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Dienstplangestaltung

Was Pflegekräfte wissen müssen. Flexible Arbeitszeitmodelle - das müssen Sie wissen

von Jutta König (Autor:in) Manuela Raiß (Autor:in)
144 Seiten

Zusammenfassung

Ein guter Plan ist immer Maßarbeit
Wenn die Arbeitsorganisation stimmt, funktioniert auch die Dienstplangestaltung.Trotzdem bleiben immer Fragen, z. B.:
Wie reagiere ich auf die Wünsche meiner Kollegen?
Was tue ich bei Ausfällen?
Welche Arbeitszeitmodelle passen zu unserer Einrichtung?
Diese (und viele weitere) Fragen beantworten die Autorinnen dieses Buches kompetent, verständlich und praxisnah. Sie bieten eine kompakte Übersicht über die arbeitsrechtlichen und organisatorischen Grundlagen der Dienstplangestaltung und zeigen alternative Arbeitsplatzmodelle.
Ein Extra-Kapitel widmet sich dem Thema der digitalen Dienstplanprogramme. Kurzum: Wer Dienstpläne gestalten möchte, verfügt mit diesem Buch über einen Helfer in der Not

Leseprobe

Inhaltsverzeichnis


Vorwort

Dieses, jetzt in der 2., aktualisierten Auflage vorliegende, Fachbuch soll Ihnen die Grundlagen der Dienstplangestaltung vermitteln und neue Perspektiven eröffnen. Wir möchten Ihnen die rechtlichen Voraussetzungen für die Erstellung eines Dienstplanes nennen und typische Probleme erläutern.

So präsentieren wir Ihnen zunächst die Basis der Arbeits- und Urlaubszeitregelung. Wer hier nicht Bescheid weiß, verschwendet viel Zeit und Geld. Im Mittelpunkt stehen bei uns die gesetzlichen Regelungen und der größte Tarifvertrag in der Pflege, der TVöD.

Anschließend erläutern wir Ihnen die Dienstplangestaltung mit allen typischen Fragen, bevor wir uns einigen gängigen und alternativen Arbeitszeitmodellen zuwenden. Vielleicht entdecken Sie spannende neue Wege?

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit Dienstplanungs-Software. Lesen Sie, wie viel Klärungsbedarf es hier gibt und was Sie vor einer Einführung alles beachten müssen.

Mitarbeitermitbestimmung und Betriebsratsarbeit sind nicht Bestandteil unseres Buches, sondern wir haben nur punktuell darauf verwiesen. Es gibt weder mit der Mitarbeitervertretung noch mit dem Betriebsrat Ärger, wenn Sie die Gesetze einhalten und Mitarbeiter mit in Ihre Entscheidungen einbinden.

Wir wünschen Ihnen Freude beim Lesen, viele Anregungen und den Mut, den nächsten nötigen Schritt zu gehen.

 

Wiesbaden, im Frühjahr 2020 Jutta König und Manuela Raiß

Ohne Grundlagen kann man keinen rechtlich einwandfreien Dienstplan schreiben. Bevor Sie also in späteren Kapiteln nachschauen, wie Sie wen einteilen und warum, geben wir Ihnen das nötige Rüstzeug im Umgang mit den Grundlagen der Dienstplangestaltung, der Arbeitszeit und den wesentlichen Schutzgesetzen.

Viele Arbeitgeber lehnen sich an den Tarifvertrag TVöD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) mit dem Vergütungssystem AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien) an, der in abgewandelter Form auch Grundlage für diverse kirchliche Träger und Wohlfahrtsverbände ist. Auch Arbeitsrichter greifen bisweilen darauf zurück, in Ermangelung anderer Regelungen. Man spricht dann von der sog. »Rechtspyramide«.

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Abb. 1 Rechtspyramide

In Deutschland steht das Grundgesetz über allem. Es folgen das Bürgerliche Gesetzbuch und die Schutzgesetze für Arbeitnehmer. Darunter gibt es diverse Tarifverträge oder Rahmenverträge, die für mehrere Betriebe gelten. Dann folgen Betriebsvereinbarungen, die nur für einen bestimmten Betrieb gelten und als letztes die Arbeitsverträge. Übrigens: Eine darunterliegende Ebene kann einen Mitarbeiter nicht schlechter stellen als es eine darüber liegende Ebene bereits geregelt hat.

Es bleibt abzuwarten, ob die Bestrebungen einiger Bundesländer, Pflegekammern einzurichten, zur Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen in der Pflege führen.

1.1Die Arbeitszeit: Definitionen

Zuschläge für Überstunden, Mehrarbeitszeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, Schichtzulage, Rufbereitschaft, besondere Leistungen, Prämien oder Jahressonderzahlung (Urlaub, Weihnachten etc.) sind (außerhalb von Tarifverträgen) Sache des Arbeitgebers – eine freiwillige Leistung, auf die Sie keinen Rechtsanspruch haben.

1.1.1 Nachtarbeit

Nicht jeder, der nachts arbeitet, ist ein Nachtarbeiter. § 2 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) definiert: Nachtarbeit ist die Zeit zwischen 23:00 und 6:00 Uhr. In der Pflege beginnt die Nachtarbeit in manchen Einrichtungen bereits ab 20:00 Uhr. Das regelt der jeweilige Tarif, die Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag. Im TVöD-B für Pflege und Betreuung liegt die Nachtarbeit zwischen 21:00 und 6:00 Uhr (§ 7 Abs. 5).

Für Nachtarbeitnehmer sieht das Gesetz einen etwas stärkeren Arbeitsschutz vor, etwa die Einhaltung einer regelmäßigen Arbeitszeit von acht Stunden. Regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen für Nachtarbeitnehmer sind gesetzlich vorgeschrieben (§ 6 Abs. 3 ArbZG).

Mit § 6 ArbZG hat Deutschland seine aus Artikel 8 der EU-Arbeitszeitrichtlinie folgenden Pflichten umgesetzt. Die 8-Stunden-Regelung wird allerdings nicht auf jede Nacharbeit angewendet. Es wird unterschieden, ob es sich um einen Nachtarbeiter (mehr als 48 Nächte/Kalenderjahr) handelt oder um einen Arbeitnehmer, der gelegentlich mal Nachtdienst leistet.

1.1.2 Nacht- oder Tagdienst – Die Hürden des Wechsels

Wenn der Nachtdienstmitarbeiter nicht mehr ausschließlich in der Nacht arbeiten möchte, kann er wechseln. § 6 Abs. 4 ArbZG: »Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a) nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder

b) im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder

c) der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,

sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen.«

Was aber, wenn der Mitarbeiter gar nicht in den Tagdienst möchte? Zwei Gerichtsurteile geben hier – unterschiedliche – Auskunft:

1. Eine Pflegekraft im Pflegeheim, die fast zehn Jahre ausschließlich nachts gearbeitet hatte, klagte gegen ihren Arbeitgeber, der sie im Tagdienst einsetzen wollte. Das LAG Frankfurt gab der Klage statt. Ausschlaggebend waren die Tatsachen, dass die Krankenschwester sich in der Stellenausschreibung bereits auf den Dauernachtdienst beworben hatte, seit fast zehn Jahre nur nachts arbeitete sowie ihre familiäre Situation (fünf Kinder). Die Pflegekraft benötigte also weder einen Arbeitsvertrag, der explizit auf den Dauernachtdienst hinwies, noch eine andere schriftliche Regelung, um weiterhin Nachtdienst leisten zu dürfen.1

2. In Hessen entschied ein Arbeitsgericht anders: Selbst eine über Jahrzehnte gleichbleibende Einteilung in den Nachtdienst lasse keine betriebliche Übung hinsichtlich dieser Arbeitszeit entstehen. Der Arbeitnehmer wollte nicht in den Tagdienst versetzt werden. Seine Klage gegen den Arbeitgeber begründete er mit betrieblicher Übung rein im Nachtdienst. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht. Voraussetzung für das Entstehen einer betrieblichen Übung ist ein übereinstimmender Wille von Arbeitnehmer und -geber. Im vorliegenden Fall ließ der Arbeitgeber nicht erkennen, mit der generellen Übernahme einer bestimmten Schicht einverstanden gewesen zu sein.2

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Info

Die Umsetzung eines Arbeitnehmers von der Tag- in die Nachtschicht ist keine zustimmungspflichtige Versetzung, wenn sich dadurch lediglich die Lage der Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers ändert (BAG, Beschluss vom 23. 11. 1993 – 1 ABR 38/93).

1.1.3 Schichtarbeit

Schichtarbeit bedeutet, dass die Arbeit zu verschiedenen Zeiten vom Arbeitnehmer erbracht wird3, wie in der klassischen Alten- bzw. Gesundheitsund Krankenpflege üblich. Zwei, drei oder sogar bis zu sechs Schichten sind denkbar. Jede Schichtform hat ihre Vor- und Nachteile.

Gibt es nur zwei Schichten, wird also in 12-Stunden-Schichten gearbeitet, muss dies per Sondergenehmigung durch das Gewerbeaufsichtsamt und einvernehmlich mit der Mitarbeitervertretung geschehen. Dieses Zweischichtsystem ist in der Pflege relativ wenig verbreitet. Dabei hätte es durchaus Vorteile: Die Pflegebedürftigen hätten mehr von ihrer Bezugskraft, die Pflegekräfte mehr Freizeit am Stück. Die Schichten wären einfacher planbar. Der Dienstplan im 12-Stunden-Rhythmus ist wiederkehrend, der gesamte Dienstplan eines Jahres passte auf einen kleinen Zettel. Allerdings möchte nicht jeder 12 Stunden am Stück (mit Pausen) arbeiten.

In den Niederlanden arbeitet man in der Altenpflege, insbesondere bei der Arbeit mit Menschen mit Demenz, sogar möglichst nicht mehr als sechs Stunden pro Tag. So etwa in Hogewey, dem sog. »Demenzdorf«. Dort wird in 4- oder 6-Stunden-Schichten gearbeitet. Das hat den Vorteil, dass die Arbeit nicht so sehr belastet. Nachteil ist, dass die Mitarbeiter entweder keine Vollzeitstelle haben oder eine 6-Tage-Woche, damit sie auf ihre Stunden kommen. Auch eine 6-Tage-Woche ist nicht unumstritten (image Kap. 6).

1.1.4 Wechselschicht

Definition Wechselschichtarbeit

»Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan/Dienstplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen die/der Beschäftigte längstens nach Ablauf eines Monats erneut zu mindestens zwei Nachtschichten herangezogen wird« (§ 7 Abs. 1 TVöD).

1.2Wie lange darf man arbeiten?

Auch in der Pflegebranche darf die regelmäßige tägliche Arbeitszeit acht Stunden bzw. zehn Stunden nicht überschreiten. »In der Regel« bedeutet: Es gibt Ausnahmen, etwa für Einrichtungen mit kontinuierlichem Betrieb. Dazu gehören Kranken- und Pflegeeinrichtungen im Allgemeinen. § 6 Abs. 4 TVöD-B: »In vollkontinuierlichen Schichtbetrieben kann an Sonn- und Feiertagen die tägliche Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden verlängert werden, wenn dadurch zusätzliche freie Schichten an Sonn- und Feiertagen erreicht werden.« Auch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarungen können andere Arbeitszeiten vorsehen, z. B. § 6 Abs. 7 TVöD-B: »Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden.«

An Werktagen sieht das Gesetz zunächst keine Ausnahmeregelung vor (außer bei Ärzten, TVöD-K). Mitarbeiter, auch im Nachtdienst, und Nachtarbeiter dürfen im Schnitt nur acht Stunden in 24 Stunden arbeiten.

Grundsätzlich beträgt somit die maximale Arbeitszeit pro Woche 48 Stunden. Mit Ausnahmen kann das aber deutlich gesteigert werden, wenn innerhalb von 24 Wochen ansonsten die acht Stunden werktäglicher Arbeitszeit nicht überschritten werden (gemäß § 3 ArbZG darf ausnahmsweise zehn Stunden pro Tag gearbeitet werden). Man darf in der Pflege jeden Tag der Woche arbeiten, also 6 × 10 Stunden, also 60 Stunden pro Woche, wenn innerhalb von sechs Monaten (24 Wochen) die Arbeitszeit an den Werktagen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschreitet.

Zudem darf der Arbeitstag für Nachtdienste auf zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Das ist insbesondere bei Arbeitnehmern der Fall, die in verschiedenen Schichten arbeiten. Man arbeitet z. B. in einem Monat fünf Nächte je zehn Stunden und dafür die restlichen Arbeitstage nur acht Stunden oder weniger.

Beim reinen Nachtarbeiter sind die zehn Stunden Nachtarbeit nur statthaft, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten (24 Wochen) im Durchschnitt die acht Arbeitsstunden werktäglich nicht überschritten werden.

Wer keinen Ärger mit der Gewerbeaufsicht – die für die Einhaltung der Schutzgesetze zuständig ist – haben möchte, muss sich an das ArbZG halten oder mit Tarif- oder Betriebsvereinbarungen einvernehmlich mit den Mitarbeitern zu einer anderen Lösung kommen. Das ArbZG weiß um die Nöte in der Pflege. Es lässt gemäß § 7 andere Regelungen zu: »In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, 1. abweichend von § 3 a) die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt.«

Genau diesen Passus machten sich viele Kliniken jahrelang zu Nutze. So gibt es auch heute noch in Krankenhäusern 24-Stunden-Dienste, weil beispielsweise nur zehn Stunden als Dienst deklariert sind, der Rest als Rufbereitschaft.

Rufbereitschaft ist zwar auch Arbeit (Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2003), aber Ärzte können ja freiwillig länger arbeiten. Im Arbeitszeitgesetz und in der EU-Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) steht zwar, die Arbeitszeit dürfe nicht mehr als 48 Stunden pro Woche betragen. Doch unter bestimmten Voraussetzungen darf auch nach EU-Recht länger gearbeitet werden, wenn die Arbeitnehmervertreter zustimmen.

Das bedeutet auch heute noch für viele Ärzte 24 Stunden Dienst. Wenn viel los ist, haben Ärzte in diesen 24 Stunden ggf. nicht ein Auge zugetan. Wer möchte sich von einem solchen Arzt noch behandeln, gar operieren lassen? Der Chef des Marburger Bundes, Frank-Ulrich Montgomery, sagte in einem Interview sinngemäß: Ein Arzt nach 24 Stunden im Dienst verhalte sich so, als hätte er 1,0 Promille Alkohol im Blut. Dann wird der Patient zum Feind.4

1.3Arbeitsbereitschaft

Die Arbeitsbereitschaft wird im ArbZG §§ 7 und 15 als eine Art »wache Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung« gesehen. Das bedeutet sinngemäß, dass ein Arbeitnehmer eine mindere Arbeitsleistung vor Ort am Arbeitsplatz bietet und zur Verrichtung der Dienstleistung bereit ist. Das ist heutzutage in Pflegebetrieben eher selten der Fall. Als früher in Altenheimen vorwiegend rüstige Senioren lebten, gab es eine Nachtwache, die nicht durchgehend Dienst hatte. Sie erledigte in der Nacht bestimmte Routinearbeiten. Wenn es ihre Zeit erlaubte, durfte sie aber schlafen oder sich die Zeit anderweitig vertreiben. Heute kennen wir das außerhalb der Altenpflege nur noch in Einsatzzentralen der Feuerwehr und in Krankenhäusern, z. B. bei Hebammen oder Ärzten.

Ein großes Thema in der häuslichen Pflege ist die Rund-um-die-Uhr-Pflege, die ganz legale 24-Stundenpflege. Hier hat beispielsweise ein pflegebedürftiger Mensch den Bedarf einer ständigen Betreuung. Die eigentliche Arbeitszeit pro Tag wären aber ggf. nur fünf Stunden. Wenn der Arbeitgeber alles richtig machen möchte, kann er den Mitarbeiter ohne dessen Zustimmung nicht mehr 24 Stunden einsetzen und schon gar nicht wochenweise. Gerade Letzteres war aber bei einigen Mitarbeitern sehr beliebt. Sieben Tage vor Ort, sieben Tage Freizeit. Das war insbesondere für Mitarbeiter interessant, die weit entfernt eingesetzt waren, bei freier Kost und Logis. Das ist aber nicht so einfach, will man das ArbZG und die EU-Arbeitszeitrichtlinie einhalten.

Was soll ein Mitarbeiter, der aus Ueckermünde kommt und vor Ort keine Arbeit findet, die ihn ernährt, machen, wenn sein Job im Rhein-Main Gebiet kein wochenweises Frei mehr bietet? Wie soll es funktionieren, wenn der Mitarbeiter drei Tage arbeitet, anschließend zwei freie Tage hat und dann wieder arbeiten soll? Was hat der Mitarbeiter davon? Der Pflegebedürftige muss es hinnehmen, dass beim Betreuungspersonal ein ständiger Wechsel herrscht. Gerade bei demenziell Erkrankten sicher nicht immer ein Vorteil.

1.4Bereitschaftsdienst

Bereitschaftsdienst leistet man ebenfalls außerhalb der regulären Arbeitszeit. Es handelt sich sozusagen um »Freizeit mit Arbeitsverpflichtung«. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall, auf Abruf, die Arbeit aufzunehmen (§ 7Abs. 3TVöD). Der Arbeitnehmer muss hierfür, entgegen der Arbeitsbereitschaft, nicht am Arbeitsplatz bleiben. Der Arbeitgeber bestimmt den Bereitschaftsort.

Immer wieder müssen Gerichte definieren, wie sich Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft voneinander unterscheiden. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland Pfalz, dass es sich nicht mehr um Bereitschaftsdienst handelt, wenn der Arbeitgeber zwar nicht den Aufenthaltsort bestimmt, aber verlangt, dass der Arbeitnehmer binnen 15 bis 20 Minuten im Einsatz zu sein hat. In dem Urteil sollte ein Arzt im Krankenhaus innerhalb der genannten Frist auf der Geburtsstation zur Stelle sein. Die Klink sah dies als reine Rufbereitschaft (mit anderer Vergütung), die Richter urteilten anders. Sie meinten, durch den vorgegebenen Zeitfaktor sei dem Arzt die Möglichkeit genommen, seine an sich arbeitsfreie Zeit frei zu gestalten.5

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Info

Übrigens: In der Bereitschaft wird der Mindestlohn gezahlt, wenn keine Verordnung etwas anderes definiert. So entschieden 2012 die Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt (BAG 5 AZR 1101/12).

Bei dem Fall handelte es sich um eine Pflegekraft im ambulanten Dienst. Sie leistete rund um die Uhr Betreuung und wohnte während dieser Zeit bei der Pflegebedürftigen. Die Pflegekraft musste nicht 24 Stunden arbeiten, ein Großteil der Zeit vor Ort war Bereitschaftsdienst. Diesen wollte die Pflegekraft bezahlt bekommen und klagte. Das Landgericht Stuttgart gab ihr Recht, der Arbeitgeber ging in Revision. Die obersten Richter gaben der Angestellten Recht. In ihrem Urteil vom 19. 11. 2014 begründeten sie, dass es keine anderslautende Vereinbarung über das Entgelt in Bereitschaftsdiensten gäbe. Wenn nichts anderes vereinbart ist, gilt der Mindestlohn, auch wenn es sich bei Bereitschaft um keine volle Arbeitsleistung handelt.

1.5Rufbereitschaft

Auch die Rufbereitschaft findet außerhalb der Arbeitsstelle und der regulären Arbeitszeit statt. Der Arbeitnehmer hat somit »Freizeit mit Arbeitsverpflichtung«. Er hält sich an einem weitgehend selbst bestimmten, dem Arbeitgeber anzuzeigenden Ort auf, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen.

Dies ist wohl die häufigste Form der Bereitschaft in der Pflege. Diese Rufbereitschaft ist häufig eine versteckte, nicht honorierte Leistung und wird nicht selten stillschweigend neben der eigentlichen Arbeit erbracht. Gemäß TVöD-B ist die Rufbereitschaft nicht dadurch ausgeschlossen, dass Beschäftigte vom Arbeitgeber mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel ausgestattet sind (§ 7 Abs. 4 TVöD). Das bedeutet: Wer das Diensthandy mit nach Hause nimmt und darauf zu Dienstzwecken angerufen werden kann, leistet Rufbereitschaft.

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Info

Die Rufbereitschaft ist nicht automatisch Teil der Arbeit. Sie kann im Anschluss an die Arbeit geschehen und – wenn man nicht zum Dienst gerufen wird – auch ohne Ruhezeiteinhaltung direkt mit dem nächsten Dienst enden. So geschieht es oft in Krankenhäusern. Ärzte haben Dienst, dann Rufbereitschaft und wieder Dienst.

Rufbereitschaft an einem arbeitsfreien Feiertag ist nicht statthaft. So entschied es das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 09. 10. 2003 —6 AZR 447/02). Der Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, Mitarbeiter zur Feiertagsarbeit heranzuziehen, wenn der Betrieb auch an Feiertagen aufrechterhalten werden muss (wie in der Pflege). Wenn der Arbeitgeber den Mitarbeiter allerdings an einem Feiertag nicht einsetzt, muss dieser an diesem freien Feiertag auch keine Rufbereitschaft leisten.

Die Rufbereitschaft ist aber nicht generell und vollumfänglich Arbeitszeit. § 5 Abs. 3 ArbZG: »Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.« Die Rufbereitschaft wird nicht generell als Arbeitszeit gerechnet, sondern zählt zur Ruhezeit.

An Feiertagen dürften in einem Krankenhaus Ärzte in Rufbereitschaft, die keine sofortige Aufnahme der Arbeit auf Abruf gewährleistet, nur ausnahmsweise eine ordnungsgemäße medizinische Versorgung der Patienten sicherstellen (vgl. BAG, Urteil vom 31. Januar 2002 – 6 AZR 214/00).

In einem anderen Fall stritt sich ein Krankenpfleger bis zum Bundesarbeitsgericht darum, ob sein Arbeitgeber ihm vorschreiben dürfe, dass er bei Rufbereitschaft innerhalb von 20 Minuten nach Abruf die Arbeit aufnimmt (BAG, Urteil vom 31. 1. 2002 – 6 AZR 214/00). Der Krankenpfleger gab an, er wohne rund 25 bis 30 Minuten vom Arbeitsort entfernt und die 20-Minutenregelung des Krankenhauses bedeute für ihn, bei Rufbereitschaft nicht zu Hause schlafen zu können. Zudem hätte er mit dieser engen Regelung keine Möglichkeit mehr, seinen Aufenthaltsort selbst frei zu bestimmen, wie es das Recht definiert. Das Gericht gab dem Arbeitgeber Recht und wies die Klage ab.

Bleibt noch die Frage der Vergütung. Muss der Arbeitgeber die Rufbereitschaft zahlen? Wenn ja, wie hoch ist die Vergütung?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist für Zeiten der Arbeitsbereitschaft (auch Bereitschaftsdienst genannt) nicht zwingend die volle Vergütung zu zahlen. Das Arbeitsentgelt für Zeiten der Arbeitsbereitschaft kann angesichts der geringeren Beanspruchung auch geringer als das Entgelt für Vollarbeit sein (BAG, Urteil v. 28. 11. 1973 – 4 AZR 74/73). Auch für Bereitschaftsruhezeiten (Rufbereitschaft) ist es auf Grund des Unterschiedes in der Beanspruchung des Arbeitnehmers nicht zu beanstanden, wenn hierfür eine andere Vergütung vorgesehen wird als für Vollarbeit (BAG, Urteil v. 05. 06. 2003 – 6 AZR 114/02 und v. 28. 01. 2004 – 5 AZR 530/02).

Das höchste Arbeitsgericht in Deutschland bezeichnete mit Entscheid vom 12. 03. 2008 (4 AZR 616/06) eine Vergütung in Höhe von 68 Prozent des Gehaltes als angemessen.

1.6Ruhezeit

Die Ruhezeit beträgt gemäß § 5 Abs. 2 ArbZG in Kranken- und Pflegeeinrichtungen zehn Stunden, wenn eine verkürzte Ruhezeit nicht die Regel ist. Die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit zwischen zwei Diensten beträgt elf Stunden. Aber § 5 Abs. 2 ArbZG regelt auch, dass die Ruhezeit auf zehn Stunden reduziert werden kann, wenn jede Ruhezeitverkürzung binnen eines Monats durch längere Ruhezeiten ausgeglichen wird. Wer beispielsweise fünfmal im Monat nur zehn Stunden Ruhezeit hatte, muss daraufhin in den folgenden vier Wochen an fünf Tagen eine verlängerte Ruhezeit bekommen.

Im üblichen Mehrschichtbetrieb gleicht sich das normalerweise sehr schnell aus. Man hat an einem Wochenende eine verkürzte Ruhezeit, weil man von Spät- auf Frühdienst wechselte. Nach dem sog. »Schaukeldienst« kommt man wieder in den normalen Rhythmus und hat mehrere Dienste einer Art hintereinander, also z. B. drei Tage Früh- oder Spätdienst. Dieser »normale« Dienst garantiert eine Ruhezeit von deutlich mehr als zehn Stunden.

Wer in seiner Ruhezeit auch noch Rufbereitschaft hat, muss beachten, dass gemäß § 5 Abs. 3 der Einsatz in der Rufbereitschaft maximal die Hälfte der Ruhezeit betragen darf. Wer eine Ruhezeit von elf Stunden hat, darf also nicht mehr als 5,5 Stunden (inkl. Fahrtzeit) in seiner Rufbereitschaft zum Dienst eingesetzt werden.

Die Rufbereitschaft kürzt also keinesfalls die Ruhezeit. Erst wenn man in der Rufbereitschaft zum Dienst herangezogen wird, wird die Ruhezeit unterbrochen. Diese Unterbrechung ist statthaft, wenn sie maximal 50 Prozent der Ruhezeit beträgt und die eigentliche Ruhezeit zu anderen Zeiten nachgeholt wird.

Beispiel: Wer acht Stunden arbeitet und weitere 12 Stunden Rufbereitschaft hat, hat dennoch seine Ruhezeit erhalten. Wer in der Rufbereitschaft für drei Stunden gerufen wird, hat nach diesem Einsatz noch mehr als 5,5 Stunden Ruhezeit. Die drei Stunden müssen nachgeholt werden.

Wenn allerdings der Einsatz vier Stunden vor dem nächsten Dienst kommt, ist die Ruhezeit nicht mehr erfüllt, egal wie kurz die Einsatzzeit tatsächlich ist. Der Mitarbeiter müsste den nächsten Schichtdienst nicht leisten. Wenn er allerdings diese nächste Schicht nicht leistet, bekommt er die ausgefallene Arbeitszeit nicht automatisch gut geschrieben. Das wäre nur der Fall, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt und der Arbeitgeber diese nicht in Anspruch nimmt. So entschieden die obersten Richter (BAG, Urteil v. 13. Dezember 2007 – Az. 6 AZR 197/07).

1.6.1 Kann der Chef einfach Rufbereitschaft anordnen?

Das Arbeitsgericht Frankfurt urteilte (AZ: Sa 1606/06), dass ein Arbeitnehmer dann keine Rufbereitschaft übernehmen muss, »wenn es an einer entsprechenden arbeitsvertraglichen oder kollektivrechtlichen Verpflichtung zur Ableistung solcher Dienste fehlt.« Rufbereitschaft müsste schon eine kollektive Verpflichtung für alle sein und/oder arbeitsvertraglich geregelt werden.

Vorgesetzte sind gut beraten, wenn sie die Rufbereitschaft schriftlich im Arbeitsvertrag fixieren, sofern keine Betriebsvereinbarung vorliegt. Es ist ratsam, die Rufbereitschaft nicht willkürlich zu verteilen, sondern jeden Mitarbeiter mal heranzuziehen. Die Rufbereitschaft muss – wie andere Zuschläge auch – vom Arbeitgeber nicht zwingend vergütet werden, sofern Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen nichts anderes sagen. Aber: Die Motivation jedes Arbeitnehmers tendiert vermutlich gen Null, wenn die Rufbereitschaft nicht als Sonderleistung vergütet wird.

1.7Arbeitszeit

1.7.1 Arbeitszeitgesetz

Definition Arbeitszeit

§ 2 ArbZG: »Arbeitszeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.«

§ 7 ArbZG: »In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, … die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt …

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2

Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.«

Im Arbeitszeitgesetz ist nicht genau geklärt, wo Arbeit beginnt und endet, und schon gar nicht, ob der Arbeitnehmer in der Arbeitszeit auch arbeitet. Die tägliche Arbeitszeit soll acht Stunden betragen, darf zehn Stunden nicht überschreiten, aber auf täglich 12 Stunden ausgedehnt werden, in Ausnahmefällen auch darüber. Somit kämen 60 Wochenstunden Arbeit zusammen, aber die wöchentliche Arbeitszeit darf 48 Stunden im Jahresdurchschnitt nicht überschreiten. Wie geht das in den 24-Stunden-Diensten?

Abweichend von den §§ 3, 5 und 6 Abs. 2 ArbZG kann die tägliche Arbeitszeit über acht Stunden hinaus verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Bereitschaftsdienst fällt. Hierbei darf die tägliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen maximal 24 Stunden betragen.

Wenn also Mitarbeiter in der ambulanten Versorgung bei einem Pflegebedürftigen eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung leisten, zählen nicht die gesamten 24 Stunden vor Ort als Arbeitszeit, sondern der Großteil ist Bereitschaftsdienst. Aber Vorsicht: Es gibt eine EU-Arbeitszeitrichtlinie, die den 24-Stunden-Schichten über eine Woche hinweg einen Riegel vorschiebt. Artikel 3 dieser EU-Arbeitszeitrichtlinie: »Die Mitgliedsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jedem Arbeitnehmer pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird.«

1.7.2 Tarifvertrag

TVöD-B § 6: »Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für … die Beschäftigten im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich …

Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/ dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden …

(6) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann ein wöchentlicher Arbeitszeitkorridor von bis zu 45 Stunden eingerichtet werden.

(7) Durch Betriebs-/Dienstvereinbarung kann in der Zeit von 6 bis 20 Uhr eine tägliche Rahmenzeit von bis zu zwölf Stunden eingeführt werden …

(8) Die Absätze 6 und 7 gelten nur alternativ und nicht bei Wechselschicht- und Schichtarbeit.«

TVöD-K § 6: »Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für … die Beschäftigten im Tarifgebiet West durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich, im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich.« Die sonstigen Regelungen sind identisch zu TVöD-B.

1.7.3 Arbeitszeit – Was gehört dazu?

Im ambulanten Dienst müssen Pflegekräfte die Schlüssel für Kunden, Auto sowie den Tourenplan abholen. Ist das Arbeitszeit? In Einrichtungen müssen sich die Pflegekräfte umziehen. Arbeitszeit oder nicht? Evtl. hat man vom Betriebsgelände bis zum eigentlichen Arbeitsplatz erhebliche Wege zurückzulegen. Von der Umkleide geht es über diverse Gänge und Wege zum Arbeitsplatz. Ist das Arbeitszeit?

Das Arbeitszeitgesetz sagt nicht, wann die Arbeitszeit beginnt und endet. Der Arbeitgeber entscheidet, wann und wo die Arbeitszeit beginnt, ggf. mit einer Zeiterfassung (Stechuhr o. ä). Somit definiert der Arbeitgeber den Beginn der Arbeitszeit:

Ambulant bei Abfahrt mit dem PKW zum ersten Kunden, aber nicht beim Betreten des Büros, um Schlüssel etc. in Empfang zu nehmen.

Stationär beim Dienstantritt auf Station, aber nicht beim Betreten des Gebäudes oder vor dem Anlegen der Dienstkleidung.

Allerdings kann der Arbeitgeber nicht willkürlich Beginn und Ende der Arbeitszeit festsetzen. Zum einen ist es mitbestimmungspflichtig, sofern es Betriebsrat oder Mitarbeitervertretung gibt; zum anderen gibt es Urteile deutscher Gerichte.

In einem Bundesarbeitsgerichtsurteil wurden die Umkleidezeiten als Arbeitszeit (Urteil vom 19. 09. 2012 – 5 AZR 678/11) gewertet. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die geleistete Arbeit im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit zu vergüten. Im Dezember 2013 hat das BAG ein Urteil aus dem September 2012 zur Frage veröffentlicht und geklärt, dass die Zeit für das Umkleiden zu den innerbetrieblichen Wegezeiten gehört und somit Arbeitszeit darstellt. In dem Fall klagte eine Krankenschwester, die für das Umkleiden und den Weg von der Umkleide zum Operationssaal rund 15 Minuten benötigte. Diese Zeit sah die Krankenschwester als Arbeitszeit – das höchste Arbeitsgericht gab ihr Recht.

Aus dem Urteil lässt sich aber nicht generell schließen, dass Umkleidezeit auch Arbeitszeit ist. Es kommt wesentlich darauf an, dass der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeitskleidung verlangt, die nur am Arbeitsort zu tragen ist und dass das Umkleiden damit zur Arbeit wird, weil der Arbeitnehmer ein fremdes Bedürfnis befriedigt. So sah es ein altes Urteil vom Bundesarbeitsgericht (11. 10. 2000 – 5 AZR 122/99), das sogar das Waschen als Arbeitszeit rechnet, wenn dieses Waschen/Duschen kein persönliches Bedürfnis der Arbeitnehmers darstellt, sondern zur Arbeit gehört.

In einem weiteren Urteil des BAG (19. 09. 2012 – 5 AZR 678/11) wurde ähnlich entschieden. Die Richter verdeutlichten:

Umkleidezeit ist Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden nur im Betrieb möglich ist oder dort erfolgen muss.

Wenn die Arbeitszeit mit dem Umkleiden beginnt, weil o.g Kriterien zutreffen, zählt auch der Weg von der Umkleide zum eigentlichen Arbeitsplatz und zurück zur Arbeitszeit.

Das ist auch dann der Fall, wenn es weder tarifliche Regelungen, Betriebsvereinbarungen oder sonstige Regelungen im Betrieb hierzu gibt.

Wie ist das mit den Fahrzeiten im ambulanten Dienst? Das Bundesarbeitsgericht hat hier die Richtung vorgegeben (Urteil vom 12. 12. 2012 – 5 AZR 355/12): Es bestätigte zunächst noch einmal die allgemeine Rechtsprechung, dass auch Fahrzeiten vom Betrieb zu Kunden oder auswärtigen Arbeitsstätten zur Arbeitszeit gehören. Aber es stand auch die Frage im Raum, wie diese Fahrzeit zu vergüten ist. Das höchste Gericht entschied: »Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden.«

Die Arbeitszeit im Auto bzw. bei der Fahrt zum nächsten Kunden dürfte wohl nur zur Hälfte der üblichen Arbeitsleistung vergütet werden.

Wenn Mitarbeiter Qualifizierungsmaßnahmen in eigenem Interesse anstreben, ist dies sicher anders zu werten. Schließlich haben Pflegekräfte auch die Pflicht sich fortzubilden. Daher kann man als Arbeitgeber entscheiden, die Fortbildung zu zahlen, aber die Fortbildungszeit nicht zu vergüten oder umgekehrt.

Anders sieht es der Tarifvertrag TVöD-B (§ 5 Abs. 5): »Die Kosten einer vom Arbeitgeber veranlassten Qualifizierungsmaßnahme – einschließlich Reisekosten – werden, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden, grundsätzlich vom Arbeitgeber getragen. Ein möglicher Eigenbeitrag wird durch eine Qualifizierungsvereinbarung geregelt. Die Betriebsparteien sind gehalten, die Grundsätze einer fairen Kostenverteilung unter Berücksichtigung des betrieblichen und individuellen Nutzens zu regeln. Ein Eigenbeitrag der Beschäftigten kann in Geld und/oder Zeit erfolgen.« Unter Absatz 6 heißt es: »Zeiten von vereinbarten Qualifizierungsmaßnahmen gelten als Arbeitszeit.«

»Waffen im Krieg um Talente« titelte der Wiesbadener Kurier6 im Dezember 2014. In dem Artikel ging es um Qualifizierungsmaßnahmen von Mitarbeitern. Die betrieblichen Weiterbildungen würden im Laufe der letzten Jahre immer mehr und immer teurer. Während 2010 noch 83 Prozent aller Betriebe Fortbildungen anboten, waren es 2013 schon 3 Prozent mehr. Die Kosten stiegen von 1.035 Euro je Weiterbildung auf 1.132 Euro. Auf alle Betriebe umgerechnet, sei das ein Anstieg von fünf Milliarden Euro auf 43 Milliarden im Jahr 2013. Die meisten Weiterbildungen (68 Prozent) fänden in der Arbeitszeit statt.

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Kein Pardon bei Arbeitszeitbetrug

Das hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 17. 02. 2014 – 16 Sa 1299/13) hatte folgenden Fall zu entscheiden: Ein langjähriger Arbeitsnehmer hatte mehrfach private Arbeitsunterbrechungen nicht mit dem Zeiterfassungsgerät erfasst. Somit erschlich er sich zusätzliche Pausen, die vom Arbeitgeber gezahlt wurden. Der Mitarbeiter war 25 Jahre im Betrieb und hatte den Arbeitgeber nachgewiesenermaßen mindestens um 3,5 Stunden binnen eineinhalb Monaten geprellt.

Der Mann wurde fristlos gekündigt. Ein hartes Urteil, aber der Mann umging die Zeiterfassung absichtlich.

In einem weiteren Fall (Urteil vom 12. 8. 2014) wurde eine stellvertretende Pflegedienstleitung fristlos gekündigt. Die Richter am Arbeitsgericht Köln (Az 14 Ca 3332/13) sahen es als Arbeitszeitbetrug, dass die PDL regelmäßig 15 Minuten vor Dienstende den Pflegedienst verließ oder schon Zeiten vor dem eigentlichen Dienstbeginn vermerkte, die nicht mit dem Dienstplan übereinstimmten.

1.8Überstunden und Mehrarbeit

Überstunden sind über die reguläre Arbeitszeit hinaus erbrachte Arbeitsstunden. Das Arbeitszeitgesetz sagt nichts zum Thema Überstunden. Überstunden sind also eine Sache zwischen Arbeitgeber und -nehmer. Regelt der Arbeitgeber nichts, gibt es folglich auch keine Überstunden. Der Arbeitgeber kann aber Überstunden und Mehrarbeit bereits im Arbeitsvertrag festlegen und per Weisungsrecht im Bedarfsfall anordnen. Dieses Weisungsrecht des Arbeitgebers findet seine Grenzen in den Vorschriften der Gesetze. Das Weisungsrecht darf nach § 315 BGB nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Eine derartige Leistungsbestimmung muss sich auch an den Sollvorschriften des Arbeitszeitgesetzes (hier: § 1 Abs. 1 Satz 2 KrAZO, tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden und Pausenregelung) ausrichten, anderenfalls kann sie unbillig im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB sein.

§ 6 Abs. 5 TVöD-B definiert etwas anders: »Die Beschäftigten sind im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie – bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung – zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.«

Für Auszubildende gilt, dass die Überstunden finanziell abzugelten sind. § 17 Abs. 3 Altenpflegegesetz und § 12 Abs. 3 Krankenpflegegesetz: »Eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung ist nur ausnahmsweise zulässig und besonders zu vergüten.«

Überstunden sind auf Anordnung geleistete Arbeit über die 39 Stunden (West)/40 Stunden (Ost) pro Woche hinaus, sofern die Zeit nicht in der Folgewoche ausgeglichen wird. Überstunden gibt es also nur, wenn über den Rahmendienstplan hinaus gearbeitet und in der Folgewoche nicht ausgeglichen wird. Zu letzterem gibt es aber bereits ein anderes Urteil vom BAG »dass die im Schichtplan ausgewiesenen, erbrachten Stunden nur dann Überstunden sind, wenn die regelmäßige Arbeitszeit bezogen auf die gesamte Dauer des Schichtplanturnus überschritten wird.«

Überstunden darf man sich nicht einfach selbst verordnen, sog. »Bummelstunden« am Ende der Schicht sind eine Grauzone. Andererseits muss man sich in Notfällen die Überstunden selbst anordnen. Wenn beispielsweise am Abend der Nachtdienst verspätet eintrifft, kann die aktuelle Schichtleitung im Spätdienst nicht einfach die Arbeit verlassen.

Mehrarbeit hingegen betrifft oft die Teilzeitbeschäftigten. Auch hierzu hat das Arbeitszeitgesetz keine Regelung parat. Mehrarbeit trifft dann zu, wenn Teilzeitbeschäftigte über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeit erbringen – bis hin zur Grenze eines Vollbeschäftigten. Wenn eine Teilzeitkraft einen 20-Stunden-Vertrag hat, aber in der Woche 35 Stunden arbeitet, hat sie 15 Stunden Mehrarbeit geleistet, keine Überstunden.

1.8.1 Überstunden – so urteilten Gerichte

Kündigung wegen Arbeitsverweigerung

Einem Arbeitnehmer in Rheinland Pfalz wurde wegen Arbeitsverweigerung gekündigt, weil er es ablehnte, Überstunden zu leisten, obwohl die betrieblichen Gegebenheiten dies dringend erforderten und es im Arbeitsvertrag geregelt war (LarbG Rheinland-Pfalz, 25. 05. 2007, 6 Sa 143/07). Die fristlose Kündigung wurde auch deshalb ausgesprochen, weil der Arbeitnehmer gegenüber dem Vorgesetzten verbal ausfällig wurde, als dieser den Mitarbeiter wegen notwendiger Überstunden ansprach.

Überstunden gemäß Arbeitsvertrag schon inbegriffen

Wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vorsorgliche Regelungen zu Überstunden trifft, müssen diese präzise formuliert sein. Ein Mitarbeiter hatte in seinem Vertrag folgende Regel: »Der Arbeitnehmer ist bei betrieblicher Erfordernis auch zur Mehrarbeit verpflichtet« und »der Arbeitnehmer erhält für die Über- und Mehrarbeit keine weitergehende Vergütung.« Das BAG (Urteil v. 22. 2. 2012 – AZ: 5 AZR 765/10) erklärte diese Formulierung für unwirksam, weil der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages gar nicht abschätzen konnte, »was auf ihn zukommt« und wie viel er für sein festes Gehalt tatsächlich arbeiten muss. Deshalb musste der Arbeitgeber dem Kläger alle 968 geleisteten Überstunden nachträglich bezahlen.

Zehn Überstunden pro Monat bei einer 40-Stunden-Woche können mit dem Gehalt abgegolten werden, meinte hingegen das LAG Hamm (Urteil v. 22. Mai 2012 – 19 Sa 1720/11) und gab dem Arbeitgeber Recht, der diese Klausel vertraglich festlegte.

Wie weit lässt sich das ausdehnen mit den unbezahlten Überstunden? Muss eine PDL 40 Überstunden im Monat leisten, ohne Freizeitausgleich oder Entgelt? Entsprechend der höchstrichterlichen Entscheidung am BAG 2012 muss nur bei einer deutlich herausgehobenen Vergütung davon ausgegangen werden, dass Überstunden inbegriffen sind. »Herausgehoben« meint, dass das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet (BAG, Urteil v. 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10). In Westdeutschland aktuell also 5.800 Euro, in Ostdeutschland 4.900 Euro pro Monat. Das wiederum impliziert, dass Arbeitnehmer, die weniger verdienen, davon ausgehen dürfen, dass Überstunden nicht Bestandteil ihres Monatsgehaltes sind.

Wann ist eine Überstunde eine Überstunde? Am 25. 04. 2013 (6 AZR 800/11) nahm das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung von Überstunden und regelmäßiger Arbeitszeit bei Schichtarbeit im Rahmen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) Stellung. Wobei einige Begründungen zum Urteil arbeitnehmerfreundlich sind, andere nicht. Das Gericht interpretierte Ausführungen zu Überstunden im TVöD wie folgt: »… dass die im Schichtplan ausgewiesenen, erbrachten Stunden nur dann Überstunden sind, wenn die regelmäßige Arbeitszeit bezogen auf die gesamte Dauer des Schichtplanturnus überschritten wird.« (Rn 24);

»Unter »Schichtplanturnus« ist der Zeitraum zu verstehen, für den der Schichtplan oder Dienstplan im Vorhinein aufgestellt ist […] Synonym hätten die Tarifvertragsparteien auch die Worte Umlauf oder Zyklus verwenden können […]« (Rn 26);

Überstunden entstehen »[…] erst, aber auch immer dann, wenn die im Schichtplan eingeplanten Arbeitsstunden nicht innerhalb des Schichtplanturnus so ausgeglichen werden, dass im Durchschnitt dieses Turnus die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit iSd § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD erreicht wird […]« (Rn 27);

Schichtplanturnus ist der Zeitraum, » […] für den der Schicht- oder Dienstplan im Voraus festgelegt wird. Dadurch können bereits bei der Erstellung des Schichtplans Schwankungen im prognostizierten Arbeitsanfall über seine Laufzeit hinweg berücksichtigt werden. Zudem werden Spielräume eröffnet, die es ermöglichen, noch abweichend vom (ursprünglichen) Schichtplan Arbeitsstunden in einer Schichtplanänderung anzuordnen, ohne dass dadurch Überstunden entstehen, wenn bezogen auf die gesamte Laufzeit des Schichtplans die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht überschritten wird.« (Rn 28);

»[…] Bei Stunden, die […] im Schichtplan – sei es bei dessen Aufstellung, sei es infolge späterer Änderungen/Ergänzungen des Plans – vorgesehen (festgesetzt) sind, können Überstunden nach der Regelung in § 7 Abs. 8 Buchst. C TVöD nur dann entstehen, wenn mehr Stunden vorgesehen sind, als sie ein Vollzeitbeschäftigter erbringen müsste. Ob tatsächlich Überstunden geleistet worden sind, ergibt sich in diesem Fall allerdings erst aus dem am Ende eines Schichtplanturnus vorzunehmenden Abgleich zwischen der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung und der von einem Vollzeitbeschäftigten in diesem Zeitraum geschuldeten Arbeit.« (Rn 38).

Arbeitsrechtsexperten7 sehen in diesen richtungsweisenden Urteilen zunächst zwei wichtige Klarstellungen für die betriebliche Praxis:

1. Überstunden können auch dann entstehen, wenn diese Arbeitsstunden bereits bei der Aufstellung des Schichtplans vorgesehen waren, also planmäßig geleistet werden. Entscheidend ist, dass die im Rahmen des Schichtplans vorgesehenen Arbeitsstunden am Ende des Schichtplanturnus die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten. Das bedeutet zugleich, dass Überstunden auch für Teilzeitbeschäftigte erst dann entstehen, wenn diese (bezogen auf den Schichtplanturnus) dieses (Vollzeit-)Niveau überschreiten.

2. Die vom Beschäftigten zu leistenden Arbeitsstunden müssen nicht bereits vor Beginn des Schichtplanturnus »durchgeplant« sein. Vielmehr kann die regelmäßige Arbeitszeit auch innerhalb des Schichtplanturnus noch ergänzt oder »umgeplant« werden. Das ist besonders bedeutsam für Schichtmodelle, in denen der »Grundschichtplan« (als Abfolge der fest geplanten Schichten in einem bestimmten Zeitraum) noch nicht die vollständige Arbeitszeit verplant. Die zunächst nicht verplante Arbeitszeit kann also noch während des Schichtplanturnus nach den jeweiligen betrieblichen Regelungen »hinzugeplant« werden.«

Das bedeutet: Überstunden entstehen auch dann, wenn im Dienstplan bereits »überplant wird«, also in einem Monat statt beispielsweise 164 Stunden 168 Stunden verplant werden. Andererseits können über die im Dienstplan hinaus ausgewiesenen Stunden weitere Überstunden entstehen. Nach Meinung einiger Experten ist es Arbeitgebern nicht erlaubt, noch Änderungen vorzunehmen, wenn der Dienstplan feststeht, oder gar den Mitarbeiter noch nicht voll zu verplanen, sondern mit »Minus« zu planen, um Verschiebungen vornehmen zu können oder andere Zeiten abzufangen.

1.9Sonn- und Feiertage

In der Pflege herrscht – wie bei anderen Dienstleistungen und vielen Fertigungsbetrieben auch – Dauerbetrieb. Im TVöD-B steht sogar, dass Mitarbeiter in der Pflege zur Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet sind. § 6 Abs. 5: »Die Beschäftigten sind im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie – bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung – zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.« Da der Tarifvertrag nicht nur für Pflegekräfte gilt, sondern auch für die Betreuung, wäre es dringend angeraten, die gängige Praxis, dass sog. § 87b-Kräfte und Betreuungsmitarbeiter sonn- und feiertags nicht anwesend sind, zu kippen.

Im Arbeitszeitgesetz gibt es keine Pflicht zur Sonntagsarbeit, nur die Notwendigkeit, wenn der Arbeitgeber in den im § 10 ArbZG genannten Branchen beschäftigt. Abs. 1: »Sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können, dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen abweichend von § 9 beschäftigt werden … 3. in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen …« Auch hier wird klar: Betreuungskräfte, Alltagsbegleiter, Physiotherapeuten und weitere Angestellte dürften an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. Ebenso wie die Verwaltung, die an Wochenenden derzeit leider nicht arbeitet. Aber gerade am Wochenende kommen in Pflegeheimen die Angehörigen und Besucher. Weil in der Verwaltung niemand ist, wenden sie sich an die Pflegekräfte …

Gemäß § 11 ArbZG müssen 15 Sonntage im Jahr freigegeben werden, in der Pflege mindestens zehn freie Sonntage. Aber: Wer Pflegekräfte geringfügig beschäftigt und diese sozialversicherungspflichtig an einem anderen Arbeitsort arbeiten lässt, muss überprüfen, ob diese zehn Sonntage frei haben. Auf Nummer Sicher geht, wer die Pflegekraft unterschreiben lässt, dass sie darauf hingewiesen wurde, dass sie die Sonntage aus der Erstarbeitsstelle angeben muss, damit sie nicht mehr als zehn Sonntage im Jahr arbeitet.

Wer an einem Sonn- und Feiertag arbeitet, muss dafür einen Ersatztag Ruhe erhalten. § 11 Abs. 3 ArbZG: »Werden Arbeitnehmer an einem Sonntag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren ist.« Der Ersatzruhetag ist in aller Regel leicht zu erfüllen, wenn ein Mitarbeiter am Sonntag arbeitet und binnen zwei Wochen einen Samstag frei hat. Samstage sind per Gesetz Werktage.

Der Arbeitgeber muss darauf achten, dass der Mitarbeiter nicht am Freitag vor dem freien Samstag Spätdienst leistet, sonst wird es mit der Ruhezeit knapp. 4 § Abs. 11 ArbZG: »Die Sonn- oder Feiertagsruhe des § 9 oder der Ersatzruhetag des Absatzes 3 ist den Arbeitnehmern unmittelbar in Verbindung mit einer Ruhezeit nach § 5 zu gewähren, soweit dem technische oder arbeitsorganisatorische Gründe nicht entgegenstehen.«

Zu den Feiertagen heißt es weiter in § 11 Abs. 3: »Werden Arbeitnehmer an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist.« Auch hier bin ich ziemlich sicher, dass man es problemlos schafft, für einen Feiertag einen Ersatzruhetag an einem Werktag, z. B. Samstag, binnen der nächsten acht Wochen zu finden.

Diese Ersatzruhetage wären demnach zu deklarieren, das zumindest propagieren gewerkschaftsnahe Mitarbeiter. Ist der Ersatzruhetag deklariert, z. B. als »Frei für den 1.5.« und der Mitarbeiter erkrankt just an diesem Ersatzruhetag, bekäme er den Ersatzruhetag erneut zugesprochen.

Im TVöD-B ist die Sonntagsarbeit natürlich etwas besser geregelt als im Arbeitszeitgesetz. § 6 Abs. 3: »Beschäftigte, die regelmäßig an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen, erhalten innerhalb von zwei Wochen zwei arbeitsfreie Tage. Hiervon soll ein freier Tag auf einen Sonntag fallen.« Es sollte jedes zweite Wochenende am Stück frei sein. »Soll« steht da, nicht »muss«. Es gibt also keinen fixen Anspruch auf jedes zweite Wochenende.

Zu den Feiertagen heißt es im § 11 Abs. 3 ArbZG: »Werden Arbeitnehmer an einem auf einen Werktag fallenden Feiertag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von acht Wochen zu gewähren ist.« Fällt der Feiertag auf einen Sonntag, ist dieser wie ein Sonntag zu sehen. Fällt der Feiertag auf einen Werktag, muss dieser Feiertag an einem Werktag ausgeglichen werden. Wie beim Sonntag auch, muss die Ruhezeit, in der Pflege: zehn Stunden, diesem Ersatzruhetag vorweggestellt werden. Hat ein Mitarbeiter freitags bis 14:00 Uhr Dienst und am Samstag frei, so ist dieser Werktag der Ersatztag für einen vorangegangenen Feiertag oder Sonntag.

§ 6.1 TVöD-B: »Die Arbeitszeit an einem gesetzlichen Feiertag, der auf einen Werktag fällt, wird durch eine entsprechende Freistellung an einem anderen Werktag bis zum Ende des dritten Kalendermonats – möglichst aber schon bis zum Ende des nächsten Kalendermonats – ausgeglichen, wenn es die betrieblichen Verhältnisse zulassen.«

1.9.1 Mehr Geld für Feiertagsarbeit?

Klare Antwort: Nein. Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil v. 11. 1. 2006 – 5 AZR 97/06) entschied, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonn- und Feiertagszuschläge gibt. Es blieb unstrittig, dass Arbeitnehmer gemäß § 11 ArbZG Anspruch auf einen freien Ersatztag haben, das impliziert aber kein höheres Gehalt. Der Arbeitnehmer hat auch keinen Anspruch auf einen bezahlten freien Tag, urteilten die Richter in einem anderen Fall (BAG, Urteil v. 13. 7. 2006 – 6 AZR 55/06). »Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm sei kein Freizeitausgleich im tariflichen Sinne gewährt worden, indem er seinen Ausgleichstag an einem für ihn ohnehin arbeitsfreien Tag erhalten habe. Ihm stehe je ein bezahlter freier Tag als Ausgleich für die Arbeit an einem Sonntag zu. … Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf zusätzliche Bezahlung. Das beklagte Land hat dem Kläger für die Sonntagsarbeit am 4. April 2004 entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag, dem 13. April 2004, gewährt.« Also: Wenn der Arbeitnehmer an einem Sonntag arbeitet und an einem der folgenden Samstage frei hat, ist das (wenn die Ruhezeit von zehn Stunden eingehalten wurde) bereits der Ersatzruhetag. Beispiel: Ein Verwaltungsmitarbeiter oder Betreuungsmitarbeiter, der sonst nicht an Sonntagen arbeitet, muss beim Sommerfest, das an einem Sonntag stattfindet, arbeiten. Diesen gearbeiteten Sonntag hat er schon am kommenden Wochenende raus, wenn er – wie immer am Samstag – frei hat.

1.10Pausen

§ 4 ArbZG : »Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.«

Im Dienstplan sollten die Pausen festgelegt werden, zumindest Pausenkorridore. Im ambulanten Bereich kann die Pause sehr individuell auf dem Tourenplan notiert werden.

Gängige Praxis und von vielen Mitarbeiten auch so gewollt ist es, auf die Pause zu verzichten und stattdessen früher zu gehen oder sich eine Mehrarbeit von 30 Minuten aufzuschreiben. Weil man die 30 Minuten Pause nicht nehmen konnte, hängt man diese als Arbeitszeit hinter den Dienst. Insbesondere in ambulanten Diensten sind die gesetzlich verpflichtenden Pausen von 30 Minuten unbeliebt.

Doch der Arbeitgeber muss darauf achten, dass die Ruhepausen nach spätestens sechs Arbeitsstunden genommen werden. Das Gesetz sagt eindeutig: »Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.« Es ist vorstellbar, dass sich ein Mitarbeiter darauf beruft, dass er wegen Erschöpfung einen Fehler beging, weil sein Arbeitgeber nicht für die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause sorgte. Wenn Sie als Vorgesetzter den Dienst-Tourenplan verantworten, müssen Sie 30 Minuten Pause nach spätestens sechs Stunden Arbeitszeit einplanen. Die Pause von 30 Minuten muss nicht am Stück gegeben werden, sondern kann auch auf zweimal 15 Minuten verteilt werden.

Wenn Mitarbeiter länger als neun Stunden arbeiten, müssen sie 45 Minuten Pause gewährt bekommen. Auch das ist Pflicht.

1.10.1 Kann die Pause pauschal abgezogen werden?

Das sah die Kammer am Arbeitsgericht in Hamm so (Az.: 3 Ca 1634/11), als sie im Januar 2013 entschied, dass der Arbeitgeber Pausen organisieren und prüfen müsse, um sie pauschal anzurechnen. Im konkreten Fall klagte ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber, weil dieser die Pausen täglich pauschal abgezogen habe, obwohl der Arbeitnehmer die Pause nicht immer habe nehmen können. Die Richter begründeten ihr Urteil zugunsten des Arbeitnehmers wie folgt: »Es sei nicht ersichtlich, dass die tatsächliche Einhaltung jeweils geprüft wurde.« Bei einer solchen Vorgehensweise habe die Beklagte ihre Pflicht zur Pausengewährung nicht erfüllt. Wenn der Kläger nunmehr vortrage, dass er tatsächlich die gesamte erfasste Zeit Dienstleistungen erbracht habe und eine konkrete Pausenerfassung und/oder Bestimmung nicht ersichtlich sei, wäre es wohl zunächst Sache der Beklagten, darzulegen, inwieweit Pausen auch tatsächlich eingehalten wurden.

Das LAG Schleswig-Holstein, (Urteil v. 14. 01. 09, 6 Sa 347/08) führte in einem vergleichbaren Fall aus: »Nicht ordnungsgemäß festgelegte und eingehaltene Ruhepausen gelten als Arbeitszeit und sind als solche zu bezahlen (BA G 05. 05. 1988 – 6 AZR 658/85 –, AP Nr. 1 zu § 3 AzO Kr; 27. 02. 1992 – 6 AZR 47 8/90 –, AP Nr. 5 zu § 3 AzO Kr; 23 .09. 1992 – 6 AZR 478/90 –, AP Nr. 6 zu § 3 AzO Kr). Erst wenn der Arbeitgeber dargelegt hat, dass er die Ruhepausen ordnungsgemäß festgelegt und dafür gesorgt hat, dass sie tatsächlich genommen werden können, muss der Arbeitnehmer vortragen, warum es ihm dennoch nicht möglich war, die festgelegten Pausen in Anspruch zu nehmen (vgl. Küttner/Reinicke, Personalbuch 2008, Pause Rdn. 10).«

1.10.2 Zählt Rauchen zur Pause?

»Rauchen ist Privatsache und wird nicht anders behandelt als das Einkaufen während der Arbeitszeit. Es gibt somit keinen dahingehenden Rechtsanspruch«, kommentierte der Kölner Rechtsanwalt Michael Beuger in der Frankfurter Rundschau8. Die gängige Praxis, dass Arbeitnehmer zum Rauchen gehen – außerhalb von Pausen und in der Arbeitszeit – muss der Arbeitgeber nicht dulden. Er kann verlangen, dass Raucher die Arbeitszeit unterbrechen, also »ausstempeln«, und die Arbeitszeit nachholen. Weiter heißt es in dem Artikel: »Wird die Raucherpause von einem Tag auf den anderen untersagt, müssen Betroffene dies auch akzeptieren: Ein Anspruch für die Zukunft besteht selbst nach jahrelanger Duldung im Unternehmen nicht. Gibt es einen Betriebsrat, hat dieser allerdings bei einem Komplettverbot ein Mitbestimmungsrecht.«

Das bedeutet, dass dem Raucher nicht generell Pausen abgezogen werden, nur weil er während der Arbeit zum Rauchen geht. Wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer 4- bis 5-mal pro Dienst Rauchen geht, kann der Arbeitgeber nicht sagen, das wären 4- bis 5-mal je fünf bis 10 Minuten Pause. Die kleinste Einheit bei der Pause sind 15 Minuten (§ 4 ArbZG). Andererseits muss der Arbeitgeber das Rauchen zwischendurch auch nicht dulden. Es gilt hier, ein gesundes Mittelmaß zu finden.

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1LAG Frankfurt am Main, 5 SaGa 1623/02, im Internet: http://www.rp-online.de

Details

Seiten
ISBN (ePUB)
9783842690400
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2020 (März)
Schlagworte
digitales Dienstplanprogramm Arbeitsorganisation Arbeitszeitmodelle Planung Altenpflege

Autoren

  • Jutta König (Autor:in)

  • Manuela Raiß (Autor:in)

Jutta König ist Wirtschaftsdiplom-Betriebswirtin Gesundheit (VWA) und Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet. Sie unterrichtet Pflegesachverständige und Pflegeberater, arbeitet als Unternehmensberaterin und Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heim- und Betreuungsrecht. Manuela Raiß ist Altenpflegerin, Pflegewissenschaftlerin (Master ScN) und Diplom-Pflegemanagerin (FH). Sie ist freiberuflich als Pflegesachverständige und Qualitätsbeauftragte tätig. Als Fachbuchautorin und Dozentin liegt ihr Schwerpunkt im SGB XI, SGB V und Heimgesetz/ Betreuungsrecht.
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Titel: Dienstplangestaltung