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Das Gicht-Buch

Alles, was Sie wissen müssen. Das können Sie selbst tun

von Dr. med. Heike Bueß-Kovács (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Die Gicht in den Griff bekommen – es ist möglich!

Gicht ist heilbar! Mit dieser guten Nachricht macht die Ärztin und Medizinjournalistin Dr. Heike Bueß-Kovács Betroffenen Mut. Auch wenn eine gewisse genetische Veranlagung zu Störungen des Harnsäurestoffwechsels vorliegt, kann man selbst viel tun, um Krankheit in Schach zu halten. Denn bei der Gicht kommt es viel mehr auf die Ernährung und die Lebensführung an als auf genetische Faktoren an: zu hoher Fleisch- und Fettkonsum, zu viel Alkohol, zu wenig frische, naturbelassene Lebensmittel und zu wenig Bewegung zählen zu den wichtigsten Risikofaktoren.

Ernährung, Bewegung, natürliche Hilfe

In diesem Ratgeber erklärt Dr. Bueß-Kovács, wie Gicht entsteht, welche Symptome sie mit sich bringt und welche therapeutischen Maßnahmen es gibt. Zudem liefert sie umfassende Informationen zu einer gezielten Ernährungsumstellung, einer Änderung der Lebensgewohnheiten sowie nützlichen natürlichen Hausmitteln und altbewährten Maßnahmen, mit denen man einer Gichterkrankung vorbeugen und sie wirkungsvoll behandeln kann. So können alle, die unter Gicht leiden, die Behandlung bei ihrem Arzt effektiv unterstützen und einen Weg zu Gesundheit und Schmerzfreiheit einschlagen.

Aus dem Inhalt:
• Wie entsteht Gicht?
• Die vier Stadien der Gicht
• Diagnose und Therapie
• Richtig essen bei Gicht
• Flüssigkeit – wichtig für den Stoffwechsel
• Kommen Sie in Bewegung
• Pflanzliche Heilmittel
• Die sieben goldenen Regeln bei Gicht

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Gicht zählt, wie Diabetes oder erhöhte Cholesterinwerte, zu den Stoffwechselerkrankungen. Wie Sie vielleicht selbst schon erleben mussten, kann sie unerträgliche Schmerzen in den Gelenken verursachen und das Leben stark einschränken. Laut der Deutschen Gicht-Liga e.V. sind 2,8 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren betroffen. Die gute Nachricht: Gicht ist heilbar. Auch wenn eine gewisse genetische Veranlagung zu Störungen des Harnsäurestoffwechsels vorliegt, können Sie beim Thema Gicht selbst viel dafür tun, die Krankheit in Schach zu halten.

Denn bei der Gicht kommt es viel mehr auf die Ernährung als auf genetische Faktoren an: Ob und in welchem Ausmaß diese Stoffwechselkrankheit ausbricht, hängt in erster Linie davon, was Sie essen, und von Ihrer allgemeinen Lebensführung ab. So zählen etwa zu hoher Fleisch- und Fettkonsum, zu viel Alkohol, zu wenig frische, naturbelassene Lebensmittel und zu wenig Bewegung zu den wichtigsten Risikofaktoren für eine Gicht. Konkret bedeutet das also, dass Sie selbst es ganz wesentlich steuern können, dass die Krankheit gut behandelbar ist – oder am besten gar nicht erst in Erscheinung tritt.

In diesem Ratgeber erfahren Sie alles Wissenswerte zur Entstehung einer Gicht, zu den Symptomen der Erkrankung und den therapeutischen Maßnahmen wie etwa dem Einsatz von Medikamenten zur Behandlung eines akuten Gichtanfalls oder zur Senkung des Harnsäurespiegels. Zudem erhalten Sie umfassende Informationen zu einer gezielten Ernährungsumstellung, einer Änderung Ihrer Lebensgewohnheiten, nützlichen natürlichen Hausmitteln und altbewährten Maßnahmen, um einer Gichterkrankung auf natürliche Weise vorzubeugen und sie wirkungsvoll zu behandeln.

Bekommen Sie die Gicht in den Griff – es ist möglich!

Ihre

Dr. med. Heike Bueß-Kovács

GICHT – DAS SOLLTEN SIE WISSEN

Die Gicht ist keine Neuzeiterkrankung. Schon in der Antike war das Leiden und dessen Hauptverursacher bekannt: Völlerei, Übergewicht und zu wenig Bewegung. An diesen Krankheitsursachen hat sich seit 2000 Jahren nichts geändert. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie die Krankheit entsteht, wie die typischen Symptome aussehen, welche Behandlungsschritte Sie bei Ihrem Arzt erwarten und wie eine mögliche Therapie gestaltet werden kann.

Eine Krankheit mit Geschichte

Schon im Altertum war die Gicht bekannt und wurde 450 Jahre vor Christus von Hippokrates, einem griechischen Arzt, beschrieben. Er bezeichnete sie als „Podagra“, griechisch für „Fußfessel“. Weil die Krankheit meist mit heftigen Schmerzen im großen Zeh beginnt, die das Laufen erschweren oder sogar unmöglich machen, ist das ein sehr treffender Name. Eine weitere veraltete Bezeichnung für die Gicht ist „Zipperlein“, das vom mittelhochdeutschen Begriff „zipfen“ für „trippeln“ abgeleitet ist und den Gang der Erkrankten bezeichnet. „Der Dicke aber – ,autsch! mein Bein!’ – hat wieder heut’ das Zipperlein“ – so dichtete Wilhelm Busch im Jahr 1867 in „Der neidische Handwerksbursche“. Die heute übliche Bezeichnung „Gicht“ stammt von dem mittelhochdeutschen Wort „giht“, das „Besprechung, Behexung“ bedeutet. Damit bezeichnete man alle Arten von Gliederschmerzen und Lähmungen, deren Ursachen unbekannt waren und die kurzerhand auf böse Zaubersprüche zurückgeführt wurden.

Die Gicht gehört zu den sogenannten Zivilisations- bzw. Wohlstandskrankheiten. Sie befiel einst hauptsächlich die Reichen, die sich den Luxus üppig gedeckter Tafeln und übermäßigen Schlemmens leisten konnten. Gicht war damit die „Krankheit der Könige“: Alexander der Große, Karl der Große, Ludwig XIV. und Friedrich der Große litten an ihr, aber auch Wallenstein, Goethe und Bismarck. Heute, wo uns alle Arten der Ernährung, auch die ungesunden, zur Verfügung stehen, ist die Gicht nach den Fettstoffwechselstörungen (zu hohe Bluttfettwerte, die Arteriosklerose und Herzinfarkt verursachen können) und Diabetes Typ 2 die dritthäufigste Stoffwechselerkrankung: In Deutschland sind 2,8 Prozent der Männer und 0,4 Prozent der Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren betroffen. Etwa 20 Prozent der Deutschen haben erhöhte Harnsäurewerte und damit einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Gicht. In den Industrienationen nimmt die Anzahl der von Gicht Betroffenen stetig zu, inzwischen sind erhöhte Harnsäurewerte und Gicht in allen Bevölkerungsschichten der Welt zu finden. Sogar in China und Indien stieg dank des wachsenden Wohlstands in den letzten 20 Jahren die Zahl der Gichtkranken an.

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Weil sich heute viele Menschen eine fleischlastige Ernährung leisten können, bekommen entsprechend viele Menschen heute eben auch ein Stoffwechselproblem. Denn Fleisch enthält reichlich Purine, und deren Abbauprodukt ist die sogenannte Harnsäure. Sie lagert sich in Form von Harnsäurekristallen in Gelenken und Geweben ab, was die für Gicht typischen Schmerzen zur Folge hat. Was es mit der Gicht im Einzelnen auf sich hat, lesen Sie im Folgenden.

Bei der Gicht (in der Medizin heute Arthritis urica genannt) handelt es sich um eine Stoffwechselerkrankung, die zum rheumatischen Formenkreis gezählt wird. Die Zahl der betroffenen Erwachsenen, die erhöhte Harnsäurewerte aufweisen, ist in Deutschland allein in den letzten Jahren drastisch angestiegen: von nur zwei auf 20 Prozent (Quelle: die Fachzeitschrift „Der Internist“). Die gute Nachricht: Gicht gehört zu den wenigen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, die geheilt werden kann, weil sie keine Autoimmunerkrankung ist. Wie bei vielen Krankheiten spielen auch bei der Gicht bestimmte Stoffwechseldispositionen eine Rolle. Man braucht also eine gewisse genetische Veranlagung, damit die Krankheit zum Ausbruch kommt. Wichtig jedoch: Die Gene sind niemals allein verantwortlich für ein Geschehen, das solch immense Folgen wie Schmerzen, Entzündungen und gar Deformierungen an den Gelenken mit sich bringt! Die Krankheit Gicht ist eher als multifaktoriell bedingt anzusehen, hat also verschiedene Ursachen, und Ihre tägliche Ernährung und Ihre täglichen Gewohnheiten spielen hier eine wichtige Rolle.

Wie entsteht Gicht?

Bei der Gicht sind die Harnsäurewerte im Blut erhöht. Der normale Spiegel der Harnsäure liegt beim Erwachsenen zwischen 3,0 und 6,0 mg pro 100 ml Blut. Liegen die Werte darüber, sprechen die Ärzte von einer Hyperurikämie, schlicht einem Zuviel an Harnsäure.

Die Ursache für diese Hyperurikämie sind die sogenannten Purine. Sie spielen bei der Gicht eine Hauptrolle. Dabei handelt es sich um kleine chemische Verbindungen, die sich bevorzugt in Innereien, Fleisch, Wurst, Fisch, Meeresfrüchten und Hefe befinden (etwa 60 Prozent der aufgenommenen Purine stammen aus Fleisch). Wir nehmen sie also mit der Nahrung auf. Aber auch beim Abbau von Zellen fallen Purine im Organismus an. So lebt z. B. eine Darmzelle ein bis zwei Tage, eine Hautzelle zwei bis vier Wochen, und viele andere Körperzellen regenerieren sich innerhalb eines Jahres. Darüber hinaus sterben viele Körperzellen etwa beim Fasten oder bei einer zu raschen Gewichtsabnahme ab. Auch bei einer Bestrahlung oder Chemotherapie werden viele Zellen zerstört, deren Purine dann freigesetzt werden und im Blut landen.

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Ursache für die Hyperurikämie sind die sogenannten Purine, kleine chemische Verbindungen in z. B. Fleisch, Wurst, Fisch und Hefe.

Egal, ob die Purine mit der Nahrung in Ihren Körper gelangen oder ob sie durch den Abbau von Körperzellen entstehen: Sie werden im Körper biochemisch umgebaut und über Zwischenstufen in Harnsäure umgewandelt. Die überschüssige Harnsäure wird zu 80 Prozent über die Nieren und den Harn ausgeschieden, zu etwa 20 Prozent über den Darm. Dafür muss sich die Harnsäure allerdings in einer löslichen Form befinden. Diese Löslichkeit hat eine Obergrenze von 6,0 mg/dl Blut. Liegt die Konzentration an Harnsäure höher, weil über die Nieren und den Darm dauerhaft weniger Harnsäure ausgeschieden wird, als im Körper produziert wird, kristallisiert sie zu sogenannten Uratkristallen aus. Dabei bilden sich nadelspitze Harnsäurekristalle, die über den Blutkreislauf transportiert werden und sich vorzugsweise an Gelenken und Weichteilen ansammeln. Dort reizen sie das Gewebe. Immunzellen strömen ein und setzen Botenstoffe frei, die eine Entzündung hervorrufen.

Mit der Zeit entstehen an den Stellen größere Ansammlungen an Harnsäurekristallen. Bei fortschreitender Krankheit bilden sich Gichtknoten, sogenannte Tophi (Einzahl: Tophus). Sie führen verstärkt zu schmerzhaften Entzündungen in Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen oder der Haut. Werden sie nicht behandelt, drohen Schäden. Schlimmer: Die Kristalle können sich auch in Organen ablagern, z. B. in der Niere, und dort Funktionsstörungen verursachen. Die Gichttophi können bis zu einem Zentimeter groß werden. Man erkennt sie sogar im Röntgenbild. Sie sind in der Regel nicht schmerzhaft. In ihnen befindet sich eine weiße Flüssigkeit bzw. Masse, die hauptsächlich aus Harnsäureablagerungen besteht. Meist entstehen diese Tophi in den Gelenken, sie können sich aber auch am äußeren Rand der Ohrmuschel oder auf dem Nasenrücken bilden.

Harnsäure: der Schlüsselparameter

Harnsäure ist eine biochemische Substanz, die beim Abbau von Eiweißstoffen aus der DNA, also der Erbsubstanz in den Zellkernen, entsteht. Genauer gesagt handelt es sich um die sogenannten Purinbasen, wichtige Bausteine in der DNA. Ein vermehrter Abbau von Purinbasen und – damit verbunden – eine vermehrte Bildung von Harnsäure fällt an, wenn wir purinhaltige Lebensmittel zu uns nehmen. Dazu gehören beispielsweise Wild, Innereien wie Herz und Leber, aber auch Geflügel, Muscheln und bestimmte Fischarten (Einzelheiten siehe S. 38).

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Eine vermehrte Bildung von Harnsäure fällt an, wenn wir purinhaltige Lebensmittel zu uns nehmen.

Auch im Blut können die Harnsäurewerte ansteigen, wenn ihre Ausscheidung beeinträchtigt ist, etwa bei stärkerem Alkoholkonsum, durch die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. gegen Krebs) oder bei Nierenstörungen. Wie viel Harnsäure sich im Körper befindet, hängt vom Alter, vom Geschlecht und – wie schon erwähnt – von der Ernährung jedes Menschen ab. Bei zu viel Harnsäure im Blut, also einer Hyperurikämie, kann die Harnsäure in Form von Harnsäurekristallen ausfallen.

Harnsäurewerte

Die Normwerte für den Harnsäurespiegel im Blutbild sehen folgendermaßen aus:

Männer:

Untergrenze: 3,6 Milligramm pro Deziliter (mg/dl)

Obergrenze: 8,2 Milligramm pro Deziliter (mg/dl)

Frauen:

Untergrenze: 2,3 Milligramm pro Deziliter (mg/dl)

Obergrenze: 6,1 Milligramm pro Deziliter (mg/dl)

Eine Hyperurikämie liegt vor, wenn die Harnsäurewerte im Blut bei

Männern über 6,4 mg/dl und bei Frauen über 6,0 mg/dl steigen.

Dann kann die Harnsäure als Harnsäurekristalle ausfallen.

Verschiedene Formen der Gicht

Primäre Gicht – angeborene Störung: Die erblich bedingte primäre Gicht betrifft 98 bis 99 Prozent der Patienten: Es ist also eine Veranlagung vorhanden, und die Gicht wird dann meist durch eine falsche Ernährung ausgelöst. Bei 80 Prozent ist eine gestörte Harnsäureausscheidung durch die Niere die Ursache dafür, dass die Harnsäurekonzentration im Blut allmählich ansteigt, bis der Wert eine kritische Grenze erreicht. Bei etwa 20 Prozent der Betroffenen geht dieser Anstieg auf eine vermehrte Harnsäurebildung aus Purinen infolge eines erblichen Enzymdefekts zurück.

Sekundäre Gicht – erworbene Störung: Die sehr viel seltenere sekundäre Gicht entsteht infolge anderer Erkrankungen oder durch Medikamente. Beispielsweise können Blutarmut, Nierenerkrankungen oder Diabetes Typ 2 dazu führen, dass die Nieren weniger Harnsäure ausscheiden, sodass die Konzentration im Blut steigt. Eine sekundäre Gicht kann sich aber auch entwickeln, wenn viele körpereigene Zellen absterben – etwa bei Leukämie –, sodass sich im Körper viele Purine bilden. Auch starkes Übergewicht, Alkoholkonsum und manche Medikamente können eine Gicht begünstigen. Ebenso vermag plötzliches Fasten einen Gichtanfall auszulösen.

Die vier Stadien der Gicht

Eine Gicht verläuft im Allgemeinen in mehreren Schritten und lässt sich in vier Stadien aufteilen:

Stadium 1: Der Harnsäurespiegel im Blut ist erhöht und mit Werten von 7 mg/dl und höher messbar. Symptome jedoch treten in diesem Stadium meist noch nicht auf.

Stadium 2: Es treten bereits die ersten Gichtanfälle auf. Das heißt, die Harnsäure ist zu den nadelspitzen Kristallen auskristallisiert, die das Immunsystem anfachen und zu akuten Entzündungsreaktionen sowie Schmerzen an den Gelenken führen.

Stadium 3: Dieses Stadium stellt die Intervalle dar, in denen sich die Gichtanfälle ereignen. In der Fachsprache werden sie auch als interkritische Phase bezeichnet, die in der Regel von Symptomfreiheit gekennzeichnet ist.

Stadium 4: In diesem letzten Stadium spricht man von chronischer Gicht. Hier lassen sich häufig bereits Deformierungen an den Gelenken erkennen, die mit mehr oder minder schmerzhaften Bewegungseinschränkungen einhergehen. Auch die Tophi, die Knötchen an den Gelenken, zeigen sich in diesem Stadium häufig. Zusätzlich können durch die starke Harnsäurebelastung Nierenfunktionsstörungen vorhanden sein.

Im Folgenden werden diese vier Stadien näher beschrieben.

Stadium 1: Asymptomatische Gicht

Anfangs verläuft eine Gicht ohne Symptome oder Beschwerden. Diese Phase kann sich über Jahre oder Jahrzehnte hinziehen, bei manchen Betroffenen wird die Gicht nie akut. Die Harnsäurewerte sind in diesem Stadium ohne Symptome zwar erhöht, festgestellt wird dies meist aber eher zufällig im Rahmen einer Blutuntersuchung. In den meisten Fällen wird dieses Gichtstadium von den Betroffenen gar nicht bemerkt.

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Anfangs verläuft eine Gicht ohne Symptome oder Beschwerden.

Wenn die Harnsäurekonzentration im Blut erhöht ist, also eine Hyperurikämie vorliegt, ist man eigentlich noch nicht krank. Es handelt sich jedoch um eine ernsthafte Vorstufe, die behandelt werden muss und eine nachhaltige Ernährungsumstellung erfordert. Wird die Hyperurikämie vom Arzt sorgfältig behandelt, kann das in den meisten Fällen den Ausbruch der Gicht verhindern. Unternimmt man hingegen nichts, um die erhöhten Harnsäurewerte zu senken, folgt in vielen Fällen das zweite Stadium.

Stadium 2: Der akute Gichtanfall

Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, kommt es im zweiten Stadium bei einem anhaltend überhöhten Harnsäurewert im Blut zu spitzen, scharfkantigen Harnsäurekristallen, die sich in Gelenken und Geweben ablagern. Diese Harnsäurekristalle werden vom Immunsystem als Fremdkörper betrachtet und soweit möglich beseitigt. Dazu werden zum einen Entzündungsstoffe gebildet, aber auch Milchsäure. Dadurch wird das Gewebe noch saurer, und noch mehr Harnsäurekristalle entstehen.

Das führt zu einer akuten Entzündung (meist nur eines Gelenks) mit schmerzhafter Überwärmung und Schwellung. Diese Entzündung wird durch die Harnsäurekristalle ausgelöst. Da Harnsäurekristalle bei niedrigeren Temperaturen schneller entstehen, tritt der Gichtanfall am ehesten an den kühleren Körperpartien wie Zehen, Fingern, Händen, Füßen, Ellenbogen sowie Ohren auf. In 60 Prozent aller Fälle ist das Großzehengrundgelenk betroffen.

Auch der Allgemeinzustand leidet während eines Gichtanfalls. Abgeschlagenheit, Fieber, ein beschleunigter Puls sowie Kopfschmerzen können auftreten. Dieser Zustand kann ohne Behandlung mehrere Stunden oder sogar Tage andauern. Wenn schon viele akute Gichtanfälle aufgetreten sind und man sich allmählich der chronischen Gicht nähert, hören die Schmerzen nach den Anfällen nicht mehr ganz auf.

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Wenn nichts unternommen wird, kann ein akuter Gichtanfall bis zu zwei Wochen dauern. Beim ersten Mal ist in 90 Prozent der Fälle nur ein Gelenk betroffen, meistens das bereits oben erwähnte Großzehengrundgelenk. Bei älteren Patienten sind oft mehrere Gelenke in Mitleidenschaft gezogen.

Für viele Betroffene beginnt die Gicht überraschend, ohne Vorwarnung und obwohl sie sich völlig gesund fühlen, denn die erste Phase der Gicht verläuft ja in der Regel ohne Symptome. Der Harnsäurespiegel steigt an, die Harnsäurekristalle lagern sich unbemerkt ab, bis plötzlich die Entzündung da ist. Der erste Anfall tritt oft nachts im Grundgelenk des großen Zehs auf. Das sieht folgendermaßen aus: Das Gelenk schwillt an, die Haut verfärbt sich rötlich-violett, es wird heiß und tut extrem weh, Fortbewegung ist nur unter Mühen möglich. Manchmal ist es nicht einmal mehr möglich, die Socke oder den Schuh an- oder auszuziehen. Starke Schmerzen treten auf, die tagelang anhalten und von leichtem Fieber begleitet sein können. Manchmal gesellen sich Kopfschmerzen oder Erbrechen hinzu. Erst am Morgen lassen sie etwas nach, manchmal aber kehren sie während der nächsten drei bis fünf Tage wieder anfallsartig zurück. Wenn bereits der Druck der Bettdecke oder das Zuschlagen einer Zimmertür für Sie zur Tortur wird, sollten Sie spätestens jetzt einen Arzt aufsuchen.

Die Harnsäurekristalle können sich auch in der Niere absetzen, dann können sich Nierensteine bilden. Auch diese müssen Sie unbedingt behandeln lassen, um weitere Schäden zu verhindern. Alternativ zu derart plötzlichen Gichtattacken kann die Erkrankung auch völlig uncharakteristisch beginnen: beispielsweise mit Verdauungsstörungen, Übelkeit, Reizbarkeit, unklaren rheumatischen Beschwerden und Schmerzanfällen, die sich langsam steigern.

Wenn bereits eine versteckte Neigung zu Gicht besteht, können verschiedene äußere Faktoren die Entwicklung der Krankheit befördern oder einen Anfall auslösen, vor allem der Genuss purinreicher Lebensmittel (siehe S. 40) und alkoholischer Getränke: Alkohol hemmt die Ausscheidung von Harnsäure, was den Harnsäurewert ansteigen lässt. Auch Fasten oder strenge Diäten können einen Gichtanfall zur Folge haben. Wenn Sie in kurzer Zeit viel Muskelmasse abbauen, sterben Muskelzellen ab, die Zellkerne werden aufgebrochen und Purine freigesetzt. Daraufhin steigt der Harnsäurespiegel im Blut an.

Nicht zuletzt kann körperlicher Stress, etwa durch Verletzungen, ungewöhnliche Anstrengung oder Infektionen, einen Gichtanfall auslösen: Bei massiver Überanstrengung entsteht im Körper Milchsäure, die von den Nieren ausgeschieden wird, und zwar bevor die Harnsäure an der Reihe ist. Sie hat also Zeit, sich im Blut anzusammeln, sodass es bei entsprechender Veranlagung zu einem Gichtanfall kommen kann.

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Stadium 3: Die interkritische Phase

Die Symptome von Stadium 2 und die Schmerzen können nach einigen Tagen spontan wieder verschwinden. Anschließend tritt die Krankheit in die sogenannte interkritische Phase ein, die einen Zeitraum ohne Schmerzen bezeichnet. Bis zum nächsten Gichtanfall können Monate, sogar Jahre vergehen. Dieser Zeitraum wird jedoch kürzer, und die Anfälle dauern länger, je weiter die Krankheit voranschreitet. Die Harnsäurewerte bleiben in dieser Phase weiterhin zu hoch und können zu einer vermehrten Ablagerung von Harnsäurekristallen im Gewebe führen.

Das dritte Stadium mit seiner beschwerdefreien Phase eignet sich gut, um gegebenenfalls Ihr Gewicht langsam zu reduzieren und Ihr Essverhalten nachhaltig umzustellen. Außerdem sollten Sie sich ausreichend bewegen, um dafür zu sorgen, dass Ihr Harnsäurespiegel gesunde Werte erreicht und auch so bleibt. Im besten Fall bleiben Sie dann von weiteren Anfällen verschont.

Stadium 4: Das chronische Stadium

Chronisch wird die Gicht dann, wenn sich die Gichtanfälle wiederholen. Dies ist der Fall, wenn die Betroffenen ihre Ernährung nicht ändern und die Gicht unzureichend oder gar nicht behandelt wird. Im vierten Stadium sind die Gelenke dauerhaft entzündet, was Schmerzen in Ruhe und/oder bei Bewegung zur Folge hat. Es kommt in mehreren Gelenken zu Harnsäureablagerungen, entzündlichen Reaktionen sowie Knorpel- und Knochenzerstörungen. Das betrifft ca. 40 Prozent der Erkrankten, durchschnittlich sind sieben Gelenke in Mitleidenschaft gezogen.

Im vierten Stadium entwickeln sich die Harnsäurekristalle zu den bereits erwähnten Tophi. Diese Gichtknoten bleiben in der Regel zunächst unbemerkt und schmerzen nicht. Häufig treten sie am Großzehengrundgelenk auf. Es kommt zu regelmäßig wiederkehrenden Gelenkschmerzen und schließlich zu Gelenkschäden, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Gichtknoten können so gut wie jedes Gelenk befallen, z. B. die Gelenke der Finger und der Zehen. Auch am äußeren Rand der Ohrmuscheln können solche derben, schmerzlosen Gichtknoten, die sogenannten Ohrtophi, auftreten. Zudem bilden sich diese knotenbildenden Ablagerungen von Harnsäurekristallen manchmal auch auf dem Nasenrücken.

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Häufige Tophi sind auch die Harnsteine in den Nieren, die bei 20 bis 40 Prozent der Betroffenen auftreten. Wenn sich Harnsäurekristalle im Darm einlagern, können heftige Koliken die Folge sein. Zudem steigt die Gefahr, dass sich die Gicht auf innere Organe, etwa die Niere, ausbreitet. Dann können Nierensteine entstehen: Die Harnsäurekristalle, die sich in der Niere sammeln, bilden zunächst winzige Steine, den sogenannten Nierengrieß. Klumpt dieser zusammen, entstehen Nierensteine, die das Abflusssystem der Niere verstopfen können. Dies kann zu Bluthochdruck und bis zu Nierenversagen führen.

Gichtknoten an den Gelenken, die sich übrigens per Röntgenbild eindeutig nachweisen lassen, gehören zu den ganz typischen Symptomen der Gicht und stellen einen sicheren Beweis bei der Diagnose dieser Krankheit dar. Sie zeigen sich vorwiegend im letzten Stadium der Erkrankung. Wird rechtzeitig und vor allem richtig behandelt, kann ihre Entstehung sogar verhindert werden. Aber selbst bei einer bereits über Jahre bestehenden Gicht ist es möglich, die Knoten zu reduzieren oder vollständig abzubauen. Eine weitere Möglichkeit ist, sie operativ zu entfernen. Dieser Weg erweist sich in vielen Fällen als sinnvoll, damit es nicht zu weiteren Schädigungen der betroffenen Gelenke und Knorpel kommt.

Diagnose und Therapie

Bei der Diagnose einer Gicht hat besonders die Abgrenzung zu Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis eine große Bedeutung, da sich hiernach auch die Therapie richtet. Diese besteht im Wesentlichen aus der Behandlung der Schmerzen und Entzündungen.

So wird Gicht festgestellt

Wenn Sie die Symptome eines akuten Gichtanfalls haben und vermuten, an Gicht zu leiden, kann Ihr Hausarzt die Diagnose stellen. Er wird Ihre Beschwerden und den Verlauf der Erkrankung abfragen. Zusätzlich lässt er den Harnsäuregehalt im Blut messen und mögliche Entzündungswerte feststellen. Das kann jedoch in die Irre führen, denn ca. 30 Prozent der Menschen mit einem akuten Gichtanfall weisen ganz normale Harnsäurewerte im Blut auf. Daher ist es sinnvoll, den Harnsäurespiegel erst einige Wochen nach einem Anfall bestimmen zu lassen.

Einen sehr sicheren Weg, um eine Gicht zweifelsfrei zu diagnostizieren, stellt die Gelenkpunktion dar. Hierbei wird mit einer Punktionsnadel etwas Gelenkflüssigkeit entnommen. Finden sich darin Harnsäurekristalle, so ist die Diagnose Gicht ganz klar gestellt. Allerdings ist das Diagnoseverfahren der Punktion aufwendig und bedeutet einen invasiven Eingriff, der mit Komplikationen wie etwa einer Infektion verbunden sein kann – wenngleich die Risiken sehr gering sind. In der Praxis wird dennoch oft eine Punktion aus diesen Gründen vermieden.

Eine weniger stark eingreifende Methode ist der sogenannte Colchicintest. Colchicin ist ein Arzneiwirkstoff, der die Fähigkeit der weißen Blutkörperchen hemmt, Harnsäure zu binden und aktiv die Entzündungsreaktion anzufachen (zur Wirkung von Colchicin siehe S. 28). Für den Test wird Betroffenen eine bestimmte Dosis an Colchicin verabreicht, die eine schmerzlindernde Wirkung entfaltet. Bei der „echten“ Gicht gehen die Schmerzen dann rasch zurück. Liegt eine andere (Gelenk-)Erkrankung vor, hilft Colchicin nicht, die Schmerzen bleiben also bestehen.

Sichtbare Veränderungen, die über bildgebende Verfahren erfasst werden können, treten wie schon gesagt erst im Spätstadium auf. Werden dann Gichtknoten im Weichteilgewebe entdeckt, kann das immerhin zur Therapiekontrolle eingesetzt werden, die mithilfe einer Ultraschalluntersuchung vorgenommen wird. Ergibt diese keine eindeutigen Ergebnisse, helfen Röntgenbilder weiter: Damit ist es möglich, Harnsäurekristalle und – im fortgeschrittenen Stadium – Gelenkverformungen zu erkennen.

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Symptome und Beschwerden eines akuten Gichtanfalls sind meist sehr typisch, sodass ein Arzt in der Regel gleich den richtigen Verdacht haben wird. Sind Sie z. B. männlich und über 40 Jahre alt und stellen nachts plötzlich eine extrem schmerzhafte Entzündung am Zehengrundgelenk fest, nachdem Sie am Abend zuvor ordentlich gefeiert, gegessen und Alkohol getrunken haben, liegt die Diagnose Gicht nahe.

Möglicherweise treten aber auch zunächst Fieber, Kopfschmerzen und Übelkeit auf und erst etwas später nicht ganz so heftige Gelenkschmerzen. Auch dies kann ein akuter Gichtanfall sein. Sind die Symptome nicht eindeutig, wird Ihr Arzt weitere Untersuchungen veranlassen.

Gicht – oder doch Rheuma?

In manchen Fällen zeigt sich die Krankheit nicht mit solch typischen Symptomen, und dann kann die Unterscheidung zu anderen Erkrankungen der Gelenke schwierig werden. Hier kommen besonders in Betracht:

eine Arthritis, d. h. eine akute Gelenkentzündung, ausgelöst beispielsweise durch Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren.

eine Arthrose, also eine degenerative Verschleißerkrankung der Gelenke, die mit Schmerzen und entzündlichen Schüben einhergehen kann.

eine chronische Polyarthritis, auch rheumatoide Arthritis genannt, die chronische Entzündungsschübe aufweist und zu einer Zerstörung des Gelenkknorpels führen kann.

Besonders die rheumatoide Arthritis kann bei der Diagnosestellung mit einer Gicht verwechselt werden. Beide Krankheitsbilder ähneln sich nämlich sowohl in ihrer akuten als auch in der chronischen Phase und beide befallen die Gelenke: In der akuten Phase schwillt das Gelenk an, es wird heiß, rötet sich und kann starke Schmerzen hervorrufen. Zwar sind die Schmerzen bei einem akuten Gichtanfall zumeist heftiger als bei einer rheumatoiden Arthritis – das alleine lässt aber noch keinen hundertprozentigen Rückschluss zu, dass es sich wirklich um eine Gicht handelt.

Im chronischen Verlauf können beide Erkrankungen, vor allem, wenn sie unerkannt und unbehandelt bleiben, zu Deformierungen an den Gelenken führen, die sich nicht klar abgrenzen lassen und jeder der beiden Krankheiten zugeordnet werden könnten. Holen Sie im Zweifel eine ärztliche Zweitmeinung ein, um Fehler auszuschließen.

Gicht medizinisch behandeln

Der akute Gichtanfall ist einer der schmerzhaftesten Anfälle überhaupt. Betroffene Menschen können nicht mehr gehen, kaum noch stehen, krümmen und winden sich und verlangen vom Arzt nach schneller Hilfe. So schmerzhaft Gicht auch sein mag, sie lässt sich glücklicherweise in der Regel gut behandeln. Bei einem akuten Gichtanfall geht es zunächst darum, die Entzündungen zu beseitigen und Ihre Schmerzen zu lindern. Dafür wird Ihr Arzt Ihnen normalerweise Medikamente verordnen. Danach geht es darum, Ihre Harnsäurewerte zu senken und vor allem nachhaltig zu regulieren, was Ihnen durch eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten gelingen sollte.

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Sollten Sie schon frühzeitig bemerken, dass Sie Gicht oder die Veranlagung dazu haben, ergreifen Sie rechtzeitig die entsprechenden Maßnahmen. So können Sie die Symptome auch ohne Medikamente unter Kontrolle halten. Dabei bedeutet „rechtzeitig“ bereits nach dem ersten akuten Anfall oder sogar früher.

Um die starken Schmerzen bei einem akuten Gichtanfall schnell zu lindern, gibt es verschiedene Medikamente. Im Folgenden stelle ich Ihnen die verschiedenen Möglichkeiten der medikamentösen Therapie vor: nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Colchicin, Kortisonpräparate und Interleukin-1-Blocker.

Nicht-steroidale Antirheumatika

Sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika, abgekürzt NSAR, sind nicht nur bei rheumatischen Erkrankungen einsetzbar, sondern auch bei einem akuten Gichtanfall, da sie die Schmerzen effektiv lindern und die Entzündung im betroffenen Gelenk hemmen. Die Bezeichnung „nicht-steroidal“ bedeutet, dass es sich nicht um Kortison oder ähnliche Mittel handelt. Wirkstoffe sind z. B. Ibuprofen, Diclofenac oder Indometacin. Letzteres ist das Mittel der Wahl bei einem akuten Gichtanfall, es wirkt relativ zuverlässig gegen die Schmerzen und die Entzündung.

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Das Nebenwirkungsspektrum der NSAR schränkt ihre Verordnungsfähigkeit ein, trotzdem sind sie bei der Behandlung von Gicht immer noch das Mittel der ersten Wahl. Prüfen Sie dennoch, ob sie wirklich das geeignete Mittel für Sie sind:

Wenn aus der Vergangenheit Magengeschwüre oder eine chronische Magenschleimhautentzündung bekannt sind, steigt das Risiko, unter unerwünschten Wirkungen auf den Magen-Darm-Trakt zu leiden.

Sollten Sie Marcumar oder andere gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, sollten Sie das unbedingt Ihrem Arzt mitteilen. In der Regel sollte Marcumar nicht mit NSAR kombiniert werden.

Bei älteren Menschen sollte die regelmäßige Einnahme von NSAR mit einer engmaschigen Überwachung von Blutbild sowie Leber- und Nierenwerten einhergehen.

Im letzten Drittel der Schwangerschaft sollten NSAR nicht eingenommen werden.

Übrigens: Acetylsalicylsäure (Aspirin) behindert die Ausscheidung der Harnsäure und sollte deshalb bei Gicht nicht eingenommen werden!

Colchicin

Das am längsten bekannte Medikament zur Linderung und auch zur Vorbeugung eines akuten Gichtanfalls ist Colchicin. Es wird aus der Herbstzeitlose, einer Blume und Heilpflanze, gewonnen, ist aber kein sanftes Pflanzenheilmittel, sondern muss sorgsam dosiert werden, da es in höheren Dosen die Zellteilung stoppt und somit giftig wirkt.

Zwar überzeugt Colchicin durch seine hohe Wirksamkeit in Bezug auf die Schmerzlinderung in den Gelenken, wegen seiner zahlreichen Nebenwirkungen wird es von Ärzten jedoch nur als Medikament zweiter Wahl nach den NSAR eingesetzt. Nebenwirkungen können sein:

Colchicin beeinflusst die Darmschleimhaut negativ.

Bei der Einnahme von höheren Dosen kann es zu Durchfall kommen. Diese Nebenwirkung ist ernst zu nehmen, die Anwendung muss sofort beendet werden.

Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Bauchschmerzen und Erbrechen.

Auch Benommenheit, Muskelschmerzen, Muskelschwäche und Hautprobleme wie Juckreiz kommen vor.

Vor allem bei älteren Menschen können Nieren- und Leberfunktionsstörungen auftreten.

Nach Studien der letzten Jahre und gemäß der „Leitlinie Gichtarthritis – fachärztliche Versorgung“ von 2016 (zu finden im Internet) wird das Präparat inzwischen niedriger dosiert. Dies reicht in der Regel, um einen akuten Gichtanfall erfolgreich zu behandeln. Bei geringeren Mengen treten Nebenwirkungen viel seltener und weniger intensiv auf.

Kortisonpräparate

Die Einnahme von Kortison ist bei Gicht in der Regel nicht erforderlich. Bei nicht ausreichender Wirksamkeit oder Unverträglichkeiten von NSAR und Colchicin können laut der „Leitlinie Gichtarthritis“ Glukokortikoide bei der Behandlung eines akuten Gichtanfalls das dritte Mittel der Wahl sein. Kortisonpräparate, z. B. Prednisolon, werden auch als Glukokortikoide oder steriodale Antirheumatika bezeichnet. Sie wirken genau wie die nichtsteriodalen Antirheumatika bei einem akuten Gichtanfall, indem sie die Aktivitäten entzündungsfördernder Botenstoffe im Körper reduzieren, Schmerzen lindern und die Entzündung hemmen. Sie können entweder oral als Tabletten eingenommen werden oder werden per Spritze direkt in das Gelenk injiziert, um die Wirkung zu beschleunigen.

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Kortison hat einen schlechten Ruf, da es ernsthafte Nebenwirkungen hat, wenn es über längere Zeit eingenommen wird. Diese Nebenwirkungen sind aber bei einer kurzfristigen Einnahme zur Behandlung eines Gichtanfalls nicht zu befürchten – dennoch sollte es nur zeitlich begrenzt verwendet werden. Als Dauertherapie ist Kortison nicht zu empfehlen.

Interleukin-1-Blocker

Interleukin-1-Blocker wie Canakinumab sind eine neuere Therapieoption, wenn Sie unter chronischer Gicht leiden, weitere Erkrankungen wie eine schwergradige Niereninsuffizienz aufweisen oder wenn Sie andere Medikamente wie NSAR und Colchicin nicht vertragen oder nehmen dürfen. Es wirkt zielgerichtet und hat eine schnelle Entzündungshemmung und Schmerzreduktion zur Folge. Nebenwirkung kann Kopfweh sein.

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Was Sie selbst tun können

Über die Medikamente hinaus, die Ihnen Ihr Arzt bei einem akuten Gichtanfall verschreiben wird, können Sie selbst Maßnahmen ergreifen, um die Schmerzen und die Entzündungen effektiv zu lindern.

Stellen Sie das betroffene Gelenk ruhig und lagern Sie es hoch, damit weniger Körpergewicht darauf wirkt. Eine Studie konnte zeigen, dass die korrekte Lagerung des Gelenks bei einem akuten Gichtanfall positiv wirken kann.

Wenn es nicht anders geht, halten Sie Bettruhe. Achten Sie darauf, dass die Bettdecke nicht das empfindliche Gelenk berührt.

Machen Sie mehrmals täglich kalte Umschläge oder legen Sie Eisbeutel auf. Warme Anwendungen können angenehm sein, wenn Sie keinen akuten Gichtanfall haben. Viele Tipps dazu finden Sie ab S. 111.

Ernähren Sie sich leicht und purinarm (siehe S. 41).

Soweit aus medizinischer Sicht nichts dagegensteht, trinken Sie täglich mindestens zwei Liter Flüssigkeit.

Vermeiden Sie sehr üppige Mahlzeiten und verzichten Sie auf Alkohol.

Wenn die Schmerzen verschwunden sind, hilft körperliche Aktivität dabei, den Harnsäurespiegel zu senken. Achten Sie jedoch darauf, extreme körperliche Anstrengung und Unterkühlung zu vermeiden, weil es dadurch unter Umständen erneut zu Anfällen kommen kann.

Langzeittherapie

Das Ziel der Behandlung einer chronischen Gicht ist eine Reduzierung der Harnsäurewerte auf unter 6 mg/dl, und zwar durch eine Kombination von harnsäuresenkenden Medikamenten mit einer gezielten Ernährungsumstellung.

Wenn die akuten Beschwerden eines Gichtanfalls vorüber sind, können Sie erst einmal aufatmen. Jetzt ist es Zeit, sich Gedanken über die Zukunft zu machen und langfristig Dinge zu ändern, um weitere Gichtanfälle zu verhindern und ein Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Die Ernährung steht hier auf der einen Seite, auf der anderen Seite stehen Ihnen zwei Arten von Medikamenten zur Verfügung, die Sie nach Abklingen der akuten Entzündung anwenden dürfen, um Ihre Harnsäurewerte dauerhaft zu senken:

Medikamente, die die Ausscheidung von Harnsäure fördern,

Medikamente, die die Bildung von Harnsäure blockieren und

Kombinationspräparate

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Wenn die akuten Beschwerden eines Gichtanfalls vorüber sind, können Sie erst einmal aufatmen.

Urikosurika – „Harnsäure-Ausscheider“: Diese Arzneimittel unterstützen die Harnsäureausscheidung. Die wichtigsten Wirkstoffe sind Probenecid und Benzbromaron. Beide hemmen den Abbau von Harnsäure im Körper und vermindern so deren Konzentration im Blut. Dadurch können sich keine neuen Gichtknoten bilden, bereits bestehende können teilweise sogar abgebaut werden. Nachteil: Urikosurika belasten die Nieren und dürfen bei Erkrankungen der Niere nicht eingenommen werden.

Urikostatika – „Harnsäure-Blocker“: Das sind Medikamente, die die Harnsäuresynthese hemmen. Das bedeutet, sie verhindern, dass die mit der Nahrung aufgenommenen Purine zu Harnsäure abgebaut werden. Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff Allopurinol zur Anwendung. Urikostatika sind zwar meist gut verträglich, wenn Sie sie jedoch dauerhaft anwenden, können verschiedene Nebenwirkungen auftreten. Daher wird dieser Wirkstoff in der Regel nicht bei einer leichten Hyperurikämie eingesetzt, sondern erst, wenn der Harnsäurewert in der Blutflüssigkeit höher als 8,5 mg/dl liegt. Achtung: Für den akuten Gichtanfall ist Allopurinol nicht geeignet, denn das würde den Anfall verstärken! Zudem kann es vorkommen, dass zu Beginn der Behandlung ein akuter Gichtanfall ausgelöst wird. Ein weiterer Wirkstoff dieser Kategorie ist Febuxostat. Mit seiner Hilfe erreichen prozentual mehr Betroffene den Harnsäurezielwert von 6 mg/dl als mit Allopurinol.

Kombinationspräparate: Wenn selbst eine Umstellung auf eine purinarme Ernährung bei Ihnen nicht erfolgreich war, können Kombinationspräparate mit Allopurinol zum Einsatz kommen. Dies trifft bei erhöhten Harnsäurespiegeln als Folge von Erkrankungen wie Nierenschäden, Blutarmut oder der Einnahme von Medikamenten wie Entwässerungsmitteln zu. Kombipräparate haben jedoch den Nachteil, dass Benzbromaron die Ausscheidung von Allopurinol (bzw. seines Zwischenprodukts Oxipurinol) beschleunigt, was wiederum die Wirksamkeit von Allopurinol beeinträchtigt.

Das Wichtigste im Überblick

Der Gichterkrankung liegt ein Fehler im Stoffwechsel der Harnsäure zugrunde. Die Harnsäure ist das letzte Abbauprodukt der Purine, kleiner Eiweißstoffe, die mit der Nahrung aufgenommen werden oder beim Zellabbau anfallen. Ist zu viel Harnsäure im Blut, bilden sich Uratkristalle, die sich in den Gelenken und den Nieren einlagern können.

Die Stoffwechselkrankheit kann akut als äußerst schmerzhafter Gichtanfall auftreten oder chronisch und in Schüben verlaufen. Es können alle Gelenke betroffen sein. In der überwiegenden Mehrzahl tritt Gicht am Großzehengrundgelenk auf.

Beim Gichtanfall kommt es innerhalb weniger Stunden zu immer heftiger werdenden Schmerzen an einem oder mehreren Gelenken. Die Regionen rund um die betroffenen Gelenke schwellen an, werden rot und heiß, die Haut glänzt. Es kann leichtes Fieber auftreten. Bei Gicht am Großzehengelenk sind Schmerzen und Schwellung manchmal so stark, dass das Tragen von Socken und Schuhen sowie die Fortbewegung fast unmöglich werden.

Nach dem Abklingen der Schmerzen können für ein paar Tage bis hin zu einigen Wochen Gelenkbeschwerden folgen.

Besteht die Gicht schon länger, zeigen sich oft Gichtknoten, sogenannte Tophi, in Form von festen, weißen Klumpen unter der Haut.

Betroffene haben häufig auch Nierenprobleme wie etwa Nierensteine. In seltenen Fällen kommt es als Folge einer Gichterkrankung zu einer ernsthaften Nierenfunktionsstörung. Eine unbehandelte Gicht birgt daher die Gefahr von dauerhaften Schäden an den Gelenken und den Nieren.

Ganz sicher kann eine Gicht diagnostiziert werden durch eine Gelenkpunktion, bei der mittels einer Punktionsnadel ein wenig Gelenkflüssigkeit entnommen wird. Finden sich dort Harnsäurekristalle, ist die Gicht nachgewiesen. Weniger eingreifend ist ein Colchicintest. Hierbei wird eine bestimmte Dosis des Arzneistoffs verabreicht, der schnell eine schmerzlindernde Wirkung entfaltet.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869100814
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2019 (August)
Schlagworte
Ernährungsmedizin Ernährungs-Regeln Purinarm essen Rezepte für Anfänger Selbsthilfe

Autor

  • Dr. med. Heike Bueß-Kovács (Autor:in)

Dr. med. Heike Bueß-Kovács ist Ärztin und Medizinjournalistin. Neben ihrer Tätigkeit als TV- Moderatorin und TV-Expertin veröffentlicht sie zahlreiche Zeitschriftenartikel und Ratgeber zum Thema Gesundheit. Sie arbeitet unter anderem für Spiegel, Focus und Bunte sowie für den Bayerischen Rundfunk und Medizin TV. Autorenwebsite: http://www.heike.media/home
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Titel: Das Gicht-Buch