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Fotografieren lernen

Ganz einfach bessere Fotos, Die 30 Tage Challenge

von Lars Poeck (Autor:in)
264 Seiten

Zusammenfassung

Mit seinem Buch „Kreative-Foto-Aufgaben“ hat Lars Poeck bereits die Herzen tausender Hobbyfotografen erobert – mit seiner 30-Tage-Challenge „Fotografieren lernen“ legt er nun einen sensationell effektiven Einsteiger-Ratgeber für alle Fotobegeisterte nach: Es ist das Kraftpaket unter den Fotoratgebern: Die 30-Tage-Challenge führt Hobbyfotografen in kleinen, verständlichen Schritten zu besseren Fotos! An jedem Tag gibt es tolle Tipps, Anleitungen und Beispielfotos. Dabei wird alles vermittelt, was Foto-Einsteiger wissen müssen: Welche Grundregeln der Bildgestaltung muss ich beachten? Welche Kameraeinstellungen helfen mir? Die praktischen Tipps und kleinen Herausforderungen machen Spaß und sorgen für bessere Fotos im Handumdrehen!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


WILLKOMMEN ZU DEINER PERSÖNLICHEN 30-TAGE-CHALLENGE!

Ich habe in meinem Schrank dicke Fotografieratgeber, Enzyklopädien und Lexika. Aber geht’s nicht kompakter? Klar! Hier habe ich für dich 30 kleine Häppchen, mit denen du täglich mehr über deine Kamera und die Fotografie lernst.

In den nächsten Tagen geht’s ums Ausprobieren. So macht das Fotografierenlernen mehr Spaß! Lass uns zusammen in den manuellen Modus wagen, verstehen, wie Blende und Belichtungszeit zusammenarbeiten und Dynamik und Abstraktion deine Bilder verzaubern.

Bist du Anfänger? Oder kennst du dich sogar schon ein bisschen aus mit deiner Kamera? Vielleicht suchst du auch nur noch mal einen Weg, dein Fotowissen zu vertiefen. Perfekt, dafür sind die täglichen Challenge-Aufgaben genau richtig. Jeden Tag wagen wir uns ein Stück tiefer ins Wasser hinein auf dem Weg in dein kreatives Fotoabenteuer.

Auf meinem Foto Blog www.ig-fotografie.de habe ich viele weitere Fototipps und kreative Ideen für dich.

Herzlichst

Lars

P.S.: Wenn du mir zeigen willst, wie du die täglichen Challenges angehst, oder selbst Fotoideen hast, dann schreib mir eine E-Mail an lars@ig-fotografie.de. Ich freue mich drauf!

Wie nutzt du dieses Buch?

30 tägliche Lerneinheiten

Jede Einheit ist als Tages-Challenge gedacht und baut Stück für Stück aufeinander auf. 30 kompakte Kapitel liefern dir kurz und knapp die nötige Fototheorie, gespickt mit vielen praktischen Bildbeispielen sowie einem Haufen Tipps, die mir geholfen haben.

Dein tägliches Zeitbudget

Die Lesezeit für jedes Kapitel beträgt maximal 15 Minuten. Zudem schließt jedes Kapitel mit einer Tages-Challenge ab. Für diese Aufgaben liegt der Zeitaufwand pro Challenge ganz bei dir.

Was passiert, wenn du nicht jeden Tag Zeit hast?

Ob du die Übungen jeden Tag oder jedes Wochenende machst, bleibt dir überlassen. Du kannst Themen, die du bereits beherrscht, auch einfach überspringen.

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ISO 100 | 85 mm | f5,6 | 1/160 s (mit Blitz)

TAG 1

ICH BIN’S – DEINE KAMERA

Was passiert, wenn ich ein Foto mache? Mache ich mit einer teuren Kamera bessere Fotos als mit einer günstigen? Was genau macht den Prozess des Fotografierens aus? Lerne deine Kamera besser kennen. Schließlich wird dich dieses kleine Wunderwerk die nächsten Wochen – und hoffentlich noch viel länger – intensiv begleiten.

Woraus besteht deine Kamera?

Deine Kamera besteht aus drei grundlegenden Elementen: einem optischen Element (das Objektiv), einem mechanischen Element (die Kamera selbst) und dem Speichermedium (z. B. SD-Karte oder – früher – der Film). Das ist bei allen Kameras gleich.

Smartphones haben ebenfalls ein, wenn auch sehr kleines, Objektiv. Die Kameramechanik eines Smartphones wird durch eine Software zwar nur imitiert, aber die Funktionsweise will aufs Gleiche hinaus.

Damit möchte ich nicht das wundervolle Mysterium Kamera entzaubern, vielmehr macht diese Reduktion auf die wesentlichen Bestandteile es einfacher, das technische Wunderwerk besser zu verstehen.

Was sind das alles für Knöpfe?

Keine Sorge, deine Kamera mag vielleicht anders aussehen, aber alle Kameras haben einen ähnlichen Aufbau.

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Meine „Immerdabei“-Fujifilm FinePix X10: 0. Objektiv mit Blendenwerten, 1. Brennweite, 2. Fokuswahl, 3. Sucher, 4. Blitzschuh, 5. Programmwahl, 6. Belichtungswahlrad, 7. Quickmenü, 8. Auslöser, 9. Hilfslichtmessung.

Was will mir das Display sagen?

Dein Display zeigt dir jede Menge Infos, die du hinzu- oder wegschalten kannst.

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Das Display meiner Canon EOS 6D: 0. Belichtungszeit, 1. Blende, 2. Belichtungsmesser, 3. ISO-Anzeige, 4. Fokuspunkt, 5. Bildart, 6. Weißabgleich, 7. Verbleibende Bilder auf der Speicherkarte, 8. Programmart (M), 9. Belichtungsmessart (Matrix), 10. Speicherart (RAW).

So macht deine Kamera dein Foto

Was geht vor sich, wenn du ein Foto machst? Der Vorgang lässt sich auf wenige Schritte reduzieren:

Auf dein Motiv (egal ob Baum, Mensch, Insekt o. Ä.) fällt Licht. Dieses Licht wird reflektiert.

Die Linse deines Kameraobjektivs fängt diese Reflexion der Lichtstrahlen ein, die auf dein Motiv fallen.

Im Objektiv deiner Kamera befindet sich die Blende, eine winzige Öffnung. Stell dir die Blende wie die Pupille im Auge vor. Bei Dunkelheit ist sie weiter geöffnet, damit mehr Licht einfallen kann. Ist es sehr hell, dann werden die Pupillen kleiner, sodass weniger Licht ins Auge fällt.

Neben der Blende regelt die Belichtungszeit, wie viel Licht durchs Objektiv in die Kamera gelangt. Das passiert durch den Verschluss. Wenn es hell ist, öffnest du den Verschluss kurz, um wenig Licht reinzulassen. Wenn es dunkler ist, etwas länger, um mehr Licht reinzulassen. Zu Blende und Belichtungszeit kommen wir später noch ausführlich.

Früher wurde das Bild mithilfe einer chemischen Reaktion auf Film gebrannt. Heute übernehmen Kamerasensor und Speicherkarte diese Aufgaben. Das Objektiv projiziert das Bild auf den Sensor. Die einzelnen Bildpunkte (Pixel) werden vom Sensor ausgelesen und digital gespeichert.

Die Kamera speichert die Sensordaten im vorher ausgewählten For mat, wie z. B. RAW oder JPG. Zu den Speicherformaten erzähle ich dir später noch mehr.

Live-View-Display, optischer oder elektronischer Sucher?

Es gibt den elektronischen und den optischen Sucher. Der optische Sucher ist die „alte Schule“ und zeigt nur eine begrenzte Auswahl an Fokusfeldern. Er ist stromsparend und gibt ohne Verzögerung das Bild des Spiegels wieder. Der elektronische Sucher ist wie ein kleiner Bildschirm. Er zeigt Einstellungen wie z. B. Belichtung oder Weiß abgleich. Auch zeigt er oft eine Wasserwaage oder ein Gitternetz an. Das Live-View-Display arbeitet ähnlich dem elektronischen Sucher. Das Display per Live-View nutze ich häufig für nächtliche Aufnahmen. Das braucht allerdings viel Akkuleistung.

PRAXISTIPP: SO ERREICHST DU DEIN LERNZIEL

Fang einfach an. Du musst nicht sofort perfekte Fotos machen. Wichtig ist der erste Schritt.

Fotografie ist vielseitig. Ich habe das Thema in viele kleine Häppchen zerlegt. So lässt es sich einfacher lernen.

Kein Multitasking. Konzentriere dich auf die tägliche Lerneinheit – und bleib bei der Sache.

Übe, übe und übe. Dann kommt der Fortschritt.

Es gibt viele Gründe, aufzuhören: Du machst nicht so schnell Fortschritte, verlierst die Geduld oder nimmst es nicht ernst genug. Egal, brich nicht ab – sondern zieh es durch!

Lerne im Dunkeln

Früher habe ich Schlagzeug gespielt. Die Königsdisziplin war, im Dunkeln zu üben. Du lernst, wie sich das Instrument anfühlt. Übertrage das auf die Fotografie. Gehe in einen dunklen Raum und übe, wie du die Einstellungen deiner Kamera veränderst, ohne etwas zu sehen. Sobald du weißt, wie du alle Kameraeinstellungen schnell ändern kannst, ohne die Knöpfe zu suchen, wirst du eine enorme Verbesserung in deiner Fotografie feststellen.

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7 TIPPS FÜR DIE SINNVOLLE BENUTZUNG DEINER BEDIENUNGSANLEITUNG

Die Bedienungsanleitung brauchen wir jetzt, leg sie vor dich hin. (Wenn du sie nicht als Ausdruck hast, öffne die PDF-Datei, recherchiere online oder auf der CD-ROM deines Kameraherstellers.) Rüste dich zudem mit Klebenotizen, Bleistift und Textmarker.

1. Keine Angst vor der Bedienungsanleitung. Sie ist kein Roman, den du von vorne bis hinten lesen musst! Schlage zuerst nach, ob es eine Kurzzusammenfassung, erste Schritte oder eine Schnellstartanleitung gibt, und lies diese.

2. Der Autor der Bedienungsanleitung weiß nicht, wie viel du schon weißt. Verstehe sie als Sammlung mit kleinen Tipps.

3. Unterteile die Bedienungsanleitung in kleine Kapitel. Was willst du lernen: Wie du deine Kamera startest? Wie der Akku eingebaut wird oder wo du die automatische Gesichtsfelderkennung ausschaltest? All das beantwortet dir die Anleitung!

4. Wer denkt, er braucht keine Anleitung, handelt grob fahrlässig. Denn Funktionen, wie die Formatierung der Speicherkarte oder den automatischen Weißabgleich zu machen, sind sehr wichtig, und du solltest sie kennen.

5. Schlag die Warnhinweise nach. Den Akku nicht über Nacht laden? Die Handschlaufe doppelt binden? Alles wichtige Tipps, die du wissen solltest, bevor es zu spät ist.

6. Markiere wiederkehrende Themen mit einem Klebezettel. Wie die Autofokuspunkte aktiviert werden, willst du vielleicht öfter lesen. Mache es dir einfach, wichtige Infos wiederzufinden.

7. Pack die Bedienungsanleitung in deine Kameratasche. Vielleicht brauchst du mehr Infos, die du noch nicht gelesen hast!

Ich habe mich zu Anfang mit unendlich viel Technik eingedeckt. Als ob man Können und gute Fotos mit viel Technik erkaufen kann … Dem ist nicht so! Eigentlich braucht es nur wenig an Fotoequipment, um loszulegen – nämlich deine Kamera und ein gutes Objektiv!

Als Zusatzanschaffungen empfehle ich eine gute und schnelle Speicherkarte (Schreib/Lesegeschwindigkeit z.B. 32 MB und Speichergröße ab 16 GB), einen Zusatzakku (für längere Touren), eine kompakte Kameratasche sowie ein Stativ. Zudem ist ein Fern- oder Kabelauslöser praktisch, es geht aber zu Anfang auch mit dem 2- oder 10-Sekunden-Selbstauslöser (dazu später mehr). Mehr braucht es vom Equipment her nicht, damit wir uns ins Abenteuer der kommenden Tage stürzen können.

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ISO 640 | 23 mm | f4 | 1/125 s

CHALLENGE DES TAGES

Lernt euch kennen

Wie auch bei der Menükarte im Restaurant kommt es beim Fotografieren nicht auf das komplette große Ganze an. Nimm deine Kamera zur Hand und mach dich mit deinem Kameramenü vertraut. Lass uns zunächst nach wichtigen Begriffen suchen, die dir weiterhelfen.

1. Prüfe Uhrzeit und Datum. Korrigiere diese bei Bedarf.

2. Finde heraus, wo du LCD-Helligkeit und möglicherweise ein Gitternetz im Display einstellen kannst. Das hilft dir in der Bildkomposition.

3. Suche nun nach Bildqualität und Größe. Wähle die größte Bildgröße und die geringste Komprimierung. Ich empfehle RAW und JPG als Kombi.

4. Findest du die Einstellung der Töne? Deaktiviere den Piepston, wenn er dich genauso nervt wie mich.

5. Ebenfalls solltest du wissen, wo du den Weißabgleich einstellst. Dadurch ändert sich die Farbe deiner Fotos. Ich empfehle, diesen auf Automatik einzustellen. Auch eine mögliche Farbvorauswahl stelle ich immer auf Standard oder Neutral. Später beschäftigen wir uns noch intensiver mit dem Thema Weißabgleich.

6. Schaue nach, wie sich die Speicherkarte formatieren lässt. Neue Karten formatiere ich zu Beginn. Aber Vorsicht: Beim Formatieren werden alle Bilder auf der Karte gelöscht. Du hast schon Fotos gemacht? Dann sichere diese vorab auf deiner Festplatte.

Sollten alle Einstellungen verstellt sein, gibt’s das magische „Auf Werkseinstellungen zurücksetzen“, und alles ist wie vorher!

TAG 2

FINDE DEIN HAUPTMOTIV

Immer werde ich gefragt, mit welcher Kamera, welchem Objektiv oder welcher Einstellung ich dieses oder jenes Foto gemacht habe. Selten fragt jemand: „Wie bist du auf diese Motividee gekommen?“ Doch mir geht’s immer ums Motiv – egal mit welcher Kamera ich es fotografiere. Daher möchte ich dich vertraut machen mit der Suche nach dem Hauptmotiv – dem, was du wirklich in Szene setzen willst.

Wer ist Hauptdarsteller auf deinem Foto?

Kurz nach dem Kauf meiner ersten Spiegelreflexkamera habe ich mir ein cooles 10–20-mm-Weitwinkelobjektiv von Sigma geleistet. Wow, was für eine Dimension. Nun konnte ich die ganze Welt auf ein einziges Foto bekommen. Doch wenn ich heute zurückblicke, hat mich dieser visuelle Überfluss überfordert. Worauf sollte ich mich fokussieren?

Mit Fotos ist es wie mit einem guten Film: Es gibt einen Hauptdarsteller. Die Zuschauer erkennen ihn, und alles in deiner Komposition trägt dazu bei, um ihn perfekt in Szene zu setzen: Licht, Perspektive, Fokus, Gestaltungselemente und nicht zuletzt die Handlung.

Was siehst du, was dich als Motiv fasziniert?

Wer soll Hauptdarsteller deines Fotos sein? Wir lernen im Laufe der nächsten Tage einige Techniken, die dir helfen, den Blick auf den Hauptdarsteller zu schärfen. Doch muss der erste Impuls von dir kommen. Wen oder was willst du – wie und auf welche Weise – zeigen?

Die Herausforderung der Motivsuche

Typische Herausforderungen bei unser Motivsuche sind:

Ist das Motiv zu klein, wird der Betrachter deiner Fotos es vielleicht nicht als Hauptmotiv erkennen.

Sind zu viele (unwichtige) Dinge im Bild? Oje, dann ist der Sinn deines Fotos möglicherweise verfehlt.

Versuche alles, um an deinem Motiv zu arbeiten. Deine Augen und dein Gehirn machen es dir nicht leicht. Sie sind die perfekte Kombi. Siehst du ein Motiv, übernimmt dein Kopf ungefragt die Bildbearbeitung. Alles Unwichtige wird weggeschnitten.

Doch deine Kamera kann das nicht! Dein Sucher ist gnadenlos. Er zeigt alles, was du im Rahmen und in den vier Ecken deines Fotos abbildest.

Viele Wege zum perfekten Motiv

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Zingst am Abend mit einer tollen Lichtstimmung. Aber was genau ist mein Motiv? Die Hütte? Die Gräser? Das Boot? Das Auge springt etwas hin und her.

ISO 1600 | 10 mm | f3,5 | 1/100 s

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Jede Entscheidung für ein Motiv ist auch eine Entscheidung gegen etwas anderes. So habe ich den Blickpunkt auf das Boot gelegt. Das Motiv wirkt fokussierter.

ISO 1600 | 10 mm | f3,5 | 1/50 s

PRAXISTIPP: VERMEIDE DIE VERSCHMELZUNG

Was du im Moment des Fotografierens lediglich als Hintergrund registrierst wird der Betrachter deines Fotos hingegen als Fläche wahrnehmen. Er kennt die ursprüngliche Szenerie nicht. Er sieht das, was du im Foto abbildest. Denn dein Foto ist immer flach, also zweidimensional. Alles wird zusammengefügt – ungewollt und automatisch im Kopf des Betrachters. Das klassische Beispiel ist die Straßenlaterne im Hintergrund, die der Person aus dem Kopf wächst. Dabei handelt es sich um das Phänomen der Verschmelzung im Kopf. Also hab den Hintergrund im Blick, damit nichts ungewollt mit deinem Motiv verschmelzen kann. Zudem lernen wir in den nächsten Tagen tolle Tricks, um deinem Foto Tiefe zu geben und dein Motiv vom Hintergrund abzuheben.

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Die Person im Hintergrund stört mein Erdmännchenmotiv. Daher variiere ich die Perspektive leicht, denn selbst unscharfe Objekte im Hintergrund in hellen Farben lenken die Aufmerksamkeit weg.

Jeweils: ISO 100 | 125 mm | f8 | 1/320 s

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5 TIPPS, UM DEIN HAUPTMOTIV ZU FINDEN

1. Finde das, was dich fasziniert

Was hat dich innehalten lassen, bevor du überlegt hast, dieses Foto zu machen? Das sollte dein Hauptmotiv werden. Eine tolle Lichtsituation? Ein spannendes Gesicht?

2. Wie kannst du die Faszination im Bild zeigen?

Ist das Motiv schon klar genug im Bild? Stört etwas die Wirkung? Von jetzt an ist deine Mission: Mache das Einzigartige der Situation sichtbar! Wie? Das lernen wir in den nächsten Kapiteln.

3. Trenne dich von Unwichtigem

Bevor du an deiner Technik oder deinem Unvermögen zweifelst, liegt es in der Regel erst einmal an dem Zuviel, was du im Foto hast. Wir lernen noch das Aufräumen in deinem Foto. Denn weniger ist mehr, und genau das Wenige und die Leere betont dein Hauptmotiv.

4. Was kannst du zeigen, was nicht?

Ist das Motiv etwas Persönliches – die Stimmung eines Abends oder das Haustier, das dir viel bedeutet – ist das okay. Aber die Verbindung zu dir lässt sich nicht immer im Foto so darstellen. Sei kritisch, denke an die Wirkung, wenn ein Fremder deine Fotos anschaut. Gute Fotos funktionieren ohne Erklärung.

5. Habe Ausdauer

Viele meiner Fotos, die nicht so gelungen sind, sind einzig aus meiner Ungeduld heraus nicht gut geworden. Bleib dran an deiner Idee und deinem Motiv. Fotografiere eher ein Foto mehr und probiere eine neue Perspektive aus. Gib nicht so schnell auf!

Achte in deinen Fotos immer auf Dinge, die die Aufmerksamkeit des Betrachters anziehen. Sie können deinem Motiv helfen oder es stören:

1. Bereiche mit hohen Kontrasten (dazu kommen wir später noch mal ausführlich),

2. knallige, intensive Farben (toll, damit zu spielen, aber auch wichtig, diese sehr bewusst einzusetzen),

3. der hellste Bereich im Bild (Achtung: so wichtig, dass ich hier ein Ausrufezeichen setze!),

4. der Bereich mit der höchsten Schärfe (wieder ein Ausrufezeichen, daher beschäftigen wir uns damit ebenfalls in diesem Buch!).

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Der hellste Bereich hat hier im Foto auch die größte Schärfe – perfekt, denn das zieht den Blick an!

ISO 1000 | 35 mm | f2 | 1/100 s

CHALLENGE DES TAGES

Suche deinen Hauptdarsteller

Suche Motive, die du fotografieren möchtest – egal ob Küchentisch, Hund oder Blick aus dem Fenster. Aber dein Foto muss einen Hauptdarsteller haben.

1. Schnapp dir deine Kamera, wähle die Voll- oder die Programmautomatik (P). Es kommt bei dieser Übung weniger auf technischen Grundlagen als auf Inhalt an.

2. Betrachte die Szene vor dir – ohne Kamera und ohne ein Foto zu machen. Wer oder was ist dein Hauptmotiv? Nun nimm die Kamera und schau durch den Sucher. Kann man es so erkennen, wie du es dir vorgestellt hast? Wie verändert sich die Szene, wenn du etwas umherschwenkst? Fotografiere jetzt dein Foto.

3. Sei aufmerksam, was innerhalb und was außerhalb deines Rahmens – also nicht mit auf dem Foto – ist. Wohin springt dein Auge zuerst? Mache mehrere Bilder vom selben Motiv und vergleiche die Wirkung.

4. Zeige die Fotos einem Freund mit der Frage „Was siehst du?“. Prüfe, ob er dein Hauptmotiv erkennt.

Mein Motiv war das Boot. Doch war ich im ersten Bild zu weit weg. So suchte ich eine neue Perspektive und optimierte meinen Ausschnitt, bis das Boot schließlich optimal erkennbar ist.

TAG 3

FOKUS – WAS WILLST DU MIR ZEIGEN?

Die Schärfe im Foto trägt maßgeblich zur Bildwirkung bei. Umso frustrierender ist es, wenn du dir Mühe gibst und dein Motiv trotzdem unscharf ist. Woran mag es gelegen haben? Und wie verändert sich die Wirkung deines Fotos, wenn du lernst, bewusst mit scharfen und unscharfen Bereichen zu spielen?

Faszination der Fokussierung

Den Begriff „Fokussierung“ kennst du aus dem umgangssprachlichen Gebrauch – dass du dich auf etwas fokussierst, also konzentrierst. Fokussierung bedeutet im fotografischen Zusammenhang „Scharfstellung“. Mir geht es um die bewusste Wahl der Schärfeebene. Damit wird die Ebene in einem Raum bezeichnet, die wir durch das Objektiv fokussiert, also scharf gestellt haben. Das kann ein gewisser Bereich deines Fotos sein – oder das gesamte Foto. Und wie eben gelernt: Der Bereich mit der höchsten Schärfe zieht die Aufmerksamkeit auf sich.

Autofokuspunkte steuern die Schärfe

Deine Kamera verfügt über ein Messsystem – die Autofokusmessfelder/ -punkte. Du aktivierst sie über das Kameramenü. Es ist wichtig, dass du den Fokus kontrollieren kannst. Denn durch gezielte Platzierung und Steuerung ergeben sich spannende Bildaufbauten.

Die passende Fokusmethode für dich

Es gibt verschiedene Einstellmöglichkeiten und immer komplexere Messmethoden. Hier die drei wichtigsten:

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Links: Alle Fokuspunkte aktiviert

Deine Kamera wählt, was du fokussierst. Das ist nicht immer passend, denn in der Regel wird das deiner Kamera nächste Objekt fokussiert.

Mitte: Zentraler Fokus

Der Fokus liegt in der Bildmitte. Gut für den Start, doch mit dem Wunsch nach mehr Bildgestaltung kommt diese Einstellung an ihre Grenzen.

Rechts: Ein Fokuspunkt aktiviert

Du bestimmst, wo dein Fokus liegen soll. Damit hast du die volle kreative Hoheit – mein Favorit!

In Bewegung oder Stillstand

Viele Kameras unterscheiden zwischen Einzelautofokus (für Objekte, die sich nicht oder kaum bewegen), kontinuierlichem Autofokus, auch Servo genannt (Kamera stellt scharf, führt dann den Fokus nach, sofern sich das Objekt bewegt – ideal bei Tieren), sowie dem manuellen Fokus (Scharfstellen von Hand). In einigen Kameras kannst du Zonen oder Bereiche auswählen. Manche Kameras erlauben die Auswahl via Touchscreen. Probiere die Fokusmethoden durch. Ich favorisiere die Kombi aus einem Fokuspunkt und Einzelautofokus. So kann ich in Ruhe mein Motiv gestalten und einstellen.

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Der Fokus liegt auf dem Auge. Super für Porträts! Dabei sollte das Auge fokussiert werden, das am nächsten zur Kamera ist.

ISO 100 | 26 mm | f2,5 | 1/400 s

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Bei den Fotos wurde nur der Fokus verschoben. Dieser sucht in der Automatik den nächsten Punkt in der Bildmitte (hier der Zaun) und stellt auf diesen scharf. Das führt nicht immer zur gewünschten Bildwirkung.

ISO 1250 | 23 mm | f2 | 1/60 s

Ich habe oft den Einzelautofokus sowie einen Autofokuspunkt aktiviert und variiere die Position je nach Motiv. Wichtig ist für mich, dass ich mir Zeit nehme. So bekomme ich ein Gefühl für die Fokussierung.

Drücke den Auslöser nur leicht herunter. So fokussiert deine Kamera sauber das Motiv und die Schärfeebene.

Anschließend drückst du den Auslöser ganz durch und fotografierst das Foto.

Kontrolliere nun den Fokus im Display. Zoome dazu (oft mit einer Lupe am Display gekennzeichnet) in die Fotodetails. Prüfe kritisch, ob dein Foto scharf ist. Korrigiere die Einstellungen anhand der Tipps aus diesem Kapitel bei Bedarf.

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Prüfe kritisch: Ist dein Motiv wirklich scharf? Gerade bei Gegenlicht oder einfarbigen Motiven ist das immer eine Herausforderung.

ISO 250 | 24 mm | f2 | 1/1450 s

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8 TIPPS FÜR DEN FOKUS

1. Suche Kontrastpunkte im Motiv

Finde einen Punkt in deinem Motiv mit guten Kontrasten. Bei Porträts ist das Augenlid ein guter Kontrastpunkt.

2. Stehe stabil

Finde einen stabilen Stand, lehne deine Kamera auf oder nutze in schwierigen Lichtsituationen ein Stativ. So verwackelst du nicht.

3. Stelle auf Einzelautofokus und einen Autofokuspunkt

Weniger ist mehr. Wenn du einen exakten Punkt fokussierst, ist dieser schärfer, als wenn du viele Punkte im Fokus hast. Deaktiviere den kontinuierlichen Autofokus, da dieser permanent neu fokussiert.

4. Drücke den Auslöser nicht zu kräftig

Es klingt banal, aber je kräftiger du auf den Auslöser drückst, desto mehr erschüttert die Kamera. Lieber mit Gefühl.

5. Je näher, desto wahrscheinlicher ist es im Fokus

Je näher du an einem Objekt bist, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses im Automatikmodus fokussiert wird.

6. Achte auf die Naheinstellgrenze

Jedes Objektiv hat eine Naheinstellgrenze. Unterschreitest du diese, werden Fotos zwangsläufig unscharf. Das ist vergleichbar mit unserem Auge: Wenn etwas ganz nah (zu nah) dran ist, wird’s unscharf.

7. Variiere die Blende

Die Blende hat Einfluss auf die Schärfe. Je kleiner die Blende gewählt wird, desto mehr Tiefenschärfe hast du in deinem Foto. Dazu kommen wir gleich in den nächsten Kapiteln.

8. Fokussiere mit Live-View

Im Live-View-Modus ist es dir möglich, noch genauer die Schärfe zu regulieren und dich tief ins Motiv reinzuzoomen. Probiere es mal aus!

Es gibt Situationen, in denen deine Autofokusfunktion in der Kamera ewig herumkurbelt, um scharf zu stellen – gerade bei Gegenlicht!

Diese Situationen sind schwer zu fokussieren:

sehr schwaches Licht

extremes Gegenlicht oder Reflexionen

Schnee oder sehr helle Flächen

blauer, weiter Himmel

Mein Tipp: Wenn die Kamera Probleme beim Fokussieren hat, kannst du entweder auf „manuell“ umschalten und den Fokus per Hand einstellen oder aber auf „One Shot“-Fokus umschalten. In diesem Modus fokussierst du auf etwas, das in ähnlicher Entfernung ist. Dann verschiebst du die Kamera auf dein Motiv. Lass deinen Auslöser beim Verschieben halb durchgedrückt und löse erst danach aus.

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ISO 100 | 85 mm | f2,8 | 1/200 s

CHALLENGE DES TAGES

Spiel mit dem Fokus

Die Kontrolle über die Autofokuspunkte ist wichtig für deine Kontrolle der Bildgestaltung. Solltest du nicht sicher sein, wie du die Fokuspunkte änderst, recherchiere das noch einmal in der Anleitung deiner Kamera.

1. Suche dir ein Motiv mit Vordergrund in Kameranähe und einen deutlich entfernten Hintergrund.

2. Ziel ist, dass du zwei Bilder vom gleichen Motiv und Standpunkt aus fotografierst, aber der Fokus sich entscheidend ändert.

3. Stelle dazu den Autofokus auf Einzelpunktmessung. Solltest du schon mehr Erfahrung haben, dann experimentiere mit dem manuellen Fokus.

4. Wähle als Kameraeinstellung A/AV. Fotografiere mit offener Blende (kleinste mögliche Blendenzahl, wie z. B. f2,8).

5. Passe den Autofokusmesspunkt an und fokussiere für das erste Foto einen markanten Punkt im Vordergrund, beim zweiten Foto einen markanten Punkt im Hintergrund.

TAG 4

WAHRNEHMUNG SCHULEN – SEHEN LERNEN

Wir nehmen das „Sehen“ als selbstverständlich wahr. Doch genau das ist es nicht: Wir müssen trainieren, genauer hinzusehen und gewisse Dinge überhaupt erst wahrzunehmen. Diese Aufmerksamkeit ist vielen von uns verloren gegangen. Wir sind bequem geworden. Lass uns starten mit dem „Abenteuer des Sehens“.

Wir trainieren das Auge

Ich musste das Sehen intensiv üben, um nicht immer das ganze Objekt zu sehen, sondern wirklich Details, Formen und Muster zu erkennen. Lass uns deinen Blick für Details schärfen. Entdecke Konturen, Farben, Licht, Muster, Linien und vieles mehr. Die Wahrnehmung von Quadraten, Kreisen oder Dreiecken hilft dir zudem in der Entwicklung deiner fotografischen Komposition.

Denn statt gleich das ganze Objekt oder die Landschaft einfangen zu wollen oder womöglich nach dem großen Clou abzusuchen, ist es sinnvoll, wenn du dich an das Motiv herantastest und das Foto so aufbaust.

Doch ist es wichtig, zu verstehen, dass das Sehen ein mentaler Prozess ist. Dieser beginnt damit, dass deine Augen einige Informationen aus deiner Umgebung erfassen, und setzt sich darüber fort, dass dein Gehirn das verarbeitet. Das erfordert dein Bewusstsein. Das Bewusstsein aber ist ein Geisteszustand, und diesen erlebt nun mal jeder anders.

Kleine Tricks schulen den Blick

Was genau siehst du? Werde zum Beobachter! Kleine Tricks zeigen dir, wie wenig es braucht, um den negativen (also leeren) Bildbereich sichtbar zu machen. Wir beschäftigen uns immer wieder mit diesem negativen Bildbereich (auch bekannt als „negative space“).

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Ein Riss in der Mauer verändert das Motiv völlig. Auf einmal teilen sich die Flächen auf – das Motiv gewinnt an Spannung.

ISO 100 | 64 mm | f4,5 | 1/500 s

Wie lerne ich Sehen?

Welche Form hat dein Sichtfeld? Du siehst ein ovales Bild, das zu den Rändern unscharf wird. Oder? Deine Kamera hingegen zeigt nur einen Teil deines Sichtfeldes – in rechteckiger Form. Du wählst aus und bist verantwortlich, was du auf deinem Foto zeigst!

Wie lernst du Sehen? Du lernst es ständig! Immer wieder wirst du Dinge neu betrachten, in einem anderen Licht und mit einem anderen Gefühl im Herzen. Zu Beginn ist Übung wichtig. So wie wir lesen gelernt haben: Buchstabe für Buchstabe, von links nach rechts, Wort für Wort. Wir wurden schneller. Irgendwann haben wir Worte übersprungen, trotzdem erfassen wir Sinn und Inhalt.

Genauso sehen wir. Blitzschnell erfassen wir Dinge, sehen und erkennen Gefahren, bewerten nach uns bekannten Mustern. Doch übersehen wir kleine – für dein Foto möglicherweise wichtige – Details.

Probiere es aus – ändere die Richtung

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Holzpfähle am Strand in Zingst. Wir betrachten Fotos in Leserichtung – von links nach rechts. Daher funktioniert das rechte Foto besser. Links stockt unser Blick und wird scheinbar aus dem Bild geführt.

Trainiere das Sehen mit dieser Übung: Kehre die gewohnte Blick- und Leserichtung um und versuche es – statt von links nach rechts – anders herum:

Beginne mit einem Buchtext. Wenn du über die Zeilen mit den Augen von links nach rechts gehst, dann geht es schnell. Ändere die Richtung von rechts nach links und lies jedes Wort laut vor. Gar nicht so leicht!

Nimm dir ein großes Foto einer Landschaft. Scanne mit den Augen bewusst von rechts nach links. Wie fühlt es sich an?

Nun gehe nach draußen und schaue bewusst umher – mal in gewohnter Richtung und dann langsam in anderer Richtung. Beobachte deine Wahrnehmung.

Mit zunehmender Übung wird es dir immer leichterfallen, neue Details an bekannten Orten zu entdecken.

Kennst du noch das Kinderspiel „Ich sehe was, was du nicht siehst“? Eine Person sieht sich im Raum um. Dabei sucht sie einen Gegenstand, eine Farbe oder Form aus. Alle anderen Teilnehmer raten um die Wette. Nehmen wir die Idee mal als Fotospiel. Was siehst du? Zum Beispiel: „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist rund.“ Lass andere raten.

Oder bitte den anderen, die Augen zu schließen. Fotografiere ein Objekt im Raum. Dieses muss er wiederfinden.

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Noch mehr zum Sehenlernen

In der Doku „Teaching to see“ (zu finden auf YouTube) beschreibt die Künstlerin Inge Druckrey, wie sie ihren Studenten das Sehen beibringt. Wie ändern Kleinigkeiten (Striche oder geometrische Formen) bereits die Wahrnehmung? Das Ergebnis ist beeindruckend.

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1. Geh es langsam an

Bremse dich bewusst und nimm dir Zeit. Setze dich auf eine Bank und beginne zu sehen. Versuche nun, bewusst wahrzunehmen. Was passiert, welche Situationen beobachtest du? Wie ist das Licht? Welche Muster nimmst du wahr? Sei aufmerksam!

2. Zerlege eine Szene in ihre Einzelteile

Immer wieder habe ich versucht, alles zu erfassen. Bestenfalls sogar noch zeitgleich mit dem Weitwinkel. Aber das Gegenteil hat mir beim Sehen geholfen. Ich versuche, zuerst die Einzelteile zu sehen. Das Haus sieht aus wie ein Quadrat. Der Schatten stellt ein Dreieck dar. Die Fußabdrücke bilden eine Linie. Sei aufmerksam, was dein Motiv alles beinhaltet.

3. Variiere Standpunkte und Perspektiven

Versuche ein Objekt aus unterschiedlichen Richtungen zu betrachten. Gehe herum, gehe in die Knie und schau von oben rauf. Variiere und beobachte, wie es sich verändert.

4. Belass deine Kamera erst einmal in einer Brennweite

Wir beschäftigen uns später noch intensiver mit der Veränderung der Kameraeinstellungen. Spannend ist es, wenn du zu Beginn mit der gleichen Einstellung, dem gleichen Objektiv und dem gleichen Set-up fotografierst. So lenkt dich die Technik weniger ab und du lernst, genauer hinzuschauen. Dafür ist auch das Smartphone super. Denn da denkst du nur über das Motiv und weniger über die Technik nach.

In den seltensten Fällen sehen wir nur. Sonst würden wir oft mehr erkennen. Uns umgibt eine Unmenge an geometrischen Formen: Denke an Dreiecke in Straßenschildern, Fenster als Rechtecke oder Straßenmarkierungen mit Linien.

Oft ertappe ich mich, dass ich viel zu schnell durch den Kamerasucher schaue und losfotografieren möchte. Die Suche nach mir vertrauten Gegebenheiten und Gesichtern beginnt. Ich übersehe in dem Moment die Details, die Formen, die Schatten und die Hintergründe, vor denen ich stehe. Dabei machen genau diese Details oft das gute Bild aus. Wir sollten lernen, in uns hineinzuhören, was uns genau an der Szene fasziniert. Was hat uns anhalten lassen?

Die Sache, die ein Foto nicht zu dem Wow-Foto macht, ist in den seltensten Fällen die Kamera. Es ist unsere Unfähigkeit, zu sehen – wirklich zu sehen. Das wollen wir üben!

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ISO 100 | 70 mm | f8 | 1/320 s

CHALLENGE DES TAGES

Sehen lernen

Diese Übung scheint auf den ersten Blick einfach, aber du musst dich gut konzentrieren. Doch vor allem ist die Übung toll, um Sehen und Wahrnehmung zu trainieren.

1. Begib dich mit einer Kamera in einen Raum in deinem Zuhause, z. B. deine Küche, den Dachboden oder deine Garage. Es reicht eine einfache Kompaktkamera oder das Smartphone mit Kamerafunktion.

2. Nun hast du 30 Minuten Zeit, um 30 Dinge in diesem Raum zu fotografieren.

3. Aber Achtung – es gilt, dass du nur an diesem Ort bleiben sollst und nicht zwischen den Orten hin- und herwechselst.

4. Zusätzlichen Spaß macht es, wenn du einen Bekannten bittest, dir beim Betrachten der Fotos zu erzählen, was das Foto zeigt und wo dieser Gegenstand steht. Oder macht einen Rollentausch, und er fotografiert Dinge in deiner Wohnung, die du wiedererkennen musst.

TAG 5

DIE MAGIE DER BLENDE

Träumst du von mystisch wirkenden und unscharfen Hintergründen? Oder hast du lieber über die ganze Bildfläche hinweg eine knackscharfe Landschaft? Mit der Faszination des Fokus haben wir uns bereits beschäftigt. Nun kommt mit der Magie der Blende eine weitere wundervolle Bildgestaltungs-Superkraft hinzu!

Die Blende für Lichtmenge und Tiefenschärfe

Ich fotografiere im manuellen Modus. Gar nicht so schwer! Dazu musste ich die Begriffe Blende, Verschlusszeit und ISO und das Zusammenspiel kapieren.

Nehmen wir uns zuerst die Blende vor. Die Blende ist die Öffnung im Objektiv und verantwortlich für zwei wichtige Dinge in deinem Foto:

die Lichtmenge, die auf den Sensor fällt,

die Tiefenschärfe (wie viel soll unscharf sein?).

Mit der Blende regelst du, wie viel Licht auf den Kamerasensor gelangt und wie viel in deinem Foto verschwommen und wie viel scharf abgebildet ist. Damit können wir diese faszinierenden unscharfen Hintergründe zaubern. Die verleihen unserem Foto den echten Wow-Faktor!

Zeitautomatik (AV/A) – perfekt zur Übung mit Blendengröße

Im Programm der Blendenvorwahl oder Zeitautomatik (auf deiner Kame ra als A oder Av = Aperture Value zu finden) gibst du deiner Kamera die Blende vor und regelst so die Tiefenscharfe (also die Unscharfe).

Die Belichtungszeit wird automatisch angepasst. Blende, ISO und Belichtungszeit hängen auf faszinierende Weise zusammen. Wie, das üben wir noch! Das Zeitautomatik-Programm ist super, wenn du Menschen im Porträt fotografierst und unscharfe Hintergründe magst.

Große Blende – kleine Blende

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Die Blende besteht aus kreisförmig angeordneten Lamellenblechen und befindet sich im Objektiv. Die Lamellen verengen oder erweitern die Öffnung für das Licht, je nach Wahl deines Blendenwertes.

Per Blende variierst du den Schärfebereich (Tiefenschärfe) und regelst, was verschwommen und was scharf abgebildet wird. Zudem hat die Blende Einfluss auf die Lichtmenge, die durch die Öffnung gelangt. Öffnest du die Blende minimal (kleine Blende), kommt langsam wenig Licht hindurch, aber viel in deinem Bild ist scharf. Öffnest du die Blende ganz weit (offene Blende), kommt schnell viel Licht hindurch, zudem ist nur ein geringer Teil deines Fotos scharf, der Rest unscharf. Das sieht cool aus! Wie lange Licht durch die Blende kommt, regelt die Belichtungszeit. Dazu kommen wir noch.

Die Blendengröße wird in Zahlen angegeben. Aufgepasst, hier kommst du leicht durcheinander, denn ein kleiner Blendenwert (z. B. f2,8 = große Blende/viel Licht/geringe Tiefenschärfe) steht für eine große Öffnung. Folglich steht ein großer Blendenwert (z. B. f16 = kleine Blende/wenig Licht/große Tiefenschärfe) für einen kleinen Blendendurchmesser.

Je näher du mit deinem Objektiv an deinem fotografierten Hauptmotiv bist, desto stärker setzt sich das Objekt vom Hintergrund ab (das ist der sogenannte Pop-out-Effekt). Zusätzlich gilt: Je weiter dein Motiv vom Hintergrund entfernt ist, desto besser ist bei offener Blende die Wirkung der Unschärfe im Hintergrund.

Sollte der Effekt trotz offener Blende nicht so intensiv wirken, variiere den Abstand zum Hintergrund (probiere es mit zweieinhalb oder 20 Metern). Wie schon beim Fokus erklärt: Jedes Objektiv hat eine Naheinstellgrenze. Darunter wird dein fokussiertes Motiv unscharf. Eine Ausnahme sind Makroobjektive – mit denen kannst du ganz nah herangehen. Probiere aus, wie nah du rangehen kannst und wie sich die Unschärfe im Hintergrund verändert.

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Auf dem Balkon stehend, ist der Hintergrund weit weg. So ergibt sich durch das 200-mm-Teleobjektiv eine tolle Unschärfe der Häuser und Bäume hinter dem Motiv.

ISO 100 | 200 mm | f2,8 | 1/500 s

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Die Blende ist ein großartiges Gestaltungsmittel für dein Foto. Hier verrate ich dir einige Situationen, für welche die eine oder andere Blendeneinstellung passend ist.

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Offene Blende (f1,8–f4)

Die offene Blende ist perfekt, um den Hintergrund zu beruhigen, oder auch bei Szenen, in denen du wenig Licht hast.

1. Lass dich ins Foto reinziehen (Beispiel A: f1,8)

2. Pop-out-Effekt für dein Motiv (Beispiel B: f2)

3. Porträtfotos – Fokus auf die Augen (Beispiel C: f3,5)

Geschlossene Blende (f8–f20)

Die geschlossene Blende liefert hohe Tiefenschärfe, perfekt für Architektur bis hin zum Gruppenfoto. Zudem lässt die geschlossene Blende weniger Licht durch.

1. Stadtpanorama mit Langzeitbelichtung (Beispiel D: f22)

2. Architektur bei Mittagssonne (Beispiel E: f9)

3. Alles ist wichtig? Kein Detail verpassen? (Beispiel F: f14)

Je nach Brennweite können nicht immer alle Blendenwerte ausgewählt werden. So kann es passieren, dass du im Zoom/Telebereich an deinem Objektiv nicht mehr den niedrigsten Blendenwert einstellen kannst, der mit demselben Objektiv noch bei 18 mm möglich war.

Bei dem kleinstmöglichen Wert handelt es sich um die Offenblende. Ein Objektiv mit einer sogenannten durchgehenden Offenblende ist oft wertiger und teurer.

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Steht vorne auf deinem Objektiv 18–55 mm/3,5–5,6 bedeutet das, dass du bei 18 mm Brennweite eine Blende von 3,5, bei 55 mm jedoch nur eine minimale Offenblende von 5,6 anwählen kannst.

ISO 100 | 70 mm | f4,5 | 1/50 s

Was ist die Abblendtaste?

Im Kamerasucher ist bei Spiegelreflexkameras die Blende immer offen und schließt sich erst beim Auslösen. So erscheint das Sucherbild heller, und das Fokussieren wird einfacher, auch wenn dein Foto eine größere Tiefenschärfe hat und möglicherweise dunkler ist. Je nach Modell gibt’s dafür den Abblendknopf zum Anzeigen der „Arbeitsblende“ und um den Schärfentiefenbereich zu prüfen. Lies das in deiner Bedienungsanleitung nach. Für Live-View gilt das nicht – da siehst du das Livebild!

CHALLENGE DES TAGES

Deine Sammlung aus drei Bildern

Suche dir ein passendes Motiv mit Vordergrund und Hintergrund und erstelle eine Sammlung aus drei Bildern.

1. Wähle die Funktion Zeitautomatik „A“/„AV“ (auch Blendenvorwahl).

2. Fotografiere zu Beginn mit geschlossener Blende (z. B. f22). Wechsele in die Blende f8 und fotografiere schließlich mit offener Blende (z. B. f2,8) das gleiche Motiv vom gleichen Standpunkt.

3. Bei jeder Aufnahme bleibt der Fokus auf der Motivmitte. Möglicherweise ist es besser, den Autofokus abzuschalten.

4. Nun solltest du drei Bilder mit unterschiedlicher Schärfe bekommen.

Aufgepasst: Da die Schärfentiefe nicht allein von der Blende abhängig ist, sondern von Brennweite und Aufnahmeabstand, erreicht man oft mit längeren Brennweiten (z. B. 85 mm statt 30 mm) deutlichere Unterschiede, wenn du etwas Kleines fotografierst.

TAG 6

DIE FRAGE DER BELICHTUNGSZEIT

Das Prinzip der Belichtung hat sich seit Erfindung der Fotografie kaum verändert. Drücke ich den Auslöser, öffnet sich der Verschluss, und dann wird durch die Öffnung im Objektiv – genannt Blende – das Licht für einen bestimmten Zeitraum hindurch auf den Sensor gelassen. So arbeiten alte analoge sowie moderne digitale Fotoapparate. Nur das Medium Film wurde durch den Sensor ersetzt. Lass uns schauen, wie wir die Belichtungszeit kreativ nutzen.

Die Verschlusszeit komponiert dein Foto

Du weißt, dass die Blende festlegt, wie groß die Öffnung ist, durch die Licht auf deinen Sensor fällt, und zudem die Tiefenschärfe bestimmt. Die Belichtungszeit (auch Verschlusszeit genannt) regelt, wie lange das Licht auf deinen Kamerasensor fällt. Dazu wird der Verschluss geöffnet und geschlossen. Mit dieser Verschlusszeit kannst du Wasser in tausend kleine Teile zerspringen lassen oder als milchige mystische Oberfläche darstellen. Du kannst den vorbeibrausenden Radfahrer in voller Dynamik fotografieren oder die Nacht zum Leuchten bringen. Zeit und Licht sind wundervolle Partner, die deine Fotografie zum echten Wunderwerk werden lassen.

Blendenautomatik (TV/S) – perfekt zur Übung mit Belichtungszeit

Mit der Blendenautomatik (TV = Time Value oder S = Shutter Priority) – gibst du deiner Kamera die Verschlusszeit vor. Das ist insbesondere beim Sport (der schnelle Läufer bei 1/500 s), bei Naturaufnahmen mit seidi- . gem Wasser (1/10 s) oder in ähnlich lichtkritischen Situationen super. In der Regel gibst du der Kamera eine Zeit (z. B. 1/150 s) vor, in der du die Kamera gut halten kannst, ohne zu verwackeln. Dann tippst du den Auslöser an. Deine Kamera passt die Blende und den ISO-Wert an. Ich nutze das oft bei Street-Fotografie.

Wie lange belichtest du so?

Durch Wahl der Verschlusszeit komponierst du dein Foto. Dabei geht’s oft um hundertstel Sekunden, die du sonst nur vom 100-Meter-Olympia-Sprint kennst. Verschlusszeiten variieren um Sekundenbruchteile von 1/15 s, 1/60 s bis hin zu 1/250, 1/500 oder 1/1000 s. Die Unterschiede einer 1/15 s und einer 1/1000 s für die Belichtung deines Fotos sind gigantisch – ganz zu schweigen von Langzeitbelichtungen von 5, 10 oder 30 s.

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Wenn du den Flügelschlag eines Vogels oder Wassertropfen eines Rasensprengers fotografierst, wähle eine kurze Verschlusszeit (1/250 s bis zu einer 1/2000 s), um die Bewegung „einzufrieren“.

ISO 200 | 30 mm | f5,6 | 1/1600 s

Merkhilfe: Jede Halbierung der Belichtungszeit (1/500 s auf 1/250 s) führt zur Verdopplung der Lichtmenge (= eine Stufe). So kannst du den ISO-Wert oder die Blende entsprechend variieren.

Fotos, ohne zu verwackeln

Für die Wahl der Belichtungszeit ist es wichtig, einzuschätzen, wie lange du die Kamera ohne Stativ ruhig halten kannst. Je nach Brennweite wird’s ab Belichtungszeiten von 1/50 s oder länger kritisch mit der ruhigen Hand.

PRAXISTIPP: BELICHTUNGSZEIT RICHTIG WÄHLEN

Die Belichtungszeit ist für drei Dinge wichtig:

1. Die Belichtungszeit regelt, wie lange Licht auf deinen Bildsensor fällt und somit, ob ausreichend, zu viel oder zu wenig Licht für eine korrekt belichtete Aufnahme vorhanden ist.

2. Je nach Belichtungszeit kann eine Aufnahme aus der Hand scharf oder verwackelt sein. Je länger die Belichtungszeit, umso größer die Gefahr dafür.

3. Die Belichtungszeit ist je nach Motiv für die Aussage notwendig (will ich bewegtes Wasser eingefroren oder fließend zeigen?).

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A: 1/4 s, B: 1/30 s, C: 1/125 s, D: 1/640 s: Die Pustegeschwindigkeit blieb gleich, die Belichtungszeit wurde verkürzt. Probier’s aus! Erst ab einer Belichtungszeit von 1/640 s kommt mein Windrad ohne Unschärfe aufs Foto.

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10 BEISPIELE FÜR PASSENDE BELICHTUNGSZEIT

Ein paar Beispiele, wo sich kurze Belichtungszeiten für sehr schnelle Momente empfehlen.

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A: 1/1600 s, B: 1/500 s, C: 1/10 s, D: 15 s

Aufnahme aus der Hand möglich:

1. Flugzeugpropeller: Minimum 1/2000 s

2. Vögel mit scharfen Flügeln (je nach Vogel): ca. 1/1000 s – Kolibri ab 1/4000 s

3. Insekten: Minimum 1/500 s

4. rennende Kinder: Minimum 1/120 s

5. winkende Person: Minimum 1/60 s

Ab jetzt empfehle ich ein Stativ:

Autor

  • Lars Poeck (Autor:in)

Lars Poeck hat sich das Fotografieren selbst beigebracht. Wahrscheinlich hat er deshalb so viele Fans unter den Hobbyfotografen: Über 70.000 Fotografie-Begeisterte verfolgen monatlich seinen Blog ig-fotografie.de. Seine hervorragenden Tipps und Anregungen inspirieren dabei nicht nur Einsteiger.
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Titel: Fotografieren lernen