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Ich helfe mir selbst - Bluthochdruck

Blutdruck zuverlässig senken. Richtig bewegen, ernähren und Stress abbauen. Das raten die Top-Experten. Zertifiziert von der Stiftung Gesundheit

von Pepe Peschel (Autor:in)
152 Seiten

Zusammenfassung

Bluthochdruck im Griff

Oft begleitet uns Bluthochdruck über Jahre unbemerkt – eine Zeit der Dauerbelastung, in der bereits Organschäden entstehen können. Dabei kann jeder Einzelne viel dafür tun, aktiv und nachhaltig vorzusorgen. Denn Bluthochdruck hängt nicht nur von genetischen Faktoren ab. Auch Bewegung, Ernährung, Rauchen oder Alkoholkonsum spielen eine große Rolle. In ihrem Ratgeber zeigt Pepe Peschel leicht verständlich, welche sofort umsetzbaren Selbsthilfetipps und praktischen Übungen es gibt, um Stress zu reduzieren oder die Atmung zu verbessern. Dazu liefert sie konkrete Tipps zur gesunden Ernährung, zu Naturarzneien oder für mehr Achtsamkeit und Selbstfürsorge.

Das raten die Top-Experten

Für ihren Ratgeber hat Pepe Peschel mit drei Top-Experten gesprochen und durch die Gespräche mit ihnen einen ganzheitlichen Ansatz für die Behandlung von Bluthochdruck gefunden. Neben den Experteninterviews finden sich im Buch zahlreiche Selbsthilfetipps und Übungen, um den Blutdruck zu senken und gut für sich selbst zu sorgen.

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


VORWORT

Liebe Leserin, lieber Leser,

in Deutschland ist durchschnittlich jeder dritte Erwachsene, ab 50 Jahren sogar etwa jeder zweite, von Bluthochdruck – Hypertonie – betroffen. Er ist der Risikofaktor Nr. 1 für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wird Bluthochdruck nicht behandelt, kann er zu zahlreichen tödlichen Folgeerkrankungen führen: Allen voran zur Herzinsuffizienz, der Herzschwäche, gefolgt von Schlaganfall, Herzinfarkt und Nierenversagen. Bluthochdruck ist dabei nicht nur von genetischen Faktoren abhängig, sondern eine Vielzahl der Risikofaktoren sind beeinflussbar, liegen also in der Hand jedes Einzelnen. Diese Tatsache war der entscheidende Impuls für mich, diesen Ratgeber zu schreiben. Nicht überraschend spielt allen voran dein Lebensstil – also Bewegung, Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum oder Ähnliches – eine große Rolle. Etwas, das bei der Betrachtung von Haltung und Verhalten jedoch oft zu kurz kommt, ist die Frage nach der Gesundheit deines Gefühlslebens.

In meinem Gespräch mit dem Arzt, Psychologen und Psychotherapeuten Univ.-Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Christian Schubert, Leiter der Arbeitsgruppe für Psychoneuroimmunologie des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM), das du ab Seite 112 findest, wurde zum Beispiel deutlich, dass die bisherige Herangehensweise unserer Medizin oft immer noch zu körperorientiert ist. Bei heute verfügbaren zweifelsohne hervorragenden Therapieregimen und guten bis sehr guten Ergebnissen, die herkömmliche Behandlungen erzielen können, lässt sie häufig eine Ebene vermissen, die für nachhaltige Erfolge und langfristige Gesundheit steht – die Ebene deiner Emotionen. Denn emotionaler Druck und Erkrankungen wie Bluthochdruck lassen sich nicht voneinander trennen.

In der Hektik unserer Leistungsgesellschaft spüren wir uns tatsächlich oft nicht mehr – sind von uns selbst abgetrennt. Wir funktionieren. Okay, aber das war es auch schon. Nicht selten, um es anderen Menschen oder Umständen recht zu machen. Hand aufs Herz: Lebst du wirklich dein Leben oder wirst du eher gelebt? Und bist womöglich sogar davon überzeugt, dass es so sein muss? Dann lade ich dich herzlich ein, mit diesem Ratgeber intensiv auf dich zu schauen. Dich wahrzunehmen und zu erleben. Um hier und da die Begrenzung üblich genormter Denkschubladen der Gesellschaft und teils auch der Medizin zu überwinden beziehungsweise um dein Seelenleben – dein bewusst SEIN – zu erweitern. Es ist mein Anliegen und meine feste Überzeugung, dass wir nur ganzheitlich gesunden können. Dazu müssen wir uns wieder spüren! Herausfinden, was uns guttut. Achtsamkeit kann dir dabei helfen. Sie ist eine Selbstfürsorge, die dir in diesem Ratgeber begegnen wird.

Mach mit! Lass die krank machenden Energiefresser in deinem Leben los. Ruckele nicht länger durch äußere Einflüsse blockiert mit angezogener Handbremse durchs Leben. Nimm deinem Leben seinen Druck – nicht nur körperlich, sondern vor allem auch seelisch-geistig. Mein Wunschrezept für dich: Mische einen Teller voll wertvoller Impulse mit einer Handvoll bewegter Motivation und genieße davon täglich einen riesigen Löffel mehr ganzheitliche Gesundheit und Wohlbefinden – gewürzt mit einer großen Prise purer Lebensfreude.

Pepe Peschel

DEINE RIESENPUMPE … SORGT FÜR DICH

Oft begleitet uns Bluthochdruck wie ein Chamäleon unbemerkt über Jahre und Jahrzehnte. Eine Zeit der Dauerbelastung, in der bereits Organschäden und Organerkrankungen entstehen können. Nur wenn du die Ursachen für Bluthochdruck kennst und die Bedeutung des richtigen Drucks verstehst, kannst du in jeder Lebensphase aktiv und nachhaltig vorsorgen. Und häufi g auch mit weniger Medikamenten oder einer geringeren Dosis auskommen.

Nichts kann so sehr die Lebenskraft bewahren, stärken oder zurückerwerben wie die Kunst des Maßhaltens.

Christoph Wilhelm Hufeland (Arzt, 1762 bis 1836)

 

Grundlagen

Mit dem richtigen Druck gesund

Ludwigsburg, Schwerin, Hanau

Städte, in denen rund 90.000 Menschen leben, gibt es viele. Ob Ludwigsburg, Schwerin oder Hanau, Witten, Tübingen oder Iserlohn. 90.000 und mehr – das entspricht auch der jährlichen Anzahl an Todesfällen in Deutschland, die vermieden werden könnten, wenn alle Menschen mit Bluthochdruck optimal behandelt werden würden. Eine Zahl, die nachdenklich macht. Tatsächlich geht laut Deutscher Hochdruckliga e.V. (DHL) rund die Hälfte aller Herzinfarkte und Schlaganfälle auf das Konto von Bluthochdruck. Frühzeitig vorsorgen kannst du, wenn du ein Bewusstsein für den eigenen Druck entwickelst – deinen Blutdruck kennst. Schon regelmäßige Messungen können Leben retten.

100.000 Kilometer in meinem Körper

Es geht um eine beachtliche Höchstleistung: Immerhin 9.000 Liter Blut pumpt dein Herz tagtäglich durch deinen Körper. Durch ein Gefäßnetz von etwa 100.000 Kilometern Länge. Das entspricht einer Strecke von mehr als 60-mal München–Hamburg und zurück, zumindest wenn man über die A7 fährt. Dabei kommt man auf beachtliche rund 1.000 Stunden Autofahrt. Und jetzt stell dir vor, diesen Trip unternimmst du durch deinen Körper. Einen Transportweg entlang, über den unermüdlich alle Organe wie Lungen, Magen, Darm, Leber oder Nieren sowie andere Gewebe versorgt werden. Mit all dem, was dein Körper braucht – mit Nährstoffen, Sauerstoff und wichtigen Botenstoffen. Auf der anderen Seite müssen Stoffwechsel- und Abfallprodukte aus den Zellen entsorgt werden. Ein Kreislauf, für den dein Herz pro Minute durchschnittlich 70- bis 80-mal schlägt, unablässig, ohne jemals zu ruhen. Bei körperlicher Anstrengung oder wenn du im wahrsten Wortsinn unter Druck oder gestresst bist, muss es freilich noch stärker pumpen. In diesen Situationen steigt auch der Druck in deinen Blutgefäßen, doch in der Regel normalisiert er sich nach der Anstrengungsphase wieder.

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Anders sieht es bei chronischem Stress aus. Ein Zustand, der in unserer auf Leistung getrimmten Gesellschaft leider oft als Norm angesehen wird. Wer ganz vorne mit dabei, erfolgreich und geliebt sein will, kann das offensichtlich nur mit buchstäblich druckvollem Einsatz erreichen – denken viele. Bei der zumeist vorherrschenden fehlenden Trennung zwischen Beruf und Freizeit ist chronisch gestresst zu sein fast schon ein Statussymbol. Ein riskanter Trend. Denn der Dauerdruck kann zu lebensbedrohlichen Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall, aber zum Beispiel auch zu Erblindung führen.

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Systole und Diastole

In Deutschland sind zwischen 20 und 30 Millionen Menschen von Bluthochdruck betroffen. Jeder Fünfte weiß nichts von seiner Erkrankung. Dabei ist sie leicht festzustellen und auch gut behandelbar, so die Hochdruckliga.

Zunächst gilt es für dich natürlich zu verstehen, was die Blutdruckwerte eigentlich aussagen. Blutdruck allgemein bezieht sich auf den Druck in deinen großen Gefäßen, wobei der Druck in den Arterien viel höher ist als in den Venen. Das Gefäßsystem kannst du dir dabei wie einen Gartenschlauch vorstellen, der mal mehr und mal weniger elastisch ist. Bei der Blutdruck-Messung werden jeweils ein oberer und unterer Wert bestimmt. Der obere systolische Wert beschreibt den höchsten Druck in deinen Gefäßen, wenn das Herz maximal kontrahiert ist, um Blut in deine großen Arterien zu pumpen. Danach weiten sich die Herzkammern, um sich erneut mit Blut zu füllen. Während dein Herzmuskel erschlafft, fällt der Druck auf den unteren diastolischen Wert ab. Das ist der niedrigste Druck unmittelbar vor der nächsten Kontraktionsphase. Diese Pumpleistung des Herzens, wie auch der Spannungszustand (Tonus) und die Elastizität der großen Blutgefäße sowie der Strömungswiderstand in kleineren Gefäßen bestimmen deinen Blutdruck.

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Leitlinien 2018: Was gibt es Neues?

Blutdruckwerte werden paarweise in mmHg angegeben, also in Millimetern auf der Quecksilbersäule als Maßeinheit. Mit den Leitlinien der European Society of Hypertension (ESH) und der European Society of Cardiology (ESC) 2018 empfiehlt die Medizin inzwischen statt absoluter Blutdruckwerte neue Zielkorridore. Der Fokus liegt in der Regel auf einem Zielbereich unter 130 mmHg, aber über 120 mmHg systolisch sowie zwischen 70 und 80 mmHg diastolisch. Dass ein oberer Wert von 120 nicht länger als das Maß aller Dinge gilt, erklärt sich so: Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen kann nicht nur ab hoch normalen Werten ansteigen, sondern auch, wenn dein Blutdruck zu tief abgesenkt wird. Das ist übrigens auch einer der Gründe dafür, warum bei der Einnahme blutdrucksenkender Mittel engmaschige Kontrollen wichtig sind. Insbesondere wenn zeitgleich aktiv eine Veränderung des Lebensstils in Angriff genommen wird.

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Zielkorridor 65 plus

Für die Generation 65 plus gilt ein anzustrebender Zielkorridor von systolischen Blutdruckwerten unter 130 bis 140 mmHg. Viele werden feststellen, dass diese Empfehlung rund 10 mmHg unter den alten, bis 2018 relevanten Leitlinien liegt. Für dich bedeutet das: Jeder Wert, der über 140 mmHg hinausgeht, bedarf der genaueren Abklärung, vor allem bei zusätzlichen Risikofaktoren wie Übergewicht oder hohem Tabak- und Alkoholkonsum. Wenngleich einmalig erhöhte Werte nicht unmittelbar aussagen, dass du krank bist. Es gibt viele Menschen, bei denen die Blutdruckwerte sehr schwanken. Für eine sichere Diagnose ist deswegen wiederholtes Messen oder eine 24-Stunden-Blutdruck-Messung ratsam. Darüber hinaus kann der Arzt bei Verdacht einem Hochdruck mittels Ultraschall auf die Schliche kommen. Hierbei wird die Dicke der Innenschicht der Arterienwände gemessen. Diese misst eigentlich nur 0,2 Millimeter, eine Verdickung ist ein klares Warnsignal.

Das Auge als Spiegelbild

Eine gute ergänzende Untersuchung zur Früherkennung ist die Spiegelung des Augenhintergrundes durch einen Augenarzt. Das Vorgehen: Die Augen werden eingetropft, damit sich die Pupille erweitert. Durch diese Vergrößerung können jetzt der Eintrittspunkt des Sehnervs, die Makula (gelber Fleck) als Stelle des schärfsten Sehens sowie in diesem Bereich verlaufende Blutgefäße beurteilt werden. Sind diese intakt, kann Bluthochdruck ausgeschlossen werden. Denn die sehr feinen Gefäße im Auge reagieren extrem sensibel und sehr schnell auf veränderten Druck. Bei Bluthochdruck können Verengungen der Gefäße etwa zu Blutungen in der Netzhaut führen. Und klar ist: Sind die Gefäße im Auge betroffen (hypertensive Retinopathie), ist es auch der gesamte Körper.

Wie aus Blutdruck Hochdruck wird

Ein stiller Killer

Fassen wir zusammen: Besteht Bluthochdruck, liegt nicht nur eine ernste Erkrankung vor, die frühzeitig behandelt werden muss. Sie ist auch verbreiteter, als oft angenommen wird, und zwar quer durch alle Altersgruppen. Dennoch wird Bluthochdruck häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt, da er als stumme Erkrankung mitunter über Jahrzehnte keinerlei Symptome verursacht. Und selbst wenn Kopfschmerzen, Schwindel oder wiederholtes Herzklopfen auftreten, bringen das Betroffene nicht gleich mit einer Hypertonie in Verbindung.

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Erhöhten Blutdruck um 10 mmHg zu senken …

… kann das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse um 20 bis 25 Prozent reduzieren!

Während diese also mitunter unbemerkt fortschreitet, können sich dramatische Gefäßschäden entwickeln. Ablagerungen aus Entzündungszellen, Kalk und Fett können die Gefäße zunehmend einengen. Neben koronaren Herzerkrankungen, einem Herzklappen-Fehler (Mitral-Inusffizienz) oder Nierenversagen gehören auch Demenzerkrankungen zu den langfristigen Folgen. Im Klartext: Ein über Jahre unerkannter und unbehandelter Bluthochdruck ist ein stiller Killer, der deine Lebenszeit verkürzen kann. Deswegen zählt jede Blutdruck-Verbesserung!

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Schon 6-Jährige unter Druck

Besondere Aufmerksamkeit gilt in diesem Zusammenhang auch den derzeit mehr als 1 Million übergewichtigen und 800.000 adipösen Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Sie leiden zunehmend unter Krankheiten, die in der Vergangenheit als typische Alterserscheinungen galten. Doch sind inzwischen für Alt und Jung rund 60 teilweise tödliche Folgen von Übergewicht bekannt. Wissenschaftler um Iñaki Galán von der präventionsmedizinischen Forschung an der Autonomen Universität Madrid fanden heraus: Kinder, die bereits mit vier Jahren übergewichtig sind, haben zum Beispiel ein mehr als doppelt so hohes Risiko, schon mit sechs Jahren Bluthochdruck zu entwickeln. Für fettleibige Kinder stellt sich die Situation mit einem rund dreifach erhöhten Risiko noch dramatischer dar. Diese 2019 veröffentlichten Daten machen deutlich, dass der Grundstein für Gesundheit oder Krankheit im Erwachsenenalter sehr viel früher gelegt wird, als wir denken.

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Elterliche Vorsorge mit Kompetenz

Darüber hinaus verbringt ein Großteil der Kinder nur noch wenig Zeit in der Natur oder mit Freunden. Statt in Bewegung pflegen die Kids ihre sozialen Kontakte via Smartphone und Tablet vom Sofa aus. „Vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien sind gefährdet, Übergewicht und seine Folgeerkrankungen zu entwickeln“, so Dr. med. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ), anlässlich des Kinder- und Jugendärztetages 2019. „Sie schauen mehr Fernsehen, sind vermehrt Werbung für ungesunde Lebensmittel ausgesetzt, in ihren Familien gibt es häufig zu wenig Ernährungskompetenz, also werden ungesunde Lebensmittel eingekauft, es gibt keine strukturierten Mahlzeiten etc.“ Aufklärung von Anfang an tue Not, schon in der Kita und in Schulen. So dürften dort zum Beispiel keine zuckerhaltigen Getränke erhältlich sein. Auch eine Zuckersteuer nach dem Vorbild der Franzosen fordert der BVKJ.

Primäre Hypertonie

Generell wird zwischen primärer und sekundärer Hypertonie unterschieden. Die primäre Erkrankung entsteht oft durch mehrere ineinandergreifende Faktoren, die deinen Blutdruck verändern können. Neben deinem Lebensalter und Geschlecht sind das allen voran dein Lebensstil und die Ernährungsgewohnheiten. Etwa 30 Prozent der primären Hypertonie gehen nämlich auf Übergewicht zurück (!), 15 Prozent auf übermäßigen Alkoholkonsum.

Weg mit der Kippe

Auch Rauchen stellt einen bedeutenden Risikofaktor dar. Weil Nikotin die Blutgefäße einengen kann, steigt beim Rauchen der Blutdruck vorübergehend an. Das Herz schlägt schneller. Je mehr geraucht wird, umso mehr kann das einmal ins Blut gelangte Nikotin den Blutdruck dauerhaft erhöhen. Bei Rauchern ist auch der Sauerstoffgehalt im Blut geringer als bei Nichtrauchern, da Kohlenmonoxid den Blutfarbstoff Hämoglobin blockiert – und damit den Transport von Sauerstoff von der Lunge zu den Organen. Stattdessen wird immer mehr Kohlenmonoxid zu den Zellen befördert. Parallel ist durch das Atemgift auch die Abgabe von vorhandenem Sauerstoff aus dem Blut an die Körpergewebe gehemmt. Das Risiko einer Arterienverkalkung, der Arteriosklerose, steigt. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird durch den blauen Dunst sogar um das Sechsfache erhöht.

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Sekundäre Hypertonie

Eine sekundäre Hypertonie liegt in 5 bis 10 Prozent der Fälle vor. Dabei bereiten andere Erkrankungen den Boden für Bluthochdruck, zum Beispiel hormonelle Erkrankungen oder Nierenerkrankungen wie der primäre Hyperaldosteronismus (PHA), auch Conn-Syndrom genannt. PHA ist gekennzeichnet durch überaktive Zellen in der Nebenniere, die das Hormon Aldosteron produzieren. Dieses Hormon spielt eine wichtige Rolle bei der Regulation von Salzen wie Natrium und Kalium im Blut und damit auch des Blutdrucks.

Als häufigste Ursache für sekundäre Hypertonie gilt allerdings das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom (OSAS). Ein Zusammenhang, der Experten zufolge selbst in Fachkreisen immer noch unterschätzt wird. Du musst dir das so vorstellen: Wenn als Folge einer Engstellung der oberen Atemwege deine Atmung mehr als fünfmal in der Stunde jeweils länger als 10 Sekunden aussetzt, wird dein Herz dadurch enorm belastet. Der Organismus gerät in Stress. Die nächtliche Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Noradrenalin kann zusätzlich zum chronischen Anstieg des Blutdrucks beitragen.

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Die in der Regel adipösen, also fettleibigen, Schlafapnoe- Patienten sind insgesamt einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ausgesetzt. Resultate verschiedener Studien zeigen, dass eine konsequente Therapie der Atemaussetzer durch spezielle Beatmung mit Nasenmaske (CPAP, contiunous positive airway pressure) auch zur Senkung des Blutdrucks um bis zu 10 mmHg führte, vor allem bei Betroffenen mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit. Bei der CPAP-Beatmung wird durch geringen Überdruck das Einatmen erleichtert. Fazit der Wissenschaftler: Wird eine Schlafapnoe behandelt, hat dies auch einen positiven Effekt auf den Blutdruck, das kardiovaskuläre Risiko kann sogar erheblich gesenkt werden.

Metabolisches Syndrom

Das metabolische Syndrom steht ebenfalls in engem Zusammenhang mit Bluthochdruck. Ein wesentliches Merkmal ist eine umfangreiche Körpermitte. Bei Frauen ist das ein Bauchumfang von mehr als 80, bei Männern von mehr als 94 Zentimetern. Besonders riskant wird es bei Frauen ab 88, bei Männern ab 102 Zentimetern Umfang. Weitere Parameter sind:

erhöhte Blutfett- beziehungsweise Triglyzeridwerte ( 150 mg/dl)

niedriges „gutes“ HDL-Cholesterin (Frauen < 50 mg/dl, Männer < 40 mg/dl)

erhöhte Nüchternglukose (> 100 mg/dl) beziehungsweise ein bereits diagnostizierter Diabetes mellitus vom Typ 2

erhöhte Blutdruckwerte beziehungsweise eine bereits behandelte Hypertonie

Treffen zusätzlich zum erhöhten Bauchumfang zwei dieser vier Risikofaktoren zu, lautet die Diagnose: metabolisches Syndrom. Zu den Ursachen gehören vor allem eine unausgewogene Ernährung mit überwiegend schnell verfügbaren Kohlenhydraten und Heißhungerattacken, mangelnde körperliche Aktivität, chronischer Stress, aber auch Depressivität oder anhaltender Ärger.

Etwa 25 Prozent aller Deutschen sind vom metabolischen Syndrom betroffen, am häufigsten ab der siebten Lebensdekade. Den Lebensstil zu ändern – also durch gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung das Körpergewicht zu reduzieren und die Blutzucker- und Blutfettwerte zu verbessern – ist der Hauptansatzpunkt einer jeden Behandlung.

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Gefäßsteifigkeit

Ein gesunder Lebensstil ist alles in allem gleichbedeutend mit der Hege und Pflege deiner Gefäße. In der Regel bekommen wir beim Start ins Leben elastische und weiche Blutgefäße mit. Sie sind dazu in der Lage, sich bei einer nähernden Pulswelle zu weiten, um sich kurz darauf wieder zusammenzuziehen. Eine Dehnbarkeit, die quasi jede Druckänderung mitmacht. Vorausgesetzt wir sind und bleiben aktiv. Anderenfalls können sich die Gefäße im Verlaufe eines Lebens zunehmend versteifen. Diese Gefäßsteifigkeit kann dazu führen, dass langfristig nur der obere Blutdruckwert erhöht ist (isolierte systolische Hypertonie).

Einerseits passt dieses Phänomen in das statistische Bild, wonach Männer und Frauen vor allem 65 plus von Bluthochdruck betroffen sind (Seite 14). Andererseits zeigen Studien, dass diejenigen, die sich regelmäßig bewegen, in jeder Lebensdekade von vergleichsweise elastischeren Gefäßen profitieren. Bereits in den 1990er-Jahren fand der amerikanische Arzt Dean Ornish zum Beispiel Hinweise darauf, dass verengte Blutgefäße unter anderem durch regelmäßiges Ausdauertraining wieder weiter und durchlässiger wurden (um ca. fünf Prozent). Ein Grund mehr, zu jeder Zeit aktiv und motiviert das Leben zu feiern. Zumal unsere „Zeit“ nach dem Zeitbegriff Albert Einsteins in erster Linie eine Illusion ist, die auch nicht linear verläuft. Solltest du also gerade denken: „Für mich ist das alles schon zu spät“, dann stelle diesen Gedanken sofort ab: Schluss mit dieser Begrenzung!

Beim Mann an Testosteronmangel denken

Insbesondere Männer ab 40 Jahren beziehungsweise ab dem Beginn der männlichen Wechseljahre (Andropause), wenn die Hormonspiegel sinken, sollten die Auswirkungen eines Testosteronmangels im Blick haben. So wird ein Testosteronmangel aktuellen Studien zufolge mit Bluthochdruck in Verbindung gebracht. Anlässlich einer bundesweiten Untersuchung mit 20.000 Männern zeigte sich, dass 41 Prozent der Teilnehmer mit Testosteronmangel einen Bluthochdruck, mehr als 68 Prozent auch Diabetes hatten.

„Darüber hinaus könnte ein Testosteronmangel in allen Altersklassen Ursache für Erkrankungen sein, welche oft unter dem Oberbegriff des metabolischen Syndroms zusammengefasst, aber meist nur symptomatisch behandelt werden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit e.V. (DGMG). Da Testosteron nicht nur das wichtigste Sexualhormon des Mannes sei, sondern auch in den Muskel-, Fett-, Knochen- sowie Zuckerstoffwechsel eingreife, sollte bei entsprechenden Symptomen, wie etwa Übergewicht, die Bestimmung des Testosteronwertes zur ärztlichen Diagnostik dazugehören, fordern die Fachleute.

Übrigens gehen in Ländern wie Italien oder Frankreich die Männer ebenso selbstverständlich zum Männerarzt wie die Frauen zum Frauenarzt. Hierzulande befinden wir uns zumindest am Beginn einer Trendwende für mehr Bewusstsein – nicht nur für die Gesundheit der Frau, sondern auch für jene des Mannes in den unterschiedlichen Lebensphasen.

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„Das liegt bei uns in der Familie …“

Gerät die gesundheitliche Situation in Schieflage, berufen sich viele entweder darauf, „dass es im Alter einfach so ist“. Oder es heißt: „Das war in unserer Familie schon immer so.“ Mach dir bitte bewusst, dass weder das eine noch das andere korrekt ist. Solches Schubladendenken ist zu wenig differenziert und – mit Verlaub – eine zu einseitige Betrachtung. Erinnere dich an dieser Stelle zum Beispiel noch einmal daran, dass es etwa durch die Heilkraft der Bewegung jederzeit möglich sein kann, die Gefäße positiv zu beeinflussen. Sinngemäß lässt sich vieles, was deinen Lebensstil betrifft, relativ einfach umsetzen – vorausgesetzt du kommst aus der Bequemzone der Ausreden heraus. Ganz ehrlich und Hand aufs Herz: Steckst du gerade in einer solchen Bequemzone fest? Bist du beispielsweise dazu in der Lage, dich regelmäßig zu bewegen, tust es aber nicht?

Und was die Gene betrifft: Freilich, wir haben eine gewisse Veranlagung. Wenn es um Bluthochdruck geht, sind offenbar Hunderte verschiedene Genvarianten beteiligt, wie Wissenschaftler bislang herausfinden konnten. Doch auch wenn Bluthochdruck oft polygenetisch ist, wie du in meinem Gespräch mit Prof. Dr. med. Peter Trenkwalder ab Seite 38 nachlesen kannst, bleibt das entscheidende Zünglein an der Waage – na? Rate mal. Genau, dein Lebensstil! Wenn zum Beispiel schon deine Eltern Bluthochdruck hatten, trägst du mit deinen Ernährungsgewohnheiten, deiner Bewegung und deinem Stress- sowie Schlafmanagement wesentlich dazu bei, ob beziehungsweise wann du einen Hochdruck entwickelst. Ob mit 30, 40, 50 oder 65 Jahren oder erst sehr viel später.

Kontrolle ist besser

Ist „hoch normal“ nicht gut genug?

Das A und O sind die regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks und die richtige Messung. Denn bereits im hoch normalen Bereich – jenseits eines systolischen Werts von 130 mmHg und unter 140 mmHg – beginnen für dein Herz die Probleme. Das zeigen 2019 veröffentlichte Ergebnisse einer Substudie der Hochdruck- Langzeituntersuchung PAMELA. Prof. Cesare Cuspidi vom Forschungszentrum des wissenschaftlichen Instituts Auxologico Italiano schlussfolgert: „Werte, die im Grenzbereich von hoch normal zu einem Hochdruck Grad 1 liegen, betreffen nicht nur den großen Teil der Allgemeinbevölkerung. Es sollten in diesen Fällen auch deutlich mehr präventive Maßnahmen erfolgen.“ In seinen Untersuchungen hatte der Wissenschaftler bei fast 20 Prozent der Probanden mit einem unbehandelten Bluthochdruck eine Linksherz-Hypertrophie gefunden: die krankhafte Gewebevergrößerung der linken Herzkammer. Andere Ursachen wie einen Herzklappenfehler hatte er zuvor ausgeschlossen. Auch knapp 7 Prozent der Teilnehmer mit hoch normalen Werten zeigten diese Herzveränderung. Und wer zu Studienbeginn einen hoch normalen Blutdruck ohne Herzmuskel-Veränderung hatte, entwickelte diese in den folgenden 10 Jahren mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 25 Prozent.

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Messgeräte mit Prüfsiegel

Die Deutsche Hochdruckliga bestätigt, dass sich nur durch regelmäßige Messungen das Risiko für gefährliche Folgeerkrankungen wie die LVH senken lässt. Leider liefern viele der im Handel erhältlichen Messgeräte nur unzuverlässige Werte. Selbst Geräte, die das Medizinproduktegesetz einhalten, gewährleisten keine verlässliche Messgenauigkeit. Die Qualität der Geräte, mit denen du zu Hause deine Werte im Auge behalten solltest, hängt entscheidend von der eingebauten Druckblase, von den hinterlegten Berechnungsformeln sowie von der verwendeten Manschette ab. Eine Liste mit Geräten, die von der Hochdruckliga geprüft wurden und das von der Gesellschaft verliehene Prüfsiegel für Messgenauigkeit tragen, findest du im Internet unter hochdruckliga.de/messgeraete-mit-pruefsiegel.html.

Die Deutsche Hochdruckliga prüft Blutdruckmessgeräte durch unabhängige Prüfinstitute und verleiht ein Prüfsiegel für Messgenauigkeit.

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Dein Messerfolg in 5 Schritten

1. Zur Ruhe kommen

Bevor du die Blutdruck-Messung durchführst, solltest du dich hinsetzen und 5 Minuten entspannen. Also auch nicht telefonieren, keine WhatsApp verschicken oder Online-Videos schauen. Alle Medien haben Pause! Zudem sollten körperliche oder seelische Belastungen rund 30 Minuten vor dem Messen vermieden werden, wie auch das Trinken von koffeinhaltigem Kaffee oder Schwarztee.

2. Manschette auf Herzhöhe

Setze dich entspannt auf einen Stuhl und lehne dich an. Die Füße stehen auf dem Boden. Lege die Manschette des Blutdruckgeräts so an, dass sie auf Herzhöhe sitzt. Bei Oberarmmanschetten ist das fast automatisch der Fall. Bei Handgelenksmanschetten legst du zur Lagerung ein Kissen auf den Tisch.

3. Dreimal im Minutentakt

Es wird empfohlen, jeweils dreimal hintereinander im Abstand von einer Minute zu messen. Der Mittelwert des zweiten und dritten Wertes ist ausschlaggebend, bei unregelmäßigen Herzschlägen (Arrhythmien oder Vorhofflimmern) der Mittelwert aus allen drei gemessenen Werten.

4. Werte dokumentieren

Gemessene Blutdruckwerte sollten stets dokumentiert werden, du kannst sie zum Beispiel in einem Blutdruck-Pass oder digital (Excel-Tabelle, Blutdruck-App) festhalten. So kannst du sie bei Bedarf jederzeit an deinen Arzt schicken. Moderne Blutdruck-Messgeräte verfügen über Schnittstellen zur Übertragung an eine Smartphone-App. Bei der Speicherung in einer App werden deine Vitaldaten allerdings häufig auf einem zentralen Server des Herstellers, nicht aber auf deinem Smartphone direkt gespeichert. Informiere dich am besten bei deinem App-Anbieter darüber, ob die Messdaten auch im Smartphone gespeichert werden. Generell sollten deine Daten in Deutschland gespeichert werden, um ein hohes Datenschutzniveau zu gewährleisten. Auch darüber sollte dich dein App-Anbieter informieren.

5. Immer zur gleichen Zeit

Um die Werte vergleichbar zu machen, sollten Menschen mit Bluthochdruck täglich immer zur gleichen Tageszeit messen (bei Neueinstellungen und Therapieänderungen auch mehrmals täglich). Wer blutdrucksenkende Mittel einnimmt, sollte zum Beispiel morgens vor der Tabletteneinnahme messen. Schwangere mit Bluthochdruck sollten mindestens morgens und abends messen sowie ein Blutdruck-Profil durchführen lassen.

Quelle: nach Deutsche Hochdruckliga e.V. / kenn-deinen-druck.de

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Viele Messgeräte pumpen sich nach Anlegen der Manschette und Betätigung der Starttaste automatisch maximal auf und messen erst in der Ablassphase. Manche empfinden den sich dabei aufbauenden Druck als sehr unangenehm. Abhilfe kannst du mit einem Gerät schaffen, bei dem sich durch nochmaliges Drücken der Starttaste der Aufpumpvorgang manuell beenden lässt. Oder du besorgst dir ein Gerät, das nicht erst beim Ablassen, sondern bereits beim Aufpumpvorgang den Blutdruck misst, dadurch ist der sich aufbauende Druck meist geringer.

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Vorsicht vor Fehlerquellen

Bei Geräten mit Oberarmmanschetten muss die Manschette dem Umfang deines Oberarms entsprechen. Sie sollte auch nicht mehr als zwei Drittel deines Oberarms in der Breite abdecken. Weitere wichtige Aspekte sind:

Leg die Manschette nicht zu locker oder zu fest an.

Zwei Querfinger oberhalb der Ellenbeuge darf die Manschette nicht zu stramm sein: Ein Finger sollte leicht unter die verschlossene Manschette passen.

Der aufblasbare Teil sollte an der Oberarminnenseite, der Verschluss außen liegen.

Lass den Schlauch nach unten zur Hand zeigen.

Vermeide Blutstau am Oberarm durch einen hochgeschobenen Ärmel.

Miss niemals über einem dickeren Pullover, einer Bluse oder einem Jackett.

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In der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft ist die regelmäßige Blutdruck- Messung für die Gesundheit von Mutter und Kind gleichermaßen bedeutsam. Nach Angaben des Hessischen Ärzteblattes sterben jährlich weltweit etwa 60.000 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaftserkrankungen, die durch Bluthochdruck bedingt sind. Der Hochdruck kann bereits vor der Schwangerschaft bestanden haben oder im ersten Trimester als chronische Hypertonie offensichtlich werden. Treten im späteren Verlauf der Schwangerschaft bei Frauen mit bis dahin normalen Werten Blutdruckwerte größer oder gleich 140 mmHg neu auf, ist von Gestationshypertonie die Rede.

Von besonderer Bedeutung ist die Präeklampsie, bei der es zusätzlich zum erhöhten Blutdruck etwa auch zu einer übermäßigen Ausscheidung von Eiweiß über den Urin oder zu anderen Funktionseinschränkungen von Nieren, Leber oder auch der Plazenta oder dem zentralen Nervensystem kommt. Hier ist es sehr wichtig, rechtzeitig vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Daher geht ein klarer Appell der medizinischen Leitlinien der deutschsprachigen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe vom März 2019 in Richtung Früherkennung. Dabei ist auch die engmaschige Überprüfung des Blutdrucks (an beiden Oberarmen!) unabdingbar. Bei Frauen mit einem anamnestischen Risiko besteht die derzeit einzige effektive Vorsorge der Präeklampsie in einer ab der Frühschwangerschaft – möglichst vor der 16. Schwangerschaftswoche (SSW) – beginnenden oralen Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS 150 mg/Tag).

Ausblick: Neue Forschung

Hirngesundheit und vaskuläre Demenz

Dass der Blutdruck, seine Kontrolle und die Vorsorge von Bluthochdruck für jede Generation selbstverständlich sein sollten, wird nicht zuletzt mit Blick auf die Hirngesundheit deutlich. 2019 veröffentlichten Wissenschaftler um Lina Schaare vom Max-Planck-Institut Studiendaten, die zeigen, dass Werte im hoch normalen Bereich ab 130 mmHg möglicherweise bereits zwischen 19 und 40 Jahren dem Gehirn schaden können. So ließen sich bei nur geringfügig erhöhten Blutdruckwerten (keiner der Probanden nahm Blutdruckmittel) bereits in der dritten und vierten Lebensdekade Hirnveränderungen feststellen: ein reduziertes Volumen des für das Gedächtnis relevanten Hippocampus, ein verkleinerter Mandelkern sowie weitere auffällige Strukturen. Die sukzessiven Schädigungen mit Verlust von grauer Hirnsubstanz könnten, so die neuen Erkenntnisse, in darauffolgenden Dekaden ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Demenzerkrankungen provozieren.

In diesem Zusammenhang soll auch die vaskuläre Demenz Erwähnung finden. Diese ist nicht zu verwechseln mit der Alzheimer- Krankheit. Bei vaskulären Demenzen führen Durchblutungsstörungen des Gehirns zum Absterben von Nervenzellen. Sie werden häufig hervorgerufen durch eine Wandverdickung in kleinen Gefäßen, die tiefe Strukturen des Gehirns mit Blut versorgen. Für diesen Prozess ist nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG) Bluthochdruck der wichtigste Risikofaktor. Da die vaskuläre Demenz wie die Alzheimer- Demenz schleichend voranschreiten kann, ist sie oft schwer davon zu unterscheiden. Allerdings zeigt sie mit Stimmungslabilität und allgemeiner Verlangsamung andere Symptome, für Alzheimer sind in erster Linie Gedächtnisstörungen charakteristisch. Die DAlzG weist auf ihrer Internetseite darauf hin, dass durch eine rechtzeitige Behandlung der Risikofaktoren – also auch eines Bluthochdrucks – prinzipiell eine Vorbeugung möglich ist.

Individuelle Medikation

Die neue medikamentöse Behandlung

Kombination statt Single-Therapie

Über den richtigen Wert beim Blutdruck und in der Bluthochdruck- Therapie diskutieren selbst Fachleute immer wieder. Doch die eingangs genannten Zielbereiche nach den neuen Leitlinien 2018 gelten in den meisten Fällen: Sie liegen systolisch zwischen 120 und 130 mmHg beziehungsweise diastolisch zwischen 70 und 80 mmHg. Ab 65 plus ist ein systolischer Wert zwischen 130 und 139 mmHg anzustreben, bei Gebrechlichkeit werden auch höhere Werte toleriert. Und für fitte Patienten 80 plus setzt eine blutdrucksenkende Therapie zumeist erst bei systolischen Blutdruckwerten von größer oder gleich 160 mmHg an. Ob und wann eine medikamentöse Behandlung beginnt, hängt in erster Linie vom individuellen Risikoprofil ab. Sie gilt auch nur dann als notwendig, wenn sich zum Beispiel eine milde Hypertonie – ein Hochdruck Grad 1 – durch allgemeine gesundheitsfördernde Maßnahmen und die Beseitigung vorhandener Risikofaktoren über mehrere Monate nicht einstellen lässt. Demgegenüber sollte bei einer Hypertonie Grad 2 und 3 (mittelschwerer und schwerer Bluthochdruck) unmittelbar eine medikamentöse Therapie starten und vereinbarte Zielwerte sollten innerhalb von drei Monaten erreicht werden. Die Arzneimittelgruppen und die verschiedenen Wirkstoffe, die regulär zum Einsatz kommen, sind vielen Bluthochdruck-Patienten bekannt. Geändert hat sich jedoch die Empfehlung zur Kombination einzelner Substanzen und deren Verabreichungsform.

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Erfahrung aus 1 Million Patientenjahre

Die Neuerungen in der medikamentösen Therapie basieren unter anderem auf einer Metaanalyse des kardiologischen Instituts des Elena Venizelou Hospitals in Athen. Die Forschergruppe um Costas Thomopoulos wertete 50 verschiedene Studien (publiziert von 1966 bis 2015) aus, in denen insgesamt 58 Medikamente verglichen wurden. Auf diese Weise konnten fast 250.000 Patienten und über 1 Million Patientenjahre betrachtet werden. Das Ergebnis: Da grundsätzlich alle Substanzen das kardiovaskuläre Risiko reduzieren können, ist für jeden Patienten im Einzelnen zu entscheiden, in welcher Situation er ist und von welcher Kombination er besonders profitiert.

In jedem Falle gilt: Monopräparate haben heute ausgedient. Empfohlen werden „2 in 1“- oder „3 in 1“-Strategien. Diese Kombinationen sind zwar teurer, verbessern aber nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga die Therapietreue. Das ist die Rate an Patienten, die ihre Medikamente konsequent und regelmäßig einnehmen und deren Blutdruck dadurch in den gewünschten Zielkorridor gebracht werden kann. In der griechischen Studie waren zum Beispiel Diuretika vergleichsweise am besten bei der Verhinderung von Herzinsuffizienz, ebenso ACE-Hemmer, die zusätzlich bei der Verhinderung koronarer Herzkrankheiten an erster Stelle standen. Kalziumkanal-Blocker schnitten am besten bei der Verhinderung von Schlaganfällen ab, allerdings am schlechtesten bei der Verhinderung einer Herzinsuffizienz. Betablocker standen dagegen bei der Verhinderung von Schlaganfällen an letzter Stelle.

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Die „2 in 1“-Strategie

Nahezu alle Patienten sollten als erstes mit einer individuell ausgewählten Fixkombination (single pill combination) behandelt werden. Das heißt, sie bekommen zunächst eine Tablette, in der zwei Substanzen kombiniert sind. Diese Zweifachkombination („2 in 1“) beinhaltet jeweils einen RAS-(Renin-Angiotensin-System) Blocker und einen Kalziumkanal-Blocker oder einen RASBlocker und ein Diuretikum. Bei den RAS-Blockern entscheidet der Arzt je nach Situation für einen ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker. Das Kurzprofil dieser Substanzen findest du in der folgenden Wirkstoffübersicht.

Durch die so kombinierte Tablette wird die Medikamentenlast möglichst niedrig gehalten. Das ist auch sinnvoll, denn wie die Statistik zeigt, nahmen im Jahr 2017 rund 23 Prozent aller erwachsenen Bundesbürger dauerhaft drei oder mehr Medikamente ein. Das birgt Risiken. Nicht nur hinsichtlich unerwünschter Wechselwirkungen. Auch die Therapietreue sinkt und damit die Wahrscheinlichkeit einer nachhaltig erfolgreichen Behandlung.

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Die „3 in 1“-Strategie

Stellt sich nach etwa drei Monaten heraus, dass sich der Blutdruck mit einer Zweifachkombination nicht kontrollieren lässt, wird im nächsten Schritt eine Dreifachkombination („3 in 1“) eingesetzt, auch Triple-Fixkombination genannt. Nun werden in einer Tablette drei statt „nur“ zwei Substanzen kombiniert: ACEHemmer oder Angiotensin-Rezeptorblocker plus Kalziumkanal- Blocker plus Diuretikum. Bleiben auch damit die gewünschten Erfolge aus, liegt eine therapieresistente Hypertonie vor. In diesen Fällen kommt nach den neuen Leitlinien als Extratablette der Wirkstoff Spironolacton hinzu, mit 25 bis 50 Milligramm pro Tag (wenn erforderlich, in Einzelfällen höher dosiert). Patienten, die schwer erkrankt sind, werden oft in speziellen Zentren betreut, da auch unbedingt geklärt werden muss, ob möglicherweise eine sekundäre Hypertonie vorliegt.

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Wirkstoffe in Blutdruckmedikamenten

ACE-Hemmer

ACE-Hemmer hemmen eine Hormonkaskade, die den Blutdruck in einem normalen Organismus ansteigen lässt, beziehungsweise ein bestimmtes, auf den Blutdruck wirkendes Enzym (Angiotensin Converted Enzym) – daher auch der Name. Auf diese Weise können ACE-Hemmer die Gefäße erweitern, den Blutdruck senken und das Herz entlasten.

Nachteile: Zu den Nebenwirkungen gehören unter anderem Hautausschläge. Häufig lösen ACE-Hemmer einen Reizhusten aus. In der Schwangerschaft dürfen sie nicht angewendet werden.

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Alle empfohlenen Substanzen reduzieren das kardiovaskuläre Risiko!

Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane)

Die auch als AT1-Blocker bezeichneten Wirkstoffe wie Candesartan, Valsartan, Losartan, Irbesartan, Olmesartan oder Telmisartan stellen eine Weiterentwicklung der ACE-Hemmer dar und können eine Alternative bei störendem Reizhusten durch ACE-Hemmer sein. Dabei wird die Wirkung des gefäßverengenden aktiven Hormons mit Namen Angiotensin 2 durch die Blockierung bestimmter Rezeptoren direkt verhindert.

Nachteile: Die Substanzen sind erfreulicherweise fast nebenwirkungsfrei, dürfen allerdings unter anderem in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Die relevantesten möglichen Begleiterscheinungen sind Kopfschmerzen oder Schwindel.

Kalziumkanal-Blocker

Kalziumkanal-Blocker wie Amlodipin, Nitrendipin, Lercanidipin oder Verapamil und Diltiazem blockieren den Einstrom von Kalziumionen – also Salz – in arterielle Zellen. Dadurch entfalten sie ihre Wirkung unmittelbar an den Muskelzellen in der Wand der Blutgefäße: Die Spannung in den Gefäßmuskelzellen sinkt und der Blutdruck wird auf diese Weise verringert.

Nachteile: Mögliche Nebenwirkungen sind Schwellungen der Beine, Knöchelödeme, zu schneller oder zu langsamer Herzschlag, allergische Reaktionen. Vor allem in höheren Dosen sind auch eine Rötung des Gesichtes oder Kopfschmerzen möglich. Nicht angewendet werden dürfen Kalziumkanal-Blocker zum Beispiel bei Herzinsuffizienz.

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Thiaziddiuretika

Thiaziddiuretika sind insbesondere im Fall einer Dreifachkombination unverzichtbar, wenn hoher Blutdruck durch zu viel Wasser und Kochsalz im Kreislauf mitbedingt wird. Dies ist zum Beispiel bei Menschen der Fall, deren Herz nicht mehr so gut arbeitet und das Blut nicht mehr so gut durch den Kreislauf pumpen kann. Bei einer solchen Erkrankung spricht man von Herzinsuffizienz, der Herzschwäche. Diuretika kurbeln die Harnproduktion an, durch das Entwässern und Entsalzen kann indirekt der Gefäßwiderstand gesenkt werden. Der Blutdruck sinkt, das Herz wird entlastet. Zu den Wirksubstanzen gehören Hydrochlorothiazid (HCT; ausgenommen bei bestehenden Hautkrebserkrankungen wie Basaliomen und Spinaliomen), Chlorthalidon und Indapamid. Ebenso Schleifendiuretika wie Furosemid oder Torasemid, die unter anderem bei Ödemen, zum Beispiel in Zusammenhang mit einer Nierenerkrankung, eingesetzt werden.

Nachteile: Manche Patienten befürchten, durch Diuretika auszutrocknen oder dickeres Blut zu bekommen. Werden sie richtig dosiert, sind diese Gefahren nach Angabe der Deutschen Hochdruckliga aber sehr gering. Generell können bei der Anwendung von Diuretika auch wichtige Blutsalze (Elektrolyte) mit ausgeschwemmt werden. Mögliche Folgen sind neben verstärktem Harndrang eine allgemeine Schwäche, Erschöpfung, Schwindel und Müdigkeit. Beschwerden, die gerade in hohen Lebensjahren gefährlich werden können, wenn die Dosis nicht fortlaufend angepasst wird. Auch der Hämatokritwert kann ansteigen. Er beschreibt den Anteil der Blutzellen im Gesamtblut und damit die Fließfähigkeit des Blutes beziehungsweise den Wasserhaushalt. Ein erhöhter Hämatokritwert zeigt zähflüssiges, langsamer fließendes Blut an (Obergrenze bei Männern: 52 %, Obergrenze bei Frauen: 48 %).

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Betablocker

Betablocker blockieren die Wirkung des stressbegleitenden Hormons Adrenalin an den Organen und setzen somit bei einer wichtigen Ursache für Bluthochdruck an – einem überaktiven sympathischen Nervensystem. Das ist jener Teil des vegetativen Nervensystems, der unbewusst ablaufende Prozesse wie die natürliche Stressreaktion steuert. In grauer Vorzeit sollte die körperliche Bereitschaft für Kampf oder Flucht unser Überleben sichern. Heutzutage reagieren wir Stress aber nicht mehr körperlich ab. Sind wir längere Zeit Stress ausgesetzt, kann die anhaltende übermäßige Aktivität des Sympathikus Bluthochdruck und Herz- Kreislauf-Erkrankungen verursachen beziehungsweise begünstigen. Wirkstoffe wie Metoprolol, Bisoprolol, Nebivolol oder Carvedilol sollen das Herz vor dem Stresshormon Adrenalin abschirmen. Das Herz schlägt langsamer und wird besser mit Sauerstoff versorgt. Bereits bestehende Folgeschäden hohen Blutdrucks können begrenzt werden. Betablocker können auch bei jüngeren Patienten eingesetzt werden, die zum Beispiel auf Stress mit einem erhöhten Blutdruck reagieren.

Nachteile: Betablocker, deren volle Wirkung erst nach sechs bis acht Wochen einsetzt, können träge machen und durch die Dämpfung des Stoffwechsels Übergewicht fördern. Bei Männern ist Impotenz möglich, bei Frauen eine gedämpfte Libido. Bisweilen können Betablocker kalte Hände und Füße verursachen sowie Depressionen auslösen, weil diese Substanzklasse zwar den Sympathikus dämpft, parallel aber der Parasympathikus nicht stimuliert wird. Inzwischen sind Betablocker bei Bluthochdruck nicht mehr die Mittel der ersten Wahl. Auch bei Patienten mit Asthma bronchiale sind sie nicht geeignet.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783869100494
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Juni)
Schlagworte
Selbsthilfe Alternative Heilmittel Hypertonie Patienten-Ratgeber Bluthochdruck-Hilfe Alternative Heilverfahren Alternativ-Medizin

Autor

  • Pepe Peschel (Autor:in)

Die Gesundheitspädagogin, renommierte Medizin-Journalistin, Autorin und Fernsehmoderatorin Pepe Peschel widmet sich in ihrer Arbeit einer nachhaltigen Lebensweise, natürlichen Therapiemethoden und einem ganzheitlichen Heilungsweg. Für ihre Ratgeber arbeitet sie regelmäßig mit hochkarätigen Forschern und internationalen Wissenschaftlern zusammen. Ihr Anliegen: Jeder kann die umfassende Apotheke der Natur und die eigenen Selbstheilungskräfte nutzen - auch, um die ärztliche Therapie zu unterstützen. Für mehr inneres und äußeres Wohlbefinden. Für mehr Leben.
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Titel: Ich helfe mir selbst - Bluthochdruck