich davon aus, dass du die Grundlagen der Fotografie wie Blende, Belichtungszeit, ISO-Wert und Schärfentiefe bereits beherrschst.

Blende und Schärfentiefe

In der Makrofotografie ist man mit einer Vielzahl an Schwierigkeiten konfrontiert: Neben dem chronischen Lichtmangel ist dies hauptsächlich die außerordentlich geringe Schärfentiefe, die mit steigender Vergrößerung rasant abnimmt. Deutlich wird das beispielsweise, wenn du mit offener Blende (z. B. f/2.8) die Komplexaugen einer Fliege fokussierst. Die Augen sind scharf, doch der Rest des Körpers verschwindet in Unschärfe. Die geringe Schärfentiefe lässt sich zwar bei vielen Motiven wunderbar als stilistisches Mittel einsetzen, doch wenn man die komplette Fliege scharf haben möchte, hilft nur eins – abblenden!

DER ZUSAMMENHANG VON BLENDE UND SCHÄRFENTIEFE

Je kleiner die Blende, desto größer die Zahl und die Schärfentiefe. Je größer die Blende, desto kleiner die Zahl und die Schärfentiefe.

Leider lässt sich nicht beliebig weit abblenden. Mit stärkerem Abblenden (z. B. f/18) wird zwar theoretisch die Schärfentiefe wieder größer, doch die Schärfe nimmt wegen der Beugungseffekte massiv ab, so dass man nur noch ein „matschiges“ Bild bekommt.

Du solltest also darauf achten, die Blende nicht zu weit zu schließen. Ich fotografiere nur in Ausnahmefällen mit kleineren Blenden als f/11.

Alles manuell

Alle meine Makrofotos mache ich im manuellen Modus. Nur damit hat man die uneingeschränkte Kontrolle über die Kamera. Nur den ISO-Wert schalte ich meist auf „Automatisch“ und beschränke ihn (je nach Rauschverhalten der Kamera) auf 1600 oder 3200. Der Vorteil: Man muss sich neben Blende und Belichtungszeit nicht auch noch um den ISO-Wert kümmern. Diesen wählt die Kamera automatisch, geht dabei aber nicht über die festgelegte Grenze. Dadurch werden versehentlich verrauschte Fotos vermieden.

Autofokus?

Auch wenn der Autofokus der Makroobjektive immer besser wird, ist er meist nicht zu gebrauchen. Bevor du also verrückt wirst, weil mal wieder statt des Motivs der Grashalm dahinter fokussiert wird, nutze den manuellen Fokus! In Kombination mit Focus Peaking (siehe Kapitel „Welche Kamera darf’s denn sein?“) kannst du so viel exakter auf den Punkt fokussieren, wo du die Schärfe gerne hättest.

TIPPS FÜR DIE MAKROFOTOGRAFIE: MEINE TOP 10

Im Folgenden habe ich die in meinen Augen zehn wichtigsten Tipps für deinen erfolgreichen Start in die Makrofotografie aufgeführt. Wenn du sie verinnerlichst, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

#1 Schau genau hin

Der Tipp erklärt sich von selbst: Schau wirklich genau hin! Nur wenn du deine Umwelt richtig anschaust und wahrnimmst, entdeckst du Dinge, ob Pflanzen oder Tiere, die du sonst nie wahrgenommen hättest. Ich empfehle dir deshalb: Nimm dir die Zeit und setze dich einfach mal in eine Blumenwiese, an einen Baumstamm, an einen Bach oder Waldboden und beobachte genau.

Nimm dir Zeit! Du wirst überrascht sein. Nur so fallen einem Tiere, wie kleine Springspinnen, Kugelspringer, Springschwänze, aber auch seltene Pflanzen auf.

Ein gutes Beispiel ist das Foto „Wildrose mit Besuchern“ im Workshop-Teil „Makrowelt Wiese“. Hier hatte ich zunächst eine schöne Blüte am Wegesrand bemerkt und stellte erst beim genaueren Hinsehen fest, dass die Rose voller kleiner faszinierender Besucher war.

Meine Makrotouren haben meist gar keinen großen Radius, sondern ich verbringe eher viel Zeit an einer tollen Stelle und schaue genau hin, anstatt einen Halbmarathon zu laufen nach dem Motto „An der nächsten Wegkreuzung wartet sicher DAS tolle Motiv …“.

#2 Wähle das „richtige“ Licht

Für ein gutes Foto brauchst du gutes Licht! Doch was ist „gutes“ Licht eigentlich? Die Antwort ist einfach: diffuses, also weiches Licht! Diese Art von Licht umspielt dein Motiv förmlich und leuchtet es gleichmäßig aus. Damit vermeidet man Bereiche auf dem Motiv, die überstrahlt oder zu dunkel und schattig sind.

Für dich als Makronist heißt das: Meide das harte Licht der prallen Mittagssonne und gehe vorzugsweise entweder früh am Morgen (kurz vor oder kurz nach Sonnenaufgang) oder am späten Nachmittag (kurz vor Sonnenuntergang) auf Fototour!

#3 Spiele mit der Schärfe

Eine knackige Schärfe an der richtigen Stelle des Motivs ist ein Charakteristikum für ein tolles, schönes Foto! In der Makrofotografie solltest du dazu, wie bereits erwähnt, den automatischen Fokus deaktivieren und voll auf den manuellen Fokus setzen.

Mit dem manuellen Fokus lässt sich die gewünschte Stelle wunderbar einfach und schnell auswählen, und du kannst förmlich mit der Schärfe „spielen“. Man sieht beim „Durchscrollen“ der Schärfeebene durchs Motiv gut, wie das Foto wirkt, wenn etwa ein anderer Bereich scharf wäre.

#4 Stell das Motiv richtig frei

Eigentlich hätte man ja gerne das komplette Motiv schön gleichmäßig scharf und trotzdem einen weichen Hintergrund ohne die vielen störenden Objekte im Vorder- oder Hintergrund. Das ist mittels Focus Stacking (siehe Kapitel „Blende und Schärfentiefe“) heute zwar kein Problem mehr, doch eine durchgängige Schärfe des Motivs macht noch lange kein gutes Foto aus, im Gegenteil! Ein gelungenes Spiel mit der Schärfe wirkt für den Betrachter meist deutlich stimmiger und damit schöner. Das liegt daran, dass unser Auge ebenfalls Motive nicht komplett im Ganzen scharf wahrnimmt, sondern weiter hinten liegende Bereiche, insbesondere der Hintergrund, auch unscharf erscheinen. Übertriebene Focus Stacks wirken somit oft „unnatürlich“ auf den Betrachter.

Ein Motiv freistellen heißt, es aus dem Hintergrund herauszuholen und die Aufmerksamkeit auf das Motiv zu lenken. Das gelingt, indem du sehr offenblendig (z. B. f/2.8) arbeitest. Eben gerade so, dass das Motiv oder der Bereich, den du hervorheben willst, noch scharf ist. Der Hintergrund samt störenden Objekten wie beispielsweise Grashalme oder andere Pflanzen sollten jedoch komplett in Unschärfe untergehen!

#5 Wähle die richtige Perspektive

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Wespe auf „Augenhöhe“ – Sony α77 II, Sony 50 mm mit Nahlinse, f/9, ISO 160, 1/60 s

Natürlich ist es leichter, einen Frosch oder eine schöne Blüte stehend von oben herab zu fotografieren. Doch schon während ich den Satz geschrieben habe, kam mir das Gähnen, denn diese Perspektive ist zumeist langweilig! Das liegt wiederum daran, dass wir es in unserem Alltag gewohnt sind, die kleinen Dinge aus der „Vogelperspektive“ zu sehen.

Deshalb mein Tipp: Geh auf Augenhöhe mit dem Motiv! Leg dich, wenn es sein muss, auch mal in den Schlamm! Wähle außergewöhnliche Perspektiven, das macht deine Fotos interessant und aufregend.

#6 Sei geduldig

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Für hyperaktive Zitronenfalter braucht man viel Geduld – Sony α77 II, Tamron 90 mm, f/7.1, ISO 100, 1/160 s

Das Wichtigste in der Makrofotografie ist die Geduld! Die meisten Tiere haben eine relativ hohe Fluchtdistanz. Das merkst du zum Beispiel bei Schmetterlingen, die sofort das Weite suchen, wenn du ihnen zu nahe kommst! Hier muss man sich in Geduld üben, sich ruhig in eine gute Stellung bringen und warten, warten und nochmals warten – bis der Falter, die Biene oder das gewünschte Motiv sich an die Stelle setzt, auf die deine Kamera bereits ausgerichtet ist.

DER BESTE ZEITPUNKT

Insekten sind in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden viel träger und damit leichter zu fotografieren Versuche nicht in der prallen Mittagssonne einem Schmetterling nachzujagen.

#7 Geh näher ran

Spätestens wenn das fotografierte Insekt nur als Punkt auf deinem Foto erkennbar ist, sollte dir klar sein, dass das nicht unbedingt der Weg zu einem guten Makrofoto sein kann. Deshalb gilt: Näher ran! Versuche das Motiv möglichst formatfüllend abzulichten, dadurch erkennt man viel mehr Details, und das Foto wirkt interessanter und beeindruckender.

Allerdings kommt auch ein Makroobjektiv mit einem Abbildungsmaßstab von 1 : 1 bei kleinen Insekten schnell an seine Grenze. Deshalb sind weitere Hilfsmittel wie beispielsweise Nahlinsen notwendig.

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Näher ran! Nahaufnahme einer Zauneidechse – Sony α77 II, Tamron 90 mm, f/8, ISO 400, 1/200 s

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869103792
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2018 (September)
Schlagworte
Makrofotografie Fotografie Ratgeber fotografieren lernen Anfänger Grundlagen Fotografie

Autor

  • Valentin Gutekunst (Autor:in)

Valentin Gutekunst ist Gründer von makro-treff.de, Herausgeber und Chefredakteur von Makrofoto und ambitionierter Makrofotograf. In Foto-Coachings gibt er seine Erfahrungen weiter. Diese sind auch deshalb so beliebt, weil er nicht nur geballtes Wissen, sondern auch jede Menge Freude und Engagement vermittelt. Sein Ratgeber strotzt daher nicht nur vor Tipps und Tricks – er spiegelt auch die Faszination und Schönheit unserer heimischen Natur wider.
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Titel: Der Start in die Makrofotografie