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Starke Mädchen brauchen entspannte Eltern

Gelassen durch den Familienalltag. Alles, was deine Tochter braucht: Mit vielen Tipps und Ritualen

von Dr. med. Judith Bildau (Autor:in)
184 Seiten

Zusammenfassung

Achtung: wilde Mädels!
Mädchen im Vor- und Grundschulalter stellen ihre Eltern regelmäßig vor Herausforderungen: Gerade noch ängstlich und zurückhaltend, explodieren sie im nächsten Moment schon im heftigsten Wutanfall. Dazu kommen die Fragen, die sich die Eltern zur körperlichen und emotionalen Entwicklung ihrer Tochter stellen: Was ist normal, über was sollten wir mit unserem Kind sprechen? Dieser Ratgeber bringt all das auf den Punkt: Mama-Bloggerin und Frauenärztin Dr. Judith Bildau hat alle wichtigen Informationen absolut verständlich zusammengefasst und erklärt ehrlich, fachkundig und von Herzen, was Mädchen brauchen, um stark und glücklich zu werden.

Stressfrei durch die Kindergarten- und Vorschulzeit
„Ich will nicht schlafengehen!“ – „Mir ist ja sooo langweilig!“ – „Alle Jungs sind doof!“ – „Ich bin verliebt!“ – neben dem fundierten Wissen zur körperlichen und emotionalen Entwicklung, liefert Dr. Judith Bildau praktische Tipps zu allen typischen Stress-Situationen in der Kindergarten- und Grundschulzeit. Vom zickigen Trotz-Anfall bis zum ersten Verliebtsein – die alltagstauglichen Tipps und Rituale sorgen für ein entspanntes Familienleben. So werden Töchter glücklich groß!

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Mädchenmama sein. Das ist wohl meine Berufung. Ich habe insgesamt fünf Töchter. Drei davon habe ich selbst geboren, zwei hat mein Mann mit in unsere Ehe gebracht. Aber egal ob selbst geboren oder „geschenkt bekommen“, jedes einzelne dieser fünf wunderbaren Mädchen hat mich auf unterschiedliche Art und Weise gelehrt, was es bedeutet, eine Mädchenmama zu sein. Mit jedem dieser Mädchen habe ich ähnliche und immer wiederkehrende Situationen erlebt.

War ich bei meiner ersten Tochter noch sehr unerfahren und habe viel „nach Gefühl“ und intuitiv gehandelt, so habe ich im Laufe der Jahre und mit steigender Anzahl der Töchter gelernt, Gegebenheiten und kindliche Verhaltensmuster zu hinterfragen sowie bewusster und überlegter zu handeln. Zudem hat mir meine tagtägliche Arbeit als Ärztin dabei geholfen, auch medizinische und entwicklungspsychologische Aspekte in Verhaltensmustern zu erkennen.

Natürlich ersetzt dies nicht die Intuition und die Gefühlsebene, auf der wir unseren Töchtern begegnen sollten. Und ich habe diese emotionale Ebene auch nie verlassen. Dennoch hat es mir sehr geholfen, zu verstehen, dass gewisse Verhaltensweisen häufig verschiedenen kindlichen Entwicklungsstufen zuzuordnen sind. Denn ein Verstehen des jeweiligen innerkindlichen Prozesses lässt schließlich auch ein adäquates und bedürfnisorientiertes elterliches Verhalten zu und entspannt Situationen, in denen auch mal Wut und Hilflosigkeit vorherrschen können. So können wir unseren Töchtern verständnisvoll, liebevoll und unterstützend zur Seite stehen und sie hinaus in eine Welt begleiten, die sie in vielen Bereichen fordern wird.

Töchter sind etwas Großartiges! Häufig erinnern sie uns Mütter an uns selbst, wie wir einmal waren. Mit diesem Buch möchte ich alle Mütter dazu ermutigen, genau die Mutter zu sein, die sie als kleines Mädchen gebraucht und sich gewünscht hätten. Und alle Väter, die Väter zu sein, die ihre Töchter benötigen, um selbstbewusst und stark großwerden zu können.

Lasst uns gemeinsam eine Reise durch die Kindergarten- und Grundschulzeit unserer Mädchen machen, schauen, welche Entwicklungsstufen und -prozesse sie währenddessen erleben, was genau sie brauchen und wie wir sie auch in schwierigen Situationen bestmöglich unterstützen können – mit einem liebevollen und verständnisvollen Blick auf sie.

Eines meiner Lieblingszitate stammt von Astrid Lindgren: „Ich glaube, dass Erziehung Liebe zum Ziel haben muss.“ Dem habe ich im Grunde nichts weiter hinzuzufügen. Vielleicht nur, dass Verstehen und Verständnis vermutlich wichtige Bausteine der Liebe sind.

In diesem Buch soll es nicht darum gehen zu erklären, was richtig und was falsch in der Erziehung kleiner Mädchen ist. Bedauerlicherweise habe ich nicht selten erlebt (und erlebe es noch), dass Eltern untereinander Erziehungsmethoden und -stile verurteilen und bewerten. Ich möchte vorwegnehmen, dass mir dies fernliegt. Dieses Buch soll keine Handlungsanweisung sein, sondern eine persönliche und auch fachliche Unterstützung für Eltern, ihre Töchter besser verstehen zu können und letztendlich selbst entspannter durch die Zeit des Kindergartens und der Grundschule zu kommen. Denn ich denke, eines ist völlig klar: Starke Töchter brauchen entspannte Eltern. Und diese Entspannung kann einerseits durch das Verständnis der jeweiligen Entwicklungsstufen, die das Mädchen in diesem Moment durchmacht, entstehen, andererseits aber auch dadurch, dass Eltern typische Situationen, die im Alltag mitunter sehr belastend seien können, einmal von außen betrachten und schließlich eine Erklärung sowie eine Lösungsstrategie an die Hand bekommen. Häufig gehört nämlich zur Entspannung auch das Gefühl: „Ich bin nicht allein“ oder „Es geht vielen Mädcheneltern so wie mir“. „Diese Situationen sind nicht ungewöhnlich, und ich mache nichts falsch.“ Und: „Es ist tatsächlich eine Phase, ein Prozess, der auch wieder vorbeigehen wird.“

Deshalb ist dieser Ratgeber auch genau so aufgebaut. Zunächst beschreibe ich eine typische Situation, dann folgen Erklärungen, mitunter auch Erläuterungen, zu den wissenschaftlichen Hintergründen und schließlich praktische und leicht anzuwendende Lösungsstrategien. Wer eine schnelle „Soforthilfe“ braucht und nicht noch einmal das vollständige Kapitel lesen möchte, für den habe ich am Ende zudem noch einmal die wichtigsten Punkte kurz und knapp zusammengefasst.

Ich habe im Alltag häufig das Gefühl, dass wir Eltern ungern Problemsituationen mit anderen Eltern besprechen. Das ist schließlich nicht ganz so einfach. Letztendlich möchten wir alle ja vermeiden, dass wir hilflos wirken und dass unsere Kinder in einem falschen Licht erscheinen. Viel lieber möchten wir, dass bemerkt wird, wie sehr wir unsere Kinder lieben. Wie sehr wir versuchen, alles richtig zu machen. Wie viele Gedanken wir uns machen. Und natürlich möchten wir keinesfalls unzulänglich wirken.

Gerade Mütter neigen diesbezüglich zu Perfektionismus. Ich schließe mich dabei selbstverständlich nicht aus. In vielen Entwicklungsphasen meiner Töchter hätte ich mir ein Buch gewünscht, in dem der Autor/die Autorin ganz offen und ehrlich beschreibt, wie schwierig es manchmal sein kann. Und das nicht mal so selten. Das ist nun meine Absicht: ein Ratgeber für alle Mädcheneltern. Denn dazu zähle ich auch. Und ich arbeite tagtäglich als Frauenärztin mit ihnen. Mit den Töchtern und den Mamas. Damit, neben all dem Stress, den ein Leben mit Töchtern bietet, auch eine tiefe Entspannung und Freude über diese Wunderwesen Platz finden kann.

Natürlich kann ein Ratgeber eine Hilfestellung sein. Dennoch wünsche ich mir mehr Offenheit und Ehrlichkeit im Alltag unter den Eltern. Gerade in Vorbereitung auf dieses Buch habe ich gespürt, wie wertvoll ein Austausch untereinander ist. Einerseits mit Freunden, andererseits mit Experten.

Liebe Eltern, Mädcheneltern zu sein ist ein großes Geschenk! Manchmal scheint uns die Verantwortung schier zu erschlagen. Das ist ganz normal. Dennoch muss das nicht sein. Sobald wir unseren Töchtern entspannt und mit Verständnis gegenübertreten, wird sich viel von dieser Ruhe und Gelassenheit auf sie übertragen. Wir als Eltern sind der Schlüssel dazu. Denn: Starke Töchter brauchen entspannte Eltern.

Über mich

Ich bin Dr. med. Judith Bildau, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, und neben dem Mädchenmamasein ist mein Beruf auch meine Berufung. Ich habe mich nach dem Studium relativ zügig dazu entschlossen, Frauenärztin zu werden. Ich liebe meine tägliche Arbeit mit Frauen jeden Alters. Diese Arbeit erweitert meinen Horizont stets, und es macht mir viel Spaß, Mädchen und Frauen auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Bei meiner Arbeit in der Praxis habe ich erlebt, dass sich besonders häufig junge Mädchen, gerne auch zusammen mit ihren Müttern, an mich wenden. Durch meine Arbeit in den sozialen Netzwerken und vor allem meiner Arbeit als Onlineärztin für das Onlinemagazin @mutterkutter (www.mutterkutter.de) ist der Weg für junge Mädchen und Frauen noch einfacher geworden, sich an mich zu wenden. So erhalte ich täglich Nachrichten von Frauen jeden Alters mit medizinischen Fragestellungen und der Bitte, Krankheitsbilder und medizinische Sachverhalte einfach und verständlich zu erklären.

Für mich ist dies ein großes Geschenk und noch einmal eine Erweiterung meiner praktischen Arbeit.

Ich bin fünffache Patchwork-Mädchenmama und habe Töchter im Alter vom Kindergarten bis zur Universität. Mein Mann geht diesen Weg seit vielen Jahren mit mir und ist ebenfalls als Arzt tätig. Gemeinsam leben wir in Rom. Unser Alltag ist, neben unseren beruflichen Aufgaben, geprägt davon, unsere Töchter großzuziehen, ihnen mit allen Facetten Eltern zu sein, sie zu begleiten, zu bestärken und zu unterstützen. Natürlich ist das nicht immer einfach. Vermutlich kann kein Elternteil dieser Welt sagen, dass es das ist. Gerade wenn die Altersspanne der Kinder so groß ist, gilt es, sich auf jedes Kind, auf jede Entwicklungsstufe, auf jedes Bedürfnis individuell einzustellen. Nicht zu vernachlässigen ist allerdings auch der Faktor, dass die Mädchen gegenseitig eine große Bereicherung füreinander sind. Sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise unterstützen. Einen großen Zusammenhalt haben. Als kunterbunte Patchwork-Großfamilie, die zudem nicht in ihrem Heimatland lebt, ist unser Alltag nie langweilig. Ich arbeite als Frauenärztin sowohl in Rom als auch in der Südtoskana. Unsere Töchter gehen hier in Rom auf die Deutsche Schule. Übrigens bin auch ich eine von fünf Töchtern. Das lässt mich oftmals mit einem „wissenden Blick“ auf meine Töchter schauen, weil mir die Konstellation, in der sie sich befinden, emotional sehr gut bekannt ist.

Ich wünsche mir sehr, dass mich meine Töchter als entspannte Mutter erleben. Das bin ich natürlich nicht immer. Doch mein tiefer Wunsch ist, dass sie mich auch in schwierigen Situationen als ruhig und sicher wahrnehmen. Ich habe erfahren, dass sich die Kinder gerade wenn es eskaliert selbst am wenigsten wohlfühlen, aber dennoch nicht imstande sind, die Situation zu verlassen, geschweige denn, sie von außen zu betrachten. Dies ist Aufgabe von uns Eltern. Mit meinen größeren Töchtern sind mittlerweile ein Gespräch und eine konstruktive Auseinandersetzung mit Austausch von Argumenten möglich. Mit meinen beiden kleinsten Töchtern, die sich gerade im Kindergarten- und Grundschulalter befinden, nicht immer. Umso mehr gilt es für mich als Mutter, ihre Gefühlswelt und ihren Entwicklungsstand sowohl körperlich als auch geistig zu verstehen und zu akzeptieren. Je mehr mir das gelingt, desto leichter kann ich mich auf ihre Ebene begeben und gemeinsam mit ihnen eine Lösung finden. Das bedeutet für mich jedoch nicht, allen Bedürfnissen nachzugeben. Vielmehr geht es mir darum, einen altersgerechten Weg aus der Konfliktsituation zu finden, der vielleicht nicht in diesem Moment, aber möglicherweise etwas später von den Kindern verstanden wird.

Also, liebe Mädcheneltern, lasst uns nun gemeinsam auf die Reise durch zwei sehr wichtige Lebensphasen unserer Töchter gehen!

Eure

Judith Bildau

WIE MÄDCHEN HEUTE GROSSWERDEN

Noch vor einigen Jahrzehnten waren die Rolle der Frau und ihre Aufgaben klar definiert. Selbstverständlich gab es Ausnahmen, dennoch waren Erziehung und Werte sehr genau festgelegt und zudem konservativ geprägt. Das Rollenbild und -verständnis der Frauen hat sich deutlich verändert. Mädchen großziehen und begleiten – was bedeutet das eigentlich in der heutigen Zeit?

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Im Mittelalter wurden Mädchen ab einem gewissen Alter bereits intensiv auf ihre vorgegebene Rolle als fügsame Ehe- und Hausfrau sowie Mutter vorbereitet. Tugenden wie Bescheidenheit, Gehorsam und Keuschheit galten als höchste Erziehungsziele. Schulbildung war für Mädchen nicht vorgesehen, genauso wenig wie die Entdeckung und Förderung eigener Talente, geschweige denn die Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit. An diesem Konzept änderte sich über Generationen von Mädchen und heranwachsenden jungen Frauen kaum etwas.

Auch in den 1950er-Jahren zielte die Erziehung der Mädchen ganz klar auf ein Dasein als Hausfrau und Mutter ab. Als legitimes Erziehungsmittel diente den Eltern das Schlagen, zum Beispiel mit einem Kochlöffel. Auch Lehrer waren dazu berechtigt, den Kindern mit dem Zeigestock auf die Hände zu hauen. In den folgenden Jahrzehnten begannen die Eltern jedoch, Erziehungsmethoden und auch Geschlechterrollen zu hinterfragen.

So wurden in den 1970er-Jahren immer mehr vorhandene, starre Erziehungskonventionen aufgehoben und die Übermacht von Eltern, Lehrern und Erziehern infrage gestellt. Das Modell der antiautoritären Erziehung wurde im Grunde durch die Jahre Ende der 60er, Anfang der 70er geprägt. Im Mittelpunkt standen nun vielmehr sowohl die physische und psychische Unabhängigkeit der Kinder als auch das Überdenken alter Rollenverteilungen.

Da sich gerade in den letzten Jahren diesbezüglich die Erziehung der Geschlechter so stark gewandelt hat, wird es für uns schwierig, unsere Eltern als Vorbilder zu nehmen. Betrachten wir unsere Mütter, so können wir oftmals sagen, dass sie sich selbst in einem gesellschaftlichen Umbruch befanden, da sich starre Rollenverteilungen langsam auflösten. Selbstverständlich können wir unsere Mütter emotional und Werte betreffend als Vorbilder nehmen. Dennoch unterscheiden sich die Aufgaben, Möglichkeiten und Verantwortungen, die unsere Töchter heutzutage haben, sehr stark von denen, die unsere Mütter oder gar Großmütter hatten.

Mädchen haben heute mehr Möglichkeiten

Nicht nur die Entwicklungsmöglichkeiten unserer Töchter haben sich verändert, sondern damit verbunden auch unsere Aufgaben als Mädcheneltern. Mädchen und Frauen hatten noch nie so viele Möglichkeiten und Chancen wie in der heutigen Zeit. Selbstverständlich besteht nach wie vor Bedarf, was die Gleichstellung von Mann und Frau in der Gesellschaft angeht. Dennoch behaupte ich zu sagen, dass wir Eltern unsere Töchter in der westlichen Welt heutzutage zu völlig frei denkenden und frei handelnden Menschen erziehen können. Und dass es unsere Aufgabe ist, ihnen das Potenzial mit auf den Weg zu geben, ein Leben leben zu können, wie sie es sich wünschen. Die Möglichkeiten haben sie nämlich – zum Glück – in der heutigen Zeit.

Dies macht natürlich vieles einfacher, stellt uns Eltern aber auch vor neue Herausforderungen. Es bedeutet nämlich, dass wir unsere Töchter stark dafür machen müssen, ihren ureigenen Weg zwischen Muttersein, Familienleben, gesellschaftlichen und beruflichen Ambitionen zu finden. Dass wir ihnen Raum und Zeit geben müssen, sich frei zu entfalten. War der Weg in den letzten Jahrhunderten und mitunter den letzten Jahrzehnten vorgezeichnet, so steht er unseren Töchtern nun offen. Letztendlich gilt es, unsere Mädchen zu selbstbewussten, starken und selbstbestimmten Frauen zu erziehen. Die sich ihrer Möglichkeiten, aber noch vielmehr ihrer Wünsche bewusst werden. Die sich stark gegen immer noch in der Gesellschaft und in den Medien vorhandene Frauenbilder wehren und ihren ganz eigenen Weg gehen. Die die letzten gesellschaftlichen Nachteile, die Frauen heute noch haben, klug und mit Bedacht aufzulösen vermögen.

Für uns Eltern bedeutet dies von Anfang an, Erwartungshaltungen bezüglich unserer Töchter aufzugeben. Unsere Töchter nicht stereotyp zu betrachten, sondern ganz individuell. Sie in kein Schema zu pressen, sondern ihnen offen und vor allem in jeder Hinsicht fördernd zu begegnen. Ihnen zu ermöglichen, den Weg zu gehen, den sie für sich wählen.

Für viele Eltern mag das mittlerweile selbstverständlich sein. Dennoch erlebe ich in meinem Alltag und auch in der Praxis häufig Mütter (und auch Väter), die verzweifelt darüber sind, dass ihre Töchter burschikos erscheinen. Oder Eltern, die gar enttäuscht darüber sind, dass ihren Töchtern vermeintlich weibliche Interessen fehlen. Oder dass sie sich gar, wenn sie älter sind, für ein Leben fernab von Familie und Muttersein entscheiden. Eltern, die sich eigentlich einen „konservativen“ Weg für ihre Töchter gewünscht hätten, möglicherweise aus einer Angst heraus, dass ihnen die Lebensformen, die ihre Töchter gewählt haben, fremd und unwägbar erscheinen. Weil sie Sorge haben, dass die Ansprüche an Frauen heutzutage immer größer werden und ihre Töchter diesen gar nicht gerecht werden können. Das finde ich absolut verständlich.

Und dennoch: Mädchen großzuziehen und zu begleiten in der heutigen Zeit bedeutet, sie vorzubereiten auf diese Welt. Sie in ihrer ureigenen Entwicklung zu unterstützen. Unsere Erwartungshaltung ihnen gegenüber abzulegen. Und ihnen zu sagen: „Du bist wundervoll.“ „Du bist wertvoll.“ „Und ich gehe jeden Entwicklungsschritt mit dir, auch wenn er mich manchmal in den Wahnsinn treibt. Ich versuche zu verstehen.“ „Die Welt steht dir offen. Ich unterstütze dich dabei, deinen eigenen Weg zu finden.“

Eltern sollten Vorbilder sein

Diesbezüglich mein Appell an alle Mädcheneltern: Seid Vorbilder! Seid authentisch! Denn nur so könnt ihr echte Identifikationsfiguren für eure Töchter sein. Es hilft nichts, einen Ratgeber zu lesen und zu denken, dass man „das halt jetzt so macht“. Eure Töchter (und im Grunde alle Kinder) lernen am Beispiel. Lebt ihnen vor, wie man selbstständig und selbstsicher ist. Ich weiß natürlich durchaus, dass das nicht immer so einfach ist. Dennoch sage ich: Verstellt euch nicht. Eure Töchter beobachten euch ganz genau.

Das Beste, was ihr euren Töchtern mit auf ihren Weg geben könnt, ist emotionale Stabilität. Und dazu gehört auch, zu sagen: „Gerade weiß ich nicht, was richtig und was falsch ist. Aber das ist überhaupt nicht schlimm. Es ist dennoch alles gut, und du bist sicher.“ Oder: „Ich habe gerade Probleme damit, dich zu verstehen. Ich weiß nicht, was du mir mit deinem Verhalten sagen möchtest, was du brauchst. Und ich bin wirklich sauer auf dich. Aber ich bin da und gehe nicht weg. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Klar, das hört sich jetzt platt an. Und es ist keine neue Erfindung von mir. Aber dieser Moment, in dem wir Eltern unseren Töchtern authentisch begegnen, unsere Emotionen sortieren und ihnen trotz Ärger und Enttäuschung aufrichtig begegnen, ist der Grundstein für ihre stabile Entwicklung. Dazu gehört mitunter auch, zu sagen: „Ich kann jetzt nicht mit dir spielen, weil ich noch etwas arbeiten muss. Und das ist mir wichtig.“ Oder: „Ich bin den ganzen Tag herumgerannt zwischen Kita und Büro, und ich bin platt. Ich brauche eine Auszeit und gehe zum Sport. Deshalb passt Oma jetzt auf dich auf.“ Auch das gehört selbstverständlich dazu, dass wir Eltern uns gegenüber unseren Töchtern Auszeiten nehmen. Und dies ganz klar und liebevoll erklären. Schließlich wünschen wir uns doch auch für sie, dass sie, wenn sie Mütter und berufstätige Frauen sein werden, auf sich achten und für sich Sorge tragen. Unser Vorbild ist ihre Zukunft. Und auch auf die Gegenwart bezogen: Starke Töchter brauchen entspannte Eltern. Wollen wir also starke Mädchen großziehen, müssen wir ihnen vorleben, wie das funktioniert. Mit all unseren Schwächen und Stärken. Denn die gehören zusammen. Sowohl bei uns als auch bei unseren Töchtern.

DIE KINDERGARTENZEIT

Sie wachsen, ihre motorischen Fähigkeiten nehmen zu und auch die emotionale Entwicklung macht einen großen Sprung: Schneller als man sich versieht, werden aus kleinen Mädchen Kindergartenmädchen. Und damit beginnt ein neuer Lebensabschnitt.

 

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Ich möchte mit meinem Ratgeber in der klassischen Kindergartenzeit beginnen. Diese startet in der Regel mit etwa drei Jahren. Ich weiß, dass viele eurer Töchter schon früher in irgendeiner Art der Betreuung sind, sei es in der Krippe, bei einer Tagesmutter oder bei Oma und Opa.

Doch gerade in der Kindergartenzeit finden eine ganze Menge körperliche, geistige und auch motorische Entwicklungen unserer Töchter statt. Wenn man sich ganz bewusst die Zeit nimmt, einmal nachzuvollziehen, welche Meilensteine die kleinen Mädchen zwischen dem Eintritt in den Kindergarten bis zum Eintritt in die Grundschule hinter sich lassen, dann müssen wir darüber doch sehr staunen. Und natürlich auch unheimlich stolz sein. Auf sie. Und auf uns.

Die körperliche Entwicklung

Die körperliche Entwicklung der Mädchen im Kindergartenalter erfolgt kontinuierlich. Der Körperbau wird symmetrischer und proportionaler. Der vermeintliche „Babyspeck“ gehört immer mehr der Vergangenheit an. Diese körperlichen Veränderungen wirken sich auch auf die damit verbundenen motorischen Entwicklungsprozesse aus. Die Kinder werden wendiger, schneller, geschickter. Als Ärztin ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass – neben den anderen Entwicklungsbereichen – auch die körperlichen Entwicklungen stark variieren können und dennoch in einem völlig normalen und gesunden Bereich liegen. Aus diesem Grund rate ich dringend davon ab, die Mädchen, wenn auch nur aus einem Augenwinkel heraus, untereinander zu vergleichen. Zu viele verschiedene Faktoren haben Einfluss auf die körperliche Entwicklung unserer Kinder. Natürlich spielt die Genetik eine gewisse Rolle dabei, wie groß und wie schwer unsere Kinder werden. Aber nicht nur! Wichtig sind bereits das Ernährungsverhalten und der Lebensstil der werdenden Mutter in der Schwangerschaft, wie sie sich genau ernährt hat, ob sie geraucht oder Alkohol getrunken hat. Wir Mediziner nennen das Ganze „fetale Programmierung“. Es werden also schon zu Beginn wichtige Weichen gestellt, die letztendlich angeboren, aber nicht vererbt sind.

Auch ein normales Geburtsgewicht des Kindes ist wichtig dafür, wie sich seine weitere körperliche Entwicklung gestaltet. Die sogenannte KIGGS-Studie (eine Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland) hat zudem gezeigt, dass mit dem Beginn der Kindergartenzeit sowohl der Sozialstatus als auch ein möglich vorhandener Migrationshintergrund eine immer bedeutendere Rolle hinsichtlich der körperlichen Entwicklung zu spielen scheinen. So haben Kinder aus einem sozial schwachen Umfeld sowie Kinder mit einem Migrationshintergrund einen signifikant höheren Fettanteil.

Körpergröße und Gewicht

Um zu sehen, ob sich Kinder körperlich in einem gesunden Rahmen entwickeln, gibt es die Möglichkeit, Körpergröße, Kopfumfang und Körpergewicht in eine sogenannte „Perzentile“ (eine Entwicklungskurve) einzutragen. Dies passiert im Grunde bei jeder kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchung. Da die körperliche Entwicklung von Mädchen und Jungen nicht identisch verläuft, werden die Werte für Mädchen in einer eigenen Kurve erfasst.

Quelle: basierend auf den Tabellen der WHO

Quelle: basierend auf den Tabellen der WHO

Die Perzentilen sind also die Normkurven für die körperliche Entwicklung von Kindern. Der Mittelwert, der Median, liegt auf der mittleren Linie. Verläuft das Wachstum deiner Tochter also auf P50, sind 50 % der gleichaltrigen Mädchen größer und 50 % kleiner als es. Bei P97 wiederum sind nur 3 % größer, aber 97 % kleiner. Es ist also verhältnismäßig groß. Die Perzentilen geben eine Einschätzung darüber, wie sich Kinder entwickeln. Wichtig ist dabei nicht nur, auf welcher der Linien sie mit Größe, Gewicht und Kopfumfang liegen, sondern auch, wie gleichmäßig. War bislang immer ein Gewicht um P25 zu verzeichnen und liegt es nun plötzlich bei P3, ist die Gewichtsentwicklung auffällig und sollte beobachtet bzw. abgeklärt werden.

Ich möchte dir mit diesen medizinischen Details zeigen, dass die Spannbreite der körperlichen Entwicklung groß ist und es, in den meisten Fällen, überhaupt keinen Grund zur Sorge für gibt, wenn deine Tochter größer, kleiner, kräftiger, schmaler als ihre Freundinnen wirkt. Sie ist so, wie sie ist. Und das ist gut so.

Das kannst du für eine gesunde körperliche Entwicklung deiner Tochter tun

Fang bei dir an! Und das heißt für die werdenden Mütter schon während der Schwangerschaft. Eine gesunde ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Nikotin und Alkohol legen den Grundstein für eine gesunde körperliche Entwicklung deines Kindes.

Bleib Vorbild! Leb deinem Kind ein gesundes Essverhalten vor, einen verantwortungsvollen Umgang mit deinen körperlichen Ressourcen. Kinder leben vom elterlichen Beispiel. Achte also (von Anfang an) darauf, zu zeigen, dass körperliche Betätigung wie Laufen, Spazierengehen, Schwimmen, aber auch ausreichend Schlaf und bewusste Pausen wichtig für unseren Körper sind. So lernen sie von Anfang an, für den eigenen Körper Verantwortung zu tragen. Ohne Stress, liebevoll und immer wieder.

Mach deiner Tochter bewusst, dass unser Körper ein Wunderwerk ist! Ein perfekter Organismus, bei dem Tausende von Zahnrädern für uns unbemerkt ineinandergreifen. Dass wir diesem Wunderwerk etwas Gutes tun und ihn damit unterstützen, weiterhin so tadellos zu funktionieren, wenn wir immer mal wieder in ihn hineinhören, schauen, was er braucht. Ist es mehr Schlaf? Ist es mehr frische Luft? Natürlich wird dein Kindergartenmädchen nicht bewusst auf diese Fragen antworten können. Das soll es auch gar nicht! Vielmehr geht es darum, es dabei zu unterstützen, ein vertrauensvolles Verhältnis, ein gutes Gefühl zu seinem Körper zu entwickeln, mit ganz simplen Erklärungen. „Schau mal, die letzte Nacht war unruhig. Lass uns jetzt ein bisschen an die frische Luft gehen, dann wird dein Körper einmal durchgepustet und dein Blut richtig in Schwung gebracht. Und du schläfst heute Nacht wie ein Stein und fühlst dich morgen wohler.“ Oder: „Ich weiß, dass du jetzt Lust auf noch ein Stück Schokolade hast, aber zu viel davon macht deinen Körper müde und traurig. Und das ist nicht gut. Obst und Vitamine zwischendurch geben ihm Kraft, damit du dich munter fühlst, spielen und rennen kannst.“

Die motorische Entwicklung

Neben den körperlichen Entwicklungsprozessen deiner Tochter verändert sich während ihrer Kindergartenzeit auch sehr viel bezüglich ihrer motorischen Fähigkeiten. Doch was bedeutet „Motorik“ eigentlich? Motorik ist im Grunde die Fähigkeit zur Bewegung. Und diese wiederum ist eine wichtige Voraussetzung, alltäglichen Anforderungen gerecht zu werden. Kinder im Kindergartenalter werden also durch diese sich weiter entwickelnden Fähigkeiten immer selbstständiger. Die Grundfertigkeiten wie Laufen und Rennen werden gefestigt. Sie lernen zu klettern, zu hüpfen, zu balancieren. Bis ins Vorschulalter kommen weitere motorische Leistungen hinzu, z. B. einen Ball zu werfen und zu fangen, weitere geschickliche Fähigkeiten wie Seilspringen, auf einem Bein hüpfen, Rollschuhfahren, Zeichnen. Die Feinmotorik wird insgesamt immer klarer und sicherer. All das geschieht über verschiedene Entwicklungsschritte und muss immer wieder geübt werden.

Eine Studie hat gezeigt, dass es bei Jungen und Mädchen in diesem Alter hinsichtlich der motorischen Fähigkeiten interessanterweise deutliche Unterschiede gibt! Jungen im Alter von vier bis sechs Jahren zeigen eine höhere Leistungsfähigkeit bei motorischen Aufgaben, bei denen es um Kraft und Schnellkraft geht, Mädchen bei Aufgaben, bei denen es auf Balance und eine gute Körperkoordination ankommt sowie bei feinmotorischen Übungen und bei solchen, bei denen es um eine gute Koordination von Augen und Hand geht.

Dennoch gilt auch hier: Es gibt eine große Spannbreite zwischen dem, was Mädchen in diesem Alter motorisch bereits können. Und auch das ist völlig normal! Ich rate diesbezüglich allen Eltern, immer in einem guten Austausch mit den Erzieherinnen und Erziehern zu bleiben, gemeinsam zu schauen, ob es ernsthafte Defizite gibt. Wenn dem tatsächlich so sein sollte, ist der Kinderarzt oder die Kinderärztin ein wichtiger Ansprechpartner. Zum einen, um durch gezielte Tests zu schauen, wo eventuelle Defizite liegen, zum anderen, um mit dir mögliche Förderungsmöglichkeiten zu besprechen oder dir Adressen an die Hand zu geben, an die du dich wenden kannst und wo du kompetente Unterstützung erhältst.

Das kannst du für eine gesunde motorische Entwicklung deiner Tochter tun

Fordere und fördere sie! Genauer gesagt heißt das: Lass sie sich ausprobieren. Motorik entwickelt sich unter anderem auch dadurch, dass Dinge einfach mal versucht werden müssen, auch auf die Gefahr hin, dass deine Tochter bei den ersten Rollschuhversuchen hinfallen wird. Gib ihr das sichere Gefühl, dass es überhaupt nicht schlimm ist, wenn Dinge nicht auf Anhieb klappen, und es tatsächlich so ist, dass Übung den Meister macht.

Höre deiner Tochter zu, was genau sie gerne ausprobieren möchte! Basteln? Malen? Ballspiele? Egal was es ist, wichtig ist, dass du ihr Dinge ermöglichst. Wird sie angeregt und unterstützt, mitzumachen, wird sie offen und mutig sein, was das Ausprobieren neuer motorischer Fertigkeiten angeht.

Sei Vorbild! Zeige ihr, dass auch Erwachsene immer wieder neue Dinge ausprobieren sollten, die ihre Motorik fördern. Und dass es natürlich auch Spaß macht! Sei es Nähen, Stricken oder Malen. Und egal wie das Endergebnis aussieht. Wir müssen unseren Kindern KEIN perfektes Ergebnis präsentieren!

Ermutige dein Kind dazu, ganz klassisch in einen Sportverein zu gehen! Kinder, die regelmäßig gezielt sportlich gefördert werden, sind in ihren motorischen Fähigkeiten deutlich überlegen. Besuch mit deiner Tochter einmal den Reit-, Turn- oder Fußballverein. Neben der sozialen Kompetenz stärkt dies ihre motorische Entwicklung ungemein!

Die emotionale Entwicklung

Mit dem Eintritt in den Kindergarten findet natürlich auch ein großer Sprung in der emotionalen Entwicklung deiner Tochter statt. Grundsätzlich erleben Kinder Gefühle sehr intensiv, seien sie nun positiv oder negativ. Der Schritt in den Kindergarten ist mit vielen Neuerungen verbunden und wird häufig als sehr aufregend und durchaus emotional belastend empfunden. Gerade zu Beginn ist es meist so, dass sie deshalb, auch wenn sie den Kindergarten mit den Erziehern und den Spielkameraden eigentlich mögen, emotional verwirrt und recht instabil reagieren. So ein Tag in der Betreuung fordert ihnen nämlich ganz schön was ab! Die Trennung von Mama und Papa, ein neues Umfeld, andere Essens- und Schlafgewohnheiten, neue Menschen, eine neue Gruppendynamik. Da gilt es erst einmal, seinen ganz eigenen Platz zu finden. Auch wenn es den Eltern häufig sehr schwerfällt, ihre Töchter morgens im Kindergarten abzugeben, sollten sie dennoch versuchen, die positiven Aspekte zu sehen und die emotionale Entwicklung zu stärken.

Durch diesen emotionalen Wirbelsturm, den deine Tochter in diesem Moment erlebt, lernt sie ihre Gefühle besser kennen. Stehst du stark und entspannt an ihrer Seite, wird sie daran wachsen. Werden negative Gefühle und Ängste nicht als etwas ausschließlich Schlechtes erlebt, sondern als etwas gesehen, das nicht beständig ist, das da sein und irgendwann auch wieder weggehen wird, dass es Möglichkeiten gibt, damit zurechtzukommen (Trösten, Ablenken durch Spiel, Beschäftigung mit Freunden), entsteht Vertrauen in die Fähigkeit der eigenen Person. Reagieren auch die Erzieherinnen und Erzieher verständnisvoll und zugewandt, lernt deine Tochter außerdem, dass sie auf Unterstützung von außen vertrauen kann und dass es neben den Eltern Personen gibt, die mit ihnen durch ihr Leben gehen werden. Das lässt sie Vertrauen in ihre Mitmenschen und ihre Umwelt gewinnen.

Die emotionale Entwicklung und die Ausbildung einer emotionalen Kompetenz sind zudem eng mit der Ausbildung einer sozialen Kompetenz verbunden. Soziale Bindungen, Freundschaften entstehen. Während der Kindergartenzeit lernen die Kinder immer mehr mit ihren eigenen Gefühlen umzugehen und entwickeln außerdem eine Empathiefähigkeit für ihre Mitmenschen. Sie lernen, zwischen eigenen und fremden Gefühlen zu unterscheiden, können ihren Gefühlen mit Gesichtsausdrücken und ihrer Mimik Ausdruck verleihen und dadurch auch Gefühlsregungen im Gesicht ihrer Freunde ablesen. Sie können Gefühle immer besser formulieren und verstehen diese auch mehr und mehr bei anderen. Empathiefähigkeit ist ein großes Geschenk!

Das kannst für eine gesunde emotionale Entwicklung deiner Tochter tun

Trau deinem Mädchen zu, auch mit Ängsten und negativen Gefühlen umgehen zu können! Das bedeutet auch, dass du jegliche Art von Gefühlen und auch deren Ausdruck ernst nehmen und zulassen musst. Es hilft gar nichts, ihm zu sagen: „Du brauchst keine Angst vor dem Kindergarten zu haben!“ Vielmehr geht es in diesem Moment darum zu fragen, wovor die größte Sorge besteht. Und dann gilt es nicht, sofort eine „Lösung“ parat zu haben! Besser ist es, gemeinsam zu überlegen, was deinem Kind in dieser Situation am besten helfen könnte.

Signalisiere deiner Tochter, dass es völlig okay ist, auch andere Menschen lieb zu haben! Nicht selten spüren Kinder in diesem Alter, dass wir Eltern selbst größte Probleme damit haben, loszulassen. Das müssen wir gar nicht aussprechen, wir drücken es nonverbal aus, und das verunsichert sie. In Wahrheit sind wir doch froh, wenn sich unsere Tochter bei der Erzieherin oder dem Erzieher gut aufgehoben fühlt. Auch wenn wir vielleicht innerlich schlucken müssen, wenn wir sehen, wie vertraut sie miteinander sind. Und das dürfen wir auch offen kommunizieren: „Weißt du, ich finde es toll, wie lieb sich Anna um dich kümmert und wie gut ihr euch versteht. Das gibt mir ein gutes Gefühl, und ich kann beruhigt arbeiten.“

Stellt gemeinsame Regeln für das Miteinander auf! Durch die stetige Entwicklung der emotionalen und sozialen Kompetenz könnt ihr immer besser Absprachen treffen, Regeln und Wünsche diesbezüglich besprechen. Übertrag deiner Tochter „kleine“ Verantwortungen. Wichtig dabei: Loben! Stolz zeigen! Das bestärkt sie, langsam auch Verlässlichkeit zu lernen.

Sei auch hier Vorbild! Sprichst du deine Gefühle offen und ehrlich an, so lernt dein Kind, dass es keine Schwäche ist, Gefühle zu zeigen. Zudem solltest du ihm vormachen, wie man gut damit umgeht. Dass es Strategien dafür gibt. Ja, Eltern dürfen weinen, wenn sie müde sind. Das darf auch ein Kind sehen. Wichtig ist in diesem Moment, dass das Kind trotzdem weiter Sicherheit signalisiert bekommt: „Schatz, ich bin heute traurig. Ich habe heute tausend Sachen gleichzeitig erledigt, hatte viel Stress und habe dennoch nicht alles geschafft. Deshalb weine ich gerade. Das ist nicht schlimm, und wenn ich heute Abend früh ins Bett gehe und mich ausschlafe, geht es mir morgen besser und ich lache wieder.“

Mache Rollenspiele mit deiner Tochter! Ganz ungezwungen. Denn erstens lieben die meisten Kinder diese Art des gemeinsamen Spiels und zweitens hilft es ihnen häufig, gewisse Situationen und Begebenheiten aus ihrem Alltag noch einmal zu erleben und zu verarbeiten. Und: Hake nach, wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind etwas belastet!

Fördere den Kontakt zu Gleichaltrigen! Ganz wichtig für die emotionale Stärkung sind stabile zwischenmenschliche Beziehungen. Im Kindergartenalter können Verabredungen oder gemeinsame Unternehmungen noch nicht von den Kindern allein getroffen werden. Das ist Aufgabe der Eltern. Biete anderen Eltern an, wenn es möglich ist, die beste Freundin nach dem Kindergarten mal mit nach Hause zu nehmen. Oder auch hier: Unterstütze deine Tochter dabei, regelmäßig in einen Sport-, Musik- oder Spielverein zu gehen.

TYPISCHE STRESS-SITUATIONEN IN DER KINDERGARTENZEIT

Eltern kommen immer wieder in Situationen, in denen guter Rat teuer ist. Das fängt schon bei der Wahl des Betreuungsplatzes an. Was tun, wenn die Tochter nicht ins Bett gehen will? Und wie geht man eigentlich am besten mit einem kleinen Trotzkopf um? In diesem Kapitel gibt es Hilfestellung.

 

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Vom „offenen Konzept“ bis hin zum Waldorfkindergarten – Hilfe, was ist bloß das richtige Betreuungskonzept für meine Tochter? Und natürlich wollen wir dabei nichts falsch machen und wünschen uns womöglich die Zeiten herbei, in denen Kinder einfach in den Dorfkindergarten gegangen sind, alle zusammen und ohne das großartig zu hinterfragen.

Die Qual der Wahl des Kindergartens

Wir überlegen hin und her, lauschen den Gesprächen zwischen anderen Eltern, wägen ab und lesen vielleicht auch noch in Elternmagazinen, welche Betreuungskonzepte unsere Töchter am besten fördern und auf die Welt vorbereiten sollen. In ländlichen Gegenden gibt es möglicherweise ein, zwei Einrichtungen, und häufig fällt die Wahl auf jene, die den nächsten Platz frei hat oder die logistisch am einfachsten zu erreichen ist. Manche Eltern sind vielleicht traurig darüber, dass es keine große Wahlmöglichkeit für sie gibt und würden sich im Grunde ein anderes Konzept für ihre Kinder wünschen. Gerade in größeren Städten hat sich das aber mittlerweile stark verändert. Und so schön es ist, dass die Möglichkeiten und Konzepte der frühen Kinderbetreuung so vielfältig geworden sind, umso schwieriger fällt uns die Entscheidung, in welcher Einrichtung unsere Mädchen viele Jahre ihrer Kindheit verbringen sollen. Wir wollen schließlich das Beste für sie.

Die verschiedenen Betreuungsformen

Natürlich kann ich hier nicht alle Betreuungskonzepte aufzählen und möchte das auch gar nicht. Vielmehr geht es mir darum, darzustellen, dass es schon ganz früh ganz verschiedene Möglichkeiten für unsere Töchter gibt. Das fängt schon bei den Betreuungsmöglichkeiten an.

Hier ein kleiner Überblick:

Der „klassische“ Kindergarten: Hier gibt es verschiedene Gruppen mit fest eingeteilten und verantwortlichen Erziehern. Diese Gruppen sind altersgemischt. Dieses Konzept wird häufig auch „geschlossenes Konzept“ genannt, weil es separate Gruppen mit einer festen Anzahl an Kindern gibt, die alle Tagespunkte gemeinsam gestalten. Meist erfolgt hier der Kontakt zu den anderen Kindern des Kindergartens nur in den Spielzeiten im Hof oder Garten.

Der Kindergarten mit einem „offenen Konzept“: Hier gibt es keine „klassischen“ Kindergartengruppen. Die Räumlichkeiten sind für alle Kinder gleichermaßen zugänglich, und die Erzieher sind für alle Kinder Ansprechpartner. In einigen Kindergärten mit diesem Konzept gibt es jedoch bestimmte Tageszeiten, wie zum Beispiel Morgenkreis, Mittagessen etc., die die Kinder in einer ihnen zugeteilten Gruppe verbringen. Ansonsten gibt es im gesamten Kindergarten verschiedene Anlaufstellen für sie, wo sie spielen oder auch basteln können, so, wie sie es gerade möchten.

Der Waldorfkindergarten: Ein Waldorfkindergarten betreut und erzieht die Kinder nach einem anthroposophischen Konzept. Das Konzept stellt das einzelne Kind in den Mittelpunkt, seine ganz individuelle Begabung und die Förderung von künstlerischen, musischen und sportlichen Begabungen.

Der Montessori-Kindergarten: Im Montessori-Kindergarten wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass jedes Kind so viele Freiheiten wie möglich hat. Die Erzieher lassen die Kinder sehr frei gestalten, womit sie sich wie lange beschäftigen, und greifen so wenig wie möglich ein. Besonders das eigenständige Lernen ist ein wichtiger Begriff dieses Konzepts. Kinder sollen ihre Fehler selbst erkennen und sie spielerisch und frei korrigieren dürfen.

Der Waldkindergarten: Hier findet die Betreuung in der Regel fast ausschließlich draußen statt. Die Kinder spielen und beschäftigen sich den ganzen Kindergartentag in der Natur, egal zu welcher Jahreszeit. Viele Waldkindergärten haben dennoch einen kleinen Rückzugsort, wie zum Beispiel einen Bauwagen, wo die Kinder Mittagessen oder sich bei Kälte aufwärmen können.

Der Fremdsprachenkindergarten: Besonders in großen Städten gibt es immer mehr Kindergärten, die die Kinder in einer Fremdsprache betreuen, sei es Englisch, Französisch oder Spanisch. Die Betreuung findet in der Regel durch Muttersprachler statt, sodass die Kinder spielerisch und authentisch an eine weitere Sprache herangeführt werden.

Der integrative Kindergarten: Bei diesem Konzept werden Kinder mit und ohne Besonderheit (ich möchte hier gerne den Begriff „Behinderung“ vermeiden) miteinander betreut. So sollen schon früh Toleranz und Akzeptanz gelernt und Berührungsängste abgebaut werden. Mittlerweile und erfreulicherweise ist es allerdings so, dass auch viele oben genannte Kindergartenkonzepte mit einem integrativen Konzept gepaart sind, sodass zum Beispiel Kinder mit Downsyndrom, eventuell mit einer zusätzlichen Betreuungsperson, auch in einem „offenen Konzept“ ganz natürlich mit den anderen Kindern den Tag verbringen.

Was kann ich tun?

Ich rate allen Eltern, das Betreuungsangebot erst einmal recht nüchtern zu betrachten. Auch wenn es natürlich, wie beinahe alles, was ihre Töchter betrifft, durchaus emotional besetzt sein kann. Dennoch sollte man einen kühlen Kopf bewahren und sich ganz konkret diese Fragen zu stellen:

Wo liegt der Kindergarten? Wie gut ist er sowohl morgens als auch nach der Arbeit zu erreichen? Denn: Artet das Hinbringen und Abholen deiner Tochter in eine Art Stress aus, stehst du mit ihnen nachmittags womöglich stundenlang im Stau, kostet dich der Weg zusätzlich Nerven, dann nützt das beste Betreuungskonzept wenig.

Wie sind die Öffnungszeiten? Lassen sie sich gut mit deinen Arbeitszeiten vereinbaren? Hast du zwischen Arbeitsende und Kindergartenschließzeit noch einen Augenblick für dich, um durchatmen, in Ruhe Erledigungen machen zu können oder dir selbst einfach mal etwas Gutes zu gönnen? Oder artet es tagtäglich in einen Kampf mit der Zeit aus?

Wird von den Eltern viel Eigeninitiative und Unterstützung gefordert? Möchtest du das und kannst du das leisten? Ist es dir sogar wichtig, dass du mitgestalten darfst? Sie hier bitte ganz ehrlich. Wird von den Eltern regelmäßig Mithilfe erwartet, zum Beispiel beim Kochen, der Gartenarbeit etc., ist es sinnvoll, sich vorher Gedanken zu machen, ob das für dich zu schaffen ist oder eine zusätzliche Belastung bedeutet.

Wie hoch sind die Betreuungskosten? Passen sie in dein Budget? Oder bedeuten sie im Zweifel, dass sich deine Familie in anderen Bereichen, wie zum Beispiel Freizeitaktivitäten, stark einschränken muss? Ist es dir das wert?

Sei bitte auch bei der Wahl des Betreuungskonzepts für deine Tochter authentisch! Stehe ich hinter den Werten der Einrichtung? Gehen meine Erziehung und z. B. der Waldorfansatz konform miteinander? Oder lebst du deiner Tochter zu Hause eigentlich etwas ganz anderes vor? Und auch wenn du den Ansatz eigentlich gut findest, kannst du deine Tochter zu Hause z. B. gemäß Montessori dabei unterstützen, selbstständig zu lernen und Erfahrungen zu sammeln? Bei einem kirchlichen Träger: Ist es okay für dich, wenn deine Tochter vor dem Essen betet oder lebt deine Familie eigentlich unreligiös und vermittelt dies auch dem Kind? Passt das alles in der Realität nämlich gar nicht zusammen, kann das für die Kinder sehr verwirrend und eher hinderlich statt fördernd sein.

Und schließlich, wenn du ganz rational oben genannte Punkte abgewogen hast, schau dir deine Tochter und ihre kleine, große Persönlichkeit an:

Ist deine Tochter sehr ängstlich und braucht sie eigentlich eine feste Bezugsperson? Dann wäre ein „offenes Konzept“ vermutlich zunächst überfordernd für sie.

Ist deine Tochter ein Kind, das sehr viel körperliche Betätigung braucht, sehr umtriebig und entdeckungsfreudig ist? Dann wäre ein Waldkindergarten vielleicht ein guter Ort für sie, wo sie einige Stunden des Tages verbringen könnte und ihren Bedürfnissen gerecht werden würde.

Ist deine Tochter sehr künstlerisch, sehr betrachtend? Dann wäre ein Waldorfkindergarten eine Einrichtung, die sie diesbezüglich fördern könnte.

Hat deine Familie Verwandtschaft im Ausland? Ist ein Elternteil anderer Herkunft? Dann wäre ein Fremdsprachenkindergarten eine gute Möglichkeit. So kann ein schöner und kontinuierlicher Bezug zu einer zweiten Sprache aufgebaut werden, sodass sich das Kind auch in der Fremdsprache mit der Verwandtschaft unterhalten und austauschen kann, was letztendlich sehr bereichernd und auch für die Zukunft sehr unterstützend sein kann.

Kleine Motzkuh – und nun?

Dein wütendes, kleines Mädchen. Beinahe blind vor Wut. Beruhigen ist kaum möglich. Es schreit, schluchzt, schüttelt energisch den Kopf und hört wahrscheinlich gar nicht, was wir erklären. Tränen laufen über die hochroten Wangen. Und deine Nerven liegen blank. Womöglich kannst du dich gar nicht mehr genau daran erinnern, um was es deiner Tochter gerade eigentlich geht. Eben war noch alles gut. Diese Trotzanfälle kommen immer von der einen auf die andere Sekunde. Häufig wirklich unerwartet.

Angefangen hat es dieses Mal damit, dass sie ein Spielzeug aus dem Regal des Spielwarenladens gezogen hat, als ihr nach dem Kindergarten noch kurz ein Geschenk für ihre Cousine kaufen wolltet. Erst hat sie es ruhig betrachtet, dann wollte sie es mit nach Hause nehmen, nicht mehr hergeben und ist nach und nach und mit jeder deiner gut gemeinten Erklärungen, warum ihr es jetzt nicht kaufen werdet, immer wütender und lauter geworden. Jetzt steht sie dort, stampft mit ihrem Fuß trotzig auf den Boden, und du hoffst innerlich, dass dich in dieser Situation niemand sieht, der dich kennt und dass die Verkäuferin dich nicht für eine völlig unfähige Mutter hält. Mist, du fühlst dich hilflos und wirst auch wütend. Der Tag war lang und du möchtest endlich nach Hause. Was sollst du jetzt tun? Das Spielzeug, auch wenn es das Hundertste seiner Art im Kinderzimmer wäre, einfach kaufen, damit endlich Ruhe ist? Selbst dann, wenn du eigentlich denkst, dass es nicht richtig wäre, in dieser Situation nachzugeben? Sollst du deinem Gefühl, langsam auch richtig sauer zu werden, freien Lauf lassen und deine Tochter anschreien, dass sie endlich Ruhe geben soll? Sie ist ja schließlich kein Baby mehr, und ihr hattet vereinbart, nur schnell ein kleines Geschenk für die Cousine zu kaufen. Sollst du wortlos das Geschäft und die Situation verlassen und hoffen, dass das Kind dann alles stehen und liegen lässt und dir hinterherläuft?

Kleine Personen, große Bedürfnisse

Mittlerweile kommt man immer mehr davon ab, diese besondere Phase als „Trotzphase“ zu bezeichnen. Immer häufiger wird sie nun „Autonomiephase“ genannt. Vielleicht deshalb, weil dieser Begriff den Kern, der dieser Entwicklungsphase zugrunde liegt, viel besser und vor allem auch wertschätzender beschreibt. Denn: Die Kinder werden selbstständiger. Sie grenzen sich ab. Sie erkennen ihr eigenes „Ich“, lernen sich als eigenständige Person kennen. Und dazu gehören eben auch eigene Wünsche und Bedürfnisse.

Typischerweise beginnt diese Phase mit dem zweiten und dritten Lebensjahr, sie erreicht immer wieder Höhepunkte und flaut dann langsam ab. Auch hier gilt: Jedes Kind ist unterschiedlich! Jedes Kind benötigt ganz individuell seine Zeit. Haben einige Kinder kaum solche wütenden Ausbrüche, so haben andere Kinder sie häufig und sehr ausgeprägt. Dauert diese für beide Seiten anstrengende Phase bei den einen Kindern bis zum vierten Lebensjahr, so zieht sie sich bei den anderen möglicherweise bis ins sechste. All das ist in Ordnung und auch normal. Und sagt überhaupt nichts über unsere Qualitäten als Eltern aus. Übrigens scheint es keine grundsätzlichen Unterschiede im Trotzverhalten von Jungen und Mädchen zu geben.

Bei meinen Töchtern gab es hauptsächlich zwei Situationen, in denen sie so wütend geworden und, ja, auch manchmal völlig außer sich geraten sind. Entweder sie wollten unbedingt etwas, hatten ein dringendes Bedürfnis, einen großen Wunsch, der nicht in Erfüllung ging (die Schokolade im Supermarkt, das Spielzeug im Spielwarenladen, das Eis zum Frühstück) oder sie sollten etwas tun, was sie partout nicht wollten (den Sonnenhut aufsetzen, sich eincremen lassen, einen Spaziergang machen). Es waren also immer Situationen, in denen ihre aktuellen Wünsche und Bedürfnisse konträr zu den äußeren Gegebenheiten oder meiner Erlaubnis waren. Und wenn wir uns diese Situationen der (nennen wir sie jetzt auch so) „Autonomiephase“ anschauen, dann können wir sehen, dass keiner „Schuld“ daran hat. Weder die Kinder noch wir. Es ist vielmehr ein weiterer, unglaublich wichtiger Entwicklungsschritt unserer Mädchen, und auch hier gilt es, dass wir Eltern sie genau an diesem Punkt unterstützen.

Was kann ich tun?

Versuch zunächst zu verstehen, was in diesen Momenten in deiner Tochter vorgeht! Alles, was wir als Eltern verstehen können, ist für uns besser zu greifen, und schlussendlich fällt es uns leichter, damit umzugehen. Hilflosigkeit erzeugt wiederum Wut und die ist, das wissen wir im Grunde alle, ein sehr schlechter Ratgeber.

Ich habe meine Kinder in solchen Ausnahmezuständen häufig selbst als absolut verzweifelt und unglücklich erlebt. Und vom Alter her einfach noch nicht in der Lage, selbst aus dieser Situation heraustreten zu können. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Eltern, unsere Kinder genau dort abzuholen, bei ihren Wünschen, ihren Bedürfnissen, ihrer Wut und ihrer Verzweiflung. Und damit meine ich jetzt nicht, dass wir ihnen deshalb all ihre Wünsche erfüllen sollen!

So können Eltern ihren Töchtern in genau solchen Situationen am besten zur Seite stehen:

Egal wie schwer es uns fällt, es ist wichtig, genau in dieser Situation Ruhe zu bewahren! Tief ein- und ausatmen. Und es sich nicht noch schwerer dadurch machen, dass man sich vor anderen Menschen schämt, die diese Situation miterleben. Jeder, der selbst Kinder hat, kennt diese Situationen zur Genüge und kennt auch das elterliche Gefühl der Hilflosigkeit. Wenn wir ruhig bleiben, überträgt sich das auf unsere Töchter. Auch wenn das ein wenig dauern kann. Mit ruhiger, klarer Stimme sprechen, ruhig agieren, sich gerne auf Kinderhöhe begeben, zum Beispiel indem du in die Hocke gehst, ihnen klar und unaufgeregt in die Augen schauen, eventuell Körperkontakt aufbauen. Zeigen: Ich bin da, und es ist alles in Ordnung.

Auch wenn es in diesem Moment nicht einfach ist, versuche genau jetzt, mit einem ganz liebevollen und verständigen Blick auf deine Tochter zu schauen. Nicht reflexartig in das Gedankenschema fallen „Das Kind kann sich nicht mal benehmen!“. Das trifft es nämlich nicht. Hier findet gerade ein innerer Konflikt zwischen Wollen/Können/Nicht-Dürfen oder Sollen/Müssen/ Nicht-Wollen statt. Das hat nichts mit Erziehung zu tun. Es fehlen den Kindern in diesem Moment schlicht Lösungsstrategien.

Zeige Verständnis und formuliere es auch! Die Situation wird für deine Tochter leichter, wenn du signalisierst: „Ich verstehe dich.“ Oder: „Das ist jetzt echt eine total blöde Situation.“

Mache Lösungsvorschläge! Wenn du dir jetzt noch einmal ganz gezielt die beschriebene Situation oben anschaust, wäre es unklug, einfach das Spielzeug zu kaufen und damit dem Kind aus der Situation herauszuhelfen. Es gilt nämlich für Kinder auch, eine gewisse Frustrationstoleranz aufzubauen. Wir ziehen keine stabilen und emphatischen Persönlichkeiten groß, wenn wir ihnen blind alle Wünsche erfüllen. Damit tun wir ihnen schlussendlich keinen Gefallen! Aber wir können ihnen zeigen, dass wir ihre Wünsche und Bedürfnisse sehr wohl ernst nehmen. Eine Lösung hier wäre zum Beispiel, vorzuschlagen, das gewünschte Spielzeug zu Hause auf den Wunschzettel für den Geburtstag oder Weihnachten zu schreiben. Und es dann tatsächlich auch zu schenken.

Ganz typisch in der oben beschriebenen Situation ist, dass ein solcher Wutanfall auftritt, wenn eine Überforderung unserer Kinder stattfindet. Es ist ein logischer erwachsener Gedanke, nach dem Kindergarten „nur noch mal schnell“ ein Geschenk im Spielzeugladen kaufen zu gehen. Vermutlich ist es einfach praktisch, weil es auf dem Weg liegt oder man es einfach vorher nicht geschafft hat. Aber: Deine Tochter ist nach einem langen Kindergartentag vermutlich müde, hat zudem Hunger. Kurz: Ihre Frustrationstoleranz ist zu einem solchen Zeitpunkt meist geringer, was absolut altersentsprechend ist. Und auch wenn wir es im Alltag häufig vergessen, weil alles so vollgepackt und durchgeplant ist, dürfen wir die Entwicklungsstufen unserer Kinder nicht übersehen und sollten versuchen, sie nicht zu überfordern.

Wenn alles gute Zureden und alle Zuwendungen bei deiner Tochter in einem solchen Moment nicht ankommen, weil sie so sehr in der Situation gefangen ist, ist es sinnvoll, ihr eine „Auszeit“ zu verschaffen. Konkret heißt das, aus dem Blickfeld zu verschwinden. Das soll deinem Mädchen keine Angst machen, es soll nicht bestraft werden, aber häufig kehrt etwas Ruhe ein, wenn nicht mehr die volle Aufmerksamkeit auf es gerichtet ist. In der oben beschriebenen Situation meine ich damit nicht, aus dem Laden zu gehen. Das bedeutet: „Ich gehe und lasse dich allein. Entweder du kommst mit oder du bleibst halt da.“ Aber es ist wichtig, wenn nichts hilft, einmal kurz die Situation zu verlassen, in eine andere Ecke des Raumes zu gehen – und selbst noch einmal tief durchzuatmen. Um dann zurückzukehren und zu versuchen, das Gespräch mit Lösungsvorschlägen wieder aufzunehmen und gemeinsam diesen schwierigen Moment zu meistern. Häufig gelingt das noch besser, wenn du deine Tochter nach dieser kleinen Auszeit einfach ganz fest in den Arm nimmst.

Nachteule – meine Tochter möchte nicht schlafen

Der Tag war lang. Für die ganze Familie. Morgens klingelt der Wecker sehr früh und dann geht es auch schon los, in den alltäglichen Dauerlauf. Umso wichtiger, dass dein Kind dann gut ausgeschlafen ist. Häufig ist dies aber ganz und gar nicht der Fall. Besonders dann nicht, wenn die Abende lang sind und dein Kindergartenmädchen nicht zur Ruhe kommt und einschlafen kann. Wenn sich das Zubettbringen eine Ewigkeit hinzieht und selbst dann noch lange nicht geschlafen wird, deine Tochter noch einmal etwas trinken möchte, dann noch einen Schluck, dann auf Toilette gehen muss, danach vielleicht bitte eine weitere kurze Gutenachtgeschichte hören möchte … Manchmal vergehen dabei Stunden – und die eigene Anspannung steigt in solchen Momenten. Denn: Das Kind soll schlafen, sonst wird der nächste Morgen und überhaupt der ganze Tag stressig. Und außerdem möchtest du selbst auch noch einmal einen Augenblick für dich. Um ein Buch zu lesen, dich mit deinem Partner oder deiner Partnerin zu unterhalten oder mit Freunden zu telefonieren. Für was auch immer. Irgendwann wirst du ungehalten. Deine Aufregung überträgt sich auf deine Tochter. Im Zweifel legst du dich irgendwann zu ihr, damit sie besser in den Schlaf findet, und schläfst selbst dabei ein. Nach ein paar Stunden wachst du mit steifem Nacken und schlaftrunken auf, schleppst dich ins Bett und bist übellaunig. So kann das doch nicht weitergehen! Wenigstens die Abende müssen doch für ein bisschen Entspannung da sein. Und überhaupt: Warum schläft meine Tochter nicht? Sie müsste doch selbst total kaputt von dem Tag sein!

Warum Schlaf für Kinder so wichtig ist

Einerseits ist guter und ausreichender Schlaf deshalb wichtig, weil es eine Phase ist, in der dein Mädchen zur Ruhe kommen, runterfahren, entspannen, Kräfte für den neuen Tag sammeln kann. So ein Kinderleben ist nämlich ganz schön aufregend. Andererseits findet während des Schlafens auch eine Entwicklung statt. Durch Träume wird der Alltag verarbeitet. Kinder wachsen sogar im Schlaf. Ausreichender Schlaf stärkt zudem die Konzentrations- und Lernfähigkeit und das gesamte Abwehrsystem. Dennoch ist hierbei ein Punkt ganz wichtig: Auch Kinder haben ein sehr unterschiedliches Schlafbedürfnis, welches einmal zwischen den Altersstufen variiert, aber auch ganz individuell. Der Bedarf verringert sich mit höherem Alter. Schlafen Kleinkinder mit zwei Jahren noch etwa durchschnittlich 12 bis 13 Stunden, brauchen Vierjährige nur noch etwa 11 bis 12 Stunden. Man weiß mittlerweile aber auch, dass selbst in diesen Altersstufen Abweichungen von bis zu zwei Stunden völlig normal sind. Mit etwa 18 Monaten benötigen die meisten Kinder nur noch eine Schlafeinheit tagsüber, mit 24 Monaten machen einige Kinder schon gar keinen Mittagsschlaf mehr. Deshalb ist es mir auch bei dem Thema „Schlafen“ sehr wichtig, dass du deine Tochter nicht mit anderen Kindern vergleichst.

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842616158
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (Februar)
Schlagworte
Kinder-Erziehung Kinder erziehen Mädchen stärken Familienleben Alltag mit Kind Alltags-Bewältigung Selbstbewusstsein Elternratgeber

Autor

  • Dr. med. Judith Bildau (Autor:in)

Dr. Judith Bildau ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Mutter von fünf Töchtern (drei eigene) und eine der gefragtesten Influencerin zum Thema Kindererziehung und Frauengesundheit. Ihre Artikel und Posts sind so beliebt, weil sie stets fundiert informiert und sich dabei dennoch auf Augenhöhe mit ihren Leserinnen bewegt. Neben ihrer Arbeit als Frauenärztin versorgt sie Eltern auf dem Online-Magazin MutterKutter mit wertvollen Tipps, veröffentlicht medizinische Fachbeiträge in Print- und Onlinemedien oder schreibt über das anstrengende und trotzdem schöne Familienleben – ehrlich, fachkundig und von Herzen.
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Titel: Starke Mädchen brauchen entspannte Eltern