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Betreuungsberichte schnell und kompakt formulieren

So beschreiben Sie Ihre Beobachtungen neutral und nachvollziehbar. Viele Fallbeispiele

von Dr. Angela Paula Löser (Autor:in)
128 Seiten

Zusammenfassung

Jede Betreuungsleistungen hat Ziele. Sie wird geplant, angeboten und durchgeführt. Im Anschluss daran erfolgt die Dokumentation: Hat die Betreuung zu mehr Wohlbefinden beim Teilnehmer geführt? Wie lief die Betreuung ab? Was war positiv, was negativ? Was muss evtl. künftig geändert werden?

Die Ansprüche an Betreuungsleistungen sind also komplex. Umso wichtiger ist eine gute und nachvollziehbare Dokumentation – schließlich sollen auch die Kollegen die wichtigen Erkenntnisse verstehen und anwenden können.

Dieses Buch ist eine gute strukturierte und leicht verständliche Einführung in die Praxis des Betreuungsberichtes. Als Lern- und Übungsbuch konzipiert zeigt es richtige Vorgehensweisen, nennt mögliche Fehler und gibt eine Fülle an Optimierungsvorschlägen.

Abgerundet wird das Buch durch eine Vielzahl von Formulierungshilfen, um Wohlbefinden, Unbehagen etc. konkret beschreiben zu können.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Innerhalb der verschiedenen Gesundheitseinrichtungen arbeiten unterschiedliche Berufsgruppen in einem Netzwerk zusammen. Sie alle haben dasselbe Ziel: ein gutes Angebot für den Betreuten, angepasst an seine individuelle Situation und auf seine Bedürfnisse zugeschnitten.

Natürlich hat dabei jede Berufsgruppe zunächst ihre eigene Sichtweise und trifft die Entscheidungen im Hinblick auf ihr eigenes Handlungsfeld. Daneben gibt es aber Wechselwirkungen mit den Handlungsfeldern der anderen Berufsgruppen. Um das Gesamtziel zu erreichen, die bestmögliche Pflege-, Betreuungs- und Versorgungssituation und ein weitgehendes Wohlbefinden des Betroffenen, müssen die Mitarbeiter der verschiedenen Berufsgruppen eng zusammenarbeiten.

Nicht immer gibt es dabei die Zeit für einen intensiven mündlichen Austausch. Deshalb ist der Pflege- und Betreuungsbericht die ideale Form, in der alle Berufsgruppen ihre Beobachtungen vermerken und die der jeweils Anderen lesen können.

Alle Berufsgruppen, die Leistungen im Rahmen des Sozialen Gesetzbuches XI (SGB XI), also durch die Pflegeversicherung finanziert, erbringen, werden hinsichtlich ihrer erbrachten Maßnahmen, der Angemessenheit und der Qualität durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüft.

Zusätzliche Betreuungskräfte haben gemäß der §§ 43b Abs. 8 und 85 Abs. 8 SGB XI die Aufgabe, »in enger Kooperation mit den Pflegekräften und den Pflegeteams die Betreuungs- und Lebensqualität von Pflegebedürftigen in stationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern.«1

Um diese Zielsetzung zu erreichen werden den Betreuungskräften spezifische Handlungsfelder zugesprochen:

Sie sollen

Beschäftigung, »Zuwendung, zusätzliche Betreuung und Aktivierung« anbieten,

»mehr Austausch mit anderen Menschen und

mehr Teilhabe am sozialen Leben in der Gemeinschaft« ermöglichen,

um dem Menschen »eine höhere Wertschätzung« entgegenzubringen. Außerdem sollen sie den Betroffenen, die nicht alle pflegebedürftig sind, für Gespräche über Alltägliches und ihre Sorgen zur Verfügung stehen, ihnen durch ihre Anwesenheit Ängste nehmen sowie Sicherheit und Orientierung vermitteln.«2

In diesem Buch geht es um das Schreiben von Betreuungsberichten für Betreuungskräfte, Alltagsbegleiter oder andere nach § 45 SGB XI tätige Menschen.

Ich möchte Ihnen zeigen,

1.welche Beschreibungsbereiche wichtig sind und

2.welche Anforderungen an angemessene und gute Formulierungen gestellt werden.

Meine Ausführungen orientieren sich grundsätzlich an den Zielen und Handlungen, wie sie in der Betreuungskräfterichtlinie beschrieben werden.

Das erwartet Sie:

Kapitel 1 zeigt Ihnen die Ziele des Betreuungsberichts, erklärt also das Warum und Wieso.

Kapitel 2 enthält die Merkmale an einen Betreuungsbericht. Die müssen Sie kennen, damit Ihr Bericht ein Bericht und keine Erzählung wird.

Kapitel 3 enthält grundsätzliche Informationen zu den einzelnen Beschreibungsbereichen. Wichtig ist dies für alle, die sich grundsätzlich orientieren wollen.

Kapitel 4 zeigt Ihnen, was alles schieflaufen kann. Kein Grund zur Besorgnis: Wenn Sie die häufigsten Fehler kennen, können Sie sie vermeiden!

Kapitel 5 zeigt Ihnen in Tabellenform konkrete Beispiele für geeignete bzw. ungeeignete Einträge in Betreuungsformen. Wichtig, damit Sie sich schnell überprüfen können.

Die Kapitel 69 geben Ihnen einen groben Überblick über den Zusammenhang zwischen Ihrer Arbeit (und Ihrem Betreuungsbericht) und der Gesamtsituation Ihrer Einrichtung.

Der besseren Lesbarkeit halber spreche ich bei den zu Betreuenden immer von »Betroffenen«. Hierunter fallen in der ambulanten Pflegesituation Patienten, in stationären Altenpflegeeinrichtungen Bewohner, in Hospizen und Tagespflegeeinrichtungen Gäste. In verschiedenen Einrichtungen wird auch der Begriff »Kunde« verwendet.

Betreuungskräfte bezeichne ich als »Mitarbeiter der Sozialen Betreuung« oder »Betreuungsmitarbeiter bzw. Betreuungskräfte«.

Wichtig Beachten Sie das Qualitätsmanagement-Handbuch

Welche Bereiche in Ihrer Einrichtung besonders intensiv zu beschreiben oder ob es Schwerpunktbereiche gibt, erfahren Sie aus dem Qualitätsmanagement-Handbuch Ihrer Einrichtung. Werfen Sie also mal einen Blick hinein, ehe Sie sich an den Betreuungsbericht setzen!

Ich habe mich bemüht, alle wichtigen Themen rund um die Betreuung zu beschreiben. Als Autorin bin ich dankbar für alle Anregungen, konstruktiv angebrachte kritische Äußerungen und auch über jede positive Rückmeldung.

 

Duisburg, im März 2019 Angela Paula Löser

_________________

1GKV-Spitzenverband (2016): Richtlinien nach § 53c SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte-RL) vom 19. August 2008 in der Fassung vom 23. November 2016, S. 3

2Ebd.

Einführung: Der Betreuungsbericht

Definition Betreuungsbericht

Wie der Begriff »Betreuungsbericht« schon sagt, handelt es sich um einen Bericht, in dem es um die Betreuung, konkret: um die Beschäftigung, Aktivierung und Betreuung von Menschen vor allem in stationären Einrichtungen, ambulanten Pflegediensten, Hospizen und Tagespflegen geht.

Neben den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Problemen und Risiken des Menschen, die vor einer Betreuung erfasst werden müssen, geht es auch um die Beschreibung von Wirkungen, Entwicklungen und Reaktionen des Betreuten auf die Angebote. Diese können sich im Verlauf der Zeit ändern, da sich ggf. auch der Zustand des Menschen, seine Kräfte und Möglichkeiten, aber auch seine Einschränkungen und Risiken oder seine Bedürfnisse und Wünsche verändern können.

Mit Einführung der §§ 45 und 87b SGB XI im Jahr 2009 erhielt das Handlungsfeld der (Sozialen) Betreuung, Beschäftigung und Begleitung mehr Beachtung. Neben den immer schon vorhandenen Leistungsangeboten, die durch die Mitarbeiter der Sozialen Betreuung und im weiteren Sinne auch durch die Pflegemitarbeiter erbracht wurden, war es das Ziel dieses Gesetzes, den pflegebedürftigen Menschen ein verbessertes Angebot an niederschwelligen Betreuungsangeboten zu ermöglichen. In der aktuellen Betreuungskräfterichtlinie aus dem Jahr 2016 werden die Informationen unter dem § 53c SGB XI beschrieben.

Eigentlich müsste hier vom Pflege- und Betreuungsbericht die Rede sein, denn die verschiedenen Berufsgruppen sollen alle in einem gemeinsamen Bericht dokumentieren. So kann jeder Mitarbeiter auch die Einträge der anderen Berufsgruppe nachlesen und sich ein ganzheitliches Bild machen. Trotzdem spreche ich in diesem Buch konsequent vom Betreuungsbericht, weil der Begriff sich flüssiger lesen lässt und weil ich die spezifischen Inhalte der Betreuung beschreibe.

Der Betreuungsbericht nimmt den Pflegebedürftigen in den Blick. Die Mitarbeiter Können

bei akut auftretenden Problemen beim Betroffenen Art, Umfang, ggf. Ursachen und Verlauf des Problems erkennen (auch wichtig für die Pflegegradeinstufung (image Kap. 3),

Veränderungen im Bereich der Selbstständigkeit beschreiben (so können ihre Kollegen aus anderen Berufsgruppen prüfen, ob sie dies auch so sehen und ob ggf. sogar ein Verschlechterungsantrag (Pflegegrad) gestellt werden muss),

Wirkungen nachlesen, die unmittelbar während des Angebots aufgetreten sind (also die Eignung des Angebotes erkennen),

Reaktionen der Betroffenen nachvollziehen, die sich evtl. erst später gezeigt haben (manchmal zeigt sich insbesondere bei Menschen mit Demenz eine Wirkung erst nach Beendigung der Maßnahme oder sogar Stunden später),

Zeitpunkte im Tagesverlauf erkennen, zu denen bestimmte Probleme oder Phänomene beim Betroffenen wiederholt oder regelhaft auftreten (z. B. Lauftendenz, häufig beginnend ab 15:00 Uhr),

generell immer, aber besonders in der Sterbephase, die Wirkung von Maßnahmen erkennen, die zu geäußertem oder erkennbarem Wohlbefinden führen (so können alle Berufsgruppen durch Lesen von solchen Erfahrungen profitieren und dem Sterbenden gut helfen, bzw. können Angehörige zu entsprechenden Maßnahmen angeleitet werden),

Situationen mit herausforderndem Verhalten erkennen und verstehen (ggf. können Ursachen, die ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen verstärken oder reduzieren bzw. beheben, später gezielt in der Planung genutzt werden),

zuvor nicht geplante, aber aktuell nötige Angebote erkennen.

Zum anderen geht der Betreuungsbericht über die konkrete Betreuungsarbeit hinaus:

Der Betreuungsbericht ist Gesprächsgrundlage. In Gesprächen mit Angehörigen kann diesen anhand des Berichts aufgezeigt werden, welche Angebote dem Pflegebedürftigen gemacht wurden, woran dieser tatsächlich teilgenommen hat und welche Reaktion sich zeigte. Kritische Äußerungen, dass nichts gemacht würde, dass der Betroffene vergessen wird, können so entkräftet werden.

Der Betreuungsbericht ist qualitätsrelevant. Das Wohlbefinden ist ein Qualitätsindikator dafür, dass eine gute Versorgungsqualität vorliegt. Dies gilt insbesondere bei Menschen mit Demenz.

Der Betreuungsbericht ist teamrelevant. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen kann hier nachvollzogen werden, wenn z. B. der Mitarbeiter der Pflege den Mitarbeiter der Sozialen Betreuung informiert, dass ein Betroffener trauert und er mehr oder aktuell eine Begleitung benötigt. Ebenso können die Rückmeldungen von der Betreuungskraft an die Pflegefachkraft gehen.

Der Betreuungsbericht ist Nachweis. Die PDL kann wertvolle Informationen sichten und ggf. im Gespräch nutzen, wenn es z. B. zu Beschwerden gekommen ist.

Der Betreuungsbericht ist ein Dokument. Ihm können z. B. Informationen zur juristischen Absicherung entnommen werden, wenn etwa nach einem Sturzereignis erkennbar ist, dass der Betroffene entsprechende Angebote zur Sturzprophylaxe bekam, (z. B. eine Begleitung) er diese jedoch abgelehnt hat (oder der Sturz trotzdem erfolgte).

Der Betreuungsbericht ist handlungsrelevant. Er enthält auch wichtige Informationen für ethische Fallbesprechungen (hat z. B. die Betreuungskraft nach Aussage eines Betroffenen wiederholt dessen Äußerungen »Ach, würde der Herrgott mich doch holen« eingetragen, wäre erkennbar, dass sich der Betroffene mit seinem Lebensende beschäftigt oder er dieses sogar herbeisehnt (Lebenssattheit).

Ein guter Betreuungsbericht unterscheidet sich von einer Erzählung und zeigt verschiedene Merkmale, die ich Ihnen im Folgenden erläutere.

2.1Kurze, knappe und nachvollziehbare Beschreibung (»ZDF« und »ARD«)

Der Betreuungsbericht heißt Bericht, weil er kurz und knapp geschrieben ist und nur wesentliche Informationen aufzeigt. Hier unterscheidet er sich von einer Erzählung, in der es oft um ausschmückende und in emotionaler Weise vorgetragene Informationen handelt. Der Bericht ist frei von wertenden Einträgen und zeigt mit ZDF (Zahlen, Daten, Fakten) genau die Informationen, die der Leser benötigt und die ihm ein klares und eindeutiges Bild verschaffen. Begriffe mit »Gummibandcharakter«, wie »gut«, »schlecht«, »ausreichend«, »mehr« oder »weniger«, »je nach Tagesform«, »… ging es gut« usw. sind mit einem deutlichen Interpretationsspielraum verbunden. Der Leser kann keine klare Vorstellung von dem, was wirklich war, gewinnen. Solche Begriffe dürfen daher nicht verwendet werden.

Umgekehrt sollen keine Romane geschrieben werden. Alle Einträge sind in kurzer, knapper Form zu schreiben (image Kap. 8).

Es gibt auch Begriffe, die mehrdeutig sind. Ebenso wie verallgemeinernde und wertende Einschätzung des Betroffenen. Aussagen wie »Frau XY ist aggressiv, depressiv, verwirrt, unruhig oder ungepflegt« beinhalten allgemeine oder sogar wertende Anteile. Wird ein Betroffener so beschrieben, wird ggf. in der Folge mehrerer solcher Einträge der Neurologe angerufen und es folgt eine Behandlung mit Psychopharmaka, also Medikamenten, die die psychische Gefühlslage verändern. Dabei hätte es vielleicht eher geholfen, hinzuschauen oder hinzuhören, warum der Betroffene so reagiert, wie er reagiert.

2.2Erkennbare Zusammenhänge

Das Verhalten eines Menschen lässt sich erst dann verstehen, wenn Zusammenhänge zwischen einer bestimmten Situation oder Bedingungen, die eine Reaktion ausgelöst haben, aufgezeigt werden. Es gibt nahezu keine Reaktion bei einem Menschen, ohne dass ein Auslöser besteht. Solche Auslöser, die auch als Trigger bezeichnet werden, können in der Situation, in den Rahmenbedingungen der Umgebung, in der Art des Handelns der Betreuungskraft, im Gespräch oder in gemeinsamen Aktivitäten mit anderen Menschen liegen. Möglicherweise ist auch ein zu hohes Maß an Reizen verantwortlich oder ein unbequemer Stuhl, auf dem der Betroffene nicht mehr sitzen kann.

Fazit Achten Sie auf Zusammenhänge!

Wann oder wodurch ist etwas besser geworden?

Wann oder wodurch ausgelöst wurde etwas schlimmer?

Durch welche Faktoren wird etwas überhaupt ermöglicht oder verhindert?

Beschreiben Sie immer die Situation, den Zusammenhang und die Reaktion des Betroffenen. Zeigt der Betroffene Anzeichen von Abwehr, Traurigkeit oder andere Reaktionen, die erkennen lassen: »Hier müssen wir etwas tun …« können folgende Informationen wichtig sein:

Bei welcher Situation oder Handlung oder bei welchem Angebot zeigte der Betroffene das Verhalten?

Welches Verhalten zeigte er konkret? Was hat der Betroffene gesagt, an Verhalten oder Anzeichen gezeigt?

Um welche Uhrzeit zeigte sich das Verhalten? Lässt sich ein klarer Auslöser erkennen? Prüfen und beschreiben Sie den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung.

Bei welcher Person zeigte sich das Verhalten? (Prüfen Sie personenabhängige Zusammenhänge, Auswirkung von Sympathie oder Antipathie)

Wie reagierte der Betroffene, als die Handlung unterbrochen oder beendet wurde?

Welche Bedingungen führten zu einer Verbesserung oder Verschlimmerung?

Zeigte sich zu einem späteren Zeitpunkt oder bei einer anderen Handlung oder bei einer anderen Person eine andere Reaktion?

Gibt es biografische Informationen (Vorlieben, Abneigungen oder Rituale, die sich aus der Lebensgeschichte des Betroffenen ergeben haben), die als Ursache in Frage kommen?

2.3Konkrete Ursachenanalyse

Bei neu auftretenden Problemen, sich verändernden Reaktionen und Verhaltensweisen oder kurz gesagt: wenn etwas anders ist als sonst, sollten Sie neben der Beschreibung des Verhaltens oder des Problems immer eine Ursachenanalyse vornehmen. Hierbei sind folgende Fragen zu stellen:

1.Welche Ursache kann es für die Veränderung geben? Benennen Sie die überprüften Ursachen konkret. Warum ist es jetzt so? Warum reagiert der Betroffene jetzt so und so oder warum bleibt die angestrebte Reaktion aus? Es reicht nicht aus, hier allgemein zu schreiben »… weil das Angebot der Rätselrunde heute anders gemacht wurde als sonst …« Was war konkret anders?

2.Gab es ggf. mehrere Ursachen, die zeitgleich wirkten? Wurde z. B. ein Angebot in einem anderen Raum und von einer anderen Person durchgeführt? Es ist wichtig, dass Sie sich immer fragen: »Was war heute wirklich anders als sonst?« Wenn Sie bei mehreren gleichzeitig einwirkenden Ursachen keinen eindeutigen Auslöser ermitteln können, sollten Sie zunächst einen vermuteten Auslöser verändern und das Verhalten des Betroffenen beobachten. Zeigt sich das Problem weiterhin, verändern Sie einen anderen vermuteten Auslöser, um so nach und nach den Auslöser für das problematische Verhalten des Betroffenen zu erkennen und dieses zu verändern.

Die Ursachen sollten Sie vor allem in den äußeren Rahmenbedingungen (= extrinsische Faktoren) suchen, weil sich diese eher verändern lassen. Erst, wenn sich hier kein Grund finden lässt, wird nach Ursachen, die im Betroffenen liegen (= intrinsische Faktoren), gesucht. Im Versuch werden dann die externen Faktoren nach und nach geändert und so versucht herauszufinden, was die Ursache war. Verändert sich das Verhalten des Betroffenen, ist die Ursache wahrscheinlich gefunden und behoben.

Veränderungen äußerer Rahmenbedingungen wären z. B.:

anderes Angebot: Auch wenn nur kleine Veränderungen vorgenommen wurden, z. B. andere Reihenfolge der Lieder beim Singkreis.

anderer Raum: Insbesondere bei Räumen, die nicht auf dem Wohnbereich des Betroffenen liegen, können sich Anzeichen von Unruhe, Lauftendenz und Abwehr zeigen, weil er hier ein Fremdheitsgefühl verspürt.

andere Person: Ist der Betroffene die Durchführung des Angebots durch immer dieselbe Person gewöhnt, kann er sich ggf. nicht ohne weiteres auf eine andere Betreuungskraft umstellen. Biografisch geprägte Erinnerungen oder auch Antipathie und Sympathie gegen oder für eine Person können z. B. das Verhalten prägen.

andere Sitzordnung: Sitzt der Betroffene neben einem anderen Menschen, als er es sonst gewohnt ist oder ist die Tischordnung anders gestellt, kann dies zu Anzeichen von Unsicherheit führen.

andere Tageszeit: Der Betroffene ist es gewöhnt, dass ein Angebot immer zur selben Zeit durchgeführt wird. Eine Veränderung kann seine gewohnte Wochen- oder Tagesstruktur stören und sein Verhalten verändern. Insbesondere bei Menschen mit Demenz bestehen hier Anpassungsprobleme. Sie können keine Übergänge3 bewältigen. Der Abbau von Fähigkeiten und Kräften kann dazu führen, dass die bisherige Tagesstruktur den Betroffenen überfordert und er nun häufigere Pausen oder kürzere bzw. andere Angebote benötigt, einen anderen Ablauf oder eine andere Art des vorangegangenen Angebots. War dies anders als sonst, kann sich die schon dort entstehende Unsicherheit jetzt im Betreuungsangebot zeigen (z. B. wenn der Arzt Blut abgenommen hat).

2.4Darstellung wichtiger Informationen

Der Betreuungsbericht dient dazu, Ihren Kollegen und Kolleginnen der eigenen oder einer anderen Berufsgruppe wesentliche Informationen zu geben. Deshalb sollte der Bericht keine überflüssigen Informationen beinhalten, die das Filtern der wichtigen Daten erschweren.

Die Informationen sollten auch dazu dienen, juristische Fragestellungen beantworten zu können: Was wurde bei einem bestimmten Problem gemacht? Wie haben die Mitarbeiter gehandelt? Wie wurde mit einem bestimmten Phänomen im weiteren Prozess umgegangen?

2.5Informationen erfassen und beschreiben

Der Betroffene, d. h. der Bewohner im Pflegeheim, der Gast in der Tagespflege, der Patient in der ambulanten Pflege ist der Experte seines eigenen Lebens. Eigentlich weiß nur er selbst, wie er sich fühlt, was ihn erfreut oder bedrückt. Er selber kann auch am besten sagen, welche Ursache für eine Stimmungslage oder ein Verhalten bei ihm verantwortlich ist.

Heute sind in den Pflegeeinrichtungen, in denen alte, kranke Menschen gepflegt, betreut und versorgt werden, 60–80 Prozent der Betroffenen an gerontopsychiatrischen Erkrankungen erkrankt oder befinden sich im Zustand schwerer und schwerster Pflegebedürftigkeit. Diese Zustände führen dazu, dass die Betroffenen oftmals nicht mehr selbstständig reflektieren oder beschreiben können, wie es ihnen geht, welche Ursachen sie selbst für ihre Verfassung sehen und was sie möchten oder nicht möchten (Bedürfnisse).

Insbesondere Wohlbefinden, Angst, Zufriedenheit oder andere Empfindungen der Seele sind innere Zustände oder Befindlichkeiten, die nicht ohne weiteres von außen festzustellen sind. Es gibt auch keine technischen Messinstrumente, mit denen das Wohlbefinden zu messen ist. Hier bedarf es einer sensiblen und genauen Analyse bzw. Erhebung von Aussagen oder Indizien durch den Mitarbeiter.

Hier liegt zugleich die zweite Schwierigkeit: Jeder Mensch, der etwas beobachtet, bewertet und interpretiert immer schon und hält das, was er festgestellt hat, für die Wahrheit und Realität. Eine solche gibt es aber nicht, es ist immer nur eine individuelle Wahrnehmung. Durch Befragen und mehr noch durch Beobachten kommen Sie hier weiter!

2.6Befragen und Beobachten

Es gibt unterschiedliche Methoden:

1.Befragung des Betroffenen (Abfrage einer Selbsteinschätzung): Aussagen des Betroffenen müssen immer als objektiv angesehen werden, auch wenn dieser ggf. nicht die Wahrheit sagt.

Dokumentiert werden Aussagen, die der Betroffene selbst machte, in wörtlicher Rede. (»Frau K. sagte: »Ich fühle mich hier wohl. Besonders das Baden ist schön. Das konnte ich zu Hause nicht mehr allein.«)

2.Verhaltensbeobachtung (Beobachtung von Mimik, Gestik, Körperspannung, Reaktionen und Verhaltensweisen des Betroffenen): Beschreiben Sie, was Sie gesehen, gehört, gerochen oder mit Ihren Händen gefühlt haben. (»Frau K. hatte einen traurigen Gesichtsausdruck, … weinte als, ich ihr … erzählt habe.«)

Vegetative Symptome (Beobachtung und Kontrolle von Symptomen, die durch das vegetative (nicht willentlich steuerbare) Nervensystem ausgelöst werden): Anzeichen des vegetativen Nervensystems sind etwa Stresszeichen wie schneller Puls, Blutdruckanstieg, Schwitzen (kleinperlig, kalt und ggf. riechend), schnellere und oberflächlichere Atmung, große Pupillen. Entspannung kann sich als das Nachlassen der Symptome äußern.

Geht dies nicht, werden Beobachtungen durchgeführt: während der Maßnahme, außerhalb der Maßnahme und im gesamten Tagesverlauf. Verändert sich hier etwas, wird geprüft, ob es sich eher um Veränderungen handelt, die auf eine Verbesserung des Wohlbefindens oder eines Zustandes beim Betroffenen hinweist oder eher um eine Verschlechterung.

Beschreiben Sie immer die Zusammenhänge, um Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu klären und Indizien für eine geeignete Umgebungsgestaltung und Maßnahmenplanung zu gewinnen.

Vermutungen, mit denen Aussagen über Seelenzustände wie z. B. zum Wohlbefinden gemacht werden, sind nicht zulässig.

»Frau K. wollte …« (Woher weiß man, was sie wollte?)

»Frau K. lehnte ab …« (Wie wurde abgelehnt?)

_________________

3Übergänge werden hier verstanden als das problemlose Abschließen einer Tätigkeit und das unproblematische, sich anknüpfende Beginnen einen anderen Tätigkeit.

3.1Verwendung des Strukturmodells und der SIS®4

Das Strukturmodell wurde vor allem deshalb entwickelt, um die Pflegedokumentation zu verschlanken und Zeit zu sparen. Doppelte Beschreibungen in verschiedenen Bereichen oder wiederholte Berichtseinträge ohne konkreten Anlass sollten unterbleiben, damit die Pflegekräfte mehr Zeit für die direkte Pflege haben.

Nicht dokumentiert werden sollen:

Informationen, die bereits in der Informationssammlung (SIS®) beschrieben sind, etwa Wünsche und Bedürfnisse des Betroffenen, vorhandene Fähigkeiten oder Einschränkungen sowie die Ergebnisse des Aushandlungsprozesses.

In der Handlungsplanung vorgeplante und anschließend durchgeführte Maßnahmen. Hierbei gilt das »Immer-so-Prinzip«. Dies bedeutet: Wenn ein Plan besteht, wird davon ausgegangen, dass dieser bei Einwilligung durch den Betroffenen auch immer umgesetzt wird. In diesem Fall müssen weder die Maßnahme quittiert noch Einträge im Bericht vorgenommen werden (Unsinnige Doppel-Dokumentation).

Sinnvoll ist ein Eintrag aber, wenn Wirkungen der Maßnahme beobachtet werden und diese Informationen auch für andere Mitarbeiter wichtig erscheinen. Auch wenn die vorgeplante Maßnahme anders als sonst durchgeführt wird, sollten Sie dies dokumentieren. Sind Maßnahmen nicht vorgeplant oder nur als Oberbegriff beschrieben, wie z. B. Basale Stimulation®, Spielerunde o. Ä., wäre tagesaktuell zu beschreiben, was genau angewendet wurde. Insofern empfiehlt es sich, in der Handlungsplanung möglichst konkret zu beschreiben:

Welche Art von Maßnahme soll

ggf. in welcher Art oder mit welchem Ablauf

ggf. mit welchem Material

zu welcher Uhrzeit

wie lange

angewendet werden? Kommt es dann zu Veränderungen oder Abweichungen, müssen Sie entsprechende Einträge im Bericht vornehmen.

Nutzen Sie in Ihrer Einrichtung ein Dokumentationssystem, gilt: Berichtseinträge werden vor allem vorgenommen bei

Maßnahmen, die nicht vorgeplant sind, also tagesaktuell angewendet werden,

Abweichungen in der Maßnahmendurchführung im Vergleich zur geplanten Maßnahmen (andere Maßnahme, andere Durchführung: z. B. andere Zeit, anderer Ort, andere Vorgehensweise, anderes Material),

Besonderheiten wie Reaktionen des Betroffenen auf besondere Feste und Feiern oder auf andere Maßnahmen,

veränderte Reaktionen des Betroffenen im Alltag oder bei Angeboten, an denen er auch sonst teilnimmt (z. B. plötzliche Ablehnung),

Veränderungen in den Kompetenzen bzw. Ressourcen,

Veränderungen von Problemen und Einschränkungen,

veränderte Bedürfnislage (Betroffener möchte plötzlich etwas, was er sonst nicht wollte oder lehnt etwas ab, was er immer gern angenommen hat),

Aussagen der Angehörigen, die einen Einfluss auf die Versorgung des Betroffenen haben (z. B. Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten),

Mitteilungen an Mitarbeiter anderer Berufsgruppen (z. B. Informationen an die Küche, Pflege, den Hausmeister).

Evaluationen dokumentieren Sie im Bericht nur, wenn diese nicht an anderer Stelle beschrieben werden. Bei der Evaluation werden der Wert und die Eignung der Maßnahme mit Blick auf ein ausgehandeltes oder gedachtes Ziel eingeschätzt. Wird eine positive Auswirkung beschrieben, kann die Maßnahme verlängert werden. Bei einer unzureichenden oder sogar ablehnenden Auswirkung beim Betroffenen, sollte der Handlungsplan überprüft und ggf. geändert werden.

Dokumentieren Sie alle Informationen, die Sie als wichtig einschätzen bzw. die bislang nicht in der SIS® oder in der Maßnahmenplanung beschrieben sind.

3.1.1 Abweichungen in der Maßnahmendurchführung

Liegt ein konkreter Handlungsplan für die Betreuungsangebote vor und lässt sich aus diesem die konkrete Maßnahme genau entnehmen, müssen Sie die Maßnahme nicht mehr beschreiben.

Ist z. B. für Montagmorgen eine entspannende Handmassage mit Rosenöl beschrieben und liegt eine handlungsleitende konkrete Beschreibung der Maßnahme in der individuellen Planung oder hinterlegt als Standard für diese Maßnahme vor, ist dies der Plan. Führen Sie nun genau diese Maßnahme durch, ist eine Beschreibung oder Nennung der Maßnahme nicht mehr erforderlich. Erscheint es Ihnen jedoch sinnvoll, eine Beobachtung zur Haut, zum Muskeltonus o. ä. zu machen, können Sie eine Eintragung vornehmen. Ist allerdings nur ein »Einzelangebot« für den Montagmorgen geplant, müssen Sie konkret beschreiben, was nun angewendet wurde.

Abweichungen müssen dokumentiert werden (image Kap. 5.1):

andere Maßnahme (Was wurde anders gemacht?)

andere Art der Durchführung (Wie wurde es anders gemacht?)

andere Uhrzeit (Wann, um welche Urzeit wurde es gemacht?)

andere Dauer (Wie lange wurde es gemacht?)

andere Wirkung (Was hat sich anderes gezeigt?)

3.1.2 Abweichungen im Verhalten, in der Reaktion oder vom Zustand des Betroffenen

Informationen können Hinweise zu einer Besserung, Verschlechterung des Zustandes, zum Eintreten des Betroffenen in eine palliative oder Sterbesituation oder zu einer Veränderung in der Wahrnehmung eines Angebots geben. Wenn ein Betroffener z. B. in einer Frühstücksrunde, in der er lange als »guter Esser«, galt, zunehmend jegliches Essen ablehnt, kann dies ein erstes Anzeichen auf eine Krankheit oder auch ein beginnendes Sterben sein.

Die zunehmende Ablehnung von Essen und Trinken, oder auch das abnehmende Interessen an Kommunikation, Beschäftigung und sozialer Teilhabe sind weitere Anzeichen. Aus Vorlieben können Abneigungen werden, wenn sich körperliche Funktionen verändern oder wenn ein Angebot, das lange als wohltuend empfunden wurde, nun negative oder belastende Wahrnehmungen erzeugt.

Hat Frau U. z. B. viele Jahre gern gestrickt, wird sie dieses ggf. ablehnen, wenn ihre Augen aufgrund von »Grauem Star« schlechter werden oder die Hände aufgrund zunehmender Arthrose steif werden. Hier ist eine Beschreibung erforderlich, wie sich das Verhalten ändert. Es handelt sich um eine Veränderung biografischer Daten (Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten image Kap. 5.3).

Wichtig Beschreiben Sie konkret

Was am Verhalten war konkret anders als sonst? (Zahlen, Daten, Fakten dokumentieren).

Was sagte der Betroffene wörtlich oder welche Anzeichen zeigten sich?

In welcher Situation, bei welchem Angebot hat sich das Verhalten geändert? (Zusammenhang beschreiben).

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842689824
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Mai)
Schlagworte
Altenpflege Lernmaterialien Medizin Pflege Psychologie & Hilfe

Autor

  • Dr. Angela Paula Löser (Autor:in)

Dr. phil. Angela Paula Löser ist Diplom-Pädagogin (Dr. phil.), Lehrerin für Pflegeberufe, Fachkrankenschwester für Pflege in der Onkologie und in Palliative Care, Interne Auditorin sowie freiberufliche Dozentin. Sie verfügt seit über 30 Jahren über praktische Erfahrungen in der Pflege und Betreuung, arbeitet seit 20 Jahren als Dozentin und seit 14 Jahren als Beraterin in der stationären Altenpflege.
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Titel: Betreuungsberichte schnell und kompakt formulieren