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Wackelzahn-Pubertät

Gelassen durch die 6-Jahres-Phase. Der praktische Elternratgeber.

von Laura Fröhlich (Autor:in)
208 Seiten

Zusammenfassung

Von der Kuschelmaus zum Säbelzahntiger
Von „Ich habe dich so lieb“ bis „Du bist eine doofe Mama!“ – Kinder in der Wackelzahn-Pubertät schwanken oft zwischen Kuschelmaus und tobendem Trotzkopf. Die plötzliche Wut und das ständige Diskutieren werden für Eltern schnell zur echten Herausforderung. Wichtig ist es, den Veränderungen des Kindes entspannt zu begegnen und Verständnis zu zeigen. Wie das gelingt, zeigt Mama-Bloggerin Laura Fröhlich anhand von typischen Stress-Situationen, die im Familienalltag entstehen können: Zimmer aufräumen, Geschwisterstreit, Mäkeln beim Essen, Ärger bei den Hausaufgaben und vielen mehr.

Eltern-Ratgeber für die „6-Jahres-Krise“
Wie kann ich mit meinem Kind sprechen, damit aus einer Mücke kein Elefant wird? Wie vermeide ich unnötiges Schimpfen und Bestrafen? Wie mache ich mein Kind stark und selbstbewusst? Welche Regeln und Rituale helfen uns im Familienalltag? In ihrem Ratgeber liefert Laura Fröhlich Tipps für einen entspannten Alltag mit 5-7-jährigen Kindern. Dazu gibt es zahlreiche Ratschläge von Experten – vom der richtigen Kommunikation mit Wackelzahnkindern bis hin zu der Frage, wie Eltern ihre Kinder sicher durchs Internet begleiten.

Aus dem Inhalt:
• Diskutieren mit Kindern in der Wackelzahnpubertät
• Richtig streiten lernen
• Experteninterview: Richtig kommunizieren mit Wackelzahn-Rebellen
• Selbstbewusstsein von Kindern stärken
• Expertenrat: Selbstständigkeit fördern und Kinder gesund groß werden lassen
• Wie wir Geschlechterfallen vermeiden
• Warum Familienregeln wichtig sind
• Wenn Kinder schlechte Esser sind
• Erste Schritte ohne Eltern
• Kleine Hürden im Schulalltag bewältigen
• Experteninterview mit einer Grundschullehrerin: Immer Ärger mit den Hausaufgaben
• Warum Langweile für Kinder wichtig ist
• Bildschirme und ihre Anziehungskraft

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


HERZLICH WILLKOMMEN IM CHAOS

Keine Angst vor der Wackelzahn-Pubertät! Diese Zeit ist spannend, berührend und schön, ab und zu auch nervenaufreibend, anstrengend und ermüdend. Aber es macht unglaublich viel Freude, das eigene Kind auf diesem Weg begleiten zu dürfen.

Wenn du dieses Buch in der Hand hältst, ist bei dir zu Hause sicher eine Menge los. Mit einem Kind in der Wackelzahn-Pubertät wird es jedenfalls nie langweilig, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Oft genug stand ich verwundert vor meinem Sohn oder meiner Tochter. Aus den kleinen Mäusen, die noch bis vor Kurzem so drollig sprachen und auf dem Laufrad durch die Gegend düsten, sind rund um den fünften Geburtstag ziemliche Sturköpfe geworden. Alles muss ich mit ihnen ausdiskutieren und manchmal bin ich richtig erschrocken über ihr Benehmen. Dann wiederum wundere ich mich, weil sie wieder ganz klein sein möchten und in Babysprache reden. Jedenfalls denke ich dann mit einem beunruhigenden Gefühl an die richtige Pubertät. Wenn es jetzt schon so turbulent zugeht, was kommt danach auf mich zu?

Was ist mit meinem Kind los?

Ein Grund für die Aufregung bei euch zu Hause kann die spannende Zeit der Vorschule sein, dicht gefolgt von der Einschulung. Dein Kind merkt, dass sich etwas verändert, schließlich sprechen alle Erwachsenen es ständig auf den „Ernst des Lebens“ an. Kein Wunder, dass es ihm ganz mulmig wird und es das Bevorstehende aus dem Tritt bringt. Die Phase zwischen fünf und zehn Jahren heißt aus gutem Grund „Wackelzahn-Pubertät“, weil Kinder sich verändern, sich auch mal auflehnen gegen die Eltern, ständig diskutieren möchten und empfindlich reagieren.

In diesem Alter kommen eine Menge Veränderungen auf unsere Kinder zu, und es werden viele Erwartungen an sie gestellt, wobei sie all das nicht richtig begreifen oder in Worte fassen können. Es ist viel mehr ein diffuses Gefühl, das sie ängstigen kann, und es ist normal, dass sie mit gemischten Gefühlen reagieren.

Kinder in der Wackelzahn-Pubertät wollen groß werden. Das ist in ihrem Entwicklungsprogramm gespeichert und passiert ganz von alleine und im eigenen Tempo. Dafür brauchen sie uns Eltern, unsere Liebe und unser Verständnis zur Unterstützung. Vor allem aber brauchen sie eines: einen respektvollen Umgang mit ihnen. Die Kinder diskutieren, streiten und beharren auf ihrer Meinung, weil sie von uns gesehen und geachtet werden wollen. Das birgt viele Herausforderungen, benötigt manchmal starke Nerven und fordert von uns viel Feingefühl für Zwischenmenschliches. Für uns ist das nicht immer einfach, denn früher gehörte dieser achtsame Umgang nicht unbedingt zur Erziehung dazu. Vielleicht bist du selbst ganz anders aufgewachsen und deine Eltern haben Druck und Strafen angewendet. Ich kann dir schon einmal eines verraten: Mit diesen beiden Mitteln wird die Zeit mit unseren Kindern anstrengend und zermürbend – für beide Seiten.

Neue Wege gehen

Wir wollen es anders machen und suchen gemeinsam Antworten auf viele Fragen. Wieso geraten wir mit unserem Kind ständig in Streit aus den immer gleichen Gründen und wie können wir diese Konflikte lösen? Wie halten Kinder Familienregeln ein, wenn wir nicht mit Sanktionen drohen? Warum trödeln unsere Kinder und warum verstehen sie die Sache mit der Ordnung nicht? Wie viel Freiheit kann ich meinem Kind lassen, welche digitalen Medien erlaube ich ihm, und warum will es heute groß sein und morgen wie ein Kleinkind behandelt werden?

Ich bin selber Mama von drei Kindern, zwei davon sind in der Wackelzahn-Pubertät, und ich habe schon viele Stunden diskutiert, getröstet und mich auch oft geärgert. Es ist nicht immer einfach mit den kleinen Wackelzahn-Rebellen und -Rebellinnen, aber es macht gleichzeitig großen Spaß, sie beim Größerwerden zu begleiten.

„Gute Eltern machen mindestens 20 Fehler am Tag“, hat der dänische Familientherapeut Jesper Juul einmal gesagt. Es ist also ganz normal, dass wir uns nicht jederzeit pädagogisch sinnvoll verhalten können. Du und ich, wir sind Menschen, die ab und zu die Nase voll haben. Sei also nicht zu streng mit dir selbst, wenn du deine Kinder mal nicht so nett behandelst. Stell dir vor, während ich das Buch hier schrieb und all die guten Tipps zusammentrug, habe ich manchmal meine Kinder angemeckert, weil sie mich dabei störten. Im Nachhinein wurde mir dann klar, dass mein Verhalten nicht sehr freundlich war, und ich habe die Kinder um Verzeihung gebeten.

Darum geht es im Buch

Mit diesem Ratgeber hältst du ein Buch in der Hand, das dich durch die Wackelzahn-Pubertät begleitet. Ich habe all meine Erfahrung aufgeschrieben und mit vielen Praxis-Tipps versehen. Außerdem kommen Experten zu Wort, die dir das Verhalten der Kinder erklären und dir mit gutem Rat zur Seite stehen. Ich kenne sie alle persönlich, daher wundere dich nicht, dass ich sie duze.

Du erfährst im ersten Teil des Ratgebers wichtige Grundlagen für das Leben mit Kindern, zum Beispiel, wieso die Art der Kommunikation eine sehr große Rolle spielt und wie wir ihnen auf Augenhöhe begegnen können. Außerdem habe ich aufgeschrieben, wie wir unseren Kindern helfen, stark und selbstbewusst zu sein. Wir widmen uns dem Thema Geschlecht und sprechen darüber, wie wir Jungen und Mädchen so erziehen, dass sie gleiche Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben jenseits von Klischees haben.

Sicher bist du gespannt auf das Kapitel, das sich dem Familienfrieden widmet. Mit Kindern in der Wackelzahn-Pubertät geht es nicht immer friedlich zu, und das ist auch gar nicht weiter tragisch, denn eine Familie, in der immer Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung ist, die gibt es nicht, darauf kannst du wetten! Mein Tipp: Mit der Familienkonferenz könnt ihr gemeinsam Regeln aufstellen und sie ganz ohne Strafen befolgen, auch was das respektvolle Miteinander angeht.

Im zweiten Teil geht es um praktische Themen. Was tust du, wenn deine Kinder kein Gemüse mögen und dauernd über das Essen meckern? Ich habe außerdem gute Ideen, wie du deine Kinder aufklären kannst, auch wenn dir das Thema selbst vielleicht etwas unangenehm ist. Weiter geht es mit den ersten Schritten alleine, denn die sind für unsere Kinder genauso wichtig wie unser Zuspruch und das Verständnis dafür, dass die Kinder ab und zu wieder ganz klein sein wollen. Ich erzähle dir, was das Besondere an der Vor- und Grundschulzeit ist, wieso Hobbys und Freizeit für die Kinder wichtig sind und am Ende sprechen wir über das aktuelle und wichtige Thema digitale Medien.

Auf keinen Fall möchte ich mit dem moralischen Zeigefinger daherkommen. Du bist der Experte oder die Expertin für dein Kind und weißt am besten, was gut für es ist. Du nimmst dir einfach all das für deinen Alltag mit, was du gut findest.

In den kursiv gesetzten Anfangstexten beschreibe ich einige Situationen aus unserem Alltag, und du wirst schnell merken, dass ich mich auch nicht immer richtig verhalte. Vieles würde ich im Nachhinein anders machen, aber ich bin eben auch nur ein Mensch, der das gute Zusammenleben mit Kindern immer wieder üben muss. Du kannst davon profitieren, denn ich habe viel reflektiert und mein Verhalten in mancher Hinsicht geändert – zum Besseren!

Du kannst die Kapitel durcheinander lesen oder der Reihenfolge nach. Der Pfeil zeigt dir an, wenn es zu dem Thema noch an anderer Stelle im Buch Informationen gibt. In kleinen Kästchen gibt es Alltags-Tipps, die ihr direkt umsetzen könnt. Außerdem ist es mir wichtig, dass bei all den Kinderthemen die Eltern nicht zu kurz kommen. Die Anregungen in den Kästen „Atempause für Eltern“ sind nur für dich, denn sind wir mal ehrlich – das Leben mit Wackelzahn-Kindern kann ab und zu ziemlich anstrengend sein.

Ihr schafft das schon!

Ich möchte dir vor allem ganz viel Lust machen auf diese tolle Zeit mit deinem wunderbaren Kind. Es ist so außergewöhnlich, was für eine Persönlichkeit aus ihm wird. Babys und Kleinkinder sind sich im Verhalten oft ähnlich. Nun aber schält sich immer mehr der wahre Charakter heraus. Manchmal sind wir verwundert: Wo hat das Kind nur diese Eigenschaft her? Woher kommt das Interesse für ein bestimmtes Hobby, woher der Sinn für Kunst, Sport oder Bücher? Sie beeindrucken uns mit ihrem Wesen und manchmal sind wir es, die zu ihnen aufsehen. Gleichzeitig brauchen sie uns sehr, denn bei allem Drang, groß werden zu wollen, sind sie immer noch Kinder.

Sie fordern unseren Respekt und möchten so angenommen werden, wie sie sind. Geht uns Großen eigentlich nicht anders, oder? Manchmal, wenn es zwischen meinem Sohn oder meiner Tochter und mir kracht, frage ich mich, wie ich in einer solchen Situation behandelt werden möchte. Meist ist das ein guter Kompass, und ich weiß dann schneller, was mein Kind brauchen könnte.

Die Wackelzahn-Pubertät ist eine Zeit der Veränderung. Aus unseren kleinen Kindern werden große Kinder, die Schritt für Schritt in Richtung Selbstständigkeit unterwegs sind. Wir Eltern sind dafür da, ihnen die Flügel zu geben, um loszufliegen. Mindestens so notwendig brauchen sie die Gewissheit, dass das Nest bleibt – für immer. Wir stellen jetzt die Weichen für die Zeit der Pubertät. Respekt und Freiheit wird dann das sein, was die jungen Menschen von uns brauchen. Wir dagegen brauchen Vertrauen in unsere Kinder. Wenn wir jetzt in der Wackelzahn-Pubertät die Grundsteine für dieses Vertrauen legen, dann kann nichts schiefgehen. Machen wir uns mit unseren Kindern auf eine spannende Reise.

Ich wünsche dir nun ganz viel Spaß beim Lesen

Deine Laura

REDEN MIT KLEINEN REBELLEN

Mit Eintreten der Wackelzahn-Pubertät wird das Reden mit dem Kind manchmal schwieriger. Unser Kind erscheint uns frech, es streitet mit den Geschwistern, und wir wissen dann in unserer Hilflosigkeit keine bessere Lösung, als mit Drohungen zu reagieren. In diesem Kapitel erzähle ich dir etwas über gelungene Kommunikation. Warum ist streiten nicht schlimm, wenn wir ein paar Regeln befolgen, und wie kannst du die Konflikte zwischen Geschwistern besser akzeptieren? Ich erkläre dir, warum Strafen meiner Meinung nach nichts bringen und wie du stattdessen mit reden auf Augenhöhe weiterkommst.

„Räum dein Zimmer auf!“ – „Nö!“ – Diskutieren mit Kindern in der Wackelzahnpubertät

Ich komme in Jimmys Zimmer und sehe Chaos, so weit das Auge reicht. Nach dem ersten Schritt trete ich auf eine Tipp-Kick-Figur und schimpfe: „Wie sieht es denn hier aus? Räum jetzt bitte auf!“

„Nein, ich spiele gerade mein Fußballspiel“, antwortet mein Sohn, und schießt den Tipp-Kick-Ball in das Tor.

„Dann mach es später“, entgegne ich genervt.

„Nein, da will ich rüber zu Finn.“

Wir diskutieren und finden kein Ende, ich werde dabei immer ärgerlicher. „Solange du nicht aufgeräumt hast, gehst du nirgendwo hin“, rufe ich wütend und fühle mich ziemlich hilflos.

„Geh raus“, schreit Jimmy.

Ich haue die Tür zu und muss erst einmal Luft holen.

Vielleicht kommen dir solche Situationen bekannt vor. Erkennst du dein Kind auch manchmal nicht wieder, ärgerst dich und fühlst dich machtlos? Mit kleinen Wackelzahnrebellen und -rebellinnen kann man stundenlang diskutieren und das macht uns Eltern oft wahnsinnig. War das Wort von Mama und Papa bis vor Kurzem zumindest im ausgeschlafenen und satten Zustand Gesetz, stellen die Kinder rund um ihren fünften Geburtstag alles infrage. Sie finden Aufräumen doof, haben keine Lust, beim Tischdecken zu helfen, möchten abends im Bett das Licht anlassen und das Taschengeld nicht in das Sparschwein tun, sondern viel lieber scheinbar nutzlosen Kleinkram kaufen. Nervig können auch Diskussionen um gemeinsame Unternehmungen sein. Das Kind findet den Spielplatz langweilig und boykottiert den Nachmittagsausflug mit den Geschwistern. Früher wäre es wenigstens schmollend mitgekommen, nun stehen Eltern mit Eimer, Schaufel und Trinkflasche in der Tür und tauschen mit dem Kind Argumente aus, die dann schnell zum Streit führen. Falls du deshalb frustriert bist und dich fragst, was du falsch gemacht hast, kann ich dich beruhigen: Ganz viele Kinder in diesem Altern benehmen sich so.

Ein wichtiger Entwicklungsschritt

Das Wort Wackelzahn-Pubertät bezeichnet diese Phase ausgezeichnet, und Eltern wissen meist sofort, was gemeint ist. Mit dem ersten Wackelzahn verändern sich die Kinder zunehmend, die Gründe dafür sind aber nicht die Hormone. Vielmehr ändert sich das Leben der Kinder, und sie reagieren darauf. Im Prinzip ist das eine ganz besonders spannende Phase: Sie sind keine Kleinkinder mehr, sind aber auch noch lange nicht groß. Die Vor- und Grundschule und alles, was damit zu tun hat, verändert ihr Leben und bereitet Vorfreude, aber auch Angst. „Was kommt da nur auf mich zu und wie wird sich mein Leben durch die Einschulung verändern?“ Manche Kinder nehmen diese Situation gelassener hin, aber alle erfreuen sich an der Entdeckung ihrer eigenen Persönlichkeit und haben keine Lust mehr, alle Regeln als gegeben hinzunehmen.

Es tut uns Eltern gut, wenn wir wissen, dass andere Mütter und Väter mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen haben und nicht nur das eigene Kind ein ungewöhnliches Verhalten an den Tag legt, sondern all die anderen in seinem Alter auch. Die sogenannte Wackelzahn-Pubertät ist also einfach ein weiterer Schritt, den dein Kind geht, und du kannst das gut im Alltag beobachten: Es entwickelt zu allen möglichen Themen eine eigene Meinung, besteht auf seine Privatsphäre und sucht den Kontakt zu Gleichaltrigen. Vor allem kann es richtig wütend werden, wenn es sich übergangen fühlt und ihr es nicht in eure Familien-Entscheidungen mit einbezieht. Vielleicht zieht dein Kind ein langes Gesicht, weil ihr in den Ferien wieder an die Ostsee fahrt, es aber viel lieber mal in den warmen Süden möchte, so wie seine Schulkameraden. Kleinere Kinder räumen zwar nicht immer gerne auf, sie hinterfragen aber nicht den Sinn des Aufräumens. Ein Kind in der Wackelzahn-Pubertät denkt sich dagegen: „Wieso soll ich das eigentlich tun? Es ist mein Zimmer und das ist mein Bereich. Also darf ich bestimmen.“ Mitbestimmung und Gehört-Werden sind ganz wesentliche Dinge, die Kinder in der Wackelzahn-Pubertät von uns fordern, und das ist genau richtig so!

Alles infrage stellen

Vielleicht bist du manchmal verzweifelt oder genervt von den ewigen Streitereien mit deinem Wackelzahn-Rebell oder deiner Wackelzahn- Rebellin? Mir geht es jedenfalls so. Aber wenn wir uns mal mit der Kommunikation zwischen Eltern und Kind beschäftigen, wird uns schnell klar, welcher Zusammenhang zwischen wachsendem Alter und der Zunahme von Konflikten besteht.

Ein wertschätzender Umgang mit Kindern ist von Anfang an sehr wichtig. Ein Baby, das vom Kinderarzt oder der Kinderärztin untersucht wird, muss das zwar über sich ergehen lassen, wird dabei aber von seiner Mutter getröstet. Ein Kleinkind darf das scharfe Messer nicht haben, aber wir beugen uns herunter, erklären ihm die Gefahr und geben ihm stattdessen ein Kindermesser. Dabei geben Eltern ihren Kindern ein Zeichen, dass sie deren Wunsch nach Trost oder Selbstständigkeit erkennen und, so weit es eben möglich ist, erfüllen. Bei Kindern in der Wackelzahn-Pubertät wird dieser wertschätzende Umgang noch wichtiger. Die Kinder gieren förmlich danach, dass wir sie, ihre Meinung und ihre Bedürfnisse sehen. Tun wir das nicht, sondern gehen wir darüber hinweg und spielen unsere Eltern-Machtkarte aus, gehen sie im wahrsten Sinne des Wortes an die Decke.

Entwicklung der Persönlichkeit

Kinder in diesem Alter entdecken mehr und mehr ihre eigene Persönlichkeit. Sie erkennen, dass sie besonders sind, dass es ein ICH gibt, das sich von dem DU gegenüber unterscheidet. Das eine Kind mag Sport, das andere zeichnet lieber. Ein Kind ist schüchtern, ein anderes steht gerne im Mittelpunkt. Die Kinder erkennen sich als individueller Mensch mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen und erwarten von uns Eltern, dass wir sie als solche sehen. Dieses ICH gilt es zu schützen und deshalb ist das Für-sich-Eintreten ein großer Entwicklungsschritt. In unserer Gesellschaft gilt es als „frech“, wenn Kinder „Widerworte“ geben. Dabei geht es ja eigentlich um eine Meinungsäußerung, die möglicherweise nicht im richtigen Ton gesprochen wurde. Diesen richtigen Ton müssen die Kinder auch erst erlernen. Das tun sie vor allem dann, wenn wir im richtigen, also in einem wertschätzenden und respektvollen Ton mit ihnen sprechen.

Diskussionen gehören dazu

Wünschen wir uns nicht alle, dass unsere Kinder später einmal starke Menschen sind, die für sich selbst einstehen? Nun kannst du deinen Sohn oder deine Tochter darin bestärken, denn mit der Wackelzahn- Pubertät startet ein besonderer Lebensabschnitt. Tatsächlich musst du von jetzt an wohl öfter diskutieren, dich erklären, Begründungen geben und auch mal auf deinen Standpunkt beharren. Aber wenn du mit deinem Wackelzahn-Kind auf Augenhöhe sprichst und ihm dabei zeigst, dass du zwar nicht immer in seinem Sinne entscheiden kannst, aber seine Meinung ernst nimmst, werdet ihr langfristig gut miteinander klarkommen.

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Eine einfache Lösung?

Du fragst dich vielleicht, ob sich bereits einmal geklärte Diskussionspunkte wie das Zimmeraufräumen damit ein für alle Mal erledigt haben? Nein, vermutlich nicht. Wackelzahn-Rebellen und -Rebellinnen neigen dazu, den Diskussionsgrund schnell zu vergessen. Ein und dasselbe Thema immer wieder durchzukauen gehört zum Leben mit Kindern einfach dazu. Aber wenn du dein Kind an euren bereits geschlossenen Kompromiss erinnerst, dann weiß es, dass es fair wäre, sich an eure Abmachungen zu halten. Verhältst du dich auf Dauer selbst fair, wird es das bald ebenso machen, denn Kinder lernen über Erfahrungen und Vorbilder, wenn auch nicht sofort. Vielleicht diskutiert ihr immer mal wieder von Neuem los, aber seien wir ehrlich: Würden wir unsere Eltern-Machtkarte ausspielen und mit Verboten drohen, gäbe es ebenfalls Diskussionen. So aber übt dein Kind nebenbei das Diskutieren, den fairen Meinungsaustausch und den respektvollen Umgang miteinander. Das ist ein Handwerkszeug, von dem es ein Leben lang profitieren wird.

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„Du bist die doofste Mama der Welt!“ – Richtig streiten lernen

„Luise, heute ist Reitunterricht und wir müssen bald los“, sage ich zu meiner Tochter.

„Heute möchte ich nicht zum Reiten, mir ist das zu anstrengend“, antwortet sie.

„Das geht nicht“, erwidere ich, „wir haben die Reitstunde bezahlt und nun musst du sie auch machen, sonst ist das Geld verloren.“

„Ich WILL aber nicht“, schreit Luise wütend.

„Immer willst du erst etwas und hast dann bald keine Lust mehr“, ärgere ich mich.

„Du bist die doofste Mama der Welt“, heult Luise.

Wir sehnen uns nach Harmonie, nach guter Stimmung und allgemeiner Zufriedenheit, aber seien wir ehrlich: In einer Familie geht es nicht ohne Streit. Mit Kindern ab fünf Jahren nimmt die Streiterei manchmal sogar noch zu, denn Wackelzahn-Rebellen und -Rebellinnen wollen längst nicht immer das Gleiche wie die Eltern und wissen, das auszudrücken.

Streiten muss gelernt sein

Jeden Konflikt zu vermeiden ist nicht nur unmöglich, sondern auch gar keine gute Idee. Denn wenn alle Familienmitglieder ein paar Regeln beim Streiten berücksichtigen, verhärtet ein Konflikt die Fronten nicht, sondern trägt langfristig zu mehr Familienfrieden bei. Die Kinder müssen lernen zu streiten, denn woher sollen sie das auch können? Wenn sie klein sind, fällt es ihnen besonders schwer. Sie reagieren im Konfliktfall mit Wut, Trotz oder einer Beißattacke. Kinder ab fünf Jahren reagieren nicht mehr so stark und sind eher in der Lage, sich in eine andere Person hineinzuversetzen. Aber damit umzugehen, Kompromisse zu schließen oder sich auf den anderen einzulassen, ist für sie trotzdem schwierig. Damit umzugehen ist ein Lernprozess, der auch uns Erwachsene immer wieder herausfordert. Die Fallen beim Streiten zu umschiffen und es nicht zu einer unlösbaren und aggressiven Auseinandersetzung werden zu lassen, ist also eine Aufgabe für Groß und Klein.

Pause einlegen

Wenn ihr während eines Konflikts so richtig sauer werdet, tut euch eine Pause gut. Wenn bei uns mal die Türen knallen, bleiben sie auch eine kurze Zeit geschlossen. Jeder kann dann durchschnaufen und sich ein wenig beruhigen. „Lass uns in einer halben Stunde noch einmal darüber sprechen, okay?“, so könntest du dein Kind um eine kleine Auszeit bitten.

Du-Botschaften vermeiden

Richtig unangenehm ist es für uns alle, wenn wir mit Du-Botschaften bombardiert werden, die auch noch mit Worten wie „immer“ und „nie“ gewürzt sind. Dass ich in meinem Beispiel zu Beginn des Kapitels meiner Tochter vorwarf, immer schnell die Lust zu verlieren, war gemein und pauschalisierend. Kein Wunder, dass sie dann so richtig wütend wurde. Eine wichtige Regel beim Streiten lautet daher, Ich-Botschaften zu verwenden, um uns gegenseitig nicht unnötig zu beleidigen oder herabzusetzen. Du sprichst damit von dir und fällst kein Urteil über dein Gegenüber. Wenn du mit deinem Kind diskutierst und ein Konflikt ausbricht, sprich also nur von deiner Sicht der Dinge. So lernt es im Laufe der Jahre, sich in dich hineinzuversetzen und deine Bedürfnisse anzuerkennen.

Emotionen ansprechen

Wenn du gerade schon dabei bist, von dir zu sprechen, dann formulier auch deine Gefühle. Ich hätte im Gespräch mit Luise sagen können: „Ich bin ärgerlich, wenn die Reitstunde verfällt, denn ich habe sie bezahlt.“ Meine Tochter kann so eher nachvollziehen, warum ich wütend bin und bezieht das Problem nicht auf sich als Person, sondern auf den Umstand. Außerdem kommen auf diese Weise Gefühle zur Sprache. Frag dein Kind bei einem Streit doch mal: „Was macht dich denn gerade so wütend?“

Eine Lösung finden

Überleg dir mal, wie du einen Streit unter Arbeitskollegen und -kolleginnen klären würdest. Ihr würdet vermutlich versuchen, einigermaßen respektvoll miteinander umzugehen, denn ihr müsst ja weiterhin zusammenarbeiten. Auch wenn ihr unterschiedlicher Meinung wärt, würdet ihr sicher nach einem Kompromiss suchen. Genauso ist das im Streit mit unseren Kindern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein guter Kompromiss die dicke Luft schnell klären kann. Frag dein Kind nach einer Lösung eures Streits. Manchmal haben Kinder die spannendsten Ideen, und wenn sie merken, dass wir Großen bereit sind, uns auf ihre Sichtweise einzulassen, kann es mit der Versöhnung schneller gehen, als wir denken.

Sich entschuldigen

Wichtig ist, dass wir Eltern uns ehrlich entschuldigen, wenn wir ungerecht waren. Mir sind als Mutter schon oft gemeine Dinge herausgerutscht, die mir später leidtaten. Für die Kinder ist es ein großes Zeichen, wenn wir auf sie zugehen und aufrichtig um Entschuldigung bitten. Am besten lassen wir diese Bitte um Verzeihung so stehen, ohne auf die Fehler des Kindes einzugehen. Eine „Aber-Botschaft“, die wir an die Entschuldigung anschließen, mindert nämlich die Bitte um Verzeihung wieder ab. Das Gute daran: Wenn dein Kind sieht, dass du dich ohne Wenn und Aber entschuldigst, wird es ihm bald leichter fallen, es selbst zu tun.

ATEMPAUSE FÜR ELTERN

Ab und zu fehlen dir die Nerven für Diskussionen, du hast einfach keine Lust, keine Zeit oder bist zu müde? Das ist völlig normal und nachvollziehbar und geht mir genauso. Sag deinem Kind, wie du dich fühlst und dass du gerade keinen Kopf für Diskussionen hast. Kinder in der Wackelzahn-Pubertät müssen zwar lernen, für ihre eigenen Bedürfnisse zu kämpfen. Aber sie müssen auch lernen, die der anderen zu respektieren.

Wenn immer wieder dieselben Konflikte auftauchen

Ab und zu streiten Eltern mit ihren Wackelzahn-Rebellen und -Rebellinnen immer wieder über dieselben, nervtötenden Themen. Trödeln, Aufräumen, Geschwisterstreitereien oder Hausaufgaben – da gibt es nur ein paar kleine Trigger und schon sind alle wütend und verletzt. Weil wir Eltern die Verantwortung für die Stimmung in unserem Haus tragen, liegt es auch in unserem Aufgabenbereich, schwierige Situationen langfristig in den Griff zu bekommen. Überleg dir mal in Ruhe, welche Momente im Alltag Konfliktpotenzial bieten und welche Sätze dann immer wieder fallen. Schreib sie auf und schau sie dir an. Wie wirken sie auf dich? Kannst du die Sätze umformulieren? ( siehe auch die Abschnitte „Du-Botschaften vermeiden“ und „Emotionen ansprechen“). Sprich mit deinem Kind über den wiederkehrenden Konflikt, wenn die Stimmung wieder gut ist. Frag es mal, was seiner Meinung nach dazu führt, dass ihr streitet. Trau dich, dein Kind als gleichwertiges Gegenüber zu betrachten und versucht, gemeinsam einen Lösungsweg zu finden.

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„Du blöde Schwester!“ – Geschwisterstreit ertragen

„Pferde sind doof“, platzt es morgens am Frühstückstisch aus Jimmy heraus.

Luise reagiert prompt: „Und Fußball ist so richtig oberdoof, und du bist der dümmste Bruder der Welt.“

Jimmy wirft mit seinem Marmeladenbrot nach seiner Schwester, diese stürzt vor Schreck vom Stuhl. Manege frei für ein ganz normales Geschwisterpaar und die alltäglichen Grabenkämpfe.

Es soll ja Geschwister geben, die sich die meiste Zeit vertragen. Mir selbst kommt es manchmal so vor, als sei das in allen anderen Familien der Fall, nur nicht bei uns. Wenn ich aber gezielt herumfrage, berichten alle Eltern das Gleiche, und die meisten Geschwister zanken viel. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Altersabstand der Kinder nicht groß ist. Ich kann dir außerdem noch etwas mit auf den Weg geben. Oft sind es die Eltern, die sich am meisten Mühe mit ihren Kindern geben, bei denen es den größten Zoff gibt. Es hat also nichts mit dir zu tun, wenn bei euch zu Hause zwischen den Kindern die Fetzen fliegen.

Wenn auch deine Kinder oft streiten, dann sei dir darüber im Klaren, dass es a) normal ist, b) dazugehört und sich c) die Streithähne trotzdem ungemein lieb haben. So ist es auch bei Jimmy und Luise. Lass Streit zu, denn wir Erwachsenen haben gelernt, Ärger zu unterdrücken. Da sind uns in Sachen Psycho-Hygiene unsere Kinder einen Schritt voraus!

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Geschwisterstreit gehört dazu

Wenn bei euch zu Hause zwischen den Kindern die Fetzen fliegen, liegt das nicht an euch Eltern oder an einer vermeintlich konfliktreichen Atmosphäre. Geschwisterstreit ist so nervenzehrend wie normal und sagt auch nicht unbedingt etwas über die Qualität der Geschwisterbeziehung aus. Ich habe aber bemerkt, dass der Streit noch zunimmt, wenn die Kinder in die Wackelzahn-Pubertät kommen. Es wird ja bekanntlich sowieso schon viel diskutiert und wenn dann, wie bei uns zu Hause, zwei konträre Wackelzahn-Meinungen aufeinandertreffen, endet das aufgrund von mangelnder Erfahrung im Streiten und in der respektvollen Diskussion oft in einer handfesten Auseinandersetzung.

Elternregeln

Ich habe hier ein paar Regeln für dich, die sich bei uns bewährt haben und dir möglichst viel Ärger ersparen sollen:

Lass dich nicht mit hineinziehen in den Geschwisterstreit. Oft warst du nicht dabei, als sich die Situation zuspitzte. Wem glaubst du also, wenn Aussage gegen Aussage steht? Ergreife keine Partei und diskutiere nicht mit. „Was ich nicht gesehen habe, kann ich nicht beurteilen!“

Indem du dich raushältst, gibst du den Kindern das Signal, dass du ihnen zutraust, den Konflikt alleine zu lösen. Sag ihnen ruhig und deutlich: „Ich traue euch zu, dass ihr das Problem alleine löst.“

Ich weiß, es nervt unglaublich. Manchmal möchte ich meine Streithähne zu Hause einfach nur rausschmeißen. Aber wir sollten nicht immer so genervt reagieren, wenn die Kinder sich beleidigen, zanken und rempeln. Sie üben die Auseinandersetzung, und wie du weißt, muss streiten erst gelernt sein.

Streit gibt es oft über scheinbare Ungerechtigkeiten. Kinder in der Wackelzahn-Pubertät sind manchmal richtige Erbsenzähler. Großzügigkeit lernen sie von ganz alleine, indem wir Erwachsenen es ihnen vorleben. Wenn du dich selber großzügig zeigst und gerne teilst, erledigt sich die scheinbare Engstirnigkeit der Kinder von ganz alleine. Zwing sie nicht dazu, zu teilen oder Spielzeug abzugeben, sondern lass sie selbst erfahren, wie viel Spaß es macht, etwas abzugeben oder zu verschenken.

Mach den Streit deiner Kinder nicht zu deinem Problem. Wenn sie sich mal wieder zanken, sag ihnen, dass du keine Lust hast, den Schiedsrichter zu spielen. Zieh dich zurück, setz dir Kopfhörer auf und hör Musik oder deinen Lieblingspodcast.

„Selber schuld – Katapult!“ – Gelassen auf Rebellen-Provokation reagieren

Ich bin mit allen drei Kindern im Supermarkt. Auf einmal nennt Jimmy seinen kleinen Bruder einen „Uhrensohn“.

Mir bleibt der Mund offen stehen. „Wo hast du denn dieses Wort her?“, frage ich ihn.

„Aus der Schule!“, lautet seine prompte Antwort.

Seine Geschwister wiederholen das Wort, alle jubeln und lachen und Jimmy hört nicht auf meine Bitte, es zu lassen. Einige Leute schauen schon zu uns herüber.

Kinder in der Wackelzahn-Pubertät haben eine große Freude an kleineren Provokationen. Bei dem einen ist sie mehr, bei dem anderen weniger stark ausgeprägt. Sie lieben Schimpfwörter und Worte, bei denen die Erwachsenen vor Schreck die Luft anhalten, Witze und freche Sprüche, Singreime oder kleinen Beleidigungen unter Geschwistern. Fragst du dich auch manchmal, wo das nur hinführt? Ich bin mir jedoch sicher, dass Kinder die Sprache der Eltern irgendwann automatisch übernehmen. Wenn diese Sprache respektvoll und wertschätzend gegenüber Mitmenschen ist, fallen so ein paar mitgebrachte Schimpfwörter am Ende sicher nicht ins Gewicht.

Raus mit der Sprache

Kinder entdecken die Macht der Sprache. Wenn sie erleben, welche Reaktionen Schimpfwörter auf die Eltern ausüben, werden sie erst einmal ihre Freude daran haben. Sie loten so auch die moralischen Grenzen aus und lernen sie dadurch kennen. Eigentlich ist das doch eine sehr clevere Idee, um die Welt besser zu verstehen! Ich habe bei meinen Kindern auch schon bemerkt, dass seltsame oder ungebührliche Worte, die sie irgendwo aufgeschnappt haben, einfach mal raus müssen. Mach am besten nicht viel Aufheben darum. Nimm es gelassen hin und erkläre den Kindern die Bedeutung der Worte. Mach sie darauf aufmerksam, dass sie damit andere Menschen beleidigen und verletzen können.

Gleiches gilt für Kinderreime. Kinder lieben es, wenn sich Worte reimen. Wenn diese dann auch noch mit Pups und Popel zu tun haben, gibt es kein Halten mehr. Vermutlich werdet ihr euch in den nächsten Jahren eine Menge schlechter Fritzchen-Witze anhören müssen.

Widerworte und freche Sprüche

Die Eltern mal ein wenig provozieren zu wollen gehört zum Großwerden dazu. „Wie reagieren Mama und Papa, wenn ich nicht mache, was sie sagen? Wie weit kann ich meine Belange durchsetzen und wo stoßen sie auf die Grenzen meiner Mitmenschen?“ All das lernen Kinder durch Ausprobieren, und diese Erfahrungen gehören in die große Schatztruhe auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden. Die Kinder möchten diskutieren und die Macht der Worte gebrauchen, das liegt in ihrem Wesen. Dabei testen die Kinder ab und zu auch unsere persönlichen Grenzen, benutzen Schimpfwörter oder beleidigen uns aus Hilflosigkeit heraus.

Uns trifft es vor allem dann, wenn wir uns selbst nicht wohlfühlen. Sind wir mit uns unzufrieden, ist unser Selbstbewusstsein angeknackst oder fühlen wir uns den Kindern gegenüber schwach, können freche Worte ganz schön wütend machen und kränken. Dein Frust ist groß: Du kümmerst dich um dein Kind, kochst, putzt und tröstest und erntest als Dank Gemeinheiten. Gründe für ungebührliche Antworten deines Kindes könnten wie erwähnt sein, dass es Worte und ihre Wirkung ausprobiert. Dann kannst du deinem Kind sagen, dass du dich gekränkt fühlst. Vielleicht verhält sich dein Kind auch deshalb „frech“, weil es sich eigentlich nicht verstanden fühlt. Auf die Basis einer guten Kommunikation gehe ich im nächsten Kapitel ein. Vielleicht fühlt es sich unverstanden, bevormundet oder missachtet? Ich frage mich manchmal, warum ich selbst im Alltag ausfallend werde. Meist bin ich frustriert und fühle mich hilflos. Ist dein Kind dir gegenüber also anhaltend respektlos, behalte das im Auge. Es könnte sein, dass dein Kind sich fremdbestimmt oder bedroht fühlt, zum Beispiel durch Strafen. Darauf, wie Strafen und das Ziehen der Elternmachtkarte dazu führen können, dass Kinder nicht aufhören zu provozieren, komme ich später zurück ( „Dann gibt’s eben kein Sandmännchen“).

ATEMPAUSE FÜR ELTERN

Als Eltern halten wir in der Wackelzahn-Pubertät öfter mal als Fußabtreter für die Wut, den Ärger oder die Angst des Kindes her. Das müssen wir aber nicht kommentarlos über uns ergehen lassen. Verständnis für die Kinder aufbringen und ihre Gefühle ernst nehmen ist die eine Sache, aber es ist dein gutes Recht, auch dein Wohl im Auge zu behalten. Sag deinem Kind, wie du dich fühlst, wenn es dich respektlos behandelt und sprecht über den Umgangston in eurer Familie. Im Kapitel → „Familie Friedlich“ erzähle ich dir mehr dazu.

Mecker-Hans und Nörgel-Liese

Wenn ich früher zu den Kindern sagte: „Heute würde ich gerne mit euch auf den Spielplatz gehen!“, erntete ich in jedem Fall Jubel und Freude. Heute haben mein Sohn und meine Tochter an meinen Plänen oft etwas auszusetzen, und das macht den Alltag ziemlich kompliziert.

Du wirst bemerkt haben, dass dein Kind zwischen fünf und zehn Jahren nicht mehr jeden Ausflug und jede Reiseidee gut findet. Tatsächlich wollen die Kinder mitreden und Einfluss darauf nehmen, wie sie ihre Tage verbringen. Mein Tipp lautet daher: Ob unter der Woche oder am Wochenende, am besten ihr beratschlagt gemeinsam, wie euer Tag aussehen soll. Sicherlich könnt ihr einen Kompromiss finden. Wenn das Kind nörgelt, weil ihm der Spielplatz zu langweilig erscheint, schlag vor, einen Fußball oder ein Gummitwistband mitzunehmen, oder du fragst es, was es denn gerne unternehmen würde. Vielleicht könnt ihr spontan umplanen? Bei uns zu Hause hilft es manchmal, die Wünsche der Kinder für Freizeitaktivitäten anzuhören und für einen anderen Tag einzuplanen. Das Gleiche gilt für Urlaube. Hier spielt natürlich das Geld und die Art der Fortbewegung eine Rolle. Aber je mehr die Kinder merken, dass sie in sämtlichen Belangen ernst genommen werden und sie ein Mitsprache- oder Vetorecht haben, desto weniger wird am Ende genörgelt oder gemeckert. Es fühlt sich einfach für alle gut an, wenn die Sache gemeinsam entschieden wurde.

„Nimm mich so, wie ich bin“ – Sprache der Annahme

Manchmal höre ich mich so an: „Jimmy, warum verträgst du dich nicht wieder mit deinem Freund?, „Luise, das bunte Shirt passt nicht zu der gemusterten Hose!“, „Es wäre klüger, heute eine Regenhose anzuziehen.“, „Sag mal, was hat die Lehrerin denn nun zu den vergessenen Hausaufgaben gesagt?“, „Man isst nicht mit den Fingern!“

Wir Eltern haben manchmal das Gefühl, unsere Kinder in die richtige Richtung biegen zu müssen. Dabei nutzen wir verschiedene Mittel. Wir …

befehlen („Geh jetzt ins Bett!“)

warnen („Pass auf der Straße auf!“)

reden zu („Zieh dir doch bitte was Warmes an!“)

beraten („Wären heute nicht die Gummistiefel besser?“)

belehren („Du solltest ordentlicher schreiben.“)

urteilen („Die Hose passt aber nicht zu dem T-Shirt!“)

loben („Das Bild hast du aber schön gemalt!“)

beschimpfen („Du bist so ein Dreckspatz!“)

interpretieren („Ich sehe, dass du müde bist.“)

bemitleiden („Du Armer, du hast aber heute Pech!“)

verhören („Und was hat deine Erzieherin dann gesagt?“)

lenken ab („Na komm, wir essen erst einmal ein Eis.“)

Thomas Gordon, Autor der legendären „Familienkonferenz“, nennt diese sprachlichen Mittel in seinem Buch „die typischen zwölf“. Vielleicht fragst du dich nun, was an diesen gut gemeinten Kommunikationsmitteln schlimm sein soll, denn du willst damit ja nur das Beste für dein Kind. Aber schließlich steckt in allem, was wir zu unseren Kindern sagen, eine indirekte Botschaft. Wenn unser Kind weint und traurig ist, und wir ihm sagen, dass es keinen Grund zum Weinen gibt, weil das alles ja nicht schlimm sei, sprechen wir ihm seine Gefühle ab und sagen ihm, dass es nicht in Ordnung ist, wie es empfindet. Wenn wir unserem Kind ungefragt helfen oder ihm eine Arbeit abnehmen, sagen wir ihm, dass wir ihm nicht zutrauen, alleine damit fertig zu werden. Mit diesen indirekten Botschaften gestalten wir die Beziehung zu unserem Kind und sagen mit unserem Verhalten auch etwas über unser Kind aus, das uns vielleicht nicht immer so bewusst ist. Unser Verhalten und unsere Worte machen einen großen Eindruck, und unser Kind wird unsere Meinung zwangsläufig übernehmen, weil wir seine engsten Bezugspersonen sind, an denen es sich orientiert.

Annehmen und zuhören

Wie können wir stattdessen mit unserem Kind sprechen? Zunächst einmal ist es nicht so einfach, von gewohnten Pfaden abzukommen. Die Sprache der Annahme, wie es bei Gordon in „Familienkonferenz“ heißt, ist zwar eine gute Lösung, sie ist aber nicht von heute auf morgen erlernbar. Du kannst jedoch Schritt für Schritt üben, die Botschaften der Nicht-Annahme deutlich zu reduzieren. Das hat auch mit deinem inneren Gefühl zu tun, denn wenn du dein Kind mit all seinen Eigenarten annehmen kannst und verstehst, was hinter den Entwicklungsschritten in der Wackelzahn-Pubertät steckt, dann geht das auf jeden Fall viel leichter.

Konstruktiv mit Kindern reden

Eine Form des Annehmens ist die Nicht-Einmischung. Wir Eltern neigen dazu, unsere Kinder zu belehren. Bei den Hausaufgaben weisen wir auf eine krakelige Schrift hin oder beurteilen den kindlichen Bau einer Sandburg auf dem Spielplatz. Wir machen Vorschläge, was sie tun könnten, wenn sie gelangweilt im Zimmer sitzen, oder geben ungefragt Tipps für das Schulreferat. In dem wir Eltern uns aber eben nicht einmischen und die Beschäftigung des Kindes oder seine gefühlte Langeweile lediglich zur Kenntnis nehmen, geben wir dem Kind dabei das Gefühl, dass es in Ordnung ist, was es tut, oder dass wir wissen, dass die Langeweile vergeht und es schon eine Beschäftigung finden wird.

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Auch das passive Zuhören ist eine Form der Annahme. Wenn ein Kind von der Schule erzählt und dabei von einer Auseinandersetzung berichtet, sind wir Eltern schnell in Sorge, bewerten den Vorfall oder machen den Vorschlag, sich schnell wieder mit dem Freund oder der Freundin zu vertragen. Vielleicht wollte das Kind aber nur sein Herz ausschütten und von dem belastenden Erlebnis erzählen? Dann ist es froh, wenn die Mutter oder der Vater einfach aufmerksam zuhört.

Logischerweise wollen wir nicht immer nur zuhören, sondern miteinander im Gespräch sein. Dafür gibt es das aktive Zuhören. Mit sogenannten „Türöffnern“ wie „Erzähl doch mal“ oder einem einfachen „Das klingt spannend!“ können wir die Kinder dazu ermutigen, mehr zu erzählen. Um die Tür weiter offen zu halten, entschlüsselst du die Empfindungen deines Kindes und gibst sie noch einmal wieder. Das sieht dann so aus:

Dein Kind berichtet von einem Streit mit seinem Freund oder seiner Freundin und wie er sich zugetragen hat. Du könntest nun entschlüsseln und ihm antworten: „Der Streit scheint dich ja ganz schön zu ärgern.“ Stimmt das, wird dein Kind sicher nicken und weitererzählen. Vielleicht hast du dich aber auch geirrt und es wird sagen: „Nein, es hat mich traurig gemacht.“ So kann es von ganz alleine analysieren, was da gerade in ihm vorgeht. Möglicherweise erzählt das Kind weiter und macht sich damit Luft. Du könntest ihm helfen, den nächsten Schritt zu tun und es fragen: „Was meinst du, wie könntest du dein Problem lösen?“ Kann sein, dass dein Kind sofort eine Idee hat. „Ich könnte morgen in der Schule noch einmal mit meinem Freund reden.“ Es kann natürlich auch sein, dass es gerade gar nicht nach einer Lösung sucht und einfach noch nachdenken oder etwas Abstand gewinnen möchte. „Wenn du reden willst, bin ich für dich da!“ Mit diesem Satz signalisierst du deinem Kind, dass du jederzeit bereit bist, ihm wieder aktiv zuzuhören. Es ist ein erlernbarer und sehr feinfühliger Weg, um konstruktiv miteinander zu reden, ohne zu bewerten und ohne die „typischen zwölf“ zu nutzen.

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„Dann gibt’s eben kein Sandmännchen!“ – Warum Strafen uns nicht weiterbringen

In manchen Momenten bin ich meinen Kindern gegenüber so hilflos. Sie tun einfach nicht das, was ich sage. Einmal hat sich Jimmy geweigert, den Tisch zu decken. Luise wollte auch lieber spielen. „Na gut, wenn ihr mir nicht helft, fällt das Fernsehen eben aus“, habe ich gerufen. Wenn nichts anderes half, spielte ich die Mama-Machtkarte aus.

So habe ich es früher immer gemacht und war von der Richtigkeit überzeugt, denn die Drohung hat gewirkt – wenn auch nur kurzfristig. Am nächsten Abend stand ich allerdings vor dem gleichen Problem. Der nächste Schritt wäre eine gravierendere Drohung gewesen. Kann ich die Kinder so dazu bringen, selbst Verantwortung im Haushalt zu übernehmen?

Ich kann dir so viel verraten: Natürlich wird sich langfristig nichts ändern. Vielleicht hast auch du schon diese Erfahrung gemacht. Wenn dein Kind nicht tut, was du willst, bringen Drohungen und Strafen auf die Dauer nichts, sondern ihr kämpft den gleichen Kampf einfach immer wieder, und das Kind wird eher uneinsichtiger, deine Drohungen werden von Tag zu Tag härter. Überleg mal, wie es dir selbst geht. Wenn deine beste Freundin dir sagt, dass sie dich nicht zu ihrem Geburtstag einladen wird, wenn du sie nicht bald mal anrufst, reagierst du vermutlich ebenfalls ärgerlich und zeigst ihr in Gedanken einen Vogel. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder in der Wackelzahn-Pubertät noch viel wütender reagieren als jüngere, denn sie spüren den Machtmissbrauch deutlicher. Wie im ersten Kapitel beschrieben möchten die Kinder diskutieren und nicht mit unserer Strafandrohung übergangen werden. Sie möchten, dass wir sie ernst nehmen und gleichwertig behandeln, und fordern diesen Respekt vehement ein.

Wie es ohne Strafen geht

Wenn du deinem Kind nun mit Sanktionen drohst, sei es Medienentzug, Nachtisch-Verzicht oder Fußball-Verbot, wird es vielleicht kurz kooperieren, aber es wird dir langfristig übel nehmen, dass du die Eltern-Machtkarte gespielt hast. Kinder haben dafür sensible Antennen und spüren diese Macht, je älter sie werden. Auf der anderen Seite rechnen sie es ihren Eltern hoch an, wenn diese sie gleichwertig behandeln. Das bedeutet nicht, dass Kinder tun und lassen können, was sie möchten. Ihr seid die Eltern und ihr gebt die Richtung vor, schließlich habt ihr die Verantwortung und das Sorgerecht. Aber es gibt andere Wege als Drohungen und Strafen, um gemeinsam als Familie zum Ziel zu kommen.

Kinder sind nie gegen uns

Geht es dir auch so, dass du das Verhalten deines Kindes als Angriff empfindest? Bei mir ist das so, wenn die Kinder mir nicht helfen wollen. Ich fühle mich mit der Arbeit allein gelassen und vermisse Wertschätzung und Dankbarkeit. „Wenn wir aber diesem Trugschluss unterliegen, beginnt ein (Macht-)Kampf zwischen Eltern und Kind, der im Ergebnis nicht das nach sich zieht, was das Kind eigentlich braucht“, schreibt Familientherapeutin Katharina Saalfrank in ihrem Buch „Kindheit ohne Strafen“.

Wenn du zum Beispiel möchtest, dass dein Kind den Tisch deckt, es aber gerade in sein Spiel vertieft ist und deshalb keine Lust hat, wird dir eine Drohung nicht helfen. Es wird vielleicht, um der Strafe zu entgehen, murrend die Teller aus dem Schrank holen, aber es wird es ungern tun und so auch niemals lernen, deine Arbeit im Haushalt wertzuschätzen. Stattdessen lernt es: „Wenn ich nicht tue, was Mama oder Papa sagen, werden sie ihre elterliche Macht gebrauchen. Sie haben mich in der Hand, und das fühlt sich schrecklich an.“ Weil die Kinder in der Wackelzahn-Pubertät beginnen, ihre Würde zu verteidigen, werden sie auf diese gefühlte Ohnmacht langfristig mit Resignation und Rückzug oder mit Wut und Aggression reagieren. Spätestens in der Pubertät wird uns das Kind durch Strafen entgleiten, da bin ich mir sicher.

Miteinander statt gegeneinander

Nun fragst du dich bestimmt, was du denn stattdessen tun kannst? Hier kommt wieder die Sache mit der Kommunikation ins Spiel. Wenn du möchtest, dass sich dein Kind im Haushalt an der Arbeit beteiligt, sag es ihm mit einer Ich-Botschaft: „Ich mache jetzt Abendessen. Kannst du schon einmal den Tisch decken, denn ich schaffe es nicht alles alleine. Wenn du es machst, wäre mir das eine große Hilfe und wir können schneller essen.“ So versteht dein Kind, warum du seine Unterstützung brauchst.

Bei uns zu Hause ist es so, dass Jimmy seine Spiele sehr wichtig nimmt und ungern dabei unterbrochen wird. Will er mir nicht helfen, weil er gerade noch sein Spiel fertig machen möchte, frage ich ihn, ob er den Tisch deckt, sobald das Spiel zu Ende ist. Ich kann dir aus Erfahrung sagen, dass ein Kind dein Entgegenkommen sehr schätzt und so fast immer bereit ist, einen Kompromiss zu finden. Jimmy und ich haben auch schon abgemacht, dass er nicht deckt, dafür aber den Tisch abräumt. Verzichten wir auf den Machtkampf, bekommt das Kind das, was es in so einer Situation laut Katharina Saalfrank braucht: Es sammelt wichtige Erfahrungen (wir finden eine Lösung, wenn beide Seiten den Wunsch des anderen berücksichtigen) und lernt den Umgang mit seinen eigenen Emotionen (ich möchte jetzt gerade auf keinen Fall den Tisch decken, aber ich kann mich darauf einlassen, es später zu tun, denn Mama braucht meine Hilfe).

Alte Gewohnheiten zu verändern ist für uns Eltern nicht leicht. Oft sind wir selbst mit Drohungen und Strafen aufgewachsen und kennen keine andere Methode, mit Kindern umzugehen. Also sei nicht nur geduldig mit deinen Kindern, sondern vor allem mit dir selbst. Sich von alten Gewohnheiten abzuwenden und neue Wege zu gehen ist nicht immer einfach. Wenn dir die Konflikte mit deinem Kind in der Wackelzahn-Pubertät mal wieder über den Kopf wachsen, zieh dich zurück, trink in Ruhe einen Kaffee und sei gut zu dir selbst.

Ihr schafft das!

Vermutlich wird es dir zu Beginn schwerfallen, nicht die Machtkarte zu ziehen. Ohne dieses altbewährte Mittel fühlt man sich gegenüber seinem Kind anfangs sehr hilflos. Ich kann dich jedoch nur ermutigen, es auszuprobieren. Mit der Sprache der Annahme hast du ein gutes Mittel, mit deinem Kind ins Gespräch zu kommen und Konflikte auf Augenhöhe zu lösen. Anstatt Drohungen auszusprechen oder das Kind zu bestrafen, versuch mal, mit ihm über den Konfliktpunkt ins Gespräch zu kommen. Die Wahrung der eigenen Integrität wird wichtiger, je älter die Kinder sind und Strafen hinterlassen ein Gefühl der Würdelosigkeit. Du kennst das sicher, wenn du einen Strafzettel bekommen hast. Im öffentlichen Verkehr kommen wir nicht ohne solche Strafen aus. Zu Hause mit unseren Kindern schon, davon bin ich fest überzeugt.

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Knifflige Frage: Mein Kind lügt wie gedruckt!

Zunächst einmal: Es gibt wohl kaum ein Kind zwischen fünf und zehn Jahren, das niemals lügt. Kinder sind in der Regel mit vier Jahren dazu in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen und deren Perspektive einzunehmen, heißt es im Buch „Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn“ von Danielle Graf und Katja Seide. „In diesem Alter beginnen viele Kinder zu lügen, dass sich die Balken biegen.“ Auch ich habe meine Kinder dabei ertappt, wie sie geflunkert haben, und meist habe ich es als Erstes ihrem Gesichtsausdruck angesehen. Logisch, dass wir dieses Verhalten nicht gut finden. Falls du dein Kind also beim Flunkern erwischst, sag ihm ruhig, dass Lügen nicht in Ordnung ist. Aber es ist nicht boshaft gemeint, sondern lediglich ein Ausprobieren einer neu erlernten Fähigkeit, schreiben die Autorinnen des Wunschkind- Buches. Manchmal erzählen Kinder in dem Alter auch Unwahrheiten, weil sie sich wünschten, es wäre so, oder weil die Fantasie mit ihnen durchgeht. Daher solltest du dein Kind nicht beschämen, sondern lieber mit ihm darüber sprechen, was passiert, wenn der eine lügt und der andere die Lüge glaubt.

Sollte dein Kind dauerhaft lügen, könnte es auch daran liegen, dass es mit diesem Verhalten möglichen Strafen entgehen möchte. Im Wunschkind-Buch wird eine Untersuchung beschrieben, in der eine Gruppe kanadischer Forscher von der McGill Universität in Montreal herausfand, dass Kinder, deren Eltern mit negativen Konsequenzen für das Lügen drohten, noch mehr logen. Auch in Thomas Gordons „Familienkonferenz“ ist die Rede davon, dass Kinder durch Lügen lernen, sich Strafen zu ersparen. Sie wüssten schnell, was ihre Eltern billigten oder missbilligten. Ist ja eigentlich logisch: Wer spürt, wie er durch Strafen manipuliert wird, beginnt selbst zu manipulieren, zum Beispiel indem er lügt. Für dich heißt das konkret: Wenn dein Kind ab und an ein wenig flunkert, ist das nicht schlimm. Wird dies aber zu einer Gewohnheit, könnte es daran liegen, dass es von seinen Eltern Strafen befürchtet. Ein Grund mehr, sich mit der straffreien Erziehung auseinanderzusetzen. Das könnte eure Lösung sein!

Experteninterview: Richtig kommunizieren mit Wackelzahn-Rebellen

Dr. Isabel Gößwein ist Mutter von fünf Kindern, Musikerin, Schulleiterin einer Grundschule, Grundschulpädagogin, systemische Beraterin, Eltern-Coach und kennt sich mit „mutgebender Pädagogik“ bestens aus. Außerdem beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit dem Konzept der Gewaltfreien Kommunikation im Familienalltag.

Was bedeutet für dich gute Kommunikation in der Familie und wie sprichst du mit deinen eigenen Kindern oder deinen Schülern und Schülerinnen?

Dr. Isabel Gößwein: Meine Grundlage, wie ich mit Kindern spreche, basiert unter anderem auf der Gewaltfreien Kommunikation (nach Marshall M. Rosenberg). So spreche ich auch schon mit Babys und Kleinkindern. Es ist eine sehr achtsame Kommunikation, die über Gefühle und Bedürfnisse geht und so ermöglicht, mit sich selbst und dem anderen ganz eng verbunden zu sein. Ich höre hinter die Worte und kann vieles, was sonst in Machtkämpfen resultieren würde, einfach so stehen lassen und reagiere lieber auf die Bedürfnisse, die dahinter stehen. Und wenn ich um etwas bitte, dann ist es wirklich eine Bitte und kein Befehl.

Die Grundeinstellung ist, dass ich keine Macht ÜBER andere habe, sondern Macht MIT anderen. Das fördert die Freiheit des Einzelnen und führt dazu, dass alle am Ende zufrieden sind, Lösungen gefunden zu haben. Diese gemeinsame Macht in der Kommunikation ist ganz wichtig für Kinder, wenn sie fünf oder sechs Jahre alt sind.

Bei der Gewaltfreien Kommunikation verzichten wir auf Bewertungen und Vergleiche, denn die bringen nur Unfrieden. Sobald ich mich mit anderen vergleiche, geht es mir und auch dem anderen nicht gut. Sobald ich bewerte, habe ich den anderen nicht verstanden.

Was verändert sich deiner Ansicht nach in der Kommunikation, wenn Kinder in die Wackelzahn-Pubertät kommen?

Dr. Isabel Gößwein: In diesem Alter passiert so viel in ihrem Leben. Sie gehen weg vom Kindergarten und in die Schule, dort gibt es neue Regeln und sie müssen sich am Vormittag stark konzentrieren. Wenn sie dann zu den Eltern nach Hause kommen, brauchen sie es, dass wir nachfragen und mit ihnen sprechen.

Wenn Kinder klein sind, verstehen sie vieles noch nicht, und sie können nicht genau sagen, was sie brauchen. Wir erklären dann und fragen nach: Hast du Durst, hast du Hunger, was brauchst du? Wenn unsere Kinder dann mit fünf Jahren gut sprechen können, hören wir auf zu fragen. Stattdessen werden wir ungeduldig. Das Kind ist doch so groß, es kann doch verstehen, was ich von ihm will. Warum tut es das nicht? Interessanterweise kann man schon in diesen Sätzen meine Interpretationen und Bewertungen hören – „schon SO groß“ und „es kann DOCH schon sprechen“. Genau deshalb ist es dann gut, wieder einen Schritt zurückzugehen, denn das Kind braucht in der Wackelzahn-Pubertät viel Begleitung in der Kommunikation.

Deshalb sollten wir gerade jetzt wieder nachfragen: Sag mal, was brauchst du gerade? Woran könnte es liegen, dass du heute so traurig bist? Dann können die Kinder über ihr Bedürfnis nachdenken, es äußern und wir haben ganz viel gewonnen. Wir Eltern interpretieren das Verhalten der Kinder viel zu schnell entlang unserer eigenen erwachsenen Bedürfnisse, anstelle sie selbst nach dem Grund zu fragen. Und wenn ich interpretiere, dann kann ich ja mein Kind fragen: „Du, kann es sein, dass du …?“ Das ermöglicht unseren Kindern, uns zuzustimmen oder aber auch sagen zu können, was sie tatsächlich bewegt. Sie fühlen sich gehört.

Diese Erfahrung habe ich auch mit den Schulkindern gemacht. Ich hatte dieses Jahr zum ersten Mal eine erste Klasse und habe mit ihnen als Erstes trainiert, Gefühle zu äußern. Ganz vielen Kindern fiel das sehr schwer. Abgesehen von den Gefühlen ist es dann noch schwerer für sie, die Bedürfnisse hinter den Gefühlen zu erkennen. Aber genau im Wackelzahn-Alter ist der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden.

Toll ist, wenn Eltern mit ihren Kindern über Bedürfnisse und Gefühle sprechen und die Kinder sie auf diese Weise lernen.

Warum haben wir das Gefühl, die Kinder werden in der Wackelzahn- Pubertät frecher?

Dr. Isabel Gößwein: Wir fühlen uns in der Diskussion mit ihnen manchmal hilf- und machtlos, weil wir ein bestimmtes Bedürfnis oder eine Erwartung an das Kind haben und es nicht das tut, was wir von ihm möchten (Unterschied Bitte – Befehl). Das nennen wir dann frech und bewerten damit sein Verhalten moralisch. Wir möchten etwas gegen das Frechsein tun und kommen dann in diese Machtspirale hinein, damit das Kind so handelt, wie wir es wollen.

Wenn Kinder etwas sagen, dass wir als frech oder ungebührlich empfinden, tut es uns als Eltern gut, einen Schritt zurückzugehen und das Gesagte nicht auf uns zu beziehen: Es geht nicht um mich, das Kind möchte mir nichts Böses. Es ist nur eine Information für uns, wenn das Kind zum Beispiel sagt: „Mama, du bist blöd.“ Am besten, wir fragen dann nach. Was ist passiert? Was ärgert dich so?

Manchmal ist uns das vermeintliche Frechsein unserer Kinder in der Öffentlichkeit peinlich. Wir kommen oft in Situationen mit den Kindern, in denen ihr Verhalten genau beobachtet und bewertet wird. Es heißt dann möglicherweise: Die Kinder sind aber frech oder die sind nicht gut erzogen. Von diesen moralischen Bewertungen der Gesellschaft sollten wir uns in Bezug auf unsere Kinder frei machen.

Was gilt es für Eltern in der Kommunikation mit Kindern noch zu beachten?

Dr. Isabel Gößwein: So, wie die kleinen Kinder in der Trotzphase Autonomiebestrebungen entwickeln, passiert es noch einmal in der Wackelzahn-Pubertät. Dann werden die Kinder durch die Umwelt geprägt, die sie stark in diese Autonomie-Rolle drängt, denn in der Grundschule erwartet man mehr von ihnen als im Kindergarten. Aber oft wissen sie noch gar nicht so richtig, welche Rolle sie nun erfüllen sollen. Sie sollen sich behaupten und möchten das auch gerne, sind aber gleichzeitig sehr verunsichert.

Einerseits fühlen sie sich groß, andererseits noch ganz klein. Manchmal wollen sie am liebsten wieder ein Baby sein, sprechen in Babysprache und möchten, dass wir alles für sie tun. Das kann uns Erwachsene wahnsinnig machen. Spannend ist: Wenn man dem nachgibt, man lässt sein Kind also wieder ein bisschen Baby sein und akzeptiert dieses Verhalten, dann ist es auch ganz schnell vorbei.

Wie können wir Eltern bei Geschwisterstreit reagieren?

Dr. Isabel Gößwein: In diesem Alter gibt es oft Streit zwischen Geschwistern. Häufig geht es dabei um Gerechtigkeit und um den Vergleich. Kinder fragen dann: Wieso bekommt der IMMER das, oder warum darf sie IMMER jenes? Bei uns war das auch so, es ging zum Beispiel um Kleidung. Irgendwann habe ich mein Kind gefragt: Sag doch einfach, was DU dir wünschst. Wünschst du dir auch so eine Hose wie deine Schwester? Indem die Kinder lernen, ihren eigenen Wunsch zu formulieren, hören sie auf, sich ständig zu vergleichen. Je öfter wir sie also fragen, welcher Wunsch hinter dem Vergleich steckt, desto öfter kann das Kind seine Wünsche formulieren. Ansonsten kann dieses ewige Vergleichen in der Geschwisterbeziehung viel kaputt machen.

Wie reagierst du auf Schimpfwörter?

Dr. Isabel Gößwein: Es kommt bei Schimpfwörtern darauf an. Wenn meine Kinder oder Schulkinder sie sagen, dann nehme ich das auf und wir reden darüber. Wann sagt man so ein Schimpfwort eigentlich? Manchmal ist es ja ein Wort aus einem Rap- oder Hip-Hop- Text. Das ist sehr spannend. Wir können besprechen, wie das Wort in unserer Gesellschaft gesehen wird und dass man mit dem Aussprechen dieser Wörter einen bestimmten Eindruck bei anderen erweckt. Vielleicht fehlen den Kindern auch die Worte und sie nutzen Schimpfwörter deshalb. Dann kann man sich auf Wörtersuche machen. Was könntet ihr stattdessen sagen?

Das macht Kinder sensibel für ihren Sprachgebrauch, und sie merken, dass es Wörter gibt, die nicht passend sind. Aber sie dürfen die Schimpfwörter ruhig mal aussprechen. Das sollten wir als Eltern zulassen, sie auch mal ignorieren oder es mit Humor sehen.

BÄRENSTARK UND SELBSTBEWUSST

Wir müssen unsere Kinder gar nicht stark machen, das sind sie schon von Geburt an. Aber wir können viel dafür tun, dass sie es auch bleiben und sich zu selbstbewussten Menschen entwickeln können. Sie so anzunehmen, wie sie sind, ist dabei die Grundlage. Wichtig ist auch, aus der Kindheit keine Krankheit zu machen. Dafür habe ich Kinderärzte um Rat gebeten, die dir Tipps für eine gesunde Entwicklung deines Kindes geben. Zum Schluss dieses Kapitels erzähle ich dir noch, welche Rechte dein Kind hat, von denen wir Eltern oft gar nichts wissen.

„Ich bin gut so, wie ich bin!“ – Selbstbewusstsein von Kindern stärken

Nicht immer fällt es mir leicht, meine Kinder so anzunehmen, wie sie sind. Zum Beispiel finde ich es schade, dass eines meiner Kinder kein Interesse an Musik, an Tieren oder an der Natur hat. Es sitzt am liebsten in seinem Zimmer und spielt mit dem Tischkicker, dabei notiert es die Ergebnisse akribisch in ein Heft. Seine Geschwister sind in dieser Hinsicht ganz anders.

Hast du dir auch schon einmal solche Gedanken über dein Kind gemacht? Vielleicht hast du dich gefragt, warum es wohl immer so laut und stürmisch ist oder woher seine Schüchternheit kommt. Wieso hat es so seltsame Interessen oder ist vom Wesen ganz anders als seine Eltern? Wir stehen alle manchmal vor unserem Kind und glauben, es kommt von einem anderen Stern. Erst war es ein süßes Baby, dann ein drolliges Kleinkind und jetzt wird es immer mehr zu einem Kind mit Ecken und Kanten. Es entwickeln sich die unterschiedlichsten Leidenschaften, es kommen ein paar Eigenarten dazu und ein paar Charakterzüge, die uns womöglich überraschen oder uns seltsam erscheinen. Am Ende kommt es darauf an, dass wir es lieben mit all seinen Wunderlichkeiten und Liebreizen und seinem eigenen Wesen, auf das wir viel weniger Einfluss haben, als wir glauben. Jeden Tag zu spüren, dass man geliebt wird, das lässt unser Kind stark sein.

Unter Beobachtung

Im Kindergarten und später in der Grundschule begegnen wir Eltern vielen anderen Kindern und haben die Möglichkeit zum Vergleich. Dann sind da noch die Untersuchungen beim Kinderarzt oder bei der Kinderärztin mit all den Tabellen und Listen, in die sich unser Kind womöglich nicht immer penibel reinpressen lässt. Vielleicht teilt uns die Erzieherin mit, das Kind sei ihrer Meinung nach noch nicht schulreif oder die Klassenlehrerin findet die Stifthaltung des Kindes nicht altersentsprechend. Jedenfalls wird dadurch verstärkt, dass wir Eltern unser Kind mit kritischem Blick betrachten und deshalb vielleicht viel zu oft befürchten, dass etwas in der Entwicklung anders verläuft als normal.

Kinder sind verschieden

Wie du weißt, wundere ich mich ab und zu über mein Kind, schaue mir dann das Nachbarskind an, das mit Freude ins Schulorchester geht und am liebsten draußen an der frischen Luft spielt. Kurz finde ich, dass das andere Kind normal und mein Stubenhocker mit dem Hang zum Erstellen von Listen und Tabellen seltsam ist. Ist das wohl alles eine normale Entwicklung oder schon eine psychische Besonderheit, die abgeklärt werden muss? Im nächsten Moment wird mir wieder klar, dass ich völligen Quatsch denke und mich unnötige Zweifel plagen. Wir Menschen sind alle grundverschieden und unsere Vorlieben und unsere Charaktere sehr unterschiedlich.

Kleinkinder ähneln sich alle ein wenig, aber je älter ein Kind wird, desto mehr zeigt sich seine Individualität. Mit zwei, drei Jahren werden Kinder schnell wütend, wenn man ihnen etwas wegnimmt, sie sind knatschig, wenn sie müde werden. Die meisten lieben Bauklötze, Autos und Puppen sowie Bilderbücher und Kinderlieder. In der Wackelzahn-Pubertät verändert sich das, und jedes Kind entwickelt Vorlieben und Abneigungen, die nicht mehr ganz so allgemeingültig sind. Was sie aber alle gemeinsam haben, ist das große Bedürfnis, von den ihnen nahestehenden Menschen so angenommen zu werden, wie sie sind. Kinder tragen alles, was sie für ihre Entwicklung brauchen, bereits in sich.

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Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842616127
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Alltag mit Kindern Eltern-Ratgeber Erziehung entspannt erziehen Trotzphase Kleinkind Wunschkind freche Kinder

Autor

  • Laura Fröhlich (Autor:in)

Laura Fröhlich betreibt mit "Heute ist Musik" einen der beliebtesten Mama-Blogs Deutschlands. Ihre Texte werden monatlich von hunderttausenden Müttern gelesen – sie schreibt klug, witzig, empathisch und auf Augenhöhe. Mit ihrer "Müttersprechstunde" bei Instagram und Facebook ist sie zudem Anlaufstelle und Moderatorin für die großen und kleinen Sorgen aller Mamas. Als Teammitglied der "Blogfamilia" sorgt sie mit einer der größten Bloggerkonferenzen Deutschlands für einen besseren Austausch von Influencern rund um die Themen Eltern & Familie.
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Titel: Wackelzahn-Pubertät