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Rücken ohne Schmerz

Die besten Tipps zur schnellen Selbsthilfe, 5x5 Übungen, die wirklich helfen

von Dr. Felix Söller (Autor:in) Ellen Warstat (Autor:in)
152 Seiten

Zusammenfassung

Fast immer sind Schmerzen die Folge unseres Lebensstils: zu viel Stress, zu wenig Bewegung, eine ungesunde Ernährung. Außerdem gibt es vieles im Alltag, das den Rücken belastet. Oft genügt es, kleine Stellschrauben im Leben zu verändern, um Rückenschmerzen nachhaltig loszuwerden. Das A und O für einen schmerzfreien Rücken ist eine starke Rumpfmuskulatur. Hierfür gibt es 5x5 ganz einfache Übungen, die wirklich helfen. Dr. Söller ist davon überzeugt: Es lohnt sich für jeden Menschen, selbst Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten aktiv zu werden. Wer es einmal ausprobiert hat, merkt schnell, wie viel Freude das macht. Und das hilft dann nicht nur dem Rücken, sondern auch der Seele.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn Sie sich dieses Buch gekauft haben, plagen Sie wahrscheinlich gelegentlich oder auch öfter Rückenschmerzen. Damit sind Sie nicht allein. Jedes Jahr gehen etwa 20 Millionen Patienten wegen Beschwerden an der Wirbelsäule zum Arzt. Ich bin seit fast 20 Jahren als Orthopäde tätig und habe in dieser Zeit viele Facetten vom „Kreuz mit dem Kreuz“ gesehen. Die Menschen, die zu mir kommen, möchten natürlich möglichst schnell vom Schmerz befreit werden. Dafür entwickle ich dann jeweils einen individuellen Therapieplan. Neben der Behandlung ist es aber genauso wichtig, dass die Betroffenen überlegen, wieso es zu den Schmerzen gekommen ist. Schließlich sollen die Beschwerden ja nicht ein paar Wochen oder Monate später wiederkommen. Es ist mir jedoch aufgefallen, dass viele Patienten gar keine Vorstellung davon haben, was ihrem Rücken schadet – oder umgekehrt: was ihn stark macht und gesund hält.

Aus diesen Erfahrungen wurde die Idee geboren, einen Ratgeber zur Selbsthilfe zu schreiben. Denn tatsächlich lassen sich Rückenbeschwerden in den meisten Fällen gut selbst behandeln. Im ersten Teil des Buchs möchte ich Ihnen das nötige Basiswissen dafür mitgeben. Anders als in medizinischen Fachbüchern wird jedoch alles in einer verständlichen Sprache erklärt.

Fast immer sind Schmerzen die Folge unseres Lebensstils: zu viel Stress, zu wenig Bewegung und/oder eine ungesunde Ernährung. Es gibt vieles im Alltag, das den Rücken belastet. Deshalb widmen wir uns im zweiten Teil des Buchs diesen Faktoren. Denn tatsächlich genügt es manchmal, kleine Stellschrauben im Leben zu verändern, um Rückenschmerzen nachhaltig loszuwerden. Mir hat es zum Beispiel geholfen, jeden Tag mit dem Hund spazieren zu gehen.

Das A und O für einen schmerzfreien Rücken ist eine starke und zugleich elastische Rumpfmuskulatur. Die können Sie sich mit den Übungen im dritten Teil des Buches antrainieren. Alle wirken sehr effektiv – und kosten Sie nicht viel Zeit! Sie können die Übungen problemlos zu Hause durchführen. Zudem gibt es meist eine leichte Variante für Anfänger und eine etwas herausfordernde für schon besser trainierte Menschen. Ganz bewusst habe ich auch ein Workout fürs Büro zusammengestellt. Denn das Dauersitzen vor dem Computer ist mittlerweile einer der größten Risikofaktoren für die Rückengesundheit.

Ich möchte Sie mit diesem Buch motivieren, regelmäßig etwas für Ihren Rücken zu tun – und zwar ganz egal, wie alt Sie sind. Studien haben gezeigt, dass auch 90-Jährige noch Muskeln aufbauen können. Es lohnt sich also wirklich für jeden Menschen, selbst etwas Verantwortung für seine Gesundheit zu übernehmen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten aktiv zu werden. Wer es einmal ausprobiert hat, merkt schnell, wie viel Freude das macht. Und das hilft dann nicht nur dem Rücken, sondern auch der Seele.

Ihr

Facharzt für Orthopädie, Akupunktur, Chirotherapie und Sportmedizin

IHR RÜCKEN – EIN KOMPLEXES SYSTEM

Wenn Sie Ihren Rücken und seine Strukturen besser verstehen, leuchtet Ihnen schnell ein, was ihm guttut und was nicht. Das ist die Basis für rückenfreundliches Verhalten und auch für Selbsthilfe bei Beschwerden.

Der gesunde Rücken macht alles mit

Lenken Sie jetzt bitte Ihre Aufmerksamkeit einmal kurz auf Ihr Kreuz. Wie fühlt es sich an? Geschmeidig wie bei einer Katze oder vielleicht doch schon ein bisschen eingerostet? Ein gesunder Rücken ist stabil, aber dabei sehr beweglich. Beides ist nicht unbedingt eine Frage des Alters. Es gibt 80-Jährige, die sehr fit sind und keine Rückenbeschwerden haben. Aber leider kommen schon Kinder zu mir in die Praxis, die über Schmerzen im Kreuz klagen. Tatsächlich sind davon bereits rund 40 Prozent der 11-bis 14-Jährigen zumindest manchmal betroffen, so die Zahlen einer bundesweiten Forsa-Umfrage unter 100 Kinder- und Jugendärzten im Auftrag der Krankenkasse DAK. Dabei ist die Wirbelsäule im Kindesalter von Natur aus noch weich und flexibel. Wieso kommt es dann zu Problemen? Das liegt oft an einer schwachen Muskulatur: Denn in einem gesunden Rücken müssen alle Strukturen in und an der Wirbelsäule möglichst optimal zusammenspielen. Welche das sind, erfahren Sie jetzt.

Die Wirbelsäule

Unsere Wirbelsäule ist die zentrale Stütze des Körpers und hat sehr widersprüchliche Aufgaben. Zum einen soll sie stark und stabil sein. Schließlich ist sie es, die uns Halt gibt und damit aufrechtes Gehen ermöglicht. Zum anderen muss sie flexibel sein. Denn nur dann sind wir in der Lage, uns in alle Richtungen zu bewegen.

Schaut man von hinten auf den Rücken, scheint die Wirbelsäule eine gerade Linie zu bilden. Von der Seite betrachtet, sieht die Sache jedoch ganz anders aus: Wir erkennen zweimal ein S. Im Bereich der Halswirbel biegt sich das Rückgrat leicht nach vorn (konkav). Die Brustwirbelsäule wölbt sich dagegen nach hinten (konvex), während die Lendenwirbelsäule wieder nach vorn und die Einheit aus Kreuz- und Steißbein nach hinten zeigt. Mit diesem Hin und Her ist der Natur keineswegs ein Fehler unterlaufen. Denn das Doppel-S federt Erschütterungen ab, die beim Gehen automatisch entstehen. Wäre die Wirbelsäule gerade, bekämen wir beim Laufen Kopfschmerzen, weil unsere Schritte dann nicht abgefedert würden.

Gut zu wissen: Dass sich die Wirbelsäule im Laufe der Jahre etwas abnutzt, ist übrigens nicht krankhaft. Das gehört genau so zum Leben wie Haare, die grau werden. Der Körper ist durchaus in der Lage, sich an diesen Verschleiß anzupassen – vorausgesetzt, man geht pfleglich mit sich um. Was das bedeutet, lesen Sie ab Seite 51. Deshalb gibt es viele Menschen, deren Röntgen- oder MRT-Bild Abnutzungserscheinungen zeigt, die aber keine Beschwerden haben.

Die Wirbel

Durch das Steißbein schwankt die Zahl unserer Wirbel zwischen 33 und 34 – je nach dem, ob das Steißbein aus 4 oder 5 Wirbeln besteht.

Die Wirbelsäule setzt sich aus 33 bzw. 34 Wirbeln zusammen, die von oben nach unten gezählt werden. Damit Sie Ihren Orthopäden in Zukunft besser verstehen, hier die Übersicht wie die jeweiligen Abschnitte des Rückgrats im medizinischen Jargon genannt werden:

Die Halswirbelsäule (HWS) besteht aus 7 Wirbeln. Ärzte nennen sie C1 bis C7. Das C steht für Cervix, was aus dem Lateinischen übersetzt Nacken bzw. Hals bedeutet.

Die Brustwirbelsäule (BWS) hat 12 Wirbel: Th1 bis Th12. Th ist die Abkürzung für Thorax, auf Deutsch Brustkorb.

Die Lendenwirbelsäule (LWS) setzt sich aus 5 Wirbeln zusammen – L1 bis L5. Das L leitet sich vom lateinischen Lumbus für Lende ab.

Das Kreuzbein besteht aus den 5, im Laufe der Evolution miteinander verschmolzenen Wirbeln S1 bis S5. S steht für Sacrum, auf Deutsch Kreuzbein.

Das Steißbein war ursprünglich einmal unser Schwanz. Es hat 4 bis 5 miteinander verwachsene Wirbel. Ärzte sprechen von Co1 bis Co5, denn ins Lateinische übersetzt heißt Steibein Os coccygis.

Jeder Wirbel besteht aus einem Wirbelkörper und einem Wirbelbogen. In ihrer Mitte befindet sich ein Loch, der sogenannte Spinalkanal. Durch ihn zieht sich – gut geschützt von den knochigen Strukturen – das Rückenmark mit seinen Nervenbahnen. Auf jeder Seite des Wirbelbogens entspringt ein sogenannter Querfortsatz und auf der Rückseite der Dornfortsatz. An ihnen setzen Bänder und Muskeln an. Verbunden sind die Wirbel über sogenannte Facettengelenke.

Gut zu wissen: Die Facettengelenke können entlang der ganzen Wirbelsäule zu verschleißbedingten Schmerzen führen. Am häufigsten ist die Lendenwirbelsäule betroffen, weil auf ihr das meiste Gewicht lastet. Die Abnutzung wird zum Beispiel durch Über- bzw. Falschbelastungen wie häufiges Heben schwerer Lasten, Bücken und Überkopfarbeiten gefördert, aber auch durch zu wenig Bewegung, einen Bandscheibenvorfall oder Übergewicht.

Die Bandscheiben

Sie liegen zwischen den Wirbeln und bestehen jeweils aus einem faserigen Bindegewebsring, der einen weichen Gallertkern hat. Er enthält zum überwiegenden Teil Wasser. 90 Prozent sind es beim Baby, etwa 70 Prozent bei einem 70-Jährigen.

Gemeinsam mit den Facettengelenken ermöglichen uns die flexiblen Bandscheiben Beweglichkeit. Denn ihr Kern kann sich verlagern, wenn sich die Wirbelkörper beim Vor- oder Rückbeugen aneinanderlegen müssen.

Neben der Doppel-S-Form der Wirbelsäule sind die Bandscheiben unser zweiter Stoßdämpfer im Rückgrat. Springen wir über eine Pfütze oder heben einen schweren Getränkekasten, puffern sie die Belastung ab. Vorausgesetzt ihr Gallertkern wird gut mit Flüssigkeit versorgt, die er wie ein Schwamm aufsaugt. Und hier kommen Sie ins Spiel: Denn die Bandscheiben werden nicht über Blutgefäße genährt, sondern ausschließlich durch Flüssigkeitsaustausch. Er funktioniert aber nur richtig gut, wenn Sie sich bewegen. Das Auftanken sieht dann so aus: Bei körperlicher Aktivität wird verbrauchte Flüssigkeit aus dem Gallertkern herausgepresst. Liegen wir still, nimmt er wieder frische nährstoffreiche Flüssigkeit aus dem umliegenden Gewebe auf. Besonders gut regenerieren die Bandscheiben nachts, wenn wir schlafen. Das ist ein Grund, warum wir morgens etwas größer als abends sind. Hinzu kommt, dass sich die S-Form der Wirbelsäule im Tagesverlauf durch die Schwerkraft zusammendrückt – die Kurven also größer werden und nachts dann wieder abflachen.

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Gut zu wissen: Nicht jeder Bandscheibenvorfall muss höllisch wehtun. Ich habe pro Woche zwei oder drei Patienten, bei denen man beim Blick auf die MRT-Aufnahme sagen würde: Ein monströser Bandscheibenvorfall, das muss sofort operiert werden. Doch diese Menschen sagen mir, dass es lediglich im Kreuz zieht. Die Erklärung: Je größer der Wirbelkanal, umso weniger Schmerzen verursacht ein Bandscheibenvorfall. Bei manchen hat diese Röhre, in der Rückenmark, Nerven und Blutgefäße verlaufen, einen Durchmesser von 1,5 Zentimetern, bei anderen nur von 0,8 Zentimetern.

Die Bänder

Damit die Wirbelsäule gleichzeitig stark und beweglich sein kann, müssen auch ihre sechs Band-Systeme intakt sein:

Das vordere Längsband begrenzt von oben nach unten die Vorderseiten der Wirbelkörper und stabilisiert damit die Wirbelsäule Richtung Hals, Brust und Bauch.

Das hintere Längsband zieht sich an der hinteren Fläche der Wirbelkörper entlang und grenzt den vorderen Bereich des Wirbelkanals ab.

Die gelben Bänder – sie heißen so, weil sie tatsächlich gelblich aussehen – haben die Aufgabe, die Wirbelbögen miteinander zu verbinden.

Die Bänder zwischen den Querfortsätzen verbinden diese wie ein kräftiges Netz.

Die Zwischendornfortsatzbänder ziehen sich von Dornfortsatz zu Dornfortsatz und verbinden damit die einzelnen Wirbel auf der Rückseite des Rückgrats.

Das Überdornfortsatzband verläuft vom C7 bis zum Kreuzbein. Gemeinsam mit dem vorderen und hinteren Längsband dient es als senkrechte Stütze der Wirbelsäule.

Gut zu wissen: Mit starken Rücken- und Bauchmuskeln halten Sie auch Ihre Bänder in Form.

Die Muskeln

Wie ein natürliches Korsett stabilisiert die Rumpfmuskulatur die Wirbelsäule und unterstützt sie, wenn wir uns nach vorn beugen, zur Seite neigen, umdrehen oder auch nur stehen. Das klappt nur reibungslos, wenn Rücken-, Bauch- und Gesäßmuskeln fitte und gute Teamplayer sind. Trainiert man die Muskelgruppen einseitig, verzieht sich mit der Zeit der Rücken und damit irgendwann auch der ganze Körper.

Unsere Rückenmuskulatur besteht aus zwei Schichten. Die oberste lässt sich bewusst ansteuern und damit sehr gezielt kräftigen. Ihre Muskeln verbinden die Wirbelkörper mit den Schultergelenken und der Hüfte. Damit sorgen sie für Stabilität und ermöglichen eine aufrechte Haltung. Darüber hinaus spielt diese Muskulatur auch mit anderen Teilen des Körpers zusammen. Mithilfe des Trapezmuskels können wir beispielsweise unser Schulterblatt drehen und mit dem breiten Rückenmuskel die Arme nach hinten ziehen.

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Daneben gibt es die tiefe Muskelschicht. Sie lässt sich nicht bewusst ansteuern, aber zum Beispiel mit Balance-Übungen auf dem Wackelbrett oder einbeinigem Stehen auf einem Kissen dennoch gut trainieren. Diese kleinen Muskeln sind maßgeblich daran beteiligt, uns aufrecht zu halten. Zudem übernehmen sie beim Bewegen automatisch die Feinarbeit. Dank ihrer Führung stehen die Facettengelenke zwischen den Wirbeln immer in der richtigen Position und verkanten nicht. Durch diese Absicherung bleiben auch die Bandscheiben an ihrem Platz und die Wirbelkörper greifen wie Zahnräder ineinander – dadurch ist uns geschmeidiges Bewegen möglich.

Gut zu wissen: Beim aufrechten Gehen lastet das Gewicht des gesamten Oberkörpers auf den kleinen unteren Lendenwirbeln – 90 Prozent dieser Kilos federt die Rumpfmuskulatur ab. Da leuchtet es ein, dass schwache Muskeln oft zu Schmerzen führen. Denn ohne den muskulären Halt krümmt sich die Wirbelsäule über die Maßen. Dann müssen bestimmte Muskeln permanent gegenarbeiten, ihre Durchblutung nimmt ab, es entstehen schmerzhafte Verspannungen. Darüber hinaus fangen kraftlose Muskeln die Stöße nicht mehr ab, die beispielsweise beim Springen den Rücken belasten. Auf diese Weise können Teile der Wirbelsäule sozusagen verrutschen oder verschleißen.

Die Faszien

Lange Zeit hielt man sie für simples „Verpackungsmaterial“, denn dieses weißliche bis transparente, 0,3 bis 3 Millimeter dicke Bindegewebe umhüllt Muskeln, Knochen, Sehnen und Organe.

Dank hochauflösendem Ultraschall konnten Forscher in den letzten Jahren nachweisen, dass dieses feine, hochkomplexe Fasziennetz unseren ganzen Körper zusammenhält und für die gesamte Kraftübertragung wichtig ist. Beim Gehen, Laufen, Hüpfen oder Werfen entsteht ein großer Teil der Bewegungsenergie aus dem Katapult-Effekt der Faszien. Bücken, Aufrichten oder Gegenstände heben wäre ohne sie unmöglich. Die überraschendste Erkenntnis aber war, dass Faszien Sinnesorgane sind. Dank ihnen spüren Sie beispielsweise, wenn Sie krumm stehen. Verfilzt dieses Gewebe, geht uns dieses Feingefühl für Bewegungen etwas verloren – und es steigt die Verletzungsgefahr.

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Aber damit nicht genug: Da die Faszien unseren Körper in verschiedenen Ketten durchziehen, kann es zu Beschwerden im Kreuz kommen, obwohl die Ursache des Übels beispielsweise im Po oder im Arm liegt, weil sich dort Bindegewebe verfilzt hat. Dann gleitet es nicht mehr frei über die Muskeln und bringt mit der Zeit über die Faszienkette auch den Rücken in Schieflage. Deshalb sollte man bei unspezifischen Rückenschmerzen überprüfen, ob sich im Fasziennetz Schmerzpunkte entdecken lassen.

Gut zu wissen: Faszienschmerzen erkennen Sie daran, dass Sie nicht punktgenau auf die Stelle zeigen können, die weh tut. Der Schmerz strahlt breitflächig aus.

Die Nerven

Vom Rückenmark zweigen die Spinalnerven ab. Sie verlassen den Wirbelkanal paarweise durch die jeweils zugehörigen linken und rechten Zwischenwirbellöcher. Die hintere Nervenwurzel überträgt Gefühlsimpulse von den inneren Organen, Muskeln und Geweben an das Rückenmark. Die vordere leitet Bewegungsimpulse vom Rückenmark an die Muskeln. Einer dieser Nervenstränge ist der Ischiasnerv. Er kann je nach Körpergröße bis zu 90 Zentimeter lang sein. Er zieht durch die Beine bis in die Zehen.

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Gut zu wissen: Der Raum zwischen den Wirbeln ist eng begrenzt. Wirbelverschleiß, eine Verengung des Wirbelkanals, eine vorgewölbte Bandscheibe oder ausgetretenes Gewebe bei einem Bandscheibenvorfall kann die Wurzel eines Spinalnervs bedrängen. Das reizt den Nerv und kann starke Beschwerden auslösen. Doch die Schmerzen zeigen, dass der Nerv noch lebt. Kritisch sind dagegen Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle oder Muskelschwäche.

Die Iliosakralgelenke

Die beiden Kreuz-Darmbein-Gelenke, auch Iliosakralgelenke (ISG) genannt, liegen links und rechts schräg unterhalb der Lendenwirbelsäule. Sie verbinden das Darmbein, das Teil des Beckens ist, mit dem Kreuzbein der Wirbelsäule. Die ISG sind wesentlich an der Kraftübertragung vom Oberkörper auf die Beine beteiligt. Da Darmbein und Kreuzbein über sehr straffe Bänder miteinander verbunden sind, haben die Iliosakralgelenke viel weniger Spielraum für Bewegungen als andere Gelenke. Wir können sie auch nicht willentlich ansteuern.

Gut zu wissen: Vor allem im höheren Lebensalter ist Verschleiß an Iliosakralgelenken in mehr als 20 Prozent der Fälle für chronische Kreuzschmerzen verantwortlich. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass dieser Schmerzauslöser erst einmal nicht erkannt und damit nicht oder nicht angemessen behandelt wird. Denn die Symptome können denen eines Bandscheibenvorfalls, arthrotisch veränderten Facettengelenken der Lendenwirbelsäule oder einem Wirbelgleiten ähneln.

Die Wirbelsäulenstatik

Ein Haus besitzt nur dauerhafte Standfestigkeit, wenn seine Statik stimmt. Das gilt auch für die Wirbelsäule. Sie hält viel aus, wenn alle Gelenke der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule, des Beckens sowie die Iliosakralgelenke in der richtigen Position stehen. Verrutscht jedoch eines minimal oder hat man von Geburt an ein starkes Hohlkreuz oder einen Rundrücken, kann das zu Schmerzen führen. Auch kleinste Beinlängendifferenzen oder Fußfehlstellungen können die Wirbelsäule stören, wenn sie zu einem muskulären Ungleichgewicht führen.

Gut zu wissen: Solche kleinen Störungen bleiben häufig unentdeckt. Deshalb rate ich bei unklaren Rückenschmerzen, den Rücken vermessen zu lassen. Eine strahlenfreie 4D-Analyse, die eine Kombination aus Video- und Computertechnik nützt, erfasst Abweichungen vom anatomischen Normalzustand sehr präzise. Folgende Fehlstellung kann das 4D-Vermessungssystem aufdecken: Fehlfunktionen der Wirbelsäule, Skoliosen, Hohlrückenbildung, Rundrückenbildung, Beckenschiefstände, Beckenverdrehung, Beckenkippung.

SELBSTHILFE IST TRUMPF

Es zieht, zwickt und sticht im Kreuz. Wenn die Schmerzen nicht so schlimm sind, dass sie nicht auszuhalten sind, können Sie sich in vielen Fällen selbst kurieren. Tatsächlich würden sogar etwa 80 Prozent der Rückenschmerzen von allein wieder verschwinden. Doch wer will schon länger leiden als nötig?

Von Tabletten bis Kinesiotapes – so helfen Sie sich selbst

Fast jeder hat sich schon mal eine Wärmflasche oder einen Coolpack auf eine schmerzende Stelle gelegt. Aber selbst bei so einfachen Therapieformen kann man etwas falsch machen. Auch bei der Einnahme von Schmerzmitteln und anderen Maßnahmen zur Selbstbehandlung des Rückens gilt es einiges zu beachten. Deshalb erkläre ich Ihnen hier alles ganz genau. Dann verstehen Sie im nächsten Kapitel bei den Beschwerdebildern meine Hinweise zur SOS-Hilfe besser.

Rezeptfreie Schmerzmittel

Zur Selbstbehandlung von Rückenschmerzen sind aus der Medikamentengruppe Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) die Wirkstoffe Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen in Tablettenform geeignet. Sie wirken schmerzlindernd und entzündungshemmend. Scheuen Sie sich nicht, bei großen Schmerzen kurzfristig zu diesen Arzneimitteln zu greifen. Denn heute weiß man: Das beste Mittel gegen die Rückenschmerzen ist nicht Liegen, sondern in fast allen Fällen sanfte Bewegung – zum Beispiel Spazierengehen. Das können Sie aber nur, wenn mithilfe der Tabletten die Entzündung zurückgeht, die Schmerzen nachlassen und damit auch die Muskeln wieder lockerlassen. So vermeiden Sie, in den Teufelskreis aus Schmerz, Verspannung und verstärktem Schmerz zu kommen.

Welcher Wirkstoff die besten Effekte zeigt und gut vertragen wird, ist individuell verschieden. Da bleibt nur: Ausprobieren, welcher Ihnen am besten hilft. Da diese Medikamente unter anderem auf den Magen schlagen können, sollten Sie sie ohne ärztlichen Rat nicht länger als ein bis zwei Wochen nehmen. Niedrig dosiert bekommt man NSAR rezeptfrei in der Apotheke, höher dosiert unterliegen sie der Rezeptpflicht.

Es gibt auch frei verkäufliche Salben und Gele mit NSAR. Allerdings hilft diese äußerliche Therapie meist nicht so gut: Der eigentliche Wirkstoff kann nämlich nur schwer durch die Haut bis zum Schmerzgeschehen eindringen.

Pflanzliche Entspannungsmittel

Wenn Stress, Ängste oder Sorgen die Muskeln verkrampfen lassen, kann es hilfreich sein, die Psyche phytotherapeutisch zu unterstützen. Beim Kauf eines pflanzlichen Präparats sollten Sie jedoch darauf achten, dass es sich um ein gut geprüftes Arzneimittel handelt. Dann können Sie sicher sein, dass seine Qualität und Unbedenklichkeit die gleichen gesetzlichen Bestimmungen erfüllt wie ein synthetisches Medikament. Auch bei Tees lohnt es sich, auf die Herkunft aus kontrolliertem Anbau zu achten, damit die Produkte die gewünschten Inhaltsstoffe enthalten.

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Kaufen Sie pflanzliche Mittel lieber in der Apotheke als im Internet, denn dort werden sie nicht über Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt.

Sollten Sie pflanzliche Mittel über einen längeren Zeitraum und/oder zusätzlich andere Medikamente einnehmen, ist es besser, Rücksprache mit Ihrem Arzt zu halten. Denn auch pflanzliche Medizin ist nicht immer frei von Nebenwirkungen. Außerdem kann ein Mix verschiedener Heilkräuter oder die Kombination mit synthetischen Medikamenten unverträglich sein. Grundsätzlich gilt jedoch für die folgenden Phytopharmaka, dass weder ein Gewöhnungseffekt noch Abhängigkeit zu befürchten sind. Sie können bei Bedarf alle über Wochen oder Monate eingenommen werden, bis die Stressphase vorüber ist.

Nützliche Heilpflanzen bei Stress und innerer Unruhe

Die folgenden Heilpflanzen sind in ihrer Wirkung wissenschaftlich gut erforscht:

Baldrian

Der Klassiker unter den Phyto-Einschlafhilfen beruhigt vor allem dank zwei seiner Naturstoffe – der Valeriansäuren und der Lignane – das Gedankenkarussell. Diese Kombination besänftigt außerdem die Nerven und entspannt dadurch auch die Muskeln. Empfehlenswert bei innerer Unruhe und nervös bedingten Einschlafstörungen.

Anwendungstipp: Am besten am frühen Abend und noch einmal vor dem Zubettgehen ein mit 600 Milligramm hoch dosiertes Baldrianextrakt-Präparat einnehmen. Die Wirkung von Baldrian wird in einem Kombinationspräparat mit Hopfen und Melisse verstärkt.

Johanniskraut

Es blüht Mitte Juni, um den Johannistag – daher der Name der Pflanze. Empfehlenswert bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Für den stimmungsaufhellenden Effekt sorgt der sekundäre Pflanzenfarbstoff Hyperforin.

Anwendungstipp: Wenn Stress zu depressiven Verstimmungen führt, täglich 900 Milligramm Johanniskraut-Extrakt nehmen. Einige Menschen spüren nach circa zwei bis drei Wochen eine Besserung, bei anderen dauert es bis zu vier Wochen. Die Therapie mindestens acht bis zehn Wochen, besser sechs bis zwölf Monate fortsetzen, um erneuten Depressionen vorzubeugen. Wer Johanniskraut einnimmt, sollte sich nicht allzu lange der Sonne aussetzen. Denn in seltenen Fällen kann es dadurch zu Hautveränderungen kommen.

Lavendel

Soll die duftende, lila Pflanze medizinisch wirken, muss man den schmalblättrigen Arzneilavendel (Echter Lavendel) verwenden. Empfehlenswert bei nervösen Angstzuständen sowie damit verbundenen Einschlafproblemen. Denn die Lavendel-Inhaltsstoffe Linalool und Linalylacetat verbessern nachweislich die Reizfilterfunktion des Nervensystems.

Anwendungstipp: Täglich eine Kapsel mit 80 Milligramm Arzneilavendelöl einnehmen. Dadurch können sich bereits nach drei bis vier Tagen Angstzustände reduzieren. Der Schlaf wird in der Regel nach vier bis sechs Wochen deutlich besser. Macht tagsüber nicht müde.

Passionsblume

Die lila blühende Heilpflanze stammt aus den Regenwäldern Brasiliens und ist dort für die Ureinwohner Medizin. Neben ätherischem Öl sind für ihre beruhigende Wirkung sekundäre Pflanzenstoffe, sogenannte Flavonoide, und der Aromastoff Cumarin verantwortlich. Empfehlenswert bei nervösen Beschwerden wie Stimmungsschwankungen, Unruhe und Reizbarkeit. Passionsblume entspannt die Nerven, ohne tagsüber müde zu machen.

Anwendungstipp: 2- bis 3-mal täglich 425 Milligramm Passionsblumen-Extrakt einnehmen.

Rosenwurz

Der Name der Pflanze ist auf den Duft ihres Wurzelstocks zurückzuführen. Er riecht nach Rosen, wenn man ihn anschneidet. Empfehlenswert bei allen Stresssymptomen wie Erschöpfung, Müdigkeit und Schwächegefühl. Denn Rosenwurz ist eine sogenannte adaptogene Pflanze. Das bedeutet, sie erhöht die natürliche Widerstandskraft der Nerven, indem sie die übermäßige Ausschüttung des Stresshormons Cortisol hemmt.

Anwendungstipp: Morgens und mittags 200 Milligramm Rosenwurz-Extrakt einnehmen. Die Wirkung ist nach circa zwei Wochen spürbar.

Wärme

Wärme fördert die Durchblutung. Dadurch ist der Körper in der Lage, Schmerzstoffe schneller abzutransportieren und die Muskulatur kann sich entspannen. Ich rate jedoch davon ab, Wärmesalben oder -pflaster zu benutzen, denn die Temperatur muss in der Tiefe wirken. Das schaffen Präparate mit Pfeffer- oder Chiliextrakten nicht. Sie erwärmen nur die oberen Hautschichten.

Zur Wärmebehandlung geeignet sind dagegen eine Wärmflasche, ein erhitztes (aber nicht zu heißes!) Kirschkernkissen, ein über Wasserdampf erwärmter Heublumensack oder Wärmeumschläge mit Eisenpulverzellen, die beim Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft automatisch eine acht Stunden anhaltende angenehme Tiefenwärme erzeugen. Legen Sie den Wärmespender einfach auf die schmerzende Stelle und ruhen dann für 45 Minuten. Den Wärmeumschlag legen Sie am besten über Nacht an. Das hat gegenüber einer Wärmflasche oder einem Kirschkernkissen den Vorteil, dass die Muskeln über Stunden gewärmt werden und so nachhaltiger entspannen können.

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Probieren Sie aus, ob bei Ihnen Wärme oder Kälte wirkt. Das ist individuell unterschiedlich.

Auch ein warmes Bad wirkt schmerzlindernd. Bei einer Wassertemperatur von 36 bis 37 °C können sich die Muskeln am besten entspannen. Durch den Zusatz ätherischer Öle lässt sich die Relax-Wirkung verstärken. Wenn die Verspannung stressbedingt ist, 12 Tropfen Lavendelöl als Badezusatz nehmen. Bei Verspannung durch eine Überlastung der Muskulatur hat sich die durchblutungsfördernde Kombination aus 12 Tropfen Wacholderöl und 12 Tropfen Fichtennadelöl bewährt. Damit das Öl nicht nur auf der Wasseroberfläche schwimmt und sich als Film auf die Haut legt, muss es emulgieren, das heißt mit 100 ml Sahne oder 4 EL grobem Meersalz vermischt werden. 20 bis 30 Minuten baden, danach mindestens noch 30 Minuten ruhen.

Rotlichtlampen, auch Infrarotlichtlampen genannt, fördern ebenfalls die Durchblutung und geben eine angenehme Wärme ab. Um eine gute Wirkung zu erzielen, die betroffene Region des Rückens 1-mal täglich für 15 bis 30 Minuten bestrahlen. Bei Bedarf können Sie Rotlicht aber auch 2- bis 3-mal am Tag anwenden. Grundsätzlich gilt: Halten Sie 30 bis 50 cm Abstand zur Lampe ein und sollte es zu einer schmerzhaften Hautreizung kommen, brechen Sie die Behandlung sofort ab. Wichtig: Tragen Sie außerdem eine Schutzbrille, denn Infrarotstrahlen können auch bei geschlossenen Liedern in die Augen vordringen.

Bei starken Verspannungen können Sie sich vom Orthopäden Physiotherapie in Form von Fango-, Naturmoor- oder WarmluftAnwendungen verschreiben lassen.

Kälte

Bei akuten Entzündungen und Nervenreizung eignen sich Kältepackungen zur Schmerzlinderung. Eine Entzündung erkennen Sie in der Regel daran, dass das Gewebe geschwollen, heiß und/ oder gerötet ist. Ein gereizter Nerv kann zu kribbelnden, brennenden, plötzlichen Schmerzen führen. Durch den Kältereiz ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Das verringert die Durchblutung des Gewebes und die Schwellung geht zurück. Kälte hemmt zudem die Schmerzleitung der Nervenfasern.

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Plötzliche Kälte auf der Haut kann dazu führen, dass die oberen und manchmal auch die tieferen Hautschichten abfrieren. Das nennen Mediziner Kälteverbrennung.

Bei einer Nervenreizung legen Sie die Kühlpackung für 1 bis 3 Minuten auf die betroffene Stelle, bei Entzündungen 20 bis 30 Minuten. Geeignet sind Eisbeutel, Kältepacks und gekühlte Kirschkernkissen.

Wichtig: Die Kältepackung immer mit einem Tuch umwickeln. Denn gelangt Eis direkt auf die Haut, kann es zu einer Kälteverbrennung kommen.

Stufenlagerung

Diese Entlastungshaltung hilft bei vielen akuten Rückenbeschwerden – beispielsweise durch Facettenschmerzen, einen verengten Spinalkanal oder Bandscheibenschäden. Dafür legen Sie sich flach auf den Rücken, am besten auf eine warme Decke. Die Beine lagern Sie so, dass Sie die Unterschenkel im rechten Winkel zu den Oberschenkeln ablegen können. Dafür eignen sich zum Beispiel ein Sofa, ein Sessel oder auch ein Wasserkasten mit einem Kissen darauf. Stützen Sie Ihren Kopf mit einem kleinen Kissen oder einer Nackenrolle.

In der Stufenlagerung entspannen Ihre Muskeln. Außerdem wird Druck von den Gelenken und der Wirbelsäule genommen. Da das Rückgrat in dieser Position leicht gestreckt wird, beruhigen sich auch gereizte Nerven etwas.

Bei Bedarf können Sie mehrmals täglich in die Stufenlagerung gehen – jeweils für mindestens 15 Minuten.

In den Schmerz dehnen

Stretching ist nicht nur sinnvoll, um Rückenbeschwerden vorzubeugen. Sind die Muskeln bereits verspannt oder die Faszien verfilzt, kann Dehnen auch eine sehr effektive Maßnahme sein, die Schmerzen zu lindern oder sogar verschwinden zu lassen. Typische Problemzonen dafür sind die Nacken- und Brustmuskulatur, der untere Rücken und die Hüftbeuger.

Es gibt das statische und das dynamische Dehnen:

Beim statischen Dehnen gehen Sie in die Dehnposition und bleiben dort: für 15 bis 20 Sekunden, wenn die Muskulatur nur etwas gelockert werden soll; für 30 bis 60 Sekunden, wenn Sie starke Verspannungen haben. Nach einer kurzen Pause wiederholen Sie die Übung noch ein-, zweimal und gehen dabei ein bisschen weiter in die Dehnposition.

Beim dynamischen Dehnen federn Sie leicht immer etwas weiter in die Position hinein. Dieses Stretching kann Sportlern mit einer fitten Muskulatur und viel Dehnerfahrung gut tun. Zur Lösung von schmerzhaften Verspannungen ist es jedoch nicht geeignet. Denn beim schwungvollen Wippen in die Dehnung besteht die Gefahr, dass Sie die Muskulatur überspannen und sich eine Zerrung holen.

Wichtig: Vor jedem Dehnen die Muskeln etwas aufwärmen, beispielsweise indem Sie ein, zwei Minuten auf der Stelle hüpfen oder laufen. Gehen Sie stets langsam und vorsichtig mit der Ausatmung in die Dehnung hinein. Bei einer schnellen, ruckartigen Bewegung besteht die Gefahr, dass der Muskel eine Gegenspannung aufbaut und damit noch fester wird. Die Dehnung darf deutlich spürbar sein, soll aber nie richtig wehtun.

Orthopädische Rückenstützgürtel

Spezielle Rückenstützgürtel oder -bandagen mit anatomischer Passform eignen sich beispielsweise bei einem Bandscheibenschaden, einer Überlastung des Rückens, nach Verletzungen oder einer Operation. Die Orthesen und Bandagen …

wirken aktivierend auf Knochen, Muskeln und Gelenke.

lindern, entlasten und nehmen Schmerzen.

fördern die Beweglichkeit.

schützen vor Überlastung.

beugen einer schmerzbedingten Fehlhaltung vor.

helfen der Muskulatur, sich zu entspannen.

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Eine Orthese ist ein orthopädisches Hilfsmittel – etwa ein Rückenstützgürtel. Damit lässt sich die Wirbelsäule aufrichten und entlasten, was wiederum Schmerzen lindert.

Ich habe selbst einen Bandscheibenvorfall hinter mir und trage heute manchmal präventiv einen Rückenstützgürtel – zum Beispiel, wenn ich einen Schrank aufbaue oder bei anderen Tätigkeiten, die den Rücken stärker als üblich belasten. Bei akuten Schmerzen sollten Sie den Stützgürtel jedoch möglichst den ganzen Tag über anbehalten. Keine Angst, Ihre Rumpfmuskulatur baut sich durch den Stützeffekt nicht ab.

Orthopädische Rückenstützgürtel können Sie sich von Ihrem Orthopäden verschreiben lassen. Bei einigen Modellen beteiligen sich die gesetzlichen Krankenkassen an den Kosten. Ein Rückenstützgürtel ist sehr fest. Deshalb sollte er optimal passen, sonst kann es unangenehm werden, ihn zu tragen. Daher ist es ratsam, vor dem Kauf Rücksprache mit Ihrem Orthopäden zu halten, welches für Sie das passende Modell in der richtigen Größe ist.

Die viel weicheren, anpassungsfähigeren Rückenbandagen sind dagegen auch zur Eigentherapie geeignet. Es gibt sie freiverkäuflich im Sanitätsfachhandel.

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TENS-Gerät

Wenn verspannte Muskeln die Schmerzursache sind, verschreibe ich meinen Patienten manchmal Strom zur Selbstbehandlung in Form eines TENS-Geräts. TENS steht für transkutane elektrische Nervenstimulation und funktioniert so: Das Gerät – kaum größer als ein Mobiltelefon – wird über vier bis acht selbstklebende Elektroden mit der Haut verbunden. Sie werden in der Regel im Bereich der schmerzenden Stelle platziert. Bei einem TENS-Gerät können Sie verschiedene Programme und die Intensität der Strom impulse selbst einstellen. Diese werden dann vom Gerät auf den Körper übertragen, und der Strom reizt die im Gewebe liegenden Nerven:

Bei Stimulation in hohen Frequenzen mit 80 bis 150 Hertz wird die Signalweiterleitung ans Gehirn und damit die Schmerzwahrnehmung unterbrochen. Mit dieser Stromstärke lassen sich vor allem lokale und akute Schmerzen kurzfristig lindern. Das jeweils passende Programm sollten Sie täglich 2-bis 4-mal für je 15 Minuten anwenden. Die Stromimpulse fühlen sich mäßig bis leicht stark an – wie ein Ameisenlaufen oder Kribbeln.

Niedrige TENS-Frequenzen von 2 bis 4 Hertz sollen das Gehirn dazu anregen, Botenstoffe auszuschütten, die das Schmerzempfinden dämpfen. Diese Form der Therapie ist vor allem bei chronischen Verspannungen zu empfehlen: 4- bis 5-mal täglich für jeweils 30 Minuten. Den Strom spüren Sie als deutliches Pulsieren oder Zucken. Das Ganze soll aber nicht richtig wehtun.

Der Erfolg der TENS-Therapie ist in der Regel eine Zeitfrage. Je länger Sie schon an den Beschwerden leiden, desto mehr Geduld und Anwendungen werden nötig sein, bis ihre Wirkung deutlich spürbar ist.

Ein TENS-Gerät kann je nach der Anzahl seiner Kanäle, Elektroden, Programme und Anwendungsmöglichkeiten stark im Preis schwanken – von 40 Euro bis über 300 Euro ist alles möglich. Auf Antrag übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen bei bestimmten Schmerzzuständen die Kosten für die Miete eines TENS-Gerätes für bis zu drei Monate. Ähnlich wie bei einem Rezept für ein Medikament fällt aber eine geringe Zuzahlung für den Patienten an. Wer ein Gerät kaufen möchte, sollte sich am besten mit seinem Orthopäden beraten.

Kinesiotaping

Sie haben sicher schon mal bei Fußball- oder Tennisprofis bunte Bänder auf der Haut gesehen. Sie heißen Kinesiologie- oder kurz Kinesiotapes. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich nicht eindeutig bewiesen, doch nach meiner Erfahrung können diese hochelastischen und selbstklebenden Textilbänder gut gegen Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich helfen. Ihr Vorteil: Sie stützen die Muskeln und Faszien zwar, schränken dabei aber nicht ihre Beweglichkeit ein. Damit setzt Taping einen positiven Kreislauf in Gang: Erst lindern die Bänder den Schmerz. Das verbessert die Beweglichkeit und dadurch reduziert sich wiederum der Schmerz. Der große Vorteil der Bänder: Anders als Schmerzmittel haben sie keine Nebenwirkungen – es sei denn, Ihre Haut reagiert allergisch auf den enthaltenen Klebstoff.

Physiologisch lässt sich die Wirkung des Tapens so erklären: Das Band hebt die oberste Hautschicht leicht an. Dadurch fließen Blut und Lymphflüssigkeit besser, was wiederum die Sauerstoff-und Nährstoffversorgung im Gewebe optimiert und zudem den Abtransport von Entzündungsstoffen erleichtern soll. Zudem lassen sich sehr wahrscheinlich auch Schmerzsensoren, Sehnenrezeptoren, Faszien und Nervenzellen durch den Zug der elastischen Bänder beeinflussen.

Kinesiotaping wird von vielen Physiotherapeuten angeboten. Die Kosten liegen je nach Tapeverband zwischen 5 und 20 Euro pro Sitzung. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten der Behandlung nicht, private manchmal.

Doch Sie können sich bei der ersten Sitzung vom Physiothe-rapeuten zeigen lassen, wie sich Ihr Rückenproblem in Eigenregie tapen lässt. Gegebenenfalls machen Sie ein Foto von Ihrem Rücken mit dem Smartphone zur Erinnerung.

Tape-Bänder gibt es normalerweise in Fünf-Meter-Rollen mit einer Breite von fünf Zentimetern. Sie bekommen Sie freiverkäuflich in Apotheken oder im Onlineversand. Erkundigen Sie sich vor dem Kauf, ob das Band gut und lange klebt.

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Das sollten Sie grundsätzlich beim Tapen beachten:

Je nach Beschwerdebild kleben Sie die Streifen einzeln oder zu mehreren auf den schmerzenden Bereich der Wirbelsäule. Beim Anlegen müssen Sie die Streifen etwas dehnen.

Ihre Haut sollte sauber, trocken und frei von Cremeresten sein, sonst haftet der Kleber schlecht. Stark behaarte Stellen besser vorher rasieren.

Durch das Abrunden der Ecken des Tape-Streifens vermeiden Sie, dass sich die Ecken und damit die Streifen schnell wieder ablösen.

Nach dem Anlegen streichen Sie die Bänder richtig gut fest. Dabei Falten möglichst vermeiden.

Sollte die Haut unter der beklebten Stelle jucken, entfernen Sie das Tape. Denn das ist ein Zeichen für eine allergische Reaktion der Haut.

Kinesiotapes können mehrere Tage auf der Haut bleiben und überstehen auch das Duschen. Doch spätestens nach einer Woche sollten sie entfernt werden: Feucht lassen sich die Bänder am besten ablösen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869106960
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Januar)
Schlagworte
Rückenschmerzen Rumpfmuskulatur Schmerz Selbsthilfe Bewegung Gesundheit Ratgeber

Autoren

  • Dr. Felix Söller (Autor:in)

  • Ellen Warstat (Autor:in)

Dr. med. Felix Söller ist Facharzt für Orthopädie, Akupunktur, Chirotherapie, Anti-Aging-Medizin und Sportmedizin in München. Als Arzt in einer großen Gemeinschaftspraxis und Familienvater kennt er die Problematik, Zeit für sich und die eigene Rückengesundheit zu finden. Doch als Orthopäde weiß er, wie wichtig es ist, dem Körper möglichst jeden Tag etwas Gutes zu tun. Die renommierte Münchener Medizinjournalistin Ellen Warstat war Redakteurin u.a. bei Donna und Freundin und ist stellvertretende Redaktionsleitung des Bunte Sonderhefts „Bunte Gesundheit“. Das Thema Rücken liegt ihr nach zwei Bandscheibenvorfällen ganz besonders am Herzen. Dank regelmäßigem Rückentraining und einem bewussterem Umgang mit Stress ist ihr Rücken heute schmerzfrei.
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Titel: Rücken ohne Schmerz