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Verhaltensprobleme bei der Katze

Von den Grundlagen bis zum Management, Zusatzmaterial online: Infoblätter für Patientenbesitzer.

von Patricia Kaulfuß (Herausgeber:in)
200 Seiten

Zusammenfassung

Stubentiger verstehen leicht gemacht!

Dieser übersichtliche und leicht verständliche Ratgeber gibt der TFA einen guten Überblick über die am häufigsten vorkommenden Problemverhaltensweisen der Katze. Sechs renommierte verhaltenstherapeutisch tätige Tierärzte geben Tipps für die tägliche Praxis und schildern nachvollziehbare Therapieansätze für die Beratung von Patientenbesitzern. Das Buch ist problemorientiert aufgebaut, jede Verhaltensweise wird erklärt und durch eine Liste der einhergehenden typischen Auffälligkeiten ergänzt. Die TFA bekommt Hilfestellung für das Management von Verhaltensauffälligkeiten und nützliche Tipps zur Prävention. Fachbegriffe können jederzeit im Glossar nachgeschlagen werden. Video-Beispiele und Hand-Outs für Patientenbesitzer stehen zusätzlich online zur Verfügung. Ein wertvoller Ratgeber zum Nachschlagen, den jede TFA gerne zur Hand nehmen wird!

Auf den Punkt gebracht:

Von Profis für die Praxis: Verhaltenstherapeutisch tätige Tierärztinnen geben Tipps für die tägliche Arbeit und schildern nachvollziehbare Therapieansätze für die Beratung von Patientenbesitzern.

Problemorientierter Aufbau: Verhaltensweisen werden erklärt und durch eine Liste der typischen Auffälligkeiten ergänzt.

Übersichtlich & leicht verständlich: Hilfestellung für das Management von Verhaltensauffälligkeiten und nützliche Tipps zur Prävention.

Mit vielen Extras: Glossar mit Fachbegriffen und Hand-Outs für Patientenbesitzer.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


1.1Allgemeine Einführung

Die individuelle Entwicklung eines Kittens beginnt bereits während der Trächtigkeit und verläuft besonders in den ersten Lebenswochen ausgesprochen rasch. Innerhalb weniger Wochen wächst ein blindes, taubes und hilfloses Kitten (image Abb. 1-1) zu einer selbstständigen Katze heran. Diese Lebensphase hat größte Bedeutung und hinterlässt Spuren für das gesamte weitere Leben der erwachsenen Katze. Nie wieder lernt eine Katze in so kurzer Zeit so schnell und so einfach.

Es ist daher sehr wichtig, den zukünftigen Katzenbesitzer nach Möglichkeit schon vor der Auswahl eines Kittens über die große Bedeutung dieser Lebensphase aufzuklären. In manchen Fällen kann wenigstens dieser Entwicklungsprozess eine Erklärung für gewisse Limitationen im Therapieprozess sein und bei der Prognose helfen.

1.2Entwicklungsstadien

Die Entwicklung eines Kittens wird in Phasen eingeteilt, die durch biologische Prozesse bestimmt werden:

Pränatale Phase: Während der Trächtigkeit werden die Kitten durch die emotionale Verfassung der Kätzin – z. B. Stress oder Angst – beeinflusst. Länger andauernder Stress oder dauernde Angst der Mutter wirken sich nachteilig auf die Entwicklung der hormonellen Stressachse bei den Kitten aus. Auch durch Mangelernährung können lebenslange Defizite entstehen, die sich durch sogenannte epigenetische Effekte sogar auf weitere Generationen nachteilig auswirken.

Neugeborenenphase: In der Phase ab der Geburt bis zum Öffnen der Augen und Ohren sind die Kitten vollständig von ihrer Mutter abhängig. Nur die Wahrnehmung von Pheromonen, der Geruchsund der Geschmackssinn sind bereits recht gut entwickelt. Die Kitten brauchen aber Wärme und regelmäßiges Putzen durch die Mutter, um Kot und Harn abzusetzen.

Sozialisationsphase: Sobald die Kitten sehen, hören, riechen, schmecken, tasten können und gehen lernen, beginnt die Sozialisationsphase. Alle Reize, die auf das Kitten einwirken, tragen entscheidend zur weiteren Entwicklung bei (image Abb. 1-2).

Pubertät: Mit sechs Monaten, manchmal auch schon früher, beginnt mit der Pubertät der stetige Übergang ins Erwachsenenalter. Junge Kater können im Spiel sehr grob werden und sexuell motivierte Verhaltensweisen zeigen. Bei jungen Kätzinnen ist die erste Rolligkeit ein deutliches Zeichen für die Pubertät. In dieser Lebensphase sind die Jungkatzen ausgesprochen aktiv und lernfreudig.

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Abb. 1-2 Sozial kompetente Katzenmütter erziehen ihre Kitten sehr gründlich.

1.3Sozialisation und Habituation

Die Sozialisation ist eine sensible Phase, in der Kitten besonders schnell lernen und das Erlernte langfristigen Einfluss darauf hat, wie eine Katze die Welt und ihre Sozialpartner sieht.

Kitten sollen während der Sozialisation nicht nur ihre eigene Art Katze kennenlernen, sondern auch auf andere Arten wie Hunde oder Menschen sozialisiert werden. Nur in dieser Lebensphase lernt ein Kitten, dass auch der Mensch oder Hund Sozialpartner sind, denen es vertrauen kann und von denen es nicht befürchten muss, als Beute gefressen zu werden.

Für kleinere Haustiere wie Meerschweinchen oder Kaninchen gilt umgekehrt, dass sie von der Katze als Beutetiere angesehen werden. Durch Sozialisation kann sich eine individuelle Beziehung zwischen eigentlicher Beute und Katze entwickeln. Diese wird jedoch nicht auf die gesamte Art generalisiert.

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BEACHTE

Katzen, die mit dem Menschen zusammenleben, müssen auch auf den Menschen intensiv sozialisiert werden (image Abb. 1-3).

Für die Sozialisation auf den Menschen gibt es ein begrenztes Zeitfenster zwischen der zweiten und siebten Lebenswoche. Kitten müssen in dieser Zeit täglich für ungefähr eine Stunde mit verschiedenen Menschen freundlichen Kontakt haben.

Nach dieser begrenzten Phase lernen Katzen meistens nur noch, eine Beziehung zu einigen wenigen Menschen aufzubauen, alle anderen Menschen werden als Bedrohung angesehen. Es gibt seltene Ausnahmen, wo Katzen auch nach diesen, durch Untersuchungen festgestellten, Zeiträumen sozialisiert werden können.

Bei der Habituation entwickelt das Kitten einen Referenzrahmen für seine Umwelt. Mit dem Funktionieren der Sinnesorgane aktiviert jeder Reiz, jedes Erlebnis in der Umwelt die Gehirnentwicklung. Das bedeutet, je mehr ein Kitten in dieser Lebensphase erlebt, desto besser entwickelt sich sein Gehirn. Alle erlebten Geräusche, Gerüche, Futterarten, Spielzeug, Substrate an Ausscheidungsorten, optische Reize, Aktivitäten, Umweltstrukturen etc. fügen sich zu einem Weltbild der Katze zusammen. Alles, was sich innerhalb dieses Referenzrahmens befindet, wird die erwachsene Katze späterhin als normal in ihrem Alltag empfinden, alles was sich außerhalb davon befindet, kann potenzielle Gefahr bedeuten.

Daraus ergeben sich insbesondere dann Probleme, wenn sich die Lebensumwelt eines Kittens dramatisch verändert – z. B. von der abwechslungsreichen Kindheit unter Freilaufbedingungen in eine reizarme Wohnungshaltung oder vom ruhigen Singlehaushalt in die turbulente Patchwork-Familie.

Zahlreiche Katzen leiden unter chronischen Angststörungen, weil sie für ihre aktuellen Lebensbedingungen nicht ausreichend sozialisiert und habituiert sind (image Kap. 5).

Junge Katzen sollten nach Möglichkeit unter möglichst ähnlichen Lebensbedingungen aufgewachsen sein, wie sie an ihrem zukünftigen Platz gegeben sind.

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BEACHTE

Je mehr ein Kitten erlebt hat, desto weiter ist sein Horizont und desto besser kann es mit veränderten Lebensbedingungen umgehen (image Abb. 1-4).

1.4Präventionsmaßnahmen

Präventionsmaßnahmen während der Entwicklungsphase sind in mehrfacher Hinsicht denkbar, wenn auch nicht immer realistisch durchführbar:

Im Rahmen von Katzenzucht oder kontrollierter Katzenhaltung wäre es sinnvoll, nur Elterntiere in der Zucht einzusetzen, die psychisch und körperlich gesund sind sowie ausreichend soziale Kompetenz haben, Kitten zu erziehen. Die Versorgung mit allen wichtigen Nährstoffen und optimale Haltungsbedingungen sollten gegeben sein.

Kitten sollten ab dem ersten Tag, auf jeden Fall aber spätestens ab der zweiten Lebenswoche, täglich mindestens eine Stunde freundlich und von verschiedenen Menschen (Männer, Frauen, Jugendliche, Kinder) berührt, gestreichelt, hochgehoben und bespielt werden. Kleine Kinder sollen nur unter Aufsicht mit Kitten spielen, um das Risiko negativer Erfahrungen zu mindern.

Mutterlose Kitten sollten, wann immer möglich, an eine Amme vermittelt werden. Kontakt mit und Erziehung durch erwachsene, soziale kompetente Katzen sind wichtig und der beste Weg, späteren Verhaltensstörungen vorzubeugen.

Kitten sollten ähnlich wie Welpen möglichst viele verschiedene Umweltreize unter positiven Bedingungen kennenlernen.

Zukünftige Katzenbesitzer sollten proaktiv dahingehend beraten werden, dass sie bei der Auswahl eines Kittens oder einer Katze auch ganz besonders auf die Aufzuchtbedingungen und Lebensumstände achten.

Der Katzen-Kindergarten ist ähnlich wie die Welpen-Spielgruppe ein Sozialisations- und Erziehungsprogramm, in dem Kitten und ihre Besitzer die wichtigsten Fähigkeiten für ein harmonisches Zusammenleben lernen.

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Katzen mit mangelhafter oder fehlender Sozialisation und Habituation sind für das enge Zusammenleben mit Menschen nicht gut geeignet. Diese Katzen sind zumeist wenig flexibel und anspruchsvoll in ihrer Haltung. Auf jeden Fall müssen ihnen von Anfang an geeignete Rückzugszonen zur Verfügung stehen. Auch in Bezug auf die Qualität der Katzentoiletten können diese Katzen hohe Ansprüche stellen (image Kap. 3.2, image Kap. 5).

Falls mangelhaft sozialisierte Katzen übernommen werden, sollten therapeutische Maßnahmen möglichst frühzeitig beginnen (image Kap. 2).

Ein Infoblatt über Präventionsmaßnahmen zur Weitergabe an den Besitzer finden Sie auf tfa-wissen.de unter:
image svg.to/praevention

1.5Kleiner Erziehungsratgeber

Immer noch sind viele Katzenbesitzer der Meinung, Katzen ließen sich nicht erziehen. Mit der richtigen Technik und Einstellung lassen sich Katzen jedoch sehr gut erziehen! Sie lernen ausgesprochen schnell – gleichzeitig ein Vor- und Nachteil bei der Erziehung.

1.5.1Einleitung

Erziehen bedeutet, eine Katze zu lehren, ihren Horizont und ihre Möglichkeiten zu erweitern, ihr lebenswichtige Kompetenzen beizubringen, die das Zusammenleben mit dem Menschen leichter machen.

Zu diesen grundlegenden Kompetenzen – oder Life Skills – gehören:

vom und mit dem Menschen lernen

Wünsche und Bedürfnisse so äußern, dass sie verstanden werden

in eine Transportbox einsteigen

Tabletten eingeben lassen

Handling und einfache Manipulationen wie Kämmen, Zähne putzen etc. tolerieren

tierärztliche Untersuchung zulassen

Frustrationstoleranz

Neugier und Aufgeschlossenheit

soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Katzen

Erziehung einer Katze bedeutet hingegen nicht, dass sie in perfektem Gehorsam Befehle ausführt und bestimmte arttypische Verhaltensweisen nicht mehr zeigen wird.

Von Katzen wird behauptet, dass man sie nicht erziehen kann. Und weil es angeblich nicht geht, versuchen es viele noch nicht einmal – mit dem Ergebnis, dass Katzen unterstellt wird, sie würden ihr eigenes Leben führen und wären unzugänglich. Möglicherweise liegt es gar nicht an der Katze?

1.5.2Rahmenbedingungen schaffen

Eine wesentliche Grundlage für die gut erzogene Katze sind Rahmenbedingungen, die ihr das Bravsein ermöglichen. Das bedeutet, dass alle für die Katze wichtigen und arttypischen Verhaltensweisen wie Kratzmarkieren, zahlreiche kleine und zeitaufwendige Mahlzeiten (Arbeitsessen), interaktives Spiel oder ausreichend attraktive Katzentoiletten geboten werden sollten (image Abb. 1-5, image Kap. 3).

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Abb. 1-5 Katzen brauchen die Möglichkeit, arttypisches Verhalten zu zeigen wie Klettern, Kratzmarkieren und Verstecken.

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Auch mit der besten Erziehung bleibt eine Katze immer noch eine Katze und wird Katzenverhalten zeigen! Vielen Besitzern scheint dies nicht immer klar zu sein.

1.5.3Erziehungsprinzipien

Einer der Gründe für mangelnde Erziehungserfolge ist die falsche Technik. Katzen lassen sich nicht mit Strafe erziehen – sie lernen dadurch, Verhalten nur noch zu zeigen, wenn sie unbeobachtet sind; verstecken sich oder verteidigen sich gegen Bedrohung durch den Menschen.

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Erziehung über positives Feedback, z. B. mit Clickertraining (image Kap. 2), funktioniert hingegen bei der Katze hervorragend.

Insbesondere junge Katzen sind sehr leicht mit Futter und Spiel zu motivieren. Je älter und erfahrener einer Katze ist, desto größer kann die Herausforderung bei der Erziehung werden.

1.5.4Erste Übungen

Mit zwei einfachen Übungen kann der Grundstein für alle weiteren Erziehungsschritte gelegt werden. Das Kitten (oder auch die erwachsene Katze) lernt mit diesen Übungen, dass es vom Menschen etwas zu lernen gibt und dass sich Kooperation auszahlt.

Nasentarget

Man hält einem Kitten den Zeigerfinger rund 5 cm vor die Nase und wartet, bis es dranstupst (image Abb. 1-6). In dem Moment macht man einen leisen Zungenschnalzer und gibt ihm eine Belohnung. Nach drei bis fünf Wiederholungen gibt es eine Pause.

Mit dieser Übung lernt das Kitten den Zusammenhang von Click und Belohnung und eine Handlung, nämlich den Zeigefinger mit der Nase zu berühren.

Aus dem Zeigefinger wird somit ein Ziel, mit dem man das Kitten an erwünschte Orte oder Positionen ziehen kann.

Sitzplatztarget

Man stellt eine kleine Schachtel auf den Boden oder bietet eine kleine Decke als Sitzplatz an. Die meisten Kitten werden dieses Angebot neugierig annehmen oder lassen sich mit dem Nasentarget hinziehen (image Abb. 1-7). Sobald das Kitten die Decke oder Schachtel betritt, bekommt es einen Click und eine Belohnung.

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Abb. 1-7 Eine kleine Schachtel oder eine Decke eignen sich hervorragend für die Sitzplatztarget-Übung.

Startboxspiel

Das Einsteigen in die Transportbox lässt sich spielerisch trainieren. Man setzt das Kitten in die Box, versperrt ihm mit der Hand (image Abb. 1-8a) oder der angelehnten Tür den Ausgang. Nach einer Sekunde Wartezeit bekommt die Katze einen Click (optional) und darf direkt aus der nunmehr Startbox in ein Spiel mit einem Federbüschel oder einer Spielangel starten (image Abb. 1-8b).

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Abb. 1-8 Freiwilliges Einsteigen in die Transportbox lernen Kitten beim Startboxspiel.

a Das Kitten wird in die Transportbox gesetzt und anschließend der Ausgang versperrt.

b Nach einer Sekunde Wartezeit darf das Kitten direkt aus der „Startbox“ ein Spiel beginnen, z. B. mit einem Federbüschel.

1.5.5Wichtige Übungen für den Alltag

Wenn Kitten einmal das Prinzip des Lernens über positives Feedback von und mit Menschen verstanden haben, lernen sie sehr schnell.

Im Grunde lernen sie die meisten Dinge auch von alleine, aber es gibt einige Übungen, die nicht auf dem automatischen Lernprogramm junger Katzen stehen. Dazu gehören alle Manipulationen wie Hochheben, Stillsitzen, Kämmen, Krallen schneiden, Zähne putzen oder Tabletten eingeben. Alle diese Maßnahmen sind ein ganzes Leben lang wichtig für die Pflege und Betreuung einer Katze – und Katzen lernen sie nicht unbedingt von sich aus!

Begrenztes Sitzen

Die Grundlage aller weiteren Übungen ist begrenztes Sitzen (image Abb. 1-9). Ein Kitten wird mit den Händen vorne an der Brust und oberhalb der Schwanzwurzel begrenzt, aber nicht völlig fixiert. Für eine Sekunde Stillhalten bekommt es einen Click (optional), seine Freiheit und einen Leckerbissen oder ein Spiel. Nach und nach wird der Zeitraum verlängert und die Begrenzung reduziert, bis die Jungkatze alleine stillhält.

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Abb. 1-9 Begrenztes Sitzen – die Grundlage aller weiteren Übungen.

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Abb. 1-10 Tabletten eingeben wird für Kitten zum lustigen Spiel mit Leckerbissen.

Tabletten eingeben

Tabletten eingeben lernt ein Kitten, nachdem es schon Stillsitzen kann. Es bekommt spielerisch kleine Leckerbissen als Tabletten-Dummys zu schlucken (image Abb. 1-10). Bei dieser Übung ist Vorsicht geboten: Das Kitten sollte nicht durch allzu häufige Wiederholungen überfordert und nie mit den Fingern im Mund manipuliert werden.

1.5.6Das soll die Katze nicht tun …!

Trotz der Erziehung über positives Feedback taucht immer wieder die Frage auf: Was tun, wenn eine Katze etwas nicht tun soll?

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BEACHTE

Erziehen kommt von ziehen und nicht von drücken!

Strafen oder Schimpfen sind keine geeigneten Maßnahmen, um Jungkatzen von lustigen oder leckeren Aktivitäten abzuhalten. Ein negatives Feedback als Maßnahme, damit die Katze etwas nicht tun soll, ist nicht zielführend, sondern nur wenn eine andere Aktivität gefördert wird, kann ein unerwünschtes Verhalten positiv beeinflusst werden.

Wann immer eine Katze ein Verhalten zeigt, das unerwünscht ist, gilt also:

Motivation klären – warum tut die Katze das, was will sie oder braucht sie?

alternative Möglichkeiten anbieten und die Katze dorthin ziehen, z. B. durch Heranrufen, Nasentarget oder Sitzplatztarget

belohnen!

konsequent bleiben

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BEISPIEL

Eine Jungkatze soll nicht auf den Esstisch springen

Die wahrscheinlichste Motivation wird Hunger oder auch Neugier sein – es gilt also, dieses Bedürfnis der Katze an einem anderen Ort zu erfüllen:

Man sollte der Katze in der Nähe des Esstischs einen Sitzplatz einrichten, der ihr gehört. An diesem Platz bekommt die Katze alle ihre Belohnungen sowie auch Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Wann immer die Katze auf den Tisch springen will – oder am besten schon, bevor sie springt –, ruft man sie an ihren Platz und gibt ihr einen Leckerbissen.

Da auch Neugier eine wichtige Motivation ist, sind Überraschungseffekte an diesem Platz, z. B. gelegentlich versteckte oder besonders gute Leckerbissen, eine gute Strategie.

Diese Erziehungsmaßnahmen werden die Katze jedoch nicht davon abhalten, auf den Tisch zu springen, wenn sie alleine ist oder sich unbeobachtet fühlt.

Ein Infoblatt über Katzenerziehung zur Weitergabe an den Besitzer finden Sie auf tfa-wissen.de unter:
image svg.to/katzenerziehung
Zum Weiterlesen

Beaver V. B. Feline Behavior (1992): A Guide for Veterinarians. Saunders, Philadelphia.

Horwitz D, Mills D (Eds.) (2010): BSAVA Manual of Canine and Feline Behavioural Medicine. British Small Animal Veterinary Association, Gloucester.

Rhodan I, Heath S (2016): Feline Behavioral Health and Welfare.1. Aufl. Saunders, Philadelphia.

Schroll S (2017): Katzen-Kindergarten. Erfolgreiche Katzenerziehung ab dem ersten Tag. Norderstedt, BoD.

Seksel K (1999): Training your cat. A new approach to training your cat and protecting wildlife. Carlton, Australia: Hyland.

2.1Allgemeine Einführung

Wichtige grundsätzliche Ziele der Verhaltenstherapie sind:

das Problem ursächlich zu behandeln, statt nur die Symptome zu unterdrücken

das Problem nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig zu lösen

das Problem auf tiergerechte, gewalt- und schmerzfreie Art zu lösen

Es gibt viele verschiedene Methoden in der Verhaltenstherapie, um diese Ziele zu erreichen. Dazu zählen:

1.Abstellen der Ursache einschließlich Gewährleistung einer katzengerechten Haltung

2.tiergerechter Umgang mit der Katze sowie eine funktionierende Kommunikation zwischen Katze und Besitzer

3.Methoden der Verhaltensmodifikation

4.Managementmaßnahmen

5.sonstige unterstützende Maßnahmen (image Kap. 8)

Das Gewährleisten einer katzengerechten Haltung spielt in der Verhaltensberatung eine besonders wichtige Rolle. Dies betrifft z. B. Unsauberkeitsprobleme, die in der Verhaltenssprechstunde am häufigsten vorgestellt werden. Meistens liegt die Ursache darin, dass der Katze nicht ausreichend attraktive Toiletten zur Verfügung stehen. Wird hier Abhilfe geschaffen, ist das Problem schnell und nachhaltig gelöst. Ein weiteres Beispiel ist die Auslastung: Viele Verhaltensprobleme werden durch Unterstimulation (Langeweile) der Katze verursacht. Auch dieser Haltungsmangel lässt sich relativ einfach beheben (image Kap. 2.6).

Auch ein katzengerechter Umgang ist ein wichtiges Element der Verhaltensberatung. Viele Besitzer müssen darüber aufgeklärt werden, warum sich ihre Katze in unerwünschter Weise verhält und welche Rolle sie selbst dabei spielen, das Problem aufrechtzuerhalten oder es sogar durch ihre Reaktion noch zu verschlimmern. Das ist z. B. der Fall, wenn Besitzer falsche Bestrafungsmaßnahmen durchführen (image Kap. 2.2.3).

Kann man die Ursache des Problems nicht durch Maßnahmen der Kategorien 1. und 2. abstellen, kommen Methoden der Verhaltensmodifikation zum Einsatz. Das bedeutet, dass das Verhalten der Tiere durch Maßnahmen wie Training verändert wird. Dies ist z. B. besonders wichtig bei allen Problemen im Zusammenhang mit Angstverhalten. In der Verhaltenstherapie kommt meistens eine Kombination aus Desensibilisierung (image Kap. 2.4) und (klassischer) Gegenkonditionierung (image Kap. 2.5) zum Einsatz. Diese beiden Methoden ergänzen sich hervorragend und erzielen auf tiergerechte Art schnelle Erfolge. Die Methode der Habituation wird in manchen Fällen bei mild ausgeprägtem Angstverhalten verwendet. Methoden, die Angst oder Schmerzen verursachen, wie Reizüberflutung (Flooding) und Bestrafungsmaßnahmen, sind aus Tierschutzgründen abzulehnen.

Unter Managementmaßnahmen versteht man Maßnahmen, die das Problem nicht wirklich ursächlich lösen, mit deren Hilfe man aber besser mit dem Problem umgehen kann. Dazu gehören z. B. Schutzmaßnahmen wie die Haltung in getrennten Zimmern bei unverträglichen Katzen eines Haushaltes, das getrennte In-den-Garten-Lassen, das Einbauen einer Katzenklappe, das Aufstellen von Kindergittern, um Bereiche für die Katze vor Kleinkindern zu schützen, das Herunterlassen der Rollläden an Silvester bei Katzen mit Furcht vor Knallgeräuschen usw.

Um die passende Therapie auszuwählen, ist es sehr wichtig, das Verhaltensproblem genau zu diagnostizieren. Man muss zum einen herausfinden, welche Motivation, Stimmung bzw. Ursache dem Problem zugrunde liegt (z. B. Angst, Stress), und zum anderen, welche konkreten Auslöser es gibt. Außerdem muss man das Ziel, das erreicht werden soll, genau kennen, um die entsprechende passende Vorgehensweise auswählen zu können (image Kap. 2.11).

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BEACHTE

Eine Kombination der Desensibilisierung (image Kap. 2.4) mit der Gegenkonditionierung (image Kap. 2.5) eignet sich hervorragend, um zügige und sichere Erfolge zu erzielen. Diese Vorgehensweise ist tierschutzgerecht, da sie die Entspannung des Tieres fördert und weder Angst noch Schmerzen auslöst.

2.2Belohnung und Bestrafung

Wichtige Grundsätze in Bezug auf Belohnung und Bestrafung im Rahmen der Verhaltenstherapie sind:

Man sollte immer das erwünschte Verhalten belohnen.

Unerwünschtes Verhalten sollte nicht belohnt werden. Man sollte sich immer die eigenen Reaktionen bewusst machen. Denn viele Menschen schenken Tieren gerade dann ihre Aufmerksamkeit, wenn diese unerwünschtes Verhalten zeigen.

Unerwünschtes Verhalten sollte möglichst ins Leere gehen. Zur Not muss es (gewalt- und schmerzfrei) unterbrochen werden.

Man sollte dem Tier klar und deutlich zeigen, was man von ihm möchte. Missverständnisse – zum Beispiel durch falsches „Timing“ – sollten vermieden werden.

Statt das Tier für unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, sollte ihm gezeigt werden, was es stattdessen tun soll. Das Alternativverhalten sollte belohnt werden.

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BEACHTE

So lernen Katzen

Katzen sind durchaus erziehbar. Dabei ist es wichtig, die Katzen so zu motivieren, dass sie gerne mitmachen (image Kap. 1).

Katzen können in jedem Alter lernen. Man kann auch noch älteren Katzen etwas beibringen.

Katzen lernen immer und überall und nicht nur, wenn man ihnen etwas beibringen möchte.

Katzen verbinden nur Dinge miteinander, die fast gleichzeitig passieren. Die Einwirkung des Menschen muss daher möglichst gleichzeitig, d. h. innerhalb einer Sekunde erfolgen.

Angst und Stress hemmen das Lernvermögen. Daher sollten Strafen, die Angst oder Schmerzen erzeugen können, unbedingt unterlassen werden. Physische Strafen haben außerdem einige Risiken und „Nebenwirkungen“ (image Kap. 2.2.3).

2.2.1Konditionierung

Konditionierung leitet sich von dem lateinischen Wort conditio für „Bedingung“ ab. Bei der Konditionierung wird ein Verhalten von einer Bedingung abhängig gemacht. Dies kann z. B. ein Kommando sein oder ein Geräusch wie das Knacken des Klickers.

Es gibt zwei Formen der Konditionierung:

1.die klassische Konditionierung

2.die instrumentelle (oder auch operante) Konditionierung

Klassische Konditionierung

Bei der klassischen Konditionierung wird ein Reflex oder Gefühl durch einen neuen Reiz ausgelöst. Der russische Forscher Pawlow hat dies in seinen Versuchen demonstriert: Hunde haben einen vermehrten Speichelfluss in Erwartung von Futter, wenn sie Futter sehen und riechen. Ertönt wiederholt kurz vor der Futtergabe eine Glocke, wird dieser neue Reiz (Glocke) mit der Fütterung verbunden, sodass der Hund schließlich bereits beim Glockenklang speichelt.

Beispiel für die klassische Konditionierung: Eine Katze wird mit Trockenfutter aus einer Pappverpackung gefüttert. Die Pappschachtel raschelt, wenn die Besitzerin das Futter in den Napf füllt. Die Katze lernt über klassische Konditionierung die Verbindung zwischen Rascheln und Futter. Bald wird sie bereits in die Küche rennen, wenn sie die Futterpackung rascheln hört, da sie Futter erwartet.

Am besten funktioniert die Verknüpfung zwischen Reiz (z. B. Geräusch) und Reflex/Gefühl, wenn der Reiz ganz kurz (ca. ½ Sekunde) vor der Futtergabe erfolgt.

Instrumentelle Konditionierung

Bei der instrumentellen Konditionierung wird dem Tier beigebracht, dass es bei einem Signal eine bestimmte Handlung ausführen muss, damit es eine Belohnung bekommt. Der Psychologe Skinner hat diese Lernform bei Laborratten demonstriert: Die Ratten mussten beim Aufleuchten einer Lampe (= Signal) eine Taste drücken (= Handlung), worauf sie Futter erhielten. Leuchtete die Lampe nicht, hatte der Tastendruck keine Belohnung zur Folge. In der Hundeerziehung ist diese Form des Lernens besonders etabliert. Die Kommandos „Sitz“, Platz“, „Hier“ usw. lernen die Tiere über die instrumentelle Konditionierung. Das Signal ist das Kommando, das Tier muss daraufhin eine bestimmte Handlung ausführen und erhält eine Belohnung.

Beispiel für instrumentelle Konditionierung: Die Katze Susi soll lernen, beim Hören des Kommandos „Susi hier“ zu kommen. Der Besitzer hockt sich hin und hält Futter in der Hand. Wenn Susi zu ihm läuft, sagt er „Susi hier“ und gibt ihr dann das Futter. Diese Übung muss er sehr häufig und an vielen unterschiedlichen Plätzen und in unterschiedlichen Situationen durchführen, bis Susi gelernt hat, dass sie auf dieses Kommando zu ihrem Besitzer kommen soll.

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Clickertraining und Konditionierung

Beim Clicker kommen beide Formen der Konditionierung zum Tragen. Zuerst wird der Clicker klassisch konditioniert, damit das Klickgeräusch mit Futter assoziiert wird. Das erreicht man, indem man z. B. viele kleine Futterstückchen bereithält und diese der Katze nacheinander gibt. Dazu muss man immer, kurz bevor die Katze ein Futterstückchen aufnimmt, klicken. Wenn die Katze das Klickgeräusch mit dem Futter assoziiert, kann man zur instrumentellen Konditionierung übergehen: Man hält der Katze z. B. ein Holzstäbchen (als „Target-Stick“) hin. Wenn die Katze den Stab mit der Nase berührt, klickt man und gibt ihr Futter. Diese Vorgehensweise wiederholt man so lange, bis die Katze gelernt hat, dass sie mit der Nase den Stab berühren muss, um Futter zu erlangen.

2.2.2Belohnung

Es gibt zwei verschiedene Arten von Belohnung:

1.Die Katze bekommt etwas Gutes/Begehrtes (z. B. ein Leckerli).

2.Es wird etwas Unangenehmes beendet oder weggenommen.

In der Tiererziehung sollte vorrangig Belohnungsmethode 1 eingesetzt werden. Sie hat den Vorteil, dass die Katze auf tiergerechte und entspannte Art lernen kann und keine Angst ausgelöst wird. Belohnungsart 2 setzt ja voraus, dass vorher etwas Unangenehmes erfolgte. Dies ist aus Tierschutzgründen abzulehnen. Unter Angst, Stress und Druck ist das Lernvermögen außerdem eingeschränkt.

Belohnungen können sowohl für die klassische und instrumentelle Konditionierung verwendet werden als auch für die Gegenkonditionierung (image Kap. 2.5).

Belohnungsmöglichkeiten können sein:

begehrtes Futter

Aufmerksamkeit

Spiel/Möglichkeit zum Jagen

streicheln/Körperkontakt

freundliche Stimme/Lob

usw.

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BEACHTE

Beim Belohnen ist das exakte „Timing“ essenziell. Die Belohnung muss sofort, am besten zeitgleich mit dem erwünschten Verhalten, erfolgen, damit das Tier sein Verhalten oder die Situation mit der Belohnung verbinden kann. Eine Belohnung im Nachhinein ist nicht zielführend.

2.2.3Bestrafung

Es gibt zwei verschiedene Arten von Bestrafung:

1.Der Katze wird etwas Unangenehmes zugefügt (z. B. geschlagen).

2.Der Katze wird etwas Angenehmes entzogen (image Kap. 2.8).

Bei Bestrafungsart 1 wird unterschieden:

Die Bestrafung erfolgt – für die Katze erkennbar – durch den Besitzer.

Die Bestrafung erfolgt aus Sicht der Katze ohne Zusammenhang mit dem Besitzer („anonyme Strafe“).

In der Tiererziehung sollte höchstens Bestrafungsmöglichkeit 2 erfolgen, z. B. indem Aufmerksamkeit entzogen wird oder ein Belohnungseffekt unterbunden wird.

Folgende Bestrafungsmöglichkeiten durch den Besitzer sind abzulehnen:

Schläge mit Hand oder Zeitung

Anschreien

Werfen eines Gegenstandes auf die Katze

Anspritzen mit Wasser

Tauchen der Nase in Ausscheidungen (im Rahmen der „Stubenreinheitserziehung“)

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BEACHTE

Körperliche Strafen sind tierschutzrelevant und abzulehnen. Auch ein absichtliches Erschrecken der Katze kann negative Folgen für das Tier oder auch für den Besitzer haben und ist deshalb als kritisch anzusehen.

Das deutsche Tierschutzgesetz fordert in § 1, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Während der Ausbildung des Tieres darf man ihm gemäß § 3 keine erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Da es tiergerechte Erziehungsmethoden gibt, besteht kein vernünftiger Grund, Tieren in der Ausbildung oder in der Verhaltenstherapie Schmerzen zuzufügen oder sie in Angst zu versetzen.

Bestrafungsmaßnahmen sind unter Tierhaltern leider trotzdem weit verbreitet. Denn viele Katzenbesitzer wissen nicht, wie sie auf tiergerechte Art ihrer Katze das gewünschte Verhalten beibringen können. Dabei lösen Strafen i. d. R. nicht das Problem, sondern unterdrücken – wenn überhaupt – höchstens die Symptome.

Risiken und Nebenwirkungen von Strafen sind:

Die Strafe zerstört das Vertrauensverhältnis zum Besitzer. Die Katze hat in Zukunft Angst vor ihm.

Die Strafe verschlechtert das Problem, weil z. B. die zugrunde liegende Angst und Unsicherheit der Katze noch verstärkt wird.

Die Strafe bewirkt, dass sich die Katze in ihrer Umgebung unsicher fühlt. Dadurch können sich weitere Verhaltensprobleme (z. B. Harnmarkieren) entwickeln.

Die Strafe löst eine aggressive Reaktion der Katze aus. Der Besitzer oder die Partnerkatze könnten angegriffen werden.

Negativ-Beispiel für die Bestrafung einer unsauberen Katze: Kater Fritz setzt Urin außerhalb der Katzentoilette ab. Die Besitzer beobachten ihn dabei und schlagen mit der Zeitung nach ihm. Fritz lernt dabei, dass er in Zukunft nur noch Urin auf dem Teppich absetzen sollte, wenn die Besitzer außer Sichtweite sind. Da die Besitzer Fritz nun nicht mehr „auf frischer Tat“ erwischen, bestrafen sie ihn im Nachhinein: Wenn sie eine Urinpfütze von Fritz finden, tragen sie den Kater dorthin und tauchen ihn mit der Nase in die Pfütze. Fritz kann aber eine solche Maßnahme nicht mit dem Urinabsatz verbinden, da dieser bereits länger (als ca. eine Sekunde) zurückliegt. Fritz lernt nur, dass er seinen Besitzern nicht trauen kann und sie ihn unangenehmen Dingen aussetzen. Er kann folgende Gegebenheiten verknüpfen: Immer, wenn eine Urinpfütze auf dem Boden ist und meine Besitzer nach Hause kommen, ergeht es mir schlecht. Daher kann es sein, das sich Fritz versteckt, wenn er auf den Boden gemacht hat und seine Besitzer heimkommen. Die Besitzer interpretieren das Verhalten von Fritz als „schlechtes Gewissen“ und setzen ihre Bestrafungsmaßnahme fort. Sie wundern sich, warum Fritz nicht stubenrein wird. Das Verhalten der Besitzer ist als hochgradig tierschutzrelevant anzusehen (image Kap. 3).

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BEACHTE

Katzen haben kein „schlechtes Gewissen“

Strafen im Nachhinein sind reine Tierquälerei. Was wie ein „schlechtes Gewissen“ aussieht, ist pures Meideverhalten der Katze. Dies zeigt, wie stark das Tier durch seine Besitzer geängstigt wird. Tiere können Strafen, die im Nachhinein erfolgen, nicht mit ihrer „Tat“ in Verbindung bringen. Denn man kann ihnen – anders als Kindern – den Zusammenhang nicht erklären.

Ein Infoblatt über Bestrafung zur Weitergabe an den Besitzer finden Sie auf tfa-wissen.de unter:
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2.3Habituation

Habituation ist eine „Gewöhnung“ an einen Reiz, der sich wiederholt, wobei die ursprüngliche Reaktion des Tieres immer schwächer wird.

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Beispiel für Habituation

Klopft man an die Scheibe eines Aquariums, zeigen Fische eine Schreckreaktion und flüchten. Wiederholt man dieses Klopfen (= Reiz) immer wieder, werden sie irgendwann nicht mehr darauf reagieren.

Grundsätze bei der Habituation:

Der Reiz hat weder positive noch negative Folgen für das Tier.

Der Reiz wird immer wieder wiederholt bzw. das Tier wird diesem Reiz länger ausgesetzt.

Wird die Habituation als Methode in der Verhaltenstherapie eingesetzt, dann darf es sich nur um milde Reize handeln, die keine ausgeprägte Angstreaktion oder gar Panik auslösen. Außerdem muss das Tier die Möglichkeit haben, sich zu entziehen. Sonst handelt es sich um die Methode Reizüberflutung (Flooding, image Kap. 2.7), die als tierschutzrelevant anzusehen ist.

Beispiel: Das Kind der Familie bekommt einen großen schwarzen Stoffhund geschenkt. Die Katze erschreckt sich, als sie ihn zum ersten Mal sieht, macht einen Buckel, sträubt das Fell, faucht und läuft aus dem Zimmer. Da das Stofftier jedoch im Kinderzimmer bleibt und es keine negativen Konsequenzen für die Katze gibt, gewöhnt sie sich mit der Zeit daran und reagiert bei seinem Anblick schließlich nicht mehr.

Beispiel für den gezielten Einsatz der Habituation: Eine Katze hat aufgrund schlechter Erfahrungen Angst vor der Transportbox, mit der sie immer zum Tierarzt gebracht wurde. Sobald diese Box aus dem Keller geholt und ins Wohnzimmer gestellt wird, versteckt sich die Katze. Nun soll die Transportbox (= Reiz) permanent im Wohnzimmer aufgestellt werden, damit sich die Katze daran gewöhnt (Habituation). Die Katze lernt damit, dass das Vorhandensein der Box keine negativen Konsequenzen für sie hat und wird sie nach einiger Zeit als „normalen“ Bestandteil ihrer Umgebung ansehen.

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BEACHTE

Die Habituation ist so anzuwenden, dass sie das Tier nicht in Angst versetzt. Der Reiz darf beim Tier keinen Stress auslösen. Den Methoden Desensibilisierung (image Kap. 2.4) und Gegenkonditionierung (image Kap. 2.5) ist der Vorzug zu geben.

2.4Desensibilisierung

Eine Sonderform der Habituation stellt die systematische Desensibilisierung dar. Hierbei wird die Katze in einem entspannten Zustand in winzigen Schritten an den auslösenden Reiz gewöhnt.

Grundsätze der Desensibilisierung sind:

Der Reiz wird in so geringer Stärke oder so großer Entfernung präsentiert, dass die Katze nicht darauf reagiert.

Nach und nach wird die Stärke des Reizes erhöht oder aber der Reiz genähert. Dies erfolgt immer in so winzigen Schritten, dass die Katze völlig entspannt bleibt und nicht reagiert.

Eine Überforderung des Tieres ist unbedingt zu vermeiden. Das Tier muss genau beobachtet werden, es darf keine Stresszeichen (image Kap. 5.4.1, image Kap. 5.4.2) zeigen.

Die Geschwindigkeit, mit der man im Training voranschreitet, wird an die Reaktionen des Tieres angepasst. Zeigt die Katze Anzeichen einer Überforderung, muss wieder ein Schritt zurückgegangen und der Reiz abgeschwächt oder weiter entfernt werden.

Im gesamten Zeitraum, in dem das Training stattfindet, darf der Reiz nicht unkontrolliert auftreten.

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Beispiel für Desensibilisierung

Eine Katze hat Angst vor dem lauten Knallen an Silvester. Die Besitzer kaufen sich eine Geräusch-CD, auf der Silvesterknaller zu hören sind. Sie spielen diese Geräusche mit der „Wiederholen“-Funktion des CD-Players wiederholt ab, und zwar anfangs so leise, dass die Katze nicht ängstlich darauf reagiert. Die CD läuft jetzt regelmäßig im Alltag nebenbei. Nach und nach erhöhen die Besitzer die Lautstärke und achten dabei darauf, dass die Katze zu jeder Zeit entspannt bleibt. Zeigt diese Zeichen von Angst oder Stress, wurde die Reizstärke zu schnell gesteigert. Dann sollte man das Training wieder mit geringerer Lautstärke fortführen.

Voraussetzungen für ein Desensibilisierungstraining sind:

Der nachempfundene Reiz, z. B. das Geräusch auf der CD in entsprechender Lautstärke, muss in der Lage sein, das Angstverhalten auszulösen. Dies sollte vorab überprüft werden. Manche Reize erzielen ihre Wirkung nur in echten und nicht in nachempfundenen Situationen, wie es z. B. das Abspielen von Geräuschen per CD darstellt.

Der auslösende Reiz muss als der richtige identifiziert worden sein. Es könnte sein, dass die Katze weniger Angst vor z. B. dem Geräusch der Feuerwerkskörper, als vielmehr vor ihren Lichtblitzen oder ihrem Geruch und Rauch hat.

Es muss ausreichend Zeit und Geduld für das Training aufgewendet werden. Im gesamten Trainingszeitraum, der sich über einige Wochen erstrecken kann, darf der auslösende Reiz, wie z. B. lautes Knallen, nicht auftreten. Daher muss mit dem Training rechtzeitig begonnen werden – in diesem Fall am besten bereits im Sommer.

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2.5Gegenkonditionierung

Katzen lernen immer und überall. Sie lernen Vieles, was wir uns gar nicht von ihnen wünschen. Dadurch können Verhaltensprobleme entstehen. So kann die Katze z. B. eine Impfung als schmerzhaftes Erlebnis empfinden und diesen Schmerz dann über klassische Konditionierung mit dem Tierarzt verbinden. Um das Verhaltensproblem zu behandeln, ist eine Gegenkonditionierung möglich. Hierbei wird das Gegenteil von dem konditioniert, was vorher konditioniert wurde. Um beim Beispiel zu bleiben: Die Katze erhält immer dann, wenn sie beim Tierarzt ist, außerordentlich gute Leckerlis. Sie lernt so, den Besuch beim Tierarzt mit einer angenehmen Empfindung zu verknüpfen. Ihre ursprüngliche Assoziation „Tierarzt = Angst und Schmerz“ wird zu „Tierarzt = lecker und angenehme Empfindung“.

Es gibt zwei Formen der Gegenkonditionierung:

1.Die klassische Gegenkonditionierung macht sich die Lernform der klassischen Konditionierung zunutze.

2.Die instrumentelle Gegenkonditionierung verwendet die Lernform der instrumentellen Konditionierung (image Kap. 2.2.1)

2.5.1Gegenkonditionierung im Sinne einer klassischen Konditionierung

Die Gegenkonditionierung im Sinne einer klassischen Konditionierung im Rahmen einer Verhaltenstherapie bewirkt bei der Katze – meist durch den Einsatz von Futter – ein neues Gefühl gegenüber einem bislang mit Angst verbundenen Reiz. Bei Tieren, die sich nicht für Futter interessieren, jedoch eine starke Spielmotivation besitzen, kann auch das Spiel mit der Katze dazu eingesetzt werden, um eine Gegenkonditionierung zu bewirken (image Kap. 2.6).

Beispiel: Eine Katze hat Angst vor der laufenden Waschmaschine. Wird die Katze immer in der Nähe der Waschmaschine mit besonders begehrten Leckerlis gefüttert, sobald diese läuft, kann ein neues, positives Gefühl der Katze gegenüber der Waschmaschine erzeugt werden. Dieses positive Gefühl ist nicht kompatibel mit dem vorhergehenden negativen Gefühl (Angst) und kann dieses ersetzen. Dabei ist es wichtig, dass die beiden Stimuli Futter und laufende Waschmaschine gleichzeitig erfolgen, dass es bei jedem Anschalten der Waschmaschine Futter gibt und die Waschmaschine außerhalb des Trainings nicht angeschaltet wird (oder die Katze dann nicht in die Nähe der Waschmaschine kommt).

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In image Abb. 2-1 wird ein Beispiel für eine Gegenkonditionierung bei einer Katze gezeigt, die Angst vor Kindern hat. Das Kind bietet der Katze mit ausgestrecktem Arm Futter an. Dadurch ist die Katze bereit, das Futter aus der Hand des Kindes zu nehmen. Ist das Angstverhalten gegenüber Kindern jedoch noch stärker ausgeprägt, müsste der Besitzer das Futter selbst reichen – in Anwesenheit des Kindes – oder das Kind müsste der Katze das Futter aus einer entsprechenden Entfernung zuwerfen.

Es ist aufwändig, ein bestehendes Problem zu behandeln. Besser ist es, Problemen rechtzeitig vorzubeugen. Daher sollten Katzenjunge während ihrer sensiblen Phase ausreichend positiven Kontakt mit Kindern haben. image Abb. 2-2 zeigt ein Katzenjunges, das auf Kinder sozialisiert wird, um spätere Probleme zu vermeiden.

2.5.2Gegenkonditionierung im Sinne einer instrumentellen Konditionierung

Die Gegenkonditionierung im Sinne einer instrumentellen Konditionierung ersetzt ein unerwünschtes Verhalten durch ein erwünschtes Verhalten. Dem Tier wird ein Alternativverhalten antrainiert, das mit dem ursprünglichen unerwünschten Verhalten nicht vereinbar ist.

Beispiel: Kater Mink rennt sofort zur Tür, wenn es an der Haustür klingelt und versucht zu entwischen, wenn der Besuch die Wohnung betritt. Er musste schon mehrfach wieder aufwändig im Treppenhaus eingefangen werden. Die Besitzer bringen Mink bei, dass er, wenn es an der Wohnungstür klingelt, nicht mehr rausläuft, sondern stattdessen in die Küche läuft und dort sein Lieblingsfutter erhält. Während er frisst, können die Besitzer entspannt den Besuch empfangen.

Ein Infoblatt zu Desensibilisierung und Gegenkonditionierung zur Weitergabe an den Besitzer finden Sie auf tfa-wissen.de unter:
image svg.to/desensibilisierung

2.6Spieltherapie

Viele Verhaltensprobleme entstehen oder werden verschärft, wenn Katzen unterbeschäftigt sind. Dies ist oft bei reiner Wohnungshaltung der Fall. Eine Aktivierung der Katze durch Spielen und andere Beschäftigungsmöglichkeiten ist daher ein wichtiger Baustein in der Verhaltenstherapie.

Man unterscheidet zwischen:

Spiel/Beschäftigung mit dem Menschen

Spiel/Beschäftigung unabhängig vom Menschen

Beim Spiel mit dem Menschen ist zu beachten, dass menschliche Körperteile tabu sein müssen. Rangelspiele mit der Hand sollte man keinesfalls durchführen. Die Katze muss lernen, dass der Spaß vorbei ist, wenn ihre Krallen oder Zähne die menschliche Haut berühren. Der menschliche Spielpartner sollte immer ein Beutespielzeug verwenden, z. B. eine Spielangel benutzen oder ein Bällchen werfen.

Soll sich die Katze in Abwesenheit des Besitzers mit Spielzeug beschäftigen, muss dieses verletzungssicher sein. Insbesondere Plastikspielzeug oder künstliche Mäuse sind hier als kritisch anzusehen, da sie zerbissen und Teile davon verschluckt werden könnten. Besser geeignet sind beispielsweise Gegenstände aus Vollgummi oder Pappe. Frei schwingend an einer Schnur aufgehängte Spielzeuge können die Katze zum Jagdspiel animieren, sind aber als Beschäftigung in Abwesenheit der Besitzer gefährlich, da sich die Katze darin verfangen oder sogar strangulieren könnte. Zu tierschutzwidrigem Zubehör und gefährlichem Spielzeug gibt es ein online zugängliches Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e. V. (image www.tierschutz-tvt.de).

Zur Beschäftigung gehört nicht nur das Spielen. Insbesondere auch das Ermöglichen von Teilen des Jagdverhaltens als auch das Erarbeiten von Futter sind wichtige Elemente der Beschäftigung. Bei der Verwendung von Katzen-„Fummelbrettern“ muss die Katze das Futter durch Pföteln erlangen, statt es einfach mit dem Maul aufzunehmen. Diese „Fummelbretter“ kann man entweder im Handel beziehen oder selbst basteln (image Abb. 2-3). Es gibt auch Futterbälle im Handel. Einfaches Futterspielzeug kann man auch selbst basteln, z. B. indem man Trockenfutterstücke in Papier einwickelt oder eine Papprolle zu einer Futterrolle umbaut. Dazu schneidet man Löcher in eine Papprolle (z. B. eine leere Toilettenpapierrolle), füllt Trockenfutterstücke in die Rolle und verschließt die offenen Enden mit zerknülltem Papier. Die Katze lernt, dass beim Herumrollen der Rolle die Futterstücke herausfallen (image Kap. 3).

Unter dem Begriff Spieltherapie wird auch der Einsatz von Spiel im Rahmen einer Desensibilisierung und Gegenkonditionierung verstanden. Während die Katze entspannt in ein Spiel vertieft ist, wird sie mit dem problematischen Reiz in niedriger Intensität konfrontiert. Dieser Reiz wird dann schrittweise im Sinne einer Desensibilisierung verstärkt (image Kap. 2.4).

image Abb. 2-3 zeigt Beispiele für selbstgebastelte Beschäftigungsobjekte. Ziel dieser Objekte ist es, dass die Katze das Futter nicht direkt aufnehmen kann, sondern es sich erarbeiten muss, indem sie es mit der Pfote herausangelt bzw. die Papprolle anstößt.

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Abb. 2-3 Beispiele für selbstgebastelte Beschäftigungsobjekte

aKatzen-„Fummelbrett“

bFutterrolle und ein mit Papprollen gefüllter Schuhkarton

2.7Reizüberflutung (Flooding)

Bei der Reizüberflutung wird das Tier dem furchtauslösenden Reiz in einer Situation ausgesetzt, in der es sich diesem Reiz nicht entziehen kann. Das Tier erlebt den Stressor somit in voller Stärke, ohne sich schützen zu können, was zu einer erheblichen Stressbelastung führt. Die Methode zielt darauf ab, dass die Situation erst beendet wird, wenn sich das Tier deutlich entspannt.

Da die Methode der Reizüberflutung zu belastend und daher tierschutzwidrig ist, wird sie in der Verhaltenstherapie der Katze nicht angewendet. Es gibt sehr wirksame, stressfreie Methoden der Verhaltenstherapie, daher besteht keine Rechtfertigung dafür, eine belastende Methode einzusetzen. Bricht man die Reizüberflutung vorzeitig ab, kann es außerdem zu einer Verschlimmerung der Angstproblematik kommen.

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BEACHTE

Die Methode Reizüberflutung (Flooding) ist belastend, da sie in Kauf nimmt, dass das Tier in Angst versetzt wird. Es gibt keinen vernünftigen Grund, der rechtfertigen würde, diese Methode einzusetzen. Denn es stehen effektive verhaltenstherapeutische Methoden zur Verfügung, die das Tier nicht belasten. Somit ist die Reizüberflutung als tierschutzwidrig anzusehen.

2.8Löschung (Extinktion)

Löschung ist das Abschwächen eines Verhaltens durch Ausbleiben der Belohnung. Viele Verhaltensprobleme werden unabsichtlich aufrechterhalten, weil sie der Besitzer unbewusst belohnt. Dies ist beispielsweise der Fall für alle Formen des aufmerksamkeitsfordernden Verhaltens(image Kap. 3.5). Katze und Besitzer konditionieren sich quasi gegenseitig: Die Katze will nachts ins Freie und miaut im Wohnzimmer an der Terrassentür. Der Besitzer wird dadurch aus dem Schlaf gerissen, steht auf und lässt die Katze ins Freie. Die Katze lernt, dass sie miauen muss, um nachts hinausgelassen zu werden. Sie wird durch die Reaktion des Besitzers belohnt. Der Besitzer fühlt sich durch die Ruhe, die auf das Hinauslassen der Katze folgt, in seinem Tun selbst belohnt. Er ärgert sich jedoch Nacht für Nacht über das Verhalten seiner Katze, das er unabsichtlich aufrechterhält.

Durchschaut man die Mechanismen des unbewussten Belohnens, kann man durch Ignorieren des Miauens das Verhalten löschen. Der Besitzer soll sich Stopfen in die Ohren stecken und das Miauen so lange ignorieren, bis die Katze es aufgibt. Die Katze lernt, dass es sich nicht lohnt, zu miauen. Zuerst wird sie intensiver miauen als zuvor, doch schließlich wird sie damit aufhören.

Was heißt Ignorieren?

Der Besitzer darf nicht auf die Katze reagieren. Das bedeutet konkret: Die Katze wird

nicht angesehen,

nicht angesprochen,

nicht angefasst.

Sie wird so behandelt, als wäre sie gar nicht anwesend. Der Besitzer darf noch nicht einmal in ihre Richtung schauen und er sollte seine aktuelle Handlung (z. B. im Bett liegen oder Zeitung lesen) nicht unterbrechen. Es ist gut, wenn er sich mit etwas anderem beschäftigt und nicht die Katze beobachtet.

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Eine Löschung funktioniert nur, wenn die Belohnung konsequent ausbleibt. Reagiert der Besitzer inkonsequent, z. B. wenn er ab und zu aufsteht und die Tür öffnet, weil die Katze zu heftig „randaliert“, dann kann sich das Verhalten aufrechterhalten. Auch wenn der Besitzer aufsteht und die Katze schimpft, hat dies nicht den gewünschten Erfolg.

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Die Katze, die nachts unruhig ist und Aufmerksamkeit oder Futter fordert, sollte zum einen tagsüber besser ausgelastet werden, zum anderen kann sie gegebenenfalls, z. B. über „Fummelbretter“ und Futterspielzeug, nachts beschäftigt werden. Beim Beispiel der Katze, die nachts ins Freie möchte, kann auch das Einbauen einer Katzenklappe das Problem auf einfache Art lösen.

2.9Erzeugung unangenehmer Empfindungen (Aversion)

Methoden, die über Aversion wirken, also der Katze ein unangenehmes Gefühl bereiten, sind grundsätzlich kritisch zu betrachten. Da es viele wirksame katzenfreundliche Methoden gibt, kann man auf abschreckende Maßnahmen meist verzichten. Methoden, die die Katze erschrecken, verunsichern oder sogar Stress auslösen, sind als tierschutzrelevant anzusehen. Wird die Katze in ihrem Heim verunsichert, kann das außerdem unangenehme Folgen nach sich ziehen, z. B. Harnmarkieren.

Aus Tierschutzgründen abzulehnen sind automatisch auslösende Hilfsmittel. Hierzu zählt z. B. der „unsichtbare Gartenzaun“, bei dem die Katze über ein Halsband einen Strafreiz (Stromschlag) erhält, wenn sie einen bestimmten Bereich im Garten betritt. Der Einsatz von Elektroreizgeräten ist nach § 3 des deutschen Tierschutzgesetzes verboten.

Eine einfache und als unkritisch anzusehende Form der Erzeugung einer unangenehmen Empfindung zeigt das folgende Beispiel: Eine Katze setzt immer Urin auf der Bettdecke ab. Nun wird eine Plastikplane über das Bett gelegt. Diese Maßnahme unterbindet das Urinabsetzen auf der Bettdecke aus zwei Gründen: Zum einen wird die Katze den weichen, saugfähigen Untergrund der Bettdecke vermissen, zum anderen bekommt sie nasse Pfoten, wenn sie tatsächlich Urin auf der Plane absetzt. Dieses unangenehme Gefühl wird sie eventuell dazu veranlassen, sich einen geeigneteren Ort für ihre Ausscheidung zu suchen. Die Plane auf dem Bett reicht jedoch nicht, um das Unsauberkeitsproblem erfolgreich zu behandeln. Denn es wird nicht die Ursache des Problems gelöst, sondern nur der Urinabsatz auf dem Bett unangenehm gestaltet. Man muss analysieren, aus welchen Gründen die Katze ihre Toiletten nicht benutzt, und eine entsprechende Lösung finden (image Kap. 3.2).

2.10Umwidmung

Durch Umwidmung bekommt ein Ort einen neuen Charakter für die Katze. Diesen Trick macht man sich z. B. bei Unsauberkeitsproblemen oder Harnmarkieren zunutze. Ziel ist, dass eine sonst als Ausscheidungsort genutzte Stelle vom Besitzer zukünftig z. B. als Fütterungsort verwendet wird. Da die Katze an ihren Futterplätzen keine Ausscheidungen absetzen möchte, wird diese Stelle zukünftig sauber bleiben. Diese Maßnahme reicht jedoch nicht als alleinige Maßnahme aus, sondern wird nur begleitend zur Behandlung der Unsauberkeit eingesetzt (image Kap. 3.2).

2.11Ein Problem – viele Lösungswege

Viele Wege führen nach Rom. Und so gibt es verschiedene Wege, ein Verhaltensproblem zu behandeln, wie das folgende Beispiel zeigt: Die Katze Mietze hat Angst, wenn die Besitzerin staubsaugt. Sie rennt weg und verkriecht sich unter der Kellertreppe, sobald der Staubsauger aus der Besenkammer geholt wird (image Abb. 2-4). Die Besitzerin möchte das Verhaltensproblem lösen.

Variante 1: Einsatz der Habituation mit Elementen der Desensibilisierung

Die Besitzerin legt den Staubsauger ins Wohnzimmer, statt ihn in die Besenkammer zu stellen. Der Staubsauger bleibt dabei aus. Die Katze lernt mit der Zeit, dass trotz Anwesenheit des Staubsaugers nichts passiert. Wenn die Katze sich angstfrei im Wohnzimmer auch in der Nähe des Staubsaugers bewegt und aufhält, kann mit der nächsten Stufe begonnen werden: Der Staubsauger wird auf niedrigster Stufe angestellt, während Mietze gerade in einem anderen Raum oder Stockwerk ist. Der Staubsauger läuft einfach vor sich hin, ohne dass sich die Familienmitglieder darum kümmern und ohne dass mit ihm gesaugt wird. Er liegt an derselben Stelle im Wohnzimmer und gibt lediglich sein leisestes Sauggeräusch von sich. Mit der Zeit gewöhnt sich Mietze auch daran. Dann kann der Staubsauger nach ein paar Tagen auf eine höhere Stufe gestellt werden und erneut laufen usw. Schließlich wird der Sauger langsam bewegt, während er läuft. Die Bewegungen mit dem Sauger werden nach und nach gesteigert, bis schließlich ein normales Saugen der Wohnung möglich ist.

Bewertung: Diese Methode ist sehr langwierig und verbraucht viel Strom. Sie sollte mit der Gegenkonditionierung kombiniert werden.

Variante 2: Klassische Gegenkonditionierung mit Elementen der Desensibilisierung

Der Staubsauger wird angestellt, gleichzeitig erhält Mietze ihr Lieblingsleckerli (z. B. Putenstücke). Sobald der Staubsauger ausgestellt wird, ist das Leckerli-Füttern vorbei. Da Mietze unter der Kellertreppe sitzt und sich nicht heraustraut, bekommt sie an Ort und Stelle das Leckerli, während der Staubsauger weiter entfernt läuft. Diese Abmilderung des angstauslösenden Reizes ist ein Element der Desensibilisierung. Wenn Mietze so verängstigt ist, dass sie kein Futter annimmt, dann muss die Reizintensität noch weiter reduziert werden.

Bewertung: Am Anfang steht hier bereits das Angstauslösen und Verstecken der Katze. Durch Kombination mit der systematischen Desensibilisierung von Anfang an kann man das Vorgehen effektiver gestalten.

Variante 3: Klassische Gegenkonditionierung und systematische Desensibilisierung

In winzigen Schritten wird Mietze an den Staubsauger gewöhnt und währenddessen mit begehrten Leckerbissen gefüttert. Zuerst ist der Staubsauger dabei ausgeschaltet und liegt bewegungslos in der Wohnung. Dann werden zum einen die Lautstärke und auch die Bewegung, die mit dem Staubsauger gemacht werden, schrittweise gesteigert. Zeigt Mietze Zeichen von Verunsicherung, wird wieder einen Schritt zurückgegangen.

Möglichkeit A: Der Staubsauger ist zuerst weit weg, Mietze wird immer näher an ihn „herangefüttert“. Dies hat den Vorteil, dass man das Training alleine ausführen kann. Es hat aber den Nachteil, dass man Mietze beibringt, dass sie, wenn gesaugt wird, zum Staubsauger kommen soll. Das könnte zukünftig eventuell etwas lästig sein, wenn die Katze ständig in Erwartung eines Leckerlis vor dem Staubsauger herumspaziert und das Saugen stört. Erhält die Katze dann kein Leckerli mehr, wird sich dieses Problem allerdings schnell wieder geben.

Möglichkeit B: Die Besitzerin geht mit Mietze an einen ruhigen Rückzugsort, wo sich die Katze sicher fühlt. Dann bittet sie eine andere Person, den Staubsauger weit entfernt am anderen Ende der Wohnung anzuschalten, während sie die Katze mit Lieblingsleckerlis füttert. Die andere Person kommt mit dem Staubsauger auf niedriger Stufe langsam näher usw. Diese Methode hat den Nachteil, dass man eine geschulte weitere Person benötigt, die mithilft, und dass die Kommunikation gut funktionieren muss, damit die Hilfsperson weiß, wie schnell sie sich nähern darf. Ein Vorteil ist, dass sich die Katze an einem entspannten Rückzugsort befindet, den sie in Zukunft beim Staubsaugen aufsuchen kann.

Möglichkeit C: Eine Tonaufnahme der Geräusche anfertigen. Die Besitzer können das Geräusch des Staubsaugers aufnehmen und diese Tonaufnahme für die Desensibilisierung einsetzen. Diese Maßnahme ist sinnvoll, wenn Mietze bereits bei der niedrigsten Stufe des Staubsaugers am anderen Ende der Wohnung verunsichert reagiert. Dann muss der angstauslösende Reiz noch weiter verringert werden, was mit der Tonaufnahme möglich ist.

Möglichkeit D: Einsatz des Clickers. Die Besitzer könnten Mietze mit dem Clicker klassisch konditionieren und an den Target-Stick gewöhnen (image Kap. 2.2.1). Damit könnten sie Mietze an den Staubsauger heranführen, um den in Variante 1 und in Variante 3A beschriebenen Prozess zu beschleunigen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690295
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
Katze Verhalten Verhaltenstherapie Aggression Unsauberkeit Verhaltensmodifikation Angstverhalten Abnormal-respektives Verhalten Kratzmarkieren Lärmphobie Pheromone

Autor

  • Patricia Kaulfuß (Herausgeber:in)

Frau Dr. Kaulfuß trägt die Zusatzbezeichnung Verhaltensmedizin, sie ist Sachverständige für Sachkunde- und Wesensprüfungen, praktiziert seit 2009 in eigener Praxis in Mainz und gibt regelmäßig Seminare zu Verhaltensstörungen bei Hund und Katze für TFA und Tierärzte.
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Titel: Verhaltensprobleme bei der Katze