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Abnehmen mit der Minus-20%-Regel

Wohlfühlgewicht erreichen und halten. Sven Bach: Meine Geschichte, mein Erfolgskonzept

von Sven Bach (Autor:in) Benjamin Breitmaier (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Über 2000 Menschen hat der bekannte Ernährungsexperte Sven Bach inzwischen auf ihrem Weg in ein gesundes Leben begleitet. Quintessenz seiner 20 Jahre Berufspraxis ist die Minus-20%-Regel, die einfachste Abnehmmethode der Welt. Sie funktioniert ohne Pulver und extremen Verzicht und lässt sich überall integrieren, ob im Büro, in der Familie oder auf dem Bau. Auf Basis der individuellen Ernährungsgewohnheiten streicht Sven einfach 20 % an Kalorien aus dem Speiseplan. Es gibt keine Verbote, alle Lebensmittel sind erlaubt. Mit seinem neuen Buch ist es endlich möglich, Sven Bachs erfolgreiche und genial einfache Abnehmmethode selbst durchzuführen! Bestes Testimonial dafür, dass es möglich ist, sein Übergewicht zu besiegen, ist der Autor selbst. Svens Geschichte macht allen Mut, die schon viele Diäten ohne Erfolg ausprobiert haben.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leser,

in den letzten 20 Jahren durfte ich über 2000 Menschen auf ihrem Weg in ein gesünderes Leben begleiten. Jeder Weg war anders, doch meine Patienten und mich verbindet bis zum heutigen Tag eine Tatsache, die oft noch unterschätzt wird: Das Glück eines Menschen hängt zu einem bedeutenden Teil von seinem Körpergewicht ab. Das hat nichts mit der Jagd nach Schönheitsidealen zu tun. Nein, es geht um unsere Gesundheit. Jeder von uns hat hunderte Probleme, die ihn täglich beschäftigen. Bis zu dem Tag, an dem wir krank werden. Dann gibt es nur noch ein Problem: wieder gesund zu werden. Und selbst wenn der Dschungel an Halbwahrheiten und Falschinformationen über Ernährung und Übergewicht undurchdringlich scheint, lässt sich eine Aussage ohne jeden Zweifel treffen: Übergewicht bedeutet nicht, „sich ein bisschen gehen lassen” oder „Hey, dein Hemd spannt aber mittlerweile ganz schön”. Übergewicht raubt Menschen Jahre ihres Lebens, geht ans Selbstbewusstsein – und scheint für viele unbesiegbar.

Auch nach Jahrzehnten der Forschung, nach einem nicht abreißenden Strom an schlauen Artikeln zum Thema Diäten glauben wir immer noch an den schnellen Weg, das Übergewicht loszuwerden. An „Schlank im Schlaf” oder „Fünf Pfund weniger in einer Woche”, an das neueste „Superfood”, das den Körper wie von selbst zur Athletikmaschine macht. Darum ist eine der zentralen Aussagen dieses Buches: Es gibt keine Diät, die funktioniert. Punkt. Aus diesem Grund geht dieses Buch in eine andere Richtung: Hier gibt es keine Abkürzungen, keine Wundermittel. Hier gibt es nur Fakten und echte Geschichten von Menschen, die es geschafft haben, den Kampf gegen ihr Übergewicht erfolgreich zu bestreiten. Geschafft haben sie das nicht mit einer Diät, sondern, weil sie auf Dauer die richtigen Dinge in ihrer Lebensweise änderten. Und das möchte ich mit diesem Buch vermitteln: Es gibt die berechtigte Hoffnung für jeden, sein Gewicht auf einen Wert einzupendeln, mit dem er sich wieder wohlfühlt – auf Dauer, ganz ohne Wundermittel.

Meine Patienten bekommen von mir ein weißes Blatt, auf dem steht, was sie ab jetzt essen sollen. Dieses Blatt hat es in sich. Das ist kein pauschaler Plan, mit dem sich Fett im Schlaf auflöst, sondern eine Starthilfe in ein neues Leben. Das klingt ziemlich großspurig. Was es aber nicht weniger wahr macht. Doch warum sollten sich diese Menschen von mir etwas sagen lassen? Das machen die meisten erst, wenn ich ihnen meine eigene Geschichte erzähle.

Ihr

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Sven Bach

WARUM IST SCHLANK SEIN SO SCHWER?



Wie aus einem dicken Kind und Teenager ein normalgewichtiger Diätassistent wurde – das ist meine Geschichte. Danach erkläre ich Ihnen, warum Übergewicht nicht einfach Disziplinlosigkeit ist und wieso es gar nicht so einfach ist, die ungeliebten Pfunde loszuwerden. Eines schon vorweg: „Gar nicht einfach” heißt nicht unmöglich!

Svens Geschichte: von 140 auf 70

Es war der Tag meiner Musterung, der 30. Juni 1994. Ich hockte in einem Zimmer des Kreiswehrersatzamts in Karlsruhe. Da saß ich nun, 1,98 Meter groß, 73 Kilogramm schwer, auf dem unbequemen Stuhl, um demnächst einem Arzt gegenüberzutreten, der herausfinden sollte, ob dieser Hagerling tauglich für den Dienst an der Waffe sei. Mit 19 wusste ich noch nicht im Ansatz, was ich mit meinem Leben anfangen wollte. Was für mich jedoch feststand, war, dass ich nie wieder 141 Kilogramm wiegen wollte. Vor der Bundeswehr hatte ich hauptsächlich Angst, weil ich befürchtete, dort meine Diät nicht fortführen zu dürfen.

Ich arbeitete damals als Austräger bei der Deutschen Post. Mein Frühstück nahm ich um halb vier Uhr morgens ein, es bestand aus einem halben Liter Kaffee und zwei Scheiben Pumpernickel mit Marmelade. Die nächste Mahlzeit stand mittags um drei an, oft nur eine Dose Karotten oder Erbsen. Manchmal gab es noch etwas Obstsalat mit fettarmem Joghurt, an guten Tagen eine Banane. Abends aß ich drei Brötchen mit Marmelade. Ich hatte mir alles exakt ausgerechnet: Ich nahm jeden Tag 1600 Kalorien zu mir, und das schon über ein Jahr lang. Nur am Wochenende gab es ab und zu einen Exzess mit einem Berg Chicken Nuggets plus zwei Cheeseburgern bei McDonalds.

Für einen Mann meiner Größe bedeuteten 1600 Kalorien Mangelernährung, vor allem, wenn man mein intensives Sportprogramm miteinbezieht. Als Austräger legte ich Strecken von zwölf bis 15 Kilometern am Tag zurück, zusätzlich ging ich viermal in der Woche zehn Kilometer joggen.

Hier saß ich nun und hinter mir lag eine der wichtigsten Phasen meines Lebens. Vor über einem Jahr hatte ich mein Leben radikal verändert und die vergangenen 16 Monate waren geprägt von einem Kampf, den ich mit dem Wissen, das ich heute habe, nie auf diese Art und Weise ausgefochten hätte.

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Über ein Jahr lang nahm ich täglich nicht mehr als 1600 Kalorien zu mir.

Die radikale Umstellung meines Lebens hatte natürlich einen Grund. Sie begann mit einer Feststellung, die jeder Patient macht, der heute den Weg in meine Praxis findet. Es ist der Moment, wenn anstelle eines undef nierten Problembewusstseins der ehrliche Wille zur Veränderung tritt: „So kann es nicht weitergehen.” Bei mir war es der 2. März 1993. Ich wog 141 Kilogramm, trug Jogginghosen mit Gummibund, hatte 60 Zentimeter lange Haare und war der festen Überzeugung, dass ein zerfleddertes Batik-Shirt der Heavy-Metal-Band Morgoth als Alltagskleidung völlig in Ordnung war. An jenem Tag fasste ich den Entschluss, dass sich etwas ändern musste.

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So wurde ich dick

Meine Gewichtsprobleme fingen bereits in meiner Kindheit an. Die Informationslage über Softdrinks war in den 1980er-Jahren noch dünn. Als ich klein war, betrieben meine Eltern einen Getränkehandel, die Folge war ein unbeschränkter Zugang zum süßklebrigen Flüssig-Gift für den kleinen Sven. Hinzu kam die gute Milch von den Nachbarskühen. „Der Junge muss weniger essen” – das war damals die einzige Empfehlung des Hausarztes, als deutlich wurde, dass ich deutlich dicker als meine Klassenkameraden war. Doch so viel aß ich gar nicht. Meine Mutter ist eine fantastische Köchin, aber übermäßig groß waren meine Portionen damals nicht. Trotzdem zeigte die Waage 81 Kilogramm an. Ich war gerade einmal zehn Jahre alt.

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In der Pubertät setzte dann ein kaum zu bändigender Hunger ein und die Softdrinks waren weiterhin meine ständigen Begleiter. Hätte man meiner Mutter gesagt, dass ihr Junge jeden Tag knapp 300 Gramm reinen Zuckers (drei Liter Softgetränke) trank, sie hätte wohl direkt Schnappatmung bekommen. Flüssigkeit verschleiert Energie. Das Ergebnis ist heute bei einem großen Teil meiner Patienten zu sehen und war auch damals bei dem kleinen Sven eindeutig. „Einfach weniger essen” funktioniert nicht, wenn die Gründe für Übergewicht in bunten Durstlöschern verborgen liegen.

15 Jahre alt, 120 Kilogramm schwer. Ich war nicht mehr pummelig, ich war fett. Mein Freundeskreis hatte kein großes Problem mit meinem Gewicht. Noch war ich viel draußen, spielte Fußball. Doch die Hänseleien und angewiderten Blicke in meinem Umfeld nahmen zu. Dass sich mein Gewicht zu einem ernsten Problem entwickelte, war mir damals in meinem jugendlichen Leichtsinn noch nicht klar. Ich aß oft exzessiv, vor allem in den Ferien. Drei Liter Spezi plus zehn Leberkäswecken an einem Vormittag waren normal. Ich weiß noch, wie ich einmal mit meinem besten Kumpel Lucky in zehn Tagen Pfingstferien wirklich 100 von den fettriefenden 400-Kalorien-pro-Stück-Ungeheuern wegmampfte, ohne den Anflug eines schlechten Gewissens. Der ernährungsphysiologische Nutzen von – den im Schwabenland so beliebten „LKWs” ist vergleichbar mit dem Austrinken eines Bechers Frittieröl. 8000 Kalorien am Tag – eine Energiemenge, die sonst nur die härtesten Extremsportler der Welt zu sich nehmen.

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Außerhalb der Ferien lag meine Energiezufuhr im Durchschnitt immer noch bei etwa 4500 Kalorien – rund 1000 Kalorien über meinem eigentlichen Bedarf. Die Rechnung, welche Auswirkungen ein derartiges Übermaß an Energiezufuhr auf den Körper hat, ist relativ einfach: Ein Kilogramm Körperfett trägt die Energie von 7000 Kalorien in sich. Wenn also ein erwachsener Mensch jeden Tag 1000 Kalorien mehr zu sich nimmt, als er verbrennt, bedeutet das eine Gewichtszunahme von rund 50 Kilogramm im Jahr. Das war für mich die harte Realität.

Alles kein Problem, ich befand mich immer noch im Wachstum, trieb regelmäßig Sport mit meinen Freunden. Ernst wurde die Lage erst, als mein Mofa den Geist aufgab. Meine Mobilität war dahin, mit ihr auch der Wille, wirklich etwas an meiner Situation zu ändern. Mein Gewicht wurde zum Gefängnis. Es gab keine passenden Hosen mehr für mich, also hörte ich mit dem Tanzen auf. Den Anblick von einem Hünen in Jogginghosen, der Disco-Fox tanzt, wollte ich niemandem zumuten. Im Winter fraß ich mir 20 Kilogramm Frust auf die Rippen. Nur auf Partys ging ich noch ab und zu. Dort war als Abendration ein halber Kasten Weizenbier pro Person keine Seltenheit. 2500 flüssige Kalorien innerhalb von zwölf Stunden.

Die Wende

Am 2. März 1993 war ich auf solch einer Party. Mein bester Kumpel Lucky feierte Geburtstag. Ich wollte nach einer Freundin sehen, die Migräne hatte, in dem Zimmer stand eine Waage, eines dieser alten Dinger mit Ziffernblatt, das sich im Kreis dreht. Ich stellte mich darauf. Das Ziffernblatt wurde von meinem Bauch fast verdeckt, doch selbst bei freier Sicht konnte ich mein Gewicht von dem Gerät nicht ablesen. Die Analogwaagen der 1990er-Jahre zeigten nur Werte bis 120 Kilogramm an, als ich auf dem Ding stand, war der Zeiger auf Anschlag. Es war das erste Mal, dass ich mir wirklich eingestand: „Das passt alles nicht mehr.” Mein Vater hatte schon vor Jahren gesagt, dass es bei mir irgendwann mal „eine Waage verreißt”. Der Spruch war zur bitteren Realität geworden. Auf der Party sagte ich zu jemandem: „Die Waage ist kaputt.” Die Antwort sollte ich nie wieder vergessen: „Nee. Du bist einfach zu fett geworden.”

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Zugegeben, die Erfahrung auf der Waage war nicht der einzige Grund. Es gab da noch Katja – eine Gymnasiastin, für die ich schwärmte. Die Vorstellung vom 141 Kilogramm schweren Typen mit Hauptschulabschluss, der mit einer hübschen Gymnasiastin händchenhaltend am Neckar entlangschlendert, war für mich so realistisch wie sprechende Sumpfhühner. Wollte ich ihr gefallen, musste ich von den 141 Kilogramm runter. Den letzten Anstoß gab dann die Reaktion einer Azubine in der Volksbank Horb, die trotz offensichtlicher Mühe ihr Entsetzen über meine wenig schmeichelhafte Erscheinung nicht kaschieren konnte.

Ich nahm ab

Ich wollte abnehmen. Doch wie sollte ich das anstellen? Ich wusste eigentlich nur, dass ich weniger essen musste und dass der Konsum von Limo wahrscheinlich doch etwas mit dem Umfang meines Bauches zu tun hatte. Meine erste Kalorientabelle fand ich in der Apothekenumschau. Anfangs aß ich nur Joghurt und trank Mineralwasser, denn ich hatte gehört, dass Joghurt satt macht und wenig Kalorien hat. Nach und nach entwickelte ich meine Pumpernickel-Möhren-Diät. Mein geliebtes Spezi ersetzte ich durch zwei Liter Tee mit Süßstoff. Nach wenigen Monaten fing ich außerdem an, wie ein Verrückter zu rennen. Würde der 141 Kilogramm schwere Sven Bach heute in meiner Praxis auftauchen, ich hätte ihm dringend davon abgeraten, seinen Plan umzusetzen. Zu gravierend sind die Folgen einer derart radikalen Umstellung des Lebenswandels.

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Nach und nach entwickelte ich meine Pumpernickel-Möhren-Diät.

Ende des Jahres 1993 wog ich nur noch 100 Kilogramm. Freunde, die mich zum ersten Mal seit Luckys Geburtstag im März wiedersahen, fiel es schwer zu glauben, dass der gleiche Typ vor ihnen steht. Außerdem saß an dem Abend ein Mädchen neben mir auf dem Sofa. Wir kamen ins Gespräch. Es war so ziemlich das erste Mal, dass ich mit einiger Sicherheit sagen durfte: „Dieses Mädchen interessiert sich für mich.”

Ich zog mein Programm noch verbissener durch. Als ich bei etwa 93 Kilogramm war, schickte mein Körper die ersten Warnsignale: Weniger als einmal in der Woche Stuhlgang zu haben, ist nicht normal. Außerdem war mir permanent kalt und ich fühlte mich nicht wohl. Ich hatte eine Essstörung entwickelt. Das wurde mir allerdings erst Jahre später klar. „Du siehst aus wie der Tod”, sagten mir enge Freunde. Meine Mutter machte sich große Sorgen. Später erfuhr ich, dass sie manchmal Öl in meine Karotten gekippt hatte, ohne dass ich etwas davon mitbekam. Trotzdem machte ich weiter, hungerte mich runter bis auf 73 Kilo. So saß ich dann im Juni 1994 bei der Musterung.

Ich hatte es übertrieben

„Medizinisch sind Sie magersüchtig. 1,98 Meter groß, 73 Kilo, das ist massiv zu dünn”, sagte die Ärztin. „Wie essen Sie denn?”, fragte sie mich. Ich konnte damals nicht ahnen, dass ich zum ersten Mal eine kurze Anamnese erlebte, die Kurzversion eines Interviews, wie ich es heute mit mehr als 2000 Patienten geführt habe. Die Ärztin fragte mich direkt, ob ich schon einmal übergewichtig gewesen sei. Sie musste meine labbrigen Falten gesehen haben. „Ich finde, Sie sind schon ein bisschen mangelernährt”, stellte sie fest. „Das finde ich gar nicht”, gab ich bestimmt zurück, „ich fühle mich gut.” Im gleichen Moment merkte ich selbst, dass ich log. Ich war zu dem Zeitpunkt permanent lustlos und ohne Antrieb.

Ich erzählte der Ärztin, dass ich mich für das Thema Ernährung interessiere. Bisher hatte ich meine Informationen jedoch nur aus Zeitschriften wie „Fit for Fun”. Sie empfahl mir daraufhin einige Bücher und ich hörte zum ersten Mal von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Werke „Leitlinien im Bereich Ernährung” von Professor Dr. Casper oder „Grundfragen der Ernährung” von Cornelia A. Schlieper sollten mein Leben verändern. Doch erstmal war die Musterung beendet und ich wartete auf das Ergebnis. Lange musste ich nicht warten: T5 – untauglich, weil zu dünn. „Mist”, dachte ich, „wie geht’s jetzt weiter?”

Die Frage nach meiner Zukunft hat sich zum Glück geklärt. Erst einmal ließ mich das Thema Ernährung nicht mehr los. Ich las die Bücher, die die Ärztin mir empfohlen hatte, probierte verschiedene Diäten und Ernährungsformen aus, allerdings hat mich keine wirklich überzeugt. Auch hatte ich riesige Angst, wieder zuzunehmen, nachdem ich mich so lange so gequält hatte. Irgendwann pendelte sich mein Gewicht bei 82 Kilogramm ein. Im Jahr 1998 passierte es dann: Ich bekam ein gutes Ausstiegsangebot von der Deutschen Post und begann eine Ausbildung zum Diätassistenten am Universitätsklinikum Ulm. Nach drei Jahren, mit 26 Jahren, war ich fertig mit der Ausbildung. Ab Herbst 2001 arbeitete ich sechs Jahre lang im Krankenhaus Sindelfingen. 2007 wagte ich den Schritt ins Ungewisse – ich machte mich selbstständig. Der Grund? Übergewicht war zur Volkskrankheit geworden. Und ich wusste, dass ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung den Menschen helfen konnte.

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Übergewicht ist nicht einfach Disziplinlosigkeit

Übergewicht kostet unsere Gesundheit und unser Geld

Jahrzehntelang stieg die Lebenserwartung der Menschen in Industrienationen. Gründe waren die bessere Gesundheitsversorgung, kein Hunger, weniger Kriege, bessere Hygiene. Doch im Januar 2018 titelte die Süddeutsche Zeitung „Lebenserwartung in Industrienationen sinkt”. Die möglichen Gründe dürften keinen verwundern: „Ungesunde Lebensgewohnheiten, Fettleibigkeit und damit verbundene Krankheiten.” Bereits im Jahr 2006 erklärte Marc Danzon, der WHO-Leiter in Europa, dass sich Europa zu einer „adipogenen” Umgebung entwickelt hätte. „Noch nie waren Lebensmittel so preisgünstig wie heute, am billigsten sind Produkte mit hohem Fett- und Zuckeranteil”, schrieb Danzon. Das ist mittlerweile zehn Jahre her, und leider ist seitdem die Zahl der übergewichtigen Menschen unter uns noch weiter angestiegen.

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Ungesunde Lebensgewohnheiten wirken sich negativ auf die Lebenserwartung aus.

Billig ist nicht immer gut

Ein wichtiger Aspekt, der zu unserer ungesunden Lebensweise beiträgt: Wir geben nur schlappe zehn Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus. Das hat eine Untersuchung des Finanzportals Vexcash gezeigt. Schlimmer sind nur Länder wie die Vereinigten Staaten an der Spitze mit 6,4 Prozent oder Großbritannien auf Platz 2 mit 8,2 Prozent – alles Länder mit verheerenden Gesundheitswerten ihrer Bevölkerung. Im Vergleich: Menschen in Nigeria geben 56 Prozent ihres monatlichen Einkommens für Lebensmittel aus. Natürlich liegen die geringen Ausgaben in Deutschland auch daran, dass wir einfach mehr verdienen. Dennoch mache ich den harten Wettbewerb der deutschen Discounter und den nicht enden wollenden Zugang zu billigen und schlechten Lebensmitteln mit für das immer noch fehlende Preisbewusstsein bei Lebensmitteln verantwortlich.

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Wir Deutschen essen zu viele billige Lebensmittel.

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Oft sitzen wir Falschinformationen auf

Es wäre zu einfach, Politik und Gesellschaft für unser Übergewicht verantwortlich zu machen. Viele Menschen glauben immer noch fest daran, dass ein Tomaten-Mozzarella-Salat quasi keine Kalorien hat, und sind der Überzeugung, dass „Heilfasten” der Heilige Gral unter den Detox-Optionen für unseren Körper ist. Das soll kein Vorwurf sein, sondern ein Hinweis darauf, wie viele unglaublich falsche Informationen über unsere Ernährung im Umlauf sind – und auch über die Behandlung von Übergewicht. An dieser Stelle komme ich ins Spiel. Meine Arbeit besteht nicht nur aus weißen Blättern mit Ernährungsplänen darauf. Eine meiner wichtigsten Aufgaben als Diätassistent ist, gemeinsam mit Ihnen der Frage auf den Grund zu gehen, warum Sie so sind, wie Sie sind.

Keiner ist gerne übergewichtig

Ich schrieb es bereits im Vorwort dieses Buches und ich schreibe es noch einmal: Kein Mensch ist übergewichtig, weil er einfach nur faul ist. Trotzdem behandeln wir übergewichtige Menschen oft wie Aussätzige. Der etwas zu lange Blick auf der Straße, das Kichern hinter vorgehaltener Hand, das teurere Flugticket, wenn ein Platz nicht mehr ausreicht. Was hinter den Kilos steckt, welche Lebensgeschichte, spielt im schnellen Urteil keine Rolle. „Die Ergebnisse beweisen, dass die Diskriminierung wegen Fettleibigkeit und ihre negativen Folgen höchst relevante Probleme in der Gesellschaft sind.” Dieser Satz steht in einem Artikel in der Ärztezeitung aus dem Jahr 2015. Er stammt von Jenny Spahlholz, einer Wissenschaftlerin, die mit ihrem Team internationale Studien zu dem Thema ausgewertet hat.

Sogar Ärzte behandeln übergewichtige Patienten schlechter als normalgewichtige. „Jüngste Forschungsarbeiten zeigen, dass dicken Patienten oftmals nur zur Gewichtsabnahme geraten wird, während bei Normalgewichtigen CT-Aufnahmen, Bluttests oder Physiotherapie angeordnet werden”, erklärte die US-Psychologin Joan Chrisler in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung im August 2017. Die Wissenschaftlerin befasst sich schon seit Jahren mit den Auswirkungen des sogenannten „Fat Shamings” – der Diskriminierung übergewichtiger Menschen. Chrislers Ergebnisse kann ich nur bestätigen. Vor allem die Geschichte von Jutta Denk, die ich später erzähle, zeigt, wie Symptome von ernsten Erkrankungen leichtfertig auf das Übergewicht eines Patienten geschoben werden – obwohl Übergewicht oft ein Symptom für ernste Erkrankungen sein kann. Die ständige Diskriminierung kann wiederum ein Grund dafür sein, warum Menschen überhaupt Probleme mit ihrem Gewicht bekommen. Meiner Erfahrung nach ist das Wechselspiel mit unserer Psyche einer der wichtigsten Gründe für die Entstehung von Übergewicht.

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GRÜNDE FÜR ÜBERGEWICHT ODER: WIE VIELE KALORIEN DÜRFEN ES SEIN?



Es gibt viele Gründe dafür, warum jemand übergewichtig ist. Die Ernährung steht ganz oben auf der Liste, aber auch Psyche, Gene und nicht zuletzt unser Lebensstil spielen eine wichtige Rolle. Daher gibt es zwar keine allein selig und schlank machende Diät oder Ernährungsform. Wer jedoch alle Faktoren, die bei ihm zum Übergewicht führten, kennt, kann trotzdem abnehmen!

Jeder Mensch braucht unterschiedlich viele Kalorien

Von den äußeren Faktoren, die dazu beitragen, dass wir Deutschen immer mehr mit Übergewicht zu kämpfen haben, kommen wir nun zu uns. Jetzt werfen wir einen Blick auf den Alltag, darauf, was Sie täglich zu sich nehmen, und darauf, was Sie täglich zu sich nehmen sollten. Denn ein nicht zu knapper Teil meiner Arbeit als Ernährungsberater dreht sich um ein ziemlich sperriges Wort, hinter dem weit mehr steckt als die 2000 Kalorien, die als Durchschnittsbedarf auf jeder Burgerverpackung zu finden sind. Es geht um Ihren Gesamtenergiebedarf. Oder anders ausgedrückt: Die Menge an Kalorien, die Sie täglich zu sich nehmen sollten.

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Jeder Mensch hat einen ganz individuellen Kalorienverbrauch.

Die empfohlenen 2000 Kalorien pro Tag auf der Burgerverpackung sind nur Schall und Rauch. Unser eigentlicher Energiebedarf setzt sich aus einer Reihe von Einflussfaktoren zusammen, aus denen Sie sich selbst zusammenbasteln müssen, welche die sinnvollste Energiemenge für den eigenen Körper ist. Das hört sich komplizierter an als es ist. Es hat auch nur am Anfang etwas mit dem klassischen Kalorienzählen zu tun. Bei einer bewussten Ernährung werden Sie mit der Zeit feststellen, dass Sie ein sehr gutes Gefühl für Ihren eigenen Körper entwickeln, wenn Sie erst einmal wissen, welche tägliche Energiemenge für Sie optimal ist.

Die Unterschiede sind beträchtlich

Genau deswegen greifen Pauschallösungen wie „Iss am Tag so und so viel von jenem, und du wirst so und so viel abnehmen” nicht. Deutlich wird das, wenn wir uns zwei Patienten von mir anschauen: Eine 55-jährige Dame mit Schilddrüsenunterfunktion, die jeden Tag etwa zehn Stunden vor dem Computer sitzt. Wenn sie drei belegte Brötchen mit Butter und Käse oder Wurst isst, reicht das schon fast für den Tag. Bei einigen älteren Frauen geht der tägliche Gesamtenergiebedarf nicht über 1700 Kalorien hinaus. Das heißt im Umkehrschluss, dass unter Umständen der Tagesbedarf an Energie schon mit zwei Mahlzeiten gedeckt sein kann.

Das krasse Gegenbeispiel ist Thomas. Thomas will im Fitnessstudio Muskeln aufbauen und kommt trotz Eiweißshakes und fleißigem Ackern an den Maschinen einfach nicht weiter. Das Problem ist: Er hat einen höheren Energiebedarf. Bei so viel Sport kommt er mit 2000 Kalorien nicht weit, es bleibt nicht mehr genug Energie, um Muskeln aufzubauen. Als er anfing, 3500 bis 4000 Kalorien zu sich zu nehmen, klappte es auch mit dem Muskelaufbau.

Es steht zu Recht die Frage im Raum: Wie finde ich meinen Gesamtenergiebedarf heraus?

Der Energiebedarf

Das Gewicht folgt einer denkbar einfachen Gleichung: Wenn Sie genau so viele Kalorien aufnehmen, wie Sie täglich verbrennen, wird Ihr Gewicht stabil bleiben. Mit dieser Rechnung gehen jedoch ein paar Fragen einher, die etwas schwerer zu beantworten sind, allen voran: Wie viel Kalorien brauche ich überhaupt? Denn nur wenn ich ungefähr weiß, was ich täglich an Kalorien, auch Energie genannt, brauche, kann ich abschätzen, ob ich mehr oder weniger Kalorien verbrenne als nötig. Grundlage dieser Rechnung ist die einfache Formel:

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Der Gesamtenergiebedarf setzt sich aus Grundumsatz und Leistungsumsatz zusammen.

Grundumsatz × Leistungsumsatz =
Gesamtenergiebedarf (Gesamtumsatz)

Dabei beschreibt der Grundumsatz die Energiemenge, die der Körper bei völliger Ruhe und gleichbleibender Umgebungstemperatur benötigt, um lebensnotwendige Funktionen wie Atmung, Stoffwechsel, Kreislauf und die richtige Körpertemperatur aufrechtzuerhalten. Individuelle Faktoren wie Körperbau, Gewicht, Größe, Alter und Geschlecht beeinflussen den Grundumsatz. Muskeln verbrauchen beispielsweise mehr Energie als Fett, und da Männer durchschnittlich mehr Muskelmasse und weniger Fettgewebe als Frauen besitzen, ist ihr Grundumsatz etwas höher. Das heißt aber auch: Vergrößern Sie Ihre Muskelmasse, zum Beispiel durch Sport, erhöht sich dadurch automatisch Ihr Grundumsatz. Weitere Einflüsse auf den Grundumsatz sind der Hormonhaushalt, Stress, Fieber, Medikamente oder klimatische Verhältnisse.

Zur Berechnung des Grundumsatzes eines Menschen existieren verschiedene Formeln. In meiner Praxis arbeite ich mit der Harris-Benedict-Formel, die zwar kompliziert aussieht, aber recht genaue Ergebnisse liefert. Beim Köpergewicht geben Sie bitte Ihr Wunschgewicht an, nicht Ihr aktuelles Körpergewicht! Greifen Sie zum Taschenrechner und rechnen Sie mit!

Der Leistungsumsatz, auch Arbeitsumsatz genannt, beschreibt die Energie, die der Körper zusätzlich zum Grundumsatz verbraucht. Insbesondere körperliche Aktivität steigert den Leistungsumsatz erheblich. Er wird mit Hilfe der sogenannten PAL-Werte („Physical Activity Level”) ermittelt. Diese Kennzahlen benennen, wie viel sich ein Mensch am Tag bewegt, und geben eine grobe Einschätzung, wie viele Kalorien dabei verbrannt werden. In der folgenden Tabelle können Sie nachlesen, welcher PAL-Wert für Sie zutrifft.

PAL-Werte zur Berechnung Ihres individuellen Leistungsumsatzes

PAL-WERT TÄTIGKEIT
0,95 schlafen
1,2 nur sitzen oder liegen; z. B. alte, gebrechliche Menschen
1,4–1,5 fast ausschließlich sitzen, wenig Freizeitaktivitäten; z. B. Schreibtischtätigkeit
1,6–1,7 überwiegend sitzen, mit zeitweilig gehender oder stehender Tätigkeit; z. B. Kraftfahrer, Studenten, Laboranten
1,8–1,9 überwiegend stehende oder gehende Tätigkeit; z. B. Verkäufer, Kellner, Handwerker, Hausfrauen
2,0–2,4 körperlich anstrengende berufliche Tätigkeit; z. B. Bergleute, Landwirte, Waldarbeiter, Hochleistungssportler

Damit sind wir wieder bei der oben aufgeführten Formel angekommen. Zur Berechnung des Energiebedarfs wird der Grundumsatz mit dem jeweiligen PAL-Wert multipliziert:

Wenn Sie mitgerechnet haben, kennen Sie jetzt Ihren individuellen täglichen Kalorien- bzw. Energiebedarf.

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Energiedichte von Lebensmitteln

Nun haben wir also eine Zahl, die angibt, wie viele Kalorien wir jeden Tag zu uns nehmen sollten, damit wir unser Gewicht halten. Die Kalorien alleine machen uns aber nicht satt, und hier kommt die Energiedichte von Lebensmitteln ins Spiel. In Studien wurde gezeigt, dass für die Sättigung entscheidend ist, welche Mengen wir auf dem Teller haben – nicht die Anzahl der Kalorien der Lebensmittel. Sie wissen ja selbst, dass Sie nach einem Teller Gemüsesuppe satt sind, nach einem Stück Schokolade aber nicht. Nicht weniger, sondern anders essen ist der Plan.

Als Energiedichte eines Lebensmittels wird sein Energie- bzw. Kaloriengehalt pro Gewichtseinheit bezeichnet. Wie viel Energie Lebensmittel und Speisen enthalten, hängt maßgeblich von ihrem Wasser- und Fettgehalt ab. So haben Lebensmittel, die viel Wasser und/oder Ballaststoffe enthalten, in der Regel eine geringe Energiedichte – siehe Gemüse. Lebensmittel, die viel Fett enthalten, haben eine hohe Energiedichte – siehe Schokolade.

Sie wissen nun also: Beim Essen können Sie aktiv darauf achten, Lebensmittel mit einer geringen Energiedichte zu sich zu nehmen. Sie fühlen sich dann nämlich trotzdem satt, haben aber auf eine ganze Menge an Kalorien verzichtet.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) erklärt das so: „In Lebensmittel umgerechnet können für eine Energiezufuhr von 150 kcal z. B. sechs Möhren (450 g), zwei Äpfel (250 g) oder 300 g Joghurt mit 1,5 % Fett gegessen werden oder ein halbes Croissant (30 g), eine Laugenbrezel (55 g) oder 130 g Sahnejoghurt. Diese Beispiele zeigen, dass mit der ‚richtigen’ Lebensmittelauswahl die Energiedichte der Nahrung gesenkt werden kann. Und somit erlaubt eine niedrigere Energiedichte der Lebensmittel, ‚sättigende Mengen’ bei vergleichsweise geringer Energiezufuhr zu essen. Der Verzehr von gewohnten Portionsgrößen – dann allerdings mit geringerem Energiegehalt – kann nachhaltig helfen, das Körpergewicht zu verringern oder zu halten.” Fakt ist: Diese Methode ist zwar langsamer als eine „Crash-Diät” – aber viel gesünder und nachhaltiger!

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Lebensmittel mit einer geringen Energiedichte machen satt und sind kalorienarm.

Das Wissen über unseren tatsächlichen Kalorienbedarf hilft uns dabei einzuschätzen, wo wir uns mit unserem Essverhalten gerade bewegen. Und das Wissen um die Bedeutung der Energiedichte von Lebensmitteln hilft uns dabei, die richtigen Lebensmittel auszuwählen, um uns gesund satt zu essen. All dies berücksichtige ich bei meinem weißen Blatt. Dort steht bei den einzelnen Lebensmitteln keine Kalorienangabe, sondern nur die Menge der empfohlenen Nahrung in Gramm.

Umstände ändern sich, Ihr Grundumsatz auch

Wichtig zu wissen ist auch, dass unser Gesamtenergiebedarf keine starre Größe ist. Vor allem Veränderungen in unserer Lebensweise haben oft große Auswirkungen auf die täglich verwertete Energie. Kara – eine weitere Patientin von mir – machte sich Sorgen um ihren Sohn, der kürzlich ein Studium begonnen hatte. Innerhalb kürzester Zeit hatte der junge Mann merklich zugenommen. Der 28-Jährige hatte ein Problem, dem sich viele Hobbysportler stellen müssen, wenn die äußeren Umstände keine Zeit mehr für zwei- oder dreimal Training die Woche lassen. Problem Nummer 1 ist offensichtlich: Weniger Sport heißt, weniger Energie verbrennen. Problem Nummer 2: Es wird nicht nur weniger Energie verbrannt, der Körper braucht auch weniger Energie durch die verlorene Muskulatur. Sagen wir, unser Hobbysportler hat jeden Tag 3500 Kalorien gemampft – keine Seltenheit bei regelmäßigem Sport. Doch wegen des Studiums blieb ihm keine Zeit mehr für Training. Das heißt, durchschnittlich braucht der Körper pro Tag merklich weniger Kalorien, gleichzeitig wird Muskelmasse abgebaut. Die Muskeln sind aber der Ofen, der unsere Energie verbrennt. Das heißt, wir brauchen weniger Holz, wenn der Ofen kleiner wird, also unsere Muskelmasse abnimmt. Auch wenn Sie in dieses Buch nur kurz reinschauen sollten, merken Sie sich Folgendes: Ein Kilo Muskelmasse verbrennt jeden Tag zusätzliche Kalorien, ohne dass Sie dafür extra etwas tun müssen. Das klingt beim ersten Hören nach nicht wirklich viel. Aber wir wissen: Auf Dauer können auch geringe Unterschiede im täglichen Energieumsatz einiges bewirken. Deswegen empfehle ich meinen Patienten zur Unterstützung der Gewichtsreduktion eher ein durchdachtes Krafttraining als sie jeden Tag auf die Joggingstrecke zu schicken.

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Unser Gesamtenergiebedarf ist keine starre Größe.

Im Umkehrschluss heißt das für unseren 28-jährigen Fußballer, dass das fehlende Muskeltraining durch das Fußballspielen zum Muskelabbau führt und schon allein deswegen weniger Energie verbrannt wird. Er isst jetzt zwar etwas weniger als früher, bleibt aber trotzdem 200 Kalorien am Tag über seinem Gesamtenergiebedarf.

Wir halten fest: Unser täglicher Bedarf an Energie hängt von zwei Stellschrauben ab, an beiden können wir drehen: Die Energie, die wir zu uns nehmen und die Energie, die wir täglich verbrennen. Wenn wir beides kennen, wissen wir auch, wie viel wir jeden Tag zu uns nehmen dürfen, um nicht zuzunehmen, oder im Bedarfsfall abzunehmen. So weit so einfach.

Wie viel dürfen Sie wiegen?

Nachdem ich nun so viel von Übergewicht und Energiebedarf geschrieben habe, schauen wir uns an dieser Stelle kurz an, wo Sie Ihr aktuelles Gewicht einordnen können und welches Gewicht für Sie erstrebenswert sein könnte.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Körpergewicht eines Menschen zu kategorisieren. Am weitesten verbreitet ist der Body-Mass-Index (BMI), der in den Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation verwendet wird, um die Entwicklung von Übergewicht zu messen. Bei der Berechnung des BMI wird das Körpergewicht in Bezug zur Körpergröße gesetzt. Zur Berechnung wird dabei folgende Formel verwendet:

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Der BMI ist immer noch die geläufgste Formel zur Einordnung des Gewichts.

BMI-Klassifizierung der WHO

KATEGORIE BMI (kg/m2)
starkes Untergewicht < 16,0
mäßiges Untergewicht 16,0–16,9
leichtes Untergewicht 17,0–18,4
Normalgewicht 18,5–24,9
Übergewicht 25,0–29,9
Adipositas Grad I 30,0–34,9
Adipositas Grad II 35,0–39,9
Adipositas Grad III ≥ 40,0
Was sagt der BMI aus?

In der Praxis ist außer dem BMI auch die Fettverteilung im Körper wichtig. Gerade im Bereich von BMI-Werten zwischen 25 und 30 kommt es stark darauf an, wie viel Muskelmasse vorhanden ist und wie viel Fettmasse. So kann es sein, dass ein durchtrainierter Boxer mit geringer Größe einen erhöhten BMI hat, obwohl er nur wenig Fett mit sich herumschleppt. Sein Gewicht resultiert aus der Muskelmasse. Im Großteil der Fälle stellt der BMI aber einen akzeptablen Richtwert dar.

Insbesondere wenn es um die Gesundheit geht, ist der BMI alleine nicht aussagekräftig. So zeigen Studien, dass ein BMI zwischen 25 und 30 – also Übergewicht – keinen signifikanten Einfluss auf die Lebenserwartung und verschiedene Erkrankungen hat. Gesundheitlich bedeutsam wird ein solches Übergewicht jedoch dann, wenn zugleich andere Erkrankungen bestehen, wie zum Beispiel Diabetes. Unbestritten ist aber, dass ein BMI über 30, also eine Adipositas, negative Auswirkungen auf die Gesundheit und auf die Lebenserwartung hat. Und je höher der BMI, also umso ausgeprägter die Adipositas, umso größer ist das Risiko für Folgeerkrankungen, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder eine Fettleber.

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Ein BMI über 30 wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus.

Wie sich das Fett im Körper verteilt

Es gibt noch einen weiteren Aspekt für die Beurteilung, wie gefährlich Übergewicht oder Adipositas ist: Das ist die Verteilung des Fetts am Körper. Studien haben ergeben, dass im Bauchraum abgelagertes Fett weitaus problematischer ist als Fett an anderen Körperstellen. Denn das Fett im Bauchraum umschließt die Organe und wirkt sich stärker auf den Stoffwechsel aus. Bei Männern gilt ein Bauchumfang von über 102 Zentimetern als gesundheitlich bedenklich, bei Frauen sind es 88 Zentimeter.

Um Ihren Bauchumfang zu messen, legen Sie in der Mitte zwischen Beckenkamm und Rippenbogen ein Maßband waagerecht um die Taille. Messen Sie, ohne den Bauch einzuziehen.

Verschiedene Ursachen für Übergewicht

Oben habe ich bereits angesprochen, dass bei der Entstehung und damit auch bei der Bekämpfung von Übergewicht verschiedene Ursachen eine Rolle spielen. Es reicht also nicht, einfach nur Kalorien zu zählen oder die Energiedichte von Lebensmitteln zu kennen. Genauso wichtig ist es, sich anzuschauen, warum wir zu viel essen bzw. Dinge essen oder trinken, die uns nicht guttun. Auch die Art der Lebensführung und nicht zuletzt unsere Gene haben Einfluss auf die Entstehung von Übergewicht.

Stress macht dick

Alles hat Auswirkungen auf unser Essverhalten: ein jähzorniger Chef, ein stressiges Familienleben oder die 55-Stunden-Woche. Hirnforscher Achim Peters, der schon mehrere Bücher zu dem Thema veröffentlicht hat, ist der festen Überzeugung: Übergewicht hat seelische Gründe. „Bei vielen Betroffenen bringt die dauerhafte Aktivierung des körpereigenen Stresssystems das hormonelle Gefüge durcheinander. Das führt dazu, dass diese Menschen dauernd essen müssen, um ihr Gehirn ausreichend mit Energie zu versorgen.”

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Heut wissen wir, das Übergewicht auch seelische Gründe haben kann.

Keine Studie dieser Welt wird uns genau erklären können, warum ein einzelner Mensch zu viele Kalorien zu sich nimmt, warum der eine süchtig nach Schokoriegeln ist, während der andere jeden Abend eine Tüte Chips vertilgt und wieder ein anderer genügsam am Wasser nippt. Es wird nie eine Rechnung geben, die alle Variablen der menschlichen Psyche erfasst, auch wenn wir wissen, dass sie eine große Rolle spielt bei der Frage, warum wir zu dick sind. Eine Rolle, die bis vor wenigen Jahren stark unterschätzt wurde.

In meinen zwei Jahrzehnten als Diätassistent kann ich die These von Stress und psychischer Belastung als eine der Hauptursachen für Übergewicht allerdings bestätigen. Einige meiner Patienten haben persönliche Schicksalsschläge erlitten. Viele von ihnen sind die typischen Stressesser. Das Essen sorgt für ein kurzfristiges Glücksgefühl, doch das Glücksgefühl hält nicht lange an und wird durch Schuldgefühl ersetzt.

Die Gene als Ursache für Übergewicht

Nicht jeder, der zu viel isst, wird auch dick. Viele zermartern sich den Kopf, warum bei ihnen jedes Gummibärchen auf der Hüfte landet, andere hingegen so viel essen können und trotzdem schlank bleiben. Die Antwort auf diese Frage ist leider irgendwie unbefriedigend: Die anderen haben einfach gute Gene. Das ist nicht so daher gesagt, das ist wissenschaftlich erwiesen. Die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Sabine Schulz schrieb schon 1995 nach der Auswertung zahlreicher Studien in einem vielbeachteten Artikel für den Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung: „Die genetische Veranlagung bei der Entstehung der Adipositas wird aufgrund dieser Studien inzwischen nicht mehr bestritten, der Anteil wird je nach Studienanordnung und untersuchter Größe (Fettmasse, Fettverteilung etc.) auf bis zu 60 Prozent beziffert.”

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Es gibt tatsächliche eine Veranlagung zu Übergewicht.

Diese Aussage sollte kein Anlass für übergewichtige Menschen sein, sich einfach ihrem Schicksal zu ergeben. Doch meiner Erfahrung nach hilft Häufig allein das Wissen darüber, dass uns Gott auch ein schwieriges Blatt austeilen kann, wenn es um das Gewicht geht. Denn das heißt nichts anderes, als dass einige von uns härter für ihr Wohlfühlgewicht arbeiten müssen als andere.

Zu wenig Schlaf fördert Übergewicht

Es gibt auch weniger offensichtliche Einflussfaktoren auf unser Gewicht: der Schlaf zum Beispiel. Englische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ordentlicher Schlaf massive Auswirkungen auf unser Gewicht hat. Die Studie „National Diet and Nutrition Survey” aus dem Jahr 2017 zeigte, dass die Teilnehmer mit kürzeren Schlafphasen im Vergleich zu den Versuchspersonen mit längerem Schlaf tendenziell deutlich an Gewicht zunahmen. Dabei gab es schon signifikante Unterschiede bei Menschen, die nur sechs Stunden schliefen, im Vergleich zu denen mit neun Stunden Schlaf. Wenn man die Studien aus den vergangenen Jahrzehnten anschaut, kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen: Wer Gewicht verlieren will, sollte sieben bis acht Stunden in der Nacht schlafen.

Und wie so oft gibt es auch in diesem Fall eine Wechselwirkung, denn zu wenig Schlaf macht nicht nur dick, zu viel Übergewicht stört auch einen gesunden Schlaf. So sind übergewichtige Menschen deutlich häufiger von der sogenannten obstruktiven Schlafapnoe (OSA) betroffen, bei der ein Patient nachts mehrere Atemaussetzer hat. Verursacht wird das Ganze durch die Fetteinlagerungen in den oberen Atemwegen.

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Schlafmangel begünstigt die Entstehung von Übergewicht.

Medikamente können Übergewicht fördern

Nehmen Sie regelmäßig Medikamente ein? Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) können folgende Medikamente verstärkt zu Übergewicht führen:

Neuroleptika, Lithium, Valproinsäure, trizyklische Antidepressiva, die bei psychischen Erkrankungen eingesetzt werden

Betablocker zur Behandlung von Bluthochdruck

Insulin, Glitazone sowie Sulfonylharnstoffe zur Behandlung von Diabetes Typ 2

Glukokortikoide, zu denen auch Kortison gehört, die bei Entzündungen, Allergien und entzündlich-rheumatischen Erkrankungen eingesetzt werden

Gestagene, die in Verhütungsmitteln wie der Pille eingesetzt werden

Bei der Liste wird deutlich, wie oft sich eine „Ei oder Huhn”-Situation ergibt. Übergewicht bedingt Diabetes Typ 2, und dann werden Medikamente verschrieben, die zu mehr Übergewicht führen können. Selbstverständlich möchte ich keinesfalls die Arbeit von Ärzten bewerten, doch man muss sich darüber im Klaren sein, welche Auswirkungen die Medikamente, die wir einnehmen, auf unser Gewicht haben können.

Meine Beratung und das weiße Blatt

Lassen Sie mich kurz zusammenfassen: Um gegen Ihr Übergewicht zu kämpfen, müssen Sie also Ihr Übergewicht verstehen. Zu verstehen, heißt abzuschätzen, wie viel Kalorien Ihr Körper täglich benötigt, und sich anzuschauen, wie viel Kalorien Sie tatsächlich zu sich nehmen – und warum es eventuell zu viel ist. Das geht über die schlichte Analyse des Essens hinaus. Wie viel Schlaf bekommen Sie pro Nacht? Gibt es psychische Belastungen in Ihrem Leben? Wie hoch ist Ihr Stresslevel? Nehmen Sie eventuell Medikamente ein, die Einfluss auf Ihr Gewicht haben? Daneben spielt Ihre Veranlagung eine bedeutende Rolle dabei, ob Sie zu Übergewicht tendieren. All dies zusammengenommen ergibt ein klareres Bild von dem „Monster”, gegen das Sie „kämpfen”. Und die Erkenntnisse helfen Ihnen bei der Wahl der Waffen, mit denen Sie das Monster erlegen.

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Wenn Sie genau wissen, wie Ihr Übergewicht entstanden ist, können Sie es wirkungsvoll bekämpfen.

Daher stelle ich meinen Patienten alle möglichen Fragen, wenn sie zu mir in die Praxis kommen. Ich ergründe die Ursachen für ihr Übergewicht und wähle dann die Waffen, die ich ihnen für den Kampf gegen die lästigen Pfunde an die Hand gebe.

Ein Patient kommt zu mir und schildert mir seine Situation, sein Essverhalten, seine Geschichte, seine Wünsche. Ich höre zu, frage ab und zu nach, wenn ich mehr Infos oder Details brauche, und mache mir Notizen. Zunächst rechne ich aus, wie viele Kalorien der Patient durchschnittlich zu sich nimmt, dann berechne ich seinen tatsächlichen Energiebedarf.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869103532
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Januar)
Schlagworte
Ernährungs-Ratgeber abnehmen Rezepte Jobfood Abnehmmethode Übergewicht

Autoren

  • Sven Bach (Autor:in)

  • Benjamin Breitmaier (Autor:in)

Wie aus einem dicken Kind und Teenager ein normalgewichtiger Diätassistent wurde – das ist Sven Bachs Geschichte. Bis zu seinem 19. Lebensjahrhatte der Schwabe mit starkem Übergewicht zu kämpfen. Seit 1998 ist er als Ernährungstherapeut und Diätassistent tätig, seit 2007 therapiert er in seiner eigenen Praxis Patienten mit ernährungsabhängigen Erkrankungen und ist regelmäßig im Fernsehen zu erleben. Co-Autor Benjamin Breitmaier hat mit der Hilfe von Sven Bach neun Kilogramm abgenommen. Benjamin Breitmaier schloss zunächst ein Studium der Betriebswirtschaft ab, war anschließend fünf Jahre Lokaljournalist und arbeitet heute in einem Abgeordnetenbüro.
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Titel: Abnehmen mit der Minus-20%-Regel