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Tod und Trauer in der Kleintierpraxis

Euthanasie kompetent begleiten

von Svenja Holle (Autor:in) Emanuel Holle (Autor:in)
128 Seiten

Zusammenfassung

Die Mensch-Tier-Beziehung hat sich in den letzten Jahren stark emotionalisiert. Der letzte Dienst am Haustier ist für Kleintierpraxen längst zum wichtigen Instrument der Kundenbindung geworden. Svenja Wulfgramm und Emanuel Holle vermitteln kompetent und einfühlsam, warum der Umgang und in die Kommunikation mit trauernden Patientenbesitzern eine emotionale und fachliche Herausforderung darstellen und warum gerade hier die Tiermedizinische Fachangestellte eine wichtige Schlüsselrolle einnimmt. Die Themen Euthanasie und Trauer werden systematisch aufgearbeitet, mit vielen Tipps und Übungen bekommt das Praxisteam nützliches Werkzeug an die Hand, um Patientenbesitzer auch beim letzten Besuch ihres Lieblings optimal zu begleiten.

- Wichtiges Thema, das speziell für die Zielgruppe TFA noch nicht aufbereitet wurde.
- Autoren werden regelmäßig als Fachreferenten und -Autoren zu diesem Thema gebucht zusammen über 100 ATF- und VMF-anerkannte Vorträge, gute Multiplikatoren.
- Jährlich werden zusätzlich in den Berufsschulen ca. 1500 Azubis über das Schulprojekt „Euthanasie in der Kleintierpraxis erreicht.
- Wichtiges Thema, das speziell für die Zielgruppe TFA noch nicht aufbereitet wurde.
- Das Risiko ist bei einer Auflage von 1500 Exemplaren gering.
- Industriekooperation mit dem Kleintierkrematorium im Rosengarten möglich.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Geleitwort
Der einmalige Tod. Eine ethische Notiz zum Sterben des Tieres und zur Trauer seiner Menschen.

Es fiele leicht zu zeigen: Das Leben der Tiere und ihr Tod hat für Menschen heute eine andere, eine viel stärkere Bedeutung, als dies in unserer Kulturgeschichte bisher der Fall war. Manche Tiere werden erklärtermaßen als „Familienmitglieder“ akzeptiert. Dabei ist wichtig zu sehen, wie unterschiedlich und wie unterschiedlich schnell sich dieser soziale Wandel vollzieht. Was für manche Tierbesitzer selbstverständlich ist, erscheint anderen als vollkommen undenkbar. Der Umgang mit „dem“ Tier zeigt sich bei genauer Hinsicht als außerordentlich facettenreich. Dies gilt auch und verschärft für den Tod des Tieres.

Natürlich finden sich Muster, wie sie dieses Buch auch aufzeigt: Wichtige Leitfragen, die zu beantworten sind, wenn es um die Entscheidung geht, ein Tier um seiner willen zu töten. Die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um ihm einen guten Tod, ein gutes Sterben, auf Griechisch: ihm eine „Eu-Thanasia“, zu gewähren. Unterscheidbare Stationen der Trauer, durch die Menschen typischerweise gehen. Erkennbare Strategien, mit dem Schmerz des Verlustes zurechtzukommen. Verfügbare Formen, den toten Körper in pietätvoller Art loszulassen und dabei den Tod selbst auch rituell einzufassen. Für eine auch moralisch taugliche Weise, in der Menschen diese letzte Phase im Leben ihrer Tiere begleiten und die Zeit danach gestalten sollen, ist es wichtig und richtig, nach ethisch begründeten Kriterien zu fragen. Gerade, wenn es um die Verantwortung von Tierarzt, seinen Mitarbeitern und Tierhalter für einen aus der mutmaßlichen Sicht des Tieres gelungenen Abschied geht, sind solche Überlegungen unverzichtbar. Deshalb hat auch die Ethik hier einen Beitrag zu leisten: Menschen schulden den Tieren in ihrer Obhut bis zum Ende einen Umgang, der ihnen gerecht wird. Gerade am Schluss.

Aber hier zeigt sich auch in vielen Facetten: Wann es Zeit wird, das Tier gehen zu lassen, wie dies geschehen soll und was dies alles bei „seinen“ Menschen bewirkt, ist letztlich nicht wirklich vorhersagbar. So individuell, eigentlich: so singulär, einmalig wie sein Leben für das Leben der Menschen war, so differenziert sind die jeweiligen Vorgänge und Entscheidungen zu gestalten. Man gewinnt den Eindruck, dass sich hier viele Dimensionen der Beziehung zu Tieren, vor allem aber zu diesem „einen“ Tier, noch einmal verdichten und konzentrieren. Hier entlädt sich tiefe Dankbarkeit; in echte Verzweiflung und Trauer mischen sich je nachdem auch freudige Erinnerung oder schmerzliche Schuldgefühle. Manche reagieren mit einer inneren Distanzierung, manche mit einer Überhöhung der Tiere. Je inniger dies erlebt wird, desto deutlicher zeichnet sich darin ab, wie das Verhältnis zwischen Mensch und Haustier im Kern beschaffen war. Der Tod besiegelt und offenbart es. Und er offenbart manche Seite in den Menschen, derer sie sich vielleicht gar nicht bewusst waren. Wie in einem Brennglas wird sie deutlicher und größer sichtbar. Auch, weil der Tod wenig Möglichkeit lässt, etwas zu kaschieren und abzuschwächen.

Der Tod, sagte der Theologe Walter Simonis, ist der Sold der Liebe. Sein eigentlicher Stachel ist weniger die eigene Vergänglichkeit, vielmehr der Verlust dessen, woran unser Herz hängt. Erst weil sich Menschen mit Sterblichem verbunden fühlen, trifft sie dessen Tod. In dem Maße, in dem sich diese Verbundenheit auf Tiere erstreckt, wird auch deren Tod für Menschen ein im vollen Sinne ernst zu nehmendes Thema. Zum Respekt vor dem Tier und „seinen“ Menschen es gehört dann, keine festen Schablonen über sie zu pressen: Auch ein Tier erlebt seinen Tod nur einmal und für viele Menschen ist dies das einmalige Ereignis, das einer unwiederholbaren Beziehung in ihrem Leben ein Ende setzt.

 

Hannover, im Winter 2018 Peter Kunzmann

Prolog

Der Beruf der Tiermedizinischen Fachangestellten ist nichts für Weicheier – das ist mal sicher. Entgegen der landläufigen Meinung, dass die „Tierarzthelferin“ die meiste Zeit damit beschäftigt ist, Tiere zu streicheln und mit dem Besitzer ein Schwätzchen zu halten, sieht die Realität ganz anders aus: Der Tod sitzt allen Mitarbeitern einer tierärztlichen Praxis oder Klinik permanent im Nacken und hat das gesamte Team mehr oder weniger im Dauerwürgegriff. Beim Tierarzt wird nicht nur geimpft, entwurmt und kastriert, sondern auch getötet. Und das mit voller Absicht. Gerade noch wurde der kleine süße Welpe geimpft, die lustige Bulldogge bringt alle Leute im Wartezimmer zum Lachen und im nächsten Augenblick wird von der Tiermedizinischen Fachangestellten erwartet, dass sie bei der Euthanasie eines älteren und kranken Hundes assistiert. Sie kennt Hund und Halter schon seit Jahren und hat eine persönliche Beziehung zu beiden aufgebaut. Nun hält sie das Tier fest, damit die todbringende Spritze gesetzt werden kann. Dabei blickt sie in die Augen des Hundes, der bis in ihre Seele durchzudringen scheint, vollkommen verunsichert, was mit ihm nun wohl geschehen mag. Kurze Zeit danach bleibt sein Herz stehen. Das Telefon klingelt, nichts wie raus aus dem Zimmer und mit professionell freundlicher Stimme wird ein Termin für den nächsten Tag vereinbart.

Das Einschläfern eines Tieres stellt an das gesamte Praxisteam, insbesondere an die Tiermedizinische Fachangestellte, höchste Anforderungen. Viele Tierärzte machen, sofern es die Planung zulässt, Hausbesuche, um den geliebten Begleiter in seinem gewohnten Umfeld zu Hause zu erlösen. Unnötige Strapazen und Stress sollen dem Patienten erspart bleiben, das Tier soll sanft und schmerzlos im Kreise der Familie hinwegscheiden. Leider ist diese Vorgehensweise im Praxisalltag oft nicht möglich. Bei Unfällen oder akut lebensbedrohenden Krankheiten muss während des normalen Praxisbetriebes eine Euthanasie durchgeführt werden. Von der Fachkraft wird nun ein professioneller Umgang mit der Situation verlangt. Ein sensibler, intuitiver Kontakt mit Tier und Halter wird erwartet. Aber wer hat einem das beigebracht? Im Normalfall sind weder Tierarzt, Assistent oder Besitzer geschult im Umgang mit der Sachlage, da der Tod immer noch ein Tabuthema darstellt, mit dem sich die wenigsten auseinandersetzen wollen. Ganz abgesehen davon ist uns nicht bewusst, was mit unserer Seele passiert, wenn man die Erfahrung von mehreren Tausend Euthanasien verarbeiten muss.

Dieser Ratgeber soll dazu dienen, vielfältiges Wissen und Einblicke rund um das Thema der Euthanasie zu vermitteln, damit die direkt betroffene Tiermedizinische Fachangestellte besser mit dem schwierigen Thema des Todes eines Patienten umgehen kann und ihre Freude an diesem wundervollen Beruf behält. Wer seinen Frieden mit dem Tod soweit wie möglich gemacht hat und die Lehren dieses Buches umsetzt, hat das Rüstzeug, um den Tierbesitzer im Moment seiner größten Not und Trauer zu unterstützen. Aus meiner langjährigen Praxis ist eine tiefe Wertschätzung und Dankbarkeit von Seiten des Trauernden gegenüber dem Praxisteam der Lohn für eine einfühlsame Begleitung bei diesem letzten schweren Gang.

 

Bedburg-Hau, im Sommer 2018 Stefan Hauck

Vorwort
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„Mehr als nur ein Job.
Es ist eine Berufung.“

Liebe Leserinnen und Leser,

Es gibt wohl bei jedem ein „Aha-Erlebnis“ in seinem Beruf. Etwas, das einem vor Augen führt, dass es mehr ist als nur ein Job. Für uns waren das die erste Euthanasie und die erste Abholung eines verstorbenen Tieres.

Ich werde meine erste Euthanasie nie vergessen. Meine Ausbildung hatte nicht mal richtig begonnen, ich war noch im vierwöchigen Praktikum davor, als jeden Tag der Kater Daniel mit seiner Familie zu uns kam. Eigentlich war ich durch und durch Hundemensch und hatte beim Festhalten von Katzen während der Behandlung immer wahnsinniges Herzrasen. Bei Daniel war das anders. Der Kater schien dankbar zu sein behandelt zu werden und schnurrte sogar beim Verbandswechsel in einer Tour. Leider heilte Daniels Wunde einfach nicht. Ich kann heute nicht mehr sagen, welche Krankheit dieser Kater hatte. Aber ich erinnere mich an sein weiches Fell, sein lautes Schnurren, seine raue Zunge und seine puscheligen Pfötchen. Nie habe ich seine Krallen gesehen, sein Blick war immer gütig und oft müde. Er wirkte sehr erschöpft und verlor zunehmend an Gewicht. Als seine Besitzer den Termin für die Euthanasie vereinbart hatten, war der Vater alleine mit Daniel im Behandlungsraum. Für seine Frau und die Kinder war der Gang zu schwer und auch ihm standen die Tränen in den Augen.

Ich wusste nicht was auf mich zukommt oder wie ich am besten helfen konnte. Ich stand einfach nur da, habe Daniels Pfote gehalten und seinem Besitzer aufmerksam zugehört. Als die Tierärztin den Tod feststellte, hat sein Besitzer bitterlich geweint. Ich habe mich zum Waschbecken umgedreht, die benutzten Materialien fachgerecht entsorgt oder desinfiziert und mir liefen dabei dicke Tränen über die Wangen.

Ein paar Wochen später kam die ganze Familie mit einer neuen kleinen Katze zu uns in die Praxis und der Vater hat sich aufrichtig für die Betreuung während der Euthanasie bedankt.

Da war der Schmerz um Daniel vergessen und ich wusste, dass ich mehr über Kommunikation und Psychologie lernen wollte. Damit jeder Tierhalter den Verlust seines geliebten Tieres mit etwas mehr Leichtigkeit verarbeiten konnte.

Auch wenn Daniels Tod nicht mehr wehtut, so habe ich ihn nie vergessen. Ich möchte ihm dieses Buch widmen, als Erinnerung an unsere Verantwortung als Tiermedizinische Fachangestellten.

Sicher erleben die meisten von uns eine solch prägende Situation. Etwas, das einem vor Augen führt, ob man einen guten oder einen nicht so guten Griff bei der Berufswahl getan hat. Bei mir war es ein spezielles Erlebnis, welches mir gezeigt hat, dass sich hinter jedem tierischen Verlust eine sehr emotionale Geschichte verbergen kann. Und dass, obwohl man es nicht von Beginn an wusste oder erahnen konnte.

Mein Aha-Erlebnis fand in Berlin statt. Bei einem Besuch unserer dortigen Rosengarten-Filiale unterstützte ich eine Kollegin bei der Abholung eines Tieres. Wir wussten, dass wir einen kleinen Hund abholen sollten – Tobi. Die Besitzerin hatte uns informiert, dass der kleine Tobi erfreulicherweise friedlich zu Hause eingeschlafen war. Nun wünschte sie sich, dass wir ihn in unsere Obhut nehmen sollten. So weit, so normal. Also sind wir losgefahren, kämpften uns durch den Berliner Berufsverkehr und einige Zeit später klingelten wir bei der Dame im vierten Stock eines Mehrfamilienhauses. Die Dame ließ uns, auf ihren Stock gestützt ein. Sie war knapp 80 Jahre alt und hatte merklich Probleme beim Laufen. Sie bat uns kurz Platz zu nehmen, da sie uns erzählen wollte, warum der Hund eine so eine große Bedeutung für sie hatte. Auch das war ein vollkommen normaler Vorgang. Die trauernden Menschen freuen sich darüber, wenn sie in Ihrer Trauer ernst genommen werden und etwas über die Besonderheiten des verstorbenen Tieres erzählen dürfen. Natürlich kommen wir dem gerne nach, weil es den Menschen hilft, die Situation zu verarbeiten und zu verstehen. Uns hilft es dabei, die Beweggründe des Einzelnen verstehen zu können und wir sind so in der Lage, die bestmögliche Unterstützung zu bieten. Die Geschichte der älteren Dame rührte mich aber doch auf eine tiefere Art an, als es bis dahin der Fall war. Der gemeinsame Weg der Dame mit ihrem Tobi hatte schon einen sehr emotionalen Start. Tobi war ein Geschenk Ihres Mannes. Beide wussten damals schon, dass er den Kampf gegen den Krebs verlieren würde. Mit den Worten „Der Hund passt nun auf Dich auf.“ verabschiedete er sich von seiner Frau. Vierzehn Jahre später musste sich seine Frau nun von ihrem Aufpasser verabschieden. Sie schilderte uns von der unfreiwilligen „Zweier-WG“, von dem Zusammenraufen von Frau und Hund und von der gegenseitigen Abhängigkeit, die sich aus all dem zwischen ihnen entwickelte. Sie erzählte uns, dass sie in den letzten Jahren den Schwung und die Bedürfnisse von Tobi brauchte, um überhaupt einen richtigen Sinn im Weitermachen zu sehen. Und nun? Jetzt war sie alleine. Alleine mit den Gedanken an ihren Mann und ihren Hund. Vorsichtig fragte ich nach, was sie nun als neuen Antrieb in ihrem Leben nehmen wolle. Zu unserer Erleichterung erklärte sie uns, dass sie ihrer Nachbarin mit deren Hund helfen werde. „Die kann noch schlechter laufen als ich. Dafür sieht sie aber besser. Wenn wir uns zusammentun, werden wir gut zurechtkommen. Sie sieht die Sonderangebote für Hundefutter in den Prospekten und ich gehen sie einkaufen. Ganz einfach. Wie sagen die jungen Leute: Teamwork.“. Die Frau strahlte einfach eine unglaubliche Kraft aus, die auch ihre tiefe Traurigkeit besiegen konnte. So war es ihr Herzenswunsch, sich am Auto von Tobi zu verabschieden, auch wenn es sehr anstrengend und ergreifend für sie war. Nach diesem endgültigen Abschied am Auto begleiteten wir Tobi auf seinem letzten Weg. Sein Frauchen war auf diesem Weg nicht persönlich anwesend aber in den Köpfen der Menschen in dem Wagen war sie sehr präsent. Tage später konnten wir die beiden wieder vereinen und Tobi bezog seinen neuen Platz auf dem Wohnzimmerregal, neben dem Foto, das ihren Mann mit Tobi zeigte.

Solche Geschichten begleiten und begegnen uns immer wieder. Ihnen und uns. Sicher muss man aufpassen, dass man das Alles nicht zu sehr an sich heranlässt. Das kann auf Dauer zu einer zu großen Belastung werden. Die eine oder andere Geschichte beweist uns aber dennoch sehr eindringlich, warum Haustiere in der heutigen Zeit diesen enormen Stellenwert bekommen haben. Zu manchen Entwicklungen in der „Tierliebe“ kann man sicher geteilter Meinung sein. Was aber echte und nicht materielle Verbundenheit angeht, muss man den Tieren ihren besonderen Stellenwert zugestehen.

 

Badbergen, im Winter 2018 Svenja Holle
Emanuel Holle

1.1Wortbedeutung und geschichtlicher Hintergrund

Der Begriff „Euthanasie“ ist in der Praxis gängig, um das Einschläfern eines Tieres zu benennen. Abgeleitet vom griechischen eu = gut und thanatos = Tod soll der Begriff ein Symbol für einen friedlichen Tod sein. Allerdings nicht auf natürliche Weise, denn Euthanasie steht auch immer für Hilfe beim Sterben, für Sterbebegleitung und dafür, dem Sterbenden seinen Tod leichter zu machen.

Thomas Morus schreibt in seiner Utopia (1516): „Ist aber die Krankheit nicht nur aussichtslos, sondern dazu auch dauernd schmerzhaft und qualvoll [...] solle er nicht zögern zu sterben, sondern er solle getrost und guter Hoffnung aus diesem unerfreulichen Dasein [...] sich entweder selbst befreien oder andere ihn daraus entführen lassen.“ Und Roger Bacon sagt wenig später in De dignitate et augmentis scientiarum (1829): „Aufgabe des Arztes sei nicht nur die Erhaltung der Gesundheit, die Heilung der Krankheit, sondern auch die Verlängerung des menschlichen Lebens. Wenn diese Verlängerung aber sinnlos sei, dann sei es Aufgabe des Arztes, dem Kranken einen sanften und ruhigen Übergang aus diesem Leben zu jenem zu verschaffen.“

All das sollte auch in der Tiermedizin bei der Euthanasie eines Tieres Beachtung finden. Im Laufe unserer Geschichte erhielt das Wort Euthanasie jedoch einen sehr negativen Beigeschmack. Aus dem friedlichen Tod wurde nun eine – oft ungewollte – Lebensverkürzung.

Obwohl der Tod zum Leben dazu gehört, ist er in unserem Kulturkreis mehr und mehr aus der Öffentlichkeit verschwunden. Unsere Einstellung zum Tod hat sich über die Jahre massiv gewandelt. Früher war er fester Bestandteil einer jeden Gesellschaft. Es gab Zeremonien, Totenfeiern und ganze Trauerjahre. Natürlich ging es dabei nicht um den Tod eines Haustieres, dennoch möchten wir in diesem Kapitel auf die Einstellung zum Tod und zum Sterben in der Geschichte unserer Kultur eingehen. Denn nur wenn man versteht, wie die Menschen grundsätzlich zum Tod stehen, kann man Trauer wirklich erfassen.

Rolf Winau schreibt in seinem Werk Einstellungen zu Tod und Sterben in der europäischen Geschichte (1984): „Auffälligstes Merkmal dieser Veränderung ist eine Ortverlagerung. Nicht mehr Zuhause stirbt man, im Kreis seiner Familie, sondern im Krankenhaus, alleine. [...] Der Tod ist aufgelöst in einzelne, dem Laien kaum verständliche Schritte und Situationen. Der Mensch fühlt seinen Tod nicht mehr kommen, im Gegenteil, ihm wird sein Zustand, werden alle Boten des Todes verheimlicht. [...] Der Tod ist unbenennbar geworden.“

In einer Gesellschaft mit dem Tod als Tabuthema, kann auch der Tod des Haustieres ernsthafte Folgen haben. Dem Tierhalter ist oft nicht bewusst, dass er sich bei einem alten Tier vorsorglich mit diesem Thema auseinandersetzten sollte. Auch bei der 23-jährigen Katze oder dem 16-jährigen Berner Sennenhund kommt der Tod für ihn plötzlich und unerwartet. Der Gedanke wird in seinem Kopf gar nicht zugelassen, das macht es dem Praxispersonal schwer, dieses Thema anzusprechen.

Umso mehr sehen wir es als Pflicht in der Tierarztpraxis, den Tierhalter frühzeitig an die Hand zu nehmen und ihn an den Gedanken des Todes seines geliebten Tieres zu gewöhnen.

Hierbei geht es nicht um Panikmache oder das Eingeständnis, dass man das Tier nicht mehr behandeln kann. Es geht um Dienstleistung und Service. Eine Verpflichtung, die auch eine tierärztliche Einrichtung wie eine Praxis oder Klinik verinnerlichen muss. Sie ist ein Dienstleistungsunternehmen.

Einige Tierbestattungsunternehmen bieten zu genau diesem Zweck eine Haustiervorsorge an, damit man am Tag des Abschieds auch wirklich trauern kann und nicht aus einer Schockstarre heraus Entscheidungen trifft, die man am Ende eventuell sogar bereut. Diese Vorsorge kann und sollte behutsam von Tiermedizinischen Fachangestellten angesprochen werden – egal, wie alt das Tier ist.

1.2Tierethik – Ein Kodex für tierärztliche Praxen und Kliniken

Die Tierärzteschaft hat sich mit dem auf dem Deutschen Tierärztetag 2015 verabschiedeten Ethik-Kodex dazu verpflichtet, ein Regelwerk im Umgang mit Mensch und Tier einzuhalten (BTK 2015).

Als Tiermedizinische Fachangestellte sind Sie diesem Kodex nicht unterworfen. Sie sind aber ebenso mit der Beachtung dieses Regelwerks betraut und helfen aktiv bei der Umsetzung. Daher macht es Sinn, sich mit einigen Passagen des Kodex auseinanderzusetzen. Der Ethik-Kodex ist auf der Webseite der Bundestierärztekammer e.V. (BTK) verfügbar (image www.bundestieraerztekammer.de/btk/ethik) und wird hier im Wortlaut wiedergegeben. Die Stellen des Textes, in denen sich Tiermedizinische Fachangestellte wiederfinden können und sollten, sind hervorgehoben. In Ergänzung und Konkretisierung des Ethik-Kodex wurden 2016 Empfehlungen zur Umsetzung ausgearbeitet, die ebenfalls auf der Webseite der BTK abrufbar sind.

Ethik-Kodex der Tierärztinnen und Tierärzte Deutschlands

Der Ethik-Kodex legt in Achtung der Würde der Tiere und in Verantwortung gegenüber der Gesellschaft die Selbstverpflichtungen der Tierärztinnen und Tierärzte zum ethisch richtigen Handeln dar.

1.Wir Tierärztinnen und Tierärzte dienen dem Allgemeinwohl und

verpflichten uns, mit unseren fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in besonderer Weise zum Schutz und zur Sicherung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Tiere beizutragen,

vertreten die Interessen der Tiere gegenüber der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, zeigen Missstände auf und helfen sie zu beseitigen,

stellen uns Interessens- und Zielkonflikten mit verantwortungsvollem Abwägen der konkurrierenden Standpunkte und Ziele und berücksichtigen dabei vorrangig die Bedürfnisse der Tiere,

setzen uns dafür ein, die Menschen vor Gesundheitsgefahren zu schützen, die von Tieren und von Produkten tierischer Herkunft ausgehen,

fördern den wissenschaftlichen Fortschritt auf allen Gebieten der Medizin und der Biowissenschaften und unterstützen die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Alternativen zu Tierversuchen,

berücksichtigen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen unseres Handelns.

2.Wir Tierärztinnen und Tierärzte tragen Verantwortung für die Gesundheit von Tier und Mensch und verpflichten uns dem „One Health“-Konzept und den darin formulierten Prinzipien bei der Verhütung und Bekämpfung von Zoonosen und beim Einsatz von Antibiotika,

setzen unser tierärztliches Wissen dafür ein, Tiere vor Schmerzen, Schäden, Leiden und Angstzuständen zu bewahren und deren Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern,

helfen, Krankheiten der Tiere präventiv und kurativ entgegenzuwirken mit dem Ziel, Krankheiten zu verhindern, zu lindern und zu heilen,

lehnen alle Maßnahmen ab, durch die Tiere Leistungen erbringen sollen, die ihre physische oder psychische Anpassungsfähigkeit überfordern oder die negativen Konsequenzen für ihre Gesundheit und/oder ihr Wohlbefinden haben,

verurteilen jede Form von Tierzucht, die zu Schmerzen, Leiden und Qualen führt oder beiträgt, und setzen uns für die präventive Aufklärung sowie für das Erkennen und Vermeiden solcher Entwicklungen ein,

setzen uns für tiergerechte Haltungsbedingungen aller Tiere in menschlicher Obhut ein und unterstützen deren konsequente Weiterentwicklung, um die Haltungssysteme und die Betreuungsqualität für die Tiere zu verbessern.

3.Wir Tierärztinnen und Tierärzte richten Tierbehandlungen stets am Wohlbefinden der Tiere aus und

führen diagnostische, prophylaktische und kurative Maßnahmen nur bei Vorliegen einer medizinischen Indikation oder eines anderen vernünftigen Grundes durch,

orientieren jedes tierärztlich-kurative Handeln am Ziel der Wiederherstellung, des Erhalts oder der Verbesserung der individuellen Lebensqualität der Tiere,

führen schmerzhafte Eingriffe an Tieren grundsätzlich nur unter allgemeiner und/oder lokaler Anästhesie und postoperativer Analgesie durch,

leisten bei verunfallten oder krank aufgefundenen Tieren eine fachgerechte Erstversorgung im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten,

stellen das Wohl des Tieres über unseren beruflichen Ehrgeiz und überweisen Patienten gegebenenfalls an eine spezialisierte Praxis oder Klinik,

dürfen das Leben eines Tieres nur bei Vorliegen eines vernünftigen Grundes und mit der für das Tier am wenigsten belastenden Methode beenden.

4.Wir Tierärztinnen und Tierärzte unterstützen die Tierhalter in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber dem Tier und

weisen sie, wann immer möglich, im Vorfeld der Anschaffung von Tieren auf die besonderen Bedürfnisse des gewünschten Tieres sowie die eventuellen Konsequenzen für das persönliche Umfeld hin,

fordern und tragen dazu bei, dass Tierhalter und alle Personen, die mit den Tieren umgehen, ihrer Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere gerecht werden und über eine entsprechende Sachkunde der physiologischen, psychischen und sozialen Bedürfnisse der Tiere verfügen,

wirken durch Information und Beratung darauf hin, dass Tierhalter ihre Tiere ihren natürlichen art-, rasse- und typspezifischen Bedürfnissen und Verhaltensmustern entsprechend halten,

fordern Tierhalter zur Behebung von Mängeln auf, wenn wir defizitäre Zustände in der Tierhaltung und Betreuung feststellen, und arbeiten erforderlichenfalls mit staatlichen Organen zusammen.

5.Wir Tierärztinnen und Tierärzte halten die Regeln der Kollegialität ein und

sind uns unserer Verantwortung im Bereich der Aus-, Fortund Weiterbildung des tierärztlichen Nachwuchses und der uns anvertrauten Auszubildenden in Assistenzberufen bewusst,

behandeln Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter respektvoll und vergüten ihre Tätigkeit angemessen,

verhalten uns den Kolleginnen und Kollegen sowie dem tierärztlichen Nachwuchs gegenüber als Vorbilder bei der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung der Tierärzteschaft.

1.3Rechtliche Grundlagen

Wirbeltiere sind nur unter Betäubung oder nur unter Vermeidung von Schmerzen zu töten. Personen, die ein Wirbeltier töten, müssen über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Um die Tötung eines Tieres zu rechtfertigen, muss ein vernünftiger Grund vorliegen, z. B. wenn ein Weiterleben nur unter erheblichen, nicht behebbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden möglich ist (§§ 3 [Ziff. 2], 9 [Abs. 2, Ziff. 6 und 8] und 16 a [Ziff. 2], TierSchG 2006).

Weiterhin heißt es im Tierschutzgesetz in § 17: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.“ Dieser Grund wird aber nicht näher definiert, auch das Wort „Schmerz“ unterliegt juristisch keinerlei Definition. Somit bewegen Tierärzte sich bei jeder Euthanasie in einer Grauzone. Zum einen gibt es die Tierhalter, die ihre Tiere einfach nur loswerden wollen und die wildesten Geschichten erzählen, welche Krankheiten das Tier angeblich habe. Aufgabe des Tierarztes ist es, herauszufinden, dass dies nicht der Wahrheit entspricht und somit kein Grund vorliegt, das Tier einzuschläfern. Zum anderen gibt es die Tierhalter, die nicht loslassen können und ihr Tier aufgrund falscher Tierliebe zu lange leiden lassen. Auch hier hat der Tierarzt die Verantwortung dem Tier gegenüber, allerdings darf er ohne Einwilligung des Tierhalters weder behandeln noch einschläfern – ein kommunikativer Drahtseilakt. Nicht zu vergessen sind die Fälle, in denen wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielen. Tierhalter können rechtlich nicht verpflichtet werden, über ihre finanziellen Grenzen hinaus eine Weiterbehandlung des Tieres zu zahlen. Hier muss also immer eine Verhältnismäßigkeit abgewogen werden, um zu bestimmen, ob ein Grund vorliegt oder nicht. Können Tierhalter und Tierarzt sich nicht zum Wohle des Tieres einigen und wird eine Verletzung des Tierschutzes vermutet, kann das Veterinäramt eine rechtlich bindende Entscheidung treffen. Allerdings kann der Tierhalter diese Entscheidung per Eilantrag anfechten. Um diese rechtlichen Schritte gar nicht erst nötig zu machen, ist auch hier wieder kommunikatives Feingefühl gefragt.

Eine rechtliche Ausnahme bildet die sogenannte Kampfhundeverordnung, die auf Bundesländerebene die Euthanasie von als gefährlich eingestuften Hunden regelt. Diese Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (2003) bestimmt unter anderem den erforderlichen Sachkundenachweis der Tierhalter, sowie Leinenund Maulkorbzwang und Ausbildung der Tiere. Die zuständige Behörde kann die Tötung des Tieres anordnen, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass von dem Tier eine Gefahr für den Menschen ausgeht.

Um die Tragweite der gesetzlichen Bestimmungen deutlich zu machen, folgt ein Beispiel aus der Praxis. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei den Urteilen um Einzelfallentscheidungen des jeweiligen Gerichtes handelt:

FALLBEISPIEL

Tierärztliche Haftung: Euthanasie des Tieres ohne Einwilligung des Besitzers

Im Frühjahr 2012 wollte die 43-jährige Besitzerin des Dobermannrüden Kronos (6 Jahre) eine Zecke aus dessen Pfote entfernen.

Dabei hatte sich der Hund derart erschrocken, dass er der Besitzerin eine leichte Bissverletzung am Kopf zufügte.

Der Vater der Besitzerin stellte aufgrund des Beißvorfalls den Rüden beim Tierarzt vor und drängte den Tierarzt zur Einschläferung des Hundes. Der Tierarzt gab dem Drängen nach und schläferte den Hund ein. Die Tochter und eigentliche Besitzerin des Hundes hatte einer Tötung des Dobermannrüden nie zugestimmt und verklagte den Tierarzt. Das Amtsgericht Bonn verurteilte den Tierarzt wegen einer Sorgfaltspflichtverletzung zur Zahlung von 800,- Euro Schadensersatz. Die Verurteilung wollte der Tiermediziner nicht akzeptieren und legte vor dem Landgericht Bonn Berufung ein. Seinen Angaben zum Sachverhalt zufolge behauptete der Vater, dass er der Besitzer des Rüden sei. Auch sei nachgefragt worden, ob die Entscheidung, Kronos einzuschläfern, in der Familie besprochen wurde. Dies habe der Rentner ebenfalls bejaht. Daraufhin hatte der Tierarzt es „schweren Herzens“ gemacht. Die Richter des Landgerichts Bonn hielten die Entscheidung des Amtsgerichts für rechtens. Nach ihrer Ansicht hätte gerade im Hinblick dessen, dass die Besitzerin mit dem Rüden in seiner Praxis schon vorstellig war, der Tierarzt sich belegen lassen müssen, wer der eigentliche Besitzer des Hundes ist. Zudem habe er keine weitere Abwägung vorgenommen, ob nicht ein Wesenstest, die Abgabe in ein Tierheim oder in die Hände eines fachkundigen Tiertrainers ausgereicht hätten. Der Tiermediziner nahm die Entscheidung des Gerichtes vorweg und zog die Berufung zurück.

1.3.1Tierärztliche Todesbescheinigung (Totenschein)

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Abb. 1-1 Vorbereitung der Narkose vor der Euthanasie

Jeder Hundehalter hat die Pflicht, für sein Tier Steuern zu zahlen. Verstirbt dieser Hund, muss er ihn innerhalb von zwei Wochen unter Vorlage einer tierärztlichen Todesbescheinigung in seiner Gemeinde abmelden.

Dieses Dokument dient rechtlich zum Nachweis dafür, dass der Hund wirklich eingeschläfert wurde, wird aber auch bei Tieren benötigt, die ohne tierärztlichen Eingriff sterben. Oft reicht den Gemeinden auch die Rechnung des Krematoriums oder des Tierfriedhofs als Nachweis. Viele Gemeinden wünschen auch die alte Steuermarke des Tieres zurück, allerdings wird das Halsband nach der Euthanasie oft in der Praxis vergessen. Hier benötigt der Tierhalter das wache Auge der Tiermedizinischen Fachangestellten, da er in diesem Moment meist keinen klaren Gedanken fassen kann.

1.4Medizinische Durchführung

Auch wenn die Euthanasie für viele Tierärzte eher als notwendiges Mittel angesehen wird, darf ihrer Durchführung nicht weniger Beachtung und Vorbereitung geschenkt werden als jeder anderen Behandlung auch, die zum Wohle des Tieres durchgeführt wird. Der Tierarzt hat aufgrund seiner Ausbildung gesetzlich betrachtet die Kenntnis und Fähigkeit, den Tod eines Tieres herbeizuführen. Nach § 4 des Tierschutzgesetzes (TierSchG 2006) darf ein Wirbeltier nur unter Betäubung oder sonst nur unter Vermeidung von Schmerzen und nur von Personen, die dazu die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten haben, getötet werden (Sachkundenachweis).

Für einen reibungslosen Ablauf zählt jedoch die Zusammenarbeit des gesamten Praxisteams. Die Euthanasie sollte als letzter Dienst betrachtet werden, den eine Praxis seinem Patienten erweisen darf. So ist sie doch ein maßgebender Faktor für eine erfolgreiche Verlustbewältigung des Tierhalters.

Hierbei bilden sowohl eine gute Beratung, als auch eine fachgerechte Durchführung der Euthanasie die Grundsteine für das, was es sein soll: ein „guter Tod“ (image Abb. 1-1).

1.4.1Der richtige Zeitpunkt

Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, ist die Entscheidung zur Euthanasie eines Tieres von verschiedenen Faktoren abhängig. Oft wird Tierhaltern der Rat gegeben, dass Tier zu erlösen, wenn es keine Lebensqualität mehr habe. Doch wie genau definiert man Lebensqualität bei einem Tier?

Aus unserer Erfahrung haben sich zwei wichtige Faktoren herauskristallisiert, um einschätzen zu können, ob das Tier noch Freude am Leben empfindet. Denn das Wort Lebensqualität ist nicht nur gleichzusetzen mit „schmerzfrei“.

1.Nahrungsaufnahme: Ein Tier, das sein Leben lang gerne und viel gefressen hat und plötzlich die Nahrungsaufnahme einstellt, tut dies nicht ohne Grund. Meistens versteckt sich hinter diesem Symptom eine ernst zu nehmende Krankheit. Wir sprechen hierbei nicht von der Katze, die die neue Futtermarke erst einmal drei Tage lang ablehnt, sondern von einem Tier, was über einen längeren Zeitraum nicht richtig frisst und stetig an Gewicht verliert. Gewichtsverlust lässt sich nicht mit Alter erklären und ist das erste deutliche Zeichen für eine verringerte Lebensqualität. Um zu testen, ob es sich wirklich um krankheitsbedingte Appetitlosigkeit handelt oder das Tier gerade einfach sehr anspruchsvoll ist, eignen sich besondere Leckereien sehr gut. Werden diese noch mit Freude verschlungen, sollte erst ein Futterwechsel probiert werden. Hält die Appetitlosigkeit an, empfehlen wir einen Besuch beim Tierarzt.

Zum Punkt Nahrungsaufnahme zählt auch die ausreichende Versorgung mit Wasser, denn: Wasser ist Leben. Hat das Tier von alleine keine Kraft oder Anreize mehr, Wasser aufzunehmen obwohl es ihm frei zur Verfügung steht, besteht dringender Handlungsbedarf. Seinem Tier eigenständig Wasser über eine Spritze ins Maul zu geben hilft dabei nicht in vollem Umfang. Ein Tierarzt sollte klären, was die Ursache für diese Verweigerung ist.

2.Teilnahme am Leben: Jeder Halter sollte bei seinem Tier einschätzen können, ob es sich „normal“ verhält. Empfindet es Freude wie früher? Nutzt es seine Instinkte und Sinne wie gewohnt? Hat das Tier Schmerzen? Starke, akute Schmerzen, wie bei einer Pfotenverletzung, können oft sehr gut eingeschätzt werden. Schwieriger wird es bei schleichenden Schmerzen, die über einen langen Zeitraum wachsen. Hierbei fällt es Tierhaltern oft schwer einzuordnen, ob das zum normalen Alterungsprozess des Tieres gehört, oder ob eine Krankheit vorliegen könnte. Sätze wie „In seinem Alter mag er Treppensteigen einfach nicht mehr so gerne, daher hat er seinen Platz jetzt unten im Flur.“ hat sicher jeder schon einmal gehört. Auch hier möchten wir noch einmal daran erinnern, dass Alter alleine keine Krankheit ist. Verändert sich das Tier im Alter sind in den meisten Fällen Schmerzen der Grund dafür. Um wirklich ausschließen zu können, dass das Tier keine Schmerzen hat, sollte über einen Zeitraum von mindestens drei Wochen ein Schmerzmedikament verabreicht werden. Verbessert sich der Zustand des Tieres ist dies ein Beweis dafür, dass ein starkes Schmerzempfinden die Ursache für das veränderte Verhalten ist.

Neben Schmerzen bezieht sich der Punkt „Teilnahme am Leben“ aber auch auf die Persönlichkeit des Tieres. Verändert sich das Verhalten des Tieres enorm, wird es vielleicht sogar aggressiv, unsauber oder asozial gegenüber Artgenossen, muss dies als reduzierte Lebensqualität gewertet werden. Bei jedem Tierhalter ist die Wahrnehmung dieser Verhaltensveränderungen unterschiedlich. Für den einen ist es in Ordnung, dass der Hund plötzlich nicht mehr hochgehoben werden möchte und aggressiv auf Artgenossen reagiert, obwohl er sonst immer sehr ausgeglichen war. In solchen Situationen sollte man dem Tierhalter vor Augen führen, wie das Tier sich früher verhalten hat und hinterfragen, ob das Tier wirklich noch Freude am Leben empfindet oder ob vieles mittlerweile zur Qual geworden ist. Hilfreich ist dabei folgendes Denkbeispiel: Der Tierhalter soll sich vorstellen, dass Tier müsste noch einen Monat exakt so weiterleben. Verschönern sie die Probleme dabei nicht, sondern sprechen Sie diese direkt an. Er soll sich dann vorstellen, dass das Tier nach diesen vier Wochen eingeschläfert wird. Kann er dann mit ruhigem Gewissen sagen: „Ja, mein Tier hatte noch ein gutes, erfülltes Leben.“?

1.4.2Der passende Ort

Viele Tierhalter wünschen sich eine Euthanasie zu Hause, damit das Tier in gewohnter Umgebung seine letzte Reise antreten kann. Katzen wird der Transportstress in ihrer Box erspart, Hunde müssen nicht gegen ihren Willen am Halsband in die Praxis gezogen werden – im besten Fall ist das Stressersparnis für beide Seiten.

Allerdings ist das nicht immer so: Stellt der Tierarzt für das Tier ein „Feindbild“ dar, da es unangenehme Situationen oder langwierige Behandlungen gab, kann das Eindringen in sein eigenes Zuhause, sein Revier, zusätzlichen Stress für das Tier bedeuten. Tierhalter lassen Ihren Emotionen in vertrauter Umgebung oft auch mehr freien Lauf, was sich unweigerlich auf das Tier überträgt. Dies kann bei jedem noch so friedlichen Tier zu unvorhersehbaren Angstreaktionen wie Beißen oder Kratzen führen. Hinzu kommen die nicht immer optimalen Arbeitsbedingungen, wie Hocken auf dem Fußboden, schlechte Lichtverhältnisse oder eben keinerlei Absicherung gegen Angstreaktionen des Tieres. Zu bedenken ist außerdem, dass der Tierhalter im Nachhinein jeden Tag mit der Situation der Euthanasie konfrontiert wird, da es in seinem eigenen Zuhause stattfand und er die Bilder vielleicht nicht mehr abschütteln kann. Einige Tierhalter bereuen daher diese Entscheidung, da die ständige Konfrontation mit dem Ort des Geschehens negative Auswirkungen auf die Trauerbewältigung haben kann.

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Abb. 1-2 Beispiel für einen Trauerraum

Die Euthanasie in der tierärztlichen Praxis ist deshalb oft die bessere Lösung, um eine würdevolle und sanfte Euthanasie möglich machen zu können. Viele Tierarztpraxen setzen dabei mittlerweile bereits auf eigene Trauerräume (image Abb. 1-2). Die Idee dahinter ist es, für den Tierhalter bei der Euthanasie in einem behaglicheren Praxisumfeld einen Rückzugsort zu schaffen. Fern von den normalen Behandlungsräumen, fehlt hier die Sterilität und die typische Praxisatmosphäre. Ein Trauerraum ähnelt eher einem Wohnzimmer und lädt den Tierhalter ein, sich zu entspannen.

Der große Vorteil eines solchen Trauerraums ist, dass der eigentliche Behandlungsraum nicht mit negativen Emotionen behaftet ist und der Tierhalter gerne wieder in die Praxis kommt. Zusätzlich ist bei der Kommunikation innerhalb des Teams von vornherein klar, dass es sich bei Halter und Tier in diesem Raum immer um eine Euthanasie handelt. Hat der Tierhalter in diesem Raum auch die Möglichkeit die Rechnung zu bezahlen, erspart er sich sogar die Blöße, in seiner Trauer an der Anmeldung vor andere Tierhalter zu treten.

1.4.3Die Wahl des Medikaments

Die Euthanasie eines Tieres beinhaltet für Tierärzte immer wieder aufs Neue ein hohes Maß an Verantwortung gegenüber dem Tier und seinem Halter. Daher spielt auch die fachgerechte und sanfte medizinische Durchführung eine wichtige Rolle, sowohl für das Tier, welches möglichst wenig Schmerzen erleiden soll, als auch für den Tierhalter, dessen Trauerprozess unweigerlich durch den letzten gemeinsamen Weg beeinflusst wird.

Für jedes Tier, jede neue Situation im Rahmen der Euthanasie, muss daher genau geprüft werden, welches Medikament und welche Applikationsart eingesetzt wird. So kann der Verzicht auf eine vorangegangene Sedierung oder das Missachten der Produktinformation des jeweiligen Medikaments zu unnötigem Leid des Tieres führen. Auch wenn die Tiermedizinische Fachangestellte hierbei wenig Entscheidungsgewalt hat, ist es wichtig, Risiken und Nebenwirkungen der jeweiligen Durchführung zu kennen, um auf alles vorbereitet zu sein. Auch die richtige Beratung des Tierhalters vor und während der Euthanasie spielt eine entscheidende Rolle.

Aktuell gibt es in der deutschen Veterinärmedizin elf zugelassene Pentobarbital-haltige Tierarzneimittel für die Euthanasie von Großund Kleintieren, von denen zurzeit folgende fünf Präparate im Handel verfügbar sind (VETIDATA 2019):

Euthadorm® 500 mg/ml(CP Pharma GmbH, Burgdorf, D)

Narcoren® (Merial GmbH, Hallbergmoos, D)

Narkodorm® (CP Pharma GmbH, Burgdorf, D)

Release® 300 mg/ml (WDT eG, Garbsen, D)

Release® 500 mg/ml (WDT eG, Garbsen, D)

Die Verwendung von Pentobarbital gilt als eine der schonendsten und sichersten Methoden zur Euthanasie von Groß- und Kleintieren. Allerdings muss beachtet werden, dass dieser Wirkstoff keine analgetische Eigenwirkung besitzt. Somit tritt auch erst nach der Bewusstlosigkeit eine Schmerzunempfindlichkeit beim Tier ein. Bei Vögeln und Reptilien sind nur vier der fünf Pentobarbital-haltigen Präparate zugelassen, daher sollten immer die Zieltierarten und Produkthinweise auf der Packungsbeilage beachtet werden.

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Bei anderen zugelassenen Euthanasiepräparaten, beispielsweise T 61® (Intervet Deutschland GmbH, Unterschleißheim, D), berichten Tierärzte und Tierhalter immer wieder von unangenehmen Zwischenfällen während der Euthanasie. Dazu gehören laute Schmerzäußerungen, Krampfanfälle, Atemnot, Fluchtversuche und das Aufbäumen des ganzen Tierkörpers über Minuten. Seit November 2010 ist eine Verabreichung von T 61® daher nur bei bereits narkotisierten Tieren zugelassen. Der Einsatz bei tragenden Tieren ist nicht erlaubt.

1.4.4Ablauf der Euthanasie

Laut deutschem Tierschutzgesetz ist vor der Tötung eines Wirbeltieres eine Betäubung vorgeschrieben (TierSchG 2006). Lediglich bei der intravenösen Verabreichung des Medikaments liegt die Betäubung im Ermessen des Tierarztes. Die Erfahrung zeigt aber, dass auch hierbei eine angemessen tiefe Sedierung für eine friedliche Euthanasie erfolgen sollte. Es ist jedoch zu beachten, dass durch eine Sedierung der Wirkungseintritt verlangsamt ist und eine höhere Dosierung erforderlich wird. Die intravenöse Applikation in Zusammenhang mit einer vorherigen Sedierung ist das ideale Vorgehen bei einer Euthanasie. Besonders bei sehr ängstlichen oder abwehrbereiten Hunden ist diese Art der Euthanasie zu empfehlen. Die Anwesenheit des Tierhalters kann für Hunde in dieser Situation entscheidend sein, da sie eine starke Bindung zu ihrer Bezugsperson aufbauen können und diese dann Halt und Sicherheit vermittelt.

Sollte eine intravenöse Injektion nicht möglich sein, kann das Medikament nach Sedierung auch intrakardial verabreicht werden (Kirsch, Palm und Wedel 2016).

Ist eine intrakardiale Injektion nicht durchführbar, kann Pentobarbital ebenfalls intraperitoneal verabreicht werden. Für aggressive oder schwer einzuschätzende Katzen ist diese Art der Injektion oft die stressfreiste Methode. Zu beachten ist allerdings, dass der Wirkungseintritt des Medikaments nach einer intraperitonealen Injektion deutlich langsamer ist.

Auch bei Tieren mit geringem Blutdruck, bei denen es fast unmöglich ist, ein Blutgefäß schmerzfrei zu treffen, kann die intraperitoneale Applikation eine sanfte Möglichkeit darstellen. Gerade bei Nagetieren wird diese Variante daher oft gewählt.

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Auch Inhalationsnarkotika wie Halothan, Isofluran, Enfluran oder Sevofluran können unter Umständen für die Euthanasie in Narkosekäfigen für sehr kleine Tiere geeignet sein. Hierbei verstirbt das Tier in einer tiefen Sedierung langsam durch Hypoxie.

Beim Kleintier (Hund, Katze) muss die intravenöse Applikation des Euthanasiepräparats gleichmäßig bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit nach zirka 30 Sekunden verabreicht werden. Die letzte Dosis sollte dann recht zügig gegeben werden. Bei Pferd und Rind wird eine Sturzinjektion unter Druck empfohlen.

Bei einer intravenösen Injektion kommt es zuerst zur Ausschaltung der Großhirnrinde mit Bewusstseinsverlust, danach folgt die Lähmung tieferer Hirnstrukturen mit Pupillenstarre sowie Atem- und Herzstillstand.

Zu beachten ist, dass der Herzstillstand bei allen Tieren innerhalb von zwei Minuten eintreten sollte. Verzögert sich dies, sollte sowohl zum Wohl des Tieres als auch zum Schutz des Trauerprozesses des Tierhalters, eine zweite Dosis verabreicht werden.

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1.4.5Nach der Euthanasie

Stellt der Tierarzt den klinischen Tod des Tieres fest, bedeutet das, dass die Atem- und Kreislauffunktion erloschen ist. Durch den fehlenden Sauerstofftransport kommt es dabei zum Absterben der Körperzellen. Allerdings bleiben die Muskelzellen noch einige Zeit funktionstüchtig, wodurch es zu Muskelzuckungen kommen kann. Aus demselben Grund können auch Zwerchfellkontraktionen auftreten, die ein letztes „tiefes Einatmen“ simulieren. Nach dem Tod entspannen sich alle Muskeln des Tieres, darunter auch die Schließmuskeln, wodurch sich Kot und Harn entleeren können. Auch Ausfluss aus der Nase ist möglich. Die Augen bleiben nach dem Tod des Tieres immer geöffnet und es ist auch fast unmöglich sie zu schließen. Diese Reaktionen sollten unbedingt vorab mit dem Tierhalter besprochen werden, damit er bestmöglich auf die Situation vorbereitet ist. Andernfalls wird der Tierhalter in dieser schweren Situation zusätzlich verunsichert.

Kurze Zeit nach Todeseintritt ziehen sich die Sehnen des Tieres zusammen, wodurch es alle Gliedmaßen anzieht. Dies erweckt den Eindruck, als würde es sich in einer schlafenden Position befinden. Bei Hunden und Katzen eignet sich dieser biologische Effekt gut, um sie in eine friedliche „Körbchenposition“ zu legen. Da das verstorbene Tier nicht sofort steif wird, sondern dies erst zeitverzögert nach ca. 30 Minuten durch den langsamen Verlust der Körpertemperatur entsteht, ist in diesem Zeitraum eine sanfte Positionierung des Tierkörpers problemlos möglich. Setzt die Leichenstarre allerdings erst einmal ein, kann man das Tier kaum noch bewegen oder für eine Aufbahrung anders hinlegen.

1.5Kommunikation im Team

Während ein Tierarzt meist erst auf das akute Problem mit der Euthanasie des Tieres reagiert, kommt die Tiermedizinische Fachangestellte in der Regel schon viel früher mit dem bevorstehenden Tod des Tieres in Berührung. Sie ist es, die telefonische Anfragen zur Euthanasie entgegennimmt, bei Laborarbeiten Befunde zur unheilbaren Krankheit liefert oder den Tierhalter an der Anmeldung betreut. So ist die Tiermedizinische Fachangestellte viel häufiger der erste Ansprechpartner für den emotionalen Tierhalter, was ein Wechselbad der Gefühle auslösen kann.

In dem festen Glauben, Tieren durch gute Arbeit und viel Aufopferung und Einsatz helfen zu können, haben Tiermedizinische Fachangestellte diesen Beruf gewählt. Und doch finden sie sich oft bei der Assistenz während einer Euthanasie wieder. Dieser innere Konflikt kann zusätzlich zum Berufsstress Einfluss auf das Wohlbefinden nehmen, da es oft als ein persönliches Versagen wahrgenommen wird. Viele Wissenschaftler nennen die Euthanasie von Tieren in der Veterinärmedizin daher als Hauptgrund für Burnout beim Praxispersonal.

Dabei sollte ein Praxisteam im gleichen Maße darauf vorbereitet sein, Leben zu retten, wie für trauernde Tierhalter zu sorgen. Auch hier kann die richtige Kommunikation im Team die Situation massiv entschärfen. Als hilfreich haben sich folgende Schritte erwiesen:

Erstellen einer Checkliste, die den Ablauf während einer Euthanasie festlegt (image Praxistipp „Checkliste Euthanasie“). Sie vermittelt Sicherheit und hilft, sich nicht zu sehr von der emotionalen Situation treffen zu lassen, da man eine klare Aufgabe vor sich hat.

Entweder eine Tiermedizinische Fachangestellte als feste Ansprechpartnerin beim Thema Euthanasie und Tierbestattung auswählen, die sich freiwillig dafür bereit erklärt und sich regelmäßig in dieser Thematik weiterbildet, oder alle Tiermedizinischen Fachangestellten gleichmäßig rotierend zur Behandlungsassistenz bei einer Euthanasie einsetzen.

Auszubildende und neue Mitarbeiter sollten behutsam in das Assistieren während einer Euthanasie herangeführt werden und selbst bestimmen dürfen, wann sie sich bereit dafür fühlen, diese Aufgabe zu übernehmen. Viele Berufsschulen bieten speziell zum Thema Euthanasie in der Kleintierpraxis bereits effektive Rollenspiele an, die verschiedene Extremfälle im Rahmen einer Euthanasie simulieren.

Zulassen von Stolz. Betreuen Tiermedizinische Fachangestellte den Tierhalter während einer Euthanasie erfolgreich und behandeln sie das Tier mit Würde, sollte dies eine wachsende und lohnende Erfahrung sein, die durchaus vom Team gelobt werden muss.

Euthanasie in einer wöchentlichen Teamsitzung thematisieren und Gefühlen Luft machen, Ideen vorbringen und Erfahrungen weitergeben. Für viele Menschen ist es wesentlich leichter mit einer schweren Situation umzugehen, wenn sie erkennen, dass andere Menschen genauso fühlen. Dies kann auch im Rahmen der Berufsschulen während der Ausbildung stattfinden. Das Verständnis des Teams erleichtert den Stress, fördert den Teamgeist und führt somit zu einem höheren Maß an Zufriedenheit.

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2.1Die Geschichte der Tierbestattung

In der ferneren Vergangenheit gab es andere Gründe ein Tier zu bestatten, als dies heute der Fall ist. Nach heutigem Wissensstand gibt es seit ca. 12.000 Jahren eine Bestattung von Tieren. In Israel wurde dabei ein Tier einem Menschen als Grabbeilage mitgegeben. Vor 10.000 Jahren gab es in Zypern die erste nachgewiesene Bestattung einer Katze. In dieser Zeit gab es in der Region bereits Katzen als Haustiere. Im antiken Ägypten hat die Tierbestattung dann ihren Höhepunkt erreicht. Nach aufwendiger Vorbereitung wurden als heilig geltende Tiere wie Katzen und Falken rituell bestattet (Hornig 1993).

In Europa geht man beim Thema Tierbestattung weit weniger lange in der Zeit zurück. Im frühen Mittelalter gab es eine gemeinsame Bestattung von wohlhabenden Menschen mit ihren Pferden und Hunden. Später wurden dann auch Tiere ohne menschliche Begleitung beigesetzt. Im Landkreis Lüneburg gibt es beispielsweise ein Gräberfeld mit 42 Pferdegräbern (Müller-Wille 1970/1971). In der heutigen Zeit hat die Tierbestattung einen sehr emotionalen Hintergrund für die Menschen. Für viele Tierhalter ist es undenkbar, ihr Tier zu „entsorgen“. Aus diesem Grund wird viel für einen emotionalen und würdevollen Abschied getan. Das Gedenken rund um das Tier steht dabei im Vordergrund. Die Bandbreite der Angebote hat sich in den letzten gut 20 Jahren stark entwickelt. Die häufigsten Bestattungsformen sowie eine Möglichkeit der Bewertung der verschiedenen Bestattungsartenmöchten wir in diesem Kapitel vorstellen. Um einen trauernden Tierhalter umfassend und gut beraten zu können, muss ein Wissen um die Möglichkeiten und Unterschiede der einzelnen Möglichkeiten vorhanden sein.

2.2Die häufigsten Bestattungsformen

Um Ihnen einen schnellen Überblick über die Vor- und Nachteile der einzelnen, nachfolgend dargestellten Bestattungsformen bieten zu können, empfehlen wir eine Bewertungstabelle. Diese unterteilt sieben wichtige Bewertungskriterien und nennt die Wertigkeit durch fünf mögliche Einstufungen. Mehrfachnennungen sind hier natürlich möglich, da bei verschiedenen Formen auch unterschiedlich stark ausgeprägte Ausführungen der Bestattung möglich sind (image Tab. 2-1). Wenn Tierhalter Ihnen erklären, was ihnen besonders wichtig ist, können Sie eine sehr genaue Beratung durchführen. Sollte sich der Tierhalter noch keine Gedanken zum Verbleib des Tieres gemacht haben, können Sie die sieben einzelnen Kriterien mit dem Tierhalter besprechen und so die passende(n) Lösung(en) anbieten bzw. empfehlen.

Tab. 2-1 Muster für eine Bewertungstabelle

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Fragen Sie einfach nach: „Welche Wünsche haben Sie“?

Gibt es seitens der Tierarztpraxis bereits eine Empfehlung für eine Bestattungsform, kann man sie ebenfalls mithilfe der Tabelle prüfen. Sollte es seitens Ihrer Praxis oder Klinik noch keine Empfehlung geben, kann die Tabelle zur Findung einer solchen beitragen.

2.2.1Bestattung im eigenen Garten

Zur Bestattung im eigenen Garten (image Tab. 2-2) gehört für den Tierhalter eine Recherche über die Rechtslage. Die Einschränkungen für diese Form der Bestattung sind von Gebiet zu Gebiet sehr unterschiedlich. Es gelten beispielsweise verschiedene Vorschriften zur Bestattungstiefe, zur maximalen Größe der zu bestattenden Tiere oder zur Einhaltung von Abständen zu Nachbargrundstücken oder öffentlichen Wegen. Was man sicher sagen kann: Die Bestattung in Wasserschutz- oder Naturschutzgebieten ist verboten. Sichere Aussagen zum möglichen Rahmen der Bestattung erhält man bei der örtlichen Gemeindeverwaltung. Um Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht zu verpassen, empfiehlt es sich, für jede Bestattung eine neue Anfrage zu stellen. Diese Empfehlung sollte auch das tierärztliche Team herausgeben. Natürlich kann die Information auch vom Team eingeholt werden, man sollte dabei aber nur sichere Angaben weitergeben. Eine Aussage wie „das hat unser Nachbar auch gemacht“ ist keine rechtsgültige und verlässliche Information.

Tab. 2-2 Bewertungstabelle für die Bestattung im eigenen Garten

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Bewertung der Angaben in der Tabelle 2-2

Die Ausrichtung dieser Bestattung kann sehr individuell und somit auch würdevoll gestaltet werden. So besteht die Chance, auch Kinder in eine geplante Zeremonie einzubinden und ihnen dabei einen guten, verständlichen und einfachen Abschied zu ermöglichen (image Abb. 2-1). Kosten fallen hier üblicherweise nur an, wenn man für die Gestaltung der Grabstelle besondere Wünsche hat, die das eigene kreative oder heimwerkliche Geschick übersteigen. Zu diesem Thema finden sich im Internet passende Shops und Anbieter (Suchbegriffe: Grabschmuck für Tiere, Tiergrab gestalten etc.).

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Abb. 2-1 Eine Gartenbestattung kann sehr individuell gestaltet werden und hilft insbesondere Kindern beim Abschiednehmen von einem geliebten Tier

Auch falls gesetzliche Regelungen fehlen sollten, ist bei der Beisetzung im eigenen Garten eine Mindestbestattungstiefe zu beachten, damit das Grab von anderen Tieren nicht wieder freigelegt werden kann. Eine Deckschicht von mindestens 50 cm ist hierfür nötig.

Fühlt man sich dem Ausheben eines Grabes körperlich oder gefühlsmäßig nicht gewachsen, kann bei Tierbestattern oder bei Gartenbaufirmen nach kostenpflichtiger Hilfe angefragt werden. Vielleicht findet man aber auch im privaten Umfeld oder der Nachbarschaft die notwendige Unterstützung. Sofern das Grundstück, auf dem die Beisetzung stattfinden soll, nur gemietet ist, ist es empfehlenswert, im Vorfeld eine Erlaubnis des Vermieters einzuholen. Darüber hinaus sollten die Tierbesitzer abklären, ob das Grundstück dauerhaft zur Verfügung steht. Man stelle sich vor, der Nachmieter legt nach dem eigenen Auszug rund um die Grabstelle einen Gartenteich an.

Sollte es Änderungen bezüglich des Wohnortes oder andere Bestattungswünschen geben, ist eine Freilegung des Tierkörpers möglich. Es muss dabei aber beachtet werden, dass der bestattete Tierkörper einem natürlichen Verfall unterworfen ist. Wenn dieser Wunsch besteht, ist eine Anfrage bei einem Tierbestatter oder einem Krematorium zu empfehlen. Hier gibt es üblicherweise entsprechende Erfahrungen. So ist die Beisetzung auf einem Tierfriedhof oder eine Einäscherung als dauerhafte Bestattungslösung ohne großen weiteren Aufwand zu erreichen. Die eigene Emotionalität wird den Tierhaltern sicher den richtigen Weg aufzeigen.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690301
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (Juni)
Schlagworte
Tiermedizinische Fachangestellte Kleintierpraxis Tiermedizin TFA Tod Veterinärmedizin Trauer Ratgeber

Autoren

  • Svenja Holle (Autor:in)

  • Emanuel Holle (Autor:in)

Svenja Wulfgramm: gelernte TFA, Assistenz der Vertriebsleitung, Social Media Managerin Kleintierkrematorium im Rosengarten, Leiterin des Berufsschulprojektes „Euthanasie in der Kleintierpraxis. Emanuell Holle: Tierbestatter, Vertriebsleiter und Leiter Öffentlichkeitsarbeit Kleintierkrematorium im Rosengarten.
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Titel: Tod und Trauer in der Kleintierpraxis