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Jobglück

Wie du den Montag lieben lernst

von Dr. Achim Pothmann (Autor:in)
224 Seiten

Zusammenfassung

Endlich wieder Montag!

Haben Sie sich auch schon bei diesem Gedanken ertappt, als sie morgens auf dem Weg ins Büro waren? Dann sind Sie nicht der Einzige – denn mit dieser Einstellung schleppen sich Tausende von Beschäftigten täglich mies gelaunt zur Arbeit. Dabei ist es genau diese Überzeugung, die ihre Unzufriedenheit auslöst. Tief im Unterbewusstsein verankert, bewirkt sie, dass unser Arbeitsleben einen so schlechten Ruf hat, dass unser Gehirn regelrecht rebelliert, wenn es die Begriffe „Zufriedenheit“ und „Arbeit“ zusammenbringen soll. Um Arbeitszufriedenheit zu erreichen, braucht es also nicht in erster Linie eine gute Work-Life-Balance oder ein Wellness-Wochenende, sondern vielmehr eine glückbringende Grundhaltung.

Trainingsprogramm für mehr Arbeitszufriedenheit

Dr. Achim Pothmann ist Experte für Jobglück und glückliche-erfolgreiche Unternehmensführung. Mit seinem erprobten Jobglück-Trainingsprogramm an hilft er seinen Lesern, eine Betrachtungsweise zu entwickeln, die nachhaltiges Jobglück vorstellbar und möglich macht. Auf unterhaltsame Weise, mit vielen Beispielen und den 50 besten Tipps für die Steigerung der Arbeitszufriedenheit zeigt er, wie eine glücksorientierte Einstellung gelingt, die sich positiv auf Arbeit und Privatleben auswirkt. Denn: „Jobglück ist für jeden möglich!“

Aus dem Inhalt:

•Was Unglück und Unzufriedenheit im Beruf mit uns anrichten

•Kein schöner (Arbeits-)Land?

•Wie werde ich glücklich im Job?

•Kann ich in jedem Unternehmen zufrieden werden?

•So verbessere ich konkret mein Jobglück

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


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Millionen Menschen sind unzufrieden mit ihrem Job. Sie sind dauerfrustriert, oder schlimmer noch: Sie haben innerlich bereits aufgegeben und gekündigt.

Sie ärgern sich immer wieder, manche sogar täglich, über das, was auf der Arbeit passiert. Oder über das, was auf der Arbeit eben nicht passiert. Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr kann es einem so gehen. Die Freitagabende erlebt man als Erlösung, die Sonntagabende werden zur Trauerfeier. Das geht so lange so weiter, bis man sich an den täglichen Frust gewöhnt hat. Dann scheint Arbeit mit Spaß rein gar nichts mehr zu tun zu haben. Wen soll es dann wundern, wenn die vorherrschende Überzeugung „Arbeit ist schrecklich“ lautet?

Die Arbeit mit Spaß in Verbindung zu bringen erscheint bereits prinzipiell irgendwie unlogisch. Arbeit ist schließlich ein Muss. Wie soll man etwas gerne machen oder dabei glücklich sein, wenn man es tun muss? Für viele Menschen passt das nicht zusammen. Unser Gehirn rebelliert, wenn es die Worte „Zufriedenheit“ und „Arbeit“ zusammenbringen soll. Das gilt erst recht für die Worte „Job“ und „Glück“. Dem Gehirn ist recht gleichgültig, ob wir von „Jobglück“ oder „Jobzufriedenheit“ sprechen, beides wird als wenig vorstellbar eingestuft und bemisstraut. Daher benutze ich die beiden Wörter der Einfachheit halber synonym, auch wenn streng genommen durchaus ein Bedeutungsunterschied besteht.

Warum eigentlich passen Arbeiten und Glücklichsein nicht zusammen? Wie kommen wir oder zumindest die Mehrzahl aller Berufstätigen zu so einem vernichtenden Urteil über die eigene berufliche Beschäftigung? Warum sind wir bei dem Begriff „Jobglück“ so skeptisch? Offenbar hat sich diese Skepsis tief in das Denken unserer Gesellschaft eingegraben, aber warum? Diesen Fragen möchte ich in diesem Buch unter anderem nachgehen.

Bedenken wir, dass wir im Job viel Lebenszeit verbringen. Oft genug verbringen die meisten von uns sogar mehr Zeit am Arbeitsplatz und mit den Kollegen als mit den Kindern und dem Partner. Wenn man dann auch noch den Ärger mit nach Hause nimmt, ist es nicht verwunderlich, dass ein Teil dieses Frustes in das Familienleben hineinwirkt und das Privatleben negativ prägt.

Läuft es dann in der Familie nicht mehr ganz so rund und es kommt zu familiären Problemen, lesen wir Lebens- und Erziehungsratgeber. Doch die wenigsten machen sich bewusst, dass diese Probleme auch etwas mit dem Dauerfrust im Job zu tun haben können. Und so suchen sie privates Seelenheil, ohne zu erkennen, wo die Probleme häufig beginnen: im Jobfrust. Welche Auswirkungen der Jobfrust allerdings auf das Leben hat, darüber schweigt die Ratgeberliteratur zu häufig.

Eine Empfehlung, mit der wir es immer wieder zu tun haben, lautet: „Work-Life-Balance“. Wer im Job unzufrieden ist oder sich beruflich belastet fühlt, müsse nur für genügend Ausgleich durch außerberufliche Aktivitäten sorgen. Was zunächst überzeugend klingt, kann jedoch meiner Meinung und Erfahrung nach nicht die Lösung sein. Was hilft es uns, wenn wir die Arbeit als lebensbelastenden Tatbestand ansehen, den wir im Privatleben durch Freizeitausgleich zu neutralisieren versuchen? Steckt in der Vorstellung, dass in der Freizeit intensiv ein Gegenpol zur Arbeit geschaffen werden muss, nicht etwas Abwertendes? Verbirgt sich nicht schon hinter dem Wunsch nach einem Ausgleich eine Geringschätzung der eigenen beruflichen Tätigkeit?

Was bringt es etwa, wenn man sich aufgrund eines Ratschlages durch die Work-Life-Balance-Literatur nun auf ein teures Wellnessoder Action-Wochenende begibt? Man findet vielleicht kurzfristig sein Seelenheil wieder, aber spätestens am Montagmorgen erfährt man denselben Terror, vor dem man am Freitagnachmittag geflüchtet ist.

Die Work-Life-Balance-Kultur hindert uns, ein bejahendes Verhältnis zum Job aufzubauen. Ich werde Ihnen zeigen, dass jemand, der in seinem Job glücklich ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine höhere Lebenszufriedenheit erreicht als jemand, der im Beruf frustriert ist und sein Seelenheil ausschließlich im Privatleben sucht. Ich bin überzeugt und möchte Sie davon überzeugen: Jobglück ist für jeden möglich – in fast jedem Unternehmen. Die meisten von uns wissen nicht mehr, welche Einflussmöglichkeiten sie auf ihr Arbeitsglück haben. Lassen Sie uns diese Möglichkeiten gemeinsam ausfindig machen!

Bei der Suche nach Jobglück gibt es viel zu gewinnen. Wer sich beim Gedanken an die Arbeit endlich wieder wohlfühlen möchte, dem gratuliere ich, dieses umfassende Trainingsprogramm für mehr Jobglück gefunden zu haben.

Es ist mehr als ein Lebensratgeber für den härtesten Fall im Leben, nämlich die Arbeit. Es beschränkt sich nicht darauf, den Leser schrittweise zum Ziel zu führen. Tatendrang und Aktionismus allein führen nämlich nicht zum Ziel. Wer viel macht, aber an seinen Denkgewohnheiten nichts ändert, dessen Probleme werden sich früher oder später wieder einstellen. Nur wer sich eine neue innere Haltung aneignet, ändert seine Handlungen dauerhaft. Eine glücksorientierte Einstellung muss unser Ziel sein, darauf kommt es an – und genau das ist es, was Sie sich mithilfe dieses Buchs erarbeiten werden.

Insofern ist dieses Buch kein typischer Ratgeber, sondern ein „Haltungsgeber“. Es geht um eine innere Veränderung, die unser Arbeitsleben grundsätzlich ändert. Mit der richtigen Haltung klappt es mit dem Job. Und: Wer es im Job schafft, glücklich zu sein, schafft es überall; sogar in seinem Privatleben! So gelangen wir zu mehr Lebenszufriedenheit.

Ich muss Sie aber auch vorwarnen: Ich werde Ihr Gehirn von rechts nach links und wieder zurückdrehen. Ich werde es schütteln, Sie provozieren und mit Erkenntnissen aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen wie der Gehirnforschung, der Neuropsychologie und der Kognitionspsychologie konfrontieren. Ich werde Ihre tief im Unterbewusstsein verankerten Überzeugungen aufdecken und zeigen, welche Irrtümer damit verbunden sind. Sie werden erkennen, wie wir als Gesellschaft so manche Betrachtungsweise über die Arbeitswelt angenommen haben, ohne festzustellen, wie wir uns mit diesen Überzeugungen dabei selbst tagtäglich bildlich gesprochen „ins Knie schießen“. Offensichtlich sind wir zum Thema Arbeit tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes „unglücklich programmiert“!

Deshalb noch einmal die ausdrückliche Warnung vor der Lektüre dieses Buchs: Es verändert – es verändert Sie! Sie sind danach nicht mehr der- oder dieselbe. Sie sind glücklicher!

Denn es ist möglich, im Job zufrieden zu sein. Und ebenso häufig ist der Frust im Job unnötig. All dies mit Ihnen zu verändern und Ihre Glückskompetenz zu steigern, das ist das Ziel dieses Buches.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen!

Achim Pothmann

1.1Mein Albtraum – Claudias Geschichte

Beginnen wir unsere Suche nach dem Jobglück mit Claudias Geschichte. Ihren Namen habe ich wie in allen Beispielgeschichten in diesem Buch geändert. Claudia ist eine meiner früheren Mitarbeiterinnen, die sich bei einem europaweit agierenden Textildiscounter beworben hatte. Ihr wurde die Leitung einer Filiale in der Nähe ihres Wohnortes versprochen. Hierfür unterschrieb sie einen Arbeitsvertrag. Die vereinbarte Einarbeitung in das Aufgabengebiet der Filialleitung blieb aus, und sie fand sich wenig später in einer Filiale am gefühlten Ende der Welt wieder, 150 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. „Tja, was willst du machen, wenn das Unternehmen es so will? Wenn du direkt zu Beginn schon den Mund aufmachst, verlierst du möglicherweise alles.“

Also schwieg Claudia. Sechs Tage die Woche schuftete sie im gefühlten Nirgendwo, weit entfernt von Ehemann und Kind. Die Pension, in der sie untergebracht wurde, war preiswert. Sehr preiswert. Sie arbeitete im gefühlten Nirgendwo. Eingearbeitet wurde sie ebenfalls nirgendwo.

Aber da es sich ja bloß um eine „Einarbeitungs“-phase handeln sollte, sagte sie nichts und machte ihre Arbeit so gut wie möglich. Irgendwann wurde sie aus der Filiale in eine noch weiter entfernte Filiale versetzt. Ihre Arbeit wurde härter und nach eigenen Angaben „erhöhte sich die Taktzahl immens“. Die Einarbeitung zur Filialleiterin blieb aus.

Nach unzähligen Übernachtungen in billigen Herbergen wurde sie schließlich in die Nähe ihres Wohnortes versetzt. Endlich zu Hause. Statt aber als Filialleitung zu fungieren, war sie sozusagen alles in Personalunion: von der Warenannahme, dem Abladen von Europaletten, dem Auffüllen der Regale, dem Putzen der Geschäftsräume, den Abschlüssen der Tageskasse bis hin zur Sonntagsarbeit machte sie alles. Fast immer war sie allein im Geschäft.

Arbeiten bis der Arzt kommt?

War es die Arbeitsüberlastung oder war es Zufall? Wie dem auch sei, Claudia wurde krank. Aber sie meldete sich nicht krank, sondern biss sich durch. Schließlich gab es kein Personal, das ihre Ausfallzeit hätte kompensieren können. Die Arbeitssituation verschlechterte sich weiter. Claudias Bitte um personelle Unterstützung führte zu nichts.

Als ihr Gesundheitszustand ein kritisches Maß erreicht hatte, rief Claudia von ihrer Arbeit aus in der Zentrale ihres Arbeitgebers an. Sie betonte, nun wirklich dringend zum Arzt zu müssen. Sie musste sich mit der Auskunft begnügen, dass es keinen Ersatz für sie gäbe. Weder Bedauern noch Trost oder Hilfe kamen. Wieder wurde sie mit nichts konfrontiert.

Noch am selben Tag brach Claudia hinten im Geschäft zusammen. Ein Kunde fand sie in einer für sie lebensbedrohlichen Situation und rief Gott sei Dank den Notarzt. Im Krankenhaus wurde ein Herzinfarkt diagnostiziert.

Drei Tage später, Claudia lag noch im Krankenhaus, erhielt sie ihre Kündigung. Unnötig zu erwähnen, dass ich mehrmals schlucken musste, als Claudia mir ihre Geschichte erzählte.

Beschädigtes Vertrauen

Claudia hat nach diesem desaströsen Erlebnis im Job sicherlich ihren Glauben an die Arbeit und ihr Vertrauen an alle Arbeitgeber dieser Welt verloren. Es ist davon auszugehen, dass die folgenden Arbeitgeber es wesentlich schwerer bei ihr haben werden, Vertrauen und Motivation aufzubauen. Claudias Skepsis wird bei der gemachten Erfahrung riesig sein müssen.

1.2Die eigene Unzufriedenheit verstehen – eine wichtige Erkenntnis

Finden Sie Claudias Geschichte heftig? Ich finde sie unerträglich. Leider ist sie kein Einzelfall. Jeder kennt jemanden, der so etwas oder Ähnliches schon mal aus erster Hand gehört oder schlimmstenfalls selbst erlebt hat. Außerdem werden jährlich Zahlen, Daten und Fakten erhoben, die die Zufriedenheit der Arbeitnehmer in unserer Gesellschaft widerspiegeln.

Im Jahr 2016 leisteten etwa nach der Gallup-Studie1 70 Prozent der Mitarbeiter in ihren Jobs nur noch Dienst nach Vorschrift und 15 Prozent der Mitarbeiter hatten bereits innerlich gekündigt. Hingegen arbeiteten gerade einmal die restlichen 15 Prozent der deutschen Angestellten mit hoher Bindung an das eigene Unternehmen.

Wenn wir die Gruppe der Unzufriedenen und die der total Frustrierten zusammenfassen, kommen wir zur ersten wichtigen und erschreckenden Erkenntnis:

85 Prozent der Erwerbstätigen sind in ihrem Job unzufrieden.

85 Prozent, das sind über 30 Millionen Erwerbstätige in Deutschland (ohne Berücksichtigung der Selbstständigen). Konkret heißt das: Es schleppen sich über 30 Millionen Menschen Tag für Tag frustriert zur Arbeit! Diese Erkenntnis ist mehr als bitter. Sie sollte uns wachrütteln.

Bei dieser überwältigenden Zahl von unzufriedenen Arbeitnehmern ist es nicht verwunderlich, dass die sozialen Netzwerke sonntags überschwemmt werden mit Aussagen wie:

„Ich habe schon einmal angefangen, den Montag scheiße zu finden!“

„An alle, die jetzt noch gute Laune haben: Morgen ist Montag!“

„Montag hat angerufen. Er kommt schon morgen, der Arsch!“

„Noch ist Sonntag, aber ich fühle mich schon durch den Montag belästigt.“

Der Montag sagt im Gegenzug: „Ich kann doch nichts dafür, dass ich immer nach dem Super-Sonntag komme!“

1.3Endstation Arbeitsunfähigkeit – zwei noch wichtigere Erkenntnisse

Wir haben gesehen: Der Montag hat einfach einen schlechten Ruf, an dem schwer zu rütteln ist. Kein Wunder, dass wir Autos, die immer wieder zur Werkstatt müssen, „Montagsautos“ nennen – unmotivierte Monteure müssen wohl an einem Montag daran rumgewerkelt haben. Der Montag ist ein Symbol für das ganz große, wöchentlich grüßende Arbeitsungeheuer, dem wir nicht entfliehen können.

Wen verwundert es, dass es so ist? Es gibt mittlerweile genügend Studien, die bestätigen, dass die Arbeitswelt unsere Psyche immer mehr belastet. Der Stressreport Deutschland 2012 stellte hierzu, wie ich finde, etwas förmlich und nüchtern fest, dass die „psychische Belastung“ in den Unternehmen in Deutschland „zunehmend an Bedeutung gewinnt“.2 Daher fällt unsere zweite Erkenntnis leider noch erschreckender aus:

Arbeit wird belastender und stressiger!

Richtig spannend wird es, wenn wir uns die Frage stellen, inwieweit die Belastungen im Job und der damit einhergehende Arbeitsfrust mit Krankheit zu tun haben könnten. Wird jemand eher krank, wenn er im Job unglücklich ist? Werden glückliche Arbeitnehmer seltener krank?

Der oben zitierte Stressreport formuliert es zunächst schon einmal eindeutig für den Fall, dass jemand psychischen Belastungen ausgesetzt ist: „Ein Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und Erkrankung besteht. Welchen Anteil die arbeitsbedingte psychische Belastung an psychischen Störungen und anderen Erkrankungen hat, kann gleichwohl noch nicht auf Prozent und Promille beziffert werden.“3

Zum Glück wird in der Gallup-Studie dieser Zusammenhang genauer in den Blick genommen. Untersucht werden die Arbeitsunfähigkeitstage von Mitarbeitern im Verhältnis zum Grad der Bindung des Mitarbeiters zum Unternehmen, also der Motivation, fürs Unternehmen gut zu arbeiten. Tatsächlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Mitarbeiter und dem Aufkommen von Arbeitsunfähigkeit. Wir können sagen:

Das ist eine krasse Erkenntnis. Jobzufriedenheit trägt also offensichtlich zur Gesundheitsvorsorge bei. Leider bedeutet es im Umkehrschluss: Dauerhaft unzufriedene Arbeitnehmer sind eher, häufiger und länger krank!4

Vor dem Hintergrund unserer ersten Erkenntnis, dass sich mehr als 30 Millionen Menschen tagtäglich mies gelaunt zur Arbeit schleppen, kommen wir zur dritten wichtigen und erschreckenden Erkenntnis:

Millionen Menschen sind im Job frustriert und riskieren dadurch ihre Gesundheit!

Vielleicht haben Sie auch schon einmal folgende Situation erlebt: Sie beobachten, wie sich ein Bekannter oder Freund über einen lang andauernden Zeitraum Dauerfrust und Stress im Job zumutet. Sie bekommen schon das ganz konkrete Gefühl, dass das irgendwann schiefgehen muss. Sie denken: „Das hält er nicht mehr lange durch“ oder „Wenn das so weitergeht, wird ihn diese Situation in die Knie zwingen“. Und in der Tat, etwas später wird er arbeitsunfähig. Ob der Ausfall durch Rückenschmerzen, durch Magenprobleme oder durch pochende Dauerkopfschmerzen ausgelöst wird, ist hier nicht wirklich entscheidend.

Tatsache ist: Die Vorboten, Anzeichen und Symptome einer Erkrankung werden nicht genug beachtet. Allen Leuten im Umfeld ist klar, dass die Person aufgrund der dauerhaften Überlastung und des dadurch entstehenden Dauerfrusts krank geworden ist. Leider ist es dem Betroffenen selbst oft nicht klar. Oder er will es nicht wahrhaben.

Der Volksmund sagt bei Rückenproblemen: „Er hatte in seinem Job ein zu schweres Kreuz zu tragen“ oder „Es lastete zu viel auf seinen Schultern“. Über diejenigen, die eher zu Magenprobleme neigen, sagt der Volksmund: „Er regte sich so über seinen Job auf, dass ihm die Galle hochgekommen ist“ oder „Der Stress in seinem Job ist ihm auf den Magen geschlagen“. Zu Kopfschmerz-Kandidaten sagt man: „Du machst dir einen zu großen Kopf über deine Arbeit.“

Wenn ein Mensch permanent überlastet ist, sich schikaniert, erniedrigt und unmenschlich behandelt fühlt oder unter widrigsten Bedingungen arbeitet, dann muss er etwas ändern, anstatt darauf zu hoffen, dass sich früher oder später etwas ändert. Es kommt sehr viel infrage, das der Änderung bedarf, sei es das Arbeitsumfeld oder noch wichtiger: die eigene Haltung beziehungsweise die eigene Gewohnheit, von der Arbeit schlecht zu denken.

Insofern muss ich Ihnen ein zweites Mal gratulieren, dass Sie dieses Buch in den Händen halten. Sie investieren damit nicht nur in Ihr eigenes Jobglück, sondern sogar in Ihre eigene Gesundheit, denn Sie werden sich, wenn Sie Ihre Änderungsmöglichkeiten erkannt haben, eine Haltung aneignen, die wirkliches Jobglück ermöglicht und die eigene Gesundheit fördert.

1.4Skepsis – ist Jobglück überhaupt vorstellbar?

Die Geschichte mit Claudia ging übrigens wie folgt weiter: Claudia bewarb sich in unserem Unternehmen. Von 1996 bis 2016 führte ich die SchuhHouse-Geschäfte in Nordrhein-Westfalen, bevor ich sie an einen anderen Gesellschafter übergab, um mich meiner Beratertätigkeit intensiver zu widmen. Ich berate zwar Unternehmer unter anderem in glückbringender Führung, doch ich widme mich seit vielen Jahren auch meiner großen Leidenschaft und Herzensangelegenheit: der Steigerung der Glückskompetenz von Mitarbeitern.

Doch bleiben wir bei Claudia! Sie las auf unserer Internetseite als erstes und in großen Lettern „Werde glücklich bei uns – wir sind es auch!“ Sie las auch, dass wir für unser außergewöhnliches Unternehmensklima mehrfach ausgezeichnet wurden und sie las über viele Betriebsausflüge und Betriebsfeiern, die seit Jahren regelmäßig stattfinden. Auch die Kommentare der früheren Mitarbeiter fielen ihr auf der Internetseite auf. Die ehemaligen Mitarbeiter haben Briefe und Postkarten geschrieben und selbst im Nachhinein bestätigt, wie nett es bei uns war. Dennoch war Claudia skeptisch und traute den Aussagen nicht wirklich.

Ich habe sehr häufig erlebt, dass ich als Unternehmer, der ein glückliches Arbeitsumfeld versprach, von den meisten Bewerbern eher kritisch beäugt oder ungläubig bestaunt wurde. Doch im Laufe der Zeit konnten die Bewerber feststellen, dass ich es nicht nur ehrlich meinte, sondern dass diese Vision von den Angestellten tatsächlich gelebt wurde. Die Angestellten sahen, dass ein glückliches Miteinander am Arbeitsplatz tatsächlich möglich ist und konnten ihre anfängliche Skepsis abbauen.

Wir können uns das so vorstellen: Da kommt jemand zu uns, der eine Brille trägt. Diese hat einen grauen Schleier, eine Art Schmierfilm auf den Gläsern. Dieser Grauschleier ist durch schlechte Erfahrungen in den vorherigen Jobs allmählich und unbemerkt entstanden und zu einer dicken Kruste geworden. Das können Enttäuschungen gewesen sein wie schlechte Behandlungen durch die Vorgesetzten. Vielleicht wurde auch am Gehalt zulasten des Mitarbeiters herumgeschraubt, oder es herrschten schlimme Arbeitsbedingungen und mangelndes Verständnis des Arbeitgebers für die Belange des Mitarbeiters. Dass Erfahrungen dieser Art einen Menschen gegenüber einem Unternehmen und Vorgesetzten skeptisch werden lassen, ist nur zu verständlich.

Claudia hat ja auch schlimme Erfahrungen gemacht, die ihr den Blick vernebelt haben. Im Job glücklich sein zu können, das passte nicht mehr in ihr Denksystem. Die Skepsis blieb.

Claudia schaute sich also unsere Internetseite an. Wir haben ein ausführliches Bewerbungsgespräch geführt, und sie konnte in ihren zukünftigen Arbeitsbereich einen Nachmittag lang hineinschnuppern. Und obwohl sie das alles gemacht hat und sogar leibhaftig erlebt hat, wie toll unser Klima ist, konnte sie dennoch das Ganze immer noch nicht glauben. Die Skepsis blieb. Das negative Denksystem, das sie gewohnt war, erwies sich als schwer erschütterbar.

Diese Erfahrung haben wir in unserem Unternehmen leider häufig gemacht: Jobglück galt als Widerspruch in sich.

Deshalb erhielt jeder neue Mitarbeiter eine ausführliche Einführung in unsere glücks- und werteorientierte Unternehmenskultur, und das Ganze auch noch vom Chef persönlich, also von mir.

In diesem Gespräch erklärte ich jedem neuen Mitarbeiter, dass wir nun seine Brille putzen und dann eine Lupe aufschrauben würden. Ich erklärte das Konzept der „gegenseitigen Fürsorge“, des „vertrauensvollen Umgangs“ und beschrieb unsere Unternehmenswelt anhand von vielen lebensnahen Beispielen. Jedes Einzelne trägt dazu bei, die Brille etwas zu säubern und den Blick dafür zu entwickeln, was bei uns so besonders ist. Und schwupp – ist auch schon die Lupe auf der Brille.

Man sollte meinen, alle „Neuen“ wären auf Anhieb von unserer Welt völlig begeistert gewesen. Aber nein, einige benötigten noch mehrere Wochen und weitere Beweise dafür, dass wir diese Werte und diese positive Haltung tatsächlich auslebten.

Bei Vielen aber strahlten die Augen. Sie berichteten nach dem Gespräch ihren Partnern und Partnerinnen mit großer Euphorie, in welch tollem Unternehmen sie gelandet sind.

Jobglück und ein gutes Miteinander – zu schön, um wahr zu sein?

Eine neue Mitarbeiterin erzählte mir, dass ihr Partner nach ihrem begeisterten Vortrag ungläubig und voller Skepsis zu bedenken gab: „Schatz, du bist in einer Sekte gelandet!“

Ja, so eine Arbeitskultur ist für viele von uns kaum zu glauben. Da sprechen wir über unser Selbstverständnis, darüber, wie wir miteinander umgehen und zusammen arbeiten – und viele reagieren mit totalem Unglauben.

Mich beschäftigt nicht nur die Frage, warum die Menschen gegenüber der Idee, dass Arbeit auch toll sein kann, so unheimlich skeptisch sind. Mich hat immer fasziniert zu erfahren, warum die meisten Menschen von der Vorstellung, dass Arbeit nerve und man mit ihr nicht glücklich werden könne, so hartnäckig überzeugt sind.

2013 wurden wir wegen unserer werteorientierten Unternehmensführung für eine Auszeichnung nominiert. Bevor wir diese Auszeichnung erhielten, wurde unser Unternehmen allerdings von mehreren Gutachtern eingehend durchleuchtet und auf Herz und Nieren geprüft.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir wie auf einer kleinen Insel gelebt und unsere Unternehmensphilosophie als Unternehmensgeheimnis behandelt. Nun traten wir damit erstmalig nach außen, in die Öffentlichkeit, und unser Konzept (und auch unsere Arbeitspraxis) stand auf dem Prüfstand. Und so fragte ich nach mehreren Stunden der Analyse vorsichtig nach einem Feedback.

Das Feedback war überwältigend. Die Gutachter bestätigten, dass sie schon mehrere hundert Unternehmen kennengelernt und geprüft hätten, aber keines von einem vergleichbar werteorientierten Wesen durchdrungen gewesen sei wie unseres.

Was war das für eine wohltuende Lobhudelei. Ein Kompliment jagte das nächste. Sie können mir glauben, dass uns dies mit großem Stolz erfüllte. Jeder von uns fühlte sich, als wenn er mit einer kleinen Krone auf dem Kopf auf ein Podest gestellt worden wäre. Doch dann kam das berühmte „Aber“.

Einer der Gutachter endete nämlich mit den Worten: „Aber ich weiß nicht, Herr Dr. Pothmann, ob Sie die Auszeichnung bekommen werden!“ Glauben Sie mir, da ist mir die gerade verliehene Krone direkt wieder vom Kopf gefallen, und es hat mich von meinem soeben gemauerten Podest wieder heruntergeschlagen. Ich war entsetzt, und meinem Körper konnte man die Frage „Warum?“ förmlich ansehen.

Der Gutachter sagte weiter: „Ich will Ihnen das auch erklären: Wir werden unser Gutachten der Jury vorlegen. Diese Jury besteht aus Mitgliedern der Gewerkschaften, aus Arbeitgeberverbänden und anderen Institutionen. Und in dieser Jury gibt es drei Menschentypen: Der erste Menschentyp wird mit großer Überzeugung sagen, das, was er da im Gutachten liest und von den Gutachtern hört, könne es nicht geben. Der zweite Typ wird sagen: ‚Mag ja sein, dass es das gibt. Aber ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen.‘ Der dritte Typ wird sagen: ‚Es ist großartig, dass es Unternehmen gibt, die so etwas leben.“

Er schloss mit dem Resümee, dass er sich eben nicht sicher sei, wie die Mehrheitsverhältnisse dieser drei Menschentypen in der Jury seien.

Es ist schon verrückt: Nur, weil die meisten Menschen solche Formen der Zusammenarbeit noch nie erlebt haben, lehnen sie allein schon die Vorstellung davon kategorisch ab.

„Das kann gar nicht sein, so etwas kann es gar nicht geben“, ist deren Überzeugung. Sie halten lieber an dem Gedanken fest, dass Arbeit blöd oder im besten Fall okay sein könne. Selbst die zweite Gruppe, die zwar einräumt, dass es so etwas geben kann, hat immense Probleme, sich dies vorzustellen.

Nun, hier geht es ja nicht um unser Unternehmen, sondern um die Frage, warum die Menschen lieber an ihrer negativen Überzeugung zur Arbeit festhalten wollen, statt nach dem Jobglück aktiv zu greifen. Warum tun sich selbst solche Fachleute mit dem Gedanken schwer, dass Zusammenarbeit in einem Unternehmen auch den Beteiligten Freude bereiten kann, dass Arbeit auch Energie geben kann, statt sie nur abzusaugen?

Wir werden uns der Frage, warum das Thema Jobzufriedenheit so viel Misstrauen erregt, später ausführlich widmen. Zuvor will ich Sie im nächsten Abschnitt noch mit einer weiteren Erkenntnis konfrontieren.

1.5Lebensglück – die vierte und wichtigste Erkenntnis

Bei genauem Hinschauen ist Arbeitszeit nicht ein Teil der Lebenszeit, sondern vielmehr der überwiegende Teil im Erwachsenenleben. Ziehen wir von den 24 Stunden am Tag acht Stunden für die Nachtruhe ab, bleiben nur noch 16 Stunden übrig. Rechnen wir auch noch die Arbeitszeit sowie den Weg zur Arbeit mit Heimweg ab, bleiben vier bis sechs Stunden übrig. Das ist die Zeit, die wir für Familie, Beziehung, Freunde und Hobbys haben. Und ja, essen müssen wir auch noch. Ganz zu schweigen vom Haushalt, der sich nicht von alleine macht.

Die meiste Zeit verbringen wir also mit unserer Arbeit, mit den Kollegen und unseren Vorgesetzten. Wenn Sie so wollen, arbeiten wir unter der Woche viel mehr, als dass wir unserem Privatleben nachgehen. Lassen Sie den Gedanken mal auf sich wirken: Wir verbringen mit unseren Arbeitskollegen und Vorgesetzten in der Woche mehr Lebenszeit, als wir mit unserem Lebenspartner teilen. Obwohl das einleuchtend ist, macht man es sich viel zu selten bewusst. Doch wenn man sich auf diese Bewusstwerdung einlässt, erkennt man, wie sehr unser privates Glück von dem, was wir von unserer Arbeit halten, abhängt: „Wer mit seiner Arbeit zufrieden ist, weist eine überdurchschnittliche Lebenszufriedenheit auf!“5

Denken wir die Sache weiter, können wir sagen: Je höher Ihre Arbeitszufriedenheit ist, desto höher ist der Grad Ihrer Lebenszufriedenheit.6 Das führt uns zur vierten und zugleich wichtigsten wie auch erschreckendsten Erkenntnis:

Je frustrierter Sie im Job sind, desto frustrierter sind Sie in Ihrem ganzen Leben!

Diese Erkenntnis ist der Knaller! Dass die Arbeitszufriedenheit sehr starke Auswirkungen auf das gesamte Lebensglück hat, ist die größte aller vier wichtigen Erkenntnisse. Die gute Nachricht: Hin und wieder merken wir selbst, dass es so ist. Die schlechte Nachricht: Wir ziehen sehr selten Konsequenzen aus dieser Erkenntnis. Wir lassen uns dabei die Chance entgehen, glücklich im Beruf zu werden und damit dem ganzheitlichen Lebensglück näher zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit, berufsbedingt (oder durch den als unangenehm empfundenen Arbeitsalltag in stärkerem Maße) krank zu werden, steigt. Beides ist nicht gut für uns: ständiges Kranksein wie auch eine Unzufriedenheit, die einen Schatten auf unser ganzes Leben wirft. Zugegeben: Wir können es verschmerzen, mal zwei Wochen lang krank zu sein, aber ständig unglücklich zu sein, als wäre Unglück ein Normalzustand, das hat schon eine ganz andere negative Qualität. So etwas führt zur Totalpleite unseres Lebens. Die Jahre, die wir mit dem Unglücklichsein im Beruf und im Privaten verbracht haben, bekommen wir leider nicht mehr zurück. Wir müssen einen Weg finden, positivere Denk-, Handlungs- und Haltungsoptionen wahrzunehmen. Wir müssen unsere negative Programmierung durch eine belebende Programmierung ersetzen. Das ist harte Arbeit, doch die gute Nachricht ist: Wir alle haben es selbst in der Hand, und wir sind in der Lage dazu. Wir schaffen das!

Was machen Menschen nicht selten, wenn sie im Leben frustriert sind? Sie lesen einen Lebensratgeber. Sie können aus hunderten von Lebenshilfe-Angeboten wählen. Alle versprechen Ihnen mehr Lebensglück. Und raten Sie mal, welcher Themenbereich in diesen Lebensratgebern häufig fehlt! Ja, unfassbar, es fehlt häufig das Thema Arbeit. Es fehlt ausgerechnet der Lebensbereich, von dem wir gerade gelesen haben, dass er unsere Lebenszufriedenheit erheblich beeinflusst.

Wenn das Thema Arbeit mal angerissen wird, dann wird gesagt, dass zu viel Arbeit nicht gut sei und dass wir einen Ausgleich zur Arbeit finden müssten. Im Prinzip unterschreibe ich diese Feststellung, doch ich weiß, dass sie leider nicht hilfreich ist. Jede Maßnahme zum Ausgleich, jede Work-Life-Balance-Unternehmung hilft uns nämlich nur kurzfristig. Sie ändert am grundsätzlichen Unfrieden, der zwischen uns und dem Berufsleben steht, überhaupt nichts.

Denn wenn wir uns vor Augen führen, dass wir bei der Arbeit die meiste Lebenszeit verbringen, müssen wir davon ausgehen, dass es besser ist, glücklich bei der Arbeit zu werden, dass es besser ist, die Arbeit gerne zu machen, als sie ungern zu machen und anschließend nach einem schlechten Arbeitstag einen Work-Life-Balance-Dienstleister aufzusuchen. Ich will sagen: Machen Sie ruhig regelmäßig Yoga, aber wenn Sie es versäumen, in Erwägung zu ziehen, sich eine für Sie passendere Arbeitsstelle zu suchen, wird Ihnen das Yoga langfristig nicht helfen.

Es ist unfassbar, geradezu eine gesellschaftliche Tragödie, dass Sie in einer Buchhandlung regalweise Bücher über die Gestaltung und Optimierung Ihres Lebens finden, aber nur wenig Aufbauendes zum Thema Zufriedenheit im Job. Und wenn Sie mal etwas finden, dominieren in der Buchhandlung zynische Buchtitel wie: „Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?“ oder „How to survive Scheißjobs“.

Machen wir uns nichts vor, wenn wir die meiste Zeit bei der Arbeit und mit unseren Arbeitskollegen verbringen und nachgewiesen ist, dass Jobfrust unser Lebensglück verringert, so müsste der Schwerpunkt in der Ratgeber-Literatur genau umgekehrt sein.

Machen wir uns bewusst, wie eine Unglücksspirale durch Unzufriedenheit im Job zustande kommt: Wenn Sie frustriert von der Arbeit nach Hause kommen, raten Sie mal, wie es weitergeht? Werden Sie freudestrahlend Ihren Kindern und Ihrem Partner in die Arme fallen? Werden Sie für alle ein offenes Ohr haben und gelassen den Feierabend mit Ihren Liebsten genießen?

Nein, natürlich nicht. Ihre miese Laune lassen Sie (wenn auch ungewollt) an Ihrem Partner oder an Ihren Kindern aus. Die sind dieses Verhaltensmuster mittlerweile von Ihnen gewohnt und reagieren entsprechend genervt. Und so erleben Sie im schlimmsten Fall jeden Tag einen solchen Partnerschafts- und Familienterror. Damit wir nicht an falscher Stelle nach Problemlösungen suchen, sollten wir uns vergegenwärtigen:

Stellen wir uns vor, Sie hätten es geschafft, Ihre Arbeitszufriedenheit wiederherzustellen. Dann gehen Sie erstens nicht mehr mit mieser Laune zur Arbeit und kommen zweitens auch mit guter Laune nach Hause zurück. Sie können jetzt tatsächlich Ihren Kindern und Ihrem Partner strahlend und liebevoll in die Arme fallen. Es fiele Ihnen leichter, sich der Probleme des Tages anzunehmen und gemeinsam zu ihrer Lösung beizutragen. Sie hätten im Ergebnis weniger Probleme und würden überzeugt sagen können:

Wir sind nicht zu blöd, um im Job zufrieden zu werden. Wir haben als Gesellschaft eine Prägung angenommen, die hinderlich für uns ist. Weil eben so viele von uns auf das Arbeitswelt-Bashing abfahren, haben wir den Eindruck gewonnen, es sei normal, unglücklich zur Arbeit zu gehen. Wir haben über Jahrzehnte eine „Denke“ angenommen, ohne sie wirklich zu überprüfen. Aber wie können wir unsere Denke über die Arbeit ändern?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns erst deutlich machen, wie fundamentale Veränderungsprozesse überhaupt funktionieren. Ich beschreibe Ihnen einmal einen solchen Prozess anhand eines uns allen bekannten Beispiels: der Finanzkrise.

Schon lange vor den ersten Katastrophenmeldungen war klar, dass es Länder in der Europäischen Gemeinschaft gibt, die jahrzehntelang mehr Geld ausgegeben haben als eingenommen und dadurch immense Schulden aufhäuften. Erst, als Staaten wie Portugal, Spanien und Griechenland kurz vor der Pleite standen, wurde verkündet, dass wir in einer Finanzkrise stecken. War sie vorhersehbar? Ja, offensichtlich. Aber warum hat niemand diese Entwicklung ernst genommen und frühzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet?

Um dies zu verstehen, müssen wir begreifen, wie Veränderungsprozesse funktionieren. In der Veröffentlichung „Das Buch des Wandels“ beschreibt der Zukunftsforscher und Autor Matthias Horx genau diesen Veränderungsprozess und dass dieser immer in drei Schritten abläuft.7

Erster Schritt: Wenn überhaupt irgendetwas an Veränderung, an Verbesserung erreicht werden soll, müssen wir als erstes erkennen, dass es ein Problem wirklich gibt – in unserem Beispiel eben, dass es überhaupt eine Krise in den Staatshaushalten der besagten Länder gibt. Ohne Anerkennung dieser Krise, gibt es keinerlei Veränderungsbereitschaft. Erst wenn wir akzeptieren, dass wir in einer (Finanz-) Krise stecken, erst dann kommen wir zu Schritt zwei.

Zweiter Schritt: Wir müssen uns fragen, woher diese Krise eigentlich kommt. Wir stellen uns diese Frage nicht, wenn wir der Auffassung sind, dass wir gar keine Krise haben. Also, wie gesagt, wir müssen erst anerkennen, dass wir in einer Krise stecken (Schritt 1) und dann sind wir erst bereit herauszufinden, wie wir in diese Krise hineingeraten sind.

Dritter Schritt: Im dritten Schritt ist die Frage zu beantworten, welcher Weg aus der Krise wieder herausführt. Hier wird deutlich: Zu verstehen, wie wir herauskommen, setzt voraus, dass wir verstanden haben, wie wir hineingeraten sind, also woher die Krise kommt. Das wiederum geschieht erst, wenn wir uns selbst eingestehen, dass wir überhaupt eine Krise haben.

Bei der Finanzkrise ist der erste Schritt über viele Jahre verweigert worden. Über Jahrzehnte wurden das Anhäufen von Schuldenbergen als normal angesehen. Natürlich haben einige wenige angemerkt, dass dies langfristig nicht gut gehen kann. Die Mehrheit blieb leider dabei, dass es halt so ist, wie es ist, es machen ja schließlich alle (Länder) so.

Man hätte auch Jahre vorher die Krise anerkennen und sich fragen können, woher sie kommt. Wenn man aber hoch verschuldete Haushalte nicht als kritisch ansieht, beginnt man auch nicht mit Schritt zwei und kommt schon gar nicht zu Schritt drei, wirklich etwas zu verändern.

Auf die Idee, aufzuhören, mehr Geld auszugeben, als man einnimmt, hätte jeder kommen können. Nur muss man eben erst darauf kommen, dass es eben nicht normal sein darf, Defizithaushalte anzuhäufen. Man hätte ruhig früher den negativen Zustand, der sich im kollektiven Bewusstsein als normaler Zustand getarnt hatte, auf den Prüfstand stellen sollen.

Dieser von Horx beschriebene Mechanismus von Veränderungsprozessen gilt für gesellschaftliche wie für einzelne Unternehmen, die etwa in einer wirtschaftlichen Krise stecken. Aber er gilt auch für Partnerschaften und einzelne Personen, die in einer Jobkrise stecken.

Nach diesem Schema ist dieses Buch aufgebaut. Wir erkennen erstens an, dass wir ein Problem haben. Zweitens fragen wir uns, woher es kommt, und im dritten Schritt suchen wir die Lösung, die uns aus der Krise herausführt.

Solange wir aber darauf beharren, dass Arbeit schrecklich ist, wir täglich dabei Frust einsacken und bereit sind, ihn hinzunehmen und ihn sogar als normal anzusehen, haben wir auch kein Krisengefühl und damit auch keine wirkliche Veränderungsbereitschaft.

Wenn wir glauben, dass es normal ist, dass Arbeit keinen Spaß macht, kommen wir erst gar nicht zu Schritt zwei, also zur Frage, warum wir keinen Spaß an der Arbeit haben. Und wir kommen dann schon gar nicht zur Frage, wie wir es ändern können.

Wir sollten uns endlich der Tatsache stellen, dass es so nicht weitergehen kann und wir in einer tiefen Jobzufriedenheits-Krise stecken. Wenn wir diese Krise aber nicht sehen (wollen), müssen wir eben weiterhin darin stecken bleiben – tragisch, aber selbst verursacht.

Der Weg zum Jobglück wird kein einfacher sein. Wir müssen unsere tief verborgenen Hemmnisse anschauen, die uns daran hindern, unser Jobglück zu entfalten. Dazu werde ich mit Ihnen eine Reise durch Ihre Psyche machen. Sie werden sich Ihre eigene Grundprogrammierung zum Thema Arbeit ansehen können und erkennen, welche Auswirkungen sie auf Ihre Zufriedenheit hat. Bitte erwarten Sie nicht auf den ersten Seiten dieses Buches Tipps zum Glücklichwerden. Sie müssen zunächst den Mechanismus dazu verstanden haben. Wie wir zufrieden werden, hat etwas mit Grund-„Einstellung“ zu tun. Sie muss „eingestellt“ werden. Deshalb beschreibe ich unser Vorgehen auch gerne als eine Reise durch unsere „Zufriedenheits-Psyche“, durch unser Bewusstsein und durch unsere tief verankerten Überzeugungen zum Thema Arbeit.

Beginnen wir nun unseren Veränderungsprozess in Richtung Jobzufriedenheit mit dem ersten Schritt, und zwar mit der Frage: Sind wir in einer Jobzufriedenheits-Krise? Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Wie kommen wir als Gesellschaft überhaupt zur Grundüberzeugung, Arbeit sei ein leidiges, aber notwendiges Übel? Warum ist diese Überzeugung so tief in unserer Gesellschaft verankert?

Vor allem interessiert uns aber auch die Frage, welche Irrtümer sich aus diesen gesellschaftlichen Überzeugungen ergeben. Die Irrtümer zu identifizieren, ist der Schlüssel, das Problem zu erkennen und die Krise anerkennen zu können.

2.1Die Überzeugungen mancher Unternehmen – wie doof ist das denn?

Machen wir uns nichts vor: Es gibt viele Unternehmen, die eher unmenschlich mit der Ware „Humankapital“ umgehen. Dieser neue eingedeutschte Ausdruck beschreibt treffend, worum es in vielen Personalabteilungen tatsächlich nur noch zu gehen scheint. Es ist nicht mehr der Mensch und die Beziehung zum eigenen Unternehmen. Der Mitarbeiter wird auf einen Geldwert reduziert. Es wird in diesem Kontext so getan, als gäbe es keinerlei Verpflichtung menschlicher Art, sondern nur eine Aufgabe: Die kurzfristige Gewinnmaximierung mithilfe der angestellten Menschen.

Dieser Wahnwitz wird mittlerweile öffentlich gemacht. Da gibt es Bücher über die Führungsmethoden namhafter Lebensmitteldiscounter8, die unglaubliche Zustände beschreiben. Dass solche Beispiele nicht gerade förderlich in Sachen Arbeitszufriedenheit sind, erschließt sich von selbst.

Aus meiner Sicht „leben“ viele Unternehmen (leider) Überzeugungen, die sich als eklatante Irrtümer herausstellen. Zwei dieser grundlegenden Überzeugungen sollten wir uns bewusst machen:

Die erste Überzeugung ist: „Unternehmen können nur erfolgreich sein, wenn Mitarbeiter durch Druck, Verbreitung von Angst, der Androhung von Sanktionen motiviert und angetrieben werden.“

Mit anderen Worten: Zur Steigerung der Leistungen der Mitarbeiter werden Druck, Macht und andere bedenkliche Methoden, wie Einschüchterung und Denunzierungen systematisch angewendet.

Um das bereits an dieser Stelle zu verdeutlichen: Dies ist gegen meine eigene Überzeugung und Praxis als Unternehmer. Aber viele Unternehmen, die dies so praktizieren, sind leider auch erfolgreich damit. Sie kommen dummerweise nicht darauf, dass es auch ohne Druck- und Machtausübung und damit menschlicher funktioniert. Wie schade!

Die zweite Überzeugung und der damit einhergehende riesige Irrtum ist: „Viele Unternehmen glauben, Mitarbeiter müssen nur funktionieren.

Hier interessiert der menschliche Faktor, die Menschlichkeit, nicht wirklich, sondern nur die reine Arbeitskraft. Denkt ein Unternehmen so, überrascht es nicht, dass niemand sich dem Unternehmen zugehörig fühlt, sich mit ihm identifiziert und bei der Arbeit wirklich zufrieden ist.

In den nachfolgenden Kapiteln hören Sie noch einiges von Unternehmen mit dieser Denke. Solange der Glaube anhält, dass ein Verlassen dieser „menschenunfreundlichen und rein gewinnoptimierten Führungsmethode“ den wirtschaftlichen Erfolg ruiniere, wird sich der Umgang mit den Mitarbeitern solcher Unternehmen nicht verbessern. Was für ein Irrglaube!

Aber auch Unternehmen, die bereits verstärkt auf Mitmenschlichkeit setzen, tun sich häufig noch schwer damit. Es gibt kaum verlässliche Vorerfahrungen im Sinne von Führungsmodellen. Das Ziel ist klar: der Mitarbeiter soll sich wohl und zugehörig fühlen, unklar ist hierbei der Weg.

Selbst wenn Unternehmen gute Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen und sich um ihre Mitarbeiter bemühen, gibt es interessanterweise dennoch Mitarbeiter, die ausgesprochen unzufrieden sind. Wie ist das zu erklären?

Kann es sein, dass die gesellschaftliche Überzeugung „Arbeit nervt, man kann mit ihr nicht glücklich werden“ sich auch durch andere Einflüsse in die Köpfe der arbeitenden Bevölkerung eingeschlichen hat?

2.2Die gesellschaftlichen Überzeugungen – wie konnte uns das passieren?

Ein erheblicher Einflussfaktor auf die individuelle Arbeitszufriedenheit oder -unzufriedenheit ist die Verankerung von wertenden Urteilen über Arbeit in unserer Gesellschaft. Wir können es unsere „gesamtgesellschaftliche Programmierung“ nennen, unser „Mind set“ zum Thema Arbeit oder einfach nur die tief in unserer Gesellschaft verankerten „Überzeugungen“ und „Glaubenssätze“. Wie wir es auch immer nennen, wir sprechen über unsere gewohnheitsmäßigen Denkweisen, die in unserer Gesellschaft verankert sind. Es sind die festgefahrenen Gedankenmuster, die wir nicht bewusst als unsere „Programmierung“ wahrnehmen. Wir stellen sie daher auch nicht infrage. Dennoch wirken sie aber tagtäglich in Form von Wert-„Urteilen“.

Nun müssen wir uns bewusst machen, dass die Gesellschaft nicht immer mit ihren Überzeugungen und damit auch mit ihren Wert- „Urteilen“ richtig liegen muss. Es ist möglich, dass eine Gesellschaft eine feste Überzeugung über Jahrzehnte gelernt und verinnerlicht hat, diese aber für die Menschen selbst schlecht oder zumindest aus heutiger Sicht schädlich ist.

Einige dieser unglücklichen Überzeugungen werden wir uns nun näher anschauen müssen:

Der Arbeit-ist-Mühsal-Irrtum

Zu arbeiten ist klasse, es macht Spaß und gibt Energie. Die meisten Menschen lieben ihre Arbeit und freuen sich jeden Morgen auf einen weiteren beglückenden Arbeitstag. Voller Vorfreude beginnen sie ihn, und genauso strahlend verlassen sie ihre Arbeitsstätte. Wir sind froh, dass wir sie haben und dankbar dafür, dass wir durch sie ein gutes Leben führen können.

Na, wenn sich beim Lesen dieser Zeilen bei Ihnen Skepsis einstellt, können Sie Ihre vesteckte Überzeugung erahnen. Das Gefühl der Skepsis wird vom Gehirn ausgelöst. Es rebelliert und schlägt Alarm, weil das, was Sie gerade gelesen haben, gegen Ihre inneren (versteckten) Werturteile verstößt.

Dies wird den meisten Leserinnen und Lesern so gehen. Wenn ich behaupten würde, Arbeit wäre so, wie gerade beschrieben, würden Sie mich als Autor wahrscheinlich für verrückt erklären und als Utopisten ansehen, und in jedem Fall würden Sie mir jegliche Kompetenz zum Thema Jobzufriedenheit absprechen.

Hätte ich hingegen behauptet, Arbeit sei anstrengend und belastend, sie mache keinesfalls Spaß, sondern bringe eher Dauerfrust, dass Arbeit mehr Mühsal als Leichtigkeit bedeute und sowieso immer zu gering bezahlt sei, dann würden viele von Ihnen innerlich wahrscheinlich nicken. Sie würden sich von mir voll und ganz verstanden fühlen. Sie würden zu dem Urteil kommen, dass ich als Autor von der Materie Ahnung habe. Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, würden darüber hinaus die Bestätigung erhalten, mit Ihrer skeptischen Haltung über Arbeit genau richtig zu liegen.

Wie schön wäre das für mich, aber würde es Ihnen bei Schritt eins des Veränderungsprozesses helfen, oder wäre es für Sie eine Bestätigung, besser in der Fruststarre zu bleiben?

Sie ahnen, jetzt geht es wirklich ans Eingemachte. Wir müssen uns mit den versteckten Überzeugungen, die in unserer Gesellschaft leider sehr verbreitet sind, beschäftigen.

Die erste Überzeugung, die viele von uns gesamtgesellschafttlich einverleibt bekommen haben, ist die, dass Arbeit Mühsal ist. Arbeit ist demnach immer etwas Verschleißendes, etwas dem Körper Schadendes. Der daraus resultierende Lohn gleicht mehr Schmerzensgeld als gerechtem Lohn. Die Arbeitstage sind der blanke Horror. Man schleppt sich von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub, irgendwie über das Jahr und rettet sich in die Rente. Schon montags ersehnt man den fernen Freitagnachmittag und mittwochs „feiert“ man Bergfest.9

Es ist anzunehmen, dass spätestens seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert der Stachel der manifesten und latenten Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft in unserem Fleisch steckt. Die gesellschaftlich tradierte Überzeugung heißt: „Arbeit ist Mühsal und sowieso Ausbeutung!“

In unseren gesellschaftlichen Überzeugungen ist die Arbeit als Mühsal tief und fest verankert, ohne dass es uns in dieser Form bewusst ist.

Damit ist nicht gesagt, dass in der heutigen Arbeitswelt pauschal betrachtet alles besser und einfacher ist, als es noch vor 100 Jahren bei unseren Urgroßmüttern und Urgroßvätern war. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob die Erfahrungen von vor 100 Jahren, dass Arbeit kräfteund körper(ver)zehrend ist und eine einzige Mühsal darstellt, in unseren Genspeicher aufgenommen wurde oder zumindest in unserem gesellschaftlichen Gedächtnis als Vermächtnis implantiert wurde.

Früher haben unsere Vorfahren 60 Stunden an sechs Tagen in der Woche gearbeitet. Jahresurlaub beschränkte sich auf wenige Tage. Krankheit wurde so manches Mal mit Kündigung geahndet. Man schleppte sich lieber krank zur Arbeit, als die finanzielle Existenz seiner Familie zu gefährden.

Arbeitsschutz, Mutterschutz oder andere, später im Interesse des Menschen entstandene Instrumente waren noch unbekannt. Im Alter von 60 waren die Menschen damals bereits verbraucht.

Ein konkreteres Beispiel: Wenn in den 60er-Jahren ein Arbeiter in einem Motorenwerk eines Automobilherstellers einen Motorblock in die Karosserie hineinwuchtete, war das Raubbau am Körper des Arbeiters. Nach zehn bis 15 Jahren war der Arbeiter körperlich ruiniert. Genau das haben wir erlebt. Sie selbst haben es vielleicht bei Ihren Großeltern mitbekommen, dass die Arbeit sie einfach verschlissen hat. Demnach ist es zumindest eine völlig korrekte Schlussfolgerung, dass Arbeit Mühsal bedeutet und kräftezehrend ist. Und diese Überzeugung ist in unsere DNA eingebrannt. Und heute kommt „der Arbeiter“ vom Montageband nach Hause und hat auch „schwer“ gearbeitet, obwohl er die Motoren im Pilotensessel sitzend, mittels Lastenkran und Joystick per Hydraulik in den Motorraum hat hieven lassen.

Beeindruckend, was die Gewerkschaften über viele Jahrzehnte für den Arbeitnehmer erreicht haben: In der Zeit von Mitte der 50er- bis Mitte der 70er-Jahre wurde die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden weiter auf 40 herunterverhandelt. In dem Zeitraum von 1960 bis Anfang der 80er-Jahre wurde der Urlaubsanspruch etwa in der Metallindustrie von damals drei Wochen auf sechs Wochen pro Jahr verdoppelt. Sie haben sich Themen wie Arbeitsschutz, Mutterschutz und Modellen der Teilzeitbeschäftigung angenommen und vieles mehr erreicht. Natürlich fiel es ihnen nicht einfach so zu. Nein, die Gewerkschaften mussten es für ihre Mitglieder erstreiten, und das hörten wir täglich in den Medien. Diese Berichte klangen nicht nach dem Motto „Arbeit ist so leicht, lass uns mal die Löhne erhöhen und den Urlaub verdoppeln“. Nein, es geschah immer vor dem Hintergrund, dass Arbeit belastet und von daher verkürzt werden muss.

Deshalb schwingt aus meiner Sicht bis zum heutigen Tag mit, dass Arbeit ja so schrecklich ist. Arbeit sei immer noch so verschleißend wie vor hundert Jahren. Aber ist das wirklich so? Egal, die Überzeugung steckt offensichtlich noch immer in unseren Körpern oder besser gesagt in unserem Unterbewusstsein. Und deshalb wird Arbeit auch noch so schrecklich bewertet.

Natürlich dürfen wir nicht vergessen, dass in den letzten Jahren in den Jobs die Anforderungen vielfältiger wurden, die Komplexität gestiegen ist und der psychische Druck zugenommen hat – keine Frage. Auch haben heutige Arbeitgeber Probleme aufgrund der einseitigen Beanspruchung des Körpers: Schreibtischarbeit führt zu Haltungsproblemen, unser Körper ist auch nicht dafür gemacht, hunderttausende Mausklicks am Tag durchzuführen. Hier geht es allerdings um die Frage des totalen Verschleißens des menschlichen Körpers. Dieser Tatbestand hat in den letzten Jahrzehnten tatsächlich in vielen Branchen stark abgenommen, aber die unbewusste Überzeugung steckt noch in uns. So kommt es zum Beispiel, dass viele heutige Arbeitnehmer lieber über ihren Tennisarm – auch „Mausarm“ genannt – und das „Malochen“ am Schreibtisch klagen, als eine ergonomische Computermaus zu bestellen, die die Sehnen des Unterarms schont. Solche Mäuse funktionieren gut. Aber sie funktionieren nicht, wenn man über das Malochen schimpft, anstatt ein solches besseres Arbeitsgerät zu bestellen oder zu beantragen.

Machen wir uns nichts vor. Die körperliche Arbeit ist heute immer noch anstrengend. Keine Frage. Aber früher war es grausam, heute ist es das nicht mehr. Unser Problem ist, dass wir Arbeit immer noch durch die Brille der Grausamkeiten betrachten, obwohl sie längst nicht mehr grausam, sondern vielleicht „nur“ noch anstrengend ist. Aber war die körperliche Arbeit nicht immer anstrengend? Muss deswegen Arbeit immer noch ein Fluch sein?

Warum kann Arbeit nicht ein bestmöglicher Weg sein, um sich eine gute Wohnung, genug Essen, ein Auto, Hobbys und noch vieles mehr leisten zu können?

Wenn wir die Sache genauer betrachten, sehen wir im Gegenteil, dass manche Arbeitnehmer sogar einen „Luxusarbeitsplatz“ innehaben. „Luxusarbeitsplatz“ bedeutet: Arbeitnehmer haben gute flexible Arbeitszeiten, verdienen gutes Geld, haben keinen hohen Arbeitsdruck und können auch während der Arbeitszeit schon einmal das ein oder andere Private erledigen. Kurzum: Sie arbeiten unter fantastischen Bedingungen. Und trotzdem beobachten wir, dass auch diese Arbeitnehmer extrem unzufrieden sein können. Sie fühlen sich nach sieben Stunden freiester möglicher Arbeitsgestaltung und dem Luxus, während des Arbeitstages private Dinge erledigt zu haben, dennoch total ausgelaugt und kaputt.

Ich möchte es noch einmal betonen: Je nach Aufgabe ist die Arbeit auch heute noch anstrengend. Es erfordert viel Motivation und Kraft, ihr gerecht zu werden. Aber: Sie hat in jedem Fall das Gesicht der Mühsal und Körperaufzehrung verloren, oder?

Der Work-Life-Balance-Irrtum

Seit vielen Jahren geht durch den Buchmarkt ein Heer von Büchern, die uns darüber aufklären wollen, wie eine Ausgewogenheit von Arbeitsleben und privaten Bedürfnissen zu erreichen sei. Doch nicht nur in der Ratgeberliteratur, auch in den Erholungsangeboten, die uns täglich anspringen, geht dieses Gespenst um. Die Gegenüberstellung von Arbeit und Leben erinnert – wie bereits angedeutet – an einen Boxkampf zwischen Gut und Böse, zwischen den größtmöglichen Gegensätzen überhaupt, zwischen schwarz und weiß.

Eine Gegenüberstellung von Privatleben und Arbeit selbst ist nicht falsch. Fatal ist eben, dass schon allein der Begriff Work-Life-Balance suggeriert, Arbeit sei so schrecklich belastend, dass man im Privatleben ein Gegengewicht produzieren müsse, um sie ertragen zu können. Mit anderen Worten: Es gibt zu diesem Thema hunderte von Büchern, die eindrucksvoll und eindeutig darlegen, dass Arbeit so belastend ist, dass ein jeder hierzu ein Gegengewicht schaffen muss. Ich habe keinesfalls etwas gegen Achtsamkeitskurse oder Selbstverwirklichung, doch es ist schade, wenn Achtsamkeit und Selbstverwirklichung zu einem schlichten Gegenmittel gegen die Arbeit verkommen. Sich in Achtsamkeit zu üben ist gut, aber sie sollte auch am Arbeitsplatz willkommen sein. Ist es wirklich so abwegig, dass ein Angestellter am Arbeitsplatz gegenwärtig ist und sich dem Augenblick, etwa einem Kundengespräch, achtsam hingibt? Und ist es wirklich völlig ausgeschlossen, dass jemand sich im Beruf selbst verwirklicht? Dass er hier etwas erreicht, was seiner Seele Auftrieb gibt? Mit dem richtigen Job geht das.

Natürlich stimmt diese unheilvolle Trennung von Arbeit und Leben nicht. Arbeit und Leben gehören zusammen. Die Trennung halte ich für die Erfindung einer Industrie, die aus der Unzufriedenheit der arbeitenden Menschen Nutzen zieht. Aus meiner Sicht ist es verheerend, das Thema Arbeit in so ein grauenvolles und falsches Licht zu rücken.10 Das Urteil, Arbeit sei schrecklich, wird in einen Betonklotz einzementiert und so dauerhaft konserviert. Arbeit wird gegen das Leben ausgespielt, als handele es sich um Folter. Die Last der Arbeit soll durch meditative Retreats oder durch ein wahnwitzig aufgepumptes und actiongeladenes Leben vom Freitag- bis zum Sonntagabend und in den Urlauben überstrahlt werden.11 Oder man entscheidet sich für ein Wellness-Wochenende, die Möglichkeiten sind unbegrenzt.

Ein Wellness-Wochenende ist nicht die Lösung, sondern nur die Ablenkung vom Problem der Unzufriedenheit im Job.

Während es noch in meiner Jugendzeit hieß, „Wir arbeiten, um zu leben“ heißt es heute wohl eher: „Wir leben so intensiv wie möglich, um so die grausame, lebensbelastende Arbeit zu vergessen.“

Und so bekommen wir unter anderem durch die lebensberatende Literatur eindrucksvoll vermittelt, dass Arbeit schrecklich sei und unser Leben belaste.

Es wirkt bei genauerer Betrachtung sogar leicht schizophren12: Auf der einen Seite sind wir nur glücklich außerhalb der Arbeit, und auf der anderen Seite verbringen wir aber die meiste wache Lebenszeit bei der Arbeit. Schon vom Ansatz aller denkbaren Lösungsmöglichkeiten müsste doch einleuchten, dass die Freizeit, wie auch immer sie gestaltet sein mag, kein effektiver Ausgleich zur Arbeit sein kann. Es macht überhaupt keinen Sinn, den kleinen Teil des Privatlebens zu optimieren, auf den Urlaub oder die Rente zu warten, aber den Großteil der beruflichen Lebenszeit innerlich abzulehnen und zu verdrängen.

Der „Je-bekloppter-die-Gesellschaft-umso-bekloppterdie-Arbeit“-Irrtum

Seit vielen Jahren hören wir immer wieder etwas von einem gesellschaftlichen Wertewandel. Aus meiner Sicht ist damit viel eher der Verfall unserer Werte gemeint, als der Wandel unserer Werte. In diesem Zusammenhang konnten wir in der letzten Zeit von einigen Bundespolitikern in den Nachrichten hören, wie sie diese Entwicklung als „Teilverrohung der Gesellschaft“ bezeichneten.

Wie es scheint, sind wir in einer Ellenbogengesellschaft mit neuen Lebensprinzipien angekommen. Mehr als jeher gelten Prinzipien wie „Dreistigkeit siegt!“ oder „Der Ehrliche ist der Dumme!“. Das gesellschaftliche Klima scheint sehr viel vergifteter zu sein als je zuvor. Wenn sich aber eine Gesellschaft in diese Richtung entwickelt, muss man sich bewusst machen, dass solche neuen Lebensprinzipien nicht nur existieren, sondern dass auch diese Ellenbogengesellschaft in unseren Unternehmen vertreten ist. Auch dort werden rohe Verhaltensweisen gelebt.

Kann der Mitarbeiter dann überhaupt noch wissen, warum er unzufrieden ist? Liegt es am schlechten Job, dass er die Arbeit als schlimm empfindet, oder an den Kollegen und Vorgesetzten mit den „neuen“ Lebensprinzipien?

Mit anderen Worten: Wenn es durch den verheerenden Werteverfall in der Gesellschaft dazu kommt, dass sich die Menschen in den Unternehmen schlechter behandeln, dann ist es nicht verwunderlich, dass die arbeitende Bevölkerung wieder mal zum Schluss kommt und sich ihre Überzeugung manifestiert, dass Arbeit das Schrecklichste auf Erden sei. Doch man muss sehen, dass die schlechte Entwicklung nicht in der Arbeitswelt ihren Anfang genommen hat, sondern dass hier ein gesellschaftlicher Trend „importiert“ wird.

Der „Papa-hat-gesagt“-Irrtum

Stellen wir uns einmal eine typisch deutsche Familiensituation13 vor: Morgens beim Frühstück kann jeder in der Familie Vater schon ansehen, dass ihn etwas Ungutes erwartet: Die schreckliche Arbeit. Die Mutter versucht ein wenig aufbauend zu wirken, weil sie möchte, dass es allen in der Familie gut geht. Vater ist muffig, wirkt angespannt und verabschiedet sich mit den Worten: „Ich muss jetzt zur Arbeit.“

Was bekommen die Kinder in einer solchen Familie mit? Jetzt kann man die Meinung vertreten, dass Kinder in ganz jungen Jahren die Tragweite oder Ernsthaftigkeit des Lebens nicht wirklich erfassen können. Richtig und falsch. Richtig ist, Kinder können in jüngsten Jahren nicht genau erfassen, warum Mutter oder Vater schlecht drauf sind. Falsch wäre es aber anzunehmen, dass es den Kindern nicht auffallen würde, wenn es den Eltern oder einem der beiden schlecht ginge.

Kinder haben ein feines Gespür für solche Stimmungen. Die Kinder in dieser Familie würden bereits sehr früh erlernen, dass es Vater immer, wenn er an seine Arbeit denkt oder dort hinmuss, nicht gut geht. Nicht etwa, dass der Vater dies den Kindern so vermitteln will. Er ist zuverlässig, fleißig und integer. Auf ihn können sich seine Kollegen und Vorgesetzten verlassen. Er macht eigentlich alles richtig.

Abends sitzt die Familie beim Abendbrot zusammen. Die Mutter fragt: „Wie war der Tag?“ Er murmelt: „So wie immer.“ Die Kinder sehen, dass der Tag nicht gut gewesen sein kann, Papas Gesichtsausdruck und überhaupt, der ganze Körper sagen es. Die Kinder lernen das Unglücklichsein im Beruf.

Was ist das Gegenteil von Arbeit? Es ist der Urlaub. Wenn man schon so viele Opfer für die Arbeit bringen muss, dann muss es auch einen entsprechenden Ausgleich geben. Der Jahresurlaub mit der Familie soll alle Wunden wieder heilen. Aber auch das Thema Urlaub ist mit Stress behaftet. Schon allein der Kampf um die gewünschten Urlaubszeiten („Wer macht wann und wie lange Urlaub?“ … „Eltern mit schulpflichtigen Kindern gehen vor“ und so weiter) endet so manches Mal im Krieg zwischen den Kollegen.

Schon Wochen vor dem Urlaub gibt es nur noch ein Thema: „Bald geht es endlich los!“ Alle sehnen sich nach diesem Urlaub. Eine Woche vor der Abreise ist es dem Vater anzusehen. Er kann nicht mehr. Es ist ihm unmöglich und unzumutbar, noch zu arbeiten. Er hat keine Energie mehr. Er scheint leer zu sein. Er schleppt sich die letzten Tage zur Arbeit.

Endlich ist es so weit. Die längste Wartezeit hat immer irgendwann einmal ein Ende: Der erste Urlaubstag ist furios. Glück pur. Die Aussicht auf zwei endlos scheinende Wochen Urlaub, Ausspannen, Spielen, Lachen und Glücklichsein lassen alle entspannen. Alles ist großartig: Sommer, Sonne, Strand, abends ein Rotwein, das ist der Himmel auf Erden!

Die erste Woche ist ein Traum für alle. Leider aber geht dieser Traum viel zu schnell vorbei. Wo ist die erste Woche geblieben? … Es ist ja nur noch eine Woche Urlaubsvergnügen übrig. … Sieben Tage? Was? Haben wir etwa schon Halbzeit? … Ach du lieber Himmel, nächsten Montag geht der ganze Sch … wieder von vorne los! In sieben Tagen ist alles vorbei! … In sechs Tagen, in fünf Tagen … Noch im Urlaub kippt die Stimmung in Arbeitslethargie.

Vielleicht empfinden Sie diese Beschreibung als überzogene Karikatur? Hören Sie sich mal in Ihrem Bekanntenkreis um, wie die wirklichen Erfahrungswerte sind.

Können Sie sich vorstellen, wie solche Eindrücke auf unsere Kinder wirken müssen? Was müssen Kinder glauben, die in so einem Haushalt groß werden? Die werden sicher der festen Überzeugung sein müssen, dass mit Arbeit nichts als Frust zu gewinnen sei. Arbeit sei schrecklich und laste wie ein Fluch auf uns. Ein weit verbreiteter Spruch der Eltern hierzu ist: „Kind, genieß die Schulzeit, danach kommt nur noch die Arbeit!“

Damit haben die Kinder eine Prägung zum Thema Arbeit erfahren, die sie zu der festen Überzeugung kommen lässt, dass Arbeit nur grauenvoll sein kann und man mit ihr nicht glücklich wird. Und diese Überzeugung erhielten sie fatalerweise schon lange, bevor sie selbst einen Job begonnen haben. Eine schreckliche Prägung, die vielleicht ihr gesamtes Arbeitsleben beeinflussen wird.

Apropos Kinder, stellen Sie sich vor, diese Kinder wurden in den 60er-, 70er- oder 80er-Jahren geboren. Dann sprechen wir nicht von Ihren Kindern, sondern von Ihrer eigenen Kindheit und damit auch vielleicht von Ihrer eigenen Prägung! Ja, Sie dürfen sich ruhig mit diesem Gedanken konfrontieren. Wie waren Ihre Eindrücke, wenn Papa oder Mama zur Arbeit gingen oder über Arbeit sprachen? Wie ist Ihre Prägung? Welche leben Sie Ihren Kindern vor, ohne dass es Ihnen aufgefallen ist?

Lassen Sie uns noch eine weitere typische Familiensituation analysieren: Eines der Kinder befindet sich nach seinem Schulabschluss in einer Lebensphase, in der es darum geht, sich für einen beruflichen Weg zu entscheiden. Reflexartig predigen die Eltern (und auch alle anderen), es solle unbedingt einen Beruf wählen, in dem es glücklich werden kann, der ihm oder ihr Spaß macht.

Tagtäglich und über viele Jahre haben die Eltern aber dem Kind vorgelebt, wie sie dies selbst eben nicht gelebt haben. Und so erwidert das Kind: „Wenn ihr das so wichtig findet, warum ärgert ihr euch dann täglich über euren Job? Warum wechselt ihr ihn dann nicht?“

Auch hier gibt es einen typischen Elternreflex: „Das geht nicht, weil …“ und dann kommen viele wichtige Begründungen, warum man an diesem Arbeitsfrust-Schicksal leider festhalten müsse.

Was meinen Sie, glauben diese Kinder? Das, was die Eltern sagen („Such dir einen Job, der dir Freude bereitet“) oder das, was sie seit Jahren von ihren Eltern mit jeder Faser ihres Körpers vorgelebt bekommen („Heute war’s wie immer schei … “)?

Was, wenn die ganze Gesellschaft findet, dass Arbeit nervt?

Vier stichhaltige Gründe haben wir identifiziert, warum viele Menschen bewusst oder unbewusst zu der Überzeugung gelangt sind, dass Arbeit nervt und man mit ihr nicht glücklich werden kann:

1. Diese Überzeugung ist in unserem Unterbewusstsein über Jahrzehnte eingebrannt und so ist die Mühsal tief und fest dort verankert worden.

2. Wir mussten erkennen, dass selbst die Work-Life-Balance-Literatur, die es auch nur gut mit den arbeitenden Menschen meint, den Gedanken gänzlich vernichtet, dass Arbeit auch etwas Gutes sein oder gar glücklich machen kann. Arbeit ist so schrecklich, dass es angeblich eines Gegengewichtes bedarf, um im Leben „überleben“ zu können.

3. Die wahnwitzigen neuen Lebensprinzipien wie „der Ehrliche ist der Dumme“ oder „Dreistigkeit siegt“ schleichen sich in unsere Gesellschaft und damit auch in die Unternehmen ein. So erleben die Menschen in den Unternehmen diesen Wahnsinn (die „Teilverrohung“) und können schwerlich unterscheiden, ob der Wahnwitz durch den Job oder durch die Wertelosigkeit der agierenden Menschen entsteht.

4. Und zu guter Letzt müssen wir auch noch verkraften, dass die Überzeugung „Arbeit kann nicht nett sein“ durch viele Eltern vorgelebt und von der nachfolgenden Generation verinnerlicht wird. Auch sie handeln mit guten Vorsätzen, aber ohne zu erahnen, wie fatal diese Prägung für ihre Kinder ist.

Was aber passiert, wenn eine Mehrheit eine Minderheit mit einer Meinung konfrontiert? Wie geht diese Minderheit mit der Mehrheitsmeinung um? Bleibt sie bei ihrer Meinung, oder passt sie sich der Mehrheit an?

Diese Frage wurde im Rahmen vieler Konformitätsexperimente untersucht.14 In einer dieser vielen Studien ging es um eine Gruppe von zehn Personen. Neun von ihnen waren vorab informiert, nur eine war die eigentliche Testperson. Sie wusste nichts davon, dass die anderen neun Teilnehmer keine Probanden waren.

Im Versuchsaufbau erhielt die gesamte Gruppe einige unterschiedlich lange Streichhölzer und hatte deren Länge zu beurteilen. Die Aufgabe der neun eingeweihten Mitspieler war es, dem zehnten Testspieler, also dem einzigen Probanden, steif und fest vorzugaukeln, dass alle Streichhölzer exakt die gleiche Länge hätten. Dann wurde beobachtet, wie der Proband damit umging. Obwohl die Streichhölzer erkennbar unterschiedlich lang waren, war zu beobachten, dass bei vielen Testpersonen und der immer gleichen Versuchsanordnung die jeweilige Testperson signifikant häufig die Meinung der neun anderen übernahm, obwohl dies offensichtlich falsch war!

Ähnliche Ergebnisse wurden bei einem anderen Versuch erzielt. Da ging es um neun Personen, die dem zehnten steif und fest vorzumachen hatten, dass die mathematische Aufgabe 4 mal 7 gleich 27 ist. Auch hier „knickten“ signifikant viele Probanden ein. Unsinn setzt sich leider oft durch, wie wir feststellen müssen.

Neun Menschen in einer Gesellschaft meckern darüber, wie dämlich ihr Job ist. Was glauben Sie, zu welchem Ergebnis der zehnte kommt? Da muss man sich schon mal die Frage stellen, wie eigenständig wir unsere Meinungen und Haltungen einnehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie mit einer weiteren Betrachtungsweise zu „versteckten Überzeugungen“ vertraut machen:

Nach dem Prinzip der Resonanz – Gleiches zieht Gleiches an – gestaltet sich das Erleben am Arbeitsplatz genauso, wie wir es vorher vehement glaubten!

Wenn Ihnen der Begriff „Resonanz“ nicht ganz so vertraut ist oder eher esoterisch erscheint, dann ersetzen wir diesen Begriff mit der sich „selbst erfüllenden Prophezeiung“. Aus der Psychologie kennen wir den Umstand, dass, wenn wir nur intensiv genug etwas wiederholen und an etwas glauben, die Tendenz besteht, dass sich dieser wiederholte Gedanke oder der intensive Glaube an etwas tatsächlich realisiert! Wir bekommen nicht das, wovon wir nachts träumen oder was wir uns wünschen, sondern das, wovon wir überzeugt sind! Unsere Überzeugungen realisieren sich!

Jetzt erahnen Sie wahrscheinlich, was eine solche Überzeugung in der Gesellschaft mit der Gesellschaft und jedem Einzelnen von uns macht. Was sehen wir an einem Arbeitsplatz, wenn wir im Kopf haben: „Arbeit ist schrecklich“? Dann hilft uns das Gesetz der Resonanz genau, für diese Überzeugung Beweise zu finden. Zum einen erwarten wir zukünftig nichts Gutes mehr, nehmen zum anderen auch augenblicklich nichts Gutes mehr wahr. Gutes wird überzeugungsgemäß weggefiltert. Negatives springt uns aber förmlich an: „Worauf du deine Aufmerksamkeit lenkst, ist, was du kriegst!“15

Worauf muss sich ein Sportler konzentrieren, um zu siegen? Mehr auf die sehr wahrscheinliche Niederlage (nur einer steht am Ende oben auf dem Treppchen), oder auf die Überzeugung vom Sieg? Was meinen Sie?

Worauf konzentrieren sich arbeitende Menschen? Auf ihre Überzeugungen zur eigenen Arbeit. Und wie war die noch gleich?

Das Erschreckende an unserer eigenen Steuerung – an unserem Gehirn – ist, dass es in sich schlüssig bleiben möchte. Das bedeutet, dass unser Gehirn permanent mit der Aufgabe beschäftigt ist, unsere Überzeugungen (Glaubenssätze) beweisen zu müssen. Dabei ist es egal, wie sinnvoll oder unsinnig unsere Überzeugungen sind. Das Gehirn verteidigt sie! Eine Wahnsinnsaufgabe!

Wie absurd das werden kann, können Sie an der Bewertung von Vorgesetzten sehen. Zur Bestätigung der Überzeugung, dass Vorgesetzte unfähig sind, werden in der Wahrnehmung der Mitarbeiter Fehler von Vorgesetzten zehnmal stärker wahrgenommen, als man seine eigenen Fehler wahrnimmt. Man kann auch sagen: Fehler von Vorgesetzten wirken auf den Mitarbeiter zehnmal intensiver, als seine eigenen Fehler. Diese eigenen Fehler werden hingegen eher verdrängt oder als nicht folgeträchtig trivialisiert. Noch besser: Die eigenen Fehler nimmt man im Durchschnitt nur zu einem Zehntel wahr. Damit liegt der Unterschied zwischen der Bewertung des Verhaltens einer Führungskraft und des eigenen Verhaltens bei Faktor 100! Einseitiger kann die Wahrnehmung nicht sein.

Bei einer solch verzerrten Wahrnehmung des Gegenübers und der eigenen Person findet unser Gehirn reihenweise „Beweise“ dafür, dass der Vorgesetzte tatsächlich ein Idiot ist.

Dieses Phänomen erklärt auch, warum viele Menschen erst einmal skeptisch über ein Jobglück sind. Zufriedenheit in der Arbeit sprengt den Vorstellungsrahmen, der sich aus den eigenen Überzeugungen über lange Zeit gebildet hat. Da das Gehirn aber die eigene Überzeugung um jeden Preis beweisen und schützen will, schlägt es Großalarm, wenn da so eine verrückte Idee, wie „Glück im Job“ wider jede Überzeugung um die Ecke kommt. Sofort wird vom Gehirn eine stark emotionalisierte Gegenmaßnahme eingeleitet: „Das kann doch nicht sein!“, und es findet Gegenbeweise, die die Grundüberzeugung wieder zu bestätigen suchen.

Kein Wunder, dass bezüglich der Jobzufriedenheit so viel Skepsis herrscht. Es ist wie mit dem Placebo-Effekt. Da gibt man Menschen, die unter starken Schmerzen leiden, ein „Medikament“ ohne wirksame Inhaltsstoffe, und erreicht damit (statistisch nachweisbar) tatsächlich eine Schmerzlinderung oder gar Genesung. Meist wird Zucker oder Stärke in Tablettenform, in Kapseln oder anderer Form verabreicht. Wichtig ist dabei, dass der davon Patient überzeugt ist, dass dieses Medikament Wirkung bringen wird. Mittlerweile gibt es sogar wissenschaftliche Abhandlungen über Placebo-Operationen an Gelenken, die, obwohl sie nur zum Schein durchgeführt wurden, dennoch positive Wirkungen zeigten.

Hieran können wir erkennen, welch tiefgreifende und spektakuläre Wirkung allein die ureigene Überzeugung auf uns selbst und auf die anderen Menschen hat. Die Wirkung von Überzeugungen und Glaubenssätzen läuft bei jedem von uns unbemerkt im Hintergrund unseres Bewusstseins ab, gemein oder?

Es gibt eine herrliche neuropsychologische Untersuchung16, um zu zeigen, wie unbewusst wir zum einen auf Überzeugungen und zum anderen auf unbewusst wahrgenommene Reize reagieren:

In einer Firmenkantine steht ein großer Kaffeeautomat, an dem sich jeder Mitarbeiter gegen Bezahlung bedienen darf. Die Bezahlung erfolgt nicht per Münzeinwurf in den Automaten, sondern man bezahlt den Kaffee auf Vertrauensbasis, freiwillig in eine separate Münzdose. Sie ahnen es sicherlich schon. Einige bezahlen wirklich, andere nicht. Dann wurde der Versuchsaufbau leicht verändert. Am Kühlschrank, neben dem Kaffeeautomaten wurde ein kleiner Aufkleber angebracht, auf dem nur ein Augenpaar abgebildet war. Das Ergebnis war durchschlagend. Wesentlich mehr Mitarbeiter bezahlten den Kaffee!

Ein Aufkleber kann nicht schauen – logisch. Er ändert auch objektiv nichts an eigenen Grundwerten oder Moralvorstellungen. Das Spannende an dem oben beschriebenen Experiment war, dass die meisten Testpersonen den Aufkleber nach eigenem Bekunden nicht gesehen haben. Nur eine kleinere Gruppe nahm ihn wahr, erkannte aber die Bedeutung nicht und wusste schon gar nicht, welche Auswirkungen der kleine Aufkleber auf das eigene Verhalten haben wird.

Und dennoch hat dieser Aufkleber das Handeln von Menschen wesentlich beeinflusst. Neuropsychologisch wurde durch den Aufkleber im Gehirn der Testpersonen der Schalter „soziale Kontrolle“ umgelegt. Mit anderen Worten: „Benimm dich ordentlich, du wirst beobachtet“. Deswegen haben mehr Personen den Kaffee bezahlt, den sie ohne Aufkleber vielleicht „kostenlos“ genossen hätten.

Hand aufs Herz: Wenn schon ein solch kleiner und unbedeutender Aufkleber einen so großen Einfluss auf unser Verhalten ausüben kann, dann können Sie erahnen, wie stark die Überzeugung „Arbeit ist schrecklich“ auf unsere tägliche Arbeitszufriedenheit Einfluss nimmt und uns täglich herunterzieht. Wir müssen uns ernsthaft fragen: Kann man sich diesem Überdruck der Massenmeinung wirklich entziehen?

Wir können das Ganze auch mal mit einem Bildnis verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten Sonnenblumen züchten. Sie benötigen dazu zunächst ein Feld mit fruchtbarem Boden. Nehmen wir aber an, dass der Boden nicht fruchtbar, sondern durch und durch mit Giftstoffen verseucht ist. Leider ist Ihnen das nicht aufgefallen. Sie waren von der Qualität Ihres Bodens fest überzeugt und kamen deshalb auch nicht auf den Gedanken, ihn vor dem Aussäen zu überprüfen. Sie säen hochwertigen Sonnenblumensamen, pflegen das Feld und sorgen dafür, dass dem Wachstum nichts im Weg steht. Aber nichts wächst. Das, was dabei herauskommt, sind keine goldgelb strahlenden Sonnenblumen, sondern eher ein deprimierendes Ergebnis – wie frustrierend. Genauso verhält es sich mit unserer Zufriedenheit im Job.

Was bitte soll aus unserer Arbeitszufriedenheit werden, wenn die Grundlage der Nährboden aus Überzeugungen, Glaubenssätzen, Resonanzen und sich selbst erfüllenden Prophezeiungen von vorne herein – traditionsbedingt – verunreinigt, vergiftet oder unfruchtbar ist?

Irgendwie erscheint die Arbeit wie eine leichte Erkrankung. Man fühlt sich zwar schlecht, bleibt aber nicht zu Hause. Dieses Sich-schlecht-Fühlen ist zwar chronisch, reicht aber noch nicht aus, um etwas verändern zu müssen. Es fühlt sich eben „normal“ an, man hat sich daran gewöhnt. Man schleppt sich hin. Es reicht nicht, um eine Gesundheitskrise, sprich Krankheit, festzustellen.

Mir ist sehr wichtig zu betonen, dass ich mich nicht für klüger halte, als Sie es sind! Dass Sie sich mit diesem Thema beschäftigen und dieses Buch in Ihren Händen halten, ist ja ein wichtiges Indiz dafür, dass Sie wie ich nach Antworten suchen und Ihnen auch der Schiefstand zur Einstellung zur Arbeit längst aufgefallen ist.

An dem Beispiel mit dem Kühlschrankaufkleber neben der Kaffeemaschine erkennen wir, dass es hier nicht um Klugheit oder Dummheit geht, wer sich wie beeinflussen lässt. Wir sind nicht „blöde“, nur weil unser Gehirn anstrebt, an seiner Programmierung mit aller Kraft und mit subtilen Methoden festzuhalten. Mittlerweile glaube ich zutiefst, dass sich der Einzelne kaum oder nur mit größter Kraftanstrengung von der gesamtgesellschaftlichen Überzeugung über Arbeit distanzieren kann.

2.3Die individuellen Überzeugungen – Selbsttäuschung leicht gemacht

Während wir eben noch im Kollektiv unterwegs waren, um zu untersuchen, welche Überzeugungen wir als Gesellschaft bezüglich Arbeitszufriedenheit haben und welche Irrtümer damit verbunden sind, konzentrieren wir uns nunmehr nur noch auf uns selbst. Was läuft bei jedem einzelnen von uns individuell sozusagen innerseelisch ab?

Konkret: Warum glauben Sie persönlich und wie kommen Sie zu der Überzeugung, dass Arbeit an sich einfach nur blöd ist?

Um es schon vorweg zu sagen: Weil wir uns unsere (schreckliche) Arbeitsrealität so machen! Mir ist völlig klar, dass ich jetzt maßlos provokant auf Sie wirken muss. Aber lesen Sie selbst und überzeugen Sie sich, wie wir uns hinsichtlich unseres Jobglücks regelmäßig selbst sprichwörtlich ins Knie schießen und dann täglich, Woche um Woche, Jahr um Jahr mies gelaunt zur Arbeit humpeln.

Der Gehalts- und Status-Irrtum

Beginnen wir damit, unsere Überzeugungen über Gehalt und Glück unter die Lupe zu nehmen. Fünf Aspekte werden wir dazu durchleuchten und unser Gehirn mächtig zum Glühen bringen. Auch hier erwartet uns so manche das Glück irreführende Überraschung.

1. Der Mehr-Einkommen-gleich-mehr-Zufriedenheit-Irrtum

Ein weit verbreiteter Glaube ist, dass mehr Geld auch mehr Glück bedeutet. Zunächst würden die meisten dieser Äußerung zustimmen. Passt, oder?

Fachleute, die sich mit dem Thema Zufriedenheit und Einkommen intensiv auseinandergesetzt haben, sagen aber etwas ganz anderes: „Wenn Menschen die Armutsgrenze hinter sich gelassen haben, trägt ein höheres Einkommen fast nichts mehr zu ihrem Glück bei!“17

Wie bitte? Ihr auf Konsistenz – besser gesagt: auf Sturheit – getrimmtes Gehirn müsste nun Alarmstufe Rot einleiten, rebellieren und sagen, „Das kann doch gar nicht sein“! Aber ich schieße noch ein Zitat zur Verstärkung hinterher: „Obwohl Länder reicher werden (also das Einkommensniveau der Bevölkerung in den Ländern real steigt, Anm. d. V.), wird die Bevölkerung nicht glücklicher!“ 18

Und natürlich habe ich zur Beweissicherung auch noch einige Studien parat: Richard Layard verweist in seinem Buch19 auf eine Studie, die zeigt, dass, obwohl in den Jahren 1965 bis 2000 das Pro-Kopf-Einkommen in den USA um unglaubliche 110 Prozent real (!) gestiegen ist, die Zahl der „sehr glücklichen Menschen“ gleichzeitig aber beinahe konstant geblieben ist. Das Einkommen verdoppelt sich, die Zufriedenheit aber nicht, das erscheint uns paradox.

Genau dieses Phänomen wurde bereits in den 1970er-Jahren von dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Richard Easterlin beschrieben und ist seitdem in die Wirtschaftsliteratur als sogenanntes „Easterlin-Paradoxon“ eingegangen.20

Mehr Einkommen bedeutet nicht automatisch mehr Glück.

Möglicherweise wird Ihr Gehirn jetzt einwenden, dass dies doch nur in den USA so möglich sei. Schließlich hört man immer wieder davon, dass die Amerikaner eher oberflächlich seien und allesamt ihren hauseigenen Psychiater brauchen. Wenn Sie aber einmal nach Deutschland schauen, wird Ihnen in dem eben bereits zitierten Glücksatlas eine sehr ähnliche Auswertung präsentiert. Darin heißt es: „Während das reale Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in den vergangenen Jahren um mehr als zwanzig Prozent angestiegen ist, ist die empfundene Lebenszufriedenheit (…) sogar eher abgesunken!“ 21

Kommen Sie schon, geben Sie es ruhig zu: Dieses Paradoxon hat Ihr Gehirn schwer getroffen, oder? Denn rein logisch betrachtet sollte doch ein höheres Einkommen auch höhere Glückswerte bescheren, oder?

2. Der schlimme Gewöhnungseffekt

Einige von Ihnen haben vielleicht schon mal von Lottomillionären gehört, die nur wenige Monate nach Auszahlung ihres Gewinns genauso glücklich oder unglücklich waren, wie vor dem Gewinn. Und genau so ist es auch. Man nennt es den Gewöhnungseffekt. Der wirkt natürlich auch bei Gehaltserhöhungen: „Mit der Zeit verliert sich dieses materiell begründete Glück (…). Langfristig hat eine Ausweitung des Einkommens somit nur einen begrenzten Effekt!22

Nach etwa vier Monaten empfindet der Lottomillionär das gleiche Glück, wie vor dem Gewinn! Dieser Gewöhnungseffekt ist nicht nur bei Lottomillionären untersucht worden und regelmäßig nachweisbar. Was glauben Sie, wie lange wohl das Glück über eine Lohnerhöhung über 2,4 Prozent wirkt, wenn die Millionen schon nach vier Monaten vergessen sind?

Als wäre dies alles nicht schon genug, um zu wissen, warum wir so schwierig mit Gehalt zufriedenzustellen sind. Es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Es ist die Anspruchsinflation.

3. Die Anspruchsinflation treibt uns erst recht ins Unglück

Dem „Gewöhnungseffekt“ folgt die Inflation der Ansprüche. Selbst nach einem Millionengewinn im Lotto wollen wir mehr. Es muss mehr sein, mehr werden. Wie es scheint, gibt es kein Genug! Bildlich gesprochen wollen wir nicht nur den kleinen Finger; wir tendieren dazu, sofort die ganze Hand abzureißen. Und das, ohne zu erkennen, dass die „abgetrennte Hand“ uns vielleicht täglich ernährt. „Einkommen ist wichtig für Glück, aber immer mehr Einkommen führt nicht zu immer mehr Glück.“23

4. Gehaltseinschätzung: Die Unfähigkeit zur Selbsteinschätzung garantiert Jobfrust

Im Zusammenhang mit den gesellschaftlichen Irrtümern habe ich Ihnen schon erläutert, dass wir dazu tendieren, eigene Fähigkeiten höher einzuschätzen als die der anderen. Nennen wir es mal die Unfähigkeit zur Selbsteinschätzung oder konkreter: die Tendenz zur Selbstüberschätzung. In aller Regel schätzen wir uns im Job selbst besser ein, als die anderen es tun. Wir möchten demzufolge natürlich auch mehr Geld verdienen, es passiert aber nicht. Eine weitere Quelle zur permanenten Unzufriedenheit?

Tatsache ist, dass die Selbsteinschätzung nicht wirklich zuverlässig funktioniert. „Diese Selbsteinschätzung ist schön für unser Selbstwertgefühl, aber schlecht für unsere Gehaltszufriedenheit.“24

In der Psychologie wird dieser Effekt als „Above-Average-Effekt“ bezeichnet. Er beschreibt die menschliche Tendenz, sich selbst als überdurchschnittlich gut wahrzunehmen. So ergaben Untersuchungen mit Autofahrern, dass 90 Prozent der Befragten sich als überdurchschnittlich gute Fahrer bezeichneten und – bei einer Befragung unter amerikanischen Professoren – 94 Prozent davon überzeugt waren, besser als der Durchschnitt der Kollegen zu sein. Bei der Bewertung der eigenen Arbeitsleistung zeigt sich leider auch der „Above-Average-Effekt“.

Mathematisch ist es unmöglich, dass fast alle über dem Durchschnitt liegen. Aber wer würde sich schon bei seiner Arbeit als unterdurchschnittlich sehen wollen und sich deshalb ein geringeres Gehalt zusprechen? Ich weiß, dass man sich mit solchen Feststellungen unbeliebt macht. Aber ich weiß auch, wie hilfreich es ist, die eigenen Gehaltsvorstellung zu hinterfragen, denn wir können hierdurch zufriedener werden: „Wenn es um unser eigenes Gehalt geht, setzt bei uns oft jeder Sinn für Realität aus.“25

Konkreter formuliert:

Wenn ich mich andauernd besser im Job einschätze als meine Kollegen, aber alle gleich (oder ähnlich) viel verdienen, rase ich direkt auf die Enttäuschung und den Arbeitsfrust zu.

5. Das Tödliche am Gehaltsvergleich

Eine weitere höchst ungünstige Eigenschaft, die uns endgültig unser Gehalts- und Jobglück vermiesen könnte, ist der Vergleich. Wir vergleichen uns. Fast immer, in fast allen Lebenslagen und erst recht beim Gehalt, leider!

Die Zufriedenheit mit dem Gehalt hängt weniger mit der Höhe der Vergütung zusammen, sondern mehr mit dem Glauben, im Vergleich mehr als die anderen zu verdienen. Es geht also häufig nicht um die Frage, ob wir verdienen, was uns zusteht, sondern darum, dass wir mehr als die anderen verdienen, weil wir – natürlich! – mehr als die anderen leisten. So denken wir jedenfalls. Jetzt wird auch klar, warum das Gehalt häufig als zu gering eingeschätzt wird. Es wird immer Kollegen geben, die vermeintlich „schlechter“ sind, aber mit einem höheren Einkommen dafür auch noch belohnt werden. Ein berühmter dänischer Philosoph fand passende Worte hierzu: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der (eigenen, Anm. d. V.) Unzufriedenheit.“26

Unser Wahn, zu vergleichen, fördert unsere Unzufriedenheit im Job und unsere Gewohnheit, Arbeit abzuwerten.

Moderne psychologische Experimente untermauern genau diese Erkenntnis: Man stelle sich beispielsweise vor, man werde vor die Entscheidung gestellt, entweder ein Jahreseinkommen von 30.000 Euro zu beziehen, während die anderen nur über ein geringeres Einkommen von 15.000 Euro verfügen. Oder man stelle sich vor, ein Jahreseinkommen von 60.000 Euro zu beziehen, während die anderen ein höheres Einkommen von 120.000 Euro erhalten. Obwohl die zweite Wahlmöglichkeit ein doppelt so hohes Gehalt offeriert (60.000 statt 30.000), stellt diese Frage die meisten Menschen vor keine leichte Aufgabe. Tatsächlich entschieden sich 50 Prozent (!) der Befragten für nur halb so viel Einkommen (30.000 Euro statt 60.000).27 Und das nur, um unbedingt zu denen zu gehören, die im Vergleich besser wegkommen, auch wenn sie dadurch insgesamt für ihr Leben weniger im Portemonnaie haben. Ist das nicht unglaublich?

In einem Buch von Volker Kitz und Manuel Tusch28 wird das gleiche Phänomen identifiziert und darüber hinaus auch neurowissenschaftlich bestätigt. Statt eines Höchstbetrages an Lohn für die eigene Arbeit, wählen Personen lieber die Variante mit geringerem Einkommen, wenn sie damit aber über den Einkommen ihrer Mitmenschen liegen.

Mit bildgebenden Verfahren haben Wissenschaftler während der Untersuchung die Durchblutung des Probandengehirns gemessen. Dabei wurde die starke Durchblutung des sogenannten Belohnungssystems dann nachgewiesen, wenn der Proband das Gefühl entwickelte, dass die jeweils anderen deutlich weniger Gehalt erhielten als er selbst. Bei gleicher Entlohnung wurde das Belohnungssystem kaum aktiviert.

Wir können darüber hinaus feststellen, dass, sofern man sich benachteiligt fühlt, es latent zu einem Gefühl von Neid kommt. Der Neider sieht eben nur das schöne Blumenbeet vom Nachbarn, nicht aber den Spaten, der darin steckt. Und hierbei ist zu beachten, dass eine Neid-Kultur immer auch eine Frust-Kultur bedeutet.

Na, rebelliert Ihr Verstand immer noch? Spaß beiseite. Wir müssen einsehen, dass wir auch unter dem Gesamtaspekt der Gehaltszufriedenheit unglücklich programmiert sind!

Nicht nur der Irrglaube, dass mehr Gehalt automatisch mehr Jobzufriedenheit bedeute, ist ein Problem. Wir gewöhnen uns, wenn wir eine Gehaltserhöhung erreicht haben, zu schnell an ein höheres Gehaltsniveau und schrauben unsere Ansprüche danach gerne noch etwas höher. Dass wir uns im Vergleich zu Kollegen auf derselben Hierarchiestufe als überdurchschnittlich fit im Job einschätzen und wir es von daher als ungerecht empfinden, „nur das gleiche Gehalt zu erhalten“, ist für uns unbefriedigend. Dass wir uns aber überhaupt vergleichen, ist meist ein Schritt Richtung Unglück. Dasselbe gilt natürlich auch für das Thema „Status“.

Nun will ich Sie nicht dazu anstiften, Ihren Chef um eine Gehaltskürzung zu bitten, um glücklicher zu werden. Nicht im Entferntesten! Auch will ich nicht, dass Sie grundsätzlich darauf verzichten, eine Gehaltserhöhung bei Ihrem Chef zum Thema zu machen. Aber die Frage muss erlaubt sein, in wie vielen Fällen wir uns mit unseren Überzeugungen, Vorstellungen und Ansprüchen hinsichtlich des Gehalts einen Gefallen tun.

Der Opferhaltungs-Irrtum

Stellen wir uns einmal folgende typische Situation im Arbeitsleben vor: Der Chef betritt ein Büro, in dem drei Mitarbeiter arbeiten. Ihnen ist ein Fehler unterlaufen, an dem alle drei Anteil haben. Der Chef macht seinem Ärger Luft. Er hält einen fünfminütigen Vortrag und beschreibt, wie blöde dieser Fehler für ihn und das Unternehmen ist. Er meckert, motzt herum und haut so richtig seinen Ärger heraus. Dann dreht er sich auf dem Absatz um und verlässt die Tür zuschlagend das Büro.

Die drei Mitarbeiter sitzen zunächst sprachlos da. Schauen wir uns mal an, wie jeder einzelne jetzt reagiert.

Die erste Person wird sagen: „So ein Arsch!“ Der Mitarbeiter regt sich darüber auf, was für ein gemeiner Kerl der Chef doch ist. Er habe ja schließlich gemeine Sachen gesagt. Das hätte er nicht tun dürfen. Der Mitarbeiter fühlt sich in hohem Maße ungerecht angemacht, als Opfer der Situation und vor allem als Opfer des Chefs.

Die zweite Person wird sagen: „Der Alte spinnt heute wieder! Der hatte wieder seine wirren fünf Minuten.“ Der Mitarbeiter lässt aber nichts an sich herankommen. Kaum, dass der Chef gegangen ist, ist für ihn die Sache auch schon wieder erledigt.

Die dritte Person wird sagen: „Leute, also der Tonfall ging gar nicht, aber mal Spaß beiseite, sachlich gesehen hat er recht. Da haben wir echt Mist gebaut.“

Eine solche Situation oder ähnliche Vorfälle haben Sie vielleicht schon selbst erlebt oder zumindest von anderen erzählt bekommen. Welche der drei Personen in dieser Geschichte möchten Sie sein? Und nun Hand aufs Herz: Wer von den Dreien sind Sie wirklich?

Wenn Sie sich die jeweiligen Reaktionen vor Augen führen, so werden Sie feststellen, dass jeder der drei Mitarbeiter rein objektiv betrachtet die gleiche Situation erlebt hat. Aber was heißt hier objektiv? Wir erkennen schnell, dass bei jedem der Beteiligten die Wahrnehmung und die anschließende Reaktion offensichtlich höchst subjektiv und damit höchst individuell erfolgt ist!

Wie durch einen unsichtbaren Filter aus Einstellungen, Tagesstimmungen, Glaubenssätzen und Überzeugungen wurde der Auftritt des Chefs sehr unterschiedlich wahrgenommen.

Wie Sie schon wissen, kann bei einer negativen Überzeugung unmöglich eine positive Bewertung der Situation erfolgen. Dafür sorgt unser Gehirn, das immer konsistent sein möchte.

Als Gesprächsanalytiker bin ich geschult, anhand verbaler Reaktionen abzuleiten, welche Stimmungen und ganz besonders welche Programmierung und welche Überzeugungen bei meinem Gesprächspartner vorliegen. An dem, was die Beteiligten äußern, ist abzulesen, welche Überzeugung ihre Wahrnehmung bisher beeinflusst hat.29

Entscheidend ist an dieser Stelle die Frage: Bei welchem der drei Angestellten nimmt die Arbeitszufriedenheit den größten Schaden? Wem hat der Ausraster des Chefs nicht nur die Laune, sondern sogar den ganzen Arbeitstag ruiniert? Wer von den Dreien humpelt am Abend mies gelaunt nach Hause?

Während sich die zweite und dritte Person nicht die Laune haben verderben lassen, meckert die erste Person eine ganze Menge. Sie sieht sich als Opfer des Chefs. Ihr Tag ist gelaufen. Ihr Tag war für die Tonne.

Und jetzt kommt die alles entscheidende Frage: Wer hat entschieden, dass er nach Hause humpelt? Wer hat entschieden, sich die Laune verderben zu lassen?

Zwar hat das Verhalten des Chefs eine Rolle gespielt, und er hat es verdient, unter vier Augen auf seinen Tonfall hingewiesen zu werden. Doch (im richtigen Ton) muss jeder Mensch über Fehler bei der Arbeit reden können. Ein Mitarbeiter nimmt das Verhalten, besonders natürlich die Entgleisungen von Vorgesetzten oft zum Anlass, sich den Tag vermiesen zu lassen, doch muss es wirklich so oft sein? Kann es sein, dass man sich nicht sofort als Opfer wahrnehmen muss?

Autor

  • Dr. Achim Pothmann (Autor:in)

Dr. Achim Pothmann ist Experte für Jobglück und glücklich-erfolgreiche Unternehmensführung. Er war 20 Jahre lang geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Pothmann GmbH & Co KG (SchuhHouse), mit der er mehrfach für seine glücksorientierte Unternehmenskultur ausgezeichnet wurde. Als Botschafter für eine neue Arbeitswelt hilft er Menschen dabei, ihr eigenes Jobglück zu steigern und Führungskräften glücklich-erfolgreich zu führen. Autorenwebsite: https://drpothmann.de/
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Titel: Jobglück